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Bd. 3: Der deutsche Landkrieg, Dritter Teil:
Vom Winter 1916/17 bis zum Kriegsende

Kapitel 8: Die deutschen Angriffe des Jahres 1918   (Forts.)
Generalmajor Rudolf v. Borries

4. St. Michael-Offensive.13

Angriff der 17. Armee.

Auf dem rechten Flügel der Angriffsfront für die Frühjahrsoffensive stand die 17. Armee. Ihre Stellung durchschnitt den Raum zwischen den Städten Douai und Cambrai im Osten, Arras und Bapaume im Westen und dehnte sich nach Norden auf dem rechten Scarpe-Ufer bis in die Gegend östlich Vimy, nach Süden auf dem linken Scarpe-Ufer bis in die Gegend nördlich Marcoing aus. Die Front richtete sich im nördlichen Teil nach Westen, im übrigen nach Südwesten; am linken Flügel setzte die Einbuchtung des sogenannten Cambrai-Bogens an, der den Geländegewinn der Vergeltungsschlacht von Cambrai am 30. November 1917 begrenzte. Der wichtigste Wasserlauf war die über Arras und Douai fließende Scarpe, die den Stellungsraum in einen kleinen nördlichen und einen großen südlichen Abschnitt trennte. Im künftigen Kampfgebiet hatte das hügelige Land nördlich der Scarpe ausgeprägtere Formen; dort schob sich von Nordwesten der Höhenzug von Houdain - Souchez mit dem vorspringenden Teile der Vimy-Höhe gegen die deutsche Stellung heran. Südlich der Scarpe hatten die Höhen um Arras und Bapaume sowie der Mühlenberg nördlich Croisilles (81) besondere Bedeutung. Für das Vorwärtskommen lagen die stärkeren Schwierigkeiten aber in der Zerklüftung des Bodens durch alte und neue Stellungen und durch die Wirkungen des schweren Artilleriefeuers.

Michael- und Mars-Angriff

[Beilage zu Bd. 3]
      Skizze 22: Michael- und Mars-Angriff (20. und 28. März 1918).      [Vergrößern]

Nördlich war die 6., südlich die 2. Armee benachbart. Das Oberkommando der 17. Armee in St. Armand hatte die Front in drei Gruppen eingeteilt: nördlich der Scarpe befehligte das Generalkommando des I. bayerischen Reservekorps14 in der Gruppe Vimy; südlich schlossen sich die Gruppe Lewarden mit dem Generalkommando des XVIII. Armeekorps15 und die Gruppe Cambrai mit dem Generalkommando des XIV. Reservekorps16 an. Zur Frühjahrsoffensive wurden unmittelbar südlich der Scarpe noch die Gruppen der Generalkommandos des III. bayerischen Armeekorps17 und des IX. Reservekorps,18 am linken Flügel beiderseits des XIV. Reservekorps die des VI. Reservekorps19 und des XI. Armeekorps20 eingeschoben. Für den Angriff St. Michael 1 kamen nur die südlichen Gruppen, XVIII. Armee-, VI. Reserve-, XIV. Reserve- und XI. Armeekorps, in Betracht mit zehn Divisionen in erster, sechs in zweiter Linie, denen zwei als drittes Treffen folgten. Für den anzuhängenden Mars-Angriff südlich der Scarpe verfügten die Generalkommandos des III. bayerischen Armee- und des IX. Reservekorps zunächst über je eine Stellungsdivision, hinter denen bei Bouchain die drei sogenannten Mars-Divisionen der Obersten Heeresleitung [384] (2. Garde-, 12. und 26. Infanterie-Division21) und 26. Reserve-Division standen. Nördlich der Scarpe hatte das I. bayerische Reservekorps zwei Stellungsdivisionen; Verstärkung war ihm in Aussicht gestellt. Durch besondere Zuweisungen war die Artillerie auf 315 Feldbatterien, 208 schwere und 16 schwerste Batterien gebracht, zu denen noch einige österreichische Mörser-Batterien kamen.22 Vor sich wußte die 17. Armee Teile der 1. und die Hauptmasse der südlich anschließenden 3. englischen Armee mit etwa neun bis zehn Divisionen in der Front, die besonders bei Arras dicht zu stehen schienen; dahinter wurden etwa vier bis fünf Divisionen in Reserve angenommen.

Der Angriffsbefehl des Oberbefehlshabers der 17. Armee, Generals Otto von Below,23 war schon am 27. Februar 1918 gegeben worden:

      "17. und 2. Armee schnüren den Cambrai-Bogen ab. 17. Armee bricht hierzu aus Linie Riencourt - Inchy vor mit linkem Flügel auf Ytres (Michael 1-Angriff). 2. Armee wird gleichzeitig mit rechtem Flügel von Villers Guislains auf Equancourt durchstoßen (Michael 2-Angriff). Im Cambrai-Bogen werden vor der 2. Armee nur Scheinangriffe geführt. Die Vereinigung der beiden Armeeflügel in der Gegend Ytres - Equancourt ist in einer Tag und Nacht fortzuführenden Angriffshandlung durchzuführen. Gelingen die Michael-Angriffe, so wird die 17. Armee den nördlich der Einbruchsstelle stehengebliebenen Frontteil angreifen (Mars-Angriff). Mit dem ersten überwältigenden Schlage müssen möglichst viele englische Divisionen einschließlich Reserven vernichtet werden, um so die Ausgangslage für weitere Operationen zu schaffen. Über ihre Führung hat sich die Oberste Heeresleitung den Entschluß vorbehalten. Zur Erzielung höchster Artilleriewirkung wird der Einbruch auf eine Strecke von 9 km zwischen Riencourt und Inchy zusammengeschoben. Die Generalkommandos des VI. Reserve-, XIV. Reserve- und XI. Armeekorps führen mit zwölf Divisionen den Hauptstoß in Richtung Sapignies - Bapaume - Ytres unter selbständiger Sicherung der linken Flanke bis zur Vereinigung mit der 2. Armee. XVIII. Armeekorps mit fünf Divisionen hat die Flanke des Hauptangriffs durch Vorstoß über Mory zu decken und gleichzeitig das Aufrollen der feindlichen Front über die Linie Croisilles - St. Léger einzuleiten. Generalkommandos I. bayerischen Reserve-, III. bayerischen Armee- und IX. Reservekorps täuschen den Feind am Angriffstage durch entsprechende Feuertätigkeit und Vergasung der feindlichen Artillerie über die Ausdehnung des Angriffs. Bei günstiger Entwicklung der Kämpfe des rechten Flügels des XVIII. Armeekorps hält sich IX. Reservekorps bereit, durch frontales Vorgehen in die Kämpfe um den Mühlenberg bei Croisilles einzugreifen."

[385] Der Mars-Angriff wurde wie folgt erläutert:

      "Der Mars-Angriff soll die Flanke des Michael-Angriffs decken und die Ausgangslage für die Weiterführung der Operationen im Großen schaffen. Vorbedingung ist das Gelingen des Michael-Angriffs. Die Art der Durchführung hängt von der Entwicklung der Lage und von der Zuführung an Kräften, besonders an Artillerie, ab. Die ersten Aufgaben bleiben jedoch für die südlich der Scarpe stehenden Korps unter allen Verhältnissen die gleichen: Gewinnung der Arras östlich und südlich vorgelagerten Höhen. Im engen Zusammenwirken mit dem XVIII. Armeekorps hat sich IX. Reservekorps in den Besitz der Höhen bei Mercatel, III. bayerisches Armeekorps in den Besitz der Monchy-Höhe und der Höhen bei Tilloy zu setzen (Mars Süd). Straße und Bahn Arras - Bapaume sind zu sperren. Die Entwicklung der Lage beim XVIII. Armeekorps ist bestimmend, ob die Mars-Angriffe in unmittelbarem Nachstoß vom linken Flügel als sofort einsetzende Ausbeutung einer sich bietenden Erfolgsmöglichkeit zu führen sind oder ob sie als geplanter Angriff nach Umgruppierung der Michael-Artillerie geführt werden. Die Gruppe Vimy (I. bayerisches Reservekorps) stößt gegen die Linie Fresnoy - Bailleul - St. Laurent vor, um die linke Flanke des III. bayerischen Armeekorps zu decken."

Am 2. März 1918 wurde diesem Befehle noch hinzugefügt, daß die drei Mars-Divisionen (2. Garde-, 12. und 26. Infanterie-Division) zur Verfügung der Obersten Heeresleitung in der Gegend von Bouchain ständen und ihre Freigabe, wenn Mars im Nachstoß komme, sofort erbeten werden sollte. IX. Reservekorps werde in diesem Falle zunächst zwei andere Divisionen zugewiesen erhalten.

Der Tag vor dem Angriff, der 20. März 1918, verlief bei der 17. Armee, bis auf schwaches feindliches Artilleriefeuer am Abend, ruhig. In der Nacht zum 21. März wurden die drei Mars-Divisionen, 2. Garde-, 12. Infanterie- und 26. Infanterie-Division, in die Gegend von Douai und südlich davon vorgezogen; die Angriffsinfanterie rückte ohne Störung in ihre Ausgangsstellungen vor. Nach klarer Nacht stellte sich bei fast völliger Windstille starker Morgennebel ein, der erst 850 morgens zu weichen anfing, um der in Dunst gehüllten Sonne Platz zu machen. Um 550 morgens begann planmäßig die Vergasung der feindlichen Artillerie, die nur schwach antwortete; von 7 Uhr morgens an lag die Mehrzahl der Batterien in starkem, wiederholt zu Trommelfeuer gesteigertem Wirkungsschießen auf den Angriffszielen der Infanterie, in das von 810 morgens an auch die Minenwerfer einstimmten.

Um 940 morgens trat die Sturminfanterie auf der ganzen Armeefront aus ihren verdeckten Stellungen an, eilte unter dem Schutze der Feuerwalze vorwärts und setzte sich bis 10 Uhr vormittags in den Besitz des ersten und zweiten Grabens der ersten feindlichen Stellung von Bullecourt bis Boursies. [386] Bis 1 Uhr nachmittags war der Angriff des XVIII. Armeekorps, des VI. Reservekorps, des XIV. Reservekorps und des XI. Armeekorps bis zur Linie: Gegend zwischen Ecoust-St. Mein und St. Léger - Noreuil - Doignies gefördert; die Artillerie der vorderen Divisionen befand sich im Stellungswechsel nach vorn. Um die feindliche Artillerieschutzstellung und die zweite englische Stellung zwischen St. Léger und Beaumetz mußte schwer gekämpft werden; Gegenangriffe kamen von Ervillers, Vaulx-Vraucourt und Frémicourt.

Um 9 Uhr abends war das XVIII. Armeekorps mit dem rechten Flügel am Sensee-Bach zwischen Fontaine les Croisilles und St. Léger; rechts von ihm hatte sich IX. Reservekorps in den Besitz der vorderen feindlichen Gräben gesetzt, nachdem es den Verlauf des Angriffs südlich von sich erkannt hatte. Der linke Flügel des XVIII. Armeekorps, VI. Reservekorps und XIV.Reservekorps standen noch vor der zweiten feindlichen Stellung St. Léger - Beaumetz, XI. Armeekorps zwischen Boursies und Doignies und vor Demicourt.

Aus englischen Funksprüchen, die seit 10 Uhr morgens im Klartext verbreitet wurden, ergab sich, daß insbesondere an der Straße Bapaume - Cambrai Widerstand geleistet werden sollte, und daß die Verluste außerordentlich hoch waren. Die zerfahrene Tätigkeit der englischen Flieger und die Aussagen von Gefangenen, deren XVIII. Armeekorps 1200 eingebracht hatte, ließen erkennen, daß der Angriff völlig überraschend gewesen war; die Artilleriewirkung wurde als überwältigend geschildert. Die Engländer hatten aber doch unerwartet starken Widerstand geleistet.

Am Abend des 21. März gab das Armee-Oberkommando in St. Amand den Befehl aus, daß der Angriff am 22. fortgesetzt werde; der Hauptnachdruck sei auf den linken Flügel zu legen, um die Vereinigung mit dem rechten Flügel der 2. Armee sicherzustellen. Die drei Mars-Divisionen sollten beiderseits des Sensee-Baches vorwärts von Arleux bereitgestellt werden.

Das erbeutete Zeltlager der Engländer.
Das erbeutete Zeltlager der Engländer zeigt
die Panik und das fluchtartige Verlassen des Lagers
bei ihrem Rückzuge 1918.      [Vergrößern]

Aus: Der Weltkrieg in seiner
rauhen Wirklichkeit
, S. 113.

Das charakteristische Bild vom Rückzuge des Feindes 1918.
Das charakteristische Bild vom Rückzuge des
Feindes auf den Vormarschstraßen bei den großen
Frühjahrsoffensiven 1918.      [Vergrößern]

Aus: Der Weltkrieg in seiner
rauhen Wirklichkeit
, S. 114.

Straßenbild bei der Frühjahrsoffensive 1918.
Straßenbild bei der Frühjahrsoffensive 1918
außerhalb Armentières.      [Vergrößern]

Aus: Der Weltkrieg in seiner
rauhen Wirklichkeit
, S. 115.

Englische Artillerie-Batterie, die komplett mit Munition in deutsche Hände fiel.
Englische Artillerie-Batterie, die komplett mit
Munition in deutsche Hände fiel.      [Vergrößern]

Aus: Der Weltkrieg in seiner
rauhen Wirklichkeit
, S. 116.

Unversehrt erbeutetes englisches Munitionslager bei Cambrai.
Unversehrt erbeutetes englisches Munitionslager
bei Cambrai. Frühjahr 1918.      [Vergrößern]

Aus: Der Weltkrieg in seiner
rauhen Wirklichkeit
, S. 208.

Das bei der Frühjahrsoffensive 1918 erbeutete große englische Munitionslager bei Cambrai.
Das bei der Frühjahrsoffensive 1918 erbeutete
große englische Munitionslager bei Cambrai.
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Aus: Der Weltkrieg in seiner
rauhen Wirklichkeit
, S. 209.
Der 22. März brachte neues schweres Ringen um die zweite englische Stellung zwischen St. Léger und Beaumetz. Heftige, von Tanks unterstützte Gegenangriffe, besonders bei St. Léger, Morchies, Beaumetz und Doignies verlangsamten den Fortschritt des Angriffs. Als aber um 4 Uhr nachmittags das Bataillon Caspari des Infanterie-Regiments Nr. 7524 selbständig zum Sturm auf Vaulx-Vraucourt antrat und die Nachbarn mit sich riß, wurde der englische Widerstand gebrochen, zumal da neue Gegenstöße aus Beugnâtre scheiterten. Der Abend fand XVIII. Armeekorps im Besitz des Mühlenbergs nördlich Croisilles, des Parkes von St. Léger und der Höhen beiderseits von Mory; VI. Reservekorps hatte die Gegend zwischen Vaulx-Vraucourt und dem ersten Bapaume-Riegel der Engländer Sapignies - Frémicourt erreicht, XIV. Reservekorps die Linie Morchies - Beaumetz und XI. Armeekorps die Nordteile der Dörfer Hermies und Havrincourt gewonnen; eine Abwehrflanke gegen den [387] Cambrai-Bogen war also in Bildung. Englische Funksprüche berichteten nur von Rückzugsmaßnahmen. Die deutsche Beute belief sich bisher auf 191 gefangene Offiziere, 5350 Mannschaften, 48 Geschütze. Die eigenen Verluste, besonders an Offizieren, waren bei einzelnen Divisionen beträchtlich; es hatten schon Teile der Divisionen des dritten Treffens eingesetzt werden müssen.

Um 8 Uhr abends teilte die Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht mit, daß die 2. Armee mit dem rechten Flügel die Höhen von Epéhy erreicht habe. Gegen den Cambrai-Bogen, aus dem die Engländer wichen, dürfte nicht zu früh eingeschwenkt werden. Es sei wichtig, in der Richtung Bapaume voranzukommen. Darauf schob das Armee-Oberkommando den Schwerpunkt des Angriffs dem VI. Reservekorps und den anstoßenden Flügeln des XVIII. Armee- und des XIV. Reservekorps mit der Richtung auf die Höhen beiderseits von Bapaume zu und befahl dem XI. Armeekorps, den Nachdruck scharf nach rechts zu verlegen. Ein späterer Befehl der Heeresgruppe wies die 17. Armee an, den Mars-Angriff beiderseits der Scarpe vorzubereiten; hierbei sei der rechte Flügel nördlich der Scarpe besonders stark zu machen.

Am 23. März rang die 17. Armee heiß um die Höhen nordöstlich von Bapaume, wo die ehemaligen deutschen, beiderseits verdrahteten Stellungen zusammen mit ununterbrochenen englischen Gegenangriffen gegen VI. und XIV. Reservekorps das Vorwärtsschreiten äußerst erschwerten. Auch XI. Armeekorps auf dem linken Flügel fand lebhaften offensiven Widerstand. Dagegen wich der Feind unmittelbar südlich der Scarpe vor dem III. bayerischen Armeekorps, das nunmehr auch die Vorwärtsbewegung aufgenommen hatte, und vor dem IX. Reservekorps kämpfend zurück. Nördlich der Scarpe hatte sich I. bayerisches Reservekorps mit Teilen gleichfalls in Bewegung gesetzt, um die Lage zu nutzen.

Am Abend war I. bayerisches Reservekorps südlich der Bahn Douai - Arras im Besitz des ersten feindlichen Grabens. III. bayerisches Armeekorps hatte beiderseits der Straße Cambrai - Arras die Linie Monchy-le Preux - Wancourt überschritten, IX. Reservekorps stand bei Wancourt, Héninel und vor Hénin. XVIII. Armeekorps hatte sich der Linie St. Léger - Mory versichert, während VI. Reservekorps noch vor der ersten Riegelstellung nordöstlich von Bapaume lag. XIV. Reservekorps war im Besitz der Linie Beugnâtre - Vélu; XI. Armeekorps stand vor Bertincourt. Englische Funksprüche hatten von der Bereitstellung von Truppen zu Gegenstößen in der Gegend von Bapaume berichtet, was der Verlauf des Tages bestätigte. Die Zahl der englischen Gefangenen bei der Armee war auf 7000 gewachsen.

Von der Obersten Heeresleitung ging um 12 Uhr mittags die den Ereignissen vorgreifende Weisung ein, daß die 17. Armee nach Förderung des Angriffs bis zu Linie Bapaume - Péronne mit starkem rechten Flügel auf Arras und St. Pol weitergehen solle, während der linke Flügel Miraumont als Ziel erhielt. Die [388] Richtung nach Nordwesten, um den Feind auch vor den weiter nördlich stehenden Armeen zu erschüttern, deutete sich hierdurch an. Die drei Mars-Divisionen wurden dem Armee-Oberkommando freigegeben; es wies am Nachmittag des 23. März die 2. Garde-Division dem I. bayerischen Reservekorps, die 12. Infanterie-Division dem III. bayerischen Armeekorps zu und schob damit den Schwerpunkt nach Norden.

Der abendliche Armeebefehl stellte fest, daß die 17. Armee die allgemeine Linie Roeux östlich Arras - Hénin - Mory - Gegend nordöstlich Bapaume - Vélu - Bertincourt erreicht hatte, während die 2. Armee im Überschreiten der Linie Equancourt - Péronne begriffen und die 18. Armee weiter südlich im Besitz der Somme war. Am 24. März sollte I. bayerisches Reservekorps dem weichenden Feinde nachdrängen und den Durchbruch nördlich der Scarpe vorbereiten; III. bayerisches Armeekorps, IX. Reserve- und XVIII. Armeekorps die Höhen westlich und südwestlich von Arras gewinnen und den Feind in nordwestlicher Richtung werfen, VI. Reserve-, XIV. Reserve- und XI. Armeekorps die Höhen von Bapaume nehmen; von letzterem war der 2. Armee die Hand zu reichen, um den Cambrai-Bogen endgültig abzuschneiden. Von Bapaume sollten VI. und XIV. Reservekorps nach Nordwesten eingedreht werden.

Entsprechend diesen schon nach Nordwesten weisenden Befehlen setzte die 17. Armee am 24. März den Angriff fort. Beiderseits der Scarpe östlich von Arras war der Widerstand, der sich auch in Gegenangriffen äußerte, sehr stark; hier gelang es nur dem IX. Reservekorps, auf Hénin und St. Martin durchzubrechen, wo heftige Anstürme der Engländer von Neuville-Vitasse abgewiesen wurden. Dagegen hatte der linke Armeeflügel einen großen Erfolg; Bapaume wurde nach schweren Kämpfen genommen. XVIII. Armeekorps stieß nördlich der Stadt bis Ervillers vor; VI. Reservekorps erreichte die Straße Arras - Bapaume und stürmte um 8 Uhr abends den von zahlreichen Maschinengewehren verteidigten Ostrand der Stadt, in der eine Fülle von verfahrenen feindlichen Kolonnen schon lange unter Artilleriefeuer gelegen hatte. Zwei flüchtende feindliche Batterien wurden durch Schlachtflieger zersprengt. XIV. Reservekorps nahm Frémicourt und Riencourt, wies feindliche Gegenstöße besonders bei Frémicourt ab und stand abends an der Straße Bapaume - Péronne. XI. Armeekorps, das sich in seiner rechten Flanke eines Tankangriffs zu erwehren hatte, stieß über Bertincourt, Barastre und Haplincourt bis in die Gegend von Beaulencourt durch und setzte sich damit neben das XIV. Reservekorps. Die englischen Funksprüche berichteten ebensowohl von Maßnahmen für Gegenstöße wie von Anordnungen für den Rückzug. Die Gesamtzahl der Gefangenen stieg auf 8500.

Das Ergebnis des Tages entsprach den Absichten der Führung, soweit der linke Flügel in Betracht kam. Schon mittags hatte die Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht darauf hingewiesen, daß schärfste Verfolgung nach [389] Westen geboten sei, um der 2. Armee über die Ancre zu helfen. Die Ziele, die darauf vom Armee-Oberkommando dem VI. Reserve-, XIV. Reserve- und XI. Armeekorps gesteckt wurden, waren erreicht. Nachmittags kam ein Fernspruch der Obersten Heeresleitung, daß die 17. Armee in rücksichtslosem Vordringen auf Doullens zu bleiben habe; dadurch werde der Mars-Angriff entbehrlich werden. Der abendliche Armeebefehl trug dieser Weisung Rechnung. XVIII. Armeekorps wurde auf Monchy au Bois, VI. Reservekorps auf Fonquevillers, XIV. Reservekorps auf Hébuterne gewiesen. Von der Bewegung des letzten Korps wurde erhofft, daß es der 2. Armee die Ancre eröffne. Der rechte Flügel - I. bayerisches Reserve-, III. bayerisches Armee- und IX. Reservekorps - sollte nachdrängen, wenn der Feind wiche, andernfalls aber nach dem Mars-Plan angreifen; Mars Nord habe am 26., Mars Süd am 27. März stattzufinden.

Das Generalkommando XI. Armeekorps wurde ausgelöst, weil es an Raum zu mangeln begann, seine Divisionen meist zurückgezogen und dem XIV. Reservekorps unterstellt. Die Fühlung mit der 2. Armee bestand jetzt in der Gegend südöstlich von Bapaume, ohne daß der Zweck dieses Zusammenschlusses, die Abschnürung der Engländer im Cambrai-Bogen, erreicht worden wäre.

Am 25. März blieben die drei Korps des rechten Flügels der 17. Armee in ihrer Lauerstellung, da der Feind nicht abzog, vielmehr seine Gräben stark besetzt waren. Ihre Artillerie beherrschte das ganze Feld bis Arras, wo man südlich der Scarpe rückwärtige Bewegungen zu erkennen glaubte. Der linke Flügel griff von neuem an, hatte sich aber sehr starker feindlicher Gegenangriffe mit zahlreichen Tanks zu erwehren. XVIII. Armeekorps war schon gegen die Bahn Arras - Bapaume vorgestoßen, wurde dann schwer bedrängt, verlor Ervillers, vermochte sich aber an der Straße Arras - Bapaume mit vorgebautem linken Flügel zu halten. VI. Reservekorps kämpfte sich bis Bihucourt durch und hatte gleichfalls heftige Gegenstöße abzuweisen, deren einer den rechten Flügel des XIV. Reservekorps mitbetraf. XIV. Reservekorps kam am besten voran; es schwenkte nach Nordwesten über Bapaume bis zur Linie Bihucourt - Miraumont vor, nachdem es hartnäckigen Widerstand besonders bei Ligny-Thilloy und Irles gebrochen hatte.

Durch Verschüttung außer Gefecht gesetzter englischer Tank.
Zwischen Arras und Bapaume
durch Verschüttung außer Gefecht gesetzter
englischer Tank. März 1918.      [Vergrößern]

Aus: Der Weltkrieg in seiner
rauhen Wirklichkeit
, S. 225.
Der Gegner fühlte sich anscheinend durch den Stoß über Bapaume besonders bedroht, wahrscheinlich weil er die nördliche Umgehung der Ancre nicht zulassen wollte. Daraus erklärte sich sein verzweifelter Widerstand und Gegendruck nördlich Bapaume, der den rechten Stoßflügel zu umfassen drohte. Seine Verluste wurden von den Gefangenen, deren Zahl auf mehr als 10 000 Mann angewachsen war, namentlich bei einzelnen Divisionen als ungeheuer bezeichnet. Er hatte bisher 163 Geschütze, 809 Maschinengewehre, 41 Tanke verloren.

Die Erwägungen über den Feind führten das Armee-Oberkommando zu [390] der Annahme, daß er sich in der Linie Tilloy südlich Arras - Mercatel - Achiet le Petit - Ancre zu setzen beabsichtige; schon nachmittags wurde daher der linke Armeeflügel angewiesen, zusammen mit dem weichenden Gegner diese Linie zu durchstoßen. Abends überwog wieder die Ansicht, daß die Engländer zwischen Scarpe und Miraumont abbauen würden; für diesen Fall blieb besonders für den zurückgebliebenen rechten Armeeflügel scharfes Nachdrängen Pflicht. Kam es nicht dazu, so sollte der Mars-Angriff beiderseits der Scarpe nunmehr am 28. März stattfinden. Der linke Flügel wurde von neuem in die Richtung auf Doullens gewiesen. Von der 2. Armee war bekannt, daß ihr rechter Flügel die Linie Gueudecourt - Contalmaison überschritten hatte.

Am 26. März änderten sich die Verhältnisse vor dem rechten Armeeflügel nicht; beide Gegner blieben in Fühlung durch vorgeschobene Streifen einander gegenüber. Von Hénin an nach Süden wich der Feind kämpfend zurück, wie angenommen wurde, um zwischen Boislieux au Mont und Puisieux au Mont neuen Widerstand zu leisten. XVIII. Armeekorps nahm nach heftigen Kämpfen die Linie Boiry-Berquerelle - Höhe nördlich Courcelles und schließlich am Abend noch Moyenneville. VI. Reservekorps setzte sich in Besitz von Courcelles und Bucquoi, wurde aber nach heißem Ringen durch einen Tankangriff aus diesem Dorfe wieder hinausgeworfen. XIV. Reservekorps kam bis zur Linie Achiet le Petit - Puisieux au Mont - Gegend südöstlich Colincamps und hatte schwere Gegenstöße abzuwehren.25 Obwohl es am linken Flügel bei Colincamp wieder zurückgedrückt wurde, war es doch über die Straße Arras - Albert hinausgelangt. Was vom Feinde weiter nördlich bis zur Scarpe stand, schien dadurch gefährdet.

Offenbar war es diese vorteilhafte Einschätzung der Lage, die die Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht veranlaßte, das Armee-Oberkommando darauf hinzuweisen, daß die Fortschritte des linken Armeeflügels, verbunden mit denen der 2. Armee, die mit dem rechten Flügel etwa bis Beaumont - Hamel gelangt war, die Durchführung des Angriffs Mars Süd unter Einsatz rückwärtiger Divisionen überflüssig machten. Nach ihrer Meinung mußten Mars Nord und der Druck auf Doullens genügen, um die Front südlich der Scarpe ins Wanken zu bringen. Die Wichtigkeit des Durchbruchs auf Doullens mit dem linken Armeeflügel wurde noch einmal scharf betont.

Das Armee-Oberkommando gab darauf den Befehl, daß der linke Armeeflügel, um die letzten Frontbildungsversuche des Gegners zu vereiteln, weiter durchstoßen müsse, wobei XVIII. Armeekorps gegen Mercatel einzudrehen habe. III. bayerisches Armee- und IX. Reservekorps südlich der Scarpe sollten sich zum Nachstoß bereit halten. Wenn der Feind nicht wiche, so würde der Mars-Angriff beiderseits der Scarpe am 28. März, wie vorgesehen, stattfinden. [391] Die dritte und letzte der Mars-Divisionen, die 26. Infanterie-Division, wurde dem XVIII. Armeekorps unterstellt. Als Reserven des Armee-Oberkommandos waren noch zwei Divisionen verfügbar. Eine spät abends eingehende Weisung der Obersten Heeresleitung verlangte von der 17. Armee von neuem den Vormarsch in scharf westlicher Richtung, mit dem rechten Flügel auf St. Pol. Die weitgesteckten Ziele für den linken Flügel der 17. und für den rechten Flügel der 2. Armee lagen auf der Linie Doullens - Flixecourt an der Somme, wobei der 17. Armee die nördliche Hälfte dieser Linie zufiel.

Der 27. März zeigte auf dem rechten Flügel der 17. Armee beiderseits der Scarpe keine Änderung der Lage. Der linke Flügel griff 12 Uhr mittags nach starker Artillerievorbereitung abermals an, fand sehr heftigen Widerstand, der sich besonders die Feuerkraft versteckter Maschinengewehrnester zunutze machte, und kam nur schrittweise voran. Augenscheinlich hatte der Feind gerade an der Straße Arras - Albert sehr starke Reserven zusammengezogen, die vorzugsweise von der Front vor der 6. Armee herangeführt zu sein schienen. XVIII. Armeekorps kam nur bis in die Linie St. Martin - Boislieux au Mont - Ayette; VI. Reservekorps erreichte Ayette, Ablainzeville und kämpfte abends noch um Bucquoi; XIV. Reservekorps stand schließlich nordwestlich Puisieux au Mont, nahm Hébuterne und hatte sich Colincamps wieder genähert. In der Nacht wies es südöstlich von Hébuterne vier feindliche Gegenangriffe ab. Die eigenen Verluste waren sehr schwer. Eine am Nachmittag ergehende Weisung des Armee-Oberkommandos an das VI. Reservekorps, starke Kräfte hinter den rechten Flügel des XIV. Reservekorps zu schieben, um diesem auf Hammescamps vorwärts zu halfen, hatte keine große Wirkung mehr erzielen können.

Aus dieser Lage ergab sich ohne weiteres, daß der Mars-Angriff beiderseits der Scarpe geführt werden mußte, um die 17. Armee vorwärts und den Feind in seinen Stellungen weiter nördlich ins Wanken zu bringen. Wenn er glückte, so konnte erhofft werden, den Zielen St. Pol und Doullens näher zu kommen. Schon am 26. März hatte die Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht Vorsorge getroffen, daß der Mars-Angriff durch die 6. Armee tatkräftig unterstützt wurde.26 Sie sollte einen Tag später - am 29. März - den Angriff "Walkürenritt" führen, um mit dem linken Flügel über Vimy Houdain zu erreichen. Alle Kräfte der 6. Armee südlich des La Bassee-Kanals hatten sich diesem Vorgehen anzuschließen. Ihr wurden sechs Infanterie-Divisionen und 18 schwere Batterien zugewiesen. Die Heeresgruppe hoffte mit diesem Angriff die Ausführung des St. Georg-Unternehmens überflüssig zu machen, das planmäßig in Frage kam, wenn St. Michael nicht das erwartete Ergebnis hatte. Indessen war auch St. Georg - wenn auch nur in verkleinertem Maßstabe und nun "Georgette" genannt - von der 6. und 4. Armee vorzubereiten. Für Mars Nord steckte die Heeresgruppe die Vimy-Höhe, Estrée-Cauchy und Savy als Ziele, für Mars Süd [392] Avesnes le Comte. Die Vimy-Höhe sollte von Südosten, Arras durch beiderseitige Umfassung genommen werden. Die 17. Armee erhielt hierfür noch 17 schwere Batterien.

Am 27. März ergänzte die Heeresgruppe ihre Weisungen durch den Befehl, daß die Mars-Artillerie am 28. März von 3 bis 430 morgens die feindlichen Batterien zu vergasen und von 430 bis 730 die Angriffsziele zu beschießen habe; um 730 sollte der Einbruch stattfinden. Die 17. Armee mußte ihren sonstigen Angriff hiermit in Einklang bringen. Der 6. Armee wurde erhöhte Tätigkeit für den 28. März, der 4. Armee Gasschießen vorgeschrieben. In seinem Armeebefehl vom 27. März abends wies das Oberkommando der 17. Armee das III. bayerische Armeekorps an, den Feind auf Arras zu werfen und dann auf Warlus weiterzugehen; IX. Reservekorps wurde auf Wailly gewiesen, um nach Nordost die feindlichen Stellungen aufzurollen. XVIII. Armeekorps sollte auf Ransart und Berles au Bois, VI. Reservekorps auf Hammescamps, XIV. Reservekorps, dem die Armeereserven folgten, auf Fonquevillers vordrücken. Die Artillerie des linken Armeeflügels hatte ihr Feuer um 5 Uhr morgens zu beginnen. Für das I. bayerische Reservekorps nördlich der Scarpe erübrigten sich Befehle.

Der Mars-Angriff, der ursprünglich nur südlich der Scarpe und nördlich von ihr erst dann geführt werden sollte, wenn der Stoß im Süden Erfolg hatte, wurde auf diese Weise zu einem einheitlich geführten Unternehmen. Nördlich der Scarpe stand I. bayerisches Reservekorps am 28. März mit drei frischen Divisionen im ersten, je einer Division im zweiten und dritten Treffen und zwei Stellungsdivisionen bereit. Als erstes Ziel hatte es sich die Linie Bailleul-Sir Berthould - St. Laurent-Blangy gesteckt, um von dort in nordwestlicher Richtung zu schwenken. Die linke Flügeldivision sollte zur Verbindung mit Mars Süd auf das südliche Scarpe-Ufer übergreifen. III. bayerisches Armeekorps hatte zwei Divisionen in erster, eine Division in zweiter Linie und gedachte die Höhen westlich von Monchy le Preux und Tilloy zu nehmen, um Arras von Süden zu umfassen. IX. Reservekorps verfügte gleichfalls über drei Divisionen und erstrebte den Besitz der Höhen von Mercatel.

Erstürmte englische Gräben kurz nach der Einnahme der Stellung.
Erstürmte englische Gräben
kurz nach der Einnahme
der Stellung.     [Vergrößern]

Aus: Der Weltkrieg in seiner rauhen Wirklichkeit, S. 216.
Nachdem das Artilleriefeuer planmäßig gewirkt hatte, griff der rechte Armeeflügel am 28. März, 730 morgens, bei nebligem, später windigem umd regnerischem Wetter an. Die vordersten feindlichen Gräben wurden fast auf der ganzen Angriffsfront überrannt. Obwohl die feindliche Artilleriegegenwirkung sehr gering war und sich erst im Laufe des Nachmittags belebte, kam der Sturm im Grabengewirr und bei der großen Zähigkeit der feindlichen Infanterie doch ins Stocken; zahlreiche Gegenstöße mußten abgewehrt werden. I. bayerisches Reservekorps gelangte bis zur Linie Gegend halbwegs Gavrelle und Bailleul-Sir Berthould - Bahnhof Roeux westlich des Ortes, wurde bei Gavrelle wieder zurückgedrückt, nahm aber am Abend Arleux und machte bei Roeux noch einige Fortschritte. III. bayerisches Armeekorps bemächtigte sich der [393] Höhe südwestlich Roeux und stieß mit der 12. Infanterie-Division,27 die von der 185. Infanterie-Division unterstützt wurde, in schwunghaftem Angriff bis auf die Höhen östlich von Tilloy und Beaurains vor. IX. Reservekorps durchbrach die feindliche Stellung südöstlich Neuville-Vitasse und südöstlich Mercatel, um sich in dieser Linie wiederholter Gegenangriffe zu erwehren; am Abend nahm es schließlich noch Neuville-Vitasse. Der linke Armeeflügel versuchte befehlsmäßig seinen Angriff fortzusetzen, mußte sich aber darauf beschränken, den immer wieder vorstoßenden Feind abzuschlagen, wobei ein Teil von Hébuterne verlorenging. Es wurden über 3000 Gefangene gemacht, die von schweren Verlusten ihrer Truppen berichteten. Das Ergebnis des Tages war aber doch unbefriedigend und erfüllte nicht die Hoffnungen auf die Förderung des Gesamtangriffs. Es bestand im Gegenteil das Gefühl, daß sich die Armee mit schwindender Stoßkraft festgelaufen habe.

Das Armee-Oberkommando glaubte daher, am 29. März von der Fortführung des Mars-Angriffs nördlich der Scarpe absehen zu müssen und setzte nur südlich der Scarpe das III. bayerische Armee-, IX. Reserve- und XVIII. Armeekorps zu neuem Sturm an, in der Hoffnung, die von der 12. Infanterie-Division errungenen Vorteile bei Arras vergrößern zu können. Es kam nicht mehr dazu. Von der Obersten Heeresleitung traf 12 Uhr mitternachts über die Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht die Weisung ein, den Stoß nicht fortzuführen, sondern nur noch Stellungsberichtigungen vorzunehmen und die Engländer durch örtliche Angriffe zu fesseln.

Darauf ordnete das Armee-Oberkommando aus Douai am 29. März an, daß der Feind im Bilde zu erhalten sei, als ob die Angriffe weitergehen würden; dazu habe am 29., 2 Uhr nachmittags, auf der ganzen Armeefront Einschießen der Artillerie stattzufinden, dem sich am 30. März Feuerüberfälle anschließen sollten. Es wurde auch schon die Abgabe zahlreicher Artillerie und die Lockerung der Front durch Herausnahme von Divisionen angekündigt. Ein Befehl der Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht ließ erkennen, daß der Angriff "Walkürenritt" der 6. Armee gleichfalls aufgegeben, dagegen der Angriff "Georgette" schnell und überraschend durchzuführen sei. Gleichzeitig wurde mitgeteilt, daß südlich der Somme der Angriff der 2. und 18. Armee und des rechten Flügels der 7. Armee weiter gehen werde; der linke Flügel der 17. Armee sollte sich bereitmachen, mit der 2. Armee, die scharfen Druck in der Richtung auf Amiens ausüben werde, wieder vorwärts zu gehen. Bevor es dazu kam, mußte aber die 17. Armee schwere englische Angriffe abwehren, die am 2. April den Verlust von Ayette ergaben.

Wenn also noch die Hoffnung bestand, wenigsten mit einem Teil der 17. Armee später wieder die Offensive aufnehmen zu können, so war doch tatsächlich bei ihr der Übergang zu neuem Stellungskrieg vollzogen, der Frühjahrs- [394] feldzug beendet. Sein Ergebnis blieb weit hinter den Erwartungen zurück. Durch Abschnürung des Cambrai-Bogens von Norden sollte die 17. Armee den ersten großen taktischen Erfolg erringen helfen, aber die Vereinigung mit dem für den gleichen Zweck angesetzten rechten Flügel der 2. Armee in der Linie Ytres - Equancourt kam erst so spät zustande, daß die mit der Einschließung bedrohten Engländer entweichen konnten. Durch machtvollen Vorstoß über die Linie Arras - Bapaume, dem sich südlich die 2. Armee anzuschließen hatte, sollte sie den Gegner auch in seinen Stellungen weiter nördlich erschüttern und durch Eindrehen nach Nordwesten beginnen, ihn aufzurollen, aber Arras hatte sie trotz des Mars-Angriffs überhaupt nicht erreichen können und war weiter südlich mit dem äußersten linken Flügel über die Linie Arras - Bapaume nur so weit vorgekommen, daß sich die vorgesehene Richtung nach Nordwesten eben andeutete. Im ganzen hatte sie aus ihrer ursprünglichen, mit der Front nach West und Südwest gerichteten Stellung um den festgebliebenen rechten Flügel eine Schwenkung nach vorwärts vollzogen, die zu früh ins Stocken geriet, als daß sie den gesteckten operativen Zielen St. Pol und Doullens in entscheidender Form nahe gekommen wäre. Auch der kühne Gedanke, daß ihr linker Flügel dem nach Nordwesten strebenden rechten Flügel der 18. Armee im Angriffsraum der 2. Armee, vorwärts von dieser, die Hand reichen sollte, war weitab von der Verwirklichung geblieben.

Die 17. Armee hatte ihre durch nachgeschobene Divisionen genährte Gefechtskraft voll eingesetzt, um ihre Aufgaben zu erfüllen, in acht Kampftagen Großes geleistet, war aber schließlich im Ringen mit dem mehr und mehr sich verstärkenden Gegner weitab von ihren Zielen erlahmt. Dies tatsächliche Ergebnis mußte auf den Gang der ganzen Frühjahrsoffensive störende Wirkung ausüben; nur insoweit ließ sich ein Erfolg erkennen, als sie augenscheinlich die Masse der feindlichen Reserven auf sich gezogen und dadurch anderen operativen Bestrebungen in günstigem Sinne vorgearbeitet hatte. Mit Recht betonte das Armee-Oberkommando in einem Befehl vom 29. März, daß die Armee Erfolgsmöglichkeiten an anderer Stelle geschaffen habe. Diese schienen bei der 2. Armee gesucht zu werden, an die sofort zwei kampfkräftige Divisionen abzugeben waren.


Angriff der 2. Armee.

Die Ausgangsstellung der 2. Armee, südlich der 17. Armee sich angliedernd, durchschnitt den Raum zwischen den Städten Le Cateau im Osten und Péronne im Westen, war nach Südwesten gerichtet und reichte aus der Gegend von Marcoing im Norden bis Bellenglise im Süden. Ihr nördliches Drittel wurde durch den Hauptteil des eingebuchteten Cambrai-Bogens gebildet. Vor sich hatte sie ein ziemlich ausgeprägtes Hügelland, das in ostwestlicher Richtung vom Cologne-Bach durchflossen ist, der bei Péronne in die Somme fällt. Die südliche Begrenzung bildete der Omignon-Bach, der dem Cologne-Bach gleichlaufend bei St. Christ die Somme erreicht. Der von Süden nach Norden gerichtete Lauf [395] dieses Flusses, der bei Péronne nach Westen umbiegt, lag etwa 23 km vom Südteil der Stellung entfernt. Dem Nordteil war in etwa gleicher Entfernung der Abschnitt des Tortille-Bachs vorgelagert, der, von Norden kommend, sich westlich Péronne mit der Somme vereinigt. Da das Angriffsfeld von der Linie Sailly-Saillisel - Péronne - Chaulnes nach Westen zum Zerstörungsgebiet der Sommeschlacht gehörte, waren jenseits dieser Linie besonders große Schwierigkeiten zu erwarten. Gelände und Straßen zeigten sich dort von zahllosen Gräben zerrissen, deren Ränder von Stacheldraht starrten; Trichter reihte sich an Trichter; viele Dörfer waren wüste Stätten, die Wälder mit geringen Ausnahmen zu Stumpfen zusammengeschossen. Dagegen wies das Land unmittelbar vor der deutschen Ausgangsstellung nur die Spuren des Stellungskampfes und des Rückzugs auf die Siegfriedlinie 1917 als Hindernisse auf, die aber keineswegs unbedeutend waren.

Das Oberkommando der 2. Armee in Le Cateau hatte sein Stellungsgebiet in vier Gruppen eingeteilt: Gruppe Cambrai unter dem Generalkommando des XXXIX. Reservekorps,28 Gruppe Caudry unter dem Generalkommando des XIII. Armeekorps,29 Gruppe des Generalkommandos des XXIII. Reservekorps30 und Gruppe Busigny unter dem Generalkommando des XIV. Armeekorps.31 Für die Frühjahrsoffensive wurde neben die letzte Gruppe noch eine neue Gruppe, die des Generalkommandos Nr. 5132 eingeschoben, die südlich an die benachbarte 18. Armee der Heeresgruppe Deutscher Kronprinz angrenzte. Die Zahl der Angriffsdivisionen belief sich bei der 2. Armee auf elf Divisionen im ersten, fünf im zweiten, vier im dritten Treffen. Die Angriffsartillerie war auf 250 Feldbatterien, 196 schwere und 11 schwerste Batterien verstärkt; auch hier sollten eine Anzahl österreichischer Mörser-Batterien mitwirken. Vom englischen Gegner hatte die Armee im Norden einen Bruchteil der 3. und einen großen Teil der südlich anschließenden 5. Armee vor sich, wie man annahm, mit etwa sieben Divisionen in der Front und einer Division in Reserve.

Der Angriffsbefehl des Oberbefehlshabers, Generals v. d. Marwitz,33 vom 6. März 1918 ordnete an:

      "2. Armee greift aus der Linie Villers Guislains - Bellenglise in westlicher Richtung an. Ihr und der 17. Armee fällt zunächst die Abschnürung der im Cambrai-Bogen stehenden englischen Kräfte zu. Operativ wird das bei der 2. Armee erreicht, wenn die Mitte - XXIII. Reservekorps und XIV. Armeekorps - möglichst weit nach Westen gegen die Linie Manancourt - Péronne ohne Aufenthalt vorstößt, taktisch durch Zusammenwirken der inneren Armeeflügel der 17. und 2. Armee bei Ytres (XI. Armeekorps) und Equancourt (XIII. Armeekorps). Diese Ziele müssen in einer ununter- [396] brochenen Angriffsbewegung erreicht werden, Tagesziele gibt es dafür nicht. Je schneller dies erreicht wird, desto größer ist der Anfangserfolg: die Vernichtung erheblicher englischer Kräfte und die Überwindung der feindlichen Stellungssysteme. Im Cambrai-Bogen werden zunächst nur Teilangriffe ausgeführt. Hieraus ergeben sich im einzelnen folgende Aufgaben: XXXIX. Reservekorps (zwei Divisionen) hat am Angriffstage durch Angriff auf den Rücken westlich Marcoing und Höhe nördlich La Vacquerie den Gegner über die Ausdehnung unseres Angriffs zu täuschen, seine Artilleriewirkung zu zersplittern und seine örtlichen Reserven zu fesseln..... XIII. Armeekorps nimmt die Vaucelette Ferme (nördlich Epéhy) und Nordteil Epéhy und bleibt in unmittelbarer Verbindung mit XXIII. Reservekorps im fortschreitenden Angriff auf Equancourt..... Dem XXIII. Reservekorps fällt der Haupteinbruch auf der Linie Vendhuille - Hargicourt zu. Der Angriff ist schleunigst auf die Höhen westlich Nurlu und nördlich Aizecourt le Haut mit Vortruppen über den Tortille-Bach vorzutragen, wobei der Schwerpunkt auf den linken Flügel zu legen ist..... XIV. Armeekorps hat seine Kräfte auf seinem rechten Flügel zu massieren und im Anschluß an den linken Flügel des XXIII. Reservekorps über Roisel und Péronne und nördlich vorzustoßen. Durch Einschwenken des linken Flügels ist die feindliche Artillerieschutzstellung Le Verguier - Pontru von Norden aufzurollen, um dem LI. Armeekorps das Vorwärtskommen zu erleichtern..... LI. Armeekorps begleitet den Angriff des XIV. Armeekorps durch Angriff in breiter Front gegen die feindliche Vorstellung auf die Höhen nördlich Pontru (Arbre-Höhen). Die Stellung Le Verguier - Pontru ist erst nach Maßgabe des Vorschreitens der Flügel des XIV. Armeekorps und der 18. Armee und nach kräftiger Artillerievorbereitung anzugreifen....."

Am Tage vor dem Angriff, am 20. März 1918, herrschte bei regnerischem, windigem, später sich aufklärendem Wetter an der Front nur geringe Artillerietätigkeit. Die letzten Angriffsvorbereitungen vollzogen sich in der Nacht zum 21. März bei vollkommener Ruhe. In dichtem Nebel begann 440 morgens die Artillerievorbereitung, die nur anfangs lebhafte Gegenwirkung auslöste; später schwieg die feindliche Artillerie fast völlig. Bei Tagesanbruch stürmten Teile des XXXIX. Reservekorps im Cambrai-Bogen bei Marcoing und südlich davon die vordersten feindlichen Gräben, um den Feind dort zu fesseln. Um 940 morgens bei leidlich klarer Sicht erhob sich die Infanterie auf der Strecke von Gonnelieu bis Bellenglise unter dem Schutz der Feuerwalze zum Sturm. Der Angriff, dem sehr bald auch Artillerie folgte, brach durch bis zur Linie Epéhy - Lempire - Ronssoy - Hargicourt und bis zur Artillerieschutzstellung beiderseits von Le Verguier und fand lebhaften Widerstand, namentlich bei Epéhy, der sich vielfach in Gegenstößen äußerte. Das Gefecht wogte hin und her, bis nachmittags durch den Fall von Lempire, Ronssoy und Templeux le Guérard Luft geschaffen wurde. Das Armee-Oberkommando [397] verschob noch am Abend den Schwerpunkt auf den linken Flügel des XXIII. Reserve- und den rechten Flügel des XIV. Armeekorps mit dem Ziele, den Stoß über die Linie Faucon - Roisel besonders zu fördern.

In der Nacht zum 22. März stand die 2. Armee mit dem rechten Flügel bei den Orten Flesquières und Ribécourt, die die Verteidiger des Cambrai-Bogens freiwillig aufgegeben hatten, damit die schleunige Räumung dieses zu umfassenden Geländeteils beginnend; weiter südlich war die Linie La Vacquerie - Gouzeaucourt - östlich Epéhy - Templeux le Guérard - östlich Le Verguier erreicht. Die Oberste Heeresleitung teilte 950 abends mit, daß die südlich benachbarte 18. Armee demnächst mit rückwärtigen Staffeln über Tertry vorgehend den Angriff der 2. Armee erleichtern würde, die mit ihrem linken Flügel scharf vorzudrücken habe. Von der Heeresgruppe und dem Armee-Oberkommando wurde befohlen, den Stoß in den bisherigen Richtungen tatkräftig fortzusetzen.

Am 22. März morgens drängte XXXIX. Reservekorps im Cambrai-Bogen dem weichenden Feinde nach und arbeitete sich auf Havrincourt und Villers Plouich vor. XIII. Armeekorps, das Equancourt zustrebte, um den Cambrai-Bogen zu umfassen, stieß auf heftigsten Widerstand, der erst erlahmte, als XIII. Armee- und XXIII. Reservekorps gemeinsam das heißumstrittene Epéhy nahmen. Ebenso fiel durch Zusammenwirken des XIV. und LI. Armeekorps Le Verguier. Von nun an ging der Angriff bei den südlichen Korps flott voran und stieß weit über die Bahn Gouzeaucourt - Epéhy - Roisel - Vermand vor.

In der Nacht war im Cambrai-Bogen die Gegend östlich und südlich Havrincourt erreicht; von dort sprang die erreichte Linie gegen Equancourt vor und wurde weiter nach Süden durch die Orte Sorel - Aizecourt le Bas - Marquaix - Chaulaincourt bezeichnet. Von der 17. Armee war bekannt, daß sie mit dem linken Flügel bei Havrincourt und Hermies stand, von der 18., daß sie beiderseits der Somme auf Ham im Vorschreiten war. Um 445 nachmittags befahl das Armee-Oberkommando, den weichenden Feind scharf zu verfolgen und mit ihm in die dritte englische Stellung am Tortille-Bach einzudringen; für alle Fälle wurde aber auch die artilleristische Niederkämpfung dieser Linie angeordnet. Die Armeereserven rückten nach. Die Heeresgruppe befahl die Fortsetzung des Angriffs in der bisherigen Richtung und warnte vor zu frühem Einschwenken gegen den Cambrai-Bogen.

Am 23. März ging der Angriff weiter. XXXIX. Reservekorps fand am Walde südlich von Havrincourt starken Widerstand, der zu Gegenstößen anwuchs. Um den noch im Cambrai-Bogen haltenden Feind in Flanke und Rücken zu fassen, stieß XIII. Armeekorps über Equancourt in westlicher Richtung vor, kam aber nur langsam voran. Sehr viel schneller gewannen die südlichen Korps Gelände, die nur Nachhuten vor sich hatten. Bereits mittags überschritten XXIII. Reserve- und XIV. Armeekorps den Tortille-Bach in der Linie Manan- [398] court - Moislains - Allaines; Péronne wurde genommen. Auf dem linken Flügel ging LI. Armeekorps bis zur Somme südlich Péronne vor.

Am Abend stand die 2. Armee in der Linie Wald von Havrincourt - Ytres - westlich Manancourt - Bois de Vaux zwischen Manancourt und Moislains - östlich Clery - Péronne - östlicher Somme-Rand bis Brie. Der linke Flügel der 17. Armee befand sich nördlich Bertincourt; der Cambrai-Bogen war nun umfaßt, ohne daß es aber zum Abschneiden erheblicher Kräfte gekommen wäre. Von der 18. Armee wußte man, daß sie südlich des Omignon-Bachs die Somme schon an einigen Stellen überschritten hatte. Bei der 2. Armee wurden bisher 300 gefangene Offiziere, 10 000 Mann und 200 erbeutete Geschütze gezählt.

Schon am Vormittag des 23. März gab die Oberste Heeresleitung allgemeine Weisungen für die Fortführung der Offensive in der Erwartung, daß die Linie Bapaume - Péronne - Ham demnächst erreicht werde; die 2. Armee wurde auf die Linie Miraumont - Lihons angesetzt, hatte sich also im Gegensatz zu früheren Weisungen nach Süden zu verbreitern. Das Ziel für den linken Flügel der 17. Armee war gleichfalls Miraumont, für den rechten Flügel der 18. Chaulnes. Das Oberkommando der 2. Armee verteilte hiernach die Gefechtsstreifen neu und befahl Fortsetzung der Verfolgung gegen die Ancre nördlich der Somme, während südlich von ihr, die Flußlinie Péronne - Brie überschreitend, LI. Armeekorps mit dem rechten Flügel an der Somme, mit dem linken auf Lihons vorzugehen hatte.

Der Angriff am 24. März versprach um so mehr Erfolg, als der Gegner augenscheinlich bei Bapaume starke Kräfte zusammengezogen hatte, die zugunsten der 17. Armee zu überholen waren. Der rechte Flügel, dem diese Aufgabe im besonderen zufiel, kam aber unter der Wirkung feindlicher Gegenstöße nur schrittweise vor. Auch weiter südlich mußte mit verstärkten feindlichen Nachhuten erbittert gerungen werden, namentlich bei Combles, wo englische Tanks und Kavallerie eingriffen. Trotzdem drang die Armee siegreich weiter und warf den Feind teils auf Bapaume, teils gegen die Ancre zurück. In der Nacht war die Linie Beaulencourt südöstlich Bapaume - westlich Lesboeufs - westlich Longueval - westlich Hardecourt - Feuillières erreicht, während sich südlich LI. Armeekorps zwischen Péronne und St. Christ mit kleinen Abteilungen den Somme-Übergang erkämpft und eine Division über Péronne nach Cléry verschoben hatte, um von dort den Übergang zu unterstützen. Der 17. Armee war bei Beaulencourt die Hand gereicht, der 2. Armee bei St. Christ. Die Heeresgruppe ordnete weitere schärfste Verfolgung an, wobei die 17. Armee der 2. durch ihre Erfolge über die Ancre helfen müsse; die letztere dürfe an der Ancre nicht stecken bleiben. Diesen Weisungen entsprach der Armeebefehl für den 25. März.

Am 25. März schien sich der feindliche Widerstand gegen das deutsche Vordringen noch zu verstärken. Englische Gegenstöße aus der Gegend von Albert richteten sich hauptsächlich gegen XIII. Armee- und XXIII. Reservekorps, [399] während XIV. Armeekorps vom Südufer der Somme stark durch Feuer behindert wurde. LI. Armeekorps konnte unter heftigen Kämpfen zwischen Péronne und Brie weitere Kräfte über die Somme werfen; eine Division ging im Raume der 18. Armee bei Epénancourt über und stieß auf Misery vor. Abends stand die Armee nach schweren Kämpfen, in denen besonders der rechte Flügel gute Fortschritte gemacht hatte, in der Linie Miraumont - östlich Grandcourt - östlich Thiepval und Pozières - östlich Montauban - Maricourt - Barleux - Villers Carbonel - Misery. Die Beute hatte sich auf 13 000 Gefangene und 400 Geschütze erhöht. Für den 26. März ordnete das Armee-Oberkommando unaufhaltsames Nachdrängen an; XIV. Armeekorps sollte eine Division zur Unterstützung des LI. über die Somme schieben. Bei Miraumont bestand Fühlung mit der 17., bei Misery mit der 18. Armee.

Die zerschossene Kathedrale von Albert.
Die zerschossene Kathedrale der am 26. März 1918
eroberten französischen Stadt Albert.   [Vergrößern]

Aus: Der Weltkrieg in seiner
rauhen Wirklichkeit
, S. 213.
In der Nacht zum 26. März glückte es dem LI. Armeekorps, mit der Masse seiner Truppen die Somme zwischen Péronne und Brie zu überschreiten; da auch von Norden bei Feuillières, wie vorgesehen, eine Division überging, so waren nunmehr im Flußwinkel westlich von Péronne genügend Kräfte des XIV. und LI. Armeekorps versammelt, um den Angriff dort mit Erfolg weiter vorzutragen. Der Feind leistete an diesem Tage geringeren Widerstand. Auf dem rechten Flügel der Armee wurde vom XXXIX. Reservekorps südwestlich Miraumont die Ancre überschritten, weiter südlich fiel Albert nach schwerem Häuserkampf in die Hände des XIII. Armeekorps. XXIII. und XIV. Reservekorps nahmen die Höhen nördlich Bray und den Ort selbst. LI. Armeekorps und Teile des XIV. Armeekorps erreichten die Linie Eclusier an der Somme - Herbecourt - Estrées - Lihons. Die Ancre war somit nördlich und bei Albert in der Hand der Armee, dagegen südlich der Stadt noch vom Feinde gehalten. Die Oberste Heeresleitung sandte Befehl, daß die 2. Armee im weiteren Verlauf der Operationen Amiens nehmen und beiderseits dieser Stadt in die Linie Airaines - Moreuil vorschwenken sollte, um mit dem linken Flügel über Sourdon auf Breteuil weiterzugehen. Die 18. Armee hatte der Avre von Moreuil flußaufwärts zuzustreben, während die 17. Armee scharf westlich auf die Linie St. Pol - Doullens - Flixécourt angesetzt wurde. Der Schwerpunkt der 2. Armee verschob sich also immer mehr nach Süden. Das Armee-Oberkommando ordnete hiernach die Vormarschziele und befahl für den 27. März Verfolgung auf Amiens. Dabei war man sich bewußt, daß der Nachschub im Somme-Kampfgebiet, in das man hineinmarschiert war, recht schwierige Verhältnisse zu überwinden hatte und auf den zerrissenen Straßen größte Anstrengungen erforderte.

Am 27. März richtete der Feind starke Tankangriffe gegen den rechten Flügel der 2. Armee, um ihn vom Westufer der Ancre bei Beaumont-Hamel wieder zu verdrängen; doch blieb die Linie Beaumont-Hamel - Albert in der Hand der deutschen Truppen, denen es im Winkel zwischen Ancre und Somme [400] südlich Albert gelang, die eigene Linie bis Dernancourt - Ville sur Ancre - Sailly le Sec vorzudrücken. Südlich der Somme kamen XIV. und LI. Armeekorps in heftigen Kämpfen über Proyart hinaus und nahmen auf dem äußersten linken Flügel die Orte Vauvillers und Rosières, dieses nur zum Teil. Am Abend dehnte sich die vorderste Linie der 2. Armee nördlich der Somme von Beaumont-Hamel über Albert bis Sailly le Sec aus und sprang südlich des Flusses aus der Gegend von Cérisy-Gailly auf Rosières zurück. Der abendliche Armeebefehl ordnete weiteres Vordringen an; die Mitte der Armee, die südlich Albert noch nicht die Ancre hatte überschreiten können, mußte darauf bedacht sein, diese Schranke zu durchbrechen.

Der 28. März brachte keine großen Erfolge. Auf dem äußersten rechten Flügel kam XXXIX. Reservekorps, das bei Beaumont-Hamel in Anlehnung an den schwer ringenden linken Flügel der 17. Armee kämpfte, überhaupt nicht zum Angriff. Dagegen drang weiter südlich XIII. Armeekorps durch den Wald nördlich von Aveluy vor und setzte sich am Westrande dieses Gehölzes und nordwestlich von Albert fest, obwohl starke Gegenangriffe abzuwehren waren. Südlich Albert waren die Bemühungen des XXIII. Reservekorps, die Ancre zu überschreiten, trotz äußerster Anstrengungen vergeblich. Nördlich der Somme ging einiges Gelände mit Sailly le Sec wieder verloren, doch wurde die Höhe südwestlich Morlancourt gehalten. Südlich der Somme kam XIV. Armeekorps bei seinen Versuchen, auf Hamel vorzustoßen, nicht vorwärts. Nur LI. Armeekorps gewann dort nach heftigen Kämpfen Gelände; es erreichte Warfusée-Abancourt und die Gegend nördlich von Caix, nach links Verbindung mit dem rechten Flügel der 18. Armee haltend, der bis Caix und Plessier vorstieß.

Von der Obersten Heeresleitung kam am 28. März Befehl, daß die 2. Armee erhöhten Druck auf den Stoß südlich der Somme legen und durch zwei Divisionen der 17. Armee verstärkt werden solle; Ziel des linken Flügels sei die Linie Ailly - Thory jenseits der Avre. Das Oberkommando beschloß, am 29. März den Angriff mit dem LI. Armeekorps weiterzuführen, am 30. mit dem XIV. Armeekorps und dem LI. Armeekorps vorzudrücken, um die Avre südöstlich von Amiens zu überschreiten und der 18. Armee vorwärtszuhelfen, die erst am 30. März ihre Vorwärtsbewegung in südwestlicher Richtung fortsetzen sollte. Vom XXXIII. Reservekorps hatte eine Division nördlich der Somme den Angriff des 30. März durch Vorgehen auf Corbie zu unterstützen; im übrigen wurden dieses Korps und die beiden nördlichen, XIII. Armee- und XXXIX. Reservekorps, in den bisher erreichten Stellungen beiderseits von Albert stillgelegt.

LI. Armeekorps kämpfte sich am 29. März bis an die Linie Ignaucourt - Mezières heran, wo Anschluß an die 18. Armee bestand. Am Nachmittag des 29. März liefen über die Heeresgruppe neue, erweiterte Weisungen der Obersten Heeresleitung ein. Der Angriff südlich der Somme mit dem Ziele [401] Amiens und über Montdidier - Noyon - Chauny in südwestlicher und südlicher Richtung sollte vom linken Flügel der 2. Armee, der 18. Armee und dem rechten Flügel der 7. Armee geführt werden; der rechte Flügel der 2. Armee und der linke Flügel der 17. Armee hatten sich demnächst nördlich der Somme, gleichfalls mit der scharfen Richtung auf Amiens, anzuschließen. Als Ziel für den linken Flügel der 2. Armee wurde die aus Amiens nach Süden führende Straße über St. Fuscien nach Ailly an der Noye bezeichnet, also ein Ziel nördlich des bisherigen in der Linie Ailly - Thory, das mit Aufopferung aller Kraft erreicht werden müsse. Das Armee-Oberkommando beließ es darauf bei den für den 30. März bereits gegebenen Weisungen.

Dementsprechend traten am 30. März morgens der linke Flügel des XXIII. Reservekorps nördlich der Somme, XIV. und LI. Armeekorps südlich der Somme aus der Linie Morlancourt - Cérisy-Gailly - Ignaucourt - Mezières innerhalb des großen Offensivrahmens zum Angriff an. XXIII. Reservekorps drang bis zur Linie Ville sur Ancre - Sailly le Sec vor; südlich davon kam XIV. Armeekorps bis in die Gegend von Hamel. LI. Armeekorps nahm die Gegend von Hangard, Waldstücke nördlich Moreuil und dies im Avre-Grund liegende Dorf. Bei Moreuil und nördlich davon entwickelte sich ein heftiger feindlicher Gegenstoß mit Tanks, der den linken Flügel des LI. Armeekorps bis zur Straße Demuin - Moreuil zurückdrückte und nur den Südteil letzteren Ortes in deutscher Hand ließ. Es wurde also nur wenig Raum gewonnen, während die 18. Armee weiter südlich ihren Besitz westlich der Avre ausbaute. Die Oberste Heeresleitung sandte Befehl, daß sich die 2. Armee einzurichten habe, am 31. März auf der ganzen Front anzugreifen, auch wenn ihr linker Flügel nicht voran käme; von der 17. Armee sollten die beiden linken Flügelkorps - XIV. und VI. Reservekorps - den Angriff mitmachen. Auf die Ausführung dieser Weisungen wurde indes verzichtet, als erkannt wurde, daß ein solcher Schlag erst nach sorgfältiger Vorbereitung geführt werden könne. Der Angriff wurde daher auf den 4. April verschoben und auf den linken Flügel mit dem Ziel Dommartin beschränkt. Am 31. März suchte nur LI. Armeekorps vorwärtszukommen und setzte sich in den Besitz der Höhe südöstlich Thermes im Winkel zwischen Luce-Bach und Avre, wobei Moreuil noch immer teilweise in Feindeshand blieb. Hier tauchten jetzt Franzosen als Gegner auf. Auf der nördlichen Front der 2. Armee mußten einige englische Vorstöße abgewehrt werden.

Am 1. April wurden die Angriffe der 2. Armee ganz eingestellt; die Arbeit galt der Vorbereitung der für den 4. April angesetzten Offensive. Hierfür gab die Oberste Heeresleitung neue Weisungen; es sollten der linke Flügel der 2. und der rechte Flügel der 18. Armee zunächst die Linie Blangy - Tronville - Wald westlich Gentelles - Höhen östlich Ailly an der Noye - Grivesnes erreichen; auf Fortführung des Angriffs in Richtung Amiens war Bedacht zu nehmen. Am [402] 5. April hatte sich der rechte Flügel der 2. Armee nördlich der Somme und der linke Flügel der 17. Armee mit Druck in der Richtung Amiens dem Angriff anzuhängen. Somit war Amiens Zielpunkt aller noch stoßfähig gedachten Teile beiderseits der Somme.

Die Tage bis zu diesem entscheidende Vorgehen blieben nicht ungestört. Am 2. April griff der Gegner die 2. Armee südlich der Somme an, wurde aber im wesentlichen abgewiesen; auf der ganzen Front zeigte er zahlreiche neue Batterien im Feuer. Das von der 17. Armee überwiesene Generalkommando des XI. Armeekorps übernahm einen neu abgegrenzten Abschnitt zwischen XIV. und LI. Armeekorps südlich der Somme; dafür trat LI. Armeekorps zur 18. Armee über. Es wurde bestimmt, daß am 4. April von der 2. Armee XIV. und XI. Armeekorps mit sechs Divisionen und von der 18. LI. und III. Armeekorps mit sieben Divisionen anzugreifen hätten.

Unter erschwerenden Umständen traten diese Truppen am 4. April morgens an; der Feind verteidigte mit großer Zähigkeit ein altes Stellungssystem; der Boden war tief, die Sicht für die Artillerie schlecht. Es gelang der 2. Armee, südlich der Somme die Linie Hamel - Villers Bretonneux - Cachy - Thennes zu erkämpfen, während weiter südlich LI. Armeekorps die Höhe nördlich von Moreuil nahm. Gegen die zahlreichen Gegenangriffe des Feindes konnten aber nicht alle Errungenschaften des Tages gehalten werden. Am Abend standen XIV. und XI. Armeekorps in der Linie Hamel - östlich Villers Bretonneux - Hangard, wobei Villers Bretonneux noch im Süden von deutschen Truppen umfaßt blieb. Der Armeebefehl für den 5. April ordnete, wie vorgesehen, den Angriff auf der ganzen Front der 2. Armee an, der rechts vom linken Flügel der 17., links vom rechten Flügel der 18. Armee unterstützt werden sollte.

Der Angriff des 5. April erbrachte den endgültigen Beweis, daß die Kraft aller drei beteiligten Armeen dahin war. Zwar wurde wenigstens bei den beiden nördlichen Armeen vorgestoßen, von der 17. Armee mit einigem Erfolg bei Bucquoi, aber mehr wie rein örtliche Gewinne konnten nicht erzielt werden. Dagegen zeigte der mehr und mehr verstärkte Gegner wachsende Neigung, zum Angriff überzugehen, und hatte auch kleine Gewinne zu buchen. Ebenso wie für die 17. war auch für die 2. Armee der Frühjahrsfeldzug beendet. Sie schloß mit großem Geländegewinn, der in der Tiefe etwa 45 km betrug, und mit einer Beute von 550 gefangenen Offizieren, 19 000 Mann, 600 Geschützen, 3200 Maschinengewehren, 202 Tanks und zahlreichem sonstigen Kriegsmaterial ihre über 16 Tage ausgedehnte Offensivzeit ab. Noch am 5. April befahl die Oberste Heeresleitung die allgemeine Einstellung der Angriffe, die sich um so nötiger erwies, als sich auch die Nachschubverhältnisse ungünstig gestaltet hatten.34 [403] Der Stellungskrieg trat wieder in sein Recht unter Umständen, die die ganze Anspannung der Truppen erforderten, um das gewonnene Gebiet zu halten.

Die Offensive der 2. Armee war zwar erfolgreicher als die der 17., indem sie viel tiefer in das feindliche Gebiet eingriff, aber auch sie erfüllte die Hoffnungen nicht und wurde schließlich durch die Anordnungen der Obersten Heeresleitung aus der anfänglich vorgezeichneten Bahn geworfen. Der erste große Erfolg, die Abschnürung des Gegners im Cambrai-Bogen zusammen mit dem linken Flügel der 17. Armee, kam nicht zustande. Dagegen schritt die Mitte flott voran und half dadurch den abhängenden Flügeln vorwärts. Als am 23. März die Linie Ytres - Manancourt - Péronne - Brie erreicht wurde, stand die 2. Armee in ausgeglichener Front, die scharf nach Westen wies, ganz so wie es für den ursprünglichen Plan der Gesamtoffensive gedacht war. Damit sie ihrer Aufgabe, mit dem Schwerpunkt nördlich der Somme weiterzugehen, gerecht werden konnte, war nun zu erwarten, daß ihre südlich Péronne stehenden Teile durch die 18. Armee abgelöst werden würden, die sich über Tertry nach Norden ausdehnen sollte. Das trat nicht ein; die 2. Armee wurde vielmehr angewiesen, den Angriff in verbreiteter Form auch südlich Péronne und südlich der Somme fortzusetzen, und je weiter sie mit ihrem linken Flügel vorwärtskam, desto mehr verschob sich entsprechend neuen Weisungen der Obersten Heeresleitung der Schwerpunkt nach Süden.

Als dann rechter Flügel und Mitte an der Ancre hängen blieben, war es allein noch der linke Flügel, der für die Fortführung der Operationen in Verbindung mit der 18. Armee in Anspruch genommen wurde, bis auch seine Stoßkraft geschwunden war. Die späteren Versuche, die 2. Armee, rechts und links von Teilen der 17. und 18. unterstützt, in der Richtung auf Amiens vorwärtszubringen, scheiterten an der allgemeinen Erschöpfung. Die hervorragenden Leistungen der Truppe bis in die letzten Zeiträume der Offensive genügten also nicht, um den von der Obersten Heeresleitung gewünschten Bewegungskrieg in Fluß zu bringen und zu erhalten.

Mochte die 2. Armee zeitweilig - besonders vor ihrer Mitte - leichteren Widerstand finden als vergleichsweise die 17. Armee, so hatte sie doch, nachdem sie das alte Sommeschlachtfeld betreten hatte, im Gelände ganz besondere Schwierigkeiten zu überwinden, die auch den Nachschub ungünstig beeinflußten. Das muß bei der Beurteilung des Gesamtergebnisses berücksichtigt werden. Indes kommt für die Frage, warum rechter Flügel und Mitte nicht weit oder gar nicht über die Ancre hinauskamen, noch ein anderer Umstand in Betracht. Am 26. März fiel Albert in die Hände der deutschen Truppen, und wenn sie mit demselben Schwung, mit dem sie den wichtigen Ancre-Ort genommen hatten, weiter nach Westen vorgestoßen wären, so hätten sie voraussichtlich den Kräften nördlich und südlich von ihnen den Weg zu weiterem Vorwärtskommen geöffnet. Leider aber kamen große Teile von ihnen nicht über den Ort hinaus, weil sie es für [404] wichtiger hielten, sich mit den englischen Magazinen zu beschäftigen als den deutschen Angriff weiterzutragen. Gewiß hat hierbei die mangelhafte Ernährung eine ausschlaggebende Rolle gespielt, die auch in ruhigerer Zeit durch ihre reizlose Gleichförmigkeit ermüdete, aber der Vorgang lehrte doch, daß bei den milizartig gewordenen Truppen die Mannszucht durch besondere Umstände ins Wanken gebracht werden konnte, was man in früherer Zeit im deutschen Heere für unmöglich gehalten hätte.

Daß die 2. Armee schon frühzeitig eine auf das Südufer der Somme weisende Aufgabe erhielt, die dem ursprünglichen Plan des Kampfes gegen die Engländer nördlich der Somme nicht entsprach, findet seine Erklärung darin, daß die Ereignisse bei der 17. und 18. Armee einen von der Erwartung abweichenden Verlauf genommen hatten. Während die 17. Armee die Hoffnungen auf ihr besonders wichtiges schnelles Vorwärtskommen nicht erfüllte, gingen die Anfangserfolge der 18. Armee weit über die ihr ursprünglich zugedachte Rolle des Flankenschutzes für den Hauptangriff hinaus.


Angriff der 18. Armee.

Die 18. Armee, der Heeresgruppe Deutscher Kronprinz unterstehend, stand anschließend an die 2. Armee beiderseits von St. Quentin mit dem rechten Flügel bei Bellenglise, mit dem linken bei Deuillet, wo die 7. Armee anstieß. Die im allgemeinen nach Westen gerichtete Front zeigte bei St. Quentin eine feindwärts gerichtete Ausbuchtung; dann sprang die Frontlinie nach Südosten bis zur Oise zurück und fiel in ihrem südlichen Teil mit dem Ostufer dieses Flusses zusammen. Vor sich hatte sie hügeliges Land, das von mehreren Wasserläufen durchschnitten ist. Die von St. Quentin in südwestlicher Richtung fließende und bei Ham nach Nordwesten umbiegende Somme ist mit der Oise durch den Crozat-Kanal verbunden, der ersteren Fluß östlich Ham, den letzteren westlich von La Fère trifft. Somme von Ham abwärts und Crozat-Kanal zusammen ergaben einen vor der Front liegenden Abschnitt, der im Süden nahe heranstand, im Norden aber fern abgerückt war. Der von der Front und dieser Wasserlinie begrenzte Raum ist durch die Somme auf der Strecke von St. Quentin bis Ham in einen nördlichen und einen südlichen Teil gegliedert. Naturgemäß beeinflußte diese Zerlegung des Angriffsgebiets in wasserumgrenzte Untergebiete sowohl die Maßnahmen der Führung, wie auch den Verlauf des Angriffs. Abgesehen von den Hindernissen, die durch die Wasserläufe gebildet wurden, zeigte das Gelände, in das hinein der Vorstoß geführt werden sollte, keine besonderen Schwierigkeiten, soweit nicht das feindliche Grabengewirr und die Umgestaltungen der Erdoberfläche durch das Feuer sowie die Spuren des Siegfried-Rückzugs als solche zu buchen sind. Gegenüber hatte die 18. Armee einen Teil der 5. englischen Armee, die etwa sechs Divisionen mit geringen Reserven in diesem Frontteil eingesetzt haben sollte.

In der Zeit vor dem Angriffsbeginn war der Stellungsraum der 18. Armee [405] in zwei Abschnitte eingeteilt, deren nördlicher - Gruppe St. Quentin mit dem Generalkommando des IX. Armeekorps35 - die Linie von Bellenglise bis zur Oise hielt, während der südliche - Gruppe Oise mit dem Generalkommando des XVII. Armeekorps36 - die Oise-Front verteidigte. Für den Angriff wurde die Zahl der Gruppen wesentlich vermehrt; in den nördlichen Stellungsraum bis St. Quentin einschließlich teilten sich die Gruppen des Generalkommandos des III.37 und des IX. Armeekorps, südlich davon beiderseits der Oise standen die der Generalkommandos des XVII. Armee- und des VI. Reservekorps,38 während auf dem linken Flügel bei La Fère eine kleine Gruppe unter dem General Frhrn. v. Gayl gebildet wurde, bestehend aus einer Division, die durch Jäger-Bataillone verstärkt war. An Angriffstruppen waren 19 Angriffs- und 5 Stellungsdivisionen bereit, davon zwölf Divisionen im ersten, acht im zweiten, vier im dritten Treffen. An Artillerie verfügte die 18. Armee über 385 Feldbatterien, 297 schwere und 28 schwerste Batterien. Sie war von den drei Angriffsarmeen mit Truppen und Kampfmitteln am stärksten ausgestattet.

Der Oberbefehlshaber der 18. Armee in Leschelle, General v. Hutier,39 hatte am 14. März 1918 im Anschluß an den Heeresbefehl der Heeresgruppe Deutscher Kronprinz vom gleichen Tage40 angeordnet:

      "1. Die Armee greift beiderseits St. Quentin an, um den Feind über Somme und Crozat-Kanal zurückzuwerfen.
      2. Der Angriff ist in unaufhaltsamem Vorgehen durchzuführen. Ein Tagesziel gibt es nicht.
      3. Starke Artillerietätigkeit und Minenwerfer bahnen der Infanterie den Weg durch die erste und zweite feindliche Stellung. Schnelles Vorgehen liefert ihr die in der Mehrzahl vor der zweiten Stellung stehende feindliche Artillerie aus. Dreistes Zufassen wird sie auch in Besitz der dritten feindlichen Stellung bringen.
      4. ....
      5. .... Generalkommando III. Armeekorps legt den Schwerpunkt des Angriffs auf seinen linken Flügel. Baldige Eroberung von Fayet sowie des Höhengeländes um Selency und Francilly ist notwendig für das Vorwärtskommen des rechten Flügels des IX. Armeekorps. Mit dem linken Flügel der 2. Armee ist gemäß Vereinbarung dauernd zusammenzuarbeiten. Generalkommando IX. Armeekorps greift mit starkem rechten Flügel in enger Verbindung mit dem Generalkommando III. Armeekorps an, zieht frühzeitig eine dritte Division in die erste Linie vor und setzt sich ohne Aufenthalt in Besitz der durch schwerstes Flachbahnfeuer bekämpften dritten feindlichen Stellung Vaux - Fluquières - Happencourt. Nach gelungenem Einbruch in diese Stellung ist der Angriff des III. Armeekorps durch Aufrollen nach Norden zu [406] unterstützen. Generalkommando XVII. Armeekorps: Urvillers, der Schlüsselpunkt der feindlichen Stellung, ist durch Umfassung von beiden Seiten in engstem Zusammenarbeiten der betreffenden Divisionen zu nehmen. Dabei müssen diese Divisionen genügend Kraft behalten zur Durchführung des Angriffs bis zum Crozat-Kanal. Eine Unterstützung des Angriffs des IX. Armeekorps über den St. Quentin-Kanal kann in Frage kommen (Brückenmaterial heran). Generalkommando IV. Reservekorps verfügt über eine starke flankierende Artillerieunterstützung.41 Ich erwarte daher, daß der Angriff schnell fortschreitet. Dadurch wird auch die Aufgabe des XVII. Armeekorps erleichtert.
      6. Gruppe Gayl erzwingt den Übergang bei La Fère und hält sich bereit zur Schaffung eines Brückenkopfes bei Tergnier und zum Vorgehen östlich des Crozat-Kanals. Übergänge bei Travecy und Beautor sind vorzubereiten....."

Bei der 18. Armee war der Gegner vor der Offensive ziemlich lebhaft, besonders in der artilleristischen und Fliegertätigkeit; man glaubte dort auch, daß der Feind die Angriffsabsicht erkannt habe.42 Noch in der Nacht vom 19. zum 20. März erlitten die Truppen in St. Quentin durch eine Gasbeschießung empfindliche Verluste; am Abend des 20. März lag Störungsfeuer auf den Gräben, und im Bereich des III. Armeekorps stieß eine starke englische Streife vor. Trotzdem verlief die Bereitstellung zum Angriff plan- und ordnungsmäßig. Am 21. März, um 440 morgens, begann die Artillerieeinwirkung, die beim Feinde keine starke Gegenwirkung auslöste. Bei dichtem Bodennebel, der erst gegen Mittag wich, kam die zeitgerecht um 940 vormittags stürmende Infanterie zunächst bei geringem Widerstande flott voran; später ermannte sich der Feind zu stärkerer Gegenwehr und machte auch

Fliegeraufnahme.
Die erste Sturmwelle in der Durchbruchsschlacht
bei St. Quentin–La Fère und Cambrai
am 21. 3. 1918 (Fliegeraufnahme).   [Vergrößern]

Aus: Der Weltkrieg in seiner
rauhen Wirklichkeit
, S. 214.
Gegenstöße. Bis Mittag war die erste feindliche Stellung überall durchbrochen; um den wichtigen Stützpunkt Urvillers, südlich St. Quentin, wurde noch gekämpft. La Fère war bereits durchschritten, ein Oise-Übergang dort hergestellt; doch machte das feindliche Artilleriefeuer das Durchziehen weiterer Truppen schwierig.

Am Abend dieses erfolgreichen Tages stand III. Armeekorps auf dem rechten Flügel der Armee an und in der zweiten feindlichen Stellung zwischen Maissemy und dem Walde westlich Holnon, den es zum Teil im Besitz hatte, und nördlich von Savy; das links anschließende IX. Armeekorps bei Savy, zwischen Rougy und Dallon und bei Fontaine les Clercs; auch hier war die zweite Stellung erreicht. Zwischen Omignon-Bach und St. Quentin-Kanal kam es nun vor allem darauf an, den Widerstand im Walde westlich Holnon zu brechen, damit der rechte Flügel zugunsten der 2. Armee vorwärtskam. Zwischen St. Quentin-Kanal und Oise hatte XVII. Armeekorps sich von Contescourt bis Essigny le Grand nach Erstürmung von Urvillers gleichfalls der zweiten [407] Stellung bemächtigt. IV. Reservekorps besaß Benay, stand vor Hinacourt und Vendeuil, wo der Angriff zum Stehen gekommen war. Weiter südlich befand sich die Gruppe Gayl, die über La Fère vorgestoßen war, in der Linie Vendeuil - Travecy - Quessy und war im Begriff, sich in dieser ausgedehnten Front zu verstärken.

Der Kaiser hatte nachmittags auf einer Beobachtungswarte des Armee-Oberkommandos dem Kampfe beigewohnt. Die Beute des Tages ließ sich noch nicht übersehen.

Für den 22. März bestand beim Armee-Oberkommando in Bernoville die Absicht, den Angriff mit aller Tatkraft fortzusetzen, im nördlichen Abschnitt mindestens die dritte feindliche Stellung in der Linie Caulaincourt - Beauvois - Happencourt, im südlichen den Crozat-Kanal zu nehmen. Die Gruppe Gayl wurde dem IV. Reservekorps unterstellt. Die Oberste Heeresleitung hob in einem abendlichen Befehl hervor, daß die 18. Armee nach Gewinnung der dritten englischen Stellung bei Beauvois und Vaux durch Vorgehen mit rückwärtigen Staffeln über Tertry die 2. Armee unterstützen müsse. Die Heeresgruppe Deutscher Kronprinz betonte die Notwendigkeit, im nördlichen Angriffsraum schnell voranzukommen, der 2. Armee zu helfen und südlich der Somme den Crozat-Kanal zu nehmen, wobei sich der linke Armeeflügel westlich von La Fère zur Verteidigung einzurichten habe. Nach wie vor sollte die 7. Armee der 18. durch Feuer helfen.

Deutsche Schützenlinie bei St. Quentin in vorderster Stellung.
Große Durchbruchsschlacht Frühjahr 1918.
Deutsche Schützenlinie bei St. Quentin
in vorderster Stellung. Fliegeraufnahme
22. März 1918.      [Vergrößern]

Aus: Der Weltkrieg in seiner
rauhen Wirklichkeit
, S. 215.
Die Angriffstätigkeit der 18. Armee ruhte auch in der Nacht zum 22. März nicht. Der Morgen fand den rechten Flügel - III. Reservekorps - im heftigen, fortschreitenden Kampf um den Holnon-Wald, wo der Gegner offensiven Widerstand leistete. Das anschließende IX. Armeekorps kam nur langsam voran. Südlich der Somme ging es schneller vorwärts; schon um 10 Uhr vormittags wurde Avesnes am Crozat-Kanal durch XVII. Armeekorps genommen, während IV. Reservekorps Vendeuil überschritt und westlich La Fère Tergnier erreichte. Abends stand III. Armeekorps vor der dritten feindlichen Stellung beiderseits von Beauvois und war im Besitz dieses Ortes; IX. Armeekorps hatte Vaux genommen und nach Eroberung von Fluquières und Happencourt an der Somme die dritte Stellung bereits durchbrochen. Sein Angriff war durch die Erfolge südlich der Somme wesentlich gefördert worden. XVII. Armeekorps und IV. Reservekorps standen am Crozat-Kanal; letzteres hatte ihn bei Quessy und Tergnier bereits überschritten. Bisher wurden 10 000 Gefangene, 150 Geschütze und 300 Maschinengewehre als Beute gezählt.

Die Heeresgruppe Deutscher Kronprinz teilte am Abend mit, daß vor der 2. Armee die Engländer in der Linie Equancourt - Vermand Widerstand leisteten und daß französische Kräfte über Chauny und Noyon im Anmarsch seien. Nördlich der Somme solle die 18. Armee weiter angreifen und sich schnell der Somme-Übergänge von Ham und Dury bemächtigen, um sie zu sperren. Südlich der Somme sei der Crozat-Kanal zu besetzen und für den Übergang zu öffnen; Maß- [408] nahmen gegen den Feind bei Noyon blieben vorbehalten. Der vorausgesehene Stoß der Franzosen gegen die linke Flanke des Michael-Angriffs schien bevorzustehen.

Am Morgen des 23. März hatte III. Armeekorps noch hart um die dritte feindliche Stellung zu kämpfen, kam aber vorwärts und war mittags im frischen Vorgehen gegen die Somme nordwestlich Ham; IX. Armeekorps nahm Ham nach schwerem Kampfe. Südlich der Somme befestigte XVII. Armeekorps seinen Besitz auf dem westlichen Crozat-Ufer und kämpfte noch um St. Simon; IV. Reservekorps, das gleichfalls den Kanal in der Hand hatte, wehrte bei Vouël nordwestlich von Tergnier heftige Gegenangriffe ab, an denen sich auch französische und amerikanische Truppen beteiligten. Am Abend stand III. Armeekorps beiderseits von Béthencourt mit Teilen bereits auf dem westlichen Somme-Ufer; IX. Armeekorps bei Offoy und Ham.

Südlich der Somme war XVII. Armeekorps in flottem Zufassen bis Villeselve und La Neuville gekommen; IV. Reservekorps hatte die Gegend nördlich von Le Caisnel und zwischen Vouël und Neureuil erreicht. Der Drang nach vorwärts war bei allen Truppen, ebenso wie bei der Führung unvermindert; das Armee-Oberkommando bezeichnete als das nächste Ziel die Linie Fresnes westlich St. Christ - Nesle - Guiscard - Chauny, dachte also nicht daran, an Somme- und Crozat-Kanal zu halten, sondern wollte die großen Erfolge bis zum Äußersten ausnutzen.

Die Oberste Heeresleitung leistet nunmehr diesem Streben Vorschub. Die raschen Erfolge der 18. Armee hatten sie schon am 21. März veranlaßt, drei Divisionen der 7. Armee zur 18. Armee zu verschieben, von denen eine hinter den linken Flügel der 2. Armee rücken sollte; am 22. März folgten drei Divisionen aus den Reserven der Obersten Heeresleitung, und die 7. Armee erhielt Befehl, noch weitere Divisionen - zunächst zwei - für den nördlichen Nachbar auszulösen. Man handelte nach dem Grundsatz, daß der Angriff dort am stärksten unterstützt werden müsse, wo er am flottesten vorangehe. Am 23. März vormittags ordnete General Ludendorff an, daß nach Erreichung der Linie Bapaume - Péronne - Ham die 18. Armee in sich links gestaffelt auf Chaulnes und Noyon vorgehen und starke Kräfte über Ham vorführen solle, während die 2. Armee die Linie Miraumont - Lihons, die 17. St. Pol - Miraumont als Ziele erhielten. Die 18. Armee hatte sich nicht mehr zugunsten der 2. nach Norden, sondern diese zugunsten der 18. nach Süden auszudehnen; sie war Stoßgruppe geworden, von der noch große Erfolge erwartet wurden, entgegen ihrer ursprünglichen Aufgabe, die linke Flanke des Michael-Angriffs zu schützen.

Am 24. März rang III. Armeekorps schwer darum, weitere Kräfte über die Somme zu schieben; vom IX. Armeekorps war es allein die linke Flügeldivision, die schon auf dem westlichen Somme-Ufer kämpfte. Im südlichen Abschnitt befand sich XVII. Armeekorps im Vorschreiten auf Guiscard; [409] IV. Reservekorps drang in das Waldgelände zwischen Guiscard und Chauny ein. Im Laufe des Tages mehrten sich die Erfolge. Der Abend sah das III. Armeekorps auf den westlichen Somme-Höhen zwischen Epénancourt und Béthencourt, wo heftige Gegenstöße, auch von Kavallerie, abgewehrt wurden; groß war die Beute an Geschützen und Maschinengewehren. XXV. Reservekorps,43 das einen Teil der Divisionen des III. und IX. Armeekorps übernommen hatte, stand südlich anschließend nordöstlich von Nesle; IX. Armeekorps befand sich im Vordringen auf die Linie Nesle - Hombleux. XVII. Armeekorps erreichte Guiscard; links abhängend hatte IV. Reservekorps französische Divisionen geworfen, viele Gefangene gemacht, war bis zur Linie Guivry - Chauny vorgestoßen und mit vorgeschobenen Teilen bis Abbécourt an der Oise gelangt.

Der Kaiser war wieder im Kampfgebiet. Die Zahl der Gefangenen wuchs auf 20 000 Mann, die genommenen Geschütze mehrten sich auf 400, die Maschinengewehre auf 2000. Unaufhaltsames Vordringen auf die von der Obersten Heeresleitung gesteckten Ziele Chaulnes und Noyon war die Parole der kommenden Tage.

Am 25. März ging die 18. Armee unter sehr heftigen Kämpfen, besonders gegen versteckte feindliche Maschinengewehre, weiter. Mittags war III. Armeekorps vor der Linie Licourt - Potte; XXV. Reservekorps drang auf Etalon vor; IX. Armeekorps überschritt die Linie Nesle - Libermont. XVII. Armeekorps kämpfte noch bei Guiscard, IV. Reservekorps schob sich zwischen Guiscard und Oise auf Noyon heran. Am Abend standen III. Armee- und XXV. Reservekorps in der Linie Misery - Marchélepont - Curchy - Hattencourt - Crémery und waren bemüht, dem IX. Armeekorps vorwärts zu helfen, das sich mühsam den Übergang über den Abschnitt südlich Nesle erstritten und der Linie Herly - Ercheu genähert hatte. XVII. Armeekorps stand beiderseits von Beaulieu; IV. Reservekorps kämpfte nach schönen Erfolgen nördlich von Noyon und griff diesen Ort von Bussy her an.

Die Fortschritte waren so bedeutend und begannen die Frontlinie der südlich angrenzenden 7. Armee so zu überragen, daß diese mit Zustimmung der Obersten Heeresleitung von der Heeresgruppe Deutscher Kronprinz den Befehl erhielt, die Stellungsdivisionen des rechten Flügels bis zur Ailette vorzuschieben, wo der Feind über Amigny zu weichen begann. Gleichfalls mit höherer Ermächtigung ordnete die Heeresgruppe an, daß die 18. Armee nach Erreichung von Roye und Noyon mit dem linken Flügel verhalten solle, bis ausreichende Kräfte zwischen Noyon und dem Forst von St. Gobain unter dem Generalkommando des VIII. Armeekorps44 bereitgestellt wären, um den Angriff erfolg- [410] reich in südwestlicher Richtung weiterzuführen. Dagegen solle der rechte Flügel zusammen mit der 2. Armee, mit der bei Misery Fühlung bestand, die alten französischen Stellungen zwischen Caix und dem Avre-Grunde westlich von Roye nehmen. Während also die Mitte der gesamten Michael-Front in der alten Richtung weitergehen sollte, deutete sich schon ein nach Südwesten Raum gewinnender Angriff auf die Franzosen an.

Der 26. März brachte der 18. Armee abermals große Erfolge. III. Armeekorps nahm Chaulnes und Hallu, kämpfte auf dem rechten Flügel um Lihons und stieß mit dem linken bis Rouvroy vor. Südlich davon erreichte XXV. Reservekorps schon Erches und die Gegend von Guerbigny westlich von Roye; IX. Armeekorps nahm am Vormittage Roye und gelangte bis Marquivillers und Beauvraignes. XVII. Armeekorps gewann an der Straße Roye - Lassigny Crapeaumesnil und Fresnières; IV. Reservekorps setzte sich in den Besitz der Höhen westlich von Noyon mit der Stadt und bildete eine Abwehrflanke zwischen Noyon und Chauny.

Am 27. März gedachte das Oberkommando, einer Weisung der Heeresgruppe entsprechend, mit dem rechten Flügel die Avre südlich Moreuil zu überschreiten, Montdidier zu nehmen und sich in den Besitz der Linie Piennes - Lassigny zu setzen, mit dem linken Flügel bei Noyon aber stehen zu bleiben und die Verbände zu ordnen. Ein vom Abend des 26. März datierter Befehl der Obersten Heeresleitung ließ erkennen, wie sie sich die Fortführung der Operationen vorstellte. Die 18. Armee sollte die Avre mit dem rechten Flügel bei La Neuville Sire Bernard überschreiten, auf die Linie Tartigny östlich Breteuil - Compiègne weitergehen und starke Staffeln hinter dem linken Flügel bereitstellen, denen später die Richtung auf die Aisne zwischen Compiègne und Fontenoy zu geben war. Das war der schon angedeutete Angriff nach Südwesten und Süden auf die Franzosen, der von der 2. Armee durch Vorstoß ihres linken Flügels über Moreuil auf Breteuil unterstützt werden sollte. Der Vormarsch über die Avre blieb aber noch von neuem Befehl der Obersten Heeresleitung abhängig.

Am 27. März drang III. Armeekorps zusammen mit dem linken Flügel der 2. Armee bis Rosières vor und nahm weiter südlich Rouvroy; XXV. Reservekorps bemächtigte sich der Orte

Kavallerie-Patrouille in Lassigny.
Kavallerie-Patrouille wartet in einer zerstörten Straße in Lassigny auf den Befehl zum Vorgehen.
(Vormarsch Noyon–Montdidier, Frühjahr 1918.)
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Aus: Der Weltkrieg in seiner
rauhen Wirklichkeit
, S. 206.

Das Rathaus von Montdidier nach der Beschießung der Stadt.
Das Rathaus von Montdidier nach der Beschießung
der Stadt. März 1918.      [Vergrößern]

Aus: Der Weltkrieg in seiner
rauhen Wirklichkeit
, S. 207.
Bouchoir, Saulchoy und Becquigny. IX. Armeekorps näherte sich bei Faverolles mit dem rechten Flügel Montdidier und stieß mit dem linken Flügel über Tilloloy hinaus. Ein starker Gegenstoß aus Montidider mußte abgewehrt werden. XVII. Armeekorps schob sich in die Linie Le Cessier - Lassigny vor, während IV. Reservekorps die Linie Lassigny - Höhen westlich von Noyon hielt.

Am Abend glückte dem IX. Armeekorps der große Erfolg, Montdidier zu nehmen und das westliche Avre-Ufer zu besetzen. Auch auf den anschließenden Fronten wurden noch Fortschritte gemacht. XXV. Reservekorps drang bis zur Linie Daresnecourt - Montdidier vor; IX. Armeekorps nahm Piennes; [411] dem XVII. Armeekorps fielen Boulogne la Grasse und Conchy in die Hände. Die Bannung des linken Flügels an Noyon ergab eine sich mehr und mehr ausprägende Brechung der Front der 18. Armee in der Gegend von Montdidier; der rechte Flügel wies nach Westen, der linke nach Südwesten. Der Ausgleich konnte erst dann stattfinden, wenn der rechte Flügel westlich der Avre in der Richtung auf Tartigny weiter Raum gewonnen hatte.

Am linken Flügel der Armee übernahm das Generalkommando des VIII. Armeekorps den Befehl über vier Divisionen, die als rückwärtige Staffeln für die Führung der von der Obersten Heeresleitung angeordneten Operation nach Süden auf die Aisne bereitgestellt wurden. Diese Kräfte sowohl wie fünf weitere Divisionen, die unter dem Generalkommando VIII. Reservekorps45 bei Chauny vereinigt wurden, sollten unter den Befehl der 7. Armee treten, die aus der Linie Noyon - Chauny auf Compiègne und Fontenoy vorzustoßen und sich zunächst der Oise-Übergänge zu bemächtigen hatte.

Am 28. März gelangte III. Armeekorps bis zur Linie Caix - Plessier, indem es dem linken Flügel der 2. Armee die Hand reichte, der bis südlich Warfusée-Abancourt kam. XXV. Reservekorps rückte bis Plessier und bis zur Avre bei Hargicourt vor, überschritt den Fluß und setzte sich in Gegend südlich von Hargicourt fest. IX. Armeekorps, um Montdidier geschart, hatte starke Gegenangriffe abzuwehren. Links von ihm bemächtigte sich XVII. Armeekorps der Gegend von Roye sur Matz, lag dann aber auch in der Abwehr feindlicher Vorstöße, während IV. Reservekorps bei Noyon heftiges Artilleriefeuer durch Beschießung erkannter Batterien abzuschwächen suchte. Besonders die Stadt Noyon hatte viel zu leiden.

Noch immer stieg die Beute; die Zahl der Gefangenen betrug mehr als 37 000, der Geschütze mehr als 600, der Maschinengewehre mehrere Tausend. Groß waren die Erfolge der Armee; aber es ließ sich nicht verkennen, daß trotz wiederholten Einschubes kampfkräftiger Divisionen und der Auslösung ermüdeter Truppen die Schwungkraft des Angriffes zu erlahmen begann.

Am Nachmittag des 28. März befahl die Oberste Heeresleitung, daß die 18. Armee erst am 30. März weiter angreifen solle. Für die Mitte wurde die Linie Ferrières - Tricot - Méry - Ressons als Ziel vorgeschrieben; für die Flügel blieben die schon gegebenen Ziele Tartigny und Compiègne bestehen. Dem IV. Reservekorps auf dem linken Flügel fiel die besondere Aufgabe zu, hinter sich eine starke Staffel zu bilden, die durch Einschwenken nach Osten dem VIII. Armeekorps beiderseits von Chauny das Vorwärtskommen über die Oise erleichtern solle. Von der 2. Armee wurde bekannt, daß sie bis zum 30. März die Linie Ailly an der Noye - Thory erreichen werde.

So beabsichtigte man, den Vorstoß nach Südwest gegen die Franzosen in [412] Verbindung mit dem Angriff des rechten Flügels der 7. Armee an der Oise und mit dem linken Flügel der 2. Armee über Moreuil in Fluß zu bringen. Wenn hierbei der 18. Armee für den 29. März Ruhe zugedacht war, so forderten die ungleichmäßigen Frontverhältnisse auf ihrem rechten Flügel doch unbedingt Fortsetzung der bisherigen Angriffe mit kurzen Zielen. III. Armeekorps setzte sich daher am 29. März in den Besitz von Beaucourt und Mézières, so daß - da auch die 2. Armee südlich von Warfusée-Abancourt vorwärts ging - von dort bis Plessier eine gerade Front gewonnen wurde. Die Kämpfe waren besonders schwer. Weiter südlich erwehrte sich XXV. Reservekorps an der Avre heftiger Gegenangriffe, machte aber auf dem westlichen Avre-Ufer bei Bouilloncourt und Maresmontier einige Fortschritte. IX. Armeekorps um Montdidier lag unter schwerem Feuer und wies einen starken feindlichen Vorstoß zurück. Unverändert blieb die Lage beim XVII. Armee- und IV. Reservekorps; auch gegen die Front des ersteren stieß der Feind erfolglos vor.

Am 29. nachmittags teilte die Oberste Heeresleitung als Anhalt für die weiteren Operationen mit, daß der Angriff südlich der Somme in Richtung Amiens und über Montdidier - Noyon - Chauny mit dem linken Flügel der 2., mit der 18. und dem rechten Flügel der 7. Armee fortgesetzt werden solle; starke Kräfte wollte sie hinter der 18. und 2. Armee bereitstellen. Ein weiterer Fernspruch besagte, daß der Angriff trotz der Anstrengungen, die bisher von den inneren Flügeln der 2. und 18. Armee gefordert wurden, weiter gehen müsse. Der linke Flügel der 2. Armee sollte mit voller Kraft bis zur Straße Amiens - St. Fuscien - Ailly an der Noye vorstoßen, der rechte der 18. Armee auf La Faloise gehen - ein neues Ziel, das nördlich des bisherigen Tartigny lag und den tatsächlichen Verhältnissen besser entsprach. Es war Eile geboten; man nahm die Franzosen noch im Aufmarsch gegenüber der 18. Armee an, in den man hineinstoßen wollte.

Das Oberkommando, das bis Estouilly vorgegangen war, wies in seinem abendlichen Befehle darauf hin, daß der Feind noch schwach und geschlagen sei, daß aber Verstärkungen über St. Just - Compiègne heranrückten und angegriffen werden müßten. Um 730 morgens sollten nach einhalbstündiger Artillerievorbereitung III. Armee-, XXV. Reserve-, IX. Armee- und XVII. Armeekorps über die Linie Mailly-Raineval - Malpart - Höhen westlich Montdidier - Piennes - Boulogne la Rasse - Roye sur Matz - also in westlicher und südwestlicher Richtung - vorstoßen, während sich IV. Reservekorps auf Mareuil und Chevincourt zu wenden und starke Reserven zum Stoß nach Südosten bereit zu halten hatte. Vier Divisionen der Armeereserve sollten hinter der Mitte folgen.

Der so befohlene Angriff der 18. Armee schritt am 30. März zunächst gut voran, obwohl der Feind augenscheinlich verstärkt war und von vornherein, besonders bei Montdidier, mit Gegenstößen antwortete. Auf dem rechten Flügel wurde zusammen mit dem linken Flügel der 2. Armee heiß um Moreuil [413] gerungen, das mehrfach den Besitzer wechselte, aber schließlich in seinem südlichen Teile in deutscher Hand blieb. Südlich davon wurde die Linie Sauvillers - Grivesnes vom III. Armeekorps genommen, nachdem bei Braches der Avre-Übergang erkämpft war. XXV. Reservekorps nahm trotz heftiger Gegenangriffe Cantigny und befestigte seinen Besitz der Höhen westlich von Montdidier. IX. Armeekorps erwehrte sich in der Gegend südwestlich und südlich dieses Ortes stärksten Andringens des artilleriekräftigen Feindes und hielt die Linie Mesnil - Assainvillers - Vaux, nachdem es vorerst einige Fortschritte gemacht hatte. Der Angriff des XVII. Armeekorps litt unter starker Flankierung von Osten her, erreichte Vaux und die Gegend von Rollot; der linke Flügel hielt die Gegend nördlich von Orvillers und von Roye sur Matz. IV. Reservekorps behauptete Lassigny nach schweren Vorstößen amerikanischer Truppen und führte seine Linie in südöstlicher Richtung nördlich von Thiescourt und von Evricourt weiter; südlich von Noyon hielt es Sempigny und Le Joncquoi.

Im ganzen blieb der Erfolg des Tages gering; der rechte Flügel hatte seinen Brückenkopf auf dem Westufer der Avre erweitert, während der linke trotz anfänglichen Vorwärtsschreitens hängengeblieben war. Der geplante Angriff des rechten Flügels der 7. Armee kam überhaupt nicht zustande; sie gab vielmehr Kräfte an die 18. ab. Am 31. März tobte sich der Kampf aus. Die 18. Armee, noch immer bestrebt, Gelände zu gewinnen, drückte ihre Linien an einzelnen Stellen etwas vor, so durch Eroberung des Parks von Grivesnes, hatte an anderen feindliche Angriffe niederzuhalten, kam aber im wesentlichen nicht über die Linien des 30. März hinaus. Auch der Feind war sichtlich erlahmt; das Übergewicht der deutschen Truppen in der Kraft der Offensive trat aber nicht mehr hervor.

Schon am 29. März hatte die Heeresgruppe Deutscher Kronprinz der Obersten Heeresleitung vorgeschlagen, den Feind an der Oise im Winkel von Chauny mit den inneren Flügeln der 18. und der 7. Armee umfassend anzugreifen, wenn der Angriff am 30. März nicht durchdringe. Nachdem die 7. Armee von ihrem rechten Flügel Kräfte zur Nährung des Kampfes bei der 18. Armee hatte abgeben müssen, hielt sie den umfassenden Angriff nicht mehr für möglich und empfahl am 30. März, den Gegner zwischen Chauny und Brancourt wenigstens über die Ailette zu werfen. Die Oberste Heeresleitung stimmte zu und leistete damit auf die geplante große Aktion der 7. Armee mit den Zielen Compiègne - Fontenoy Verzicht. Sie gab überhaupt die Richtung nach Südwest und Süden auf, nachdem die geringe Stoßkraft des linken Flügels der 18. Armee erkannt war, faßte vielmehr als Ziel weiterer Angriffe südlich der Somme nur noch Amiens ins Auge.

Am 31. März erhielt die 18. Armee Weisung, sich im allgemeinen auf Abwehr einzurichten; nur der rechte Flügel sollte in Verbindung mit dem linken der 2. Armee in der Gegend von Moreuil in westlicher Richtung angreifen, um die [414] Linie Ailly - Thory zu erreichen, während als Ziel der 2. Armee Dommartin bezeichnet wurde. Am 1. April wurde für beide Armeen der Befehl dahin ergänzt, daß zunächst die Linie Blangy - Tronville - Wald westlich Gentelles - Höhen östlich Ailly - Grivesnes zu nehmen sei, um dann auf Amiens weiterzugehen. Der auf Abwehr gestellte linke Flügel der 18. Armee war von der Heeresgruppe Deutscher Kronprinz um zwei Divisionen zu verstärken. Angriffstag sollte der 4. April sein, um gründliche Vorbereitung zu gewährleisten; am 5. April hatten sich der rechte Flügel der 2. Armee und der linke der 17. gleichfalls mit dem Ziele Amiens dem Vorgehen anzuschließen.

Die Angriffskräfte für den 4. April wurden so geordnet, daß die 2. Armee ihr linkes Flügelkorps Nr. LI an die 18. Armee abtrat, um ihrerseits zwischen Somme und Luce-Bach mit zwei Armeekorps vorzustoßen, während die Armee das neu übernommene LI. Armeekorps und das III. Armeekorps beiderseits von Moreuil zur Offensive ansetzte. Die Vorbereitungszeit bis zum Angriffstage verlief in der Unruhe, wie sie nach kaum geendeten Kämpfen zwischen nahe gegenüber liegenden Gegnern zu bestehen pflegt. Während der 1. und 2. April keine besonderen Ereignisse zeitigten,46 glückte dem III. Armeekorps am 3. April durch eine frisch eingesetzte Division die Wegnahme des letzten feindlichen Besitzes in Moreuil und der Höhen südwestlich davon, die gegen wütende Gegenangriffe gehalten wurden. Damit war eine wesentliche Erleichterung für die bevorstehende Offensive erzielt.

Nachdem die Oberste Heeresleitung am 3. April noch darauf hingewiesen hatte, daß sich die 18. Armee an der Noye zwischen Boves und Ailly möglichst einen Brückenkopf schaffen müsse, begann am 4. April morgens unter anhaltenden Niederschlägen der geplante Angriff beider Armeen. Die 2. Armee eroberte Hamel sowie Waldstücke bei Villers Bretonneux. Die Stoßgruppe der 18. Armee mit sieben Divisionen nahm die Höhen nördlich und westlich Moreuil und arbeitete sich unter großen Schwierigkeiten mit ihren in vorausgegangenen Kämpfen reichlich erschöpften Truppen gegen die Linie Rouvrel - Merville sur Bois - Thory vor, während das südlich benachbarte XXV. Reservekorps das Vorgehen mit seinem Artilleriefeuer unterstützte. Große Ergebnisse traten aber nicht mehr ein. LI. Armeekorps hielt schließlich die Gegend von Thennes am Luce-Bach - nach Norden mit der 2. Armee Verbindung aufnehmend, deren linker Flügel bei Hangard stand - und die Gegend von Morisel, wo III. Armeekorps anschloß. Dessen vordere Linie sprang gegen Rouvrel vor, dann gegen Mailly - Raineval wieder zurück und setzte sich in der Richtung auf die Gegend nordöstlich von Thory und nordwestlich von Grivesnes fort.

Es war also nichts erreicht worden wie eine kleine Verbesserung des Avre- [415] Brückenkopfes, die aber insofern eine schwere Lage schuf, als fast die ganze Artillerie auf das westliche Avre-Ufer vorgezogen war und nur unter größten Schwierigkeiten Schießbedarf heranschaffen konnte. Dazu kamen feindliche Gegenangriffe, die sich nach Süden auch bis gegen das XXV. Reservekorps ausdehnten, während der linke Flügel der 18. Armee ziemlich unbehelligt blieb. An Fortsetzung des Angriffs am 5. April war unter diesen Verhältnissen nicht zu denken; auch in den nächsten Tagen, besonders am 6. und 7. April, war es nur die Abwehr der feindlichen Gegenstöße an der Avre, für die die noch vorhandene Gefechtskraft der Stoßtruppen eingesetzt werden konnte.

Die Heeresgruppe Deutscher Kronprinz meldete am 5. April, daß es nicht mehr möglich sei, den Feind über die Noye zu werfen, ein neuer Angriff vielmehr neue Vorbereitungen zur Voraussetzung habe; darauf entschied die Oberste Heeresleitung am gleichen Tage, daß die 18. Armee die Offensive einzustellen und mit der Abwehr von Gegenangriffen zu rechnen habe, eine Voraussicht, die sich in reichstem Maße erfüllte. So war auch bei der 18. Armee die Frühjahrsoffensive zum Stillstand gekommen, und ebenso wie den beiden anderen Michael-Armeen lag es ihr ob, das Errungene in aufreibendem Stellungskampf zu verteidigen.

In der Offensive der 18. Armee prägte sich die gewaltige Stoßkraft des deutschen Frühjahrsangriffs am deutlichsten aus. In der Hauptrichtung nach Westen kam sie mehr als 60 km voran und erfaßte in mächtiger Vorwölbung ein Gelände, das von einer Frontlinie von mehr als 100 km Ausdehnung umschlossen war, während sie vor dem 21. März nur eine Front von etwa 35 km zu sichern gehabt hatte. Es tut der tatkräftigen Führung und der heldenmütigen Ausdauer der Sturmtruppen keinen Eintrag, daß noch einmal der besonders reichen Ausstattung der Armeen mit Kräften und Artillerie gedacht wird. Wenn ihr im Verlauf der Kämpfe auch fernerhin die Gunst ausgiebiger Zuwendung von Kampfmitteln erhalten blieb, so war das die unmittelbare Folge ihres schnellen Voranschreitens.

Den Vorteil, von den drei Angriffsarmeen den schwächsten Gegner sich gegenüber zu haben, genoß sie nur in den ersten Tagen; dann hatte sie, zunächst auf dem linken Flügel, mit einem sich mehr und mehr verstärkenden Feinde zu tun, der naturgemäß ihre Schritte verlangsamte. Ihre Erfolge übertrafen aber die der beiden anderen Armeen so sehr, daß sie, die ursprünglich nur die mit beschränkten Zielen angesetzte Flankensicherung sein sollte, die Hauptstoßkraft des ganzen Angriffs wurde. Das hatte sie ebensosehr ihrem Oberkommando, das schon frühzeitig über die ersten Ziele hinaussah, wie der Obersten Heeresleitung zu danken, die sich ihre raschen Erfolge zunutze machen wollte. Allerdings trug sie auch den Nachteil, daß ihre Truppen schließlich nach Westen und Südwesten auseinanderstrebten und getrennten Zielen nachgingen. Die Versuche, diesen [416] Mangel, der bei einer Flügelarmee unausbleiblich war, durch Vorschwenken des rechten Flügels und durch Ausdehnung des Angriffs auf die 7. Armee abzuhelfen, schlugen fehl, weil die Schwungkraft erlahmte und die Kräfte des Feindes mehr und mehr wuchsen. Ebenso versagte der Versuch, nur noch auf dem rechten Flügel mit Unterstützung der 2. Armee gegen Amiens vorwärtszukommen, obwohl auf schmalem Raum erhebliche Kampfmittel eingesetzt wurden.

Somit konnte auch die 18. Armee die auf sie gesetzten Hoffnungen nicht erfüllen, nachdem gerade ihre ersten stürmischen Erfolge diese Hoffnungen angeregt und belebt hatten. Als sie zum Stillstand kam, geschah es in einer Lage, die unerwünscht war; ihr kleinerer, nach Westen gerichteter Frontteil bildete einen schwergefährdeten Brückenkopf an der Avre, und die nach Südwesten gewandte breite Hauptfront stellte eine Flanke mit Angriffsmöglichkeiten für den Gegner dar, deren baldige Beschränkung nicht aus dem Auge gelassen werden durfte.


Führung der Obersten Heeresleitung.

Die Darstellung der Kampfereignisse bei den drei Angriffsarmeen läßt erkennen, daß die Führung der Obersten Heeresleitung manche Wandlungen durchmachte. Ursprünglich sollte die Hauptentscheidung gegen die Engländer nördlich der Somme durch die 17. und 2. Armee gesucht werden, während der begrenzte Vorstoß der 18. Armee den Hauptangriff nach Süden gegen die Franzosen zu schützen und die 2. Armee durch die Übernahme ihres Frontteils südlich der Somme zu entlasten hatte. Indes, angeregt durch Vorschläge des Oberkommandos der 18. Armee und der Heeresgruppe Deutscher Kronprinz,47 begann die Oberste Heeresleitung schon vor Beginn der Offensive den Gedanken zu erwägen, die 18. Armee über die Somme-Crozat-Linie hinaus vorgehen und die erwarteten französischen Gegenangriffe in der Linie Bray - Noyon annehmen zu lassen. Unter der Voraussetzung, daß auch die beiden anderen Armeen mit dem ersten Schwunge ihre Ziele erreichen würden, wollte sie die 2. Armee dann nach Süden schwenken lassen, um der 18. Armee zu einem großen Siege über die Franzosen zu verhelfen.

So wurde die 18. Armee bei ihrer bevorzugten Ausstattung mit Kampfmitteln eine Art von Hauptreserve für die Oberste Heeresleitung. Es fand sich bald Gelegenheit, ihre starken Kräfte zu nutzen. Am Morgen des 23. März, des dritten Angriffstages, konnte kein Zweifel sein, daß der Fortschritt der 17. Armee und des rechten Flügels der 2. Armee unzureichend war und wahrscheinlich durch den Mars-Angriff neu belebt werden mußte, während Mitte und linker Flügel der 2. und die durch Neuzuwendungen verstärkte 18. Armee, wie schon am 21. und 22. März, flott voranschritten und an die Somme zwischen [417] Péronne und Ham herankamen. Da, wo der Schwerpunkt lag - nördlich der Somme-Strecke Péronne - Amiens -, trat also Stockung ein, südlich auf dem nicht die Entscheidung suchenden Flügel dagegen verheißungsvoller Fortschritt. Die Oberste Heeresleitung entschloß sich sofort, den Stoß dort zu fördern, wo er schnell Gelände gewann, südlich der Linie Péronne - Amiens. Das bedeutete, daß nunmehr der Angriff mit weiten Zielen auf die ganze Front, auch auf die der 18. Armee, ausgedehnt wurde; die Hoffnung, den nördlichen Flügel noch vorwärtszubringen, wurde dabei durchaus nicht aufgegeben.

So erhielt der Angriff zwei Schwerpunkte, nördlich der Somme gegen die Engländer und südlich gegen die Engländer und die zu erwartenden Franzosen. Die Angriffsrichtung war dabei für die ganze Front scharf nach Westen gedacht, so daß der südliche Flügel in die Lage gebracht wurde, dem schwerer ringenden rechten Flügel vorwärtszuhelfen. Nachteilig war, daß sich die gegen die Franzosen gerichtete Flanke des Südflügels immer mehr ausdehnen mußte; es bedurfte daher eines Mehrs von Truppen, um ihn zu stützen. Die geplante Verbreiterung der 18. Armee zugunsten der 2. bis Péronne kam in Fortfall. Unverkennbar begann dadurch der südliche Schwerpunkt den nördlichen zu überwiegen.

Durch Weisungen, die den neuen Anschauungen entsprangen, wurde am 23. März morgens die 17. Armee auf die Linie St. Pol - Miraumont angesetzt, die 2. auf die Linie Miraumont - Lihons, die 18. auf die Linie Chaulnes - Noyon, wobei letztere starke Kräfte über Ham vorzuführen hatte.

Diese Pläne baute die Oberste Heeresleitung in der Voraussetzung fernerer günstiger Ergebnisse weiter aus und erläuterte sie am 23. März nachmittags den Chefs der Generalstäbe der Heeresgruppen dahin, daß es Ziel der Operation sei, Engländer und Franzosen zu trennen. Nördlich der Somme hätten die 17., die 6. und später die 4. Armee die Engländer ins Meer zu werfen, wobei die 17. ihren linken Flügel über Doullens auf Abbéville vorführen müsse, während südlich der Somme die Franzosen durch Vorschwenken des südlichen Teiles der 2. und der ganzen 18. Armee über die Linie Amiens - Montdidier - Noyon anzugreifen seien. Auch der Möglichkeit, mit dem linken Flügel der 18. Armee zwischen Noyon und Chauny über die Oise vorzustoßen und mit Hilfe der 7. Armee die Franzosen über die Aisne zu werfen, wurde schon gedacht.

Dieses gewaltige Zukunftsbild zeigt das kommende Auseinanderstreben der deutschen Truppen nach zwei Seiten; nachdem sie in westlicher Richtung mit gesammelter Stoßkraft tief in den Feind eingebrochen waren, sollte der Flügel nördlich der Somme in nordwestlicher, der Flügel südlich der Somme in südwestlicher Richtung schwenken, um gleich einem Kämpfer, der sich mit beiden Armen freie Bahn schafft, zwischen Engländern und Franzosen einen Raum zu bilden, der es möglich machte, sie getrennt voneinander zu schlagen.

Der so bis zu den letzten Zielen ausgestaltete neue Plan blieb für die Oberste Heeresleitung maßgebend und beeinflußte den Gang der Operationen so lange, [418] bis die Minderung der Erfolge besonders auf dem nördlichen Flügel sie zu anders gearteten und in den Zielen herabgesetzten Plänen veranlaßte. Bis zum 25. März einschließlich waren die Erfolge aller drei Armeen so günstig, bei der 17. wenigstens auf ihrem linken Flügel, der die Ancre erreichte, daß die Oberste Heeresleitung ihre weiteren Anordnungen in dem angenommenen Rahmen treffen konnte. Am 25. März erklärte sie sich damit einverstanden, daß die 18. Armee ihren linken Flügel bei Roye - Noyon verhielt und nur mit dem rechten nach Westen weiterdrängte, weil es darauf ankam, in dieser Richtung Gelände zu gewinnen, bevor der nach Südwesten vorgesehene Stoß aufgenommen wurde. Der Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht gab sie am gleichen Tage Gesichtspunkte, wie die Zertrümmerung der Engländer zu denken sei. Zunächst sei es wichtig, die englische Front beiderseits der Scarpe nördlich bis Lens durch die Angriffe Mars der 17. und Walkürenritt der 6. Armee zu zerschlagen. Der Angriff habe dann mit der Hauptrichtung über die Loretto-Höhe auf Houdain weiterzugehen. Weiter nördlich müsse der alte St. Georg-Angriff zwischen Armentières und La Bassée-Kanal in kleinerem Umfange vorbereitet werden, um auch dort die Engländer zu werfen; doch werde diese Operation entbehrlich sein, wenn Mars und Walkürenritt durchschlagend wirkten. Operationsziele seien für die 6. und den nördlichen Teil der 17. Armee Boulogne, für deren südlichen Teil, wie bisher, über Doullens Abbéville. Die 2. Armee bleibe auf Amiens angesetzt.

Am 26. März hielt die Oberste Heeresleitung den Zeitpunkt für gekommen, ihre bisher nur in der Form von Aussprachen offenbarten weitgehenden Pläne in feste Befehle zu gießen, obwohl gerade an diesem Tage die 17. Armee keine erheblichen Fortschritte machte. Dagegen waren die Erfolge der 2. und besonders der 18. Armee durchaus vertrauenerweckend, und bei der 17. Armee standen am 28. März Mars, bei der 6. Armee am 29. März Walkürenritt bevor, die dem Angriff gegen die Engländer neuen Antrieb zu geben vermochten. Der am Abend des 26. März gegebene Befehl besagte, daß die 18. Armee gegen die Avre vorschwenken und, mit rechtem Flügel bei La Neuville Sire Bernard, die Übergänge nehmen solle, um mit dem rechten Flügel auf Tartigny, mit dem linken auf Compiègne weiterzugehen. Der Vormarsch über die Avre hatte erst auf Befehl zu erfolgen. Links sollte sich die Armee stark staffeln, um zum Vormarsch auch über die Oise in der Richtung auf Compiègne - Fontenoy bereit zu sein. Die 2. Armee wurde angewiesen, mit starkem linken Flügel südlich der Somme die Avre zu überschreiten, Amiens zu nehmen, über die Somme in die Linie Airaines - Moreuil einzuschwenken und sich mit dem linken Flügel über Sourdon auf Breteuil vorzuarbeiten. Der 17. Armee wurde scharf westliche Richtung vorgeschrieben; der linke Flügel hatte sich südlich Doullens zu halten, der rechte über Arras St. Pol zu erstreben. Mars Süd wurde für entbehrlich gehalten; Mars Nord und Walkürenritt waren auszuführen, Georgette - der verkleinerte St. Georg-Angriff - [419] weiter vorzubereiten. Die 4. Armee hatte sich zu rüsten, gegen den belgischen Teil der Engländerfront vorzudrücken.

Dieser Befehl sah für den südlichen Frontteil - 2. und 18. Armee - die große Schwenkung gegen die Franzosen nach Südwesten vor, wobei die letztere Armee vorerst noch vom Befehl der Obersten Heeresleitung abhängig blieb, während der 17. Armee entsprechend ihrer weniger günstigen Gefechtslage die weitergesteckten Ziele am Meere noch nicht genannt wurden. Die Trennung der Angriffsgebiete war nunmehr vollzogen; 17. und 6., später auch 4. Armee hatten die Engländer, 2. und 18. Armee, nachdem die gegenüberstehenden Engländer erledigt waren, die Franzosen zu schlagen. Indes schon der Verlauf des 27. März ließ es zweifelhaft erscheinen, ob sich der große Plan verwirklichen werde.

Wieder war es der nördliche Teil der Front, der nur geringe Erfolge an der Straße Arras - Albert hatte, während der südliche Teil, namentlich bei der 18. Armee, flotter vorankam und sogar schon bei Montdidier die Avre überschritt. Wenn nun noch Hoffnung gehegt wurde, den Stoß gegen die Engländer durch den Mars-Angriff am 28. März wieder in Fluß zu bringen, so wurde sie durch den Verlauf dieses Tages schwer enttäuscht. Obwohl beiderseits der Scarpe angesetzt, also nicht nur, wie kurz zuvor beabsichtigt war, auf Mars Nord beschränkt, blieb der Angriff ohne nennenswerte Wirkung. Der Beweis war erbracht, daß nördlich der Somme keine Wandlung mehr zum Besseren herbeigeführt werden konnte. Die Oberste Heeresleitung befahl daher schon am Nachmittage dieses Tages, daß Mars nicht fortzusetzen, Walkürenritt nicht aufzunehmen sei, und daß sich die 17. Armee darauf beschränken müsse, die Engländer durch örtliche Angriffe zu fesseln.

Der groß gedachte Schlag gegen Engländer und Franzosen zugleich konnte also nun nicht mehr das Ziel der Obersten Heeresleitung sein; sie mußte ihren Plan ändern und verkleinern, und es entsprach der aussichtsvolleren Lage südlich der Somme, daß sie hier dem erhofften Erfolge noch nachstrebte. Ihr Ziel wurden die Franzosen allein, die noch im Aufmarsch gegen den linken deutschen Stoßflügel gedacht waren. Die 2. Armee erhielt Befehl, sich durch Kampf südlich der Somme in den Besitz der Linie Ailly - Thory jenseits der Avre zu setzen, während die 18. Armee, die an der Avre schon einen Vorsprung hatte, erst am 30. März wieder angreifen sollte, um sowohl in westlicher wie in südwestlicher Richtung vorzudrücken. Die 7. Armee hatte diesen Vorstoß zu verbreitern und sich am 30. März zunächst in den Besitz der Oise-Übergänge beiderseits von Chauny zu setzen. Daß die Engländer nicht für die Dauer sich selbst überlassen werden durften, war klar; der Georgette-Angriff wurde daher für Anfang April in Aussicht genommen und auch an spätere Mitwirkung der 4. Armee durch den Angriff Flandern gegen und über den Loo-Kanal gedacht.

Waren nun die Franzosen das Operationsziel, so trat die Bedeutung des großen Eisenbahnknotenpunktes Amiens, über den die Engländer ihren Ver- [420] bündeten Kräfte zuschieben konnten, deutlich hervor; er wurde der nächste Richtungspunkt der deutschen Offensive, soweit sie nach Westen in Fluß blieb. Am 29. März nachmittag gab die Oberste Heeresleitung für die weiteren Operationen die Weisung, daß der Angriff auf Amiens südlich der Somme und über Montdidier - Royon - Chauny mit linkem Flügel der 2., 18. und dem rechten Flügel der 7. Armee fortzusetzen sei. Diesem Angriffe hätten sich später nördlich der Somme der übrige Teil der 2. Armee und die 17. Armee gleichfalls scharf in der Richtung auf Amiens wieder anzuschließen. Starke Reserven sollten hinter die 18. und 2. Armee geschoben werden. In einem weiteren Befehle wurde betont, daß die inneren Flügel der 2. und 18. Armee trotz aller bisherigen Anstrengungen über die Noye vorwärts kommen müßten; der erstere erhielt die Linie St. Fuscien - Ailly als nächstes Ziel, der letztere La Faloise, um dann in den nach Südwest gerichteten Angriffsstreifen einzudrehen.

Aus diesen Anordnungen war zu ersehen, daß die Oberste Heeresleitung nicht mehr an die gemeinsame Schwenkung der ganzen 2. und 18. Armee nach Südwesten dachte, sondern diese Bewegung zunächst allein dem linken Flügel der 18. und dem rechten Flügel der 7. Armee zuwies, während im übrigen die Richtung auf das wichtige Amiens eingehalten werden sollte. Man hoffte, auch mit verringerten Kräften in der Schwenkungsrichtung Erfolg zu haben, weil die Franzosen noch nicht versammelt auftreten konnten. Der planmäßige Angriff am 30. März nach Westen und Südwesten ließ aber erkennen, daß in keiner dieser Richtungen entscheidende Vorteile zu erringen waren; der Feind war an Kräften gewachsen, während sich die deutschen Erfolge in bescheidenen Grenzen hielten und nur südlich der Luce bis Montdidier einigermaßen lohnenden Gebietszuwachs erbrachten.

Die Oberste Heeresleitung gab nunmehr den Stoß nach Südwesten gegen die Franzosen ebenso auf, wie sie schon vorher auf den vernichtenden Schlag gegen die Engländer verzichtet hatte, wollte aber die Frühjahrsoffensive nicht ohne greifbaren und eindrucksvollen Erfolg auslaufen lassen, der mehr bedeutete als reinen Geländegewinn. Ihr Ziel wurde jetzt der Eisenbahnknotenpunkt Amiens allein, dessen Verlust die Bewegungen der Ententetruppen auf die Küstenbahnen beschränken mußte. Sie gewann die Überzeugung, daß diese gegen die früheren weiten Ziele sehr eingeengte Fortführung der Operation nur möglich war, wenn den Truppen Zeit zur Erholung, Umgruppierung und vor allem zur Ergänzung des Schießbedarfs gelassen wurde, welch letztere von den Führern als besonders wichtig bezeichnet worden war. Der Stoß auf Amiens wurde auf den 4. April angesetzt, obwohl man sich bewußt war, daß diese Hinausschiebung auch dem feindlichen Widerstande zugute kommen würde. Ihre Weisungen vom 31. März machten es offenbar, daß die Oberste Heeresleitung nur südlich der Somme, wo die Kampfverhältnisse nach ihren Erfahrungen nicht so schwierig waren, noch Erfolg erhoffte. Der Angriff war von dem linken Flügel der 2. und [421] dem rechten Flügel der 18. Armee zu führen, wobei erstere gehalten wurde, ihren Schwerpunkt durchaus in den Raum südlich der Somme zu legen.

Es bauten sich daher auf dem südlichen Somme-Ufer beiderseits des Luce-Bachs auf engem Raume verhältnismäßig starke, aber zum großen Teile doch schon sehr mitgenommene Kräfte auf; die nächsten Ziele waren Dommartin, soweit die Truppen der 2., und die Linie Ailly - Thory, soweit sie der 18. Armee angehörten. Wenn der Zugriff auf Amiens schon in seinen Anfängen glückte, dann erhoffte die Oberste Heeresleitung so starke Belebung des Angriffsschwunges auch auf der nördlichen Front, daß sich am 5. April die Teile der 2. Armee nördlich der Somme und die 17. Armee dem Vorgehen anschließen könnten. Dagegen wurde der linke Flügel der 18. Armee gänzlich stillgelegt. Am 1. April wurde der 2. und 18. Armee die Linie Blangy - Tronville - Wald östlich Gentelles - Höhen östlich Ailly - Grivesnes als erste Angriffsetappe vorgeschrieben.

Die Ereignisse am 4. und 5. April ließen die Kampfmüdigkeit der deutschen Truppen mit solcher Deutlichkeit hervortreten, daß die Oberste Heeresleitung das Ende der Michael-Operation gekommen sah. Schweren Herzens gab sie am 5. April den Befehl, daß der Angriff von der 17., 2. und 18. Armee einzustellen sei, und daß sich die beiden letztere Heereskörper auf feindliche Gegenangriffe gefaßt machen müßten. Am 8. April solle durch artilleristische Tätigkeit und örtliche Unternehmungen Fortsetzung des Angriffs vorgetäuscht werden; das war der für Georgette in Aussicht genommene Tag. Mit ihrem Verzicht auf weitere entscheidende Tätigkeit auf der St. Michael-Front wußte sich die Oberste Heeresleitung im Einverständnis mit den beiden beteiligten Heeresgruppen.


Ergebnis der St. Michael-Offensive.

Wenn mit dem Abbruch der Operation auch stolze Hoffnungen begraben wurden, so war man doch auf diesen Fall nicht unvorbereitet. Die Oberste Heeresleitung hatte immer damit gerechnet, daß es nötig werden könnte, dem ersten Hammerschlage gegen die feindliche Front noch weitere folgen zu lassen, denen die zertrümmernde Wirkung des ersten Stoßes zugute kommen würde. Wie sie die Ergebnisse des Michael-Angriffes beurteilte, geht aus einem Befehl vom 1. April 1918 hervor, in dem die Leistungen der beteiligten Truppen wie folgt anerkannt wurden:

      "Der erste Stoß der 17., 2. und 18. Armee hat einen großen Erfolg gehabt. Wir haben das große englische Stellungssystem von südöstlich Arras bis La Fère überrannt, haben etwa 41 englische Divisionen und etwa 18 französische Divisionen geschlagen, zum mindesten stark geschwächt. Wir haben den Engländern ungeheures Kriegsmaterial und zahlreiche Gefangene abgenommen. Die englische Armee ist augenblicklich nicht operationsfähig. Die französische Armee kann mit 20 bis 30 Divisionen zu einem einheitlichen An- [422] griff kommen, den sie eintretendenfalls gegen den südlichen Flügel der 18. Armee richten würde."

So hoch die Schädigungen der Gegner auch zu schätzen waren, ihnen standen doch die Schwierigkeiten gegenüber, die die Ausbuchtung der Front in das feindliche Gebiet hinein als Ergebnis des Angriffs mit sich brachte. Der erkämpfte Raum bildete ungefähr ein Dreieck, dessen Grundlinie die Ausgangsstellung in der Linie: Gegend von Arras - La Fère war, während die beiden anderen Seiten durch die Linien: Gegend von Arras - Montdidier und La Fère - Montdidier gebildet wurden. Es war eine sehr viel größere Strecke zu besetzen und zu halten als vor dem Angriffe, und der Kräfteeinsatz wurde noch dadurch gesteigert, daß die neue Front nicht nach den Gesetzen des Stellungskrieges gewählt, sondern mitten im Ringen um Geländegewinn erstarrt war. Die Frontverhältnisse erwiesen sich teilweise als sehr ungünstig, besonders an der Ancre bei Albert, bei Villers Bretonneux und in dem Avre-Brückenkopf der 18. Armee; Stellungsbauten waren fast nirgends in ausreichendem Maße vorhanden, und es ließ sich voraussehen, daß auch strenge Befehle keine schützenden Gräben, Unterstände, Verbindungswege und Hindernisse hervorzaubern würden, weil im Gegensatz zu früheren Zeiten die Arbeitskräfte zu gering und die Kampfspannung zu groß war.

Man hatte es mit einem sich mehr und mehr verstärkenden, angriffslustigen Feinde zu tun, dem die Schwächen der neuen deutschen Stellungen nicht lange verborgen blieben. Es war noch ein Glück, daß der Gegner in den nächsten Wochen zwar sehr häufig, aber meist zusammenhangslos vorstieß; indes er erreichte dadurch doch, daß die deutschen Verteidigungskräfte und leider auch Reserven erschöpft wurden, deren Verwendung zur Ausführung der neuen Pläne der Obersten Heeresleitung an anderen Stellen erwünscht gewesen wären.


Unterstützung von St. Michael durch Nebenhandlungen.

An allen Teilen der Westfront hatte in den Tagen vor dem 21. März lebhafte Tätigkeit geherrscht, namentlich der Artillerie, aber auch durch Vorstöße von Streifen und größerer Abteilungen, die planmäßig dazu dienten, den Gegner über die eigentliche Angriffsfront ins Ungewisse zu setzen und seine Reserven zu binden.48 Diese Beunruhigung des Feindes steigerte sich bis zum Angriffstage und nahm besonders bei Verdun sehr heftige Formen an. Am 17. und 20. März stießen bei Verdun und südlich von Metz starke Abteilungen vor und brachen mit kurz gesteckten Zielen erfolgreich in die feindlichen Stellungen ein. Gegen die Küste bei Dünkirchen richteten deutsche Torpedostreitkräfte am 21. März einen Feuerüberfall. In den nächsten Tagen wurden die Versuche zur Feststellung feindlicher Kräfte fortgesetzt; abgesehen von Verdun spielten sich schwere Artilleriekämpfe [423] und Erkundungsgefechte zwischen Lys und La Bassée-Kanal, beiderseits von Reims und in Lothringen ab. Vom 27. März an flauten sie ab und hielten nur noch in Lothringen an, um sich auch dort am 30. März abzuschwächen. Daß diese Täuschungsversuche auf große Dauer wirksam waren, wurde von vornherein nicht vorausgesetzt; vorübergehend sind sie aber erfolgreich gewesen und haben auch dazu beigetragen, daß die Verteilung der englischen Reserven den tatsächlichen deutschen Angriffsabsichten nicht angepaßt war. Auch bei den Franzosen begann erst vom 24. März an Klarheit darüber zu herrschen, daß mit einem zweiten deutschen Angriff, der besonders bei Reims befürchtet wurde und durch gewaltige, frisch zugeführte Artillerie bekämpft werden sollte, nicht zu rechnen war. Im ganzen wurde so viel erreicht, daß sich die umfangreichen Vorarbeiten und Leistungen für die Irreführung des Feindes bezahlt machten.

Es galt aber nicht nur den Feind irrezuführen; dort wo durch die Wucht des Angriffes selbst die Tatsache der ihm drohenden schweren Gefahr sofort erkennbar wurde, mußte er bis in die Tiefen seiner Aufstellung hinein und darüber hinaus beunruhigt und geschädigt werden, um ihn in seinen Entschließungen und Bewegungen zu hemmen. Das geschah durch das Feuer der Fernkampfgeschütze und durch die Tätigkeit der Bombengeschwader der Fliegertruppe, die sich besonders Eisenbahnknotenpunkte, Schienenwege, Straßen, Depots und Stabsquartiere als Ziele suchten. Der Erfolg ist naturgemäß sehr schwer abzuschätzen; zwingende Wirkung darf solchen Belästigungen über weiten Raum nicht zuerkannt werden. Je mehr die Bedeutung von Amiens hervortrat, um so häufiger richteten sich dorthin die Rohre der Flachbahngeschütze und die Vorstöße der Luftstreitkräfte. Als es feststand, daß keine Hoffnung mehr war, Amiens zu nehmen, gaben diese Mittel allein noch die Möglichkeit, dem Gegner die Benutzung des wichtigen Eisenbahnknotenpunktes zu erschweren oder zu verleiden.

Das ‘Pariser Ferngeschütz'.
Das "Pariser Ferngeschütz" mit fahrbarem,
eigens hierzu konstruiertem Hebekran.
[Vergrößern]

Aus: Der Weltkrieg in seiner
rauhen Wirklichkeit
, S. 203.
Die überragende deutsche Technik fand aber noch einen anderen Weg, den Feind an empfindlichster Stelle zu treffen, um seinen Widerstandswillen, nicht nur den der Truppen, sondern auch den des Volkes, brüchig zu machen. Am 25. März verkündete der deutsche Heeresbericht der erstaunten Welt, daß Paris mit weittragenden Geschützen beschossen worden sei. Es handelte sich um Riesenkanonen, Werke der Firma Krupp, die aus der Gegend von Crépy bei Laon ihre Geschosse über einen Raum von 128 km in die französische Hauptstadt schleuderten. Die Wirkung war so erschreckend, daß ein Teil der Bevölkerung Paris verließ.Wieder einmal zeigte sich, daß Deutschland in der Findung neuer Kriegsmittel, trotz der Schwierigkeiten seiner eingeengten Lage, gegenüber den Ententestaaten die Vorhand hatte. Die Beschießung wurde in der nächsten Zeit fortgesetzt und Paris dauernd in Atem gehalten.49


13 [1/383]Hierzu Skizze 22 auf Beilage. [Scriptorium merkt an: der Einfachheit halber von uns verkleinert oben im Text eingefügt; durch Mausclick zu vergrößern!] ...zurück...

14 [2/383]General v. Faßbender. ...zurück...

15 [3/383]General Albrecht. ...zurück...

16 [4/383]General v. Lindequist. ...zurück...

17 [5/383]General v. Stein. ...zurück...

18 [6/383]General Dieffenbach. ...zurück...

19 [7/383]General v. d. Borne. ...zurück...

20 [8/383]General Kühne. ...zurück...

21 [1/384]Vergleiche Seite 364. ...zurück...

22 [2/384]Sie wurden beim XIV. Reservekorps eingesetzt, kamen aber wegen geringer Munitionsausstattung kaum zur Wirkung. ...zurück...

23 [3/384]Chef des Generalstabes Oberst v. Pawelsz. ...zurück...

24 [1/386]17. Infanterie-Division, VI. Reservekorps. ...zurück...

25 [1/390]Für die Verhältnisse beim Feinde war es bezeichnend, daß in dem von ihm geräumten Dorfe Achiet le Grand 16 betrunkene Engländer von fünf verschiedenen Divisionen gefunden wurden. ...zurück...

26 [1/391]Vergleiche Seite 366. ...zurück...

27 [1/393]Generalmajor Lequis. ...zurück...

28 [1/395]General v. Staabs. ...zurück...

29 [2/395]General Frhr. v. Watter. ...zurück...

30 [3/395]General v. Kathen. ...zurück...

31 [4/395]General v. Gontard. ...zurück...

32 [5/395]General v. Hofacker. ...zurück...

33 [6/395]Chef des Generalstabes Oberst v. Tschischwitz. ...zurück...

34 [1/402]Die Aufnahme des Baubetriebes auf den durchs Kampfgebiet führenden, von den Engländern zerstörten Bahnen kam erst Anfang April in Fluß. ...zurück...

35 [1/405]General v. Oetinger. ...zurück...

36 [2/405]General v. Webern. ...zurück...

37 [3/405]General Frhr. v. Lüttwitz. ...zurück...

38 [4/405]General v. Conta. ...zurück...

39 [5/405]Chef des Generalstabes General v. Sauberzweig. ...zurück...

40 [6/405]Seite 369. ...zurück...

41 [1/406]Durch den rechten Flügel der 7. Armee. ...zurück...

42 [2/406]Seite 371. ...zurück...

43 [1/409]General v. Winckler. ...zurück...

44 [2/409]General v. Schöler. ...zurück...

45 [1/411]General Wichura. ...zurück...

46 [1/414]Es verdient indes hervorgehoben zu werden, daß der Gegner am 2. April die Kathedrale von Noyon in Brand schoß. ...zurück...

47 [1/416]Seite 357 und folgende. ...zurück...

48 [1/422]Seite 359 u. f. ...zurück...

49 [1/423]Die erste Beschießung von Paris fand am 23. März mit 27 Schuß statt. Der Gegner erwiderte das Feuer aus der Gegend von Soissons durch Abstreuen des Geländes am Bahnhof Crépy ohne wesentlichen Erfolg. ...zurück...


Der Weltkampf um Ehre und Recht.
Die Erforschung des Krieges in seiner wahren Begebenheit,
auf amtlichen Urkunden und Akten beruhend.
Hg. von Exzellenz Generalleutnant Max Schwarte