Bd. 2: Der deutsche Landkrieg, Zweiter Teil:
Vom Frühjahr 1915 bis zum Winter 1916/1917
Kapitel 7: Der Krieg auf der deutschen Ostfront
1916 (Forts.)
Oberst Friedrich Immanuel
4. Abschluß der Kämpfe 1916 auf der
Ostfront.
Die "Brussilow-Angriffe" legten dem russischen Heere furchtbare Blutopfer auf,
indes ihre greifbaren Ergebnisse sehr geringfügig waren. Gegen die
"deutsche Front" konnte überhaupt kein Boden gewonnen werden, so
rücksichtslos sich auch die besten russischen Truppen in ungezählten
Sturmläufen einsetzten. Auf der
"österreichisch-ungarischen Front" wurde bei Luck, Brody, Czernowitz,
Stanislau zwar Gelände erobert, allein die Hauptziele, nämlich die
Besetzung von Lemberg und der Einbruch über die
Mittel-Karpathen nach Siebenbürgen, blieben den Russen unerreichbar. Die
wirklich großen strategischen Ergebnisse der außerordentlichen
Opfer, die Entlastung der Verbündeten in Frankreich und an der
italienischen Grenze, blieben den Massen Rußlands versagt. Man beklagte
es vielmehr, daß sich Rußland für die Entente opfere und keine
Gegendienste erfahre, ja daß es sogar Truppen zur Hilfeleistung nach
Rumänien entsenden müsse. Der deutsche Widerstand und der
österreichisch-ungarische, sofern er durch deutsche Truppen unmittelbar
gestützt wurde, erwies sich als unbrechbar, obwohl die
zahlenmäßige Übermacht der Russen eine mehrfache war. Ihre
Armeen brachen zwischen Hügeln von Leichen vor den deutschen
Hindernissen in Sumpf und Wald zusammen, die letzten Aussichten auf einen
guten Ausgang begrabend.
Es war kein glücklicher Gedanke der Berater des Zaren, als sie ihn im
Herbst 1915 veranlaßten, selbst den Oberbefehl zu übernehmen.
Hiermit trug er in den Augen von Volk und Heer die Verantwortung für alle
Niederlagen und für das in Strömen vergossene Blut. Sie
nährten und förderten in ganz Rußland, auch innerhalb der
Ersatz- und Besatzungstruppen, die Lehre von der notwendigen Revolution,
gepredigt durch sozialistische und bolschewistische Sendboten. Sie machten vor
dem Frontheere nicht halt; gerade dorthin wurden die Verhetzungen durch die
jungen Kriegsoffiziere getragen, die man aus den Kreisen des "gebildeten
Proletariats" - Studenten und Zöglinge höherer
Lehranstalten - notgedrungen ernennen mußte. Dazu trat die Strenge
des Winters 1916/17. "Höret ihr Männer in den eisigen
Schützengraben, wie man sich in Petersburg und Moskau im wilden
Taumel des Weines und der Liebe vergnügt? [480] Sie haben heute Nacht
auf eure Kosten viele Millionen verpraßt! Höret ihr es, Kranke und
Krüppel, welchen der Krieg Arme und Beine, Gesundheit und
Lebensfreude entrissen hat? Tretet beiseite, ihr braven Soldaten, ihr Armen und
Elenden! Räume, ehrliches und tapferes Russenvolk, den Platz vor
Schurken und Lumpen!" Solche Stimmen,24 durch die ganze Front und durch das
weite Rußland mit Feuereifer weitergetragen, ergriffen die am Siege
verzweifelnden Herzen. Und man hörte
sie - vor allem in den schneeverwehten Schützengräben, deren
Besatzungen unter dem frischen Eindruck der
"Brussilow-Angriffe" standen.
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