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Bd. 5: Der österreichisch-ungarische Krieg

Bearbeitet von
Feldmarschalleutnant Max Hoen, Feldmarschalleutnant Josef Metzger,
Oberst Robert Ritter v. Pohl, General der Infanterie Alfred Krauß,
Feldmarschalleutnant Theodor Konopicky, Generalmajor Anton Ritter v. Pitreich,
Oberstleutnant Edmund Glaise, Oberstleutnant a. D. Rudolf Kißling, Oberst Georg Veith,
Oberstleutnant Walter Adam, Linienschiffsleutnant Peter Freiherr v. Handel-Mazzetti,
Fregattenleutnant Viktor Igálffy v. Igaly
Scriptorium merkt an:
an dieser Stelle verweisen wir
noch besonders auf den Bildband
"Österreich-Ungarn im Weltkrieg:
Wirklichkeitsaufnahmen"

ausgewählt und zusammengestellt
von Max Bauer.
[V] Vorwort

In der Darstellung des "Großen Krieges 1914-1918" gebührt dem verbündeten Österreich-Ungarn ein hervorragender Anteil; ihm ist dieser fünfte Band gewidmet. Die Donaumonarchie ist der einzige Verbündete, den das Deutsche Reich im Kampf um seine Existenz vom ersten Tage des aufflammenden Streits bis zum Zusammenbruch besaß. - Gewiß: Österreich-Ungarn war seit langen Jahren mit Deutschland im engen Bündnis. Aber das waren andere Staaten auch, und sie haben trotzdem keine Minute gezögert, das Band als gelöst zu erklären, als sie keinen Vorteil mehr für sich selbst damit verknüpft glaubten. Sie haben sich ohne moralische Bedenken den übermächtigen Gegnern zugesellt, als sie glaubten, durch ihren Eintritt in den Krieg einen entsprechenden Lohn für ihre Treulosigkeit zu gewinnen. Auch bei Österreich-Ungarn haben die Versuche nicht gefehlt, es von Deutschlands Seite abzuziehen und in den Ring der Einkreisungs- und Vernichtungspolitik durch Drohungen und Versprechungen hineinzulocken. Daß der greise Kaiser Franz Josef, der sicherlich das herrannahende Kriegsverhängnis kommen sah, dem persönlichen Versuch König Eduards widerstand, war eine dankenswerte Tat.

Es ist eine müßige Frage, ob Österreich-Ungarn heute noch als Großmacht bestände, wenn es sich damals Deutschlands Gegnern angeschlossen hätte. Wahrscheinlich ist es nicht; der erstrebten Niederlage Deutschlands hätte sich auch in diesem Falle eine rücksichtslose Zerreißung der Donaumonarchie angeschlossen; der schroffe Gegensatz der serbischen und russischen Slawen würde auch dann für den in seiner Energie und Tatkraft gefürchteten Erzherzog Franz Ferdinand einen Mörder gefunden haben.

Als Kaiser Franz Josef in Ischl die Versuchungen des englischen Königs von sich wies, war nicht vorauszusehen, daß nicht in Deutschland, sondern in Österreich-Ungarn der unmittelbare Anstoß zum Ausbruch des Weltkrieges liegen sollte, daß die Donaumonarchie zuerst vor die Frage gestellt werden würde, ob sie sich wehrlos allslawischen Verbrechen würde beugen oder an die Waffen appellieren müssen. Daß ihre Völker, daß ihr Heer durch den Meuchelmord in Sarajevo eines zielbewußten, tatkräftigen Führers beraubt wurden, ist eine Kriegsvorbereitung gewesen, wie sie wirkungsvoller kaum geplant und durchgeführt werden konnte. Österreich-Ungarns Geschick ist auch Deutschlands Geschick geworden. Und so wie sich die Verhältnisse in Europa (dank der in ihrer Unfähigkeit völlig versagenden äußeren Politik Deutschlands) entwickelt hatten, [VI] würde der gleiche gemeinsame Schicksalskampf auch ohne das Belgrader Ultimatum unvermeidbar gewesen sein.

Die Tatsache, daß beide Staaten den Weltkrieg Schulter an Schulter in engster Waffenbrüderschaft haben durchkämpfen, und der gewaltige Anteil, den Österreich-Ungarn in dem ungeheuren Ringen hat übernehmen müssen und aufopferungsvoll auf sich genommen hat, verpflichtet das deutsche Volk zu tiefstem Dank - trotz vieler unerfreulicher Erscheinungen, die in einer so langen Zeit schwersten Drucks unausbleiblich waren und in ähnlicher, vielfach gesteigerter Form auch bei den Gegnern hervorgetreten sind. - Für die Schilderung der Kämpfe Österreich-Ungarns mußte die Frage erwogen werden, ob diese Darstellung österreichischen oder reichsdeutschen Bearbeitern anvertraut werden sollte. Denn es konnte keinem Zweifel unterliegen, daß - bei aller Gemeinsamkeit der Interessen und des Handelns beider Verbündeten - sehr viele Momente voneinander abweichender, ja gegensätzlicher Anschauungen und Entschlüsse vorhanden gewesen sind; daß die politische, wirtschaftliche und militärische Leitung, die operative und taktische Führung, die Zusammenarbeit der Völker und Truppen nicht immer den Einklang gehabt oder bis zum Schluß gewonnen haben, der für ein siegreiches Ende des Ringens notwendig gewesen wäre. Diese gegensätzlichen Anschauungen werden, bei allem Streben nach Unparteilichkeit, naturgemäß auch in der Schilderung und Beurteilung der Ereignisse zum Ausdruck kommen, wenn sie von österreichischer Seite gegeben wird. Eine gewisse Uneinheitlichkeit in der Gesamtdarstellung muß die Folge sein - aber sie ist bewußt in den Kauf genommen worden, als die Aufforderung zur Mitarbeit an die alten Verbündeten erging.

Der nächste Grund, diese Lösung als die einzig zweckmäßige anzusehen, lag in der Möglichkeit einer unbeschränkten Benutzung der bereitwilligst zur Verfügung gestellten Dokumente und Akten - auch der reichsdeutschen Bearbeitern nicht zugänglichen - und persönlichen Aufzeichnungen der Beteiligten. Dazu trat aber die weitere Rücksicht, daß - wie in der Einleitung zum ersten Bande zum Ausdruck gebracht ist - die Schilderung möglichst Persönlichkeiten anvertraut werden sollte, die durch ihre Dienststellung während des Krieges in der Lage waren, aus eigener Kenntnis oder gar aus eigener Mitarbeit an den Dingen zu berichten und zu beurteilen. Vor allem aber war es die Überzeugung, daß nur sie in ihrer Kenntnis der Unterlagen im Augenblick des Geschehens die Gewähr für eine richtige Einschätzung der damals im Drang der Ereignisse und in der Ungewißheit und Unklarheit der Verhältnisse gefaßten Entschlüsse boten.

Zweifellos würden manche der Geschehnisse von reichsdeutscher Seite anders aufgefaßt und dargestellt werden, als es hier von österreichischer Seite geschieht. Inwieweit abweichende Auffassungen auf die Entschlüsse der deutschen Obersten Heeresleitung und anderer Führer von maßgebendem Einfluß gewesen sind, wird sich ohne weiteres aus den anderen Bänden des Kriegswerks [VII] ergeben. Hier, wo die von österreichisch-ungarischen Führern und Truppen gefaßten Entschlüsse und zur Tat gewordenen Kämpfe dargestellt werden, durften sie nur aus den Grundlagen entwickelt werden, die diesen im Augenblick des Geschehens zur Verfügung standen. Nicht zu vermeiden ist auch die Kennzeichnung der Momente, wo die österreichische Auffassung von der reichsdeutschen abwich. Wenn diese Darlegung aber in möglichst unvoreingenommener, unparteiischer Weise erfolgt, kann dies nur zu gegenseitiger Klärung führen.

Die Aufforderung zur Mitarbeit ist von den Kameraden des damals verbündeten k. u. k. Heeres warm und freudig begrüßt worden; fast alle, an die die Bitte gerichtet wurde, haben ihre Mitarbeit bereitwilligst zugesagt. Die vom Kriege her wohlbekannten Namen der Verfasser der einzelnen Abschnitte und ihre Dienststellung während des Krieges bieten die Gewähr für eine der Wirklichkeit der Geschehnisse entsprechende Darstellung. Sie waren durchweg in der Lage, klaren Einblick in die Verhältnisse zu gewinnen und haben sie vielfach selbst in maßgebender Weise beeinflussen können. Ihnen allen für ihre hingebungsvolle Mitarbeit zu danken, ist mir eine vornehme, liebe Pflicht. Der Besten Einem hat der Tod während der Arbeit die Feder aus der immer fleißigen Hand genommen: Feldmarschalleutnant Metzger, der in den ersten Kriegsjahren rechte Hand und unermüdlicher, treuer Gehilfe des Chefs des Generalstabes, Feldmarschalls Conrad v. Hötzendorf war und der die hohe Wertschätzung, die er bei allen, die mit ihm in Verkehr treten durften, auf deutscher Seite noch weiter befestigen konnte, als er in der letzten Kriegszeit als Führer einer tapferen k. u. k. Infanteriedivision auf dem westlichen Kriegsschauplatz vor Verdun eingesetzt wurde und die schweren Kämpfe des Sommers und Herbstes 1918 bis zum Waffenstillstand mit durchfechten mußte.

Bei der Gewinnung der Mitarbeiter, der Stoffgliederung, der Arbeitsverteilung und der Durchführung stellten sich von den Kameraden des k. u. k. Heeres zwei besonders tatkräftige, wertvolle Gehilfen zur Verfügung: Feldmarschalleutnant Max Ritter v. Hoen - jetzt Direktor des Wiener Kriegsarchivs - und Oberstleutnant Edmund Glaise v. Horstenau - jetzt Staatsarchivar - haben sich, neben ihrer schriftstellerischen Mitarbeit, in aufopferungsvollster Weise in den organisatorischen Dienst des Kriegswerks gestellt; ihnen sei für ihre wertvolle Hilfe und Unterstützung hier besonders gedankt.

Ich glaube, daß alle Mitarbeiter dieses Bandes das Ziel voll erreicht haben, durch die Schilderung der - trotz mancher unerfreulichen Ereignisse - gewaltigen Heldentaten des alten k. u. k. Heeres und des so bunt zusammengesetzten Volkes ihnen ein letztes, erschütterndes Denkmal gemeinsamen Kämpfens und Sterbens zu setzen.

Sollte der Band V der Aufgabe gerecht werden, ein möglichst umfassendes und gleichzeitig abschließendes Bild des letzten großen Kampfes der österreichisch-ungarischen Monarchie zu geben, so mußte er in seinem Aufbau von den anderen [VIII] Bänden abweichen. In der Schilderung des politischen Geschehens des Weltkrieges durch Professor Dr. Oncken werden selbstverständlich auch die Verhältnisse der Donaumonarchie behandelt werden. Diese Darstellung kann aber nicht auf die Einwirkungen eingehen, welche der Gang der innen- und außenpolitischen Geschehnisse auf die Führerentschlüsse und die Kampftätigkeit des k. u. k. Heeres ausgeübt haben. Diese würden in ihrem Verlauf, in ihren Erfolgen, ihrem Niedergang und ihrer Auflösung unverständlich sein, wenn sie nicht mit der politischen Entwicklung in engste Beziehung gesetzt worden wären. So bringt Band V auch eine Schilderung der politischen Vorgänge aus dem Gesichtswinkel des österreichischen Staatsbürgers. Wenn auch manchem darin von reichsdeutscher Seite nicht ohne weiteres zugestimmt werden kann, so darf niemandem das Recht bestritten werden, die Dinge so anzusehen und zu beurteilen, wie sie den Lebensbedürfnissen des eigenen Volkes am günstigsten scheinen. Die Wege, die Kaiser Karl und die von ihm berufenen Staatsmänner gegangen sind, sind auch in Österreich-Ungarn keineswegs gebilligt, sondern oft in stärkster Form abgelehnt worden.

Mißverständnisse sind - leider - bei den Verbündeten auf beiden Seiten in einer für das Ganze schädlichen, vielfach sogar verhängnisvollen Form entstanden und nicht immer beglichen worden. Das, was trotz aller scharfen Gegensätze bei den gemeinsamen Feinden aus dem Druck der Not heraus als letztes Heilmittel erkannt und schließlich Wirklichkeit wurde: die einheitliche Leitung aller Kampfhandlungen durch eine einzige verantwortliche Persönlichkeit - das hat bei den verbündeten Mittelmächten nie erreicht werden können.

Auch Irrtümer sind auf beiden Seiten gemacht worden, Fehler, die sich hätten vermeiden lassen, und durch den Mangel an gegenseitiger Offenheit und rückhaltloser Verständigung mehrfach verhängnisvoll geworden sind. Beide Teile trifft die Schuld; heute abzuwägen, wem der größere Anteil an ihr zuzuschreiben ist, wäre unnütze Mühe. Gegenseitige schwere Vorwürfe sind während des Krieges erfolgt - oft ohne daß man sich bemüht hätte, die Ursachen klarzulegen und Verständnis für die Lage des anderen zu gewinnen. Von ungünstiger Rückwirkung war dabei oft auf deutscher Seite die Unkenntnis der schwierigen inneren Verhältnisse der schon seit Jahren auseinanderstrebenden Donaumonarchie. Daß dies möglich war, ist aber weniger ein im Kriege selbst begangener Fehler, als der Mangel an Einsicht und an klarem Urteil der leitenden deutschen Staatsmänner und eine Wirkung der falschen Einschätzung, die das deutsche Volk durch sie von der Stärke des Verbündeten hatte gewinnen müssen.

Der Ausgang des Weltkrieges hat Österreich-Ungarn zur Auflösung verurteilt. Das furchtbare Ende darf aber nicht hindern, das Gewaltige, das ungeheuer Große anzuerkennen, was die absterbende Großmacht in diesem letzten Kampfe vollbracht hat. Unendlich weit gingen die Leistungen ihres Heeres und ihrer Völker über das hinaus, was die Ententemächte an Widerstandskraft von [IX] ihr erwarteten. Großtaten sind bis zum Schluß von ihnen vollbracht worden, die Zeugnis ablegen von einer Lebenskraft und einem Opfermut, die ihre Gegner mit Schrecken und die Welt mit staunender Bewunderung erfüllten.

Mögen die Tapferen, die vier Jahre hindurch in schwerstem Kampfe für die alte gemeinsame Monarchie gekämpft haben, jetzt auch verschiedenen, neuen Staatengebilden angehören - was sie in dieser furchtbaren, an Leiden und Entbehrungen oft unerträglichen Zeit Schulter an Schulter mit Deutschlands Söhnen an Heldentum vollbrachten, wird in alle Zukunft unvergessen sein.

M. Schwarte      

[X - XIV] [Anm. d. Scriptorium: im Original findet sich auf den hier folgenden Seiten die Inhaltsübersicht für Bd. 5, welche wir in diesem unserem Online-Nachdruck hier wiedergegeben haben.]

Der Weltkampf um Ehre und Recht.
Die Erforschung des Krieges in seiner wahren Begebenheit,
auf amtlichen Urkunden und Akten beruhend.
Hg. von Exzellenz Generalleutnant Max Schwarte