Bd. 3: Der deutsche Landkrieg, Dritter Teil:
Vom Winter 1916/17 bis zum Kriegsende
Kapitel 8: Die deutschen
Angriffe des Jahres 1918
(Forts.)
Generalmajor Rudolf v. Borries
6. Blücher-Offensive.75
Nachwirkungen der St.
Michael-Offensive.
Vier Tage nach der Einstellung des St. Michael-Angriffes, am 9. April
1918, meldete die Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht, daß sie von der 17.
und 2. Armee neue Vorstöße mit beschränkten Zielen
vorbereiten lasse; die 17. sollte sich mit ihrem linken Flügel unter Einsatz
von sechs bis sieben ausgeruhten Divisionen in der Zeit vom 16. bis 20. April des
Höhengeländes von
Bucquoi - Hébuterne -
Colincamps - Auchonvillers - Englebelmer bemächtigen, die
2. frühestens am 16. April den Brückenkopf von Albert erweitern,
den Winkel zwischen Ancre und Somme ausräumen und südlich der
Somme über die Avre bis zur Linie
Fouencamp - Rouvrel - Merville au Bois Gelände
gewinnen. Es handelte sich also um wesentliche Stellungsberichtigungen, die die
Kampfverhältnisse auf deutscher Seite bessern und zugleich Amiens unter
schärferes Feuer bringen sollten. Die Truppenabgaben aber, die zugunsten
der Georgette-Operation aus der St. Michael-Front notwendig wurden,
minderten diese Pläne schon in den nächsten Tagen herab. Am 12.
April wurde die geschwächte 17. Armee völlig auf die Verteidigung
angewiesen; die 2. Armee sollte lediglich südlich der Somme gegen die
Linie Fouilloy - Cachy - Thennes vorgehen, um Villers
Bretonneux in ihren [456] Besitz zu bringen, und
später den Ancre-Somme-Winkel nehmen. Die Angriffspläne weiter
südlich über die Avre wurden aufgegeben.
Inzwischen sorgte der Feind dafür, daß die
St. Michael-Armeen nicht zur Ruhe kamen. Die letzten deutschen
Kampfhandlungen, die sich am 4. und 5. April besonders gegen Amiens
gerichtet hatten, lösten eine Reihe von heftigen Gegenangriffen aus, die
zumeist die deutschen Stellungen beiderseits der Luce betrafen, aber auch weiter
nördlich und südlich dieses Hauptbrennpunktes die neuen Linien zu
überrennen trachteten, so besonders bei Albert, Moreuil und Noyon.
Alle diese feindlichen Anstrengungen blieben im wesentlichen erfolglos;
gelegentlich gelangen sogar den Deutschen kleine Vorstöße mit
Geländegewinn und Gefangenen. Die Unrast aber, die durch die
häufigen Kämpfe und durch das ununterbrochene, weit ins
Hintergelände reichende Artilleriefeuer erzeugt wurde, war sehr groß
und spannte die Truppen aufs höchste an.
So schob sich das auf Villers Bretonneux gerichtete Unternehmen der 2. Armee
immer mehr hinaus und wurde erst am 24. April ausgeführt. Als Zweck
wurde die Verbesserung des linken Flügels der 2. Armee, als Ziel die Linie
Fouilloy - Gentelles - Hangard bezeichnet. Der Stoß
war vom XIV. und XI. Armeekorps76 zu führen, deren innere
Grenzlinie südlich Marcelcave auf die Gegend südlich Villers
Bretonneux verlief. Beide Korps hatten je eine Division im ersten und je eine
zweite im zweiten Treffen.
Am 24. April stürmte das XIV. Armeekorps Villers Bretonneux und den
westlich davon gelegenen Wald bis in das Innere hinein. Südlich drang das
XI. Armeekorps bis an den Ostrand von Cachy und durch den Wald
nördlich von Hangard vor und nahm Hangard, wurde aber schon um 1 Uhr
nachmittags an der Naht zum XIV. Armeekorps durch einen englischen
Gegenstoß bei Cachy wieder ein Stück zurückgedrückt,
so daß südlich Villers Bretonneux ein feindliches Nest entstand,
dessen Beseitigung den erschöpften Truppen nicht mehr glückte. Um
10 Uhr abends traf ein starker feindlicher Angriff aus Cachy die Truppen
südlich Villers Bretonneux und erzeugte eine Panik, die nicht rechtzeitig
behoben werden konnte, weil die Reserven nicht schnell genug herankamen. Die
inneren Flügel beider Korps wichen bis zum Ostrand von Villers
Bretonneux zurück.
Am 25. April morgens kam ein zweiter starker Angriff aus nordwestlicher
Richtung gegen das XIV. Armeekorps und entriß ihm endgültig den
heißumstrittenen Ort. Ein Teil des sonstigen Geländegewinnes blieb
bestehen. So endete die erfolgreich begonnene Unternehmung trotz der hohen
Zahl von 2400 englischen Gefangenen mit einem Rückschlag, die die
Oberste Heeresleitung veranlaßte, von weiteren Angriffsabsichten auf dem
nördlichen Teile der Michael-Front abzusehen. Die Abwehr wurde
für die nächste Zeit in den Vordergrund gestellt, Lockerung der
Front, Ausscheiden von Reserven und den Verteidigungsverhältnissen
entsprechende Neugruppierung der Kräfte angeordnet.
[457] Der Kampf um Villers
Bretonneux war dadurch bemerkenswert, daß der deutsche Vorstoß
von drei Kampfwagenabteilungen mit zusammen 15 Tanks unterstützt
wurde, der bis dahin stärkste Einsatz dieser neuen Waffe auf deutscher
Seite. Am St. Michael-Angriff hatten auch schon zwei
Kampfwagenabteilungen in der Gegend von St. Quentin teilgenommen,
ebenso am Georgette-Angriff, bei letzterem unter den kaum überwindbaren
Schwierigkeiten, die der tiefe Boden erzeugte. Die deutsche Kampfwagentaktik
wich von der gegnerischen dadurch ab, daß die Tanks der Infanterie nicht
als Bahnbrecher vorangingen, sondern ihr folgten, um nicht ausgemerzte
Maschinengewehrnester zu zerstören, wobei sie sich sehr bewährten.
Diese Art des Einsatzes war durch ihre geringe Anzahl begründet. Am 24.
April eilten sie aber der Infanterie weit voraus und kämpften erfolgreich bei
Villers Bretonneux und am Walde nördlich von Hangard; es kam sogar zu
einem Kampfe von Tanks gegen Tanks östlich von Cachy, wobei ein
deutscher Wagen sieben feindliche abwehrte und drei von ihnen
zusammenschoß. Zwei deutsche Tanks blieben im Kampfgelände
liegen.
[464a]
Schlachten im Westen. Tank bricht in Ortschaft ein.
|
Gleichzeitig mit dem Angriffe nördlich der Luce fand am 24. April
morgens eine kleine deutsche Unternehmung am Brückenkopfe von
Moreuil statt, die die Höhe nordwestlich von Castel zum Ziele hatte, und
nicht nur den erstrebten Geländegewinn, sondern auch zahlreiche
Gefangene erbrachte. Damit waren die Verhältnisse des dauernd schwer
bedrohten Brückenkopfes einigermaßen gebessert. Ebenso wie der
Stoß auf Villers Bretonneux erzeugte dieser Erfolg heftige feindliche
Gegenwirkungen, die siegreich abgeschlagen wurden. Es bestand wenig
Hoffnung, daß auf diesem Teile der Front in nächster Zeit
Beruhigung eintreten würde.
Nutzung der Kampferfahrungen.
Neben neuen Angriffsplänen im großen beschäftigte sich die
Oberste Heeresleitung in dieser Zeit damit, die Erfahrungen der
St. Michael-Offensive Gemeingut des ganzen Heeres werden zu lassen.
Einige Fingerzeige bot ein aufgegriffener englischer Befehl, der über die
deutschen Angriffsleistungen folgendes Urteil abgab: "Die Deutschen
nähern sich sehr langsam in dichten Linien und Gruppen und bieten ein
außerordentlich gutes Ziel. Der gewöhnliche deutsche Soldat macht
keinen Gebrauch von seinem Gewehre." Die behaupteten dichten Formen der
Deutschen waren im ganzen mit Recht anzuzweifeln, weil schon die
Stärken der Truppen in ihrem Verhältnis zu den Angriffsbreiten
und -tiefen keine Massierung gestattet hätten. Es war eine schon
bekannte Liebhaberei unserer Feinde, den Deutschen Massentaktik zuzuerkennen,
weil sich damit einerseits die eigenen Niederlagen beschönigen, anderseits
die Verluste des Angreifers übertrieben darstellen ließen.
Immerhin nahm die Oberste Heeresleitung bei der unzweifelhaft vorhandenen
Neigung der Infanterie, sich zusammenzudrängen, doch Veranlassung, auf
Grund dieses Urteils darauf hinzuweisen, daß sparsamster
Kräfteeinsatz geboten sei, der [458] nach Bedarf von
rückwärts genährt werden müsse. Die Angriffswellen
seien möglichst licht zu halten und mit schweren und leichten
Maschinengewehren auszustatten; zur Niederzwingung des Gegners müsse
auch das Gewehrfeuer beitragen.
Am 17. April 1918 erließ die Oberste Heeresleitung neue
Ausbildungsvorschriften für den Angriff, die auf den bisherigen
Erfahrungen beruhten. Sie zeigten, daß sich die großen
Gesichtspunkte der Vorschrift "Der Angriff im Stellungskriege"77 voll bewährt hatten und nur in
einigen Punkten schärferer Betonung und Erfassung des Wesentlichen
bedurften. Die Oberste Heeresleitung bemühte sich selbst, das wenige, was
sich durch die Handhabung im wirklichen Kampfe als verbesserungswürdig
herausgestellt hatte, praktisch zu erproben. Zu diesem
Zwecke wurden die 28. Infanterie-Division, die sich beim
St. Michael-Angriff der 18. Armee besonders bewährt hatte, und das
Jäger-Bataillon Nr. 3 in die Nähe von Avesnes herangezogen,
um unter den Augen der Obersten Heeresleitung durch sachgemäß
angelegte Übungen den Angriff in allen seinen Teilen und Phasen als
Musterleistung durchzubilden. Am 6. Mai 1918 fand dort eine große
Vorführung statt, zu der zahlreiche Truppenkommandeure berufen
wurden.
Neue Angriffspläne.78
Die neuen Angriffsabsichten der Obersten Heeresleitung beruhten auf der
Erkenntnis, daß die einmal gewonnene Vorhand in der Offensive keinesfalls
den Feinden überlassen werden dürfe. Wollte man Nutzen aus der
bisherigen Zertrümmerung der feindlichen Streitkräfte ziehen, so
mußte man fortfahren zu hämmern, bis sich entweder an einer der
Angriffsstellen durch den Bruch der feindlichen Front der Weg zum Siege
öffnete oder die Fortsetzung der deutschen Erfolge den Gegner
friedensgeneigt machte. Eile war geboten, denn der feindlichen Seite flossen
ununterbrochen frische Kräfte durch die Amerikaner zu, und die offene
Verbindung mit der ganzen Welt gestattete ihr, alle Ausfälle an
Kriegsgerät in nicht allzu langen Fristen zu ergänzen.
Anderseits wußte man auf deutscher Seite, daß große Erfolge
im Stellungskriege, abgesehen von der Überraschung, nur durch
sorgfältige, eingehende, alles bedenkende Vorbereitungen erzielt werden
konnten, die sich über Wochen ausdehnen mußten, daß nichts
schädlicher wirke, als Überhastung. Der Zeitverlust, der damit
verbunden war und dem Gegner zugute kam, mußte in Kauf genommen
werden, durfte aber nicht dazu führen, daß die nächste
Offensive verschleppt wurde. Die Erwägungen, wie sie zu gestalten sei,
griffen bis in die Zeit zurück, als die
Georgette-Operation noch in Fluß war. Schon Mitte April hatte die
Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht Vorschläge für neue
Stöße gegen die Engländer gemacht, sei es zur Fortsetzung von
Georgette, sei es aus dem nörd- [459] lichen Teil der
St. Michael-Front, während die Oberste Heeresleitung durch die
Heeresgruppe Deutscher Kronprinz Erwägungen über einen Angriff
gegen die Franzosen im Raum zwischen Soissons und Reims anstellen
ließ.
Die Pläne der Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht trugen die Bezeichnung
"Neu-Michael" und "Neu-Georg". Neu-Michael - geführt von der
17. und 2. Armee aus der Linie Ayette - Albert - hatte die
englische Front in der Richtung auf Doullens zu durchbrechen. Dem schmalen
Angriff wurden aber nur dann große Erfolgsmöglichkeiten
beigemessen, wenn die 6. Armee gleichzeitig aus der Linie
St. Venant - Lens auf St. Pol vorstoße.
Neu-Georg sollte sich gegen den englischen Nordflügel richten, und war
von der 4. Armee aus der Linie Ypern - Vieux Berquin auf
Poperinghe und Cassel, später auf Dünkirchen und Calais zu richten.
Die Heeresgruppe erkannte Neu-Georg keine strategische Bedeutung, sondern nur
den Wert schwerer Schädigung der Engländer und Belgier zu.
Trotzdem gab sie in ihren Berichten an die Oberste Heeresleitung wegen der
leichteren Vorbereitungen Neu-Georg vor Neu-Michael den Vorzug.
Die Heeresgruppe Deutscher Kronprinz in Mézières hatte von der
Obersten Heeresleitung folgende Richtlinien erhalten: Die 7. Armee sollte auf
ihrem nach Süden gerichteten Frontteil zwischen Crandelain und dem
Winterberge bei Craonne auf das Höhengelände von Moussy und
Paissy angreifen. Die links anschließende 1. Armee hatte sich beiderseits
von Juvincourt et Damary dem Vorstoße anzuschließen; das zwischen
den Angriffsräumen beider Armeen gelegene Massiv des Winterbergs war
auszusparen und durch die doppelte Umfassung zu Fall zu bringen. Jede Armee
hatte etwa drei Divisionen zu stellen und durfte auf vier bis fünf Divisionen
Verstärkung rechnen. Der Kampf sollte in dem bergigen Gelände,
das südlich der von der 7. Armee gehaltenen Ailettelinie zunächst
steil zum Rücken des Chemin des Dames aufsteigt, wie im Gebirge
geführt werden. Der Gegner wurde als schwach bezeichnet, der Angriff
hatte daher kaum besondere Schwierigkeiten.
Die Heeresgruppe gab diese Weisungen an die Oberkommandos der 7. Armee in
Marle und der 1. Armee in Rethel in folgender Form weiter:
"Auf Befehl der Obersten
Heeresleitung sind vorzubereiten 1, durch 7. Armee: Angriff über den
Chemin des Dames zwischen Malval Fe. (westlich Courtecon) und
Hurtebise Fe. (westlich des Winterberges) bis zum
Oise-Aisne-Kanal und zur Aisne. 2. Durch 1. Armee im Einvernehmen mit 7.
Armee: gleichzeitige Fortnahme des Villers Berges (bei la Ville aux Bois)
und Weiterführung des Angriffs zur Unterstützung des Angriffs der
7. Armee. - Kennwort des Angriffs der 7. Armee "Blücher 1",
der 1. Armee "Blücher 2". Grundlage ist die augenblicklich
schwache Besetzung der feindlichen Front. Beide Angriffe müssen daher
überraschend geführt, alle Vorbereitungen von vornherein
völlig geheim gehalten werden. In Berücksichtigung der schwachen
Frontbesetzung beim Feinde müssen die Armeen die
Kräfteanforderung auf das notwendigste Mindestmaß
beschränken......"
[460] Am 19. April fand im
Großen Hauptquartier eine Besprechung statt, in der die Angriffsfront der 7.
Armee nach Westen bis in die Gegend nördlich von Vailly erweitert wurde;
im Osten sollte ihr unter Übernahme des Divisionsabschnittes des rechten
Flügels der 1. Armee die Fortnahme des Villers Berges zufallen. Bereits am
20. April legte die Heeresgruppe die ersten Angriffsentwürfe der 7. und 1.
Armee der Obersten Heeresleitung vor. Dabei faßte sie die Aufgaben der
angreifenden Teile wie folgt zusammen:
"Die 7. Armee wirft den Feind in
überraschendem Angriffe über den Chemin des Dames und setzt sich
in Besitz der allgemeinen Linie Fort Malmaison (südlich
Chavignon) - Hochfläche nordöstlich von
Vailly - Aisne bis Berry au Bac. Die 1. Armee wirft, gleichzeitig mit
dem Angriff der 7. Armee, den Feind zwischen Sapigneul und dem Brimont in
überraschendem Angriff über den Kanal. Die Armee bereitet den
weiteren Angriff zwischen der Aisne und Courcy vor, um sich nach Erreichen der
Aisne (7. Armee) und des Kanals (1. Armee) im Zusammenwirken mit der 7.
Armee durch umfassenden Angriff in Besitz der Höhen zwischen Aisne
und Vesle zu setzen."
Diese Vorschläge lassen erkennen, daß nun auch im Ziel über
die ursprüngliche Angriffsbegrenzung durch die Aisne hinausgegangen
wurde, nachdem die Front des Stoßes bereits verbreitert worden war. Auch
insofern wich die Heeresgruppe von dem ursprünglichen Gedanken ab, als
sie der Aussparung des Winterberges nicht das Wort redete, sondern es nach
bisher gemachten Erfahrungen für nötig hielt, auf der ganzen
Angriffsfront zuzufassen. Am 21. April erklärte sich die Oberste
Heeresleitung mit den Absichten der Heeresgruppe einverstanden; der Angriff der
7. Armee, bisher Blücher 1, wurde in "Blücher", der der 1.
Armee, bisher Blücher 2, in "Görz" umbenannt. Bei der 7.
Armee wurde am 22. April für die Vorarbeiten Erleichterung dadurch
geschaffen, daß der unbeteiligte rechte Flügelabschnitt zwischen
Chauny und Lassigny zur 18. Armee übertrat.
Am 26. April legte die 7. Armee ihren zweiten Angriffsentwurf für
Blücher vor. Als erstes Ziel wurde die Wegnahme der Höhenlinie
von der Gegend nordwestlich Braye en Laonnois bis zum Winterberge und der
feindlichen Stellungen zwischen dem Winterberge und dem Viller Berge bei
la Ville aux Bois bezeichnet. Demnächst hatte der rechte
Flügel auf Jouy und Ostel weiterzugehen, die Mitte und der linke
Flügel den Aisne-Abschnitt zwischen Pont Arcy und Pontavert zu
gewinnen. Endliches Ziel war die Eroberung der Höhen zwischen Aisne
und Vesle. Der Bedarf an Divisionen wurde auf 17 berechnet, von denen die
Oberste Heeresleitung zwölf und außerdem zwei für
spätere Fortsetzung des Angriffs zu stellen hatte. Die erforderliche
Artillerie berechnete sich auf 390 Feldbatterien, 331 schwere und 19 schwerste
Batterien, von denen der größte Teil anbefördert werden
mußte. Für die Vorbereitungen forderte das
Armee-Oberkommando 25 Tage. Der Einbruch in die feindlichen Stellungen
[461] hatte nach einer
artilleristischen Vorbereitung von zwei Stunden und 40 Minuten zu erfolgen. Der
rechten Flügelgruppe der 7. Armee, die am eigentlichen Angriff nicht
mitwirkte, wurde ein Ablenkungsscheinangriff am
Oise-Aisne-Kanal und ein Unterstützungsstoß auf Pinon zugewiesen.
Das Zusammenwirken mit dem Angriff Görz der 1. Armee war für
die Erreichung der weiten Ziele Voraussetzung.
Die Oberste Heeresleitung bezeichnete es hierauf als erwünscht, den
Angriff der 7. Armee bis Pinon auszudehnen, mithin den
Unterstützungsstoß der rechten Flügelgruppe in das
Unternehmen einzubeziehen, und außerdem die 18. Armee weiter
östlich zwischen Montdidier und Lassigny angreifen zu lassen. Hinsichtlich
des Pinonangriffs schlug die Heeresgruppe am 1. Mai vor, die rechte
Flügelgruppe der 7. Armee aus zwei Richtungen von Aniza le
Château und über Chavignon vorzuführen, um das
Höhengelände westlich Jouy zu gewinnen. Das ergab einen
Mehrbedarf von zwei Divisionen und 105 Batterien, die von der Obersten
Heeresleitung zu stellen waren. Den Entwurf für den Angriff über
Montdidier und Lassigny ließ die Heeresgruppe durch das Oberkommando
der 18. Armee ausarbeiten.
Inzwischen war am 29. April die Georgette-Offensive zu Ende gegangen. Man
hatte sich überzeugt, daß es der Entente vor allem darauf
angekommen war, die Engländer zu stützen; man nahm zehn bis
zwölf Infanterie- und sechs Kavallerie-Divisionen als französische
Reserven in Flandern an, und vermutete das französische
Armee-Oberkommando Nr. 10 mit fünf bis sechs Divisionen bei
Doullens und zwölf bis 14 Divisionen bei Amiens. Mehr als die
Hälfte der frei verfügbaren französischen Kräfte standen
hiernach zwischen der Nordseeküste und Amiens. Diese Verhältnisse
sprachen dafür, den nächsten Schlag gegen die Franzosen zu
führen, nachdem die Engländer als gestützt und gestärkt
angenommen werden konnten. Da aber nach wie vor die Engländer das
Hauptziel der Offensive bleiben sollten, war der Stoß gegen die
französische Front nur als Ablenkungsangriff zu denken, dem die
Wiederholung des Sturmes gegen die englischen Stellungen folgen mußte.
In diesem Sinne setzte die Oberste Heeresleitung noch am 29. April den schon
eingehend erörterten Angriff über den Chemin des Dames auf den
20. Mai, den Hauptangriff gegen die Engländer auf Mitte Juni fest. Am 1.
Mai erging schriftliche Weisung, daß die beiden kronprinzlichen
Heeresgruppen neue Angriffe vorzubereiten und Täuschungsversuche
vorzuschlagen hätten; für letzteren Zweck wurden auch die
Heeresgruppen Gallwitz und Herzog Albrecht zur Berichterstattung
aufgefordert.
Am 4. und 6. Mai gab die Oberste Heeresleitung abschließende
Bestimmungen für die Angriffspläne der Heeresgruppe Kronprinz
Rupprecht. Neu-Georg war vorzubereiten,
Neu-Michael als Täuschungsversuch weiter zu betreiben. 32 Divisionen
sollten lediglich für Angriffszwecke hinter der Heeresgruppe bereitstehen
und diesem Zweck erhalten bleiben. Erstes Ziel von
Neu-Georg war [462] die Linie
Boesinghe - Poperinghe - Godewaerswalde - Berre, die
abschnittsweise erreicht werden sollte; der Angriff wurde als solcher mit
beschränktem Ziel bezeichnet. So ward Neu-Georg der Plan, auf den die
Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht in der Folge hinarbeitete.
Nach endgültiger Festlegung der Blücher-Offensive reichte die 1.
Armee am 3. Mai ihren Entwurf für Görz ein. Ziel war das
Zurückwerfen des Gegners zwischen Sapigneul und Brimont über
den Aisne-Marne-Kanal im Zusammenhange mit Blücher. Vom Verlaufe
dieses Angriffs sollte die Offensivhandlung am zweiten Tage abhängen, die
mit "Gneisenau" bezeichnet wurde. Es konnte sich entweder darum handeln, der
7. Armee über die Aisne zu helfen, oder darum, mit dem siegreich
vordringenden Nachbarn den Feind über die Vesle zu werfen. In letzterem
Falle wurde vorgeschlagen, Reims wegzunehmen. Görz sollte von zwei
Divisionen geführt werden, denen sich für Gneisenau eine dritte links
anzuhängen hatte, während eine vierte in Reserve blieb. Der
Einbruch hatte nach dreieinhalbstündiger Artillerievorbereitung zu
erfolgen. An Artillerie waren 18 Feldbatterien und 24 schwere Batterien als
Verstärkung erforderlich, von denen der größte Teil von der
Obersten Heeresleitung gestellt werden mußte. Für Gneisenau am
zweiten Tage wurde mit der schnellen Umgruppierung eines Teils der Artillerie
der 7. Armee auf den rechten Flügel der 1. Armee gerechnet.
Die Oberste Heeresleitung billigte diese Vorschläge nicht ganz; sie sah den
Angriff auf Reims als schwer an und hielt es für ausgeschlossen, Artillerie
der 7. in einer Nacht zur 1. Armee hinüberzuwerfen. Die Aufträge
beider Armeen wurden nunmehr dahin zusammengefaßt, daß unter
der Voraussetzung gleichzeitiger Führung von Blücher und
Görz die 7. Armee nach Gewinnung der Aisne den Feind über die
Vesle zu werfen und durch Stoß in den Rücken der feindlichen
Stellung zwischen Cormicy und Vesle auch dem rechten Flügel der 1.
Armee vorwärtszuhelfen habe, der sich dann dem
Blücher-Angriffe anschließen werde. Um der 1. Armee die
artilleristische Beherrschung des Raumes zwischen Aisne und Vesle zu
ermöglichen, sollte die 7. Armee einen Teil der Artillerie des linken
Flügels nach Erledigung der ersten Kampfaufgaben zur 1. Armee
verschieben.
Gleichzeitig erweiterte die Heeresgruppe die Aufgaben des rechten Flügels
der 7. Armee durch die Weisung, daß die auf der Höhenlinie westlich
Jouy vordringenden Kräfte nach Westen und Südwesten einzudrehen
hätten, um den Feind zwischen Oise und Aisne anzufassen, woran sich
unter Umständen auch der linke Flügel der 18. Armee beteiligen
solle. Hiermit war die Angriffsrichtung des rechten Flügels auf Soissons
und die Gegend nordwestlich davon angedeutet. Das war die Stellen, wo
nunmehr - hinüberleitend zur 18.
Armee - die Erweiterung des Gesamtunternehmens angestrebt wurde,
nachdem dem linken Flügel Beschränkung auferlegt worden war.
Hier schied Gneisenau aus; die Bezeichnung wurde auf den geplanten Angriff der
18. Armee zwischen Montdidier und Lassigny übertragen.
[463] Glückte dieser
Schlag der 18. Armee, so geriet der Feind östlich der Oise in die Zange
zwischen dem vorgebrochenen Teil der 18. und dem rechten Flügel der 7.
Armee, und es ergaben sich weitere günstige Erfolgsmöglichkeiten.
Das Oberkommando der 18. Armee legte seinen Angriffsentwurf am 3. Mai vor.
Die Ausgangslinie für den Stoß wurde von ihm in östlicher
Richtung bis Noyon verschoben. Der erste Sturm sollte den
gegenüberstehenden, auf fünf Divisionen geschätzten Feind
über die Linie Mortémer - Margny bei
Compiègne, also durch den Bergwald südwestlich Noyon
über die Matz zurückwerfen. Damit ergaben sich voraussichtlich der
Fall von Compiègne, die Aussicht, die ragende Hochfläche von
Méry zu gewinnen und die Möglichkeit, von Westen her den Feind
östlich der Oise in den Rücken zu fassen. Zugleich wurde die eigene
Stellung, die in ihrem Verlauf von Montdidier bis über Noyon hinaus den
Gegner zu Flankenangriffen reizen konnte, wesentlich gebessert. Der Mehrbedarf
an Kräften belief sich auf sieben Divisionen und 179 Batterien.
Die Heeresgruppe Deutscher Kronprinz schlug vor, den Angriff zeitlich abgesetzt
von Blücher führen zu lassen, von dessen Gelingen seine Wirkung
abhängig sei; dazu zwang auch die Erwägung, daß die ganze
nötige Artillerie nicht gleichzeitig mit Blücher und Görz
gestellt werden konnte. Die Oberste Heeresleitung stimmte diesem Vorschlage zu,
setzte die Ausführung von Gneisenau frühestens auf den 1. Juni fest
und gab der Heeresgruppe zur Erwägung, wie durch Zusammenhandeln der
18. und 7. Armee dem Gegner das Gelände zwischen der Oise im Westen
und dem Oise-Aisne-Kanal im Osten entrissen werden könne. Die 7. Armee
hatte für Gneisenau 40 bis 50 Batterien über das angeforderte
Maß hinaus abzugeben. Als Angriffstag für Blücher und
Görz war inzwischen der 27. Mai festgesetzt worden.
Am 13. Mai nahm die Heeresgruppe in einem Bericht an die Oberste
Heeresleitung zu der Frage der Ausräumung des Gebiets zwischen Oise im
Westen, Aisne im Süden, Oise-Aisne-Kanal im Osten Stellung und wies
darauf hin, daß die Fortführung des Gneisenau-Angriffes nach Osten
über die Oise durch den Wald von Laigue außerordentlich schwierig
sei, was die 18. Armee auch schon veranlaßt habe, mehr Kräfte
anzufordern. Sie machte sich einen Vorschlag der 7. Armee zu eigen, der darauf
ausging, zur Ausnutzung des Stoßes des rechten
Blücher-Flügels auf Soissons und die Gegend zwischen Selens und
Nouvron (nordwestlich von Soissons) einen Angriff über den
Oise-Aisne-Kanal von Pierremande über Besmé und St. Paul
aux Bois auf Nampcel führen zu lassen, der durch den Übergang
anderer Truppen über die Oise zwischen Morlincourt und
Abbécourt, zunächst mit dem Ziele der Festsetzung auf dem
südlichen Ufer, unterstützt werden sollte. Die von Osten her auf
Selens-Nouvron angreifenden Teile des rechten
Blücher-Flügels und die von Norden auf Nampcel vorgehenden
Truppen hatten sich nach vorwärts zusammenzufinden.
So wurde der Feind in dem von den drei Wasserläufen eingeschlossenen
[464] Gelände ins
Wanken gebracht und dem später zu führenden
Gneisenau-Angriff vorgearbeitet. Auf Gneisenau-Kräfte wurde aber
gerechnet, um dies neue Unternehmen, das beiderseits Chauny von der 7. Armee
über den Oise-Aisne-Kanal, von der 18. über die Oise zu
führen war, gebührend auszustatten. Es erhielt die Bezeichnung
"Yorck".
Am 15. Mai wurden die Angriffsentwürfe Görz, Blücher,
Yorck und Gneisenau im Großen Hauptquartier in Avesnes besprochen. Das
Ergebnis ging der Heeresgruppe Kronprinz am 16. Mai in Befehlsform zu. Der
Angriff Görz, der bisher auf die Überrennung der feindlichen
Stellungen zwischen Sapigneul und Brimont beschränkt war und nur bei
günstigem Fortschritt des linken Blücher-Flügels in
Anschluß an diesen weitergehen sollte, wurde insofern auf festere
Grundlage gestellt, als seinem rechten Flügel im gegebenen Falle die
Richtung über Cormicy nach Süden vorgeschrieben wurde, wozu
eine Division nachzuführen war. Dem erweiterten
Blücher-Entwurf wurde mit dem Hinzufügen zugestimmt, daß
beim ersten Vorstoß des rechten Flügels auf Jouy auch die baldige
Besitznahme der Hochfläche westlich von Neuville sur Margival zu
erstreben sei. Artillerieverstärkung war den
Gneisenau-Batterien zu entnehmen. Der Schwerpunkt des
Yorck-Angriffes sollte zum Zusammenwirken mit dem rechten
Blücher-Flügel in der Gegend von Guny westlich des
Oise-Aisne-Kanals gesucht werden. Die Yorck- und
Blücher-Artillerien hatten sich durch flankierende Wirkung gegenseitig zu
unterstützen. Gneisenau war auf die Zeit nach dem 1. Juni zu verschieben
und erhielt als Ziel zunächst die Linie
Mortémer - Ressons - Matzbach bis zur Oise.
Die Heeresgruppe Deutscher Kronprinz erläuterte die Aufgaben der
beteiligten Armeen auf Grund dieser Entscheidungen noch am 16. Mai wie folgt:
Die 7. Armee hat Blücher so zu führen, daß der rechte
Flügel schon am ersten Tage die Linie Hochfläche nordwestlich
Neuville sur Margival - Hochfläche westlich Jouy und auch
ferner unaufhaltsam zwischen Oise-Aisne-Kanal und Aisne nach Westen Boden
gewinnt. Ziel des rechten Flügels ist die Vertreibung des Gegners aus
seinen Stellungen zwischen Oise, Aisne und
Oise-Aisne-Kanal. Zur Unterstützung des nach Westen zu richtenden
Stoßes dient Yorck 1 aus der
Oise-Aisne-Kanalfront zwischen Pierremande und Coucy le Château, der
von der 7. Armee am dritten Tage nach begonnenem Angriff zu führen ist.
Der Angriff über den Chemin des Dames bleibt wie vorgesehen. Der auf
dem linken Flügel anschließende Görz-Angriff beginnt
hinsichtlich der Artilleriewirkung gleichzeitig mit Blücher, hinsichtlich des
Infanteriesturmes eine Stunde später und setzt sich auf dem rechten
Flügel in den Besitz der Höhe nordwestlich von Cormicy; die
Aufgabe der 1. Armee bleibt sonst unverändert. Die 18. Armee bereitet den
Angriff Yorck 2 zwischen Noyon und Abbécourt vor, der zwecks
Unterstützung der 7. Armee zunächst Brückenköpfe
südlich der Oise in die Hand nehmen und später weiter nach
Süden drücken soll. Er muß vom 30. Mai
an [465] stoßbereit sein.
Gneisenau ist weiter vorzubereiten; die Angriffszeit hängt von dem Verlauf
von Blücher und Yorck ab.
Damit standen im wesentlichen die Richtlinien für das Unternehmen fest.
Einschließlich des Angriffes Yorck dehnte sich die Front des
Blücher-Görz-Stoßes auf etwa 100 km aus; nicht minder
groß gewählt waren die Ziele, die Aisne und Vesle zwischen
Soissons und Reims. Die Siegeshoffnung beruhte, abgesehen von der
überlegenen Tüchtigkeit der eigenen Führung und der
Truppen, auf der schwachen Besetzung der feindlichen Front, auf der gewaltigen
Artilleriewirkung und der Überraschung. Die Oberste Heeresleitung hatte
mit der Zuweisung von Kräften nicht gekargt, um den Erfolg
sicherzustellen. Am 21. Mai erschien General Ludendorff im Hauptquartier der 7.
Armee und betonte, daß die Operation ohne Rücksicht auf Verluste
mit höchster Tatkraft zu führen und der Stoß noch über
die bisherigen Ziele hinaus vorzutreiben sei. Die vertrauende, des Erfolges sichere
Stimmung kam dadurch zu starkem Ausdruck. Sie wurde noch gehoben durch die
gute Wetterlage und den günstigen, glatten Verlauf der Vorbereitungen.
Vorbereitungen für die Angriffe Blücher, Görz,
Yorck und Gneisenau.
Die Vorbereitungen bei der 7. und 1. Armee glichen in der Art ihrer
Durchführung den schon bewährten Formen von St. Michael
und Georgette. Für die artilleristischen Arbeiten stand der 7. Armee Oberst
Bruchmüller zur Verfügung. Die Anbeförderung der
Truppenverstärkungen, des Kriegsgeräts, der Munition und der
sonstigen Vorräte nahm die Eisenbahnen in hohem Maße in
Anspruch. Das Einrücken der Artillerie in die Stellungen verteilte sich auf
die Zeit vom 14. bis zum 23. Mai; die letzte Munition war am gleichen Tage nach
vorn geschafft. Am 20. Mai begann die Verstärkungsinfanterie nach vorn
zu rücken und stand am 26. Mai bereit, in der kommenden Nacht die
Sturmstellungen zu beziehen. Alle Transporte und Bewegungen, alle Neuanlagen
und Aufbauten geschahen unter Wahrung der größten Heimlichkeit
und unter Nutzung vorhandener Deckungen. Der auf den 27. Mai festgesetzte
Angriffstag wurde erst am 22. Mai den Kommandierenden Generalen mitgeteilt,
die Feuervorbereitung auf 2 Uhr vormittags, der Infanteriesturm der 7. Armee auf
440, der 1. Armee auf 540 vormittags anberaumt.
Man glaubte, bei der Sorglichkeit, mit der alle Angriffsvorbereitungen versteckt
gehalten wurden, der Überraschung des Gegners sicher zu sein. Trotzdem
fanden sich Verräter. Wie sich später herausstellte, hatten zwei
Gefangene von einem deutschen Truppenteil in der Mitte der 7. Armee dem
Feinde Mitteilungen über den bevorstehenden Angriff gemacht, die
allerdings nicht weit durchdrangen, aber doch einem Teile der feindlichen Front
zwischen Chavignon und Courtecon rechtzeitige Abwehrbereitschaft gestatteten.
Auch gegenüber der 1. Armee erfuhr der Feind durch einen Gefangenen
Angriffsabsicht und Angriffszeit.
[466] Die Stellung der 7.
Armee, der Hauptträgerin des Angriffs, dehnte sich von Abbécourt
südwestlich Chauny bis zur Aisne bei Berry au Bac aus, nachdem ihr der
rechte Flügeldivisionsabschnitt der 1. Armee am linken Flügel
zugeschlagen worden war. Sie fiel größtenteils, vom rechten
Flügel bis Bouconville, mit dem Lauf der Ailette zusammen, die auf dem
westlichen Flügel bis in die Gegend nördlich von Braye en Laonnois
vom Oise-Aisne-Kanal begleitet ist, und hatte ihre Widerstandslinien auf den
Höhen nördlich; vorgeschobene Teile standen auf der Strecke von
Abbécourt bis Leuilly südlich der Wasserläufe, von Leuilly
bis Bouconville an der Ailette selbst. Von Bouconville an durchschnitt die
Stellung das hochflächenartige Gelände von Corbeny und Juvincourt
et Damary und sank östlich Berry au Bac in den
Aisne-Grund, diesen noch für eine kurze Strecke bis Sapigneul
überschreitend. Die Front war auf dem rechten Flügel nach
Südwesten, in der Mitte im allgemeinen nach Süden, auf dem linken
Flügel wieder mehr nach Südwesten gerichtet. Sie stellte auf dem
rechten Flügel das Ergebnis der letzten Kämpfe um den Niederwald
von Coucy - des Erzengelangriffes -, in der Mitte und auf dem linken
Flügel das der Kämpfe des Jahres 1917 dar, die mit der
Zurückverlegung der Front vom Chemin des Dames bis zur Ailette und
vom Winterberge und vom Viller Berge bis zur Linie
Bouconville - Corbeny - Gegend von Juvincourt et Damary
geendet hatten. Rechts an der Oise grenzte sie an die 18. Armee, die vor kurzem
den Abschnitt zwischen Lassigny und Abbécourt von der 7.
übernommen hatte, links an der Aisne ging sie in das Gebiet der 1. Armee
über.
Bis zum Angriff war sie in die Gruppen Crépy (Generalkommando
Nr. 54),79 Vailly (Generalkommando des VIII.
Reservekorps),80 und Sissonne (Generalkommando
Nr. 65)81 geteilt gewesen. Für die
Führung von Yorck und Blücher wurden noch folgende Gruppen
eingeschoben: Generalkommando des VII. Armeekorps82 auf dem rechten Flügel der
Gruppe Crépy für Yorck 1; Generalkommando des XXV.
Reservekorps83 und Generalkommando des IV.
Reservekorps84 zwischen die Gruppen Vailly und
Sissonne. Zur Führung des Sturmes marschierten in der ersten Linie 17
Divisionen auf; hinter ihnen standen fünf Divisionen als
Korps-, drei als Armee- und vier als Reserven der Obersten Heeresleitung.
Von der 1. Armee, deren Stellung sich von der Aisne (bei Berry au
Bac) - an Reims vorbei - bis in das Waldgelände östlich
von Reims erstreckt, kam für den Angriff Görz nur die rechte
Flügelgruppe Brimont (Generalkommando des XV. Armeekorps85) in Betracht, deren nach
Südwesten gerichtete Front in der Zeit vor dem Angriff südlich des
Brimontberges in die der Nachbargruppe Reims überging; für den
Angriff wurde sie um ein kurzes Stück nach [467] Südosten bis in
die Gegend nördlich von Bétheny erweitert. Von der Aisne bis
südlich Brimont hatte sie den Aisne-Marne-Kanal vor sich. Das
Generalkommando hatte drei Divisionen in erster Linie eingesetzt, eine vierte
stand als Artilleriereserve hinter dem rechten Flügel.
Von der 18. Armee, die aus der Front Noyon - Abbécourt den Angriff
Yorck 2 zu führen hatte, war die Leitung des Stoßes
über den breiten Oise-Grund nach Süden dem hierzu neu
eingesetzten Generalkommando des XXXVIII. Reservekorps86 übertragen worden. Da es sich
zunächst nur um eine Aufgabe mit beschränktem Ziel handelte,
wurde eine Division für die Ausführung als ausreichend angesehen;
später trat noch eine zweite hinzu.
Im ganzen waren 30 Divisionen bereit, den Stoß zu führen. Die Zahl
steht hinter der von 62 Divisionen des St. Michael-Angriffes zurück,
wie denn überhaupt diese Offensive nicht mit den Maßen des ersten
Schlages gemessen werden kann. Dagegen überragte sie den
Georgette-Angriff mit seinen 25 Divisionen der Ausgangslage bedeutend. Die
Oberste Heeresleitung sah voraus, daß die Nährung des
bevorstehenden Kampfes frische Kräfte erfordern werde, und ordnete schon
vor dem ersten Angriffstage die Zuführung neuer Divisionen an, die den
Heeresgruppen Kronprinz Rupprecht und Gallwitz sowie der 1. und 3. Armee
entnommen werden sollten. Auch die Zumessung der artilleristischen Streitmittel
reichte nicht an St. Michael heran, wenn sie auch mit 1158 Batterien
für die Erzwingung des Einbruchs durchaus genügend waren. Mehr
noch als bei den vorausgegangenen Angriffen mußte in großem
Umfang die Verschiebung von Batterien vorgesehen werden, um an anderer Stelle
neue Schläge zu ermöglichen; so für den
Yorck-Angriff, der zeitlich abgesetzt war, und demnächst für
Gneisenau. Über die Güte und Kampffreudigkeit der eingesetzten
Truppen konnte kein Zweifel bestehen; sie hatten fast durchweg in letzter Zeit
nicht in aufreibenden Kämpfen gestanden und zu großem Teile Ruhe
und Gelegenheit für Ausbildung gehabt. Am wenigsten günstig stand
hierin die 1. Armee.
Das Gelände, in das Yorck, Blücher und Görz
hineinführten, ist ein hügeliges Bergland mit sehr scharf
ausgeprägten, fast gebirgigen Formen, in dem breite und schmale
Hochflächen und tief eingeschnittene Mulden und Schluchten, häufig
mit steilen Hängen, wechseln. Überall mußten mit dem ersten
Angriffsschwunge starke Geländeschwierigkeiten überwunden
werden: auf dem rechten Flügel die Oise und der
Oise-Aisne-Kanal mit der begleitenden Ailette, in der Mitte der jäh
aufsteigende Rücken des Chemin des Dames, der sich auf seinem
östlichen Ende zu dem Massiv des Winterberges verbreitert, auf dem linken
Flügel der Aisne-Marne-Kanal. Es mußte für die
stürmenden Truppen darauf ankommen, die Höhenlinien zu
gewinnen und ihnen zu folgen und sich nicht in den Gründen zu verlieren.
Zwischen Soissons und Berry au Bac kam im [468] weiteren Verlaufe die
Überschreitung des Aisne-Grundes in Betracht, der mit dem breiten Flusse
und dem Seitenkanal ein bedeutendes Hindernis bildet. Ähnliche
Verhältnisse, wenn auch nicht von gleicher Mächtigkeit,
wiederholten sich an der Vesle, deren Überschreitung nach den letzten
Befehlen gleichfalls ins Auge gefaßt war. Es waren also schwere Aufgaben,
die der Angreifer harrten. Eine nicht geringe Hemmung, wenigstens für den
ersten Stoß, lag in der Zersetzung des Kampfbodens durch unzählige
Granateinschläge und Sprengungen und in den gehäuften feindlichen
Hindernissen, namentlich im Ailette-Grunde.
Die Stärke des gegenüberstehenden Feindes war fast lückenlos
bekannt. Vor der Oisefront, gegenüber dem Yorckangriff der 18. Armee,
standen ein bis zwei Divisionen, vor der 7. Armee, auf der Strecke von
Abbécourt bis Berry au Bac, acht Divisionen; von diesen waren die beiden
am Winterberge und vor Juvincourt et Damary abgekämpfte englische
Verbände. Vor der Gruppe Brimont der 1. Armee wußte man eine
Division. Als Reserven wurden zwischen Compiègne und Reims vier
Divisionen angenommen, von denen nur zwei als frisch gelten konnten. Alle diese
Truppen gehörten der französischen 6. Armee an, deren
Hauptquartier in Villers Cotterêts lag. Die Berechnung, daß
Blücher mit seinen Nebenangriffen eine besonders schwache feindliche
Stelle treffen würde, war zutreffend, und damit ergab sich angesichts der
großen Geländeschwierigkeiten eine wesentliche Erleichterung der
Operation.
Da man darauf zählen konnte, daß Engländer und Franzosen
weiter nördlich neue deutsche Angriffe erwarteten, so durfte man wohl
hoffen, daß Verstärkungen vom Gegner zunächst nur mit
Widerstreben herangeholt und eingesetzt werden würden. Freilich bedrohte
der Angriff im weiteren Verlauf Paris, und daher mußte sich
schließlich der Feind doch veranlaßt sehen, ihm einen großen
Teil seiner Reserven entgegenzuwerfen. Das war das, was man wünschte,
sofern es nicht zum freien Bewegungskriege kommen sollte. Durch die
Entspannung der Kampfverhältnisse im Norden wurde der geplante neue
Angriff gegen die Engländer bei der 4. Armee am besten vorbereitet.
Das Verhalten des Feindes in der letzten Woche vorm Angriff war im allgemeinen
lebhaft, besonders in der Artillerietätigkeit. Bei der 7. Armee wurde
namentlich die Bahnhofsvorstadt von Laon und die Gegend von Crépy,
wo der Gegner die Pariser Batterie vermutete, mit reichlichem Feuer bedacht.
Kleine Vorstöße gegen die deutschen Gräben waren nicht
selten. Sie deuteten ebenso wie die Lufterkundung und das Absetzen von
Brieftauben hinter der deutschen Front durch feindliche Flieger mit
Gebrauchsanweisung für die Einwohner darauf hin, daß es dem
Gegner darauf ankam, die deutschen Absichten zu erforschen. Daß er selbst
Offensivgedanken hegte, war bei seiner Schwäche ausgeschlossen; auch
ließ der Einsatz abgekämpfter englischer Truppen erkennen,
daß er mit einem deutschen Unternehmen im großen kaum
rechnete.
[469] Befehle für die
Angriffe Blücher, Görz und Yorck.
Der erste Angriffsbefehl des Oberbefehlshabers der 7. Armee, Generals v.
Boehn,87 aus dem Armeehauptquartier Marle,
datierte vom 19. Mai 1918. Der Einbruch sollte erfolgen aus der Linie
Mortierwald südlich
Brancourt - Bouconville - Corbeny - Juvincourt et
Damary - Aisne-Tal. Seine ersten Ziele waren die Höhen
beiderseits Vauxaillon und Pinon, bei Malmaison, der Chemin des Dames bis zum
Winterberg, der Viller Berg bei Ville aux Bois und die feindlichen Stellungen bis
zur Aisne. Der rechte Flügel hatte sich in der Richtung auf
Terny-Sorny, Condé an der Aisne, demnächst weiter nach Westen
und auf Soissons vorzukämpfen. Die äußerste rechte
Flügelgruppe des VII. Armeekorps wurde südöstlich Chauny
bereitgestellt, dieses Vorgehen zu unterstützen, spätestens durch den
vorgesehenen Angriff Yorck 1, der von Osten und Norden zu führen
war, um versteiften Widerstand bei Selens und Juvigny zu brechen. Der
geschlossene Stoß der Armeemitte zielte auf die Aisne zwischen Vailly und
Beaurieux, nach deren Überschreitung auf die Höhen südlich
des Flusses, schließlich auf die Besitznahme der Höhen
nördlich der Vesle, an der der Angriff seinen Abschluß finden sollte.
Der linke Flügel hatte im weiteren Verlauf die
Aisne-Linie Pontavert - Berry au Bac zu nehmen, dann Roucy und
Bouffignereux; ihm sollte sich die 1. Armee über Cormicy
anschließen; sein letztes Ziel war die Vesle zwischen Breuil und
Jonchery.
Im einzelnen wurde den Gruppen folgendes vorgeschrieben: VII. Armeekorps
hilft dem rechten Flügel mit Artillerie, am Sturmtage durch ein
Ablenkungsunternehmen bei Leuilly, schließlich durch Yorck 1.
Gruppe Generalkommando Nr. 54, beiderseits Pinon vorgehend, legt den
Schwerpunkt auf die Mitte in die Richtung westlich Jouy.
VIII. Reservekorps nimmt die Höhe von Malmaison und Ostel und strebt
Condé zu.
XXV. Reservekorps greift schmal über Courtecon und Cerny an, reißt
die Nachbarn über die Aisne bis zur Vesle mit.
IV. Reservekorps nimmt die Höhen südlich Ailles und den
Winterberg, demnächst die Hochfläche von Paissy und den Wald
südlich von Oulches, jenseits der Aisne die Höhen von
Révillon.
Gruppe Generalkommando Nr. 65 nimmt den Viller-Wald, später den Wald
südöstlich Pontavert, die Höhen von Roucy und
Bouffignereux. Je schneller sie vorankommt, um so besser wird ihr Flankenschutz
durch die 1. Armee sein.
Das Armee-Oberkommando beabsichtigte, dem Angriff zunächst bis Laon
zu folgen.
Durch Befehl vom 23. Mai 1918 gab das Armee-Oberkommando die inzwischen
von der Obersten Heeresleitung erweiterten Ziele bekannt mit den [470] Worten, daß der
Angriff über den Aisne-Abschnitt beiderseits Soissons und über die
Vesle hinüberzutragen sei. Es sollten erreicht und gehalten werden: die
Höhen südwestlich und südöstlich Soissons, dann die
ungefähre Linie Höhe südlich
Serches - Lhuys - St. Gilles - Gegend
östlich Crugny. Die Besitznahme der Höhen südlich Soissons
war mit den Fortschritten nördlich der Aisne in Einklang zu bringen.
Der Oberbefehlshaber der 1. Armee, General Fritz von Below,88 gab seinen Angriffsbefehl am 23. Mai
1918 aus dem Armee-Hauptquartier Rethel. Danach hatte sich die
verstärkte Gruppe Brimont dem Angriff der 7. Armee anzuschließen
und, aus der Front Sapigneul - Brimont vorgehend, zunächst
die Linie: Höhe zwischen Sapigneul und
Cormicy - Aisne-Kanal zwischen
La Neuville - Gegend südwestlich Brimont zu
erreichen. Sobald die 7. Armee mit dem linken Flügel die Aisne
überschritt, sollte sich der rechte Flügel der Gruppe Brimont ihm
anhängen und die Linie: Höhe südwestlich
Cormicy - Cauroy les Hermonville-Kanal östlich Cauroy
gewinnen. Im weiteren Verlauf war in energischem Zufassen der Vesle
östlich Prouilly, der Gegend von la Neuvillette und dem
Aisne-Kanal zwischen la Neuvillette und Courcy zuzustreben. Der linke
Angriffsflügel konnte auf Unterstützung durch Batterien rechnen, die
am Abend des Angriffstags und in der kommenden Nacht von der 7. Armee
herangezogen werden sollten. Die der Gruppe Brimont südlich benachbarte
Gruppe Reims war angewiesen, mit flankierendem Artilleriefeuer zu helfen und
Reims zu beschießen. Das Armee-Oberkommando gedachte sich nach
Proviseux et Plesnoy vorzubegeben.
Ablenkungsscheinangriffe wurden bei der 4. Armee für die Zeit vom 27.
Mai bis 2. Juni, auf dem linken Flügel der 2. und dem rechten Flügel
der 18. Armee für den 26. Mai festgesetzt. Die Oberste Heeresleitung gab
am 22. Mai die allgemeine Weisung aus, daß der Gegner in der Angriffszeit
auch an stillen Fronten nicht zur Ruhe kommen dürfe.
Blücher, Görz- und
Yorck-Angriff.
Der Tag vor dem Angriff, der 26. Mai, verlief bei der 7. und 1. Armee im ganzen
ruhig; einige feindliche Erkundungsvorstöße des Gegners waren
abzuwehren. In der Nacht zum 27. Mai war das feindliche Störungsfeuer
bei der 7. Armee etwas lebhafter als sonst; trotzdem gelang es, die
Angriffstruppen planmäßig in Stellung zu bringen. Bei der 1. Armee
war das Feuer auf Stellungen und Anmarschwegen sehr stark, die Folge
verübten Verrats; der Aufmarsch zur Angriffsbereitschaft wurde aber nicht
wesentlich behindert. Um 2 Uhr morgens begann bei dichtem Nebel die
Artillerievorbereitung, unter deren Schutz sich die Sturmabteilungen so nahe wie
möglich an den Feind heran- [471] schoben. Die
Vergasung der gegnerischen Batterien war so mächtig, daß die
Gegenwirkung schließlich ganz eingestellt wurde.
[448a]
Schlacht am Chemin des Dames.
Pionierbrücke für den Vormarsch.
|
Um 440 morgens stürmte die
Infanterie der 7. Armee, durchquerte die Ailette-Niederung ohne Aufenthalt,
erstieg den Chemin des Dames und hatte hierbei nur zwischen Chavignon und
Courtecon stärkeren Widerstand zu überwinden, wiederum die Folge
von Verrat. Im Laufe des Vormittags wurden die ersten Angriffsziele von
Vauxaillon über Jouy, Chavonne, Aisne-Grund bis Berry au Bac erreicht.
Gleichzeitig schuf sich das VII. Armeekorps, aus der
Yorck 1-Front mit einigen Kompagnien vorbrechend, einen
Brückenkopf bei Leuilly, um Teile des Gegners vom Hauptangriff
abzulenken. Bereits um 1030 morgens
überschritt das Badische Leibgrenadier-Regiment Nr. 109 vom IV.
Reservekorps die Aisne südlich Beaurieux, und um Mittag drangen alle
Angriffs-Divisionen mit ihren Anfängen gegen und auf unzerstörten
Brücken über den Fluß vor.
[512a]
Angriff auf den Chemin des Dames.
Befehlsstand bei Berry au Bac.
|
Bei der 1. Armee stürmte die Infanterie um 540 morgens und befand sich um 7 Uhr im
Besitz des Kanals zwischen Sapigneul und Loivre, den der rechte Flügel
schon überschritten hatte. Als der linke Flügel der 7. Armee
Pontavert und Berry au Bac erreichte, ging der rechte Flügel der 1. Armee
auf Cormicy vor und setzte sich in den Besitz des Dorfes, nunmehr der
Höhe südwestlich Cormicy und Cauroy les Hermonville
zustrebend.
Bei der 7. Armee blieb der Angriff in flottem Vorwärtsschreiten, obwohl
stellenweise, besonders bei Vailly, heftiger Widerstand zu überwinden war.
Am Nachmittage standen die Truppen, die über die Aisne gegangen waren,
in der Linie Vailly - Longueval - Merval -
Roucy - Bouffignereux, wo Anschluß an die 1. Armee gefunden
wurde. Feindliche Kolonnen schienen südlich Soissons, von Villers
Cotterêts und von Montigny nördlich der Vesle im Anmarsch zu
sein; Kraftwagenkolonnen fuhren von Dormans an der Marne auf Fismes. Man
vermutete, daß der Gegner die Linie Oise-Aisne-Kanal bei Coucy le
Château - Condé an der
Aisne - Vesle halten wolle. Der Widerstand verstärkte sich
|
allgemein. Trotzdem überschritt das
Königin-Elisabeth-Garde-Grenadier-Regiment Nr. 3 vom IV.
Reservekorps am Abend die Vesle in der Gegend östlich Fismes und nahm
die dortigen Uferhöhen in Besitz. Die Truppen der 7. Armee kamen in der
Dunkelheit bis zur Linie Leuilly - Neuville sur
Margival - Celles an der
Aisne - Bazoches - Nordrand von
Fismes - Gegend südlich und östlich Meurival. Die 1.
Armee stürmte noch am späten Abend die Höhe
südwestlich Cormicy und dehnte sich von dort über Cauroy les
Hermonville bis Loivre aus.
Es war ein großer, alle Erwartungen übersteigender Erfolg errungen,
reiche Beute, eine hohe Zahl von Gefangenen gemacht. Der Gegner war nicht
imstande gewesen, stärkere Gegenangriffe zu machen; auch ließen
sich noch keine bestimmten Schlüsse ziehen, wo er etwa eine neue
Widerstandslinie einrichten wolle. Unter diesen Umständen befahl das
Oberkommando der 7. Armee: "Die Angriffskorps [472] setzen alles daran, die
Verfolgung auch in der Nacht nicht erlahmen zu lassen und die in den bisherigen
Armeebefehlen gesteckten Ziele zu erreichen." Die 1. Armee beschloß den
Angriff über die bisher erreichte Linie fortzuführen und ihn nach
Süden über Loivre gegen Courcy auszudehnen. Beide Armeen zogen
ihre Reserven nach. Von der 7. Armee wurden die für die 1. Armee
bestimmten Verstärkungs-Batterien aus den Stellungen genommen und der
Gruppe Brimont zugeführt, wo sie wider Erwarten zum Teil schon am
nächsten Morgen gefechtsbereit waren.
Der Angriff - oder die Verfolgung - ging in der Nacht zum 28. Mai weiter. Bei
Paars, nordwestlich von Fismes, überschritt nun auch XXV. Reservekorps
die Vesle. Noch immer war der feindliche Widerstand ungeregelt und schwach,
nahm aber auf dem rechten Flügel der 7. Armee nordöstlich wie
südöstlich von Soissons an Stärke zu und äußerte
sich dort auch in der Form von Gegenstößen. Ein Befehl der Obersten
Heeresleitung wies der Fortnahme der Hochfläche südlich von
Soissons besondere Bedeutung zu, um den Feind aus dem Gelände
zwischen Oise und Aisne herauszuzwingen. Wenn der Feind hier nachgebe, sollte
die 18. Armee den Gneisenau-Angriff auf Compiègne führen; als
weitestes Ziel des Gesamtunternehmens wurde die Linie
Compiègne - Dormans - Epernay angedeutet.
Ihre nächsten Absichten erläuterte die Oberste Heeresleitung dahin,
daß baldigst das Höhengelände westlich von Braisne,
südlich Bazoches und Fismes und nordwestlich von Reims genommen
werden müsse. Auf dem rechten Flügel der 7. Armee sei scharf
zuzufassen, um die eigene Linie zwischen Oise-Aisne-Kanal und Aisne
möglichst weit in westlicher Richtung vorzuschieben. Drei neue Divisionen
wurden zur Verfügung gestellt.
Bis zum Mittag des 28. Mai erreichte die 7. Armee die Linie
Terny-Sorny - Condé - Brenotte -
Braisne - Lhuys - Höhen südlich
St. Thibaut - südlich
Fismes - Romain - Montigny - Pévy. Die 1.
Armee, die noch in der Nacht
Villers-Franqueux genommen hatte, war seit 6 Uhr morgens im Angriff gegen
zähen Widerstand auf Prouilly - Trigny - Courcy.
Am Nachmittag war die feindliche Gegenwirkung auf den Höhen
nördlich Soissons besonders stark. Hier wurde bis zur Dunkelheit die Linie
Leuilly - südöstlich
Leury - Gegend nördlich Soissons erreicht. Leider trat eine
Hemmung des Angriffs dadurch ein, daß Truppen des Generalkommandos
Nr. 54, die bereits Soissons besetzt hatten, infolge irrtümlicher
Befehlsauffassung nach rückwärts wieder herausgezogen wurden.
Südlich der Aisne waren die Höhen südlich
Villeneuve-St. Germain und zwischen Sermoise und Couvrelles sowie
anschließend die Linie Cuiry - Nordrand
Branges - Mont sur Courville - Crugny -
Höhenrücken östlich Crugny im Besitz der 7. Armee. XXV.
und IV. Reservekorps hatten ihren Vorsprung mit bestem Erfolge ausgenutzt. Die
1. Armee blieb mit dem rechten Flügel dahinter zurück; sie gewann
den Südrand von [473] Prouilly, Trigny, die
Gegend nördlich Chenay, die Gegend von Thil und Courcy.
Die Oberste Heeresleitung bezeichnete in einem Fernschreiben als nächste
Ziele die Höhen südwestlich Soissons, Fère en Tardenois,
Höhen südlich Coulonges, Südfortgürtel von Reims.
Die Absicht, den Feind durch Verlegung des Schwerpunkts in die Gegend
südlich Soissons zwischen Oise und Aisne ins Wanken zu bringen und der
18. Armee Gelegenheit zu geben, auf Compiègne vorzustoßen,
wurde aufrechterhalten. Der Angriff Yorck sollte am 30. Mai stattfinden.
Die bisherige Zahl der Gefangenen erhob sich über 20 000; die Beute war
unübersehbar.
Rastlos wurde am 29. Mai der Angriff weitergetragen, aber der feindliche
Widerstand versteifte sich mehr und mehr und war auf dem rechten Flügel
nördlich und südlich der Aisne besonders stark, als sei sich der
Gegner der Gefährlichkeit dieser Stoßrichtung, die seine Stellungen
nach Westen aufzurollen drohte, bewußt geworden. Hier konnten die
wünschenswerten Fortschritte nicht erzielt werden. Vor der Mitte, westlich
Coulonges, ging der Feind zu einem starken von Tanks und Schlachtfliegern
unterstützten Gegenangriff über. In heißem Ringen erreichte
die 7. Armee bei sinkender Nacht die Linie: Gegend westlich Crecy au Mont und
westlich Juvigny - westlich
Soissons - Belleu - Noyant - Buzancy -
östlich Droizy - Cramaville - nördlich Fresnes
und Ronchères - Courcelles-Sapicourt.
Die 1. Armee überschritt am Vormittage die Vesle bei Jonchery und
östlich, nahm St. Thierry und kam auch östlich des
Aisne-Kanals in der Richtung auf la Neuvillette und Bétheny voran.
Die bisher am Vorgehen unbeteiligte Gruppe Reims (Generalkommando des VII.
Reservekorps89) glaubte zu erkennen, daß der
Feind vor ihr räume, und erbat die Zustimmung
zum Nachstoß, die ihr um Mittag vom Armee-Oberkommando erteilt
wurde. Am Abend befand sich die 1. Armee, die auf dem rechten Flügel
von den Truppen des Generalkommandos Nr. 65 der 7. Armee
unterstützt wurde, im Kampfe um die Höhe westlich Rosnay, an der
Straße Jonchery - Reims, bei la Neuvillette. Gruppe
Reims hatte gegen harten Widerstand Bétheny genommen. Kaiser
Wilhelm war in der Mittagszeit beim Armee-Oberkommando in Proviseux
erschienen, um der Fortführung des Kampfes beizuwohnen.
Die Oberste Heeresleitung bezeichnete am 29. Mai endgültig die Linie
Compiègne - Dormans - Epernay als das Ziel, dem
18., 7. und 1. Armee zuzustreben hatten. Der Höhenblock in dem Strich
zwischen Vesle und Marne südlich Reims sollte zur Sicherung gegen
Châlons besetzt, über die Marne nach Süden nicht
hinausgegangen werden. Die Heeresgruppe Deutscher Kronprinz setzte darauf die
7. Armee auf Verberie, Crépy en Valois, Château Thierry,
Châtillon an [474] der Marne an mit dem
Schwerpunkt zwischen Soissons und Fère en Tardenois. Die 1. Armee
sollte westlich Reims weiter nach Süden vordringen; die Gruppe Reims
wurde angehalten und angewiesen, nur südöstlich Reims die
Vesle-Linie zu erreichen, um die Stadt von zwei Seiten zu umfassen und auf diese
Weise zu Fall zu bringen.
Die bisherigen Ergebnisse des großen Angriffs zeigten eine besonders
günstige Vorwärtsentwicklung in der Mitte, wo man sich der Marne
näherte; dagegen hingen beide Flügel ab, der rechte infolge des
erhöhten feindlichen Widerstands beiderseits der Aisne, wobei die
Angriffshemmung am 28. Mai bei Soissons nachwirkte, der linke durch das stark
verteidigte Reims. Die Zahl der Gefangenen war wieder um Tausende
gewachsen.
In der Nacht zum 30. Mai wurde bei der ganzen 7. Armee erbittert gestritten. Das
Kampfbild gestaltete sich im Laufe des Tages dahin, daß der Feind nach wie
vor in der Gegend von Soissons und bei Reims dem deutschen Vordringen
heftigsten Widerstand entgegensetzte, während er nördlich der
Marne, die ihm später eine günstige Verteidigungslinie abgeben
konnte, eher geneigt war, nachzugeben. Auf dem äußersten rechten
Flügel der 7. Armee führte VII. Armeekorps über den
Oise-Aisne-Kanal den Angriff Yorck 1 mit der Hauptstoßrichtung
über Guny und kämpfte sich bis zur Linie St. Paul aux
Bois - Trosly-Loire - östlich Vezaponin vor. Der Feind
ließ sich in verzweifeltem Ringen nur Schritt für Schritt Boden
abgewinnen und ging sogar zu Gegenstößen mit Kavallerie zu Pferde
über.
Anschließend erreichten die Truppen des Generalkommandos Nr. 54 und
VIII. Reservekorps am Abend die Linie
Vauxrezis - Ploisy - östlich Vierzy. Die feindliche
Gegenwirkung äußerte sich hier teils im zähen Aushalten der
Infanterie, die gegen VIII. Reservekorps auch angriffsweise vorging, teils in der
Verstärkung des Artilleriefeuers. Das links benachbarte XXV.
Reservekorps durchbrach in flottem Draufgehen zwei rückwärtige
Stellungssysteme, die sogenannten Pariser Schutzstellungen, und stand am Abend
bei Hartennes, östlich Oulchy la Ville, Armentières, und
südlich davon. Weiter südlich hatte IV. Reservekorps großen
Erfolg; es kam als erstes bis zur Marne östlich
Château-Thierry, überschritt sie sogar mit Teilen der 28.
Infanterie-Division, sah sich aber veranlaßt, diese Truppen wieder
zurückzunehmen, da die Marne als Ziel gesetzt war. Nördlich der
Marne hielt es die Linie Coincy - Brasles. Auch Generalkommando
Nr. 65 schob seine Kräfte zwischen Passy und Vincelles bis an die
Marne vor; von dort bog sich seine Front über die Höhen
nördlich von Verneuil, Olizy bis zur Gegend nordwestlich Sarcy
zurück.
Die 1. Armee hatte am 30. Mai sehr schwere Kämpfe mit frisch
eingesetzten Reserven zu bestehen und gewann in wechselvollem Ringen um das
hartnäckig verteidigte Reims bis zum Abend die Linie: Gegend
nordwestlich Prémecy - Thillois - Kanal
südwestlich la Neuvillette - Bétheny.
Östlich von Reims wurde [475] die alte Stellung der
Gruppe Reims eingehalten. Die Oberste Heeresleitung wies darauf hin, daß
die 1. Armee ihren rechten Flügel aus der Mitte stärker machen
müsse, um nach Süden und Südwesten vorwärts zu
kommen, Reims westlich abzuschließen und dem linken Flügel der 7.
Armee Freiheit zum Vorschreiten zu geben. Der Schwerpunkt lag bei ihr also
nach wie vor auf dem rechten Flügel.
Am 30. Mai nachmittags trat auch die 18. Armee, unterstützt von Artillerie
der 7. Armee, die ihr zugeschoben worden war, in der Durchführung des
Angriffs Yorck 2 aus der Oise-Linie Noyon - Chauny in den
Kampf ein, indem sie unter der Führung des Generalkommandos des
XXXVIII. Reservekorps zwei Divisionen zwischen Varesnes und Bretigny und
bei Bichancourt über die breite Talniederung vorstoßen ließ. Es
gelang, die Ortschaften südlich der Oise von Pontoise bis Manicamp in
Besitz zu nehmen. Bei Varesnes und Bichancourt wurde sofort mit der
Herstellung von festen Übergängen begonnen. Der Angriff sollte bis
zur Aisne bei Rethondes und Berneuil durchgeführt werden und
gleichzeitig gegen den Wald von Laigue die rechte Flanke sichern.
Bei allen Kommandostellen wie auch in den beteiligten Truppen erhielt sich der
Eindruck, daß der Gegner eine große Niederlage erlitten habe. 19
frische Divisionen hatte er in den Kampf hineingeworfen. Die Gefangenenzahl
überstieg 45 000; weit über 400 Geschütze, Tausende
von Maschinengewehren waren genommen. Reiche Kriegsvorräte fielen in
Soissons, Braisne und Fismes in deutsche Hand; große Munitionslager,
Eisenbahnzüge, Lazarettanlagen, Flughäfen mit Flugzeugen konnten
vom Gegner nicht mehr geborgen werden. Wirksamen Anteil an diesen Erfolgen
hatten die rückwärtigen Truppen, die die Verbindungen besserten
und wiederherstellten und für rechtzeitigen Nachschub von Munition und
Verpflegung sorgten.
Wichtig war die Feststellung der Fernaufklärung, daß der Feind
begann, Kräfte aus der Gegend von Compiègne und
Château-Thierry in das Waldgelände von Villers Cotterêts zu
verschieben. Offenbar war es ihm darum zu tun, bei künftigen
Gegenangriffen entscheidend die deutsche rechte Flanke anzufallen.
Deutscherseits plante man das Waldgebiet von Villers Cotterêts im
weiteren Vorgehen beiderseits zu umfassen.
Am 31. Mai fand XXVII. Reservekorps der 18. Armee in der Gegend von Cuts
heftigen Widerstand, während sein linker Flügel bis über
Nampcel nach Westen hinausstieß und dort Anschluß an die 7. Armee
fand. Von dieser Armee gelangte VII. Armeekorps bis zur Linie
Nampcel - Morsain. Südlich davon bei Nouvron
kämpften die Truppen des Generalkommandos Nr. 54, besetzten die
Aisne von Fontenoy bis Pommiers und dehnten sich südlich von ihr von
Pommiers bis Ploisy aus, wo sie einen Tankangriff abwehren mußten.
Hier zeigte sich schon, daß der Gegner sehr stark geworden war. VIII.
Reservekorps war gleichfalls das Ziel wütender Angriffe mit Tanks und
Schlachtfliegern [476]östlich der
Straße Soissons - Villers Cotterêts und konnte nur mit
dem linken Flügel Fortschritte bis in die Gegend von Blanzy machen.
Dagegen kam XXV. Reservekorps flott voran, erreichte, während der Feind
vor ihm zu erlahmen schien, den Wald südöstlich Corcy,
Ancienville, Noroy, St. Mard, Marcogny, Priez und näherte sich auf
diese Weise Paris auf 75 km. IV. Reservekorps rückte in die Linie
Etrépilly - Château Thierry ein, schuf sich hier einen
Brückenkopf und festigte sich auf dem nördlichen
Marne-Ufer zwischen Château Thierry und Passy. Anschließend
erweiterten die Truppen des Generalkommandos Nr. 65 ihren Uferbesitz
östlich über Dormans hinaus und erkämpften sich
nördlich der Marne in langsamem Vorschreiten die Linie: Höhen
nordöstlich Verneuil, Höhe westlich
Jonquery - Höhe westlich Chambrecy.
Nach Nordosten bestand Fühlung mit der 1. Armee, die sich bis Mittag in
den Besitz der Höhe südwestlich Sarcy, der Gegend östlich
Aubilly, Vrigny und Ormes setzte und über la Neuvillette nach
Süden hinausstieß. Am Abend wurden noch die Höhen
südlich Aubilly, St. Euphraise und Courcelles genommen, so
daß sich die gewonnene Linie aus der Gegend von Sarcy bis zur Gegend
dicht westlich Reims erstreckte.
Um auf dem rechten Flügel schärfer zusammengefaßte
Führung zu ermöglichen und dadurch die Eroberung des waldigen
Berglandes südwestlich von Reims zu erleichtern, schuf das
Oberkommando eine besondere Kampfgruppe unter dem Generalkommando des
VI. Reservekorps,90 der vom 2. Juni an drei Divisionen
zugewiesen wurden. Weitere Stärkung erfuhr die 1. Armee durch den
für den 1. Juni befohlenen Übertritt der linken Flügelgruppe
der 7. Armee (Generalkommando Nr. 65) in ihren Befehlsbereich, wodurch
die Kampfführung bei Reims noch mehr vereinheitlicht werden sollte.
Am 1. Juni gedachte die 18. Armee ihren Stoß in südwestlicher
Richtung auf die Aisne fortzusetzen, die 7. Armee, deren Oberkommando am 30.
Mai nach Laon übergesiedelt war, mit dem Schwerpunkt gegen die Linie
Villers Cotterêts - la Ferté Milon weiter
anzugreifen, an der Marne aber zu halten, während die 1. Armee ihre
Absichten auf die Hochflächen nördlich von Damery und den
weiteren Abschluß von Reims im Westen richtete.
Die Angriffs-Divisionen der 18. Armee kamen aber nur wenig voran, da der Feind
hier frische Truppen eingesetzt hatte. Bis Mittag wurde die Linie: Gegend
südlich Pontoise - Gegend südwestlich
Cuts - Gegend nordwestlich und südwestlich Nampcel
erreicht. Es wurde beschlossen, vor weiterem Vordringen die Wirkung schwerer
Artillerie abzuwarten. Von der 7. Armee nahm VII. Armeekorps Autrêches
und die Gegend südöstlich davon. Die Truppen des
Generalkommandos Nr. 54 kamen nur bei Vauxbuin südlich der
Aisne ein Stück weiter. VIII. Reservekorps drang auf Chaudun vor, nahm
Vierzy, die [477] Bahnlinie
Longpont - Corcy und überschritt den Grund südlich
Corcy. XXV. Reservekorps wehrte einen Tankangriff ab, der
vorübergehenden Geländeverlust erbrachte, und kam bis zur Linie
Faverolles - Chevillon - St. Gengoulph. IV.
Reservekorps setzte sich anschließend in den Besitz von Courchamps und
Monthiers und sicherte sich Château Thierry, wo noch
Straßenkämpfe stattfanden. An der Marne-Front war es ruhig.
Bei der 1. Armee konnten die Truppen des Generalkommandos Nr. 65 nur
langsam Gelände gewinnen und unterlagen am frühen Nachmittage
in der Gegend nordöstlich Verneuil der Wirkung eines schweren
Gegenangriffes, der bei Sarcy auch den rechten Flügel des links
benachbarten XV. Armeekorps (Gruppe Brimont) faßte. Trotzdem wurden
über Jonquery Fortschritte gemacht. Westlich Reims nahm XV.
Armeekorps Vrigny, während Teile in die westlichen Vorstädte von
Reims eindrangen, aber durch einen Gegenstoß wieder in die
Ausgangsstellung zurückgeworfen wurden. An diesem Tage suchte sich
auch VII. Reservekorps (Gruppe Reims) befehlsmäßig der
Vesle-Linie südöstlich von Reims zu bemächtigen, stieß
erfolgreich auf das Fort Pompelle vor, mußte aber vor überlegenen
Angriffen den Geländegewinn wieder räumen.
Der 1. Juni brachte also nur sehr geringe Erfolge und blieb nicht frei von kleinen
Einbußen. Bei allen beteiligten Armeen bestand der Eindruck, daß mit
den bisherigen Mitteln nicht weitergekämpft werden könne.
Überall, besonders aber zwischen Aisne und Marne, wo Villers
Cotterêts der Ausgangspunkt zahlreicher, nach allen Richtungen der Front
auf Lastkraftwagen zueilender Reserven war, hatte sich der Feind
verstärkt. Während die 18. Armee den Angriff vorläufig
einstellte, wollten die 7. und 1. Armee zwar in der Vorwärtsbewegung
bleiben, jedoch bat erstere um die Zuweisung frischer Divisionen, letztere wies
auf die Erschöpfung ihrer Truppen und beginnenden Munitionsmangel hin
und beantragte eine Kampfpause. Die Heeresgruppe Deutscher Kronprinz
schloß sich diesen Vorschlägen an, legte im Bereich der 1. Armee das
Hauptgewicht auf die Eroberung der Höhen nördlich Damery, bei der
7. Armee auf die Fortführung des Stoßes in westlicher Richtung, um
für Gneisenau günstige Verhältnisse zu schaffen, und riet von
einer Ausdehnung des Angriffs über die Marne hinüber auf Epernay
ab, die die Oberste Heeresleitung zur Erleichterung der Operationen der 1. Armee
in Aussicht genommen hatte.
Am 2. Juni hielten sich die beiden Divisionen der 18. Armee in ihren Stellungen;
von der 7. Armee griffen VII. Armee-, VIII. Reserve-, XXV. Reserve- und IV.
Reservekorps an und erzielten in überaus hartem Ringen einzelne
Fortschritte bis zur Linie: Moulins sous
Touvent - St. Christoph à
Berry - Aisne-Fluß westlich
Soissons - Gegend südlich
Pommiers - Gegend westlich Vauxbuin - Höhe
westlich Chaudun - Nordostrand des Waldes von
Retz - Corcy - Höhen von
Faverolles - Chézy en
Orxois - Vinly - Belleau - Gegend westlich
Château Thierry, wo sich die Marnefront bis Passy anschloß.
Zahlreiche Gegen- [478] angriffe, die immer
wieder hemmend einwirkten, waren zu überstehen. Auch bei der 1. Armee
fanden Angriffskämpfe statt, die aber das Bild der am 1. Juni gewonnenen
Linie wenig änderten. Ein Vorstoß schwarzer Truppen aus Reims
wurde zurückgeschlagen.
Die Oberste Heeresleitung wies an diesem Tage der Heeresgruppe Deutscher
Kronprinz über vorausgegangene Verstärkungen hinaus noch vier
Divisionen zu und bezeichnete als Schwerpunkt für die 7. Armee die
Richtung auf Villers Cotterêts. Das Armee-Oberkommando, dem
inzwischen die beiden Divisionen der 18. Armee auf dem rechten Flügel
unterstellt waren, beschloß darauf, am 3. Juni besonders den Angriff des
VII. Armeekorps nördlich der Aisne zu fördern, um durch
Gewinnung der Aisne-Höhen bei Vic die feindliche Front
südwestlich Soissons zu erschüttern. Generalkommando
Nr. 54 sollte südlich der Aisne die Höhen nördlich von
Coeuvres et Valséry angreifen; VIII. Reservekorps erhielt als Ziel das
Gelände von Dommiers, Vivières und Montgobert. So plante man
sich in den Besitz des freien Geländes zwischen Aisne und dem Walde von
Retz zu setzen.
Bei der 1. Armee fand eine Besprechung mit dem General Ludendorff statt. Die
beantragte Kampfpause wurde bewilligt; demnächst sollten nur Teilangriffe
mit beschränkten Zielen ausgeführt werden; bei Reims waren sie
gegen die westlichen Vororte der Stadt zu richten, die im übrigen
hauptsächlich durch Artillerie- und Minenwerferwirkung zu Fall gebracht
werden mußte. Auch wurde für später die Wiederholung des
Stoßes gegen die Vesle südöstlich von Reims befohlen. Auf
dieser Grundlage faßte die 1. Armee folgende Unternehmungen ins Auge:
Angriff gegen die Linien Boujacourt - Chaumuzy und
Chambrecy - Bligny - Gegend nördlich von Bligny;
Gewinn der allgemeinen Linie Chatillon - la Neuville aux
Barris - Gegend westlich Bouilly; Wegnahme des
Höhengeländes von Coulommes; Wegnahme von Reims durch
Stoß in die westlichen Vorstädte. Für die
planmäßige Vorbereitung konnten nur wenige Tage bewilligt
werden.
Durch die Verstärkungen der Obersten Heeresleitung hatte sich die Zahl der
für Yorck, Blücher und Görz eingesetzten Divisionen von 30
der Ausgangslage allmählich auf 51 erhoben. Davon entfielen auf die 7.
Armee einschließlich der von der 18. Armee zugewiesenen beiden
Divisionen des XXXVIII. Reservekorps 35, auf die 1. Armee 16, in die die
Kräfte der am 1. Juni übernommenen Gruppe des
Generalkommandos Nr. 65 einrechneten. Die Verstärkungen waren
also sehr bedeutend, zumal bei der 1. Armee, deren Kampfhandlung,
ursprünglich nur ein Nebenstoß, sich zu der wichtigen Operation der
Eroberung von Reims ausgestaltet hatte. Nach Berechnung der Obersten
Heeresleitung waren durch den ersten deutschen Stoß 10 feindliche
Divisionen geschlagen worden, zu deren Stützung allmählich mehr
als 30 neue Divisionen, darunter nur wenige englische und einige
Kavalleriedivisionen, in den Kampf eingegriffen hatten. Die Hauptlast trugen
[479] also die Franzosen, die,
wie anzunehmen, auch noch weitere Kräfte heranzuziehen bereit waren.
Ihnen standen noch etwa 12 freie Divisionen zur Verfügung, dazu kamen
ungefähr 17 englische Divisionen, auf deren Einsatz an der brennenden
Stelle aber keine Anzeichen hindeuteten.
An den unbeteiligten deutschen Fronten machte sich bereits eine Erleichterung der
Lage bemerkbar, am wenigsten am Kemmel, der von den Franzosen dauernd stark
besetzt gehalten wurde. Mit feindlichen Großangriffen war an keiner Stelle
zu rechnen. Dagegen ließ sich aus den Maßen des feindlichen
Widerstandes schließen, daß die deutsche Offensive nunmehr von
einem Ringe feindlicher Truppen umgeben war, die nicht nur zur Abwehr,
sondern auch zum Angriff genügende Spannkraft besaßen.
Wenn die Oberste Heeresleitung trotzdem auf Fortsetzung des Stoßes aus
den Flanken der durch Yorck, Blücher und Görz entstandenen
Hervorwölbung drängte, so lagen für sie zwingende
Gründe vor: ohne Geländegewinn nach beiden Seiten blieb die
bisherige Errungenschaft Stückwerk in dem Sinne, daß die
mangelhaften Bahnverhältnisse in dem eroberten Gelände den
Nachschub zur Front erschwerten; ohne neue Fortschritte in der Richtung auf
Compiègne und Villers Cotterêts wurden die Aussichten für
den dicht bevorstehenden Gneisenauangriff der 18. Armee geschmälert, der
seinerseits wieder dazu dienen sollte, den Ertrag der bisherigen Kämpfe auf
eine breitere Grundlage zu stellen und zugleich die Stellung der 18. Armee selbst
zu bessern. Man war sich klar darüber, daß die Angriffsrichtungen
nach Westen und Südosten gerade die am stärksten versteiften
Widerstandsgruppen des Gegners trafen, besonders bei Villers Cotterêts,
wo sich unter dem Schutze des Waldes von Retz dauernd schwere Gewitter
zusammenzogen.
Am 3. Juni hatte VII. Armeekorps der 7. Armee auf seinem rechten Flügel
bei den Divisionen des ausgeschiedenen XXXVIII. Reservekorps starke Angriffe
abzuwehren, kam an einzelnen Stellen, besonders südwestlich Cuts, ein
Stück vorwärts, vermochte aber die als Ziel gesetzten Höhen
nördlich von Vic an der Aisne nicht zu erreichen. Südlich der Aisne
ging der Angriff des Generalkommandos Nr. 54 und des VIII.
Reservekorps etwas flotter voran und erreichte die Linie Höhe östlich
Pernant - Gegend nördlich und südöstlich von
Dommiers. XXV. Reservekorps wies Tankvorstöße des Gegners ab,
IV. Reservekorps nahm Eloup und Bouresches und hielt seine Errungenschaften
gegen den immer wieder andrängenden Feind. Es war also auf der
Westfront des Blücherangriffes nur ein mühsames
Vorwärtskämpfen möglich, dabei stete Abwehrbereitschaft
gegen den tätigen Feind nötig. An der Marne und bei der 1. Armee
setzte sich die Kampfpause unter hoher Spannung an den beiderseitigen Fronten
fort; ein kleiner Erfolg war die Wegnahme von Boujacourt am Westrande des
Berglandes südlich von Reims.
[480] Am 4. Juni
änderte sich nördlich und südlich der Aisne das Bild wenig
trotz heißen Bemühungen, Schritt um Schritt vorwärts zu
kommen. Generalkommando Nr. 54 und der rechte Flügel des VIII.
Reservekorps arbeiteten sich an den Ostfuß des Höhenblocks von
Ambleny, Laversine und St. Pierre Aigle heran, der ihnen den Weg in das
erstrebte Gelände nördlich des Waldes von Retz versperrte. Es
bedurfte vorerst noch starker Feuer- und Kräftezusammenfassung, um
diesen Berg zu übersteigen. In der Gegend von Château Thierry
wurden Amerikaner festgestellt. An der Marnefront und bei der 1. Armee traten
keine Veränderungen ein.
Am 5. Juni griff nördlich der Aisne VII. Armeekorps von neuem an, machte
aber nur südwestlich Pontoise einige Fortschritte; im übrigen rannte
es gegen einen feindlichen Vorstoß, der zwar erfolglos blieb, aber auch
keinen Gewinn gestattete. Südlich der Aisne, an der Marne und bei Reims
fanden lediglich örtliche Kämpfe statt. Das Oberkommando der 7.
Armee, seit dem 4. Juni in Jouaignes südöstlich Soissons,
entschloß sich, um größere Erfolge zu zeitigen, auf seiner
Westfront, ähnlich wie es schon die 1. Armee bei Reims vorgesehen hatte,
fortan nur räumlich beschränkte Stöße zuzulassen, die,
zeitlich aufeinander folgend, die Grundlagen für weitere Fortschritte
schaffen sollten. Der erste Stoß war südlich der Aisne vom
Generalkommando Nr. 39,91 das das Generalkommando
Nr. 54 abgelöst hatte, und vom rechten Flügel des VIII.
Reservekorps gegen die Linie Vic an der
Aisne - Coeuvres et
Valsery - St. Pierre Aigle zu führen und vom VII.
Armeekorps nördlich der Aisne mit Feuer zu unterstützen.
Unmittelbar darauf sollte VII. Armeekorps angreifen mit dem schon bekannten
Zwecke der Gewinnung der Höhen nördlich von Vic an der Aisne.
Sorgfältige Vorbereitung, starke Artilleriewirkung waren Vorbedingungen,
frühester Angriffstermin der 8. Juni. Das Unternehmen südlich der
Aisne wurde mit "Hammerschlag", nördlich von ihr mit
"Baumfällen" bezeichnet.
Bisher hatte die Oberste Heeresleitung gehofft, den Blücherangriff
beiderseits der Aisne so fördern zu können, daß der
beabsichtigte Gneisenaustoß der 18. Armee nur die Ergänzung des
Erfolges auf dem westlichen Oise-Ufer zur Eroberung von Compiègne
und zum Linienausgleich bilden werde; nun mußte bei den langsamen
Fortschritten des rechten Flügels der 7. Armee von ihm die
Weiterführung der Operationen der 7. Armee abhängig gemacht
werden. Am 5. Juni setzte die Oberste Heeresleitung Gneisenau auf den 9. Juni
fest; die 7. Armee sollte bis dahin beiderseits der Aisne vordrücken, sich
aber auf ihrem linken Flügel immer schärfer auf Abwehr stellen.
Dasselbe galt für den rechten Flügel der 1. Armee, der im
übrigen weiterkämpfen sollte, um die Linie la Neuville aux
Larris - Südfront von Reims und damit Reims selbst in seinen
Besitz zu bringen.
[481] Wenn hiernach die
letzten wünschenswerten Ziele noch zu erreichen waren, so trat doch die
Oberste Heeresleitung sehr energisch dem Gedanken entgegen, daß sich der
Blücher-Angriff festgelaufen habe. Sie erkannte im Gegenteil an,
daß er weit über die ursprünglichen Begrenzungen
hinausgegangen, für den Feind zu einer der schwersten Niederlagen und zur
Grundlage für weitere Erfolge geworden sei. Wo sie diese Erfolge vielleicht
suchen werde, deutete sie jetzt schon an, indem sie darauf hinwies, daß der
alte Angriffsentwurf Roland der 3. Armee92 östlich von Reims an
Bedeutung gewinne und durch Munitionierung vorzubereiten sei.
Der 6. Juni zeigte das Bild, daß nördlich der Aisne der Gegner mit
erheblichen Verstärkungen Teilangriffe gegen VII. Armeekorps richtete;
südlich der Aisne herrschte lebhafteste Artillerietätigkeit, gegen IV.
Reservekorps nördlich von Château Thierry kam es zu mehrfachen
starken Anläufen, an denen sich auch Amerikaner beteiligten. Der Gegner
hatte nur kleine örtliche Erfolge, aber das von der Obersten Heeresleitung
gewünschte Vordrücken beiderseits der Aisne kam nicht zustande.
Die Oberste Heeresleitung wies die 18. Armee nunmehr an, ihren
Gneisenau-Stoß über die Oise hinüber in der Richtung auf
Bailly der 7. Armee entgegenzutragen; dabei sollte VII. Armeekorps mit seiner
Artillerie helfen.
Bei der 1. Armee wurde der erste der am 2. Juni beschlossenen Schläge
vom VI. Reservekorps gegen die Linien Boujacourt - Chaumuzy und
Chambrecy - Bligny - Gegend nördlich Bligny
geführt. Er hatte anfangs Erfolg, da einiges Gelände und das Dorf
Bligny gewonnen wurden; dann aber machte sich die feindliche Gegenwirkung so
stark geltend, daß das Errungene nur teilweise gehalten werden konnte. Als
am 7. Juni Gegenangriffe erfolgten, ging fast der ganze Gewinn, mit ihm auch
Bligny, wieder verloren. Bei der 7. Armee kam es an diesem Tage nur beim IV.
Reservekorps zu schweren Kämpfen. Auf seinem rechten Flügel, bei
Eloup und Bouresches, dauerten die französischen, englischen und
amerikanischen Angriffe an, ohne daß ihnen größere Gewinne
beschieden waren; nur zwischen Vinly und Eloup wurde die deutsche Linie
eingedrückt.
Am 8. Juni herrschte auf der ganzen Kampffront
verhältnismäßige Ruhe; an der Westseite fanden nur
Kleinkämpfe statt. Nördlich der Aisne täuschte VII.
Armeekorps im Interesse des Gneisenau-Stoßes Angriffsabsichten vor.
Tatsächlich waren die wirklichen Angriffsabsichten hier erledigt; denn das
Unternehmen "Baumfällen" wurde mit Rücksicht auf die
schwierigen Verhältnisse nördlich von Vic aufgegeben, alle Kraft
sollte vielmehr auf den "Hammerschlag" südlich der Aisne verwendet
werden, für den der 11. Juni in Aussicht genommen war.
[482] Am 9. Juni begann die
Gneisenau-Offensive der 18. Armee, unterstützt vom Feuer des VII.
Armeekorps. Inzwischen war der Gegner vor der Westfront der 7. Armee in
Teilangriffen tätig, lief an einzelnen Stellen gegen VII.
Armee- und XXV. Reservekorps an und kämpfte den ganzen Tag
vergeblich um die Einbruchsstelle zwischen Vinly und Eloup sowie um
Bussières bei IV. Reservekorps. Bei der 1. Armee wurde von den
vorgeplanten Angriffen der Stoß auf das Höhengelände von
Brigny und Coulomme ausgeführt; wie am 6. Juni hatte er anfangs Erfolg,
endete aber bei immer stärker werdendem Widerstande mit dem
Rückzug in die Ausgangsstellung.
Das Oberkommando der 1. Armee gewann die Überzeugung, daß die
ermüdete Infanterie trotz allen Heldenmutes nicht mehr genügend
Schwung besaß, um auch nur die nächsten, schon sehr
beschränkten Ziele zu erreichen; sie beantragte und erhielt von der
Obersten Heeresleitung die Genehmigung, ihre Angriffe einzustellen. Nur die
Vorbereitungen des Unternehmens gegen Reims sollten weitergetrieben werden.
Damit schlossen die Kämpfe an der Südostfront des
Blücher-Görz-Raumes ab; die wichtige Ergänzung des
Geländegewinns durch den Fall von Reims war nicht erreichbar, wurde
aber im Hinblick auf neue Angriffspläne bei der 3. Armee nur vertagt.
Dagegen wurde auf der Westseite die Hoffnung auf entscheidende
Förderung der Angriffsfortschritte mit Rücksicht auf die erwarteten
Erfolge von Gneisenau noch nicht aufgegeben; über die Linie
Compiègne - Villers
Cotterêts - La Ferté Milon richteten sich die
Blicke auf Verberie, Crépy en Valois und Mareuil am Ourcq als die
wünschenswerten Endziele, die nahe an Paris heranrückten. In der
Tat war der erste Gneisenau-Tag, der die Truppen der 18. Armee schon bis zur
Matz vorführte, geeignet, diese Hoffnung zu beleben.
"Hammerschlag" - auf den 12. Juni hinausgeschoben - sollte der
erste Schritt sein; außerdem plante das Oberkommando der 7. Armee einen
Stoß nördlich Château Thierry, um die neueingesetzten
Amerikaner empfindlich zu treffen; er erhielt den Namen "Überseefahrt",
sollte aber nicht mehr zustande kommen.
Am 10. Juni machte Gneisenau weitere Fortschritte, namentlich nach Süden
über die Matz hinaus und längs des Westufers der Oise. An der
Westfront des Blücher-Raumes kam es bei hochgesteigertem Artilleriefeuer
zu zahlreichen Vorstößen auf der ganzen Linie beiderseits der Aisne
bis zur Marne, an denen beide Gegner beteiligt waren.
Am 11. Juni begann Gneisenau bereits in starken feindlichen Gegenangriffen
seine Kraft zu verlieren, zeitigte aber den Erfolg, daß die Franzosen auf dem
Ostufer der Oise den Raum südlich von Noyon verließen und sich
nach Süden hinter die alte Kampflinie
Bailly - Tracy le Val zurückzogen. Der rechte Flügel
der 7. Armee stieß nach, gewann Carlepont, setzte sich bei erstarkendem
feindlichen Widerstande nördlich der Linie
Bailly - Tracy le Val fest und nahm bei Bailly Verbindung mit den
über die Oise gegangenen Truppen der 18. Armee auf. [483] Beim IV. Reservekorps
wurde abermals heftig um die Einbruchsstelle bei Eloup gekämpft, die
eigene Widerstandslinie etwas nach Norden verlegt. Auch bei Belleau hatte dieses
Korps schwere feindliche Anläufe zu überstehen. Weiter
östlich an der Marne und bei der 1. Armee ging die Kampfbetätigung
an diesen Tagen nicht über Artillerieduelle hinaus.
"Hammerschlag"-Angriff.
Während der Gneisenau-Angriff am 12. Juni auf der Hochfläche von
Méry, vor der Aronde, an der Matz und an der Oise durch den Ansturm
überlegener Feinde sein tatsächliches Ende fand, führten auf
der Westfront der 7. Armee die Truppen des Generalkommandos Nr. 39
und der rechte Flügel des VIII. Reservekorps den Stoß
"Hammerschlag" gegen die Höhen südlich von Vic an der Aisne.
Nach Vergasung der feindlichen Batterien und kurzem Feuerschlag auf die
Infanteriestellungen stürzten sich die deutschen Sturmwellen auf den
wohlgerüsteten und zur Abwehr bereiten Gegner. Es gelang, den Feind von
den Höhen westlich von Pernant zu werfen, Cutry und die Höhe
westlich Dommiers zu nehmen. Starke feindliche Angriffe schufen dem
Vordringen frühzeitige Hemmung. Namentlich bei Ambleny war die
Gegenwirkung so heftig, daß die Fortsetzung des Stoßes nicht
rätlich schien. Dagegen hatte der linke Flügel des
Generalkommandos Nr. 39 und der rechte des VIII. Reservekorps noch
Hoffnung, sich durch weiteren Kampf die allgemeine Linie Coeuvres et
Valsery - Corcy zu sichern. St. Pierre Aigle wurde am Abend
genommen. Ein Versuch des VII. Armeekorps, nördlich der Aisne mit einer
Teilunternehmung zu helfen, löste eine Reihe von
Gegenstößen aus. Südlich beim IV. Reservekorps wurde an
diesem Tage bei Belleau erbittert gekämpft, der Wald nahe diesem Orte
ging verloren.
Am 13. Juni setzten sich die inneren Flügel der beiden
Hammerschlag-Korps in den Besitz der Höhe östlich von Coeuvres
et Valsery und des Waldes südlich von St. Pierre Aigle,
während sich beim IV. Reservekorps die Kämpfe bei Belleau auch
auf die Gegend von Bouresches ausdehnten. Die hohen
Kommandobehörden verschlossen sich nicht der Einsicht, daß nach
dem Abschluß der Gneisenau-Operation und gegenüber dem immer
mächtiger werdenden feindlichen Gegendrucke auch die Angriffe auf der
Westseite der Blücher-Front einzustellen seien und die Gewinnung der
über die bisherigen Errungenschaften hinausgehenden Ziele vertagt werden
müsse, zumal da der Munitionsnachschub zu wünschen
ließ.
Noch am 13. Juni befahl das Oberkommando der 7. Armee den Übergang
zur Verteidigung; hierbei wurden die Erfolge der achtzehntägigen
aufopferungsvollen Kämpfe mit folgenden Worten gewürdigt: "Der
am 27. Mai begonnene Großangriff der 7. Armee ist zum Abschluß
gekommen. Die schwere Niederlage des Gegners zeigt sich in dem Verlust aller
seiner Stellungen, seiner Kriegs- und Landesvorräte zwischen Aisne und
Marne sowie in der Einbuße von rund [484] 60 000
Gefangenen und 830 Geschützen. Der schönste Gewinn für
die Armee ist aber die hohe Befriedigung für jeden Führer und
Mitkämpfer, unsern militärisch tüchtigsten Feind, die
Franzosen, ganz gründlich geschlagen zu haben. Dabei waren bis zum 13.
Juni mehr französische Divisionen am Kampf beteiligt als deutsche, und
außerdem, noch drei englische und zwei amerikanische." Es sei
hinzugefügt, daß die mitwirkende 1. Armee ihre Gefangenenzahl auf
4000 Köpfe, die eroberten Geschütze auf 48 berechnete; dazu kamen
die Ergebnisse der noch zu besprechenden Gneisenau-Operation.
Am 14. Juni gab die Oberste Heeresleitung für die Heeresgruppe Deutscher
Kronprinz die Weisung, daß die 7. und die 18. Armee den Angriff im
großen einzustellen, aber Vorbereitungen für eine Offensive aus der
Front von Moreuil bis zur Marne zu treffen hätte. Die 7. Armee solle
besonders die Front zwischen dem Walde von Villers Cotterêts und der
Marne stützen. Es sei von Wert, daß die Entente an Fortsetzung des
Angriffs auf Paris glaube.
Wenn hierbei von einem neuen Unternehmen aus der Linie
Moreuil - Marne die Rede war, so galt das für spätere
Operationsabsichten, da an dem Gedanken des Schlages in Flandern gegen die
Engländer festgehalten wurde. Daß aber vorher noch ein neuer
Stoß gegen die Franzosen erfolgen werde, ergab sich nicht nur aus den
schon angeordneten Roland-Vorbereitungen bei der 3. Armee, sondern auch aus
der für den 14. Juni befohlenen Einschiebung der Gruppe des XXIII.
Reservekorps93 auf den linken Flügel der 7.
Armee an der Marne zwischen Château Thierry und Dormans, die unter
Bezeichnung "Marneschutz" den Übergang über den Fluß
zwischen Gland und Verneuil und anschließend den Angriff auf Epernay
bearbeiten sollte. Damit stand es im Zusammenhang, daß die 1. Armee von
der Aufgabe, Reims zu nehmen, nunmehr entbunden wurde.
Ergebnisse des Blücher-Angriffs.
Hatte die Ausdehnung der Ausgangsstellung für die Mai-Offernsive an der
Oise, Ailette und am Oise-Marne-Kanal etwa 100 km betragen, so spannte
sich die neugewonnene Frontlinie infolge der mächtigen Ausbuchtung nach
Süden über einen Raum von etwa 150 km aus. Die
größte Tiefe im eroberten Gebiet, von der Ailette bis zur Marne
gemessen, betrug 60 km. Dieser Riesenschritt nach vorwärts war
aber nicht etwa das Ergebnis der ganzen achtzehntägigen Kampfzeit,
sondern bereits am vierten Angriffstage getan. Die Wucht, mit der das
Unternehmen geführt wurde, der Schwung, der die Truppen beseelte, wird
hierdurch am besten gekennzeichnet.
In der Tat war der Yorck-Blücher-Görz-Angriff eine
außerordentliche Leistung, und es ist nicht Schuld der Führung und
der tapferen Truppen, [485] wenn er
schließlich, nachdem er über die feindlichen Stellungen in das offene
Feld hinausgetreten war, in dem mehr und mehr erstarkenden Widerstande des
Gegners zum Stillstand kam. Ihm wurden auf beiden Flügeln
Schwergewichte angehängt, die er nicht abzustreifen vermochte. Der
Gegner wußte anscheinend sehr gut, daß er den deutschen Siegeslauf
durch Druck gegen die Flanken am sichersten lahmlegte, mochte auch die Mitte
der deutschen Sturmtruppen mit großer Schnellkraft vorwärts eilen;
einmal mußte sie doch stehenbleiben, nachdem die Flügel gehemmt
worden waren. So kam der Angriff fern der Ausgangsfront an der Marne zum
Halten, scharf wie eine Bastion vorspringend, deren Flanken steil und lang zur
Aisne und auf Reims zurückleiteten. Die Form dieser
Hervorwölbung war ungünstig, weil der Feind sie von den Seiten her
weit hinein mit Feuer beherrschen konnte und die Empfindlichkeit der Flanken
ihn zu Angriffen geradezu reizte, wie es sich schon während der Operation
bei Villers Cotterêts gezeigt hatte und in der kommenden Zeit noch viel
schärfer offenbaren sollte. Die Zahl der Divisionen, die den
Geländegewinn sichern mußten, wuchs gegen die Ziffer der
Verbände, die die Ausgangsstellungen gehalten hatten, ganz bedeutend, die
Kampfspannung war wesentlich erhöht und die Versorgung der vorn
eingesetzten Truppen durch den Mangel an geeigneten und feuerfreien Bahnlinien
erschwert.
Wenn auch der Bewegungskrieg nicht erreicht und der räumliche Gewinn
nicht voll befriedigend war, blieb die
Yorck-Blücher-Görz-Operation doch eine große, weit
über alle Erwartungen hinausgegangene Niederlage der Feinde. Sie lehrte
abermals, wie wichtig die Überraschung als Grundlage des Erfolges war.
Vielleicht wäre der Feind doch vorzeitig auf die erhöhte
Tätigkeit am Chemin des Dames aufmerksam geworden, wenn man ihm
nicht an andern Fronten Angriffe vorgespiegelt hätte.
Das geschah ganz allgemein durch erhöhte Tätigkeit der Artillerie
und in der Luft, durch verstärkten funkentelegraphischen und Blinkbetrieb,
durch Kolonnenbewegungen hinter der Front und die Vortäuschung von
Biwaks im Aufmarschgelände, die mit dem althergebrachten Mittel einsam
brennender Feuer erzeugt wurde. Außerdem fanden bei der 4. und auf der
Naht zwischen der 2. und 18. Armee Scheinangriffe statt, die um so erfolgreicher
sein mußten, als der Gegner gerade an diesen Stellen tatsächliche
Angriffe erwartete.
Wenn es auch schwer zu entscheiden ist, inwieweit solche Versuche im einzelnen
wirklich ablenkend gewesen sind, so lassen doch die feindliche Sorglosigkeit am
Chemin des Dames, und die verhältnismäßig späte
Zuführung von Reserven an die Kampfstelle den Schluß zu,
daß sich die Täuschungsbestrebungen gelohnt haben. Wie stark sich
die Angriffsschwierigkeiten häufen, sofern die Überraschung nicht
voll zustande kommt, lehrt eindringlich der Gneisenau-Angriff der 18. Armee.
[486]
Gneisenau-Angriff.
Für den Angriff Gneisenau diente seit dem 16. Mai 1918 als Grundlage die
Weisung der Obersten Heeresleitung, daß er sich als Ziel zunächst
die Linie Mortémer - Ressons - Matzbach zu setzen
habe.94 Das Oberkommando der 18. Armee
legte in seinem Angriffsentwurf vom 21. Mai das Angriffsziel genauer dahin fest,
daß das Höhengelände von Rollot, Mortémer, Cuvilly
bis zur Matz bei la Neuville und anschließend die nördlichen
Uferhöhen der Matz von la Neuville über Elincourt und
Cambronne bis zur Oise bei Ribécourt und Pimprez genommen werden
sollten. Unter der Voraussetzung, daß der rechte Flügel des
Blücher-Angriffs in der Richtung auf den
Oise-Aisne-Winkel bei Compiègne gute Fortschritte machen werde,
wurde Weiterführung des Stoßes bis zur Straße
Rollot - Mortémer - Compiègne geplant. Der
Schwerpunkt lag auf der Eroberung der Höhen um Gury und des Waldes
östlich von Mareuil, wo drei besonders gute Divisionen eingesetzt werden
sollten.
Aus der bisherigen Stellung zwischen Assainvillers südöstlich von
Montdidier und der Gegend südlich Noyon vorbrechend war der Angriff
unter der Leitung von zwei Generalkommandos durch zwölf Divisionen
und eine Stellungs-Division zu führen, von denen acht ins erste, vier ins
zweite und eine ins dritte Treffen eingereiht wurden. Nach dreistündiger
Artillerievorbereitung sollte die Infanterie am Angriffstage um 445 morgens stürmen und das erste Ziel
in einem Zuge erreichen; auf Überraschung des Gegners wurde gerechnet.
Der Gesamtbedarf an Artillerie, deren Einsatz wiederum vom Obersten
Bruchmüller geleitet wurde, war auf 276 Feldbatterien, 191 schwere und
fünf schwerste Batterien berechnet, von denen mehr als die
Hälfte - im ganzen 195 Batterien - von der Obersten
Heeresleitung und der 7. Armee gestellt werden mußten.
Die Oberste Heeresleitung teilte die Ansicht, daß die Weiterführung
von Gneisenau über das erste Ziel von den Erfolgen der 7. Armee
abhängig sei, hielt es aber für wertvoll, daß sogleich im ersten
Anlauf auch die Matz-Übergänge zwischen la Neuville und
der Oise in die Hand genommen würden. Die Artillerievorbereitung sollte
um eine Stunde verlängert, auf dem linken Flügel noch ein drittes
Generalkommando eingeschoben werden. Am 30. Mai gab sie den
endgültigen Befehl für die Durchführung und erwartete viel
von flankierender Artilleriewirkung aus der Gegend südöstlich
Noyon, die durch den Vorstoß Yorck 2 zwischen Noyon und Chauny
ermöglicht werden konnte.
Bei allen Erwägungen war die Rede von den wenig günstigen
Stellungsverhältnissen, aus denen der Angriff heraus-, und von den
Geländeschwierigkeiten, in die er hineingeführt werden mußte.
Die Front der 18. Armee zwischen Montdidier über Noyon bis Chauny
hatte sich aus den Michael-Kämpfen ergeben, ent- [487] behrte der Festigkeit,
des Ausbaus und der Unterbringungsmöglichkeiten älterer
Stellungssysteme. Deshalb war die Bereitstellung der Sturmtruppen zwischen
Assainvillers und Noyon erschwert und gegen Feuerüberfälle kaum
zu schützen; sie mußte ganz in die Nacht, das erste Vorbrechen auf
das früheste Morgengrauen verlegt werden. Der Angriffsraum stellte ein
Berggelände dar, das noch stärkere Formen zeigte als das der Aisne,
das die 7. Armee durchschritten hatte, und war besonders südwestlich,
südlich und südöstlich von Lassigny dicht bewaldet. Hierdurch
wurde die unmittelbare Unterstützung der stürmenden Infanterie
durch Begleitbatterien behindert, wenn nicht unmöglich gemacht; man
glaubte sich mit leichten und mittleren Minenwerfern, Granatwerfern und
Gewehrgranaten behelfen zu können, ohne die Begleitbatterien
auszuschließen. Zum Wiesengrunde der Matz fiel das Gelände im
östlichen Teile des Angriffsraumes steil ab, um südlich des Baches
wieder jäh anzusteigen; die Überwindung dieses Abschnitts, wenn
sie in Frage kommen sollte, auch die Schaffung von Brückenköpfen,
konnte nicht leicht sein. Südlich der Begrenzung des ersten Stoßes im
westlichen Teile des Angriffsraumes erhob sich die mächtige,
überragende Hochfläche um Méry, deren Besitznahme
für weitere Fortschritte entscheidend war. Alles kam darauf an, den ersten
Stoß ohne Aufenthalt sogleich bis zur Matz und bis an den Fuß der
Hochfläche von Méry zu fördern, wenn möglich
darüber hinauszugehen.
Die 18. Armee hatte vor dem Angriff in ihrer Gesamtfront zwischen
Mailly-Raineval südwestlich Moreuil und Chauny fünf
Gruppenabschnitte gehabt, des Generalkommandos des III.
Armee-,95 XXVI.
Reserve-,96 IX.,97 XVII.98 und VIII. Armeekorps,99 welch letzteres vor der
Blücher-Offensive von der 7. zur 18. Armee übergetreten war. Von
diesen sollten die Gruppen des XVII. und VIII. Armeekorps am
Gneisenau-Angriff beteiligt werden. Auf Weisung der Obersten Heeresleitung
wurde auf dem linken Flügel, links neben dem VIII. Armeekorps, noch eine
neue Angriffsgruppe gebildet, über die das Generalkommando des
XXXVIII. Reservekorps100 den Befehl übernahm,
nachdem es die beiden Divisionen, die unter ihm den Stoß Yorck 2
über die Oise zwischen Noyon und Chauny geführt, an die 7. Armee
abgegeben hatte. Später wurde auf dem rechten Angriffsflügel auch
noch IX. Armeekorps mit einem Teil seiner Kräfte in Anspruch
genommen.
Da das Unternehmen Gneisenau von langer Hand beschlossen war, machten die
Vorbereitungen und die Heranführung der Verstärkungen keine
Schwierigkeiten; nur die Umgruppierung der Artillerie der 7. Armee nach Westen
nahm sehr viel Zeit in Anspruch. Einem Teil der neu überwiesenen
Divisionen konnte sogar noch die Gunst einer kurzen Ausbildungszeit
gewährt werden. Dagegen bestand Unsicherheit über den
Angriffstag, weil man von den Fortschritten des [488] rechten Flügels
der 7. Armee abhängig blieb. Der Zeitpunkt, zu dem sich die
Angriffsverbände an die Front heranzuschieben hatten, wurde erst auf die
Nacht vom 6. zum 7. Juni gelegt. Zur Vollendung des Infanterieaufmarsches war
dann noch eine weitere Nacht und zum Einrücken in die Sturmstellungen
die Nacht vor dem Angriffsmorgen vorgesehen.
Der Oberbefehlshaber der 18. Armee, General v. Hutier im Armeehauptquartier
Auroir,101 mußte seine grundlegenden
Befehle noch ohne Kenntnis des Angriffstages geben. Am 3. Juni ergingen
Weisungen folgenden Inhalts: Die Armee greift mit XVII., VIII.
Armee- und XXVIII. Reservekorps den gegenüberstehenden Feind an. IX.
Armeekorps schließt sich im gegebenen Augenblick mit linkem
Flügel dem Angriff an, muß aber mit rechtem Flügel den
sicheren Anschluß an seine bisherige Stellung wahren... Ein Tagesziel gibt
es nicht; die Divisionen bleiben in unaufhaltsamem Vorgehen über die
Linie Cuvilly - Matzbach. XVII. Armeekorps greift auf Rollot,
Mortémer, Cuvilly an, VIII. Armeekorps auf Neuville, Mareuil, Elincourt,
Samson, XXXVIII. Reservekorps auf die Gegend nördlich Machemont,
Cambronne, Ribécourt, Pimprez. IX. Armeekorps unterstützt XVII.
kräftigst durch Artillerie, XXXVIII. Reservekorps nutzt die flankierende
Wirkung seiner Artillerie östlich der Oise wirksam aus. Beginn der
Artillerievorbereitung 1250
vormittags. Beginn des Sturms 420
vormittags. Das Armeeoberkommando bleibt in Auroir.
Am 4. Juni wurden diese Anordnungen dahin erweitert, daß IX.
Armeekorps mit zwei Divisionen seines linken Flügels von vornherein am
Angriffe teilnehmen und zunächst die Linie
la Frêtoy - le Troncquoi gewinnen solle, um die
rechte Flanke zu decken.
Tags darauf, am 5. Juni, setzte die Oberste Heeresleitung den
Gneisenau-Tag auf den 9. Juni fest mit dem Hinzufügen, daß vom
Erfolge dieses Angriffs die Weiterführung der Operationen der 7. Armee
abhängen würde; die 7. Armee werde bis dahin beiderseits der Aisne
vordrücken.102 In die Gesamtoperation hätte
ein früherer Termin besser hineingepaßt, um das Zusammenhandeln
entschiedener zur Wirkung zu bringen; aber die Oberste Heeresleitung legte Wert
darauf, die artilleristischen Vorbereitungen zur vollen Reife gedeihen zu lassen.
Als am 6. Juni der rechte Flügel der 7. Armee noch immer nicht die
gewünschten Fortschritte nördlich der Aisne gemacht hatte, befahl
sie, daß der äußerste linke Flügel der
Gneisenau-Truppen im Angriff nach Südosten gegen die Linie
le Plessis-Brion - Bailly über die Oise vorstoßen
solle; damit wurde der schon einmal erörterte Gedanke wieder
aufgenommen, daß die 18. Armee der 7. auf geradem Wege
entgegenarbeiten müsse.103 Das konnte selbstverständlich
erst ermöglicht werden, nachdem die linke Flügelgruppe der 18.
Armee, XXXVIII. Reservekorps, die erstgesteckten Ziele in der Linie
Machemont - Pimprez erreicht hatte.
[489] Vom Feinde
wußte man vor der Front Assainvillers - Noyon acht Divisionen, die dem
Oberkommando der französischen 3. Armee in Clermont unterstanden.
Man konnte wohl hoffen, den Gegner zu überraschen, aber doch nicht in
dem Sinne, daß man ihn unvorbereitet träfe; dazu war das
Gneisenau-Kampffeld der Yorck- und Blücher-Operation zu nahe. Um die
Aufmerksamkeit von der Angriffsfront abzulenken, befahl das Oberkommando
der 18. Armee ihren beiden an Gneisenau unbeteiligten rechten
Flügelgruppen, III. Armee- und XXVI. Reservekorps, in der Zeit vom 6. bis
zum 9. Juni Täuschungsmaßnahmen durchzuführen durch
Truppenbewegungen, Brennen von Biwaksfeuern, Einschießtätigkeit
und am Angriffstage selbst durch Artilleriefeuer, das in seiner Art dem
üblichen Vorbereitungsverfahren für den Sturm entsprechen
sollte.
Daß der Feind sehr aufmerksam war, ergab sich aus seiner regen
Tätigkeit, die sich naturgemäß seit dem Beginn des
Blücher-Angriffs gesteigert hatte. Sein tägliches Störungsfeuer
schwoll zeitweise zu großer Heftigkeit an; er bekämpfte einzelne
Batterien mit reichem Munitionsaufwand, ließ erfolgbringenden Streifdienst
an der Front nicht aufkommen und belegte wichtige Punkte im
Hintergelände mit Fernfeuer und Bombenwürfen. Nach
Gefangenenaussage erwartete der Gegner den deutschen Angriff mit
Bestimmtheit.
Die letzte Bereitstellung der Sturmtruppen in der Nacht vom 8. zum 9. Juni
vollzog sich ohne wesentliche Störung. Um 1250 morgens begannen die 616 Batterien, die
die Angriffsartillerie einschließlich der des IX. Armeekorps zählte,
die feindlichen Geschützstellungen zu vergasen. Das trockene, etwas
dunstige Wetter begünstigte die Wirkung des Gases so sehr, daß der
Gegner das Feuer nur auf einzelnen Frontstrecken beantwortete. Um 420 morgens stürmte die Infanterie und
kam unter dem Schutze der Feuerwalze gut voran. Bis zum Mittag des 9. Juni
nahm IX. Armeekorps Rubescourt, Vaux und le Troncquoi. Rechts von ihm
setzte sich das XXVI. Reservekorps aus eigenem Entschluß in den Besitz
der Höhen westlich und nordwestlich von Ayencourt. Links gelangte XVII.
Armeekorps bis in die Linie Gegend östlich
Courcelles-Epayelles - östlich
Méry - Ressons, VIII.
Armee- und XXXVIII. Reservekorps stießen bis auf die Höhen
südöstlich Ressons, Margny und Elincourt vor und nahmen
l'Ecouvillon, Orval und Connectancourt; von dort bog sich die erreichte Linie auf
Noyon zurück.
Überall war der feindliche Widerstand, besonders im Waldgelände,
sehr zähe. Die Mitte hatte den Angriff, ähnlich wie bei der
Blücher-Offensive, am meisten gefördert; südöstlich
Ressons ging das 4. Garde-Regiment zu Fuß schon über die Matz und
strebte Marquéglise zu. Nahezu 8000 Gefangene wurden gemacht, viele
Geschütze genommen. Im Armeehauptquartier hatte der Kaiser die
Entwicklung der Operation verfolgt.
Am 10. Juni ging der Angriff weiter. Der Himmel war bedeckt;
Regen- [490] güsse kamen
nieder. Es machte sich fühlbar, daß der Gegner Verstärkungen
herangebracht hatte. Trotzdem wurden Fortschritte gemacht. IX. und XVII.
Armeekorps erklommen die Höhenrücken von Méry und
kämpften sich bis an le Ployron,
Courcelles-Epayelles, Méry, St. Maur, Wald südwestlich
Ressons heran. VIII. Armeekorps schob bei Marquéglise Truppen
über die Matz nach und griff weiter in südlicher Richtung an;
Antheuil wurde erreicht und Vandelicourt genommen. XXXVIII. Reservekorps
nahm das offene Gelände südlich von Connectancourt und
stieß östlich Orval vor. Später gelangte sein rechter
Flügel bis in die Gegend von Machemont und nahm Ribécourt, so
daß hier die Matz und die Oise schon erreicht waren, während
nördlich davon, östlich Orval, noch gekämpft wurde.
Besonders auf dem rechten Flügel führte der Feind heftige
Gegenangriffe, die die Erfolge der Sturmtruppen wieder wett zu machen suchten;
Courcelles-Epayelles ging nach kurzem Besitz verloren. IX. und der rechte
Flügel des XVII. Armeekorps konnten über die feindliche
Gegenwehr hinaus keinen Boden gewinnen, sondern mußten das Errungene
festhalten. Dagegen kam der linke Flügel des XVII. Armeekorps noch
weiter bis auf die Höhen südlich Méry, südlich und
südöstlich St. Maur vor, anschließend nahm VIII.
Armeekorps die Höhe nordwestlich Mélicocq. XXXVIII.
Reservekorps stand mit rechtem Flügel abends noch nördlich der
Matz bei Machemont, war im Besitz von Cambronne und der Gegend
nördlich davon, der Gegend östlich und südöstlich
Orval und im Begriff, über das schon früher genommene
Ribécourt Truppen auf das östliche Oise-Ufer in der Richtung auf
Bailly vorzuschieben, die dem östlich der Oise
zurückströmenden Feind den Rückzug verlegen sollten.
Das Gesamtbild war also folgendes: der rechte Flügel hielt von den
Höhen westlich Ayencourt über Rubescourt, Gegend von
le Ployron und Courcelles-Epayelles bis zur Höhe von Méry.
Die Mitte näherte sich südlich St. Maur der Aronde, der linke
Flügel stand bei Antheuil südlich, sonst nördlich der Matz und
war im Besitz der Oise von Ribécourt bis Noyon.
Das Oberkommando der 18. Armee beschloß, den Besitz der Höhe
von Méry noch durch die Eroberung von Tricot zu
vervollständigen, im übrigen aber den Angriff auf und über die
Aronde fortzusetzen, wenn nötig, nach neuer gründlicher
Artillerievorbereitung. Wenn auch noch vier neue Divisionen der Obersten
Heeresleitung im Nachrücken waren, so ließ sich doch die Lage nicht
leicht an, weil die Schwierigkeit des Munitionsnachschubs einen Teil der
Artillerie vorübergehend lahm legte.
Der 11. Juni brachte einen schweren feindlichen Tankangriff mit starkem Einsatz
von Schlachtfliegern auf der Hochfläche von Méry und über
die Aronde beiderseits von Gournay, so daß die
Vorwärtsbewegungen, so weit sie hier noch im Gange waren, im
Abwehrkampf untergingen. Doch waren die Erfolge des Gegners im ganzen
gering, wenn es ihm auch gelang, zwischen Méry und bei [491] St. Maur in die
deutsche Linie einzubrechen. Ein Teil des Geländes westlich,
südwestlich und südöstlich von St. Maur ging verloren.
Ein zweiter feindlicher Stoß am Abend blieb ergebnislos. Auch weiter
östlich, besonders von Villers sur Coudun und Thourotte, griff der Feind
an; trotzdem gelang es den dortigen Geländebesitz noch zu mehren. Die
Gegend westlich Machemont wurde vom VIII. Armeekorps genommen, der Ort
selbst und Mélicocq vom XXXVIII. Reservekorps besetzt, das fortfuhr,
Truppen auf das östliche Oise-Ufer zu schieben, und bei Bailly
Anschluß an den rechten Flügel der 7. Armee gefunden hatte.104 Die Zahl der Gefangenen war
über 13 000 gestiegen.
Wie die bisherigen Kämpfe ergaben, war der Angriff am 9. Juni
tatsächlich auf acht feindliche Stellungs-Divisionen gestoßen, zu
deren Unterstützung der Feind sieben Divisionen eingesetzt hatte.
Unzweifelhaft war er in der Lage, noch mehr dicht herangezogene Kräfte in
den Kampf hineinzuwerfen, und mit der Fortsetzung seiner heftigen
Gegenangriffe mußte gerechnet werden. Es war zu erwägen, ob unter
diesen Umständen die Weiterführung von Gneisenau die
Aufopferung von Truppen noch lohnte. Die Oberste Heeresleitung entschied sich
für allmählichen Abbau, befahl am 11. Juni, den rechten
Flügel, wo zwischen das IX. und XVII. Armeekorps noch eine neue
Gruppe, die des I. Reservekorps105 eingeschoben wurde und die
Gefechtskraft am meisten erschöpft schien, auf Abwehr zu stellen, aber die
Eroberung von Méry und der Gegend südöstlich davon im
Auge zu behalten, und beließ nur dem linken Flügel südlich
der Matz die Freiheit, den Angriff fortzusetzen, wenn es den dort
kämpfenden Divisionen selbst rätlich erschiene.
Am 12. Juni gedachte VIII. Armeekorps in Ausnutzung dieser Freiheit Antheuil
und die Höhen nördlich von Villers sur Coudon zu nehmen, aber der
Angriff kam nicht zur Entfaltung, da der Gegner einen neuen starken Stoß
mit zahlreichen Tanks beiderseits der Straße
Gournay - St. Maur gegen den linken Flügel des XVII.
und das VIII. Armeekorps richtete. Erfolg war ihm nicht beschieden, er zeigte
indes abermals frisch eingesetzte Kräfte. XXXVIII. Reservekorps machte
den Versuch, die Oise auch südlich von Ribécourt nach Osten zu
überschreiten, fand aber dabei so heftige Gegenwehr, daß es die
Bewegung einstellen mußte.
Der Eindruck entstand, daß der Geländegewinn des
Gneisenau-Angriffs allerseits von überlegenen feindlichen Kräften
eingesäumt war. Die Oberste Heeresleitung ordnete daher am 12. Juni an,
daß sich die gesamte Front auf die Verteidigung umzustellen und
entsprechend zu gliedern habe; an der Eroberung von Méry wurde
festgehalten, auch die Wegnahme der Höhen nördlich von Villers sur
Coudun zur Stellungsverbesserung freigegeben. Gneisenau war abgeschlossen;
auf die noch bestehenden Angriffsabsichten wurde später verzichtet.
[480a]
Kämpfe in Frankreich 1918.
Tankhafen hinter der französischen Front.
|
Damit trat freilich noch keine volle Ruhe ein. Am 13. Juni griff der
Gegner - immer wieder mit zahlreichen Tanks - bei Méry und
östlich davon und bei [492] Mélicocq an.
Der erstere Stoß wurde mit geringem Geländeverlust aufgefangen,
Mélicocq ging verloren, so daß XXXVIII. Reservekorps seinen
Besitz südlich der Matz aufgeben mußte. Später war auch noch
die Gegend von Courcelles-Epayelles der Schauplatz heftiger Anläufe, die
ergebnislos blieben. Auf der ganzen Front herrschte lebhafteste
Artillerie- und Fliegertätigkeit. Am 14. Juni schwächten sich die
feindlichen Angriffe ab und nahmen die Form von Vorstößen starker
Streifen an, die bei Courcelles-Epayelles und Méry einzubrechen suchten,
um in den nächsten Tagen in die Gefechtsbetätigung
überzugehen, wie sie im Stellungskriege bei hoher Spannung üblich
war.
Der endgültige Geländegewinn der 18. Armee beschränkte
sich nicht nur auf das westliche, sondern betraf auch das östliche
Oise-Ufer, wo im Zusammenwirken mit der 7. Armee der Winkel zwischen
Noyon, Ribécourt und Tracy le Val ausgeräumt worden war. Er
stellte eine flache Hervorwölbung dar, deren größte Tiefe
wenig mehr als 10 km betrug. Die Wirkung des früh eingestellten
Angriffs war also räumlich gering und ergab im operativen Sinne nur den
einen Erfolg, daß dem rechten Flügel der 7. Armee zu kleinen
Fortschritten und besserer Linienführung verholfen wurde. Alle
weitergehenden Hoffnungen auf Gewinnung von Compiègne und des
gesamten Raumes zwischen Oise und Aisne, auf Beeinflussung der feindlichen
Verhältnisse südlich der Aisne in der Gegend von Villers
Cotterêts blieben unerfüllt.
Die Bedeutung des Gneisenau-Angriffs war trotzdem nicht gering; sie fesselte
sehr starke feindliche Kräfte, was im Hinblick auf spätere
Unternehmungen hocherwünscht war. Die Franzosen, denen, abgesehen
von den schweren blutigen Verlusten, mehr als 15 000 Gefangene, 150
Geschütze und reichliches Kriegsmaterial abgenommen worden waren,
hatten zur Ablösung und Stützung der vom Angriff betroffenen acht
Stellungs-Divisionen mehr als zehn Divisionen eingesetzt, sich also im Hinblick
auf ihre stark beanspruchten Reserven zu erheblichen Opfern verstehen
müssen.
Die Durchführung des deutschen Angriffs war angesichts der Stärke
des Feindes, seiner Bereitschaft und der außerordentlichen
Geländeschwierigkeiten eine Kampfleistung ersten Ranges. Die Truppen
hatten sich in gleicher Weise vortrefflich im Angriff und in der Verteidigung
gezeigt. Die deutschen Kampfvorschriften fanden neue Bewährung. Beim
Vorgehen machte sich im Waldgelände die Anordnung bezahlt, daß
die höheren Führer, besonders die Regimentskommandeure, der
Truppe dichtauf folgten. So waren sie imstande, die Wechselfülle des
Ringens zu beeinflussen und zu beherrschen; die rasche Niederkämpfung
zahlreicher feindlicher Maschinengewehre, die dem Vorgehen Aufenthalt
bereiteten, war der Führung und der von ihr veranlaßten
Zusammenfassung artilleristischer und infanteristischer Tätigkeit zu
danken. Die Oberste Heeresleitung konnte Gneisenau als einen Erfolg buchen, der
für die Leistungen des deutschen Heeres auch in den noch kommenden
Kämpfen zu großen Hoffnungen berechtigte.
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