Bd. 3: Der deutsche Landkrieg, Dritter Teil:
Vom Winter 1916/17 bis zum Kriegsende
[344]
Kapitel 8: Die deutschen
Angriffe des Jahres 1918
Generalmajor Rudolf v. Borries
1. Der Angriffsentschluß.1
Angriffspläne.
Der Entschluß der deutschen Obersten Heeresleitung zum Angriff auf der
Westfront im Frühjahr 1918 schien nach der Niederwerfung
Rußlands eine Selbstverständlichkeit zu sein; er lag gleichsam in der
Luft, war aber doch das Ergebnis tiefgründiger Erwägungen, die die
eigenen innen- und außenpolitischen Verhältnisse, die
Zustände bei den Bundesgenossen und bei den Gegnern sorgsamster
Prüfung unterwarfen. Nach menschlichem Ermessen handelte es sich
für Deutschland um die letzte Möglichkeit, den Krieg durch einen
großen Schlag gegen die Hauptfeinde England und Frankreich zu beenden.
Von Friedensmöglichkeiten war bei dem durchaus ablehnenden und
überhebenden Verhalten der Ententestaaten keine Rede. Wenn
Deutschlands Kraft nicht in Abwehr und Stellungskrieg, im Ringen mit Not und
Hunger versumpfen sollte, mußte zur Tat geschritten werden, und diese Tat
war in der Zeitspanne zwischen dem Zusammenbruch Rußlands und dem
entscheidenden Eintritt Amerikas in den Krieg kein Akt der Verzweiflung,
sondern wohlbegründet durch den Zuwachs an Kräften, den die
Ostfront gewährte, durch das Gefühl der operativen
Überlegenheit, durch die Stimmung im Heere und im Volke, die damals
noch keine tiefgehenden Schäden erkennen ließ.
Militärisch sah sich Deutschland auf sich selbst angewiesen; denn die
Beihilfe, die von den Bundesgenossen allein das innerlich widerstrebende
Österreich-Ungarn durch 46 schwere Batterien mit geringem
Schießvorrat gewährte, fiel nicht in Betracht. Der eigene Bestand an
Truppen gestatte auch bei Zurechnung der Verstärkungen von anderen
Kriegsschauplätzen der Obersten Heeresleitung nicht, aus dem Vollen zu
schöpfen; wieder einmal mußte, wie so oft in der
preußisch-deutschen Geschichte, mit knappen Mitteln Großes
geleistet werden. Die Zahl der verfügbar zu machenden deutschen
Divisionen überstieg nur um ein Geringes die Summe der entsprechenden
französischen, englischen, belgischen, portugiesischen und amerikanischen
Heereskörper, soweit letztere schon vorhanden und einsatzfähig
waren; immerhin war das beiderseitige Kräfteverhältnis für
Deutschland so günstig wie nie zuvor.
[345] Der militärische
Plan der Verwirklichung des Angriffsgedankens war kein Augenblickswerk,
sondern machte eine lange Entwicklung durch, bis man überzeugt war,
Gutes nicht mehr durch Besseres ersetzen zu können. Nachdem schon
Erörterungen im Schoße der Obersten Heeresleitung vorausgegangen
waren, kam die erste Anregung Anfang November 1917 von dem
Oberkommando der Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht,2 das nach glücklicher Abwehr der
großen englischen Offensive in Flandern darauf sann, dem Gegner einen
vernichtenden Stoß zu versetzen. Es rechnete mit neuen Angriffsabsichten
der Engländer, die die Notwendigkeit empfinden mußten, die
flandrische Küste mit Zeebrügge, als Ausgangspunkt des
Unterseekrieges, zu gewinnen, nahm für 1918 frühzeitige
Versammlung der meisten britischen Truppen nahe der Küste an und wollte
die taktisch und operativ ungefüge, hinter aufgesetzten Stellungen schlecht
geborgene Masse durch überraschenden Angriff über die
Lys- und Lawe-Niederung auf Bailleul und Hazebrouck von der Ententefront
abschneiden, gegen das Meer drängen und so matt setzen. Die
Schwierigkeiten dieses Unternehmens wurden nicht verkannt; sie bestanden in der
Einengung des Operationsfeldes durch den Kemmel-Höhenzug im Norden,
den La Bassée-Kanal im Süden, in der flachen und durch
hohen Grundwasserstand beeinflußten Beschaffenheit des zu
durchschreitenden Geländes, die den Beginn der Bewegungen keinesfalls
vor Anfang April gestatteten.
Am 11. November 1917 kam General Ludendorff nach Mons ins Hauptquartier des Kronprinzen Rupprecht, wohin auch der Chef des Generalstabes der
Heeresgruppe Deutscher Kronprinz, Oberst Graf v. d. Schulenburg,
berufen war. Er gab bekannt, daß etwa 35 Divisionen und 1000
Geschütze für die große Offensive außer den im Westen
vorhandenen Kräften verfügbar sein würden, stellte als
Hauptgesichtspunkt auf, daß nur ein großer Schlag zu
ermöglichen sei, daß er sich gegen die Engländer zu richten
habe und wegen der amerikanischen Gefahr schon Ende Februar oder Anfang
März geführt werden müsse. Gegen den Vorschlag der
Heeresgruppe Rupprecht wurden zeitliche und örtliche Bedenken geltend
gemacht und dafür eine Operation weiter südlich in der Gegend von
St. Quentin empfohlen, um sich der
Somme-Linie zu bemächtigen, Engländer und Franzosen zu trennen
und den Hauptstoß gegen rechte Flanke und Rücken der ersteren
weiter zu führen. Ein vorheriger großer Ablenkungsangriff bei
Verdun, um die französischen Reserven zu fesseln, wurde zwar als
wünschenswert und nützlich anerkannt, aber wegen Mangels an
Kampfmitteln für unausführbar erklärt.
Durch diese Besprechung offenbarte die Oberste Heeresleitung den ihr selbst
vorschwebenden Plan, der schließlich ausgeführt worden ist, wenn er
auch vorläufig nur zur Prüfung gestellt wurde. In schattenhaften
Umrissen ließ er die [346] letzten Ziele des
Feldherrn erkennen: die Somme in deutscher Hand über Amiens hinaus bis
zur westfranzösischen Küste sollte die Abwehrflanke gegen die von
Süden nach Norden herandrängenden Franzosen bilden,
während nördlich von ihr die Engländer, in der Front und in
der rechten Flanke von deutschen Kräften gefaßt, im Rücken
umgangen, mit der Nordsee in der linken Flanke, endgültig niedergerungen
werden sollten. War erst Englands Macht erlegen, dann konnte der Ausgang des
Feldzuges gegen die Franzosen, deren Widerstand nur durch fremde Hilfe
aufrechterhalten wurde, und die ohne den britischen Bundesgenossen schon
längst am Boden gelegen hätten, nicht mehr zweifelhaft sein.
Die Besprechung des 11. November entfesselte den Wettstreit der beiden
kronprinzlichen Heeresgruppen, die Ehre des kriegsentscheidenden Angriffs
für sich zu beanspruchen. Schon am 12. November 1917 reichte Oberst Graf
v. d. Schulenburg der Obersten Heeresleitung eine Denkschrift ein,
in der er empfahl, nicht gegen die Engländer, sondern gegen die Franzosen
den Hauptstoß zu richten, weil sich der Britenstolz eher dem Frieden
zuneigen werde, wenn der Bundesgenosse eine Niederlage erlitte, als wenn er
selbst - und zwar vielleicht nicht
tödlich - getroffen würde. Er schlug Angriffe in und
östlich der Argonnen und von St. Mihiel vor, die sich in dem
Gelände südwestlich von Verdun die Hände reichen sollten,
diese wichtige, heißumstrittene Festung mit ihren Verteidigern vom
Körper Frankreichs abschneidend. Am 21. November machte die
Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht sowohl für den von ihr empfohlenen
Angriff auf Bailleul - Hazebrouck wie für den
Ludendorffschen Entwurf des Somme-Feldzuges eingehende Vorschläge,
indem sie beider Operationen Vorteile und Nachteile gegeneinander abwog.
Immer noch in der Voraussetzung, daß sich die Engländer
frühzeitig in Flandern massieren würden, gaben sie ihrem
Offensivgedanken den Vorzug, weil er den Hauptfeind auf kürzestem Wege
entscheidend zu fassen gestattete und, sobald der geeignete, freilich späte
Zeitpunkt zur Ausführung herangerückt war, geringere
Geländeschwierigkeiten zu überwinden hatte und geringere
Kräfte brauchte als der Stoß von St. Quentin. Das
Lys- und Lawe-Gelände war nur in der nassen Jahreszeit ungangbar; im
Raum von St. Quentin mußte jederzeit das wüste
Sommeschlachtfeld und das Zerstörungsgebiet des deutschen
Rückzugs von 1917 auf die Siegfriedstellung durchschritten werden. Beim
Angriff St. Georg - mit diesem Decknamen wurde die über
Frélinghien - Festubert auf
Bailleul - Hazebrouck zu richtende Operation
bezeichnet - glaubte man mit 40 Divisionen und 400 bis 500 schweren
Batterien auskommen zu können, während der Bedarf für den
an der Somme zu führenden Stoß bei seinen größeren
operativen Ausmaßen allein für den Nordteil des Angriffs aus der
Linie Quéant - Bellicourt gegen Bapaume auf 55 Divisionen
und 600 schwere Batterien, für den Südteil aus der Linie Bellicourt
bis zur Oise gegen Péronne und Ham auf 50 Divisionen und 600 schwere
Batterien berechnet wurde.
Daß der Angriff nach dem Ludendorffschen Plan, der später den
Decknamen [347] St. Michael
erhielt, bei St. Quentin auf schwache feindliche Stellungen stieß,
wurde nicht verkannt, anderseits geltend gemacht, daß die nach
Südwest gerichtete deutsche Frontlinie nördlich und südlich
dieser Stadt der späteren Fortführung der Bewegungen gegen die
Engländer im Norden nicht günstig sei. Schließlich wurde ein
Angriff zwischen St. Georg und St. Michael auf die
Loretto-Höhe und Arras erwogen, aber wegen der starken feindlichen
Stellungen und der ungünstigen örtlichen Verhältnisse als
besonders schwierig bezeichnet.
In den Überlegungen beider Heeresgruppen spielten auch Angriffe der
Gegner eine Rolle, die dem eigenen vorausgehen oder ihm zur Entlastung des
angefallenen feindlichen Teiles folgen könnten. Man war einig darin,
daß die deutschen Truppen die Schrecken einer Materialschlacht nicht
wieder auf sich nehmen dürften, sondern vor ihnen in
rückwärtige Stellungen auszuweichen [348] hätten. Das war
auf der ganzen deutschen Front möglich mit Ausnahme des Raumes
nordwestlich, nördlich und östlich von Verdun, weil hier die nahen
eigenen rückwärtigen Verbindungen in Gefahr geraten konnten. Die
Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht sah die beste Lösung darin, daß
die Engländer aus ihrer Massierung in Flandern die ausweichende 4.
deutsche Armee angriffen, um dann durch überraschenden Stoß
über Bailleul und Hazebrouck von Südosten her vernichtend in
Flanke und Rücken getroffen zu werden.
Im Anschluß an diese Denkschriften wurden die Vorarbeiten für den
Westangriff weiter betrieben, ohne daß die Oberste Heeresleitung jetzt
schon entscheidend Stellung nahm, wenn es auch nicht verborgen blieb, daß
sie der Lösung durch die Somme-Offensive zuneigte. Noch aber ruhten alle
Pläne auf unsicherem Boden, solange nicht im Osten tatsächliche
Waffenruhe eingetreten war. Erst als am 15. Dezember 1917 die Einstellung der
Feindseligkeiten in Brest Litowsk zwischen den deutschen und russischen
Unterhändlern vereinbart wurde, bestand Sicherheit, im Westen mit so
starken Kräften auftreten zu können, daß sich die
Angriffsabsicht verwirklichen ließ. Inzwischen hatte sich aber durch neuere
Nachrichten feststellen lassen, daß die bisher gültige Voraussetzung
der englischen Truppenhäufung in Flandern nicht zutraf.
Leider war die Wirkung des Unterseekrieges nicht derart einzuschätzen,
daß britische Lebensnotwendigkeit die Vernichtung des Ausgangspunkts
der Unterseebootsstreifzüge unbedingt erfordert hätte. Vielmehr
hörte man, daß die Ententemächte nach dem Ausfall
Rußlands nicht angreifen wollten, bevor nicht durch den Hinzutritt starker
amerikanischer Truppen eine große Überlegenheit geschaffen sei.
Man mußte also damit rechnen, daß die feindlichen Reserven nicht
irgendwo gesammelt, sondern hinter der ganzen Front verteilt standen, um je nach
Bedarf verschoben zu werden. Durch diese Umstände schien der
Angriffsentwurf St. Georg seine überragende Bedeutung zu
verlieren, und bei dem vorzüglich angelegten feindlichen Eisenbahnnetz
wußte man, daß jede Offensive in Kürze starke Reserven des
Gegners auf sich ziehen würde, auch die von St. Quentin.
In drei Denkschriften an die Oberste Heeresleitung vom 15., 19. und 21.
Dezember 1917 suchte sich die Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht mit dieser
Änderung der Voraussetzungen abzufinden. Da es ungewiß war, wo
die feindlichen Reserven sein würden, kam es doppelt auf
Überraschung an, um sie nicht schon vorher an die entscheidende Stelle zu
locken. Das genügte aber nicht; damit sie nicht in
überwältigender Zahl dem getroffenen Frontteil zuströmten,
mußten sie an anderen entlegenen Punkten gebunden werden entweder
durch vorausgehende Teilangriffe oder durch gleichzeitige Ablenkungsangriffe
oder mindestens durch sichtbare Vorbereitungen für solche. Frühere
gegnerische Offensiven auf die deutsche Front waren gerade deshalb ergebnislos
gewesen, weil den deutschen Reserven Bewegungsfreiheit erhalten blieb. Noch
immer wurde der Angriff [349] St. Georg
über die Linie Frélinghien - Festubert für
besonders vorteilhaft gehalten, weil die Engländer in Flandern jedenfalls
stark sein würden; er war durch einen Stoß gegen den vorspringenden
Ypern-Bogen zu erweitern, um die dort stehenden englischen Truppen
abzuschneiden, durfte aber nicht ausschließlich nach Norden
weitergeführt werden, sondern mußte auch nach Süden die
englische Front aufrollen. Ablenkungsangriffe gegen die Engländer bei
Cambrai, gegen die Franzosen bei Verdun hatten ihn zu begleiten, wenigstens
Vortäuschungen entscheidender Offensivstöße; auch wurde
empfohlen, schon vorher an einzelnen Stellen in der Mitte der Gesamtfront den
Gegner anzupacken.
Glückte der Durchbruch St. Georg, so konnten der offenen Stelle zur
Vergrößerung und Vollendung des Sieges unbedenklich die gesamten
deutschen Reserven zugeführt werden, weil auch der Feind alle
Kräfte dorthin leiten würde, wo er sich schwer getroffen
fühlte. Glückte der Schlag nicht oder drohte er in eine
Materialschlacht auszuarten, so galt es schnell umzudisponieren und kurz
entschlossen den Hammer an einem anderen Punkte niedersausen zu lassen, mit
um so größerem Erfolge, als St. Georg die gegnerischen
Reserven auf sich gelenkt haben werde. Hierfür kam neben anderen Stellen
vor allem der Angriff St. Michael aus der Linie
Quéant - Bellicourt - Oise gegen
Bapaume - Péronne - Ham in Frage, obwohl
angenommen werden konnte, daß sich gerade hier an der Naht zwischen
den Engländern und Franzosen erhebliche rückwärtige
Kräfte entgegenstellen würden. Ähnlich wie im
Ypern-Bogen konnten beim Angriff St. Michael im
Cambrai-Bogen durch besonderen Vorstoß aus der Gegend von Pronville
und Moeuvres starke englische Teile abgeschnitten werden.
Viererlei tritt aus diesen Erwägungen hervor: die scharfe Zuspitzung auf die
Angriffe St. Georg und St. Michael; die Ausdehnung beider Angriffe
auf vorspringende Frontteile des Feindes, die von Norden und Süden
umfaßt werden konnten; die Betonung der Notwendigkeit, den Feind
über die Angriffsstellen im Unklaren zu lassen und seine entfernten
Reserven zu binden; schließlich der schleunige Wechsel der Angriffsstelle,
wenn der erste Schlag nicht glücken sollte.
Während die Heeresgruppe Rupprecht schon Weisungen für die
Bearbeitung der Angriffsentwürfe an die unterstellten
Armee-Oberkommandos erließ, legte die Heeresgruppe Deutscher
Kronprinz am 26. Dezember 1917 der Obersten Heeresleitung einen neuen Plan
vor, demzufolge die 3. Armee östlich von Reims einem
französischen Angriff, mit dem man rechnen zu können glaubte,
ausweichen sollte, um dann selbst, unterstützt von der westlich
benachbarten 1. Armee, zum Gegenstoß und entscheidender Offensive
überzugehen. So flossen an der Zentralstelle mannigfaltige Anregungen
zusammen, die die Oberste Heeresleitung in Verbindung mit ihren eigenen
Überlegungen zwar noch nicht zu endgültiger Bestimmung der
Angriffsstelle, aber doch zu Festsetzungen veranlaßten, welchen
Entwürfen nunmehr mit dem Ziele späterer Verwirklichung
näherzutreten sei. [350] Am 27. Dezember
1917 teilte der Chef des Generalstabes des Feldheeres den obersten
Kommandobehörden mit, daß sich das Kräfteverhältnis
an der Westfront Anfang Februar 1918 zugunsten der Deutschen verschieben
werde. "Wir können im März angreifen, müssen aber jederzeit
auf einen feindlichen Angriff gefaßt sein." Vorbereitet sollte werden:
|
bei der Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht: |
a) |
Angriff auf den Ypern-Bogen (St. Georg 2),
verbunden mit Durchbruch in der Gegend von Armentières
(St. Georg 1); |
b) |
Angriff auf die Loretto-Höhe und Arras beiderseits
der Scarpe (Mars); |
c) |
Angriffe über die Front der 2. und 18. Armee
(St. Michael), und zwar |
|
aus der Richtung Bullecourt auf Bapaume
(St. Michael 1); |
|
" " "
nördlich von St. Quentin auf Péronne
(St. Michael 2); |
|
" " "
südlich von St. Quentin und von La Fère auf Ham
(St. Michael 3); |
|
bei der Heeresgruppe Deutscher Kronprinz: |
Ausweichen der 3. Armee (Hektor); |
Gegenangriff der 1. Armee in der Champagne
(Achilles); |
|
bei der Heeresgruppe Herzog Albrecht von Württemberg:3 |
Angriff aus dem Breusch-Tale (Straßburg); |
" im Sundgau
(Belfort). |
Außerdem waren im Entwurf zu bearbeiten von den Heeresgruppen
Deutscher Kronprinz und Herzog Albrecht: Angriffe westlich und südlich
von Verdun auf Clermont und Troyon (Kastor und Pollux).
Alle Vorbereitungen sollten am 10. März 1918 abgeschlossen sein.
Man sieht, der Köcher der Obersten Heeresleitung klirrte von Pfeilen; nicht
für alle bestand die Aussicht, auf die Sehne des Bogens gelegt zu werden,
am wenigsten für die eigens als Entwürfe bezeichneten Angriffe
Kastor und Pollux, aber die ganze deutsche Westfront war nunmehr in Spannung
gesetzt, weil in jedem Teile die Hoffnung erstand, daß von ihm der
entscheidende Endkampf ausgehen werde.
Es begann eine überaus rege Tätigkeit in den Generalstabsstuben
der Oberkommandos; nach allen Richtungen wurden die Angriffspläne
beleuchtet und durchgeprüft, um der Obersten Heeresleitung die
Grundlagen zu schaffen, auf denen der endgültige Entschluß und die
Wahl der Angriffsstelle oder -stellen aufgebaut werden konnten.
A 30. Dezember 1917 erweiterte General Ludendorff den Kreis der Betrachtungen
durch Befehl an die Heeresgruppe Deutscher Kronprinz, festzustellen, ob auch die
7. Armee im Anschluß an den linken Flügel des Angriffs [351] St. Michael
mitwirken könne. Es handelte sich um einen Vorstoß aus der Linie
La Fère - Fresne, der als Ablenkungsangriff das
Waldgelände südlich der Oise bei La Fère und Chauny
in deutsche Hand bringen sollte und zunächst mit dem Decknamen
"St. Michael 4" später als "Erzengel" bezeichnet wurde.
Aus der Verteilung der Aufträge ergibt sich ohne weiteres, daß der
Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht die Hauptlast der Arbeit, damit aber auch
aller Wahrscheinlichkeit nach die Ehre des Angriffs selbst zugefallen war. Die
Heeresgruppe gab die Aufgaben so weiter, daß die 4. Armee den Angriff auf
Ypern (St. Georg 2), die 6. Armee den Durchbruch bei
Armentières (St. Georg 1), ebenso den Angriff auf die
Loretto-Höhe und Arras (Mars) zu bearbeiten hatte, während die 2.
Armee mit dem Angriff auf Bapaume (St. Michael 1) und auf
Péronne (St. Michael 2) befaßt wurde. Mit dem
Angriff südlich von St. Quentin auf Ham
(St. Michael 3) hatte sich die 18. Armee4 zu beschäftigen, die am 27.
Dezember 1917 zwischen die 2. und 7. Armee beiderseits von St. Quentin
eingeschoben wurde.
Aus den einlaufenden Berichten der Oberkommandos konnte die Oberste
Heeresleitung entnehmen, wie die örtlichen Kommandostellen die
einzelnen Angriffspläne beurteilten. Die Heeresgruppe Kronprinz
Rupprecht hielt St. Georg 1 für das aussichtsvollste
Unternehmen, sah in St. Georg 2 nur eine Nebenhandlung und
erklärte St. Michael besonders dann für vorteilhaft, wenn die
englischen Hauptkräfte bereits weiter nördlich gefesselt
wären; sie wich also von der bisherigen Beurteilung nicht ab.
Die Heeresgruppe Deutscher Kronprinz berechnete den Kräftebedarf
für den Angriff Achilles östlich Reims, der als Gegenangriff nach
vorherigem Ausweichen gedacht war, außerordentlich hoch, sah auch einen
bedenklichen Nachteil darin, daß er von vorherigem Vorstoß des
Gegners abhängig gemacht wurde, und empfahl jetzt selbst, darauf zu
verzichten. Den Angriff Erzengel südlich La Fère hielt sie
mit geringen Mitteln für durchführbar, meinte aber, daß die
neugewonnenen Stellungen südlich von Chauny nicht lange zu halten sein
würden, weil sie schlechter seien als die bisherigen am Westrande des
großen Waldes von St. Gobain.
Die Heeresgruppe Herzog Albrecht glaubte dem Doppelangriff Kastor und Pollux
beiderseits von Verdun keine feldzugentscheidende Bedeutung zuerkennen zu
sollen und erachtete den Angriff Pollux mit dem
Maas-Übergang südlich von Verdun für besonders schwierig.
Von den im Elsaß geplanten Offensiven sah sie den Angriff aus dem
Breusch-Tale (Straßburg) für erfolgversprechend an, maß ihm
aber doch nur die Bedeutung einer Nebenhandlung zu, zumal da der
Feldeisenbahnchef die Schwierigkeit bestätigte, große Kräfte
überraschend vor der Einbruchsstelle zu vereinigen.
[352] Entscheidung
für den Angriff St. Michael.
Am 1. Februar 1918 schob die Oberste Heeresleitung zur Entlastung der
Oberkommandos der 6. und 2. Armee ein neues
Armee-Oberkommando mit der Nr. 17 ein, das die Front beiderseits der Scarpe
übernahm.5 Die 18. Armee trat von der
Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht zum Deutschen Kronprinzen über.
Diese Maßnahmen standen in Verbindung mit der endgültigen
Entscheidung für den großen Schlag. Am 24. Januar 1918 wurde der
Angriff St. Michael durch Heeresbefehl als die Unternehmung bezeichnet,
die den Frühjahrsfeldzug mit dem Zwecke des Durchbruchs bis zur Linie
Bapaume - Péronne - Ham einleiten sollte. Die
Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht hatte St. Michael 1 mit dem Ziel
Bapaume durch die 17., St. Michael 2 nördlich des
Omignon-Bachs mit dem Ziel Péronne durch die 2. Armee vorbereiten zu
lassen, während der 18. Armee unter der Heeresgruppe Deutscher
Kronprinz St. Michael 3 südlich des
Omignon-Bachs mit dem Ziele Ham zufiel. Der Angriffstag wurde auf den 20.
März festgesetzt.
Nach erfolgtem Durchbruch sollten den Flügeln der vorgestoßenen
Front mit kurzem zeitlichen Abstande zwei weitere Angriffe angehängt
werden, die die vorherige Umgruppierung von Artillerie und Minenwerfern zur
Voraussetzung hatten: der Angriff Mars südlich der Scarpe bei der 17.
Armee, um durch Ausdehnung nach Norden den Sieg über die Linie
Arras - Péronne hinaus vortragen zu helfen, und der Angriff
Erzengel südlich der Oise bei der 7. Armee, der durch Besitznahme der
Höhen östlich des Oise - Aisne-Kanals feindliche
Reserven ablenken sollte. Die Ausdehnung des Angriffs Mars nach Norden
über die Scarpe hinaus wurde vorläufig nicht beabsichtigt. Die
Vorbereitungen für die Angriffe St. Georg 1 und 2 bei der
Heeresgruppe Rupprecht sollten weiter gehen und Anfang April beendet sein. Die
Heeresgruppe Deutscher Kronprinz hatte die Vorarbeiten für die
Unternehmungen Hektor und Achilles östlich von Reims flüssig zu
erhalten und einen Angriff Roland über die Front der 3. Armee ohne
vorausgehendes Ausweichen neu zu bearbeiten, der in Betracht kommen sollte,
falls der Angriff St. Michael stecken bleiben sollte. Die Angriffe Kastor
und Pollux bei Verdun wurden gänzlich aufgegeben, über den
Angriff Straßburg keine neuen Bestimmungen getroffen. Anordnungen
für Täuschungsangriffe und Demonstrationen an anderen
Frontstellen blieben vorbehalten.
Am 27. Januar 1918 folgte der Befehl, daß bis zum 25. Februar hinter der
Front 56 Angriffsdivisionen zur Ruhe, Ausbildung, Ergänzung und
Ausrüstung bereitzustehen hätten, denen noch im Februar weitere
Divisionen angeschlossen und die außerdem durch sieben von der
Heeresgruppe Rupprecht verfügbar zu machende Divisionen vermehrt
werden sollten.
[353] Damit war nach
sorgsamer Prüfung St. Michael als Schwinger des kriegsentscheidenden
Angriffsschwertes auf den Schild erhoben. Für die Wahl, die der Obersten
Heeresleitung von Anbeginn vorgeschwebt hatte, sind schwerwiegende
Gründe ausschlaggebend gewesen: politische, um die Engländer zu
treffen und von den Franzosen zu trennen; operative, um vor der Ankunft
stärkerer amerikanischer Truppen schlagen zu können; taktische, um
die Frontstelle des Gegners anzupacken, die am schwächsten schien. Dieser
taktische Gesichtspunkt war von hoher Bedeutung; erst der taktische Erfolg
konnte die strategische und politische Auswirkung des großen Angriffs
herbeiführen. Die Oberste Heeresleitung folgte dem als wichtig und richtig
erkannten Lehrsatz, daß die große Summe der Kräfte dorthin
geworfen werden müsse, wo sie am leichtesten und schnellsten
vorankäme. Sie wollte es mit einem großen Schlage nicht abgetan
sein lassen; unmittelbar im Anschluß an ihn gedachte sie den Erfolg im
Norden in der Richtung auf die Gegend nördlich von Bapaume zu erweitern
und im Süden durch Verbreiterung der Angriffsfront
feindliche - französische - Reserven von der
Hauptentscheidung abzuziehen. Es war nicht viel, was für diesen Zweck
geschehen konnte; ein großer Ablenkungsangriff in weiterer Entfernung
vom Brennpunkt der Entscheidung, gleichzeitig mit dem Hauptstoße oder
kurz vor ihm geführt, wäre wirksamer und förderlicher
gewesen. Dazu aber reichten die Kräfte nicht, und die aufgezwungene
Beschränkung prägte sich am deutlichsten darin aus, daß die
Durchführung der Erweiterung und Verbreiterung von der Umgruppierung
eines Teiles der Kampfmittel abhängig war.
Für den Fall, daß St. Michael nicht durchdringen sollte, hatte die
Oberste Heeresleitung noch zwei Eisen im Feuer: St. Georg und Roland.
Auch sie waren aber nur durchführbar durch Hinüberwerfen von
Truppen und besonders der Artillerie von der St. Michaelfront an die neue
Kampfstelle; die Strategie des großen Angriffs stellte sich als ein System
von Aushilfen dar. Der Übertritt der 18. Armee von der nördlichen
zur südlich anstoßenden Heeresgruppe lehrt, daß die Oberste
Heeresleitung mit zwei Kommandostellen arbeiten wollte; sie glaubte dadurch
ihren Einfluß auf die Vorbereitungen und Operationen zu
verstärken.
Der entscheidende Befehl der Obersten Heeresleitung war nur für die
höchsten Kommandostellen bestimmt; nach wie vor sollte die Truppe
über die Angriffsstellen im Unklaren bleiben, um den Ehrgeiz
wachzuhalten, die Vorbereitungen allerwärts gleichmäßig zu
gestalten, dem Feinde jeden Anhalt zu nehmen, wo er angesichts der umfassenden
Vorarbeit auf deutscher Seite, die ihm nicht verborgen bleiben konnte, den
wirklichen Stoß vermuten dürfe. Alle Maßnahmen, die mit dem
geplanten Frühjahrsfeldzuge in Verbindung standen, wurden als
Mobilmachungs- (Mob.-) Angelegenheiten bezeichnet, um sie aus der Masse der
sonstigen Geschäfte hervorzuheben und ihre Geheimhaltung zu
fördern. Indem die Heeresgruppe die ihnen übermittelten Weisungen
nach unten mit Zusätzen weitergaben, entfesselten sie eine erstaunliche
Arbeitsleistung bei den unterstellten [354]
Kommandobehörden, besonders den
Armee-Oberkommandos, die mit Eindringlichkeit die Pläne des Angriffs in
dem ihnen gegebenen Rahmen durchdachten und in Form gossen. Dabei schossen
neue Gedanken, Besserungsvorschläge, Erweiterungsabsichten in
üppiger Fülle empor, die sich nicht durchweg an das Maß der
verfügbaren Kräfte banden und der Obersten Heeresleitung reichlich
zu tun gaben, um die Entwürfe innerhalb der von ihr gezogenen Grenzen zu
halten.
Am 26. Januar 1918 erläuterte die Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht der 4.
Armee die Aufgabe für St. Georg 2 dahin, daß die
englischen Truppen im Ypern-Bogen durch gleichzeitige Vorstöße
vom Houthulster Walde im Norden, von Gheluvelt und Warneton im Süden
abzuschneiden und, wenn sie auswichen, mit möglichster
Schädigung zu schlagen seien; der Angriff sei im Süden bis auf die
Höhen westlich von Hollebeke, bei Wytschaete und Messines auszudehnen
und habe im weiteren Verlauf auch die
Kemmel-Höhe zu erfassen, um den Zusammenhang mit
St. Georg 1 herzustellen. Außerdem seien
Vorstöße bei Nieuport und Dixmude zu erwägen. Die 6.
Armee hatte den Angriff St. Georg 1 über die Linie
Armentières - Béthune mit dem Ziel des
Durchbruchs auf Hazebrouck zu führen, um die englischen
Flandernkräfte in Flanke und Rücken zu fassen und im Verein mit
St. Georg 2 den englischen Nordflügel zu schlagen, im
Anschluß daran Dünkirchen und Calais zu erobern, aber auch die
Front des Gegners nach Süden aufzurollen. So wurde St. Georg
immer noch als entscheidender Hauptangriff vorangestellt; hatte er nur zur
Ablenkung im Falle des Hauptangriffs bei St. Michael zu dienen, so sollten
mit den Angriffskräften auch die Ziele ganz wesentlich beschränkt,
bei St. Georg 2 die Kemmel-Höhe unberührt bleiben,
bei St. Georg 1 beiderseits von Armentières nur bis zur Lys
führen. Dieser mit "Klein Georg" bezeichnete Angriff konnte für
St. Georg 1 wegen der besseren Bodenverhältnisse auch im
Raume zwischen dem La Bassee-Kanal und Lens vorgetrieben werden.
Der St. Michael-Angriff, der mit der 18. Armee von der Heeresgruppe Deutscher
Kronprinz gemeinsam zu führen war, hatte den Durchbruch durch die
feindliche Front, die Abschnürung der feindlichen Kräfte im
Cambrai-Bogen und die Gewinnung der Linie
Bapaume - Péronne -
Ham - La Fère zur Aufgabe; innerhalb dieses Rahmens fiel
der 17. Armee die Vorbereitung des Stoßes aus dem bei Croisilles
vorspringenden Frontteile mit der Richtung auf die Gegend nordöstlich von
Bapaume als St. Michael 1, der 2. Armee die Offensive aus der Linie
Villers Guislains - Pontruet auf die Gegend nördlich von
Péronne und Péronne selbst als St. Michael 2 zu; das
Zusammenwirken der inneren Flügel beider Armeen ergab die doppelte
Umfassung des Cambrai-Bogens. Die 17. Armee hatte außerdem den
Mars-Angriff beiderseits der Scarpe in der Richtung auf Arras vorzubereiten, der
nach St. Michael die Weiterführung des Stoßes über die
Linie Arras - Péronne ermöglichen sollte.
St. Michael 1 und 2 [355] kamen mit geringeren
Kampfmitteln und kürzeren Zielen auch als Ablenkungsangriffe für
den Hauptangriff St. Georg in Frage (Klein Michael). Der Hauptangriff
(St. Georg oder St. Michael) war in allen Teilen zeitlich einheitlich
zu führen, Mars später als St. Michael nach der erforderlichen
Truppenverschiebung, die Ablenkungsangriffe (Klein Georg oder Klein Michael)
drei bis fünf Tage vor dem Hauptangriff, um die feindlichen Reserven zu
binden. Als Grundlage für die Kräftebemessung wurden 2 km
Gefechtsraum für die Angriffsdivision angegeben; für den taktischen
Durchbruch war mit zwei Treffen zu rechnen, im dritten Treffen sollten nur
operative Reserven folgen. Die allgemeinen Vorbereitungen mußten am 1.
März abgeschlossen sein; dann blieben etwa noch 14 Tage für den
eigentlichen Aufbau der Unternehmung, die als engere Vorbereitungszeit
bezeichnet wurde.
Diese Vielgestaltigkeit der Richtlinien bedeutete eine wesentliche Erweiterung
des Angriffsprogramms der Obersten Heeresleitung und schob den Angriff
St. Georg von neuem in den Vordergrund; auch war der Kräftebedarf
höher berechnet, als die Oberste Heeresleitung zugestehen konnte. Die
Heeresgruppe bestrebte sich auch weiterhin, in Besprechungen und Denkschriften
darzutun, daß St. Georg vor St. Michael den Vorzug verdiene.
Die ersten Angriffspläne der 4., 6. und 2. Armee, die noch auf Grund der
Weisungen der Heeresgruppe vom 26. Januar 1918 ausgearbeitet waren, stellten
gleichfalls St. Georg voran.
Demgegenüber wies General Ludendorff wiederholt - bei einer
Besprechung in Mons am 3. Februar und durch Befehl vom 8. Februar
1918 - darauf hin, daß St. Michael 1, 2 und 3 mit
nachfolgendem Mars- und Erzengel-Angriff als endgültige Grundlage
anzusehen seien, und sprach sich am 10. Februar 1918 in abschließender
Form über St. Georg dahin aus, daß dieser Angriff nur als
zweiter Kampfakt in Betracht käme, wenn sich St. Michael
festlaufen sollte. Man werde sich dann mit geringeren Kräften behelfen
können, weil die feidlichen Reserven schon gefesselt seien. Es komme
darauf an, beiderseits von Armentières in der Richtung auf Hazebrouck
Raum zu gewinnen und die Engländer im
Ypern-Bogen von Nordosten abzuschneiden. Auf dieser Grundlage sei
weiterzuarbeiten.
Damit hatte St. Michael über St. Georg endgültig gesiegt. Es war
gewiß nicht Ehrgeiz, daß die Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht
St. Georg als Hauptaktion immer wieder in Erinnerung brachte, denn sie
war auch an St. Michael am meisten beteiligt; es war vielmehr die
Überzeugung, daß der Stoß gegen und über Hazebrouck
auf kurzer Operationslinie mit der Besitznahme der Küste von
Dünkirchen und Calais einen sicheren und höchst bedeutungsvollen
Erfolg über die Engländer erbringen würde.
Demgegenüber traten zeitliche und örtliche Bedenken zurück.
Gerade sie aber waren für die Oberste Heeresleitung ausschlaggebend, an
der früher zu führenden und größer gearteten
St. Michael-Unternehmung festzuhalten und von diesem Wege wurde nicht
mehr abgewichen.
Am 10. Februar 1918 bedeutete die Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht [356] ihre
Armee-Oberkommandos, daß es zweck- und nutzlos sei, die
Kräfteanforderungen zu überspannen; am Tage darauf teilte sie der 4.
und 6. Armee mit, daß St. Michael durchgeführt werden
würde und St. Georg nur in Betracht käme, falls
St. Michael nicht durchdringe. Die 4. Armee habe St. Georg 2
nach drei Richtungen vorzubereiten: durch den Stoß südlich des
Ypernbogens auf die Höhen von Hollebeke, Wytschaete und Messines zur
Unterstützung von St. Georg 1 (Hasenjagd), durch den
Stoß nördlich des Ypern-Bogens zur Abschnürung der in ihm
befindlichen englischen Truppen (Waldfest) und durch den Nebenangriff von
Dixmude, um feindliche Kräfte abzulenken (Flandern 3); es sei zu
prüfen, ob diese Unternehmungen mit einem Zuschuß von 12 bis 15
Divisionen gleichzeitig geführt werden könnten. Die 6. Armee habe
den Angriff St. Georg 1 auf Hazebrouck zu richten; da sie nur mit
einem Mehr von 20 Divisionen rechnen könne, müsse die Breite der
Unternehmung namentlich im Süden beschränkt werden. Zur
Täuschung der Gegner sollten die Vorbereitungen energisch betrieben
werden und einige Zeit vor Beginn von St. Michael in Demonstrationen
übergehen, die an die Stelle der bisher geplanten Ablenkungsangriffe Klein
Georg zu treten hätten.
Bis zur Mitte des Februar legten die 17., 2. und 18. Armee ihre
Angriffsentwürfe für St. Michael und Mars vor, so daß
die Grundzüge für den beabsichtigten Verlauf des großen
Schlages nunmehr erkennbar wurden. Die 17. Armee (St. Michael 1)
wollte aus der Linie Fontaine les Croisilles - Moeuvre vorbrechen
mit dem rechten Flügel über
Ecoust-St. Mein, mit der starken Mitte zwischen Riencourt
und Inchy gegen die Höhen beiderseits von Bapaume, mit dem linken
Flügel von Moeuvre über Hermies auf Ytres, um dort dem rechten
Flügel von St. Michael 2 zur Abschnürung des
Cambrai-Bogens die Hand zu reichen. Glückte der Stoß auf dem
rechten Flügel, so wünschte sie die für Mars
zurückgehaltenen Divisionen sofort einzusetzen, um noch mit dem ersten
Angriffsschwunge zur Eroberung von Arras nach Norden abzuschwenken. Nur
wenn der rechte Flügel steckenblieb, was nicht ausgeschlossen war, weil er
die Flanke offen hatte, sollte Mars programmäßig nach einigen Tagen
südlich der Scarpe gegen Arras losbrechen. Der Bedarf an
Angriffsdivisionen wurde für St. Michael 1 auf 16 berechnet,
von denen drei vorhanden waren, für Mars auf elf bei einem Bestande von
vier Divisionen; mithin fehlten im ganzen 20 Divisionen.
Die 2. Armee (St. Michael 2) beabsichtigte aus der Linie
Vendhuille - Bellenglise über die Linie
Guislain - Omignon-Bach gegen
Epéhy - Villers
Faucon - Roisel - Vendelles - Vermand
anzustürmen, um am zweiten Tage
Sorel - Nurlu - Moislains -
Péronne - Brie zu erreichen. Der Hauptstoß sollte über
Roisel auf Péronne gehen; wichtig war der baldige Besitz der
Höhen von Epéhy. Die Kräfte zwischen
Cologne- und Omignon-Bach fanden beim Vorgehen leichtere Verhältnisse
wie die nördlich des Cologne-Bachs; sie hatten nach [357] Erreichung der Somme
diesen Bach nach Norden zu überschreiten. Der rechte Flügel
mußte vom Cambrai-Bogen, in dem sehr starke Kräfte angenommen
wurden, abgesetzt bleiben und zur Abschnürung über Villers
Guislains den Anschluß an den linken Flügel von
St. Michael 1 gewinnen. Durch einen besonderen Nebenangriff
"Dietrich" gegen die Linie
Flesquières - Ribécourt - La Vacquerie
sollten die feindlichen Truppen im Cambrai-Bogen gefesselt und von den
Flanken der abschnürenden Teile abgezogen werden. Dem linken
Flügel hatte vom Omignon-Bach eine Division gestaffelt zu folgen, weil
damit gerechnet wurde, daß der rechte Flügel des südlich
benachbarten St. Michael 3 nur langsam vorankäme. Der
Mehrbedarf von Angriffsdivisionen belief sich auf 16; für Dietrich war
noch eine Stellungsdivision einzuschieben.
Zur Erfüllung des Angriffs St. Michael 3 gedachte die 18. Armee
beiderseits von St. Quentin vorzubrechen und am ersten Tage die Linie
Beauvois - Vaux - Fluquières - Happencourt
und den Crozat-Kanal zu erreichen. Sie rechnete damit, daß sie auf dem
linken Flügel schneller vorankommen könne als auf dem rechten,
und mit dem linken daher flankierende Einwirkung zugunsten des rechten haben
werde, dessen Endziel die Somme von St. Christ bis St. Simon war.
Am äußersten linken Armeeflügel sollte zur Täuschung
des Gegners ein Vorstoß der dortigen Stellungsdivisionen aus der Gegend
von La Fère auf Vendeuil und Travecy vorgeführt werden.
Der Mehrbedarf an Divisionen belief sich auf 19.
Die Oberste Heeresleitung stimmte diesen Entwürfen im allgemeinen zu,
beschränkte aber den Mehrbedarf für St. Michael 1 auf
15, für Mars auf vier Divisionen. Hinsichtlich des Angriffs Mars wies sie
darauf hin, daß die Art seiner Führung nicht von der Entscheidung
des Oberkommandos der 17. Armee abhängig sein könne, sondern
von ihr selbst auf Grund des Ausgangs des ganzen
St. Michael-Angriffs bestimmt werden müsse. Für die 18.
Armee empfahl sie Starkmachung des rechten Flügels zum
Zusammenwirken mit der 2. Armee. Über La Fère sei ein
wirklicher Nebenangriff zu führen, für den sie einige
Jäger-Bataillone als Verstärkung in Aussicht stellte; später
wurde verfügt, daß die 7. Armee möglichst viel Divisionen
über La Fère nachschieben solle, wenn der Angriff gut
vorangehe.
Die Frage eines Zusammenwirkens der 2. und der 18. Armee gab noch
Veranlassung zu eingehenden Erörterungen, da jede Armee geneigt war,
das Vorwärtskommen des eigenen inneren Flügels von dem des
Nachbarflügels abhängig zu machen. Nachdem festgestellt war,
daß der linke Flügel der 2. Armee wahrscheinlich nur langsam
vorwärts kommen werde, wurde der 18. Armee von der Heeresgruppe
Deutscher Kronprinz bedeutet, daß sie ihren rechten Flügel selbst
schützen und stützen müsse.
Daß sich der Angriff des linken Flügels der 18. Armee gegen den
Crozat-Kanal unter Umständen mit diesem Ziele nicht begnügen
dürfe, sondern [358] beschleunigt
darüber hinausstreben müsse, brachte die Heeresgruppe Deutscher
Kronprinz frühzeitig bei der Obersten Heeresleitung zur Sprache. Sie nahm
eine Entlastungsoffensive französischer Reserven gegen St. Michael
über die Linie Roye - Noyon an und wollte ihr durch
Stoß über den Crozat-Kanal aus der Linie
Jussy - Tergnier begegnen. General Ludendorff nahm hierzu keine
Stellung.
Aus dieser Anregung der Heeresgruppe erhellt, daß sie dem
Erzengel-Angriff, der St. Michael mit sehr beschränktem Ziel nach
einigen Tagen links angehängt werden sollte, keine besondere
Ablenkungswirksamkeit zutraute. Als Zweck dieses Stoßes bezeichnete die
mit dem Entwurf betraute 7. Armee die Fesselung möglichst starker
Kräfte, auch artilleristischer, die etwa versuchen könnten, aus der
Gegend südlich der Oise in das Angriffsgelände der 18. Armee zu
wirken; der eigenen Artillerie sollte die Beschießung des Geländes
am Crozat-Kanal und in der Oise-Niederung erleichtert werden. Für den
Vorstoß, der aus der Linie Servais - Fresne schwieriges
Waldgelände durchschreiten mußte, um den Niederwald von Coucy
zwischen Chauny und Coucy le Château in Besitz zu nehmen und zu halten,
wurde der Kräftebedarf auf fünf Divisionen in erster und vier
Divisionen in zweiter Linie berechnet; unter den letzteren befand sich die
Stellungsdivision.
Angriff St. Georg als zweite Kampfhandlung.
Nach lebhaftem Meinungsaustausch und nach Beseitigung von
Widersprüchen und Bedenken waren nunmehr die geistigen Grundlagen
für den ersten großen Akt der Frühjahrsoffensive,
St. Michael und Mars und Erzengel, geschaffen. Für
St. Georg, der nach dem Erlaß der Obersten Heeresleitung vom 10.
Februar 1918 im Falle, daß St. Michael nicht durchdringen sollte, als
zweiter Kampfakt in Betracht kam, waren durch die 6. und 4. Armee inzwischen
neue Entwürfe vorgelegt worden, die sich mit den beschränkenden
Richtlinien der Obersten Heeresleitung in Übereinstimmung zu setzen
suchten. Die 6. Armee bezeichnete als Zweck von St. Georg 1 den
Vorstoß zwischen Armentières und
La Bassée-Kanal in Verbindung mit dem Angriff der 4. Armee,
St. Georg 2, der sich gegen die Höhen von Wytschaete,
Messines und den Kemmel wendete. Nach taktischem Einbruch hatte
St. Georg 1 die englischen Flandernkräfte in Flanke und
Rücken zu fassen und den englischen Nordflügel mit der 4. Armee
zusammen zu schlagen. Der rechte Flügel sollte hierzu Armentières
von Süden nehmen, die Mitte sich des Höhengeländes von
Locre und Godewaersvelde und der Gegend von Hazebrouck bemächtigen,
um so in den Rücken des Gegners zu gelangen, der linke diente zur
Deckung der linken Flanke der Entscheidung suchenden Mitte und hatte sich die
Aufrollung der feindlichen Front nach Süden auf Lens vorzubehalten. Lys
und Lawe waren am ersten Tage zu überschreiten. Nach durchschlagendem
Erfolge wollte die 6. Armee drei Armeegruppen bilden, deren stärkste sich
auf Dünkirchen [359] und Gravelines zu
wenden hatte, während die zweite die linke Flanke decken und die dritte als
Armee-Reserve auf Aire folgen sollte.
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Die 4. Armee sah es für St. Georg 2 als ihre Aufgabe an, starke feindliche
Kräfte auf sich zu ziehen, die englischen Truppen im
Ypern-Bogen abzuschnüren und den Angriff St. Georg 1
durch Vorgehen gegen und über die Höhen von Zillebeke,
Hollebeke, Wytschaete und Messines zu unterstützen. Diese letzte Aufgabe
(Hasenjagd) war die wichtigste, umfaßte auch die Eroberung der
Kemmel-Höhe. Mit erübrigten Kräften kam der
Ablenkungsangriff von Dixmude (Flandern 3) in der Richtung auf
Reninghe an zweiter Stelle in Betracht; konnte er nicht gleichzeitig mit Hasenjagd
geführt werden, so war die Angriffsrichtung deren Fortschreiten
entsprechend mehr westlich gegen den Loo-Kanal zu wählen. An letzter
Stelle stand der Angriff nördlich des
Ypern-Bogens (Waldfest), der je nach dem Standhalten des Gegners entweder
Poperinghe oder die Gegend südlich davon zum Ziele nehmen sollte.
Die Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht sah sich bei ihrer genaueren Kenntnis der
Anschauungen der Obersten Heeresleitung veranlaßt, die Entwürfe
beider Armeen noch weiter zu beschränken, indem sie die Zahl der von der
6. Armee angeforderten Divisionen von 25 auf 20 herabsetzte und die 4. Armee
darauf hinwies, daß von St. Georg 2 als gleichzeitiger Akt mit
St. Georg 1 voraussichtlich nur Hasenjagd ins Auge gefaßt
werden könne. Auch darüber ließ sie keinen Zweifel, daß
die St. Georg-Operation nur mit der Artillerie und den sofortigen
Hilfsmitteln zu führen sei, die nach Aufgabe der
St. Michael-Unternehmung von der Somme zur Lys
hinübergeworfen werden könnten. Die Oberste Heeresleitung
erklärte sich nunmehr mit den Entwürfen einverstanden, betonte
aber, daß bei St. Georg 2 der Angriff auf Zillebeke nach links
bis Dickebusch ausgedehnt werden müsse, damit die wichtige
Kemmel-Höhe nicht mit zu schmaler Front angegriffen würde.
So war auch St. Georg auf feste Füße gestellt, freilich nicht in der
Kraftfülle, die ihm von seinen Befürwortern ursprünglich
zugedacht war, auch nicht mit den weiten strategischen Zielen des ersten Planes;
von der Eroberung von Calais war keine Rede mehr. Es ließ sich jetzt schon
voraussehen, daß diese zweite Kampfhandlung, wenn sie verwirklicht
werden sollte, nicht mit der gleichen Wucht und Macht geführt werden
würde wie der bevorzugte St. Michael, dem frische und
unberührte Kampfmittel im reichsten Maße zugewendet wurden, um
den entscheidenden und durchschlagenden Erfolg sicherzustellen.
Täuschungsangriffe und Nebenhandlungen.
Mit St. Michael und St. Georg war aber der Offensivgedanke noch nicht zu Ende
gedacht. Für das Gelingen von St. Michael mußte es von
höchster Bedeutung sein, daß der Angriffsstelle nicht vorzeitig
feindliche Reserven zugeführt wurden. Sie durften gegenüber
Cambrai und St. Quentin erst dann erscheinen, [360] wenn mindestens der
tiefe Einbruch oder besser der taktische Durchbruch gelungen war, damit ihnen
die überlegene deutsche Führung im freien Felde begegnen konnte.
Die Mittel strengster Geheimhaltung und Verschwiegenheit, die Verschleierung
durch die Ausdehnung der Vorbereitungen über die ganze deutsche
Westfront, die Aussprengung irreführender Gerüchte konnten wohl
den Erfolg haben, daß überschießende gegnerische
Kräfte nicht schon vor dem Angriffstage bereit standen, um den deutschen
Stoß abzufangen, verhinderten aber keinesfalls, daß sie
allerwärts auf die Bahn gesetzt wurden, sobald die Tatsache des Schlages
an der Somme erkannt war.
Dagegen konnte eigentlich nur ein Mittel helfen: der Angriff auf der ganzen
Westfront gleichzeitig mit dem Hauptstoß St. Michael; er hätte
sicherlich die feindlichen Reserven oder doch wenigstens den größten
Teil von ihnen an die Frontteile gefesselt, hinter denen sie sich gerade befanden.
Dieses Gewaltmittel war aber unmöglich; Kräfte und Kampfmittel
reichten nicht einmal dazu, neben dem Hauptstoß einen wirklich
eindrucksvollen Ablenkungsangriff an anderer Stelle zu führen. So blieb
nur eine Aushilfe, die Vortäuschung von Angriffen an verschiedenen
Punkten der Gesamtfront, um den Gegner wenigstens für eine gewisse Zeit
über die Hauptkampfstelle im Unklaren zu lassen und ihn in der
Verwendung der Reserven unsicher zu machen.
Diese Aushilfe hatte den Fehler aller Aushilfen; es war keine Gewähr
vorhanden, daß die Täuschung lange vorhielt. Indessen konnte man
doch einigermaßen mit der Angriffsfurcht der Gegner rechnen, von der die
Wirkung zu erhoffen war, daß sich bei deutschen Offensivregungen an
mehreren Stellen jeder Teil für den am meisten gefährdeten ansah
und seine rückwärtigen Kräfte ängstlich festzuhalten
versuchte.
Der Gedanke an solche Demonstrationen war schon bei den ersten
Erwägungen der Frühjahrsoffensive entstanden; er wurde durch
eigene Überlegungen der Obersten Heeresleitung und durch
Vorschläge der Heeresgruppen ausgestaltet. Nördlich vom
Angriffsgebiet an der Somme war die Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht
entschlossen, die als unausführbar erkannten Ablenkungsstöße
St. Georg 1 und 2 als Scheinangriffe durchführen zu lassen.
Für die Front südöstlich von St. Quentin schlug die
Heeresgruppe Deutscher Kronprinz am 14. Februar 1918 einen großen
Täuschungsversuch vor. Dem Feinde, den Franzosen, die durch eine
große Offensive an der Somme kaum betroffen wurden, sollte ein
umfassender deutscher Angriff aus der Champagne und aus dem Reichsland
wahrscheinlich gemacht werden, der die Abschnürung von Verdun zum
gedachten Ziele hatte; es war die Wiederaufnahme des
Kastor- und Pollux-Gedankens in vergrößerter demonstrativer Form.
Den Hauptstoß hatte die Heeresgruppe Herzog Albrecht aus dem
Reichsland zu führen oder vielmehr vorzutäuschen; an dem
Nebenstoß aus der Champagne sollten die 3. und der linke Flügel der
1. Armee beteiligt werden. Der linke Flügel der Heeresgruppe des [361] General
v. Gallwitz6 war anzuweisen, mit dem rechten
Flügel der Heeresgruppe Herzog Albrecht zusammenzuwirken.
Die Heeresgruppe Deutscher Kronprinz empfahl, vorher durch
Durcheinanderarbeiten der Funken- und Erdtelegraphen mit widersprechenden
Andeutungen auf der ganzen Westfront beim Gegner einen Zustand der
Verwirrung herbeizuführen, dann aber 14 Tage vor dem großen
Schlage an der Somme scharfe Hinweise zu geben, daß in der Champagne
neue deutsche Verbände eingeschoben würden. Daran hätten
sich das Einschießen von Artillerie und Minenwerfern sowie
Lufterkundungen, gesteigerte Streiftätigkeit an der Front und der Ausbau
der drahtlichen Verbindungen anzuschließen, dagegen sei der
Fernsprechverkehr, wie vor Angriffen üblich, abzuschwächen. Im
Hinterlande sollten Massenquartiere angesagt werden; auch die Täuschung
der französischen Bevölkerung sei von Bedeutung. In den Rahmen
der großen Scheinunternehmung paßte sich der Vorschlag der
Heeresgruppe Gallwitz ein, im Bereich der 5. Armee einen Artillerieangriff auf
die Nordfront von Verdun zu machen, der dem Feinde den Eindruck erwecken
sollte, als stände ein neuer Ansturm auf diese für die Franzosen
besonders empfindliche Stelle bevor.
Die Oberste Heeresleitung ging auf die Vorschläge der Heeresgruppen ein,
änderte den der Heeresgruppe Deutscher Kronprinz aber dahin ab,
daß der gedachte Hauptstoß nicht von Osten, sondern von Norden her
in der Champagne geführt werden solle. Unmittelbar darauf, am 18.
Februar 1918, gab sie in einem Erlasse an die Heeresgruppenkommandos
Richtlinien heraus, wie die Vortäuschung von Angriffen vor Beginn der
Frühjahrsoffensive zu gestalten sei. Sie legte dem Scheinmanöver
den operativen Gedanken unter, daß die Deutschen gegen die
Engländer in der Verteidigung bleiben, die Franzosen angreifen wollten,
und zwar mit dem Hauptstoße zu Beginn der zweiten
Märzhälfte aus der Front der 1. und 3. Armee zwischen Reims
und Varennes und durch die 5. Armee gegen die Nordostfront von Verdun,
mit Nebenstößen aus der Südfront der 7. Armee an der Aisne,
durch die Heeresgruppe Herzog Albrecht im östlichen Lothringen und im
Elsaß. Für die Hauptdemonstration in der Champagne wurde die
teilweise Benutzung des Angriffsentwurfs Roland, für die Nebenhandlung
im Reichsland die des Angriffsentwurfs Straßburg anheimgegeben, womit
wohl entschieden war, daß diese Pläne wenig Aussicht hatten, jemals
zu scharfen Waffen in der Hand der Obersten Heeresleitung zu werden. An der
englischen Front sollten die 4. und 6. Armee gleichzeitig erhöhte
Gefechtstätigkeit vortäuschen.
Für diese Unternehmungen, die keine wirkliche Entscheidung suchten,
mußten die Heeresgruppen mit eigenen Mitteln auskommen, nur die
Heeresgruppe Gallwitz sollte für die Beschießung von Verdun einen
Zuschuß an Artillerie erhalten. [362] Da es darauf ankam,
die feindlichen Reserven während des Kampfes an der Somme zu binden
und in falsche Richtungen zu lenken, sollten die Täuschungsversuche ihren
Höhepunkt in der zweiten Märzhälfte haben und
darüber hinaus wirken. Sie konnten nur dann ihren Zweck erfüllen,
wenn Truppe und Bevölkerung sie für ernsthaft ansahen. Daher
waren sie nicht nur äußerlich im Felde mit der Wirkung auf den
Feind, sondern auch im Innern der Geschäftszimmer zu betreiben. Es kam
auf enges Zusammenarbeiten aller Organe, sorgfältige Vorbereitung und
geschickte Durchführung an, weil ungewandte Handhabung die Wirkung
ins Gegenteil verkehren würde. Auf die Bevölkerung wurde
besonderer Eindruck dadurch vorgesehen, daß Abschiebungen ins
Etappengebiet anzusagen waren. Der Erlaß schloß mit dem Hinweise,
daß nach wie vor jeder Mann auf der ganzen Westfront wissen und
aussprechen müsse, es werde bei ihm der entscheidende Angriff
stattfinden. Auch sich selbst bezog die Oberste Heeresleitung in die große
Täuschung ein, indem sie die Heeresgruppe Herzog Albrecht anwies, die
Verlegung des Großen Hauptquartiers nach Straßburg in der
üblichen, nicht auffälligen Art scheinbar in die Wege zu leiten.
In der zweiten Februarhälfte legten die Heeresgruppen ihre Entwürfe
im Großen Hauptquartier in Kreuznach vor. Die Heeresgruppe Deutscher
Kronprinz plante, den gedachten Hauptstoß (Tantris) in der Champagne,
einen Nebenstoß aus der Front
Craonne - Brimont (Tristan) vom 1. März an durch
Angriffsmaßnahmen deutlich werden zu lassen; am 20. März sollte
der Höhepunkt erreicht werden. Die Heeresgruppe Gallwitz beabsichtigte,
im ersten Märzdrittel die Artilleriewirkung auf dem Westufer der Maas zu
steigern und dort fünf, auf dem Ostufer zwei Infanterieunternehmungen
anzusetzen; in der zweiten Märzhälfte sollte der Scheinangriff auf
die Nordostfront von Verdun erfolgen. Die Heeresgruppe Herzog Albrecht, bei
der am 4. Februar ein neues Armee-Oberkommando mit der Nr.
197 zwischen die
Armee-Abteilungen C und A in Lothringen eingeschoben worden war, wollte
sofort mit der Offenbarung von Offensivabsichten im Rahmen des Entwurfs
Straßburg anfangen, vom 1. März an Verdichtung und
allmähliche Steigerung eintreten lassen. Die Heeresgruppe Kronprinz
Rupprecht endlich beabsichtigte, bis zum 5. März die auf die Offensive
gerichtete Tätigkeit auf der ganzen Front gleichmäßig zu
gestalten und vom 5. März an die Maßnahmen für
St. Georg stärker zu betonen als für St. Michael. Die
Täuschungsversuche mit dem St. Georg-Angriff (Georgplan) sollten
drei Tage vor St. Michael beginnen.
Die Oberste Heeresleitung stimmte allen Vorschlägen zu und
ergänzte den der Heeresgruppe Herzog Albrecht für Straßburg
dahin, daß die Vorbereitungen für das Scheinunternehmen erst am
19. März abschließen dürften. Nachdem sie für den 12.
März und die anschließende Zeit ein allgemeines
Verseuchungs- und Schwadenschießen auf feindliche Ortschaften und
Verkehrspunkte auf der ganzen [363] Westfront angeordnet
hatte, erließ sie am 4. März folgenden endgültigen Befehl an
die Heeresgruppen:
"1. |
St. Michael findet planmäßig statt; |
2. |
Heeresgruppen Kronprinz Rupprecht und Deutscher Kronprinz
führen zu gleichen Stunden einen lebhaften Artilleriekampf auf den
St. Georg- und Erzengel-Fronten; |
3. |
Heeresgruppe Deutscher Kronprinz setzt ihre Täuschungsversuche
bei 7., 1. und 3. Armee bis zum 24.
März - dabei erhöhte
Artillerietätigkeit - fort; |
4. |
Heeresgruppe Gallwitz läßt den Angriff auf Verdun erst am 22.
März abflauen und hält vom 22. März abends an schwere
deutsche Artillerie an der Bahn zum Abtransport bereit; |
5. |
Heeresgruppe Herzog Albrecht vereinigt je nach Transportlage
möglichst starke Artillerie im Rahmen von Straßburg auf der
lothringischen Front zum Artilleriekampf vom 20. bis 24. März." |
Befehle für St. Michael.
Für den planmäßigen Verlauf von St. Michael lag diesem
letzten Befehl der 21. März als Angriffstag zugrunde, nicht der 20., wie
ursprünglich durch den Befehl vom 24. Januar 1918 in Aussicht genommen
war. Inzwischen war erörtert worden,wie der Stoß zeitlich am
genannten Tage zu führen sei. Die Oberste Heeresleitung bestimmte am 1.
März 855, später
940 vormittags als die Zeit des
Infanterieeinbruchs; vorauszugehen hatte dreistündiges
Wirkungsschießen gegen die befestigten Infanteriestellungen, und vor
diesem stand zweistündiges Gasschießen gegen die feindliche
Artillerie, für das wegen der Witterungsverhältnisse zeitlicher
Spielraum nötig war. Um der Überraschung willen verzichtete man
also auf die tage- und wochenlangen Feuervorbereitung, wie sie früher
namentlich bei den Gegnern zur Einleitung von Angriffen und
Erschütterung des Verteidigers für nötig befunden wurde.
Unsicher blieb das Wetter der Jahreszeit entsprechend; die hohen
Kommandostellen waren darin einig, daß der Angriff auch bei Nebel oder
starkem Regen unbedingt am vorgesehenen Tage durchzuführen sei; sollte
doch eine Verschiebung nötig werden, so war sie frühzeitig
anzuordnen. Unsicher war auch, welche Verhältnisse der Angriff beim
Gegner vorfinden würde. Die Beurteilung ging dahin, daß feindliche
Kräfte gehäuft bei Ypern, Arras, vor Cambrai, am Chemin des
Dames und ostwärts bis in die Gegend von Verdun standen; die
schwächste Stelle glaubte man nach wie vor beiderseits von
St. Quentin zu erkennen, also dort, wohin der Hauptstoß zielte.
Sicherheit bestand ebensowenig über die Frage, welche Auffassung bei den
Gegnern über die Richtung der deutschen Offensive gültig sei.
Nachrichten aus dem Auslande legten die Wahr- [364] scheinlichkeit nahe,
daß die Engländer den Sturm an ihrer Front erwarteten,
während sich die Franzosen gleichfalls als Ziel der deutschen Offensive
betrachteten; in ähnlicher Weise sich selbst in den Vordergrund schiebend,
glaubte von den benachbarten neutralen Staaten die Schweiz an einen Angriff im
Sundgau, Holland an einen solchen in Flandern. Am häufigsten wurden die
Gegenden von Verdun, Nancy und Toul als künftige Kampfstätten
bezeichnet. Darüber aber, daß die deutsche Offensive bestimmt
kommen werde, und zwar voraussichtlich schon im Februar, bestand anscheinend
weder bei den Feinden noch bei den Neutralen ein Zweifel. Die politischen,
militärischen und inneren Verhältnisse Deutschlands und seiner
Verbündeten waren zu genau bekannt, als daß sich nicht die
Überzeugung aufgedrängt hätte, Deutschland müsse
handeln und schlagen.
Im ersten Drittel des März sah die Oberste Heeresleitung die Vorfragen
für die Ausführung der Frühjahrsoffensive so weit als
geklärt, die Vorbereitungen in dem Maße als gefördert an,
daß der entscheidende Angriffsbefehl gegeben werden konnte. Diese vom
10. März 1918 datierte Anordnung lautete:
"Seine Majestät befehlen: |
1. |
Der Michael-Angriff findet am 21. März
statt. - Einbruch in erste feindliche Stellung 9 Uhr 40 Minuten
vormittags. |
2. |
Heeresgruppe Rupprecht schnürt dabei als erstes großes
taktisches Ziel den Engländer im
Cambrai-Bogen ab und gewinnt nördlich des
Omignon-Bachs bis zu seiner Einmündung in die Somme die Linie
Croisilles - Bapaume - Péronne-
Omignon-Mündung. Bei günstigem Fortschreiten des Angriffs des
rechten Flügels (17. Armee) ist dieser über Croisilles weiter
vorzutragen. Weitere Aufgabe der Heeresgruppe ist, Richtung
Arras - Albert vorzustoßen, mit linkem Flügel die
Somme bei Péronne festzuhalten und mit Schwerpunkt auf dem rechten
Flügel die englische Front auch vor der 6. Armee ins Wanken zu bringen
und weitere deutsche Kräfte aus dem Stellungskrieg für den
Vormarsch frei zu machen. Sämtliche hinter der 4. und 6. Armee stehenden
Divisionen sind hierfür eintretendenfalls unverzüglich
heranzuziehen. |
3. |
Heeresgruppe Deutscher Kronprinz gewinnt zunächst südlich
des Omignon-Bachs die Somme und den Crozat-Kanal. Bei raschem
Vorwärtskommen hat die 18. Armee die Übergänge
über die Somme und die Kanalübergänge zu erkämpfen.
Daneben hat die 18. Armee sich bereitzuhalten, ihren rechten Flügel bis
Péronne auszudehnen. Die Heeresgruppe nimmt Bedacht auf
Verstärkung des linken Flügels der 18. Armee durch Divisionen der
7., 1. und 3. Armee. |
4. |
Über 2. Garde-Infanterie-Division, 26. württembergische
Infanterie-Division und 12. Infanterie-Division verfügt die Oberste
Heeresleitung. |
5. |
Über Mars und Erzengel behält sich die Oberste Heeresleitung
je nach dem Stand der Operationen Entscheidung vor. Vorbreitungen sind
ununterbrochen durchzuführen. |
[365] 6. |
Die übrigen Armeen handeln gemäß Chef des
Generalstabs des Feldheeres I 6295 geh. op. Mob. vom 4. März
1918.8 Heeresgruppe Rupprecht deckt dabei
den rechten Flügel der
Mars-Michael-Operation gegen einen englischen Gegenangriff. Heeresgruppe
Deutscher Kronprinz weicht einem französischen Großangriff gegen
7. (ausschließlich Erzengel-Front), 1. und 3. Armee zunächst
planmäßig aus. Bei Heeresgruppe Gallwitz und Herzog Albrecht
behält sich die Oberste Heeresleitung Entscheidung über die bei
einem französischen Großangriff zu treffenden operativen
Maßnahmen oder über das weitere Wegziehen von Divisionen auf
das Schlachtfeld vor. |
|
gez. v. Hindenburg." |
Im Gegensatz zu pomphaften Befehlen feindlicher Führer, die bei solchen
Gelegenheiten den vollen Sieg und die Niederlage der verhaßten Deutschen
schon im voraus verkündet hatten, sagte diese rein sachliche Weisung
nichts über die letzten Absichten des Feldherrn, sondern
steckte - im ganzen genommen - die Ziele für den ersten Akt
der großen Handlung, den taktischen Durchbruch bis zur Linie
Croisilles - Bapaume - Péronne - Somme
südlich Péronne - Crozat-Kanal. Darüber hinaus
erhielt nur der rechte Flügel, Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht,
Richtlinien für den anschließenden operativen Durchbruch:
Vorstoß gegen Linie Arras - Albert, Erschütterung der
englischen Front vor der 6. Armee; für den linken Flügel,
Heeresgruppe Deutscher Kronprinz, deutete lediglich die Bestimmung, daß
die Somme- und Crozat-Übergänge zu erkämpfen seien, die
Möglichkeit weiteren Vordringens an. Die Weisung an die 18. Armee, sich
zur Ausdehnung ihres rechten Flügels bis Péronne bereitzuhalten,
war geeignet, den linken Flügel der Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht, wo
der Schwerpunkt lag, für die Fortführung der Operationen zu
entlasten. Die Anordnungen bestätigten, daß der deutsche
Vorstoß an der Somme abwärts von Péronne seine
Begrenzung nach Süden finden sollte; das Angriffsobjekt waren die
Engländer nördlich der Somme, die Franzosen südlich des
Flusses sollten von der Hauptentscheidung ferngehalten werden, wozu unter
Umständen die Offensive der 18. Armee aus der Linie
Péronne - La Fère nötig werden konnte.
Das entsprach dem ursprünglichen Grundgedanken des
Frühjahrsfeldzuges.9
Die Oberste Heeresleitung wollte die Führung der Operationen in fester
Hand behalten; auch der Mars-Angriff am äußersten rechten
Flügel, der den Stoß gegen die Linie
Arras - Albert einleiten sollte, blieb von ihrer Entscheidung
abhängig. Sie legte die Hand auf die drei Divisionen, die für den
Mars-Angriff hinter der Front der 17. Armee bereitgestellt worden waren (Ziffer 4
des Befehls). Der starke Wille bestand, alle noch verfügbaren Kräfte
nördlich und südlich der Angriffsstelle zum Entscheidungskampf
heranzuziehen; das konnte [366] schwierige Lagen an
anderen Stellen der Gesamtfront im Gefolge haben, wenn sich der Feind zu einem
großen Entlastungsangriff aufraffte, was übrigens nur von den
Franzosen vorausgesetzt wurde, die durch St. Michael kaum betroffen
waren. Solche Lagen mußten überwunden werden, wo es ging, durch
Ausweichen in vorbereitete rückwärtige Stellungen, wie dies die
Verhältnisse auf der Frontstrecke zwischen Laon und den Argonnen
gestatteten. Im übrigen war zu hoffen, daß die
Angriffsvortäuschungen beiderseits des Brennpunktes nicht ganz ihren
Zweck der Einschüchterung und Beirrung des Feindes verfehlen
würden.
Die Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht erwirkte sich nach Eingang des
Angriffsbefehls von der Obersten Heeresleitung zunächst die Zusicherung,
daß die drei für Mars bei Bouchain zurückgehaltenen
Divisionen rechtzeitig vor dem 21. März nach der Gegend südlich
von Douai vorgeschoben werden sollten, um sofort zur Hand zu sein, wenn
St. Michael 1 bei der 17. Armee gut voranginge; nur zögernd
gestand General Ludendorff diese Lockerung in der straffen Zurückhaltung
seiner Reserven zu. Sie machte ferner geltend, daß sich die rechte
Flügelgruppe der 17. Armee nördlich der Scarpe (Gruppe Vimy) dem
Mars-Angriff anschließen, der Vimy-Höhen bemächtigen und
daß sich auch der linke Flügel der 6. Armee südlich des
La Bassée-Kanals in Bewegung setzen müsse, wenn die
Erfolge des St. Michael-Mars-Stoßes den Erwartungen
entsprächen. Das waren allerdings geeignete Mittel, um die Front der
Engländer auch vor der 6. Armee endgültig ins Wanken zu bringen;
daher fand diese Anregung die Zustimmung der Obersten Heeresleitung. Am 16.
März faßte die Heeresgruppe alle schon erteilten Weisungen und
noch zu treffenden Anordnungen wie folgt zusammen:
I. Michael-Armeen (17. und 2.) Das erste
Ziel von Michael 1 und 2 ist, den Engländer im
Cambrai-Bogen abzuschnüren und einen großen taktischen Erfolg zu
erringen. Hierzu ist rücksichtsloses Vordringen in einem Zuge soweit
irgend möglich mit den inneren starken Flügeln auf Ytres (17.) und
Equancourt (2.) erforderlich. 17. und 2. Armee gewinnen zunächst die Linie
Croisilles - Bapaume - Péronne -
Omignon-Mündung. Eine Trennungslinie kann hierfür erst nach dem
Ergebnis der ersten Kämpfe bestimmt werden. Bis zum Erreichen der Linie
Ytres - Equancourt gilt als Trennungslinie: Fortsetzung der
bisherigen Armeegrenze über Westrand des Waldes von Havrincourt bis
halbwegs Ytres - Equancourt. Die weitere Aufgabe der 17. und 2.
Armee ist es sodann, in Richtung Arras - Albert vorzustoßen
und die englische Armee auch vor der 6. Armee ins Wanken zu bringen. Dabei
wird 17. Armee den Angriff in allgemein nordwestlicher Richtung, unter
Aufrollen der anschließenden englischen Front, fortzuführen haben,
2. Armee in westlicher Richtung unter Sicherung der linken Flanke an der
Somme. Eine Trennungslinie zwischen beiden Armeen kann erst auf Grund der
Lage bestimmt werden. Als allgemeiner Richtungspunkt für die inneren
Flügel der 17. und 2. Armee [367] kann vorläufig
Miraumont angenommen werden. Ich betone ausdrücklich, daß der
Schwerpunkt des Angriffs der 17. Armee in Richtung östlich
Bapaume - Ytres liegt. Erst wenn im Zusammenwirken mit 2. Armee
ein großer taktischer Erfolg erreicht ist, wird die Fortführung des
Angriffs in Richtung Arras möglich. Über den Angriff Mars hat sich
die Oberste Heeresleitung die Entscheidung vorbehalten. Die
Mars-Divisionen sind so bereitgestellt, daß eine sofortige Ausnützung
des Michael-Angriffs durch Aufrollen der Front nördlich Fontaine les
Croisilles möglich ist. Die weitere Ausdehnung des Angriffs nach Norden
ist durch schnelle Umgruppierung der Artillerie vorzubereiten.
II. Heeresgruppe Deutscher Kronprinz hat die
Aufgabe, südlich des Omignon-Bachs die Somme und den
Crozat-Kanal zu gewinnen (Michael 3). Daneben hat die 18. Armee sich
bereitzuhalten, ihren rechten Flügel bis Péronne auszudehnen. Falls
die 2. Armee auf starken Widerstand stößt, die 18. Armee dagegen
rascher vorwärtskommt, hat die 18. Armee starke Kräfte über
Beauvois - Tertry in Richtung Péronne anzusetzen, um im
Zusammenwirken mit dem linken Flügel der 17. Armee den vor der 2.
Armee stehenden Feind abzuschnüren. 17. Armee wird bei dieser Lage
ihren Angriff über Ytres in südlicher Richtung weiterzuführen
haben unter Deckung ihrer rechten Flanke.
III. Front nördlich der Scarpe. 1. Die
Front zwischen dem La Bassée-Kanal und der Scarpe bedarf
während der Michael-Operation erhöhter Abwehrbereitschaft wegen
eines möglichen englischen Angriffs gegen die Flanke von Michael.....
2. Führt der Michael-Mars-Angriff zu dem erwarteten
Erfolge, so gilt es, auch die anschließende Front nördlich der Scarpe
ins Wanken zu bringen und weitere deutsche Kräfte aus dem
Stellungskriege für den Vormarsch frei zu machen.....
a) 17. Armee
Nordflügel. Gruppe Vimy der 17. Armee muß sich bereithalten,
durch rasches Zufassen nördlich der Scarpe den Gesamterfolg zu erweitern,
wenn durch den Michael-Mars-Angriff die englische Front auch vor ihr ins
Wanken kommt. Auch muß sie bereit sein, nach eingetretener
Artillerieverstärkung den Mars-Angriff zu verlängern. Als
Verstärkung kommen zunächst die besonders dazu bereit gestellten
Divisionen sowie bei Michael 1 und 2 frei werdende Artillerie,
Minenwerfer usw. in Betracht...... Es ist anzustreben, die
Vimy-Höhen von Südosten der Länge nach aufzurollen.
b) 6. Armee. Der linke
Flügel der 6. Armee südlich des
La Bassée-Kanals muß nach Maßgabe der
verfügbaren Kräfte bereit sein, sich dem Vordringen der Gruppe
Vimy anzuschließen oder eine sich sonst bietende günstige
Gelegenheit auszunützen. Als Verstärkungen hierfür kommen
vom Nordflügel der 6. und von der 4. Armee heranzuführende
Divisionen und bei Michael-Mars frei werdende Artillerie und Minenwerfer in
Betracht..... Auf der Front nördlich des
La Bassée-Kanals muß die 6. Armee sich bereithalten, dem
[368] Feinde zu folgen und
das Wegziehen feindlicher Kräfte zu verhindern, falls er unter dem Drucke
der Michael-Operation zurückweichen sollte. Zunächst wäre
ein Ausweichen des Feindes hinter den Lys- und
Lawe-Abschnitt möglich. Rasches Folgen unter möglichster
Schädigung des Feindes bis zur Lys ist geboten. Wie weit es möglich
ist, die Lys-Übergänge in Besitz zu nehmen, wird von der Lage
abhängen.....
c) 4. Armee. Es ist
möglich, daß der Feind unter dem Druck der
Michael-Operation, wenn diese weiter fortgeschritten ist, auch vor der 4. Armee
zurückweicht. Räumung des
Ypern-Bogens kann schon früher in Frage kommen, wenn sich der
Engländer weitere Reserven für Verwendung gegen die
Michael-Operation schaffen muß. 4. Armee muß sich darauf
vorbereiten, dem Feind zu folgen und das Wegziehen feindlicher Kräfte zu
verhindern.....
gez. Rupprecht."
Diese klaren und eingehenden Anordnungen geben ein deutliches Bild von der
geplanten Führung und dem gedachten Verlauf der
Frühjahrsoffensive bei der Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht. Auch hier
sind entsprechend dem Befehl der Obersten Heeresleitung die letzten Ziele der
Operation nicht angegeben, aber die erschütternde Wirkung des Angriffs ist
doch bis zum äußersten rechten Flügel am Meere berechnet.
Alle Teile der ausgedehnten Front sind scharf in den Dienst des
Michael-Gedankens gestellt; von St. Georg als zweitem Akt ist daher in
diesem Zusammenhang keine Rede.
Voran stehen die schweren und vielseitigen Aufgaben der 17. Armee. Ihr rechter
Flügel südlich der Scarpe soll die Höhen von Bapaume
nehmen und dadurch dem nachfolgenden
Mars-Angriff auf Arras vorarbeiten. Der linke Flügel, auf Ytres vorgehend,
besorgt mit dem benachbarten Flügel der 2. Armee durch die
Abschnürung englischer Truppen im
Cambrai-Bogen den erhofften ersten großen taktischen Erfolg der
Offensive; kommt die 2. Armee nicht voran, so hat er dem nach Nordwesten
vorstoßenden rechten Flügel der 18. Armee die Hand zu reichen, um
den Gegner vor der Front der 2. Armee abzuschnüren. Der weitere
glückliche Verlauf soll die 17. Armee im Verein mit der 2. im Vordringen
auf die Linie Arras - Albert sehen, wobei der rechte Flügel
nordwestliche Richtung einzuhalten hat, um auch vor der 6. Armee die englische
Front ins Wanken zu bringen. Hierzu hat schließlich auch die Gruppe Vimy
der 17. Armee nördlich der Scarpe durch rasches Zufassen beizutragen.
Kein Zweifel: bei der 17. Armee war der Schlüssel zum Siege; die Aufgabe
der 2. Armee mit ihren geradlinig zu erreichenden Angriffszielen, der zudem von
rechts und links Unterstützung zugesichert war, nimmt sich einfach
dagegen aus. Mit dem Erfolge oder Nichterfolge der 17. Armee stand oder fiel der
Michael-Gedanke in seiner ursprünglichen Gestalt. Fiel er, so wurden auch
die der 6. und 4. Armee gegebenen Richtlinien hinfällig; dann trat
St. Georg wieder für sie in den Vordergrund.
[369] Für das
Zusammenwirken mit St. Michael 3 war völliges
Einverständnis mit der Heeresgruppe Deutscher Kronprinz erzielt worden,
die es auf sich genommen hatte, die 2. Armee durch die 18. Armee
unterstützen zu lassen, wenn diese südlich des
Omignon-Bachs gut vorankäme.
Der abschließende Befehl der Heeresgruppe Deutscher Kronprinz wurde am
14. März gegeben und lautete:
"1. Das englische Heer wird angegriffen.
2. Heeresgruppe Rupprecht greift mit 17. und 2. Armee an und geht
zunächst bis zur Linie
Croisilles - Bapaume - Péronne vor. 2. Armee greift
mit starkem rechten Flügel an. Ein Infanterie-Regiment der 2. Armee folgt
zunächst südlich des Omignon-Bachs dicht aufgeschlossen dem
rechten Flügel der 18. Armee.
3. 18. Armee durchbricht mit starkem rechten Flügel die
feindlichen Stellungen zwischen Omignon-Bach und Oise, stößt bis
zur Somme und Crozat-Kanal durch und setzt sich für weiteres Vorgehen in
Besitz der Hauptübergänge zwischen St. Christ und Tergnier
(beide einschließlich). Starke Reserven sind hinter dem rechten
Armeeflügel dicht aufgeschlossen nachzuführen. Ihre Aufgabe ist, den
Angriff der 18. Armee vorzutragen und - bei fortschreitendem Angriff der
18. Armee - vor 2. Armee noch haltenden Feind in allgemeiner Richtung
Tertry - Péronne in Flanke und Rücken anzugreifen.
Zusammenwirken mit der 17. Armee wird für diesen Fall von der
Heeresgruppe geregelt. Die Armee bereitet sich darauf vor, nach gelungenem
Angriff ihren rechten Flügel bis Péronne (ausschließlich)
auszudehnen.
4. ...
5. Die den Angriff der 18. Armee flankierenden
rückwärtigen Stellungen im Gebiet der 2. Armee sind durch
Artillerie der 18. Armee niederzuhalten.
6. 7. Armee unterstützt nach gegebenen Einzelbefehlen den
Angriff der 18. Armee mit allen hierzu verfügbaren
Artillerie- und Minenwerfer-Verbänden. Sie sind für den Angriff
dem Armee-Oberkommando Nr. 18 unterstellt und treten auf Befehl der
Heeresgruppe nach dem Angriff zur 7. Armee zurück..... Erzengel ist
ununterbrochen weiter vorzubereiten. Geht der Feind unter dem Druck des
Angriffs der 18. Armee auch südlich der Oise zurück, so hat die 7.
Armee mit rechtem Flügel an der Oise auf der
Erzengel-Front unter starker Sicherung der linken Flanke unverzüglich zu
folgen.
7. Aufgabe der Südfront der 7., 1. und 3. Armee ist es, die linke
Flanke des deutschen Angriffs zu sichern. Sie weichen feindlichen Angriffen auf
den bedrohten Fronten in die vorbereitete Kampfzone aus. Befehl zum
Ausweichen erteilt die Heeresgruppe. Die Armeen stellen starke Reserven aller
Waffen so bereit, daß sie in kürzester Frist zur 18. Armee oder nach
bedrohten Frontabschnitten abbefördert oder verschoben werden
können.....
gez. Wilhelm."
[370] Der Befehl zeigt die
Mittel der Heeresgruppe Deutscher Kronprinz zur Unterstützung der 2.
Armee: die Verlegung des Schwerpunktes auf den rechten Flügel der 18.
Armee und die Bildung starker Reserven hinter ihm, die gegebenenfalls
über den Omignon-Bach in der Richtung auf Péronne
vorstoßen sollen. Wie auch im Befehl der Heeresgruppe Kronprinz
Rupprecht zeichnet sich hier das kühn gedachte Zukunftsbild ab, daß
sich der rechte Flügel der 18. Armee und der linke der 17. im
Vorgelände der 2. Armee zusammenfinden, um den Gegner, der
nördlich von Péronne noch standhält, in doppelter
Umfassung zu erdrücken. Für die 18. Armee ist ausgiebige
Unterstützung durch die südlich benachbarte 7. Armee sichergestellt,
und die Heeresgruppe rechnet daher offenbar bestimmt damit, daß sie sich
nicht nur der Somme- und Crozat-Linie bemächtigen, sondern auch den
Gegner südlich der Oise erschüttern werde. Der
Erzengel-Angriff war als sofortiger Nachstoß zu führen, wenn der
Feind vor dem rechten Flügel der 7. Armee seine Stellungen
verließ.
Die Schlacht der 18. Armee war für die Heeresgruppe nicht mit der
Erkämpfung der Übergänge über die Somme und den
Crozat-Kanal beendet, wie der Befehl der Obersten Heeresleitung vorsah; sie
spricht von weiterem Vorgehen über diese Abschnitte. Schon bei der ersten
Erörterung des Angriffs St. Michael 3 hatte sie auf die
Notwendigkeit hingewiesen, etwaigem Vorstoß französischer
Reserven von Roye und Noyon her durch Fortsetzung der Offensive über
die Linie Jussy - Tergnier zu begegnen.10 Am 18. März legte sie der
Obersten Heeresleitung eine Denkschrift der 18. Armee vor, durch die die
Notwendigkeit begründet wurde, die Bewegung französischer
Reserven gegen die Front der 18. und linke Flanke der 2. Armee, die
voraussichtlich am zweiten Angriffstage beginnen werde, durch schnelle
Ausnutzung des Anfangserfolges zu unterbinden, die Reserven zu schlagen,
Franzosen und Engländer damit zu trennen. Über den
Somme-Crozat-Abschnitt zwischen St. Christ und Tergnier dachte sich die
Armee ihre Truppen auf möglichst vielen Übergängen und
Straßen im Vordringen gegen die Bahn
Roye - Chaulnes, die ebenso wie die weiter westlich gelegenen, auf
Amiens führenden Strecken dazu dienen konnten, an die bedrohten und
geworfenen Fronten der Gegner Unterstützungen heranzubringen. Sie
stellte sich eine Art von Aufmarsch feindlicher Reserven im Raume
Chaulnes - Noyon - Beauvais - Amiens vor, in den sie
hineinstoßen wollte.
Die Heeresgruppe schloß sich diesem Vorschlage an, betonte die moralische
Wirkung der Operationsführung durch die näher rückende
Bedrohung von Paris, stellte aber die Entscheidung darüber der Obersten
Heeresleitung anheim. General Ludendorff enthielt sich des Bescheides darauf.
Da er den Sieg nördlich der Somme gegen die Engländer suchte und
in der Kampfhandlung der 18. Armee nur eine Sicherung für den
Hauptzweck sah, konnte ihm das ungestüme Vordringen dieses Heeresteils
nur dann erwünscht sein, wenn sich die Voraussage [371] der Fesselung starker
französischer Kräfte erfüllte. Keinesfalls war ihm nach dem
ursprünglichen Plane damit gedient, daß sich etwa der Schwerpunkt
der Frühjahrsoffensive nach Süden verschob. Seine Entscheidung
blieb daher vom Gange der Operationen abhängig; es sei indessen
vorgreifend bemerkt, daß dieser Standpunkt später Änderungen
erlitt.
Die Beurteilung der Verhältnisse beim Feinde hatte sich in der letzten Zeit
vor dem Angriff weiter dahin geklärt, daß man den Gegner zwischen
Armentières und La Bassée-Kanal, bei Loos und
südlich von Arras für besonders stark hielt. Bemerkenswert war,
daß die 2. Armee ihrer Front gegenüber Abwehrmaßregeln in
der Gestalt einer zweiten Artilleriewelle zu erkennen glaubte, und daß die
18. Armee aus der Art der feindlichen Feuerverteilung gleichfalls den
Schluß zog, es seien ihre Angriffsvorbereitungen erkannt worden.
Peinlicher als diese gering zu bewertenden Erscheinungen auf der anderen Seite
war es, daß noch in den letzten Tagen vor dem Angriff einzelne Leute zum
Gegner überliefen. Da sie einer Minenwerfer-Kompagnie entstammten,
konnten sie wertvolle Angaben über den Aufmarsch eines Teiles der
deutschen Feuerkräfte machen und scheinen das nach späteren
Feststellungen auch getan zu haben. Nicht ungünstig klang die sehr
bestimmte Meldung der Heeresgruppe Herzog Albrecht, daß sie Anfang
oder Mitte April mit einem französischen Angriff im Sundgau rechne; also
schienen die Franzosen doch ihre Aufmerksamkeit nicht ausschließlich auf
die Abwehr zu richten.
Als besonders bedeutungsvoll trat aber die Wetterlage hervor. Am 18. März
verkündete die Heereswetterwarte, daß die meteorologischen
Verhältnisse unsicher seien; nur noch für den 19. März wurde
gutes Wetter vorausgesagt. Am 19. März machte sich tatsächlich
eine wesentliche Verschlechterung geltend; doch hoffte man noch mit Strichregen
und mäßigen Winden abzukommen. Am 20. März mittags
glaubte man, in den nächsten 24 Stunden mit Besserung und Nachlassen
des Windes rechnen zu dürfen; doch stand Nebel in Aussicht, und ob die
Windstärke auf das für den Gasangriff günstige Maß
herabgehen werde, blieb zweifelhaft. Trotz dieser unvorteilhaften Aussicht
beschloß die Oberste Heeresleitung, am Angriff zur befohlenen Zeit
festzuhalten.
Das Große Hauptquartier war am 8. März von Kreuznach nach Spaa
verlegt worden. Von hier begaben sich Generalfeldmarschall
v. Hindenburg, General Ludendorff und die Operationsabteilung am 19.
März nach Avesnes, um den kommenden Ereignissen näher zu sein.
Am 20. März mittags bei Sturm und Regen ließ General Ludendorff
den Chefs der Generalstäbe der Heeresgruppen durch den Fernsprecher
mitteilen, daß der Angriff am nächsten Tage
befehlsmäßig durchzuführen wäre. Gleichzeitig wurde
befohlen, den Truppen bekannt zu geben, daß Seine Majestät der
Kaiser mit dem Generalfeldmarschall v. Hindenburg an der Angriffsfront
eingetroffen sei, um die Leitung der Schlacht zu übernehmen.
Damit begann die "Große Schlacht in Frankreich" aus den 70 km langen
deutschen Stellungen zwischen Croisilles und La Fère
emporzuwachsen, und die [372] ungeheure Spannung
war im Begriff sich zu entladen, die sich der Gemüter der beteiligten
Führer, Stäbe und Truppen bemächtigt hatte und tief bis ins
Vaterland hineinreichte, wo man den kommenden Schlag ahnte.
Politische Maßnahmen.
Es war selbstverständlich, daß eine so hochbedeutsame
Kriegshandlung von den verantwortlichen Stellen mit höchster Genauigkeit
vorbereitet wurde. So glücklich und erfolgreich sich aber diese Arbeit auf
militärischem Gebiet vollzog, so wenig günstig gestaltete sie sich in
der Politik. General Ludendorff war sich wohl bewußt, daß die
deutsche Kraftentfaltung erst dann den Gipfel erreichen werde, wenn es gelang,
den wichtigsten Bundesgenossen, Österreich-Ungarn, zur Mitwirkung zu
bewegen und in England Lloyd Georges Stellung zu erschüttern, in dem er
mit Recht den unbeugsamen Hauptträger des gegen Deutschland
gerichteten Kampf- und Vernichtungswillens erkannt hatte..
Österreich-Ungarn war ursprünglich auch bereit gewesen,
Divisionen nach dem Westen zu senden, hatte sich aber dann durch innere
Verhältnisse, besonders durch die ablehnende Haltung Kaiser Karls und der
Kaiserin, bewogen gesehen, seine Mithilfe auf das Angebot einer Anzahl von
schweren Batterien zu beschränken.11
Das war nicht genug. Wenn der Bundesgenosse unmittelbar auf dem
Hauptkriegsschauplatz keine größere Unterstützung leisten
wollte, so mußte er wenigstens in Italien angreifen, da sonst mit der
Abbeförderung englischer und französischer Divisionen nach der
Westfront zu rechnen war. Es gelang der Obersten Heeresleitung in den letzten
Märztagen des Jahres 1918, vom österreichischen Chef des
Generalstabes, General v. Arz, die Zusicherung zu erhalten, daß Ende
Mai ein Schlag gegen Italien geführt werden sollte. Das war reichlich
spät, aber doch etwas, wenn auch keine befriedigende Lösung.
Gänzlich erfolglos blieb indes der Versuch der Heeresleitung, den
Reichskanzler zur Eröffnung einer Propaganda gegen Lloyd George zu
veranlassen. Mitte Januar übersandte General Ludendorff dem Grafen
Hertling eine Denkschrift, in der darauf hingewiesen wurde, wie
außerordentlich wichtig es sei, unter Ausnutzung der Friedensgeneigtheit
der Partei des Lords Lansdowne das englische Volk über die Gewaltpolitik
Lloyd Georges aufzuklären und die Widerstandsfähigkeit der
englischen Heimatfront zu zermürben. Obwohl die Wege gezeigt wurden,
wie das Ziel durch politische Stimmungsmache zu erreichen sei, blieb diese
wichtige Anregung ohne jeden Widerhall. Der Staatsmann versagte sich dem
Feldherrn. Auch ein zweiter Versuch Ludendorffs im Juni 1918, die Reichsleitung
aufzurütteln, damit sie endlich in der gedachten Richtung Schritte
täte, verlief im Sande. Wie bisher mußte die Oberste Heeresleitung
Last und Verantwortung der Kriegführung trotz ihrer hochpolitischen
Bedeutung allein tragen.
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