Bd. 2: Der deutsche Landkrieg, Zweiter Teil:
Vom Frühjahr 1915 bis zum Winter 1916/1917
Kapitel 5: Die deutschen Abwehrkämpfe im
Westen 1915 (Forts.)
Generalleutnant William Balck
6. Die Herbstschlacht in der Champagne und im
Artois.
Die Kämpfe im ersten Halbjahr 1915 hatten dem Verbande nur
Enttäuschungen gebracht. Die Ursachen der Mißerfolge erblickte
seine Kriegsleitung in dem bisherigen zu geringen Einsatz der
Zerstörungsmittel, in dem fehlenden Zusammenhang der
Kampfhandlungen. Ein zu großer Raum schien dem selbständigen
Handeln der einzelnen Führer überlassen gewesen zu sein. Die
geringe Breite der Angriffsstellen ließ die deutsche Führung nicht
lange im Zweifel über die eigentliche feindliche Absicht. Mehr versprach
man sich von einer Nachahmung des deutschen, bei dem Durchbruch von
Prasnysz angewandten Doppelangriffs. Die politische Lage der Alliierten,
hervorgerufen durch den Zusammenbruch der russischen
Karpathen-Front und durch den unerwartet schnellen Fall der russischen
Westfestungen, forderte dringend eine baldige Entlastung des russischen
Verbündeten. Nicht unberechtigt war der russische Vorwurf, daß die
Westmächte nichts getan hätten, um die deutschen Kräfte
festzuhalten. Nur ein voller Sieg konnte der Entente die Mitwirkung
Rumäniens und Bulgariens sichern. An Mitteln fehlte es nicht. Der im
Frühjahr empfundene Munitionsmangel war gehoben. Die
französische Armee war erheblich verstärkt, die englische Armee,
die bis zum 31. August 1915 16 439 Offiziere 363 244 Mann32 verloren hatte (also etwa die doppelte
Stärke des Expeditionskorps), hatte ihre Lücken geschlossen und war
verstärkt durch die seit September 1914 in der Ausbildung begriffenen "Kitchener-Armeen", deren Einsatz bis jetzt vor Abschluß ihrer Ausbildung
und Ausrüstung sorgfältig vermieden worden war. Am 1. September
waren auf dem Festlande, gegliedert in drei Armee, verfügbar: 12
aktive [284] (Garde, 1. bis 8., 27.,
28., 29.), 2 indische und 2 kanadische, schließlich 24
"Kitchener"- und Territorial-Divisionen. Eine gewaltige Leistung des in seiner
Zähigkeit zum Siege, selbst unter ungewohntem Kräfteeinsatz,
unterschätzten britischen Reiches. Verständlich war es, daß die
französische Regierung drängte, den dauernd auf der ganzen Front
betriebenen Angriffsvorbereitungen die Tat folgen zu lassen. Auch die Armee
forderte den Angriff; nicht noch einen Winter wollte man in den
Schützengräben zubringen. Joffre hoffte im stillen auf einen
deutschen Angriff, wünschte den eigenen Angriff um etwa einen Monat
noch hinauszuschieben. Aber die Rücksicht auf die Haltung Bulgariens, das
seit dem 19. September in der offenen Mobilmachung begriffen war,
drängte zur Beschleunigung. So sicher war man des Erfolges, daß
England die Absicht Serbiens, das noch unfertige Bulgarien zu überfallen,
verhinderte. Die französische Presse war nicht verschwiegen genug
gewesen; sie hatte den entscheidenden Angriff zum 15. September vorausgesagt.
Die öffentliche Meinung verlangte Taten. Am 14. September erließ
Joffre einen Armeebefehl, der seine Absichten klarlegte:
"Der Geist der Truppen und ihr
Opfermut bilden die wichtigsten Bedingungen des Angriffs. Der
französische Soldat schlägt sich um so tapferer, je besser er die
Wichtigkeit der Angriffshandlungen begreift, woran er beteiligt ist, und je mehr er
Vertrauen hat zu den von den Führern getroffenen Maßnahmen. Es ist
deshalb notwendig, daß die Offiziere aller Grade von heute an ihre
Untergebenen über die günstigen Bedingungen aufklären,
unter denen der nächste Angriff der französischen Streitkräfte
vor sich gehen wird. Folgende Punkte müssen allen bekannt sein:
1. Auf dem französischen Kriegsschauplatz zum
Angriff zu schreiten, ist für uns eine Notwendigkeit, um die Deutschen aus
Frankreich zu verjagen. Wir werden sowohl unsere seit zwölf Monaten
unterjochten Volksgenossen befreien, als auch dem Feinde den wertvollen Besitz
unserer besetzten Gebiete entreißen. Außerdem wird ein
glänzender Sieg über die Deutschen die neutralen Völker
bestimmen, sich zu unsern Gunsten zu entscheiden und den Feind zwingen, sein
Vorgehen gegen die russische Armee zu verlangsamen, um unsern Angriffen
entgegenzutreten.
2. Alles ist geschehen, daß dieser Angriff mit
erheblichen Kräften und gewaltigen materiellen Mitteln unternommen
werden kann. Der ohne Unterbrechung gesteigerte Wert der
Verteidigungseinrichtungen in erster Linie, die immer größere
Verwendung der Territorialtruppen an der Front, die Vermehrung der in
Frankreich gelandeten englischen Streitkräfte haben dem Oberbefehlshaber
erlaubt, eine große Zahl von Divisionen aus der Front herauszuziehen und
für den Angriff bereitzuhalten, deren Stärke der mehrerer Armeen
gleichkommt. Diese Streitkräfte, ebenso wie die in der Front gehaltenen,
verfügen über neue und vollständige Kriegsmittel. Die Zahl
der Maschinengewehre [285] ist mehr als verdoppelt.
Die Feldkanonen, die nach Maßgabe ihrer Abnutzung durch neue Kanonen
ersetzt worden sind, verfügen über einen bedeutenden
Munitionsvorrat. Die Kraftwagenkolonnen sind vermehrt worden, sowohl zur
Verpflegung wie auch zur Truppenverschiebung. Die schwere Artillerie, das
wichtigste Angriffsmittel, war der Gegenstand erheblicher Anstrengung. Eine
beträchtliche Menge von Batterien schweren Kalibers ist mit
Rücksicht auf die nächsten Angriffshandlungen vereinigt und
vorbereitet worden. Der für jedes Geschütz vorgesehene
tägliche Munitionsersatz übertrifft den bisher jemals festgestellten
größten Verbrauch.
3. Der gegenwärtige Zeitpunkt ist für einen
allgemeinen Angriff besonders günstig. Einerseits haben die
Kitchener-Armeen ihre Landung in Frankreich beendet, und anderseits haben die
Deutschen noch im letzten Monat von unserer Front Kräfte weggezogen,
um sie an der russischen Front zu verwenden. Die Deutschen haben nur sehr
dürftige Reserven hinter der dünnen Linie ihrer
Grabenstellung.
4. Der Angriff soll allgemein sein. Er wird aus mehreren
großen und gleichzeitigen Angriffen bestehen, die auf sehr großen
Fronten vor sich gehen sollen. Die englischen Truppen werden mit bedeutenden
Kräften daran teilnehmen. Auch die belgischen Truppen werden sich an den
Angriffshandlungen beteiligen. Sobald der Feind erschüttert sein wird,
werden die Truppen an den bis dahin untätig gehaltenen Teilen der Front
ihrerseits angreifen, um die Unordnung zu vervollständigen und den Feind
zur Auflösung zu bringen. Es wird sich für alle Truppen, die
angreifen, nicht nur darum handeln, die ersten feindlichen Gräben
wegzunehmen, sondern ohne Ruhe Tag und Nacht durchzustoßen
über die zweite und dritte Linie, bis ins freie Gelände. Die ganze
Kavallerie wird an diesen Angriffen teilnehmen, um den Erfolg mit weitem
Abstand vor der Infanterie auszunutzen. Die Gleichzeitigkeit der Angriffe, ihre
Wucht und Ausdehnung werden den Feind hindern, seine
Infanterie- und Artillerie-Reserven auf einem Punkte zu versammeln, wie er es im
Norden von Arras tun konnte. Diese Umstände sichern den Erfolg. Die
Bekanntgabe dieses Befehls an die Truppen wird nicht verfehlen, ihren Geist zur
Höhe der Opfer zu erheben, die von ihnen gefordert werden müssen.
Es ist daher unbedingt nötig, daß die Weitergabe des Befehls mit
Klugheit und Überzeugung geschieht.
gez. Joffre."
Der Befehl geriet bald nach seiner Ausgabe in deutschen Besitz. In
unverkennbarer Weise war die Absicht festgelegt, eine Entscheidungsschlacht zu
schlagen, die Räumung des besetzten Gebiets zu erzwingen und die
Neutralen zum Anschluß an den Vierverband zu bestimmen.
Auch über ein neues Angriffsverfahren des Feindes war man auf deutscher
Seite völlig unterrichtet. Am 16. April 1915 hatte Joffre in einer langen
Verfügung auf Grund der letzten Erfahrungen "Ziele und Vorbedingungen
für eine [286] allgemeine Operation"
auseinandergesetzt. Dieses Schriftstück fiel aber schon vierzehn Tage nach
seiner Ausgabe in deutsche Hände und gab, schnell auf der ganzen Front
verbreitet, die Grundlage für die deutsche Abwehr. Das neue
Angriffsverfahren bestand darin, daß die Truppe nach etwa
vier- bis fünfstündigem, auf engem Raum mit größter
Beschleunigung abgegebenem massenhaften Artilleriefeuer aller Kaliber
("Trommelfeuer"), durch Annäherungsgräben gedeckt, bis auf
Sturmentfernung (150 bis 200 m vom Feinde) herangeführt und in
Gräben und auf Sammelplätzen (den sogenannten
"Wabengräben") bereitgestellt werden sollte. In der Nacht vor dem Sturm
war noch weiter vorwärts eine Sturmausgangsstellung auszuheben
(tranchée de départ). Erwies sich die Feuervorbereitung
nicht als ausreichend, um die materielle und moralische Widerstandskraft der
Verteidiger zu vernichten, so konnte das Feuer auch auf mehrere Tage ausgedehnt
werden. Der Angriff sollte somit mit dem Sturm beginnen. Die erste feindliche
Linie sollte in breiter Front von in 1200 bis 1500 m Breite nebeneinander
gestellten Divisionen mit starker Tiefengliederung, Brigaden und Regimenter
hintereinander, überrannt werden. Durch steten Nachfluß von
Verstärkungen sollte die Bewegung bis zu einem tief im feindlichen
Stellungssystem bezeichneten Angriffsziel in Fluß gehalten werden. Die
Angriffswellen folgten sich mit geringem Abstand und bestanden aus
aufgelösten ganzen Kompagnien mit nur einem halben Schritt
Zwischenraum von Mann zu Mann, so daß auf einem Raume von
1200 m Breite und 170 m Tiefe 3600 Mann vereinigt waren. Der
Angriff wurde zunächst nur mit der ersten Brigade durchgeführt,
während die zweite alarmbereit in ihren Quartieren
blieb. - Es wurden deutscherseits aber auch die Nachteile dieses Verfahrens
erkannt. Die Bereitstellung der Regimenter hintereinander mußte zur
völligen Vermischung aller Verbände führen und die
Möglichkeit einer jeden Führung ausschalten. Ein
Hindurchstoßen der einzelnen Angriffswellen durcheinander war
unausführbar, da die nachfolgenden Teile keinen Raum fanden, durch die
haltenden Massen des vorderen Treffens hindurchzustoßen. Die Gefahr war
unverkennbar, daß die Unterstützungen in den engen Maschen des
ersten Treffens hängen blieben. Das Joffresche Verfahren verwandelte die
Division in eine einzige unhandliche Phalanx, die, einmal in Bewegung gesetzt,
nur noch geradeaus vorgehen oder in vollster Auflösung zurückfluten
kann. Durch das geistlose Schema, das auf jede selbständige
Reserveverwendung verzichtete, wurde jede eigentliche
Führertätigkeit vernichtet. Ein kleiner Teil der Geschütze
sollte die feindliche Artillerie niederhalten, ein Drittel der Feldartillerie die
Hindernisse zerstören, zwei Drittel die Schützengräben
sturmreif machen. Es wurden hierbei gerechnet auf je 200 m33 zwei
75-mm-Batterien mit 80 bis 100 Schuß für das Geschütz. Von
den schweren Kalibern wurden für das Geschütz in
fünfstündigem Trommelfeuer gerechnet [287] 40 bis 50 Schuß
für jedes 220-mm-, 50 bis 60 Schuß für jedes
150-mmm- und 60 bis 80 Schuß für jedes
120-mmm-Geschütz. Das Angriffsverfahren verzichtete auf jede
Überraschung; es gründete sich auf die Wirkung eines
überlegenen Masseneinsatzes von Munition und der Wucht des
Angriffsstoßes stark überlegener und bis zum Einsatze geschonter
Infanterie, verlangte die zeitraubende Bewegung ungeheurer Erdmassen und
zwang die Führer, gerade dort anzugreifen, wo sich die beiderseitigen
Linien schon auf Sturmentfernung gegenüber lagen. Zur Abwehr eines
derartigen Angriffs wurden deutscherseits gefordert: Räumliche Trennung
der durch Hindernisse geschützten und mit zahlreichen Unterständen
versehenen rückwärtigen Linien, die also gleichzeitig mit den
vorderen Linien besetzt werden mußten. Ausnutzung der flankierenden
Wirkung von Maschinengewehren und einzelnen Feldgeschützen; der
Einbruch des Feindes sollte mit sofortigem Gegenstoß beantwortet werden.
Erkannte feindliche Batterien sollten schon in ruhigen Zeiten bekämpft
werden. Zerschlagen der feindlichen Angriffsarbeiten mit schweren
Steilfeuergeschützen und Minenwerfern sollte den Angriff hinausschieben;
während des Angriffs sollte die schwere Artillerie im Feuer auf den
vorderen Gräben liegen bleiben, um das Nachfolgen feindlicher
Unterstützungen zu verhindern.
Eine Vorübung stellten die Franzosen an, indem am Morgen des 7. Juni mit
der von Lihons (südlich der Somme) herangeführten 21.
Infanterie-Division ein Angriff nach sechsstündigem Trommelfeuer an der
Grenze der 26. Reserve- und der 52. Infanterie-Division bei Serre
ausgeführt wurden. Die Kunde von einer beabsichtigten
Durchbruchsschlacht war schon frühzeitig nach Bapaume hinter die
deutsche Front gelangt. Wertvolle Nachrichten hatten die Franzosen aus
Jütland über die Besetzung der Stellung erhalten, durch Ausfragen
von Urlaubern.
Der Angriff nach dem Joffreschen Verfahren glückte. Die vordere Linie
wurde in Divisionsbreite eingestoßen, auch im zweiten Graben fester
Fuß gefaßt und der gewonnene Raum nach den Seiten erweitert. Die
Fortsetzung am 10. Juni hatte jedoch keinen Erfolg; anderseits vermochten aber
auch die verspätet eingesetzten schwachen deutschen
Gegenstöße den Franzosen ihren ersten Erfolg nicht wieder zu
entreißen. Ein zweiter Angriffsversuch wurde von den Franzosen am 14.
September an der Nahtstelle der 111. und 52.
Infanterie-Division unternommen. Die Kämpfe als Erläuterung des
neuen, der deutschen Führung bekanntgewordenen Angriffsverfahrens
wurden aber leider nicht genügend gewürdigt. Geringeren Umfang,
jedoch ohne Erfolg, hatten englische Angriffe bei Givenchy im Artois am 14. und
18. Juni: Ausführung einer größeren Minensprengung gegen
die Stellung der 14. Infanterie-Division; die Abwehr zeigte die Notwendigkeit des
guten Zusammenwirkens von Infanterie und Artillerie sowie die Bedeutung sofort
ausgeführter Gegenstöße selbst kleiner Abteilungen.
[288] Grundlegend für
die feindlichen Angriffsvorbereitungen waren vorzügliche photographische
Geländeaufnahmen. Eine Karte im Maßstabe von
1 : 5000 wurde angefertigt, in der die Ergebnisse der
Luft- und Erderkundungen eingezeichnet waren, aber alles fortgelassen war, was,
falls die Karte in deutsche Hände fallen sollte, einen Anhalt zur Kenntnis
der französischen Stellung bieten konnte. Alle Gräben und
Grabenstücke hatten Namen erhalten. So finden sich Erinnerungen an
Napoleonische Ruhmestage, wie die Namen von Ulm, Eckmühl,
Preßburg beweisen, auch ein
Hindenburg-Graben fehlte nicht. Kamerun-Busch und
Togo-Land waren vertreten. Andere Namen knüpften an das
Dardanellen-Abenteuer an: Ouvrages de Stambul, de Smyrna,
Tranchée des Dardanelles, du Sérail, de Péra. Andere
waren der deutschen Geographie entlehnt: Boyau (Laufgraben) de
Hanau, du Taunus, Cassel, Plauen. Wieder andere hießen: Boyau de
Schiller, Tranchée de Goethe, de Wagner, de Nietzsche. Vom
Kaisergraben kam man in den "Boyau du Harem", vom
"Tranchée de Gretchen" war es nicht mehr weit zum
Vandalen- und Kulturgraben. Einige Bezeichnungen entsprangen der Entwicklung
des Kampfes: Tranchée de l'Entonnoir (Granattrichter). Die
großen Sprenglöcher waren genau eingezeichnet. Ebenso der Standort
der deutschen Artillerie, soweit sie diese zu kennen glaubten.
"Batteries", "pièces isolées", "mitrailleuses"
(Maschinengewehr) und "lance-bombes" (Minenwerfer) waren durch
Zeichen unterschieden. Alle waren mit Ziffern versehen, so daß ihre
Bezeichnung bei Befehlen und Meldungen sehr einfach war. Besondere
Bedeutung wurde den Unternehmungen gegen die deutschen Zufahrtslinien
beigemessen.
Am 22. September, 8 Uhr 15 Minuten vormittags, fand auf die offene Stadt
Stuttgart ein Angriff feindlicher Flieger, die unter der Deckmaske deutscher
Abzeichen den deutschen Sicherheitsdienst getäuscht hatten, statt. Auch
andere deutsche Orte, die Bahnhöfe von Conflans, Vouziers und selbst
Metz wurden von feindlichen Fliegern mit Bomben beworfen. Von feindlichen
Flugzeugen wurden im Rückengebiet landeskundige Soldaten in
Verkleidung abgesetzt, um wichtige Kunstbauten zu zerstören. Auf diesem
Wege ist der französischen Bevölkerung auch wohl Kunde von der
bevorstehenden Befreiung geworden. Über Holland nach Belgien wurden
einzelne waghalsige Leute mit den gleichen Aufgaben entsandt. Auch diese
groß angelegte Unternehmung beweist, welche Bedeutung den
bevorstehenden Angriffen beigelegt wurde; aber diese Absichten sind an der
Wachsamkeit unserer Truppen und vor allem auch Neutraler, die ihre Pflichten
wirklich erfüllt, gänzlich gescheitert. So wurde z. B. schon
Anfang September von der holländischen Regierung in Maastricht ein
Schiff mit 11 000 Bomben für Lüttich beschlagnahmt; zu
gleicher Zeit wurden an der holländischen Grenze belgische Soldaten mit
Sprengstoffen festgenommen. Mittelpunkt dieser Versuche, den deutschen
Nachschub zu stören, war Brüssel, wo im Hause des belgischen
Polizeibeamten Poels ein ganzes Sprengstofflager beschlagnahmt wurde.
[289] Räumlich
getrennt sollten zu beiden Seiten des bei Noyon im flachen Bogen gegen Paris
vorspringenden Teiles der deutschen Stellungen auf den bekannten
Schlachtfeldern der Winterschlacht zwei Angriffe geführt werden: ein
Nordangriff im Artois südlich des Kanals von La Bassée, der
im weiteren Verlauf den rechten deutschen Flügel gegen das Meer
drängen sollte; ein anderer Angriff wurde im Raume zwischen Reims und
den Argonnen angesetzt. Hatten beide Angriffe Erfolg, so brach unter dem
Vordrängen der 5. Armee zwischen Craonne und der Aisne das
Mittelstück der deutschen Stellung zusammen. Ein glänzender
Endsieg in Belgien gegen die deutsche Armee schien so sicher, daß die
Geheimhaltung der Absichten kaum als den Erfolg begünstigend in Frage
kommen konnte. Nebenangriffe waren vorgesehen von dem V. britischen
Armeekorps bei Bellewaarde Ferme und Hooge (Ypern), vom britischen III.
Armeekorps und der indischen
Mirut-Division bei Armentières und Givenchy.
Vorgreifend sei bemerkt, daß diese am 25. September einsetzenden
Angriffsabsichten täuschen konnten und daß sie nach
anfänglichen Erfolgen bald zusammenbrachen. Der Angriff in Flandern war
durch eine Minensprengung eingeleitet; am Abend war der neue Minentrichter
wieder in deutschem Besitz. Am 29. und 30. antworteten die dortigen deutschen
Verbände mit größeren Minensprengungen; die
anschließenden Gefechte hatten nur örtliche Bedeutung. Auch ein auf
Zeebrügge mit etwa 80 kleineren Schiffen angesetzter Vorstoß der
englischen Marine war ohne Bedeutung. Auf beiden Kampffeldern hatte man den
Vorteil, die Vorbereitungen, die noch von der Winterschlacht vorhanden waren,
benutzen zu können.
Aber auch die deutsche Führung hatte alles getan, sich die Erfahrungen der
Winterschlacht zunutze zu machen. Die Straßenbauten waren verbessert;
dann entstand hinter der ersten, mit etwa einem Kilometer Abstand, eine zweite,
fast durchweg nach den neueren Erfahrungen am Hinterhang liegende Stellung.
Völlige Ruhe war in der Champagne nicht eingetreten. Am 27. April nahm
das I. Bataillon
Infanterie-Regiments 158 (50. Infanterie-Division) feindliche Gräben auf
dem Fritsch-Berge, am 9. Juni nahm die 16.
Reserve-Division an der "Traube" auf Höhe 196 ein Grabenstück.
Auch der Minenkrieg gewann an Bedeutung.
Die deutsche Führung war über den Umfang des aufziehenden
Gewitters nicht im Zweifel. Vor der Front der 6. Armee beiderseits von Arras,
dann bei der 3. Armee auf der Front von
Souain - Massiges erregten langandauernde Truppenbewegungen,
Beobachtungen von Truppenabteilungen, die alle in gleicher Richtung
marschierten und die man zutreffend als Arbeiterkolonnen ansprach,
frühzeitig die Aufmerksamkeit. Der Umfang neuer Lagerbauten, neu mit
diesen in Zusammenhang stehende Wege und Kleinbahnen, dann das Auftreten
von Batterien in Stellungen aus denen Geschütze bislang noch nicht
gefeuert hatten, verrieten Angriffsabsichten und gaben die Möglichkeit, die
vermutlichen [290] Angriffsstellen
herauszuschälen. Am 12. August konnte die 3. Armee die
Wahrscheinlichkeit eines bevorstehenden Angriffs melden; vom 25. August
begann beim Feind überraschend eine planmäßige,
ununterbrochene, durch Artilleriefeuer unterstützte Schanztätigkeit
auf der ganzen Front. Die Fliegertätigkeit nahm bei der feindlichen
Luftüberlegenheit zu, dehnte sich mit dem ersichtlichen Zweck, den
Straßenverkehr zu beaufsichtigen, auch auf die Nachtstunden aus. Die
Artillerietätigkeit nach vorherigem Einschießen nahm zu;
Ortschaften, Straßen und Batterien wurden unter Feuer genommen. Einen
Anhalt, wieviel Artillerie gegenüberstand, konnte man nicht gewinnen;
jedenfalls war der Feind an Zahl und Kaliber der Geschütze erheblich
überlegen.
Am 21. August stellte sich bei Aubérive ein Überläufer ein,
der den Beginn des ursprünglich von Joffre geplanten großen
Angriffs auf den 15. September voraussagte. Als am 5. September das Wetter
aufklärte, lag vor den Augen der deutschen Flieger ein genaues Bild der
Erdarbeiten, wie sie Joffre für den Angriff in seiner Vorschrift verlangt
hatte. Die Vorliebe der Franzosen für Schemata machte es nicht schwer, die
Zahl der einzelnen, für den Angriff bestimmten Divisionen
abzuzählen. Nur ungenügend konnte die deutsche, noch immer unter
Munitionsmangel leidende Artillerie das Fortschreiten des Angriffs
verzögern. Die zusammengefaßte Aufklärung war nicht
müßig gewesen; aus an den verschiedensten Stellen gemachten
Beobachtungen war das Bild immer deutlicher geworden. Die Franzosen hatten
ihre Angriffsdivisionen auf kurze Zeit aus ihren Ruhequartieren auf einige Tage in
die vorderen Gräben gebracht, damit sie das Angriffsgelände
kennenlernen sollten; dann war ihr Platz wieder durch Territoriale oder Kavallerie
eingenommen. Trotzdem war es der 3. Armee gelungen, bis zum 22. September
von 30 feindlichen Angriffsdivisionen 18 der Nummer nach festzustellen. Am 21.
meldete sich wieder ein Überkäufer, der den erwarteten Angriff
für den nächsten [291] Tag in Aussicht stellte.
Mehrtägiges Artilleriefeuer sollte den Angriff vorbereiten.
Bei der 6. Armee in der Gegend von Arras konnte man in der zweiten
Hälfte des August aus verstärkter Artillerietätigkeit des
Feindes und eifrigem Vortreiben der Gräben auf Angriffsabsichten
schließen; am 6. September wurde auffallend dichte Belegung der Orte
westlich Arras erkannt, ebenso Materialanhäufung auf mehreren
Bahnhöfen gemeldet. Auf der englischen Front schien man mit den
Vorbereitungen eher im Rückstande zu sein. Der Abstand beider Linien war
durchweg größer als auf der französischen Front; bis zum 21.
September waren die Engländer im Durchschnitt bis auf 330 m
herangekommen. Eine besondere Fliegertätigkeit war bei dem in der Luft
überlegenen Feinde nicht zu bemerken; es fiel nur auf, daß auch bei
den Franzosen fast nur englische Flieger aufstiegen. Die deutsche Artillerie hatte
die feindliche Schanztätigkeit nicht verhindern können. Alle
Anzeichen wiesen darauf hin, daß ein Hauptangriff nur auf der
französischen Front zu beiden Seiten der Scarpe erfolgen, die
Engländer sich voraussichtlich nur mit unterstützenden
Maßnahmen beteiligen würden. So glaubte das
Armee-Oberkommando 6, daß der eigentliche Angriff reichen würde
im Norden nur bis zu der in der Frühjahrsschlacht verlorengegangenen
Loretto-Höhe. Demgemäß wurden auch Verstärkungen
vor allem dem I. bayerischen Reservekorps und der 111.
Infanterie-Division zugeführt, bei beiden auch die bisherige
Armee-Reserve (vier sächsische Bataillone) vor dem 10. September
eingesetzt, eine neue Armee-Reserve um Douai aus der 26.
Reserve-Infanterie-Brigade und der 8.
Infanterie-Division mit einer Artillerieabteilung gebildet.
So stand für die Oberste Heeresleitung schon lange Zeit vor dem Angriffe
fest, wo der Stoß zu erwarten war und welche Fronten daher Reserven zu
Verstärkung der bedrohten Stellen abgeben konnten.
Der Angriff in der Champagne.
Die in der Champagne zwischen rechts der 7. und links der 5. Armee stehende 3.
Armee (Generaloberst v. Einem, Chef des Stabes bayerischer
Generalleutnant Ritter v. Höhn) hatte nach dem Erlöschen der
Winterschlacht die Zeit nicht ungenutzt vergehen lassen. Es war von Vorteil,
daß von Norden kommend zwei Eisenbahnlinien für den Nachschub
über Rethel - Bazancourt und über
Vouziers - Challerange zur Front führten, während zwei
gleichlaufend zur Front führende Bahnlinien
(Bazancourt - Somme-Py - Challerange und
Chatelet - Juniville - Machault - Vouziers)
Verschiebungen erleichterten. Der Straßenbau war mit allen Mitteln so
gefördert, daß die Wege auch bei schlechtem Wetter starker
Benutzung standhalten konnten. Die Stellung war auf Grund der Erfahrungen
verbessert, eine mit etwa einem Kilometer Abstand während der
Winterschlacht entstandene zweite Linie ausgebaut, dann noch eine
"Reserve- [292] stellung" geschaffen,
die bis zum Beginn der Schlacht aber noch keineswegs fertig war, an manchen
Stellen nur einen flachen Graben aufwies. Deckungsgräben und
Unterstände fehlten in der Reservestellung fast ganz. Sie lag auf den
Höhen südlich der Suippes und wurde im weiteren Verlaufe durch
die Punkte bezeichnet: durch Navarin Ferme (an der Straße
Suippes - Somme-Py, nördlich Souain), durch die Butte de
Tahure (192), dann durch die Höhen auf dem linken
Dormoise-Ufer. Wichtig für das Bereithalten starker Reserven in
unmittelbarer Nähe der Kampflinie erwies sich die bergmännisch
geförderte Anlage von großen Tunnelbauten mit Kochstellen,
Wasserversorgung und elektrischer Beleuchtung. Erst mit Zunahme der
artilleristischen Wirkung verloren sie ihren Wert und wurden bei der Gefahr,
daß die Eingänge verschüttet wurden, geradezu zu
Menschenfallen.
Auf dem rechten Flügel der 3. Armee, durch einen Angriff offensichtlich
nicht bedroht, stand im Anschluß an die 7. Armee das XIV. Reservekorps.
Dann kam zu beiden Seiten der Suippes das XII. Reservekorps (General der
Artillerie v. Kirchbach), das voraussichtlich nur in der Stellung seiner
linken Flügeldivision (24.
Reserve-Division) einem Angriff ausgesetzt war. Auf dem eigentlichen
Kampffelde stand an Stelle des aus der Champagne Anfang April fortgezogenen
VIII. Armeekorps das VIII. Reservekorps unter Generalleutnant Fleck (Chef des
Stabes Sächsischer Oberst Freiherr v. Oldershausen,
Korps-Hauptquartier Savigny), das aus drei Divisionen bestand (15.
Reserve-Division, Generalleutnant z. D. v. Liebert; 16.
Reserve-Division, Generalleutnant v. Ditfurth; die neugebildete 50.
Infanterie-Division, Generalmajor v. Engelbrechten). Das Korps
schloß mit der linken Division (16.
Reserve-Division) auf dem "Kanonen-Berge" (199 nördlich Massiges) an
die zu beiden Seiten der wichtigen Straße
Monthois - Cernay en Dormois - Ville sur
Tourbe - St. Ménéhould an die 21.
Reserve-Division (XVIII. Reservekorps) der 5. Armee an. Reserven waren, als der
Angriff bevorstand, außer aus einem der
Armee-Kavallerie bei Rethel unter dem Obersten Graf zur
Lippe-Biesterfeld gebildeten Verbande (neun Eskadrons) und den Rekrutendepots
nicht vorhanden.
Das Armee-Oberkommando hatte sich in Erwartung des Angriffs von
Béthéniville nach Vouziers begeben. Es hatte keine Zweifel
über den Ernst des bevorstehenden Angriffs, die aber nicht von den
Nachbararmeen und von der Obersten Heeresleitung geteilt wurde. Der Chef des
Generalstabes des Feldheeres suchte durch eine auf das äußerste
gesteigerte Sparsamkeit in der Ausgabe von Reserven den Forderungen eines
lang dauernden Ermattungskrieges nachzukommen. Kräfte verschlingend
war der serbische Feldzug, im September wurden acht Divisionen aus
Rußland nach Serbien geführt. In der Champagne hätten sich
durch rechtzeitigen Einsatz von Reserven Verluste der Stellungstruppen und
überhastetes Einsetzen der schließlich doch notwendig werdenden
herangehetzten Verstärkungen vermeiden lassen. So wurde das am 1.
September im Osten aus den Verfolgungskämpfen am Bug und an der
Jasiolda herausgezogene und
auf- [293] gefüllte
Gardekorps (Gruppe Linsingen) am 11. und 12. September in Warschau verladen
und nach Genval in Belgien gefahren, während das X. Armeekorps,
ebenfalls aus dem Osten kommend (Heeresgruppe Mackensen), gar nicht in
Belgien ausgeladen und dann nach der Champagne gewiesen wurde. Erst am
Nachmittag des ersten Schlachtentages in der Champagne, somit nur zu
spät, befahl die Oberste Heeresleitung das Heranziehen weiterer
Verstärkungen; der 56.
Infanterie-Division von Saarburg, 192.
Infanterie-Brigade aus dem Bereich der 7. Armee, der 20.
Infanterie-Division mit einer schweren Haubitz-Batterie aus Belgien. Noch am 20.
September wurde die 85.
Reserve-Infanterie-Brigade aus ihrer Stellung bei Souain herausgezogen, um
ihrem in Serbien befindlichen Korps zu folgen. Als Ersatz erhielt die 3. Armee
aus Lothringen die 183. (sächsische)
Infanterie-Brigade mit drei Regimentern, die erst ganz kurz vor dem Angriff,
während des vorbereitenden Artilleriefeuers, am 24. September zwischen
der 15. Reserve-Division und 50. Infanterie-Division eingeschoben wurde.
Vorübergehend wurde auch die schon für Abbeförderung nach
Serbien bestimmte 5. Infanterie-Division bei Attigny angehalten. Dann trafen noch zwei
Mörser- und eine schwere Feldhaubitz-Batterie und ein
Pionier-Regiment ein. Am 23. wurden elf bespannte schwere Batterien
überwiesen, die aber erst eintrafen, als der Hauptangriff schon im Gange
war.
Die Artillerievorbereitung in der Champagne.
Die Zeit des Angriffs nahte. Am 21. September erließ Joffre seinen letzten
Befehl:
"Weisung für die nördliche und mittlere
Heeresgruppe.
Allen Regimentern ist vor dem Angriff die ungeheure
Kraft des Stoßes, den die französischen und englischen Armeen
führen werden, etwa in folgender Weise klarzumachen:
Für die Operationen sind bestimmt:
35 Divisionen unter General de
Castelnau,
18 Divisionen unter General
Foch,
13 englische Divisionen und
15
Kavallerie-Divisionen (darunter 5 englische).
Außerdem stehen zum Eingreifen bereit:
12
Infanterie-Divisionen und die belgische Armee.
Dreiviertel der französischen Streitkräfte
nehmen somit an der allgemeinen Schlacht teil. Sie werden unterstützt
durch
2000 schwere und 3000
Feldgeschütze,
deren Munitionsausrüstung bei weitem jene vom Beginn des Krieges
übersteigt.
Alle Vorbereitungen für einen sicheren Erfolg sind
gegeben, vor allem, wenn man sich erinnert, daß bei unseren letzten
Angriffen in Gegend Arras nur 15 Divisionen und 300 schwere Geschütze
beteiligt waren."
Den Angriff in der Champagne in 32 km Breite längs der vier
großen, [294] nach der
Straßenstrecke Vouziers - Rethel ziehenden
Straßenzüge führte General Castelnau mit der 2. (General
Pétain) und 4. Armee (General Langle de Cary). Zum Angriff in erster
Linie waren bestimmt 22 Divisionen und 8 in zweiter Linie. Bereitgestellt waren
für die Vorbereitung 1286
Feld- und 660 schwere Geschütze, so daß auf jeden Kilometer der
Front 40 leichte und 20 schwere Geschütze entfielen. Wieviel Geschosse
verfeuert wurden, läßt sich für die einzelnen Tage nicht
feststellen; nach Angaben des russischen Militärbevollmächtigten
war in den ersten fünf Angriffstagen der Verbrauch für Tag und Rohr
200 Geschosse für die leichten und 100 Geschosse für die schweren
Geschütze. Eine französische Division will in 24 Stunden allein
10 000 Granaten verfeuert haben. Die sächsische 24.
Reserve-Division zählte in zehn Stunden 80 000 Granaten, die in
ihrem Bereich einschlugen. Zum erstenmal verwendeten die Franzosen
37-mm-Mörser. Am 22., vormittags 7 Uhr, begann das Artilleriefeuer, das
sich mit weittragenden Geschützen besonders gegen die Eisenbahn
Challerange - Bazancourt richtete, so daß die umfangreichen
deutschen Ausladestellen zerstört wurden, Truppen und
Nachschubbedürfnisse in größerer Entfernung von der
Gefechtsfront ausgeladen werden mußten. Munitionskolonnen hatten sogar
bis zu 25 km Marsch, ehe sie ihre Batterien erreichten. Das Feuer lag
weiter auf den bekannten Stabsquartieren und den mit Truppen belegten
Örtlichkeiten und Lagern, sodann mit mittleren Kalibern auf den Batterien,
dann mit allen verfügbaren Kalibern auf der ersten und zweiten deutschen
Linie, mit der Absicht, Hindernisse zu zerstören, Unterstände zu
verschütten, Schützengräben und Verbindungen so
"einzutrommeln", daß, wie General Castelnau sich ausdrückte, der
Angriff gegen einen völlig entmutigten Feind aus den dicht an die
deutschen Linien herangetriebenen Annäherungsarbeiten eigentlich nur
noch in einem Vorgehen mit umgehängtem Gewehr bestehen sollte. Je
näher der Zeitpunkt des Angriffs kam, um so heftiger wurde das Feuer.
Man ging französischerseits von der Voraussetzung aus, daß unter
einem solchen Feuer kein lebendiges Wesen außerhalb der Deckungen
bleiben könnte, daß Unterstände mit geringeren
Deckungsstärken vernichtet werden würden, daß alles sich in
den festesten Unterständen zusammendrängen, daß
Alarmierungseinrichtungen vernichtet, daß alle Eingänge
verschüttet werden würden, so daß die Angreifer die
Stellungen überrannt haben würden, ehe noch die Verteidiger einzeln
aus den verschütteten Ausgängen der Unterstände
würden die Brustwehr erreichen können.
Mannhaft kämpfte die deutsche Artillerie gegen die feindlichen
Geschütze an, richtete vielfach ihr Feuer auf die noch nicht besetzten
Gräben und suchte sich mit allen Mitteln zur Abgabe rechtzeitigen
Sperrfeuers bereit zu halten. Die Überlegenheit des Feindes aber war zu
groß; durchschnittlich wurden 30 bis 35 französische Batterien in
einem Divisionsabschnitt gezählt. Vielfach hatten in Feuerpausen die
deutschen Bedienungen unter dem Maschinengewehrfeuer tief fliegender Flieger
zu leiden, die auch in der Nacht den Munitionstransport zu stören [295] suchten.
Drahtverbindungen mit den Beobachtern waren frühzeitig zerschossen;
vom zweiten Tage ab waren die Gräben völlig eingeebnet, die
älteren Unterstände zum Einstürzen gebracht, andere, die noch
standhielten, verschüttet. Ein Versuch, die Nacht zum Ausbessern der
Deckungen zu benutzen, wurde bald als gänzlich aussichtslos im
ununterbrochenen Feuer unterlassen. In der Nacht zum 24. trafen die ersten
artilleristischen Verstärkungen ein: zwei
Mörser-Batterien Fußartillerie-Regiments 9 und drei schwere
Feldhaubitz-Batterien I./Fußartillerie-Regiments 4. Weitere
Verstärkungen waren im Anmarsch. Entschlossen wartete die Infanterie in
Granattrichtern den Angriff des Feindes ab. Feuerpausen konnten bei der
Kürze der Zeit nicht zum Heranführen der Verpflegung benutzt
werden. Schwer litt die brave Truppe unter Durst. Am 24. hörte das Feuer
auf. Französische Erkundungsabteilungen gingen auf der ganzen Front vor,
um sich von der Wirkung des Feuers zu überzeugen. Rechtzeitig erkannt,
wurden diese Vorstöße an allen Stellen abgewehrt. Der Franzose
hatte jedoch genug gesehen. Sein auf der ganzen Front wieder aufgenommenes
Feuer richtete sich gegen die Stellen, die noch Widerstandskraft besaßen
und wo Sperrfeuer-Batterien aufgetreten waren.
In der Nacht vom 24. zum 25. wurde von den Franzosen die
Sturmausgangsstellung ausgehoben, die 80 bis 400 m, im Mittel
200 m von den deutschen Gräben entfernt lag; vielfach wurden die
Sturmentfernungen dadurch noch verkürzt, daß sich die vorderen
Wellen vor dem eigenen Graben im offenen Gelände hinlegten. General
Castelnau hatte die Joffresche Angriffsvorschrift dahin abgeändert,
daß die Divisionen drei Regimenter nebeneinander, mit den Bataillonen
hintereinander, einsetzen sollten. Das vierte Regiment der Division sollte in
Reserve folgen, die Bataillone in vorderer Linie in vier bis sechs dichten
Schützenlinienwellen mit 50 m Abstand, die Reserven in Kolonnen
mit den berittenen Offizieren vor der Front. Der ersten Welle gingen
Handgranatentrupps voraus, "Grabensäuberer" folgten, um Gefangene
zusammenzulesen und wiederauflebenden Widerstand zu vernichten. Die
Einführung der "Grabensäuberer" legalisierte das Ermorden
wehrloser Gefangener, gleichviel, ob verwundet oder unverwundet. Kannten denn
die französischen Führer so wenig den Charakter ihres Volkes? Kein
deutscher Führer hat den Befehl gegeben, wie z. B. General
Marchand vor der
Champagne-Schlacht tat, keine
Gefangene zu machen, was aus
Selbsterhaltungsgründen in Kolonialkriegen wohl üblich gewesen
ist.34 Einzelne Bataillone führten
65-mm-Geschütze zur Bekämpfung der Maschinengewehre mit sich.
Um die eigenen Truppen der Artillerie kenntlich zu machen, trugen die
Mannschaften weiße Tücher auf dem Rücken.
[296] Der
Sturm.
Trüb und regnerisch brach der 25. an; das war nicht die Sonne von
Austerlitz, auf die der französische Soldat, auf die Flieger und Artilleristen
so besonders gerechnet hatten. Um 6 Uhr früh wurde der Morgenkaffee
getrunken, um 9 Uhr 15 Minuten früh legte fast unmerklich die Artillerie
ihr Feuer vor, und gleichzeitig überschritt die erste Woge genau nach
Joffreschem Befehle die Brustwehr.
[290]
Skizze 12: Französischer Angriff in der Herbstschlacht 1915 in der
Champagne.
[Vergrößern]
|
Die Truppe war voller Schwung, sie glaubte, in den deutschen Linien keinen
Widerstand mehr zu finden. Noch einmal schwoll das Artilleriefeuer zu
größter Heftigkeit an. Die feindliche Artillerie hatte 72 Stunden lang
in höchster Feuergeschwindigkeit gewirkt! Mußte da ein Angriff, mit
gewaltiger Überlegenheit unternommen, nicht Erfolg haben? Die
Sturmentfernung betrug im Mittel 200 m, die im Schritt und meist ohne
Verlust zurückgelegt wurden, da der Verteidiger Zeit brauchte, um seine
Schlupfwinkel zu verlassen, und das Sperrfeuer trotz aller Aufmerksamkeit erst
allmählich einsetzte. Und nun geschah das Unglaubliche: erst vereinzelt,
dann immer allgemeiner wurde das deutsche Infanteriefeuer, in das sich sehr bald
von allen Seiten das Tacken der Maschinengewehre mischte. Schwere Verluste
hatte die deutsche Infanterie erlitten, erschöpft mochte sie sein, aber in
keiner Weise zusammengebrochen. Nur wo Verteidiger fehlten, da vermochten
die feindlichen Wogen Gelände zu gewinnen, die aushaltenden schwachen
Grabenbesetzungen zu umfassen und einzuschließen; der Widerstand
hörte trotzdem nicht auf. Wenn kampflos Gefangene gemacht wurden, so
waren es Verschüttete, die sich einzeln mühsam ans Tageslicht
arbeiteten und sich dann unerwartet mitten unter den Franzosen befanden. An
anderen Stellen hatten sich einzelne Trupps, mit Übermacht von allen
Seiten angefallen, ergeben müssen. Nicht zu verhindern war es auch,
daß bewegungsunfähige vorgeschobene Batterien in Feindeshand
fielen. So war der allgemeine Verlauf des ersten Teils des Kampfes. Der Franzose
hatte festen Fuß in der deutschen Stellung gefaßt; es bedurfte nur
noch des Einsatzes der Reserven, um den Sieg zu vollenden. Aber die Reserven
folgten nicht. An manchen Stellen schlug sogar französisches
Artilleriefeuer in die eigenen, dicht zusammengedrängten Reihen. Die
Geschichte dieser verworrenen Kämpfe kann nicht geschrieben werden;
diejenigen, die am besten berichten können, sind gefallen, so kann es sich
nur um einige Gefechtsepisoden
handeln! - Auf dem rechten Flügel des Kampffeldes fiel die Grenze
zwischen 23. und 24.
Reserve-Division [297] mit dem Lauf der
Suippes zusammen; das bollwerkartig vorspringende große Dorf
Aubérive gehörte der 24.
Reserve-Division. Die Angriffe gegen den rechten Flügel des Reservekorps
waren ohne Erfolg geblieben; in Aubérive hielten trotz Angriffs von allen
Seiten die 11. Reserve-Jäger aus, während weiter östlich die
Grabenbesatzungen auf die Reservestellung südlich St. Souplet
zurückgedrängt wurden, wobei mehrere Batterien dem Feinde hatten
überlassen werden müssen. Vorzüglich hielt westlich der
Straße Souain - Somme-Py
Reserve-Infanterie-Regiment 103 aus; von allen Seiten bedrängt, bahnte es
sich schließlich mit der blanken Waffe den Rückzug bis zur
Reservestellung.
Schwere Kämpfe waren an der Straße
Suippes - Souain - Somme-Py zu erwarten, hier wollten die
Franzosen mit aller Kraft durchbrechen; sie trafen hier auf die kampferprobte 15.
Reserve-Division35 unter Generalleutnant z. D.
v. Liebert, der seit dem
24. - also während des Artilleriefeuers - durch das
sächsische Regiment 184 und das württembergische
Infanterie-Regiment 122 der 183.
Reserve-Infanterie-Brigade36 verstärkt wurde. Die von
Franzosen bedrängte 6. Batterie
Reserve-Fußartillerie-Regiments 15 wurde, als sie jeden Augenblick das
Vorgehen des Feindes zum Sturm erwarten mußte, durch in die Angreifer
einschlagende französische Granaten befreit. Danach gelang es den Massen
der Feinde, hier erhebliche Fortschritte zu machen; aber an der nur ganz schwach
besetzten37 zweiten Stellung, in der ohne
Rücksicht auf Zusammengehörigkeit Truppen aller deutschen
Stämme fochten, brach sich das französische Vorgehen. Die 50.
Infanterie-Division hielt den Abschnitt von Tahure. Mit echt westfälischer
Zähigkeit kämpften die Regimenter. Unvermeidlich war es gewesen,
daß bei der Division sechseinhalb
Feldkanonen-, eine schwere Feldhaubitz-Batterie, acht schwere Kanonen verloren
gegangen waren.
Besonders sei des Regiments 53 unter seinem vorzüglichen Kommandeur,
Oberstleutnant v. Troilo, gedacht. Das Regiment, das vier Kompagnien zur
Korpsreserve zu stellen hatte, hielt mit nur fünf Kompagnien den
2250 m breiten vorderen Abschnitt, dahinter drei Kompagnien in
Bereitschaft und zwei in zweiter Stellung. Gegen die Front richtete sich der
Angriff von vier französischen Regimentern mit acht Bataillonen, tief
gegliedert nebeneinander. Die vordere Linie wurde zwar von der
Übermacht überrannt, und der zähe Widerstand noch weiter
aushaltender Abteilungen schließlich durch Umfassung und
Rückenangriff gebrochen. Ehre dem tapferen Regiment, das hier der
Übermacht erlag, aber mit seinen, durch einige Reserven verstärkten
Trümmern noch bis zum Abend des 1. Oktober standhielt. Vom 22.
September bis zum 10. Oktober verlor das Regiment 56 Offiziere 2583 Mann.
Infolge der Über- [298] macht an Menschen
und Material und des zähen Festhaltens der vorderen Linie waren hohe
Verluste an Gefangenen unvermeidlich.
Das glänzende Verhalten dieses Regiments steht in keiner Weise vereinzelt
da. Genannt sei bei der anschließenden 16.
Reserve-Division nur das hartnäckige Aushalten von
II./Reserve-Infanterie-Regiment 65 unter dem tatkräftigen Rittmeister
v. Schenk auf Höhe 196 bei Le Mesnil in einer
Hinterhangstellung, die von Flachbahngeschossen nicht zu erreichen war. Die
Truppe, obwohl in rechter Flanke und im Rücken angegriffen, hielt ihre
Stellung, machte sich durch Gegenstöße Luft und konnte am Abend
des ersten Gefechtstages sich sogar rühmen, bei einem Verlust von 8
Offizieren 180 Mann (darunter nur 60 Tote und 5 Gefangene) dem Feinde 300
Gefangene und zwei Maschinengewehre abgenommen zu haben. Ein
Glücksfall war, daß der französische Regimentsstab gleich
beim Einbruch zusammengeschossen wurde.
Schwere Kämpfe gab es auf der Höhe 199 nördlich Massiges,
auf dem "Kronenberg"; der Kampf wogte hin und her, doch gelang es der Truppe,
sich hier zu behaupten. Schwere Verluste waren unvermeidlich.
Am Abend des ersten Schlachttages hatten die Franzosen ihre weitgesteckten
Angriffsziele nicht erreichen können; sie hatten gewonnen, auf ihrem
linken Flügel anfangend, die Gräben südlich
Epine-Vedegrange an der Straße
St. Hilaire - St. Souplet, dann die Höhe von
Navarin Ferme südlich Somme-Py, den Südhang der
Arbre-Höhe, den Südrand der Butte de Tahure (192), das
Gelände nördlich Ripont, dann scharf nach Südosten auf Ville
sur Tourbe umbiegend die Höhe 199 nördlich Massiges. Der
französische Heeresbericht gab die Zahl der Gefangenen auf 10 000
an, einschließlich 200 Offiziere, dann waren 24 Feldgeschütze
genommen. Ein neutraler Berichterstatter Stegemann schrieb im Bund:
"Von der deutschen Mauer ist wohl an zwei Stellen der Bewurf gefallen und die
äußere Steinschicht beschädigt worden; weiter aber reichte die
Auswirkung dieser Offensive nicht". Nach einem Vierteljahr emsiger
Vorbereitung an Truppenersatz, währenddessen unsere Heere im Osten die
ungeheuren russischen Armeen niederwarfen und siegreiche, aber
opfererheischende Arbeit für sich und andere leisten mußten, nach
monatelanger Herbeischaffung von Munition aus den Waffenfabriken der halben
Welt, besonders Amerikas, müssen die Franzosen und Engländer
"Sieges"-Nachrichten geben, deren bitterer, wenn auch noch so sehr mit Zutaten
umwickelter Kern eben doch der unleugbare Satz ist: "Wir kamen nicht
durch!"
Die Franzosen hatten gewiß am Vormittag einen unleugbaren Erfolg auf der
ganzen Front erzielt, Reserven waren jedoch nicht zur Stelle; die so oft den
Deutschen gegenüber gerühmte Elastizität des Geistes fehlte
gerade den Führern; sie begnügten sich mit ihren Anfangserfolgen.
Wie ganz anders die deutschen Truppen! Selbst einzelne Leute, abgesprengt von
ihren Kompagnien, setzten selbständig den Kampf fort, bis sie der
Überzahl erlagen. Von Attigny war im [299] Fußmarsch und
mit Lastkraftwagen die bewährte 5.
Infanterie-Division (Generalleutnant Wichura) vorgezogen, und an der allen
Champagne-Kämpfern wohlbekannten "Wegespinne" von Mazagran,
eingetroffen. Nach Bemont Ferme zur Division Liebert vorrückend, erhielt
die Division (5 Uhr nachmittags) den Befehl, zwischen der 50.
Infanterie-Division und der 15. Reserve-Division vorzugehen über die
Straße Souain - Tahure hinweg und die verlorene Artilleriestellung
wiederzunehmen. Die Infanterie hatte von Mazagran bis
Somme-Py 18 km zurückzulegen. Schweren Herzens mußte
der Führer sich bei der vorgeschrittenen Tageszeit dazu entschließen,
auf den Gegenstoß zu verzichten und sich mit dem Besetzen der
Reservestellung zu begnügen. Auf dem Marsche war notgedrungen schon
das Leib-Regiment Nr. 8 zur 16.
Reserve-Division abgezweigt. Eine erhebliche Verstärkung der Front
gewährte das Eintreffen von zwölf
Feld- und drei schweren Feldhaubitz-Batterien. Jedenfalls waren jetzt
ausreichende Kräfte zur Hand, um einen nächtlichen
Durchbruchsversuch abzuwehren.
Einsatz der Verstärkungen
bis zum 26., 9 Uhr vormittags |
5. Armee |
|
3. Armee |
XVII. Reservekorps |
VIII. Reservekorps |
|
XII. Reservekorps |
27.
Infanterie-
Division |
9.
Landwehr-
Division38 |
21.
Reserve-
Division38 |
12.36
16. Reserve-
Division38 |
Infanterie-
Regiment 89
50. Reserve-
Division |
12.36
15. Reserve-
Division38 |
24.
Reserve-
Division38 |
23.
Reserve-
Division |
|
|
|
|
|
|
183.
Infanterie-
Regiment |
|
184. In-
fanterie-
Regiment |
122. In-
fanterie-
Regiment |
|
4 Bataillone
und
24 Geschütze
der 28.
Infanterie-
Division
192.
Infanterie-
Brigade
mit 9
Bataillonen |
|
Von
der
7.
Ar-
mee |
|
|
Regiment
Lägeler
3
Bataillone
der 27.
Infanterie-
Division |
|
|
|
|
|
|
General
v. Versen
56. In-
fanterie-
Division |
General
v. Ditfurth
16.
Reserve-
Division |
|
Infanterie-
Regiment
52
II. Feld-
artillerie-
Regiment
18 und
2 schwere
Feld-
Haubitz-
batterien |
Grena-
dier-Regi-
ment 12
I. Feld-
artillerie-
Regiment
18 |
|
|
|
|
Leib-
Grenadier-
Regiment
8 |
Feld-
artillerie-
Regiment
54 |
|
|
|
|
Feldartillerie-
Regiment 35 |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Infanterie-
Regiment 118 |
|
|
|
|
|
|
|
|
Infanterie-
Regiment 88 |
|
|
|
|
|
|
|
192. |
Infanterie-Brigade |
= 9 Bataillone |
|
Von der 28. |
"
" |
= 4 " |
|
57. |
"
" |
= 9 " |
|
56. |
"
" |
= 9 " |
|
Regiment Lägeler |
= 3 " |
|
|
|
|
|
34 Bataillone |
[300] Der Tag hatte für
die Franzosen mit schweren Verlusten geendet; die Kampfkraft der
enttäuschten Truppen der ersten Linie war erschöpft, die
Verbände waren an allen Orten durcheinander gekommen; es bedurfte erst
geraumer Zeit, um sie wieder zu ordnen.
Im Lauf des 25. hatte sich die Oberste Heeresleitung überzeugen
müssen, daß ihre Beurteilung der Lage unrichtig gewesen war; der
von der 3. Armee seit mehreren Wochen befürchtete Massenangriff war
tatsächlich erfolgt, die deutschen Truppen hatten unter schweren Verlusten
Übermenschliches geleistet. Zwar waren diese Kämpfe ohne schwere
Erschütterung der Front überstanden; doch hatte das nicht
vorausgesehen werden können. Im Laufe der Nacht wurde die 192.
Infanterie-Brigade der 7. Armee (Preußen, Württemberger, Sachsen)
eingesetzt. Die von Saarburg herangeholte 56.
Infanterie-Division (Generalmajor v. Versen) wurde mit
Füsilier-Regiment 35 der 16.
Reserve-Division, mit Infanterie-Regiment 118 der 50.
Infanterie-Division zur Verfügung gestellt, während
Infanterie-Regiment 88 zunächst noch zurückgehalten wurde, dann
aber dem
Füsilier-Regiment 35 nach dem "Kanonenberge" folgte. Die badische 29.
Reserve-Division (7. Armee) setzte von jedem Regiment ein Bataillon und von
jeder Batterie zwei Geschütze zur Unterstützung der benachbarten
24. Reserve-Division in Marsch. Dann wurde aus Belgien vom X. Armeekorps die
19. und 20. Infanterie-Division mit einer schweren
Feldhaubitz-Batterie herangezogen. Empfindlich war die Vermischung aller
Verbände; marschbereite Truppen mußten ohne Rücksicht auf
die Kriegsgliederung dorthin geschickt werden, wo Hilfe not tat. Im Abschnitt der
16. Reserve-Division mit dem wichtigen Stützpunkt des "Kanonenberges"
mischten sich die vier Regimenter der 16.
Reserve-Division, dann noch Infanterie-Regiment 183 der sächsischen 183.
Brigade,39, das
Leib-Regiment 8 der 5. und das
Füsilier-Regiment 35 und Infanterie-Regiment 88 der 56.
Infanterie-Division, acht Regimenter von vier Divisionen. Im Lauf des 26.
übernahm General v. Versen (56.
Infanterie-Division) den Befehl im linken, General v. Ditfurth (16.
Reserve-Division) im rechten Abschnitt. Auch bei den anderen Divisionen war
eine ähnliche Vermischung aller Verbände eingetreten. Rechtzeitiges
Bereitstellen von Reserven hätte dies verhindern können. Am 26.
wurde von der Obersten Heeresleitung der Oberst v. Loßberg als
Chef des Generalstabes zur 3. Armee entsandt. Es war wahrlich keine leichte
Aufgabe, an einem Großkampftage den bisherigen Chef des Stabes
(bayerischer Generalleutnant Ritter v. Höhn) zu ersetzen.
An Verstärkungen und Munition rollte heran, was nur irgend
verfügbar gemacht werden konnte; aber trotz aller Verstärkungen an
Mannschaften und [301] Geschützen blieb
doch immer eine gewaltige Überlegenheit des Feindes bestehen. An ihm lag
es, ob er bei dem großen Aufgebot an Kräften Sieger bleiben
wollte.
Der Himmel begünstigte die deutschen Truppen; trübe und neblig
brach der 26. an, so daß das Neuordnen der Truppen und das
Heranführen von Verstärkungen sich ohne größere
Störung vollzogen. Munitionsmangel hinderte auch die Franzosen, die
deutschen Anmarschstraßen während der Nacht und am frühen
Morgen unter Feuer zu halten. Vom Mittag ab setzte Regenwetter ein, das sich,
begleitet von schneidendem Wind, in den nächsten Tagen verstärkte.
Das war ein Wetter, wie es erfahrungsgemäß der französischen
Truppe nicht zusagte. So kam es auch nur zu zusammenhanglosen
Vorstößen; französische Batterien wurden vorgezogen,
erhielten aber schweres deutsches Feuer. Vorübergehend zeigte sich
stärkere Kavallerie, die aber auf jedes Eingreifen verzichtete. Im
allgemeinen schoben sich die französischen Linien näher an die
deutsche, fast durchweg am Hinterhang gelegene zweite Stellung der 24. und 15.
Reserve-Division heran; Widerstandsnester, so z. B. Trou Bricot, wurden
genommen. Französische Truppen prellten wohl gegen die schwach
besetzten deutschen Linien vor. Die Hindernisse waren unzerstört, so
wurden die Angreifer durch Feuer abgewiesen. Am Nachmittag gelang es endlich,
nach kurzer Artillerievorbereitung einheitlich Truppen gegen die Stellung der 15.
Reserve-Division vorzuführen; aber auch diesem Versuch war kein Erfolg
beschieden. Der rechte Flügel der zäh aushaltenden 50.
Infanterie-Division hätte leicht in Gefahr kommen können, wenn ihre
schwere Lage rechtzeitig erkannt worden wäre. Franzosen waren weit
über ihren rechten Flügel vorgekommen, brauchten nur
einzuschwenken, um den tapferen Verteidiger zu
vernichten - aber die französische Führung erkannte diese
Lage nicht. Links hatte die 50.
Infanterie-Division keine Verbindung mit der Nachbardivision, auch diese war im
Laufe des Tages stark gefährdet; von den Höhen von Ripont aus
hatten sich einzelne französische Abteilungen bis zur
Dormoise-Brücke von Rouvroy vorgearbeitet. Konnte die Division ihre
Stellung jetzt noch weiter halten? Der Divisionskommandeur befand sich auf
seiner Befehlsstelle auf dem "Kanonenberge", hatte glücklicherweise noch
Verbindung mit dem Generalkommando und erfuhr, daß
Füsilier-Regiment 35 und zwei
Radfahrer-Kompagnien der 50. und 56.
Infanterie-Division im Anmarsch seien. So konnte die Hochfläche mit
einem schwer gangbaren Steilhang im Rücken weiter gehalten werden.
Links anschließend hielt noch immer die 21.
Reserve-Division mit dem Reserve-Infanterie-Regiment 81 den "Ehrenberg"
(191). Wirksam machte sich auch das Feuer der nördlich der Dormoise
eintreffenden Batterien geltend. Am Abend hatte sich eine verhängnisvolle
Lücke auf dem "Kanonenberg" gebildet, die durch einen entschlossen
geführten Gegenstoß des Kommandeurs der Pioniere [302] VIII. Reservekorps, des
Obersten Unverzagt, mit vier Bataillonen und zwei
Maschinengewehr-Kompagnien wieder geschlossen wurde.40
Am 27. wurde durch sieben Pionier- und 23½
Armierungs-Kompagnien mit dem Ausbau einer neuen Reservestellung
nördlich der Py und des
Alin-Baches begonnen; als dann noch erhebliche Verstärkungen eintrafen,
durfte die Gefahr eines Durchbruchs als beseitigt gelten. Teile der stark
mitgenommenen Truppen konnten zurückgeführt werden. Zwischen
dem XII. und dem VIII. Reservekorps wurde das bisher nach seiner
Tätigkeit in Rußland und Belgien zur Auffrischung bestimmte X.
Armeekorps (General v. Lüttwitz) eingeschoben. Von der zuerst
heranbeförderten 20.
Infanterie-Division wurde Infanterie-Regiment 77 dem XII. Reservekorps,
Infanterie-Regiment 92 der 15. Reserve-Division und
Infanterie-Regiment 79 der 50. Infanterie-Division zugeteilt. Einen
kräftigen Halt gewährte die Mitwirkung der Artillerie. Auf den
äußersten linken Flügel war von der in den Argonnen
kämpfenden 27.
Infanterie-Division das zusammengestellte Regiment Lägeler41 nach La Justice herangezogen,
das dann am 27. und 28. den Kanonenberg verteidigte.
Die Franzosen hatten nach aufgefundenen Befehlen für den 27. die Absicht,
die stark zerstörte deutsche zweite Stellung in einem allgemeinen Angriff
zu durchbrechen. Aus einem allgemeinen Angriff wurden jedoch nur
unzusammenhängende Teilvorstöße, die im Feuer der
Verteidiger zerschellten. An einzelnen Stellen gelangten wohl schwache
Abteilungen in die deutschen Stellungen, doch vermochten keine, ihren Erfolg zu
erweitern. Das Auftreten starker Kavalleriemassen nördlich Souain mit dem
Auftrage, den voraussichtlichen Erfolg der Infanterie durch rücksichtsloses
Vorgehen zu vervollständigen, zeigte, wie sehr die Franzosen die
Bedeutung ihrer bisherigen Kämpfe überschätzten. Die
Kavallerie erlitt schwere Verluste. Unter den Gefangenen befanden sich
Kavallerieoffiziere, die den Befehl gehabt hatten, ihre angreifende Infanterie zu
begleiten und den Weg für die später vorgehenden Kavalleriemassen
festzulegen. Zum Anreiten der Kavallerie ist es schon des schwierigen
Geländes wegen nicht gekommen.
Der 28. zeigte bei zunehmender ungünstiger Witterung die gleichen
Erscheinungen. Die französischen Truppen fühlten sich in ihren
Erwartungen betrogen, und das wirkte auf die Stimmung. Interessant sind die
später auf dem Schlachtfelde gefundenen Aufzeichnungen eines
französischen Offiziers von diesem Tage:
"Wenn ich seit dem 24. nicht mehr
geschrieben habe, kommt es daher, daß wir durch den Angriff abgestumpft
waren. Mein Bataillon hat 1300 Mann (?) verloren, darunter 12 Offiziere.
Es sind nur noch drei von uns übrig. Man [303] befürchtet einen
feindlichen Gegenangriff. Wir befinden uns in einer sehr schlechten Stellung. Der
vorbereitete Stoß ist gründlich mißglückt. Es ist aus.
Rechts, wo alles gut geht, versucht man, das Unglück wieder gutzumachen
(20 000 Gefangene und 70 Geschütze). Das hindert nicht, daß
der erste Angriff das Ziel nicht erreicht hat und uns entsetzlich teuer zu stehen
gekommen ist. Das 103. und 104. Regiment haben sich geweigert vorzugehen.
Meine Kompagnie zählt nur noch 30 von 210 Mann. Bei anderen
Regimentern sieht es ähnlich aus. Ich bin todmüde. Man
zermürbt uns den Kopf mit Kanonenschüssen. Es ist
fürchterlich. Wir halten uns kaum noch aufrecht. Und dennoch: Man
muß. Die deutschen Truppen sind großartig. Ich bewundere und achte
meinen Gegner wegen seiner Tapferkeit, wegen seiner wunderbaren Disziplin,
seines Ordnungssinns, auch im kleinen. Deutschland ist sehr mächtig und
hat sich so aus sich selbst heraus geschaffen. Das ist herrlich. Seine edelste
Eigenschaft ist äußerste Geduld, Ausdauer und Beharrlichkeit, den
Enderfolg zu erringen für die Größe des
Landes."
Ja, ihrer Ausdauer und Beharrlichkeit verdankten die deutschen Truppen den Sieg,
denn dieser neigte sich ihnen jetzt zu. Die Truppe mußte nur aushalten, und
das gelang ihr trotz aller Schwierigkeiten, die sich für den Abschub der
Verwundeten, für das Heranbringen von Verpflegung und von Wasser
ergaben. Die Gegner vervollständigten den Ausbau ihrer Stellungen,
dadurch trat immer mehr Ruhe ein. Die Franzosen behaupten, bis über
23 000 Gefangene gemacht und 121 Geschütze erbeutet zu haben,
316 Offiziere und 17 550 Mann seien durch Chalons gekommen. Die 20.
Infanterie-Division löste am 30. die stark mitgenommene 15.
Reserve-Division ab, die hinter der Front die wohlverdiente Ruhe finden sollte.
Hinter dem linken Flügel wurde die aus Lothringen herangezogene 37.
Reserve-Infanterie-Brigade und die 53.
Reserve-Division (aus Flandern) bereitgestellt, die 113.
Infanterie-Division am Bahnknoten von Amagne als Reserve
zurückgehalten. Von wichtigeren Ereignissen sei nur das Festsetzen der
Franzosen auf dem bis dahin von der 21.
Reserve-Division hartnäckig verteidigten Ehrenberg erwähnt.
General Castelnau mußte
mit dem bisher Erreichten unzufrieden sein; er
beabsichtigte eine Wiederholung des Angriffs mit den Divisionen, die bislang am
wenigsten gelitten hatten. Das Wetter war seit einigen Tagen günstiger
geworden. Am 4. Oktober nachmittags begann das Artilleriefeuer.
Französische Überläufer hatten den Beginn des Angriffs
für den 5. vorausgesagt, doch die Feuervorbereitung ging weiter. Erst am 6.,
7 Uhr früh, nach 43stündiger Artillerievorbereitung, brach der Sturm
von Aubérive bis zur Aisne los. Reichlich ausgegebener Alkohol sollte die
Kampfesstimmung steigern. Auf dem rechten Flügel hielten die Sachsen
zwischen Aubérive und Souain ihre Stellung. Nur bei der 20.
Infanterie-Division westlich, dann bei der 5.
Infanterie-Division östlich der Straße
Somme-Py - Souain glückten Einbrüche, die aber bis
zum 8. beseitigt [304] wurden. Eine Batterie
der 20. Infanterie-Division (3./Feldartillerie 10) wurde von Marokkanern
eingeschlossen. Die Bedienungsmannschaften mußten hinter der Batterie
antreten und wurden abgeschlachtet. Bei der 50.
Infanterie-Division gelang es dem Feinde, nach Einnahme der Trümmer
von Tahure sich auch der beherrschenden Butte de Tahure zu bemächtigen;
aber ein Gegenangriff der Regimenter 53 und 158 brachte das Vorgehen des weit
überlegenen Feindes zum Stehen. Die vorgeschobene Ecke nördlich
Mesnil wurde weiter gehalten. Auf dem linken Flügel der 3. Armee wurden
alle Angriffe abgewiesen. Hier war es das mit Lastkraftwagen
herangeführte Bataillon
(II./Grenadier-Landwehr-Regiments Nr. 100, Oberstleutnant
v. Koenneritz), das dem Angriff weit überlegener Massen standhielt;
aber auch die eigenen Verluste waren schwer. Neue Verstärkungen wurden
herangeführt, so daß nach Abwehr des Kampfes östlich der
Suippes standen: die 24.
Reserve-, die Reste der 183. Infanterie-Brigade, vermischt mit dem X.
Armeekorps; östlich der Straße
Souain - Somme-Py standen die 192.
Infanterie-Brigade mit der 5. Infanterie-Division, daran schloß sich die 50.
Infanterie-Division. Die am weitesten nach Südosten vorspringende, seit
dem ersten Schlachttage behauptete Stellung, die "Wetterecke", hielt die 16.
Reserve-Division, dann folgte nach Osten anschließend bis auf den
"Kanonenberg" hinauf die 56.
Infanterie-Division, dann weiter die 21.
Reserve-Division der 5. Armee. Vom 7. ab traf ein, aus dem Osten kommend: 4.
Infanterie-Division, 50. Reserve-Division, dann weiter 5. bayerische
Infanterie-Division (von der Armee-Abteilung Strantz), 22.
Reserve-Division und das IX. Armeekorps, welches das X. Armeekorps
ablöste.
Ein deutscher Angriff am 9. Oktober gegen die Butte de Tahure war ohne Erfolg.
In der Erwartung, daß weitere Erfolge bei Tahure auch die östlich
anschließenden Stellungsteile unhaltbar machen würden, versuchten
die Franzosen vom 13. ab vergeblich, hier Raum zu gewinnen. Am 15. Oktober
nahmen Reserve-Jäger 12 und III./Regiment 100 ein Franzosennest
östlich von Aubérive und erbeuteten 600 Gefangene, 8
Maschinengewehre und 8 Minenwerfer. Auch bei Navarin Ferme und auf der
Arbre-Höhe gelang es den deutschen Verbänden, ihre Stellung zu
verbessern. Am 24. hielt die "Wetterecke" einem umfassenden Angriff zweier
einheitlich vorgeführter französischer Divisionen stand, nur ein
kleiner Grabenteil ging verloren; aber am 25. befreite ein Gegenstoß den
eingeschlossenen Verteidiger.
Das Armee-Oberkommando entschloß sich, durch einen
größeren Angriff über Butte de Mesnil den
französischen Einbruch auszugleichen, damit auch die Wiederholung eines
umfassenden Angriffs auf die "Wetterecke" unmöglich zu machen. Die
Verhältnisse erlaubten nicht das Einrichten einer besonderen Sturmstellung.
Die Truppe mußte sich mit den Deckungen abfinden, die sie vorfand.
Artillerie konnte in ausreichender Stärke verfügbar gemacht werden.
Als Sturmtruppe standen dem VIII. Reservekorps zur
Verfü- [305] gung: 7.
Reserve-Division, 5. bayerische
Infanterie-Division (Stellungstruppe) und 4.
Infanterie-Division. Am 30., 11 Uhr, begann das Artilleriefeuer. Nach fünf
Stunden brach die deutsche Infanterie vor, nahm die Butte; dann kam aber der
Stoß an den rückwärtigen Stellungen (Fritschberg und
Eisenberg) des Feindes zum Stehen. Eine Wiederholung des Sturmes hatte keinen
Erfolg; nur die Butte de Tahure blieb, nachdem noch am 31. ein starker
französischer Gegenstoß abgewiesen wurde, bis zu den letzten
Kämpfen des Weltkrieges in deutscher Hand. Nach und nach fanden sich
beide Teile mit Gewinn und Verlust ab. Größere Kämpfe
fanden in den nächsten Monaten nicht mehr in der Champagne statt.
Auf dem linken Armeeflügel brachte die 56.
Infanterie-Division am 3. November durch Handstreich die Höhe 199
nördlich Massiges (den Kanonenberg) wieder ganz in deutschen Besitz.
Wiedereroberungsversuche am 4. und 5. wurden abgewiesen. Fortan versuchten
die Franzosen, durch verstärktes Artilleriefeuer den Ausbau zu hindern.
Auch an anderen Stellen, beim XII. Reservekorps bei Navarin Ferme, sowie beim
IX. Armeekorps auf der Arbre-Höhe, konnten geringe
Geländevorteile erreicht werden.
Die Schlacht in der Champagne war zu Ende. Mit einer Einbuße von etwa
200 000 Mann mußten sich die Franzosen mit einem Einbruch von
nur 13 km Breite und bis zu 3 km Tiefe begnügen, die diese
nur bis vor die deutsche zweite Stellung geführt hatte. Die
französische Infanterie hat zweifellos tapfer angegriffen, aber sie erwies
sich doch der deutschen unterlegen. Ihre Angriffskraft reichte nur für den
ersten Angriff aus. Was der Feind erreicht hat, hat er erreicht durch eine gewaltige
Überlegenheit an Artillerie aller Kaliber und Minenwerfer, sowie durch
eine vorzügliche Verbindung dieser Artillerie mit seiner
Erd- und Luftbeobachtung, schließlich durch die Unterstützung
zahlreicher, über den deutschen Stellungen kreisender Flieger. Durch sie
hat er die deutsche Artillerie fast vollständig ausgeschaltet und dann in aller
Ruhe die deutschen Stellungen zerschlagen. Der Masseneinsatz in breiter Front
erklärt die Höhe der Gefangenenzahl von 60 000 Mann und
von 150 erbeuteten Geschützen, die meisten zerschossen, alle
bewegungsunfähig.
Die französische Armee hatte einen Verlust von etwa 130 000 Mann
erlitten. Sie hatte eine Vernichtungsschlacht schlagen und die deutschen Linien
durchbrechen wollen. Ihr geringer Erfolg blieb hinter den Erwartungen weit
zurück; die deutschen Truppen haben ihre Stellungen gehalten, sie haben
gesiegt, den Plänen des Generals Foch eine volle operative Niederlage
bereitet. Gerade dieses darf nicht vergessen werden. Hätte das
Armee-Oberkommando 3 nur Reserven zur Hand gehabt, so wäre die
taktische Niederlage der Franzosen augenfällig gewesen. Zahlreiche
deutsche Geschütze wären nicht verloren gegangen oder sicherlich
wiedererobert, Gelände in geringem Maße oder überhaupt
nicht verloren gegangen. Diesen Mangel an nicht rechtzeitig bereitgestellten
Reserven hat die Truppe in [306] so vielen anderen
Verteidigungsschlachten bitter empfunden. "So bleibt nichts übrig, als den
fast übermenschlichen Heldenmut der Truppe zu bewundern, die den leider
nicht zu vermeidenden taktischen Verlust in einen strategischen Sieg erster Klasse
hätte verwandeln können." (v. Bernhardi.)
Für die nächsten Monate herrschte in der Champagne ein
rühriger Stellungskrieg, der nur geringe Kräfte zur Behauptung des
festgehaltenen Geländes erforderte.
Die Herbstschlacht im Artois.42
Seit Anfang September konnte die 6. Armee (Generaloberst Kronprinz Rupprecht
von Bayern, Chef des Stabes: General Krafft v. Dellmensingen,
Armee-Hauptquartier Douai) nicht mehr an dem nahen Bevorstehen eines
gewaltigen Angriffs zweifeln, der, wie man annahm, hauptsächlich von den
Franzosen von der Loretto-Höhe im Norden bis über Ficheux
(südlich Arras) gegen das VI. Armeekorps, I. bayerische Reservekorps und
gegen die 111. Infanterie-Division geführt werden würde.
Verfügbare Verstärkungen wurden daher vor allem in diesem
Abschnitt eingesetzt. Auf dem an die Franzosen nördlich
anschließenden englischen Frontabschnitt glaubte man, nur mit
Teilangriffen und Ablenkungsversuchen rechnen zu müssen. Hier hatte sich
die deutsche Führung täuschen lassen.
[Beilage 2 zu Bd. 2]
Skizze 13: Gelände der Frühjahrs- und
Herbstschlacht
bei Arras - La Bassée 1915. [Vergrößern]
(Die Grabenlinie bezeichnet den Verlauf der deutschen Stellung, die Zahlen die
Truppenverteilung bei Beginn der Herbstschlacht.)
|
Die deutsche 6. Armee stand nördlich des
La-Bassée-Kanals mit dem II. bayerischen und XIX. (sächsischen)
Armeekorps und Teilen des VII. Armeekorps mit siebeneinhalb Divisionen auf
58 km.43 Südlich des Kanals standen
Teile der 14. Infanterie-Division, dann des IV. und VI. Armeekorps bis in die
Gegend südlich Thélus mit fünfeinhalb Divisionen auf
30 km.44 Südlich der Grenzlinie
zwischen 14. und 117.
Infanterie-Division (IV. Armeekorps) sprang 500 m westlich der Bauten
und Schlackenhalden der Zeche (fosse) 8 das
"Hohenzollern-Werk" vor. Weiter nach Süden schlossen an das IV.
Armeekorps, das I. bayerische Reservekorps und die 11.
Infanterie-Division, letztere grenzte an die 52.
Infanterie-Division der 1. Armee: drei Divisionen auf 27 km.45 An Reserven waren in Douai
zunächst verfügbar die 26.
Reserve-Infanterie-Brigade und die 8. Infanterie-Division mit nur einer
Feldartillerie-Abteilung.
Der Angriff der Verbündeten sollte, ebenso wie in der Champagne, nach
Joffreschen Grundsätzen ausgeführt werden. General Foch, der
Führer der 10. Armee, machte geltend, daß das
Industriestädtchen Lens, das auf der Nahtlinie der englischen und
französischen Armee lag, ausgespart werden müsse. Die vielen
Zechen, Kohlenhalden, Bahnanlagen waren einem einheitlichen
größeren Angriff, der schnell vorschreiten sollte, nur hinderlich. Die
französische 10. Armee [307] wurde mit dem rechten
Flügel des XII. Korps gegen Thélus, mit dem III. gegen Vimy, dem
XXXIII. gegen Souchez und mit dem XXI. Korps gegen Lievin angesetzt. Vier
Divisionen folgten in Reserve. Der Sturmblock zählte auf 11 km
Front neun Divisionen in erster Linie. Der Abschnitt von Arras blieb mit dem
XVII. Korps besetzt, von dem eine Division sich bei Roclincourt beteiligen sollte.
Das IX. Korps, das seit Anfang September festgestellt war, sollte südlich
Arras einen Nebenangriff führen. Weiter nördlich, durch eine
Lücke von 5 km von den Franzosen getrennt, marschierten die
Engländer auf.46 Die zum Stoß bestimmte 1.
Armee (Sir Douglas Haig,
Armee-Hauptquartier Hazebrouck) mit dem IV. Korps (zugeteilt drei
Kavallerie-Divisionen) und I. Korps mit dem linken Flügel am Gleisdreieck
am Kanal von Aire nach La Bassée, nordwestlich Auchy, mit dem
rechten Flügel bei Grenay. Nördlich des Kanals sollten das indische
und das III. Korps gegen die vorspringende deutsche Ecke bei Moulin de Pietre
(bei Neuve Chapelle) und gegen die Gräben von Bridoux einen
Nebenangriff ausführen, für den auch ein erheblich geringerer
Munitionseinsatz bereitgestellt war. Als Armeereserve wurde das XI. Korps mit
drei Divisionen bei Beuvry, Noeux les Mines und Bailleul, die
Garde-Division als Heeresreserve bei Lillers, östlich Bethune, und rechts
rückwärts das IV. Korps, die vereinigte Kavallerie bei St. Pol,
Bailleul und Doullens bereitgehalten.
Von Anfang September ab begannen die Franzosen, eifrigst ihre Gräben
näher heranzutreiben, was die unterlegene deutsche Artillerie nicht zu
verhindern mochte. Die im allgemeinen weiter entfernten Engländer
verhielten sich untätig. Vom 10. September trieben die Franzosen auch ihre
Gräben südlich Arras näher an die deutschen Stellungen der
111. Infanterie-Division heran. Vom 19. ab setzte das französische Feuer
ein, nahm dann dauernd an Heftigkeit zu; das VI. Armeekorps und das
südlich anschließende I. bayerische Reservekorps rechneten mit einer
vier- bis fünffachen artilleristischen Überlegenheit des Feindes.
Verluste an Geschützen waren unvermeidlich. Auch die entfernteren
Ortsunterkünfte lagen im Feuer. Das VI. Armeekorps, das sich erst seine
Stellungen nach der Maischlacht neu schaffen mußte, litt nicht unerheblich.
Alle Gräben und Artilleriestellungen lagen unter starkem andauernden
Feuer, das nur in den wenigen Nachtstunden, die der Munitionierung dienten,
aufhörte. Auch südlich Arras richtete sich gleiches Feuer gegen die
deutsche Stellung. Tagelanges Trommelfeuer lag auf den deutschen
Gräben, so daß gefangene französische Soldaten nachher selbst
ausgesagt haben, daß sie auf so gut wie keinen Widerstand beim Angriff
gerechnet hatten; die Nerven der Deutschen könnten doch ein solches Feuer
unmöglich aushalten. Aus ihren Gräben heraus sahen die Angreifer
nur eine Wolke von Rauch und Feuer über den deutschen Gräben
liegen. "Wir [308] werden leichte Arbeit
haben", so klingt es wie zur eigenen Beruhigung aus ihren Aufzeichnungen
heraus.
Die englische Artillerie feuerte weniger als die französischen
Geschütze, so daß das IV. Armeekorps sogar irrtümlich
glaubte, daß der Feind vor seiner Front schwächer geworden sei. Am
Nachmittag des 24. lag die Stellung der 117.
Infanterie-Division unter schwerem Trommelfeuer. Nördlich des Kanals
von La Bassée beschoß der Feind nur einzelne Abschnitte,
aber diese auch sehr stark. Die für die Vorschiebung von Reserven wichtige
Bahn Meurchin - Pont à Vendin wurde durch
Artilleriefeuer zerstört. Die englischen Flieger überflogen in
Geschwadern die Front, zerstörten wichtige Bahnlinien, Züge und
Unterkunftsorte, griffen auch, tief herabfliegend, in den Erdkampf ein. Die
englische Infanterie war mit ihren Angriffsarbeiten noch sehr im
Rückstande; nur gegen das
Hohenzollern-Werk waren Sturmstellungen vorgetrieben, so daß ein
größerer Angriff in diesem Frontteil weniger wahrscheinlich schien.
Am 21. betrug die Durchschnittsentfernung der vorderen Gräben noch
330 m.
Die französische Infanterie hörte am 23. mit dem Vorsappieren auf,
baute ihre Sturmstellungen aus und suchte sich durch
Erkundungsvorstöße über den Grad der Artillerievorbereitung
zu unterrichten; am 24. wurden sie noch einmal wiederholt, aber
merkwürdigerweise nicht südlich der Scarpe. So schien alles nur
für einen Angriff der Franzosen zu sprechen; es war fraglich, wie weit die
noch nicht bis auf die übliche Sturmentfernung herangekommenen
Engländer sich beteiligen wollten. Die recht dünn stehende 117.
Infanterie-Division (8 km Front) rechnete nur mit Teilangriffen am
Hohenzollern-Werk und an der Straße
Lens - Béthune; nördlich von La Bassée
wurde ein großer Angriff für ganz unwahrscheinlich gehalten.
Am 24. September gab beim VI. Armeekorps ein französischer
Überläufer an, daß am nächsten Morgen 4 Uhr ein
großer Angriff, mit dem Hauptstoß südlich der Scarpe,
beginnen sollte. Es entsprach dieses auch den Auffassungen der 6. Armee;
nördlich von La Bassée wurde der Angriff für
unwahrscheinlich gehalten. Auch Meldungen, daß der Feind seine
Hindernisse an verschiedenen Stellen öffne, gingen ein. Die Alliierten
beabsichtigten mit den Engländern, die reichlich Rauch und Gas verwenden
wollten, um 6 Uhr 30 Minuten vormittags (englische Zeit), mit den Franzosen, die
sich nur auf ihre Artillerievorbereitung verlassen wollten, um 12 Uhr mittags am
25. zum Angriff anzutreten.
Der Angriff am 25. September.
In den frühesten Morgenstunden gab die Artillerie beim bayerischen I.
Reservekorps Trommelfeuer gegen die französischen Gräben ab; es
wurde aber nach einiger Zeit eingestellt in der Befürchtung, die Munition
zu früh zu verbrauchen. Tatsächlich waren die französischen
Gräben noch nicht aufgefüllt. Um 5 Uhr 50 Minuten (englische Zeit)
wurde auf der ganzen englischen Front Rauch [309] abgeblasen, dem dann
Gaswolken folgten. Infolge einer Änderung in der Windrichtung zog das
Gas nach Norden ab und fügte der 2. englischen Division erhebliche
Verluste zu. Die Hindernisse waren nur notdürftig beseitigt, so kam der
Angriff unter dem flankierenden Feuer vom Bahndamm nördlich Guinchy
bei dieser Division bald zum Stehen. Der nördlich des Kanals
schwächlich und mit unzureichender Artillerieunterstützung
geführte Nebenangriff gelangte trotz des Nebels nur an wenigen Stellen
zum Einbruch. Wo dieser geschah, vermochte der Verteidiger den Angreifer durch
Gegenstoß aber wieder herauszuwerfen. Gleiches Schicksal hatte ein
Angriff des linken Flügels der 2.
Infanterie-Division nach anfänglichem Erfolg. Die Tätigkeit des
englischen III. Korps war für eine Demonstration zu stark, für einen
entscheidenden Angriff zu schwach; es vermochte in keiner Weise, die
Entschließungen des deutschen
Armee-Oberkommandos zu beeinflussen.
Der englische Hauptangriff richtete sich mit den gleichen Hilfsmitteln gegen die
verstärkte 117. Infanterie-Division, die nur mit einzelnen Teilangriffen
gerechnet hatte, aber keineswegs einen Massenangriff voraussah. Die starke
Artillerievorbereitung der letzten Tage, die sich auf vier Einbruchsstellen vereinte,
schien auch für Einzelangriffe zu sprechen. Die schwachen Reserven der
Division (neun Kompagnien) wurden bereitgestellt. Die Truppe hatte das
Gefühl, diesen Angriffen gewachsen zu sein.
"Nachdem die Engländer von 4
Uhr 30 Minuten bis 5 Uhr 30 Minuten und von 7 Uhr bis 7 Uhr 15 Minuten
stärkstes Trommelfeuer abgegeben hatten, begann ein Gasangriff
großen Stils gegen den ganzen Abschnitt der 117.
Infanterie-Division. In Abständen von 10 bis 15 Minuten kamen drei bis
vier mächtige Rauchwolken und sofort nach jeder, mit Ausnahme der
letzten, eine Gaswolke mit ein bis zwei
Sekundenmeter-Geschwindigkeit auf die besetzten Gräben zu. Leichter,
gleichmäßiger Westwind trieb sie heran. Der Rauch war schmutzig
weiß, das Gas gelblich rot. Die Wolken erreichten bald eine Höhe
von 50 m. Gleichzeitig verfeuerte die englische Artillerie Granaten mit
starker Rauchentwicklung und Stinkgasen. Gas und Rauch hielten bis etwa 10 Uhr
vormittags an und erstreckten sich nach Osten, an Dichtigkeit abnehmend, bis zu
dem 4,5 km hinter der ersten Linie liegenden
Divisions-Stabsquartier Wingles hin. Infolge des geringen Windes verteilten sich
die Wolken nur langsam. Auf den tiefer gelegenen Stellen lagerte sich das Gas
dicht und hartnäckig, an anderen überwog der Rauch, der fast
völlige Unsichtbarkeit der Luft verursachte. Vorn am Feinde sah man nur
drei, in Wingles etwa 30 Schritt weit."47
[311]
Skizze 14: Hohenzollernwerk (deutsche Stellung)
nordöstlich Vermelles.
|
Im allgemeinen war aber die gesundheitliche Einwirkung auf die Mannschaft
gering. In der letzten Rauchwolke gingen die Engländer mit der Infanterie
von fünfeinhalb Divisionen (66 Bataillone) in 8 km Breite vor gegen
die von 14 Kompagnien besetzte erste und mit zwölf Kompagnien besetzte
Zwischen- [310] stellung des Abschnitts
der 117. Infanterie-Division vor. Die englischen Divisionen griffen durchweg in
vorderer Linie an mit zwei Brigaden, die ihrerseits wieder zwei
Bataillone - jedes in vier bis fünf
Wellen - nach vorn genommen hatten. Eine dritte Brigade folgte. Der
Einbruch erfolgte bei der 117.
Infanterie-Division, die bis dahin nur wenig gelitten hatte, an den vier
eingetrommelten Stellen, während an den übrigen Teilen der
Stellung die vorderen Verteidiger den Angriff abweisen konnten, dann aber unter
dem Schutze des künstlichen Nebels von den eingebrochenen
Engländern in Front und Rücken angegriffen und eingeschlossen
wurden. Die 14. Infanterie-Division mit den 11. Jägern auf dem linken
Flügel hatte bis auf eine geringfügige Einbruchsstelle, die am Abend
schon wieder genommen wurde, ihre Stellung halten können. Die 9.
(schottische) Division eroberte von Südwesten aus das
Hohenzollern-Werk, dann Fosse 8 und gewann auch in Richtung auf
Haisnes Gelände. Dann aber versagten die Kräfte des
zusammengeschossenen Angreifers.48 Längs des Weges
Vermelles - Anchy verhinderte eine schnell am Pionierweg gebildete
Defensivflanke jeden Versuch, die deutsche Stellung aufzurollen. Die deutschen
Verluste waren sehr schwer. Der größere Teil der ersten Stellung war
überrannt, die standhaltenden Teile der Besatzungen eingeschlossen und
unter dem Schutze des Rauches im Rücken angegriffen; was sich nicht
durchschlagen konnte, wurde niedergemacht oder fiel in Gefangenschaft. Aus
zusammengerafften Verstärkungen,49 denen sich die Trümmer des
Reserve-Infanterie-Regiments 11 anschlossen, gelang es, am "Südweg"
zwischen Auchy und der nach Fosse 8 führenden Zechenbahn, den
feindlichen Einbruch abzuriegeln und jeden Angriff abzuweisen; die ersten
Gegenangriffe hatten jedoch noch keinen Erfolg. Den Engländern war es mit
Hilfe von zwei bald zusammengeschossenen Begleitbatterien gelungen, in
Haisnes einzudringen. Aber es fehlte an Reserven. Die
Reserve-Brigade hatte sich die Zeit genommen, in den von
zurückströmenden Verwundeten und Gefangenen
überfüllten Annäherungsgräben sich vorzuarbeiten, und
konnte erst um 11 Uhr (mitteleuropäische Zeit) auf dem Kampffelde
eintreffen. Jetzt war es zu spät, da recht schwache, aber doch, wie das
Gefecht zeigte, ausreichende deutsche Reserven zur Stelle waren. Südlich
an die schottischen Bataillone anschließend, konnte sich die
Nachbardivision mit ihrem linken Flügel bis in Höhe der
schottischen Division vorarbeiten, mit dem rechten Flügel sogar bis zum
Mittag unter Einsatz aller Reserven und unter Verlust der größten
Zahl der Offiziere bis zum Straßenkreuz westlich Hulluch vordringen.
Der Angriff des IV. Korps sollte mit der linken Division nach Einbruch in [311] die deutschen
Gräben halten und zur Unterstützung des rechten Nachbars
über Loos, Höhe 70, mit dem Angriffsziel Cité
St. Auguste rechts schwenken. Die vorgehende britische Infanterie
ließ sich durch das gut liegende, aber schwache deutsche Sperrfeuer nicht
aufhalten und konnte einbrechen. Südlich der Straße
Hulluch - Vermelles hielt das bald völlig umschlossene I./157
aus, bis es nach Verschießen der letzten Patrone 6 Uhr nachmittags
den [312] Angriffen erlag. An
dem Kampf hatten sich auch englische Truppen beteiligt, die ursprünglich
für die Wegnahme der Höhe 70 bestimmt waren. "Ihre
hartnäckige Verteidigung", schreibt der amtliche englische Bericht
über das deutsche Bataillon, "hatte das ganze Vorgehen der 15.
Infanterie-Division umgestoßen. Die englischen Verluste waren recht
schwer." Um die Trümmer von Loos kam es zu einem hartnäckigen
Ortsgefecht. Im dichten künstlichen Nebel verlor die rechte Brigade die
Richtung und stieß nordwestlich Lens auf einen unerschütterten
Verteidiger der befestigten Cité St. Laurent nordöstlich Lens.
Ein deutscher Gegenstoß des
Reserve-Infanterie-Regiments 22, dem sich auch Teile des benachbarten IV.
Armeekorps anschlossen, warf die Engländer zurück.
Vorübergehend wurde von ihnen die Höhe 70 östlich
Loos genommen, bis auch hier ein deutscher Gegenstoß des
Reserve-Infanterie-Regiments 22 die Lage zugunsten der Deutschen wandte und
die Engländer etwa 400 m in Richtung auf Loos
zurückdrängte. Reserven waren nicht zur Hand, sie hatten sich nach
Loos ablenken lassen, um den zähen Widerstand der Ortsbesatzung zu
brechen. Auch französische Einwohner beteiligten sich an diesem
Kampfe.50
Der englische Angriff war sorgfältig durchdacht und bis ins kleinste
vorbereitet. Soweit alles genau festgelegt war, wurde die englische Unternehmung
gut und flott durchgeführt. Sobald man sich aber unvorhergesehenen Lagen
oder plötzlicher Gegenwirkung gegenübersah, wurde nicht mehr
gehandelt. Die englische Gefechtsführung versagte, die Offiziere irrten
rat- und planlos umher. Der einzelne schlug sich eine Zeitlang wacker, dann gab
er die Partie auf. Er wurde von rückwärts nicht unterstützt. Der
Mangel der unteren Führung trat in den Kämpfen bei Loos offen
zutage. Der Gruppen-, Zug- und Kompagnieführer hat nach Ansicht aller
beim Kampf beteiligten Regimenter vollkommen versagt. Die persönliche
Tapferkeit des einzelnen glich diesen Mangel nicht aus. In die Stellung
eingebrochen, ging den Führern das Verständnis und die
Übersicht bei der sich jetzt von Augenblick zu Augenblick
ändernden Lage durchaus ab.
So wurden auf allen Punkten der Kampffront Trupps von Engländern
beobachtet, die oft plan- und ziellos herumliefen und durch ihr Verhalten der
deutschen Infanterie und Artillerie das günstigste Ziel boten. Alle
Gefangenen klagten über mangelnde Führung und fehlende
Unterstützung. Aber was wollten denn selbst schwere Fehler angesichts der
großen
englischen - vielfach zehnfachen - Überlegenheit bedeuten. So
waren um 9 Uhr 30 Minuten vormittags sieben Achtel der angegriffenen
deutschen ersten Stellung in Feindeshand, erhebliche Teile des zweiten Grabens,
Fosse 8, die Kiesgrube und das Dorf Loos. Die 117.
Infanterie-Division hatte etwa 15 Kompagnien verloren.
"Der Gegner war [313] in 6,5 km Breite
in ihre Stellung eingebrochen, hatte aber nur bei Höhe 70 eine Tiefe
von 3 km, bei Hulluch von 1300 m erreicht. Die Feldartillerie stand
größtenteils in dem vom Feinde genommenen Raum. Sie hatte den
damaligen Vorschriften entsprechend Schnellfeuer in die Gaswolken abgegeben
und sich daher schon vielfach vor dem Beginn des Infanterieangriffes
verschossen; 20 stumme Geschütze fielen auf diese Weise in englische
Hände. Was von den Truppen sich nach rückwärts
durchgeschlagen hatte, vereinigte sich mit den herankommenden schwachen
Reserven in der zweiten Stellung. Diese führte an den Westrändern
von Haisnes, Hulluch, Cité St. Auguste vorbei und bog dann im
rechten Winkel scharf nach Westen um, die Cité St. Auguste
umschließend. Die nicht voll ausgebaute Linie ganz zu besetzen, reichten
die jetzt noch vorhandenen Kräfte nicht aus. Von Cité
St. Laurent nach Westen bis zum Anschluß an die in ihrer alten
Stellung verbliebene 7.
Infanterie-Division war zudem keine durchlaufende Stellung angelegt. Hier boten
aber die Nordränder der Bergarbeiterstädte St. Edouard und
St. Pierre schwachen Resten der deutschen Truppen
Anklammerungsmöglichkeiten. Immerhin war die Lage bedenklich genug.
Frontal war die Einbruchsstelle nur von schwacher Infanterie mit sehr geringer
Artillerie besetzt. In der letzten ausgebauten Verteidigungslinie aufgehalten,
schienen die Engländer nicht imstande zu sein, den Durchbruch zu
vollenden, sondern waren auch schon auf dem besten Wege, nach der Seite
einzuschwenken und sowohl im Norden als auch, besonders bedrohlich, im
Süden durch Lens hindurch die deutschen Anschlußlinien aufzurollen
oder gar von rückwärts zu fassen."51
Aber die Kraft des Angreifers war um 10 Uhr erschöpft. Verspätet
hatte Marschall French erst um 9 Uhr 30 Minuten (englische Zeit) die
10 km vom Schlachtfelde entfernte 21. und 24. Division zur
Verfügung der 1. Armee gestellt, die 28.
Infanterie-Division heranbeordert und die Garde von Lillers nach Noeux les
Mines vorgezogen. Das Armee-Oberkommando 6 hatte demgegenüber
rechtzeitig Reserven vorgezogen. Die 26.
Reserve-Infanterie-Brigade konnte schon um 1 Uhr bei Meurchin, die 8.
Infanterie-Division aber erst um 3 Uhr nachmittags in
Billy-Montigny (südöstlich Lens) erwartet werden. Ob allerdings bis
dahin die schwachen Truppen aushalten konnten, war
fraglich. - Es fehlte aber auf feindlicher Seite ein Führer, der
rechtzeitig seine Reserven eingesetzt hätte; auch French war, bei aller
persönlichen Tapferkeit der einzelnen, durch die mangelhafte Ausbildung
der Unterführer schwierigen Lagen nicht gewachsen. Zusammenhang und
Ordnung waren verloren gegangen. Als dann nach einer längeren
Kampfespause der Angriff wieder aufgenommen wurde, da waren es nur
unzusammenhängende Stöße, die der Tatkraft einzelner
entsprungen waren. In Haisnes war durch einen Vorstoß von Teilen des VII.
Armeekorps der Zusammenhang zwischen diesem und der 117.
Infanterie-Division aufrechterhalten; ein frontaler Angriff [314] der englischen 7. und
1. Infanterie-Division scheiterte im Feuer der Reste der 117.
Infanterie-Division. Der englische Angriff war zum Stehen gekommen. Unter dem
Eindruck des Aushaltens der nicht angegriffenen 7.
Infanterie-Division und des glücklichen Verlaufs des Gegenstoßes
faßte das Generalkommando IV. Armeekorps, noch ehe die Franzosen zum
Angriff antraten, den Entschluß, mit den herangeführten Reserven
des Armee-Oberkommandos zum Gegenangriff vorzugehen: mit der 26.
Reserve-Infanterie-Brigade von Nordosten über Hulluch, mit der 8.
Infanterie-Division vom Süden her über Lens auf Loos.
Nach Erlöschen des Kampfes wurde ein Teil der abgekämpften
englischen Divisionen durch frische Divisionen ersetzt. Marshall French erbat von
seinen Bundesgenossen Verstärkungen; diese überwiesen das IX.
Korps, welches südlich von Arras gekämpft hatte.
Der französische Angriff.
Der Vormittag des 25. September war bis auf die gesteigerte Feuertätigkeit
der französischen Artillerie ruhig verlaufen. Man wollte erst am
Nachmittag angreifen, um die Dunkelheit für das Einrichten der eroberten
Stellung zur Verfügung zu haben, hoffte auch, daß die deutschen
Reserven auf die Nachricht vom englischen Angriff frühzeitig nach Norden
in Marsch gesetzt sein würden. Erst um 1 Uhr 30 Minuten nachmittags
traten in 11 km breiter Front neun französische Divisionen gegen
drei deutsche Divisionen gegen Souches, Vimy und La Folie an, denen sich
im Süden gegen Roclincourt noch eine Division des XVII. Armeekorps
zum Angriff gegen die 1. bayerische
Reserve-Division anschloß. Geschickt hatte die französische
Führung die Einbruchspunkte ausgewählt. Der Feind vermied es, die
stärksten Teile der Stellung, vor allem solche Teile anzugreifen, wo mit
Flankenfeuer zu rechnen war. Gewandt hatte er sich südlich und
nördlich Arras auf Sturmentfernung in langer nächtlicher Arbeit
heransappiert.
Der französische Angriff war gut angesetzt und meisterhaft die Ausnutzung
der geringsten Geländefalten und des kleinsten Granatloches. Der Angriff
erfolgte mit großer Wucht; wenn er trotzdem in den meisten Fällen
nicht bis in die deutsche Grabenlinie oder gar bis in die zweite Linie gelangte und
wenn ihm durchwegs jede Tiefenwirkung fehlte, so ist dies auf das Konto des
hervorragend organisierten Sperrfeuers und des hohen moralischen Werts der
unerschütterten deutschen Infanterie zu setzen. Die zweite und dritte
französische Welle war nicht mehr dazu zu bringen, durch das Sperrfeuer,
welches eine Barriere zwischen diese und die erste Linie legte, anzugreifen. Den
Truppen wurde bald der schwache Glaube an den Erfolg ganz geraubt. Meist
traten die hinteren Linien, wie die Zuaven, zum Angriff überhaupt nicht
mehr an oder kehrten, wo es geschehen, um. Diesem Beispiel folgte dann auch die
erste Linie, die nun keine Unterstützung von hinten erhielt und sich
verblutete.
[315] Im allgemeinen haben
die französischen Regimenter nur einmal angegriffen; einzelne Regimenter
sind anscheinend aus unbekannten Gründen überhaupt nicht zum
Angriff gekommen.
Das Verhalten der in die deutsche Stellung eingedrungenen Franzosen war, wie
immer, sehr geschickt: Abriegelung der Gräben nach beiden Seiten,
Aufwerfen einer Sandsackbrustwehr, Ausheben eines Verbindungsweges von der
französischen Sturmstellung zum eroberten deutschen Graben war meist
das Werk weniger Minuten.
Bei dem Kampf zur Wiedereroberung dieser Gräben, in denen die
Franzosen zuerst große Zähigkeit entfalteten, überwog jedoch
meist die deutsche Überlegenheit im Kampf Mann gegen Mann.
Während auf den Flügeln der Angriff abgewiesen wurde,
glückte der Mitte ein tiefer Einbruch. Es gelang, in Souchez festen
Fuß zu fassen. In Souchez hatte die Besatzung mehrfach gewechselt;52 das war den Befestigungsarbeiten
nicht förderlich gewesen. Die zahlreichen, im Vorgelände liegenden
französischen Leichen machten den Aufenthalt infolge des Leichengeruchs
sehr wenig angenehm; der starke Leichengeruch nahm den Leuten die Lust zum
Essen. Ein Versuch des XII. Korps, bei Thélus tiefer einzubrechen, wurde
durch einen Gegenstoß verhindert. So war trotz der gewaltigen
Vorbereitung mit zehn Divisionen nur ein Einbruch von 6,5 km Breite
erzielt worden, an der vorspringenden Ecke von Souchez von 1800, an anderen
Stellen bis zu 800 m Tiefe. Man sollte meinen, es hätte hier mehr
erreicht werden können. Ein Vortragen des Angriffs etwa bis in die Linie
Givenchy - Faiblus konnte die deutsche Verteidigung im Verein mit
den englischen Erfolgen bei Loos schwer schädigen. Aber auch hier fehlte
das Nachdrängen der französischen Reserven. Gleichzeitig hatte
nach kräftiger Artillerievorbereitung auch das IX. Korps südlich
Arras zum Angriff angesetzt. Der Angriff war gescheitert. Um 5 Uhr war in
diesem Abschnitt die deutsche Stellung gänzlich in deutscher Hand. Der
Verteidiger mußte aushalten; das in belgischen Ruhequartieren
untergebrachte Gardekorps,53 das mit dem westlichen Grabenkampf
nicht vertraut war, wurde bei Douai (1.
Garde-Infanterie-Division) und Seclin (2.
Garde-Infanterie-Division) ausgeladen.
Der vom IV. Armeekorps geplante Gegenstoß der Reserven hatte bis zum
26., 8 Uhr vormittags, nur bei der 26.
Reserve-Infanterie-Brigade Erfolg, um die Teile der Fosse 8
wiederzunehmen. Der Gegenstoß der 8.
Infanterie-Division war durch den französischen Einbruch bei Souchez
beeinträchtigt, stieß außerdem auf bei Loos eingetroffene Teile
zweier englischer Reserve-Divisionen (21. und 24.).
Am 26. September stießen die Franzosen gegen Givenchy und La Folie vor,
gewannen auch bei Thélus Vorteile. Die Absicht des Feindes war
erkennbar, die [316] letzte mächtige
Höhenlinie westlich Douai zu gewinnen. Neu eingesetzt wurden die 58.,
154. und 130. Infanterie-Division. Ganz unverkennbar machte sich beim VI.
Armeekorps die Einwirkung der letzten Gefechtstage geltend, so daß schon
am Mittag für die 11. Infanterie-Division ein Regiment der 1.
Garde-Infanterie-Division zur Verfügung gestellt wurde. Südlich von
Arras kam es zu mehrfachen Vorstößen, die die Wegnahme des zur
Ablösung der Engländer bestimmten IX. Korps verschleiern
sollten.
Auf der englischen Front versuchten um Mittag die 21. und 24.
Infanterie-Division mit Teilen der Garde, in 3 km Breite vom Schnittpunkt
der Straße Vermelles - Hulluch und Feldweg
Haisnes - Loos bis zum Dorfe Loos, in dichter Schützenlinie,
denen 20 bis 30 Wellen, dahinter Kolonnen und Kavallerie, folgten, die 117.
Infanterie-Division zu durchbrechen. Englische Artillerie fuhr offen bei Loos auf,
brach aber im zusammengefaßten Feuer der deutschen Artillerie zusammen.
Um 2 Uhr war der Angriff abgeschlagen. Rasch vorgeworfene
Fußabteilungen der englischen 3.
Kavallerie-Division hemmten bei Loos deutsche Versuche, nachzustoßen.
Auch ein Angriff der 7. englischen Division nördlich Hulluch wurde
abgewiesen, im Nachstoß die Kiesgrube wiedergewonnen. Das VII.
Armeekorps war durch drei Bataillone des II. bayerischen Armeekorps und durch
je eins der bayerischen 6.
Reserve-Division und des sächsischen XIX. Armeekorps verstärkt.
Das zusammengesetzte Regiment des II. bayerischen Armeekorps nahm am
Vormittag des 27. die Fosse 8 und einen Teil des Hohenzollernwerks
zurück. Die Weiterführung des Angriffs stieß am Nachmittag
des 27. mit einem unzureichend von Gas unterstützten Gegenangriff der
englischen 28. und der
Garde-Division zusammen. Der Angriff wurde abgewiesen und das ganze
Hohenzollernwerk bis zum 3. Oktober wieder genommen. Hier wurde der
englische General Bruce, der sich mit seinem Stabe in einem Unterstand aufhielt,
gefangen. Die ursprüngliche Absicht des
Armee-Oberkommandos, durch einen Angriff des Gardekorps die Entscheidung
bei Loos herbeizuführen, mußte aufgegeben werden, da die 123.
Infanterie-Division und das VI. Armeekorps dringend der Ablösung
bedurften, die geringe Kampfkraft dieser Truppen durch weiteren
Geländeverlust zum Ausdruck kam. Am 27. mußten der 123., 11. und
12. Infanterie-Division je ein Garde-Bataillon zugeführt werden.
Am 28. kam es zu einem ernsten französischen Angriff auf die Stellung des
VI. Armeekorps. Die für Beobachtung für beide Teile wichtige
Höhe östlich Souchez (die sogenannte Gießlerhöhe)
ging verloren, ebenso Höhe 140 südlich Givenchy. Ein deutscher
Gegenangriff hatte keinen Erfolg. Die Franzosen waren dicht am Gelingen ihres
Durchbruchs, aber ihre Kräfte reichten nicht mehr aus. An
Verstärkungen waren für
Armee-Oberkommando 6 im Anrollen eine zusammengestellte Division der 2.
Armee unter dem bayerischen General v. Hartz, die am 29. früh bei
Romray mit dem Ausladen begann. Auch die 4. Armee [317] stellte die 106.
Reserve-Infanterie-Brigade zur Verfügung. Das Generalkommando des
Gardekorps mit Division v. Hartz sollte die 112., 11. und 12.
Infanterie-Division ablösen.
Die Verluste des Feindes zwangen ihn zunächst zu einem Einstellen des
Angriffs; die neu aufgestellten
Kitchener-Divisionen bedurften mehr als ältere Truppen der Ruhe; so
löste das französische IX. Korps zunächst die englischen
rechten Flügel-Divisionen ab. Auf dem französischen
Angriffsabschnitt trat noch immer nicht Ruhe ein, so daß das aus der ersten
Linie herausgezogene VI. Armeekorps immer wieder Teile zur
Unterstützung der Garde einsetzen mußte. Am Mittag des 3. Oktober
brachen die Franzosen am Wegekreuz westlich Givenchy durch und konnten sogar
den Westrand des Dorfes nehmen, bis sie am 4. wieder herausgeworfen wurden.
Die Erschöpfung und Verluste der ohne Unterbrechung kämpfenden
und schanzenden deutschen Truppen machte sich derart geltend, daß die 88.
Infanterie-Brigade des XIX. Armeekorps zur Ablösung der Garde auf der
Gießlerhöhe eingesetzt werden mußte. Den Südteil des
Garde-Abschnitts übernahm am 6. Oktober das von der 2. Armee
kommende I. bayerische Armeekorps. Das VI. Korps wurde gänzlich
herausgezogen. Leider hatte ein Angriff der Garde gegen die
Gießlerhöhe am 9. Oktober nicht den erwünschten Erfolg.
Auf den englischen Fronten kam es zu dauernden Grabenkämpfen, in denen
es den deutschen Verbänden gelang, Fortschritte zu erreichen. Keinen
Erfolg hatte am 8. Oktober nach dreieinhalbstündiger Artillerievorbereitung
das IV. Armeekorps, bei dem die 117.
Infanterie-Division durch eine zusammengestellte Brigade der 4. Armee ersetzt
wurde, mit fünf Regimentern gegen den zurückgebogenen rechten
Flügel der englischen Einbruchsfront östlich und südlich Loos.
Der Angriff vermochte nicht durchzudringen, die Hindernisse waren zum
großen Teil unbeschädigt, der Verteidiger nicht erschüttert.
Der Feind stieß nicht nach; so konnten die Truppen, wenn auch unter
Verlusten, ihre Ausgangsstellung wieder erreichen.
Am nächsten Abend setzte französisches Artilleriefeuer ein, das am
10. und 11. Oktober sich zu Trommelfeuer verstärkte. Der Angriff richtete
sich gegen den Abschnitt des Gardekorps, wo die bayerischen Truppen zur
Ablösung eingetroffen waren und am 11., 12 Uhr mittags, das
Generalkommando den Befehl übernahm. Trotz starker Zerstörung
der stellenweise nur knietiefen und unterstandslosen Gräben und trotz
erheblicher Verluste hielt die Infanterie das Feuer aus. "Teile der
zurückgehaltenen Reserven mußten im stärksten Artilleriefeuer
über freies Feld zur Verstärkung der vordersten Linie vorgehen, was
auffallenderweise ohne besondere Verluste gelang." Um 5 Uhr 30 Minuten
nachmittags setzte ein Angriff des XXI. und XXXII. französischen Korps
ein; an zwei Stellen gelang der Einbruch, noch am Abend angesetzte
Gegenangriffe mißlangen. Noch weniger glücklich war das III. und
XII. Korps, als sie das I. bayerische Armeekorps [318] angriffen. Die
Veränderungen in der Stellung waren ohne Bedeutung, da die Angriffskraft
der Franzosen endgültig gebrochen war.
Ein englischer Angriff war anscheinend gleichzeitig geplant gewesen; die
Artillerievorbereitung setzte am 10. ein, der Angriff erfolgte jedoch nach
kräftigem Trommelfeuer erst am 13., 2 Uhr nachmittags, mit einem
Gasangriff von zweistündiger Dauer. Nach etwa sieben Gaswolken, gegen
die sich die deutschen Gasschutzmittel durchaus bewährten, brachen die 46.,
12. und 1. englische Division zum Angriff vor; es gelang schließlich, in das
Hohenzollernwerk und in die Kiesgruben einzudringen; sonst wurde der Angriff,
der sich bis auf Höhe 70 ausdehnte, abgewiesen. Das
Engländernest in dem Hohenzollernwerk wurde in den nächsten
Tagen zurückgenommen. Damit endete auch die englische
Kampftätigkeit.54 Die deutsche Stellung hatte einzelne
Gräben verloren; die Absicht der Verbündeten, einen Durchbruch zu
erzwingen, war gescheitert. Zu erwähnen bleibt noch, daß am 30.
Oktober die Bayern eine französische Stellung nördlich Neuville von
1100 m Breite nahmen.
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