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Bd. 4: Der Seekrieg - Der Krieg um die Kolonien
Die Kampfhandlungen in der Türkei
Der Gaskrieg - Der Luftkrieg

Abschnitt: Der Luftkrieg   (Forts.)
Major Hans Arndt

8. Die Luftstreitkräfte in Ost und Süd.

Der Kampf an der Westfront hat den Entwicklungsgang der deutschen Luftstreitkräfte entschieden. Indes bliebe das Bild unvollkommen, wollte man ihre Tätigkeit im Osten und Süden übergehen. Freilich kann es hier nur in großen Strichen gezeichnet werden.

Hauptmerkmale des Luftkrieges dieser Fronten ist, daß er im Zeichen des "Nebenkriegsschauplatzes" steht. Dahingestellt bleibe, ob die Prägung dieses Wortes zu Recht erfolgte, da doch hier der Zusammenbruch beginnen sollte. Jedenfalls litten die auf den außerwestlichen Kriegsschauplätzen eingesetzten Luftstreitkräfte empfindlichen Mangel. Der Westen erhielt alles, was er forderte, selbst auf Kosten der anderen Fronten. Warnend erhobene Bedenken blieben, wenn nicht unbeachtet, so doch unberücksichtigt.

Nachschubschwierigkeiten machten den Mangel oft zur bitteren Not. Abgesehen von den Offensiven in Italien und Rumänien waren diese Fronten dauernd mit Luftstreitkräften unzulänglich ausgestattet. Mitte 1916 z. B. fiel einem Aufklärungsverband im Westen eine Frontbreite von 8,5 km, aber im Osten von 31, auf dem Balkan sogar von 70 km zu. In Palästina flog lange Zeit Abteilung 300 allein. 1917 steigerte sich das Verhältnis weiter zugunsten des Westens. Noch schlimmer lagen die Verhältnisse bei den Luftschiffer- und Flakformationen.

Die Bewältigung solcher Frontbreiten wurde erschwert durch die Mannigfaltigkeit der Aufgaben, namentlich bei den Fliegern. Hier fielen alle Aufgaben in einer Abteilung zusammen. Bald flog man strategische Fernaufklärung, bald taktische Nah- und Kleinerkundung oder beobachtete Artilleriefeuer. In der Schlacht wurden die Fliegerabteilungen notgedrungen zu Schlacht- und Bombenstaffeln, und sie arbeiteten lange Zeit als Jagdstaffeln, da die wenigen Einsitzer nicht ausreichten.

Gewiß trat die feindliche Gegenwirkung nicht so stark hervor wie im Westen. Denn der Osten war an Fliegern schwach. Aber bisweilen zog der Russe Jagdkräfte zusammen, wesentlich unterstützt durch französische Einheiten, so daß die Aufklärung im Kampf erzwungen werden mußte.

Ungünstiger lagen die Verhältnisse in Rumänien. Den schwachen rumäni- [642] schen Kräften traten bald starke französische Fliegerverbände zur Seite, denen eigene Jagdkräfte überhaupt nicht entgegengeworfen werden konnten.

Die serbische Fliegertruppe war bedeutungslos. Das Bild änderte sich jedoch, als die Front erstarrte. Das bei Saloniki sich sammelnde Heer der Verbündeten glich in seiner Ausrüstung völlig dem im Westen. Kampfbewährte, sorgsamst ausgerüstete Fliegerstaffeln traten den schwachen, unter ungeheuren Nachschubschwierigkeiten leidenden deutschen Verbänden entgegen. Das Beste war dem Feind für seine Orientflieger gerade gut genug; in nichts unterschieden diese sich von den in Frankreich eingesetzten Formationen.

Das Stärkeverhältnis war 1 : 4, später 1 : 6 zu deutschen Ungunsten. Dazu trat die nicht zu ermittelnde Zahl der von Flugzeugmutterschiffen ausgesetzten Flugzeuge und der Umstand, daß der Flughafen auf Thasos in Flanke, später im Rücken der thrazischen Verbände lag.

So hatten die deutschen Flieger einen schweren Stand. In Mazedonien deckte die behelfsmäßige Abwehrstaffel Vardar mit vier Fokkern seit Frühjahr 1916 eine Front von 200 km. In Thrazien kämpfte Eschwege lange allein gegen Übermacht. Als er beim 18. Luftsieg fiel, war er zum sagenhaften Helden eines fremden Volkes geworden; der eigenen Heimat blieb er fast unbekannt. An ihm hatte die im Januar 1917 gegründete erste mazedonische Jagdstaffel ihren stärksten Rückhalt. Erst als die Ereignisse um Monastir ihre Verlegung in den Cernabogen bedingten und mit Eschweges Tod das fliegerische Gleichgewicht endgültig verloren ging, wurde eine zweite Jagdstaffel im Vardartal aufgestellt.

Unterstützung durch die Bulgaren fehlte fast völlig. Ein deutsches "Flieger-Ausbildungskommando Sofia" sollte die vom letzten Balkankrieg her bestehenden Reste einer bulgarischen Fliegertruppe reorganisieren helfen. Es löste seine Aufgabe nicht, weil ihm anfänglich die Bulgaren nicht ganz unberechtigtes Mißtrauen entgegenbrachten. Als man ihnen dann noch veraltete Flugzeugtypen zuwies, schwand das mühsam hergestellte Vertrauen wieder. Auch kleinliches Drängen auf Zahlung hat in dem von Parteien zersetzten, geldarmen Lande dazu beigetragen, die Spannungen zu verschärfen.

So blieben die von bestem Willen beseelten, treu zur deutschen Sache haltenden beiden bulgarischen Fliegerabteilungen in ihrer Entwicklung gehemmt. Einzelleistungen reihten sich würdig an die ihrer deutschen Waffenbrüder. Der Plan einer großzügigen Neuorganisation des bulgarischen Flugwesens Mitte 1918 kam zu spät.

Nur wenig besser stand es in der Türkei, obwohl hier die Organisation früh in deutsche Hände gelegt wurde. Innere Widerstände und Unverständnis vom Wesen des Luftkrieges ließen dies hoffnungsfroh begonnene Werk des deutsch-türkischen Feldflugchefs Hauptmann Serno nicht zur Entfaltung kommen.

Dazu kam die Eigenart der Länder, die unbekannte Forderungen stellte. Im Osten erschwerten unzureichendes Kartenmaterial, gleichförmiges Steppen-, Wald- [643] und Sumpfgelände im wegarmen und siedlungsschwachen Lande die Orientierung ungemein. Strenger Winter erschwerte die Wartung der Flugzeuge. Hoher Schnee zwang zum Start auf Schlittenkufen, ohne daß hierfür genügende Erfahrungen vorgelegen hätten. Das unentwickelte Bahnnetz und die schlechten Wegeverhältnisse erschwerten die Verbindung aufs höchste. Vielfach gebrach es auch an Unterkünften. Immerhin waren dort Baustoffe verfügbar, die auf dem Balkan und in Kleinasien fehlten. Das gebirgige Land beengte hier überdies die Auswahl der Flugplätze. Mangelhafte Unterkunft, unzureichende Ernährung und ungewohnte klimatische Verhältnisse riefen Malaria, Ruhr und Papataci stärker als erwartet hervor, bis man in der Auswahl tropendienstfähiger Mannschaft vorsichtiger wurde. Das fliegende Personal litt weiter unter den ungewöhnlich hohen Temperaturunterschieden. In Höhen von 4000 und 5000 m herrschten oft bis 30 und 40 Grad Kälte. Froren doch die damals noch nicht heizbaren Maschinengewehre auf langen Flügen ein. Landete der Flieger nach wenigen Minuten aus solcher Höhe, war er einer Sonnenglut von 60 Grad und darüber ausgesetzt.

Die eigenartigen Windverhältnisse des wildzerklüfteten, hohen Gebirgslandes stellten flugtechnisch besonders hohe Anforderungen an die Flugzeugführer und forderten harte Opfer. Zur Zeit des 150pferdigen Motors war bisweilen ein Überfliegen hoher Gipfel oder das Übersteigen gewisser Höhengrenzen nicht möglich. Ähnlich lagen die Verhältnisse in Italien und Kleinasien. Daß Führer und Beobachter trotz all dieser Schwierigkeiten und im Vollbewußtsein der eigenen numerischen und materiellen Unterlegenheit sich unbeirrt in gleicher Weise einsetzten, wie ihre Brüder im Westen, verdient höchste Würdigung!

Bestimmender fast als im Westen tritt auf den "Nebenkriegsschauplätzen" des Ostens der Einfluß der Luftstreitkräfte auf die Kriegshandlung hervor. Man denke nächst Tannenberg14 an den Durchbruch von Gorlice, die Verfolgungskämpfe durch Galizien und Russisch-Polen, wenn Fliegeraufklärung nicht die weitestgehenden Unterlagen gegeben hätte und die Führung auf die Meldungen der Kavallerie beschränkt geblieben wäre. Eine der beteiligten Armeen rühmt: "Die Kavallerie versagte fast vollständig in dem Augenblick, in dem sie auf Widerstand stieß. Wir sind in dieser Zeit fast ausschließlich von den Fliegern bedient worden, und zwar durch ganz vorzügliche Meldungen, auf die wir unsere sämtlichen Entschlüsse aufgebaut haben."15

Ähnliche Beispiele bieten der Angriff der Armee Gallwitz, für den fliegerische Erkundung des Narew - Bobr-Abschnitts und der Festungsreihe von Nowo-Georgiewsk bis Grodno - Kowno unerläßlich war, und die Abwehrkämpfe während der Kerenski-Offemsive, der Vorstoß auf Tarnopol, der Angriff auf die baltischen Inseln, Riga und Finnland. Unvergessen wird die Eroberung der Insel Runo durch ein einziges Marineflugzeug bleiben. So wenig ausschlag- [644] gebend die Tat auch war, so zeigt sie doch in aller Schärfe die neuen Möglichkeiten des Luftkrieges.

Trat im rumänischen Feldzug die Kavallerie noch ein letztes Mal als vollwertige Waffe in Erscheinung, so bleiben doch die Leistungen der hier eingesetzten sieben deutschen Flieger-Abteilungen, später durch ein Bombengeschwader unterstützt, beachtenswert. Besonders sei auf die Sprengung der Bahn Buzeu - Ploesti bei Inotesti durch eine Flugzeugbesatzung hingewiesen, die den Verkehr auf dieser wichtigen Nachschublinie für geraume Zeit lahmlegte!

Im italienischen Feldzug lieferten sorgsame, bisher von den schwachen österreichischen Fliegerverbänden nicht durchzuführende Lichtbildaufnahmen der eigenen und feindlichen Stellungen erst die erforderlichen Unterlagen für den Angriff. Der Einsatz von sechs deutschen Jagdstaffeln brachte vorübergehend eine völlige Überlegenheit in der Luft, so daß Flakformationen kaum in Tätigkeit traten. Hier sammelten aber diese wie die Luftschiffer, die sich namentlich während des Artilleriekampfes vor dem Durchbruch und am Tagliamento auszeichneten, die Erfahrungen für die letzten großen Angriffe des Jahres 1918.

Bei der Niederwerfung Serbiens 1915 wurden taktische und strategische Erkundung ohne Unterstützung durch Kavallerie in geradezu vorbildlicher Weise gelöst.16 Dabei waren - abgesehen von Kleinasien - die Nachschubschwierigkeiten nirgends größer als auf dem Balkan. Das schlechte Wegenetz setzte selbst die überplanmäßig zugeteilten Pferdestaffeln außer Kraft. Bei dem dünnbesiedelten Lande war dabei ein Erreichen von Unterkünften, wo man Kraftergänzung hätte finden können, nicht möglich. Man hatte verabsäumt, die Flieger für ein Gebirgsland auszurüsten. Trotzdem fiel für die Aufklärung nur ein Verband für kurze Zeit aus, der durch Abbiegen aus dem vollgestopften Morawa-Tal vergeblich leichteres Fortkommen erhofft hatte.

Besonders schwierig wurde die Lage des Parks. Land- und Wasserweg (man hatte versucht, die Donau und Morawa für Transportzwecke nutzbar zu machen) reichten nicht mehr aus. Allein innerhalb von zwei Wochen fielen rund 50 Prozent aller Lastkraftwagen infolge Betriebsstörung aus. Auch improvisierte Büffelkolonnen versagten; eine Tragtierkolonne wurde zu spät aufgestellt. In letzter Not mußte eine Fliegerabteilung zum Nachschub von Betriebsstoffen auf dem Luftwege eingesetzt werden. Erst als man an der griechischen Grenze Halt machte, traten langsam geordnetere Verhältnisse ein.

Selbst in ruhigeren Zeiten blieb der Nachschub schwierig. Betrug doch die Entfernung der im Cernabogen eingesetzten Verbände zu dem vom Park in Üsküb nach Gradsko (150 km) vorgeschobenen Depot in Luftlinie 120 km. Und von Liegnitz, der Nachschubsammelstelle, bis Üsküb lief ein 1200 km langer, zum Teil eingleisiger Schienenstrang.

[645] Das unwegsame Bergland erschwerte auch die Fühlung zwischen Flieger und Truppe wesentlich. Trotz allem blieben die Leistungen der Flieger hervorragend. Hervorgehoben seien die Leistungen der Fliegerabteilung 69 während des Herbstfeldzuges im Cernabogen 1916.

Die beiden Ballone traten nur während des Donau-Überganges nennenswert in Erscheinung.

Der Zusammenbruch der Balkanfront mußte bei den trostlosen Verkehrsverhältnissen für die Flieger zum Verhängnis werden. Viel kostbares Gerät blieb liegen. Was aus dem Vardar-Tal mit der Bahn abtransportiert wurde, fiel schon bei Gradsko in Feindeshand. Nur wenigen Kraftwagen gelang es, auf den von regelloser Flucht verstopften Straßen nach Nisch zu gelangen, wo sich die Trümmer der Fliegerverbände sammelten. Einen Teil des Restes raubten in Ungarn einstige Waffenbrüder.

Manch wackeren Kampfgefährten deckte fremde Scholle. Hoffnungsfroh waren die Flieger vor drei Jahren über die Donau südwärts geflogen. - Verraten zogen sie heim.

Wie an Fliegern, fehlte es in der Türkei auch an Flugabwehr- und Luftschifferformationen. Zwei mit Ausbildungspersonal in türkischen Besitz übergehende deutsche Ballonzüge dienten nur Schulzwecken. - Die für Gallipoli bestimmten vier Flakzüge gingen Anfang 1916 sofort nach Palästina weiter. Verstärkungen im Jahre 1917 (8 Flakbatterien), davon zwei von den Türken angekauft, waren für Mesopotamien und die Palästinafront bestimmt. Die knapp bemessene deutsche Bemannung mußte durch Türken verstärkt werden. Eine Batterie allein brauchte für ihren Troß eine Karawane von 100 Kamelen mit Treibern. Die veränderten Temperatur- und Luftdruckverhältnisse wirkten stark auf Flugbahn und Zünder, so daß die für das Schießen notwendigen Erfahrungen erst gesammelt werden mußten.

Die an den Dardanellen einen ungleichen Kampf kämpfenden deutsch-türkischen Fliegerverbände, die überdies aus Mangel an Wasserflugzeugen weite Strecken über See nach den Stützpunkten der englischen Flotte fliegen mußten, erhielten Ende Januar 1916 auf dem nun geöffneten Wege Berlin - Konstantinopel Zuzug durch Kampfeinsitzer. Die Luftlage änderte sich damit sofort zu ihren Gunsten.

Nach Abschluß des Kampfes gegen die Dardanellen kamen einzelne Staffeln noch rechtzeitig nach Kut-el-Amara, wo man bereits im Begriff war, die Belagerung aufzugeben. Englische Flugzeuge hielten immer noch die Verbindung mit den Abgeschnittenen aufrecht und brachten auch beträchtliche Mengen von Lebensmitteln in die Stadt. Innerhalb kurzer Zeit wurden indes von einem deutschen Oberleutnant drei englische Kampf- und ein Lebensmittelflugzeug abgeschossen. Damit wurde auch der Weg zu uneingeschränkten Bombenangriffen für die deutsch-türkischen Flieger frei. Zum großen Teil war es die Wirkung dieser [646] Bombenwürfe nach Townshends eigener Bekundung, daß die Unzufriedenheit seiner indischen Truppen sich zur Meuterei steigerte, der bald die Kapitulation folgte.

Organisatorisches Geschick des türkischen Flugchefs baute nun Bagdad zu einem Flugstützpunkt mit Reparaturwerkstätten aus, doch hemmte die Nachschublage die vollste Entfaltungskraft der Flieger. Lag doch von Konstantinopel Bagdad rund 1500 km und die Front noch weitere 200 km entfernt. In gleicher Weise litten die im Kaukasus eingesetzten Verbände (Berlin - Konstantinopel - Tiflis rund 3500 km).

Außer diesen deutsch-türkischen Fliegerverbänden waren rein deutsche Formationen für das "Pascha"- und "Jildirim"-Unternehmen aufgestellt, obschon man trotz guter Erfahrungen der Italiener in Tripolis die Verwendungsmöglichkeit von deutschen Fliegern im Orient anfangs bezweifelte. Bedenklich nur war die Nachschublage, an der schließlich das ganze kleinasiatische Unternehmen scheiterte. Indes die Engländer sich auf die von ihnen beherrschte See stützten, hing das Expeditionskorps an der lückenhaften Bahnlinie von Haidar-Pascha über Damaskus nach Berseba, dem Ausgangspunkt des Unternehmens (1500 km = Königsberg - Basel.) - An dem Erkundungsvorstoß auf El Katia17 nahm die Abteilung "Pascha" 300 erfolgreich teil. Sie schuf zum Vorstoß gegen den Suez-Kanal die taktischen Grundlagen in reichlichen, mustergültigen Meldungen; ihre Flugzeuge lenkten gutliegendes Feuer schwerer deutscher Geschütze auf die feindlichen Stellungen bei Hod-el-Sagia. Aber auch ihre Hilfe vermochte das Blatt nicht zu wenden.

Nach notwendiger Räumung der Halbinsel Sinai überwachten die wenigen Besatzungen den Gegner in erstaunlich kühnen Flügen, die über Meer und Wüstensand bis Kairo - Alexandria, zu den Pyramiden von Gizeh und der ewigen Sphinx führten und meldeten das Vorschnellen der Bahn von Kantara über Katia nach El-Arisch - ein Meisterstück englischen Bahnbaues!

Es ging jetzt um Palästina. Flieger meldeten frühzeitig den Aufmarsch des Feindes vor der Linie Südrand Totes Meer - Gaza, in der man den Stoß auffangen wollte; sie meldeten die großen Reiterlager hinter des Gegners linkem Flügel, die den erhofften Sieg vollenden sollten. In ihren Reihen hielten die Maschinengewehre der Flugzeuge blutige Ernte, auch als sich der erste Stoß in der zweiten Schlacht von Gaza wiederholte. Flieger hatten ihre Angriffskraft gelähmt und boten der Führung die einzige Möglichkeit, die Leitung des Kampfes auf der über 100 km breiten Front in der Hand zu halten. Und englisches Urteil schob den Verlust der Schlacht auf plötzlichen Wassermangel: weit hinter der Front hatte ein deutsches Flugzeug nach Landung im Wüstengebiet die einzige Wasserleitung, die den Feind versorgte, gesprengt und dadurch für einige Tage unbrauchbar gemacht.

[647] Monatelang konnten trotz starker Unterlegenheit die schwierigen Aufgaben des Stellungskriegs noch gelöst werden. Dann änderte sich die Luftkampflage. Des Feindes Zahl wuchs zur Erde und in der Luft von Woche zu Woche. Zwar waren deutsche Verstärkungen im Anmarsch. Aber die vier neuen Pascha-Abteilungen 301 bis 304 kamen zu spät. Der rechtzeitig gemeldete englische Angriff auf Gaza hatte jetzt Erfolg. Die türkische Front mußte zurückverlegt werden, und nach kurzem, erneutem Widerstand ging auch Jerusalem, die hochgebaute, vieltausendjährige Stadt am Kidron, verloren.

Mit Eintreffen der Hauptteile des Asienkorps und Übernahme der Führung durch Liman v. Sanders schien sich die Lage noch einmal zu festigen. Auch die alte Überlegenheit in der Luft wurde wiederhergestellt. In straffer Hand des jetzigen Kommandeurs der Flieger der Heeresgruppe Jildirim, Hauptmanns v. Heemskerk, der sich schon in der Führung der alten "Pascha-Abteilung" lange bewährt hatte, gelang wiederum restlose Durchführung aller an die Flieger herantretenden Aufgaben. So stellte die auf Gerüchte über geplante Landungen der Engländer nach dem Golf von Mersina abgedrehte Flieger-Abteilung 302 fest, daß von Cypern her zur Zeit keine Gefahr drohe.

Der Kampf stand Monate. Dann brach am 22. September 1918 der in allen Einzelheiten von den Fliegern rechtzeitig gemeldete, groß angelegte, letzte englische Angriff mit elementarer Wucht in die gelichtete und an Zersetzungserscheinungen kranke 8. türkische Armee ein, der auch die schwachen Kräfte des Asienkorps keinen Halt mehr bieten konnten. Sie löste sich auf.

Und auf dem "Nebenkriegsschauplatz" zeigte sich der vollendete Einsatz des modernsten Kampfmittels, als - gegen alle bisherigen Regeln an Stelle verfolgender Kavallerie - englische Flieger-Geschwader, bis zu 80 Einheiten stark, den Zusammenbruch der Trümmer einer Armee in den vollgestopften Gebirgspässen des Antilibanon beschleunigten. Aufopferungsvollster Einsatz der nun schon lange nicht mehr aufgefüllten Fliegerverbände war gegen solche Übermacht vergeblich.

Hart haben sie gestritten und gelitten, die über den Steppen und Schneefeldern Rußlands, den Schluchten des Balkans und der Alpen, über schneeigen Gipfeln des Kaukasus, über Eisfluten der Ostsee, über der blauen Adria, der Ägäis, dem Bosporus und dem brennenden Wüstensand der Pyramiden geflogen waren.

Fern der Heimat, lorbeergekrönt, starben ihre Besten für die Ehre deutscher Waffen. Im Kampfe für fremde Völker stritten sie für Deutschland. Dieser Gedanke gab ihnen immer wieder Kraft und Hoffnung, bis auch diese zerbrach.

Gräber in Stein gehauen, schlichte Kreuze auf Sandhügeln, ein Gedenkstein am Meer geben noch lange von ihnen Kunde. Dann wird die Zeit diese Stätten verwischen. Aber für alle Zeit werden in Geschichte und Sage jener fremden Völker die Taten deutscher Flieger fortleben!


14 [1/643]Siehe Seite 560. ...zurück...

15 [2/643]Höppner, Deutschlands Krieg in der Luft. K. F. Koehler. Leipzig. ...zurück...

16 [1/644]Neumann, Die deutschen Luftstreitkräfte im Weltkrieg. Verlag E. S. Mittler & Sohn. S. 487 ff. ...zurück...

17 [1/646]Siehe Abschnitt "Türkischer Krieg", Seite 444 und 449. ...zurück...


Der Weltkampf um Ehre und Recht.
Die Erforschung des Krieges in seiner wahren Begebenheit,
auf amtlichen Urkunden und Akten beruhend.
Hg. von Exzellenz Generalleutnant Max Schwarte