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Bd. 3: Der deutsche Landkrieg, Dritter Teil:
Vom Winter 1916/17 bis zum Kriegsende


[XIII] Einleitung.

Mit diesem dritten Teil des Landkriegs, dem achten Bande des Kriegswerks, wird die Darstellung der militärischen, militärpolitischen und militärwirtschaftlichen Geschehnisse des Weltkrieges abgeschlossen.

Auch diesem dritten Bande möchte ich die Bitte voranstellen, die in der Einleitung zum ersten Bande ausgesprochen wurde: Bei allen Entschlüssen der handelnden Führer sich stets zu vergegenwärtigen, wie außerordentlich unsicher die Grundlagen waren, auf denen sie ihre schicksalsschweren Entschlüsse fassen mußten. Das ist natürlich in erster Linie das Schicksal der Obersten Heeresleitung gewesen. Schärfer noch als in den bisherigen Bänden tritt in diesem letzten hervor, in wie starkem, direkt entscheidendem Maße ihre Entschlüsse und die Art der operativen und taktischen Ausführung abhängig waren von der Größe und der Kraft der Mittel, die dem schwer ringenden Heere aus der Heimat zuflossen. Es waren das aber nicht allein die Zuflüsse personeller, technisch-materieller und wirtschaftlicher Art, sondern ganz besonders die Hilfe und Unterstützung politischer, seelischer und moralischer Natur, die mit den vorher genannten allerdings wieder auf das engste zusammenhingen. War das Heer, war die Oberste Heeresleitung berechtigt, diese seelische Unterstützung in stärkstem Maße vom Volke und seinen Führern zu verlangen, so offenbart der letzte Band, wie unter dem langsam einsetzenden und immer schneller zunehmenden Versagen dieser unentbehrlichen Hilfe trotz aller Kunst der Führer und aller tapferen Hingabe der Truppen der Krieg verlorengehen mußte.

Diese innige Verflechtung des Heeres mit der Heimat und mit dem Volke, dessen wertvollster Teil es war, mit der Regierung, mit den Volksvertretern, mit der Kraft oder Schwäche ihres Willens, mit dem Hoch- oder Tiefstande seiner Stimmung ist auch in den ersten Kriegsjahren von größerem oder geringerem Einfluß gewesen; geradezu entscheidend aber werden sie, die auch untereinander wieder unauflöslich verbunden sind, in den beiden letzten Kriegsjahren. Diese immer inniger werdende Verbundenheit war die Ursache, die politischen und militärischen Elemente der Entschlüsse der Obersten Heeresleitung nicht wieder in gesonderten Abschnitten zu behandeln. Die politischen und militärischen, wirtschaftlichen und seelischen Grundlagen ihrer Entschlüsse fließen so unscheidbar örtlich und zeitlich durcheinander in dauernd wechselnder Form und Stärke, daß ihre [XIV] Zusammenfassung notwendig wurde. Mit ihrer Art und Zahl wuchs aber auch die Schwierigkeit ihrer Darstellung in der gebotenen knappen Zusammenfassung. Daß sie bei allem Streben nach Objektivität einen subjektiven Charakter nicht verleugnen kann, liegt im Stoff begründet.

Als General Ludendorff nach Antritt seiner neuen Dienststellung seine Mitarbeiter begrüßte, äußerte er, daß er keine Politik treibe, daß er kein politischer General, wie sein Vorgänger, sein wolle. Die Gewalt der Verhältnisse zwang ihn schon nach kurzer Zeit, diese Absicht fallen zu lassen, wenn Feldmarschall v. Hindenburg und er selbst den Sieg im Kriege erringen wollten. Es ist eine Eigenart des deutschen Volkes, daß es mehr wie andere geführt sein will. Zur Führung eines Volkes gehören starke, zu seiner Führung in einem Kriege um Sein oder Nichtsein gehören stärkste Männer. Daß das deutsche Volk nicht in einem Kriege alter Art, sondern in einem Ringen auf Tod und Leben stand, hatte es selbst, hatten seine politischen Führer bis zum Jahre 1916 und haben es auch bis zum Kriegsende nicht begriffen. In den Männern der Obersten Heeresleitung aber war diese Überzeugung lebendig; sie mußte auf das Volk und seine Staatsmänner übertragen werden, sollte es nicht untergehen. Aus dieser Erkenntnis entwickelte sich für sie die Notwendigkeit, einen um so stärkeren Einfluß auch auf die Führung der Politik auszuüben, je mehr deren Verständnislosigkeit für das Wesen des Krieges und ihre Schwäche offenbar wurden. In diesem Ringen mit der politischen Leitung erschöpfte sich die Kraft der dritten Obersten Heeresleitung vielleicht noch mehr als im militärischen Kampf gegen die äußeren Feinde. Als in dem Kampfe mit den politischen Führern Ludendorff unterlag, schied mit ihm aus der Obersten Heeresleitung die unbeugsame Energie des Widerstandes, die auch den Zusammenbruch vielleicht weniger schwer hätte gestalten können.

Wider ihren Willen mußte sich die Oberste Heeresleitung mit politischen Dingen befassen - oft gegen den Wunsch der Staatsmänner, ebensooft aber auch von diesen dazu herangezogen, wenn sie die Verantwortlichkeit für einen Schritt teilweise oder ganz von sich auf andere abwälzen wollten.

Die mangelnde Zusammenarbeit mit den Reichskanzlern und den Leitern der auswärtigen Politik, deren schädigender Einfluß schon im zweiten Bande wiederholt gekennzeichnet werden mußte, offenbart sich noch schärfer in der letzten Kriegsphase - unabhängig von den wechselnden Personen. Die Vernachlässigung der militärischen Notwendigkeiten seitens der Regierung selbst in den Fällen, in denen sie von der Obersten Heeresleitung in dringlichster Weise auf dieselben hingewiesen wurde, in außen- und innenpolitischen Fragen wurde zu einer ständigen Erscheinung. Nur auf einen charakteristischen Fall sei als Beispiel [XV] hingewiesen: daß in mündlicher Aussprache am 13. und 14. August 1918 die Oberste Heeresleitung die Notwendigkeit sofortiger Friedensschritte erklärt, daß der Staatssekretär diese Notwendigkeit anerkannt, daß er den kaiserlichen Befehl zu ihrer Einleitung erhält und - bis Mitte September nichts tut, so daß eine Note des k. u. k. Ministers Burian sie in unglücklichster Form unmöglich macht. Und wie dieser, so folgen sich ähnliche Fälle fast ununterbrochen.

Außerordentlich erschwert wurde die Arbeit der Obersten Heeresleitung aber auch durch die Schwäche und politische Hinterhältigkeit des verbündeten Kaisers Karl, die von militärischen Dingen fernzuhalten der Nachfolger des Feldmarschalls Conrad v. Hötzendorf, General Arz v. Straußenberg, nicht die Kraft und Energie besaß.

Wenn die Leiter der Staatsgeschäfte, wenn die Regierungen - im Gegensatz zu den feindlichen - nicht die zum Kriegführen erforderliche Stärke in sich fühlten, so war es erklärlich, daß die an sich schon weniger willensstarke Masse des Volkes unter ihrer schwachen Führung völlig versagen mußte. Es muß ein schwerer, nur aus der ungeheuren Not erwachsener Schritt gewesen sein, als Feldmarschall v. Hindenburg und General Ludendorff sich schließlich sogar so weit in die Innenpolitik einmischten, daß sie durch persönliche Einwirkung auf Reichstagsabgeordnete, auf Gewerkschaftsführer usw. ihre bessere Erkenntnis und ihren stärkeren Willen auf das Volk zu übertragen versuchten. Wenn sie zum Schluß diesen Versuch unternahmen, so geschah es aus der Wahrnehmung heraus, daß für jedes Versagen und Irren der Heimat immer wieder das Heer die schweren, blutigen Folgen auf sich nehmen mußte.

In der Einleitung zum zweiten Bande ist am Schluß darauf hingewiesen, daß es und weshalb es notwendig war, die einzelnen Abschnitte desselben nicht zum gleichen Zeitpunkt endigen zu lassen. Den dortigen zeitlichen Abschlüssen entsprechen im Bande III die Anfänge. Während die operativen Entschlüsse der neuen Obersten Heeresleitung hier von Ende August 1916 ab behandelt werden, beginnt die Schilderung der taktischen Kriegshandlungen erst mit der Jahreswende 1916/1917. Die Beendigung der Kämpfe bei Verdun und an der Somme, für deren Entwicklung General v. Falkenhayn die Verantwortung trägt, und ebenso der Feldzug in Rumänien, sind aus diesem Grunde in den zweiten Band aufgenommen worden. Eine kurze Zusammenfassung der Entwicklung dieser von General v. Falkenhayn übernommenen Kriegslage im Beginn des dritten Bandes soll den Übergang erleichtern.

Der Weltkampf um Ehre und Recht.
Die Erforschung des Krieges in seiner wahren Begebenheit,
auf amtlichen Urkunden und Akten beruhend.
Hg. von Exzellenz Generalleutnant Max Schwarte