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Bd. 3: Der deutsche Landkrieg, Dritter Teil:
Vom Winter 1916/1917 bis zum Kriegsende


Bearbeitet von
Generalleutnant Max Schwarte, Oberstleutnant Paul Fleck, Generalmajor Rudolf v. Borries,
Generalleutnant August Forstmüller, Major Friedrich Wilhelm Frhr. v. Willisen,
Oberstleutnant Hans Garcke, Oberst Theodor Jochim, General der Infanterie Hans v. Zwehl
[V] Vorwort

Als ich das Vorwort zum ersten Bande des Kriegswerks im Jahre 1921 niederschrieb, glaubten wir alle, die wir uns als Autoren, Herausgeber und Verleger zu demselben zusammenschlossen, daß der tiefste Stand unseres politischen und seelischen Niederganges erreicht sei, daß das deutsche Volk sich aus dem furchtbaren Zusammenbruch zu sich selbst zurückfinde, daß es neuen Glauben, neue Hoffnung, neue Zuversicht in die kommenden Tage hineintrage.

Wir glaubten, der Krieg, der vieljährige Krieg sei zu Ende; kraftvolle Arbeit in Tagen des Friedens sollte die Tragung der ungeheuren Lasten ermöglichen, die ein Diktat von unerhörter Härte uns auferlegt hatte. Was damals als erste Strahlen des Lichts schüchtern und zaghaft über die deutschen Gaue zitterte, was ein leises Wachsen der gleichen Kraft, die uns im Kriege so Gewaltiges vollbringen ließ, zu versprechen schien, ist nicht in Erfüllung gegangen. Der unerschöpfliche, aus feiger Angst vor unserm Heldentum geborene Haß des einen Feindes, die Sorge vor unserer überlegenen wirtschaftlichen Kraft, vor unserm Wissen und Können bei dem andern, die Furcht der auf ungerechtem Grunde neu entstandenen und sich aufblähenden Staatengebilde und die maßlose Hab- und Raffgier von ihnen allen auf die kargen Reste unseres alten Wohlstandes fanden sich zusammen, um dem militärischen Krieg einen machtpolitischen und wirtschaftlichen Krieg gegen Deutschland folgen zu lassen, der es langsam, aber sicher zum hilflosen Ausbeutungsobjekt fremder Herren gemacht hat. Ist es verwunderlich, daß in dem sich daraus entspinnenden Verzweiflungskampf aller gegen alle auch die letzten Überreste des Volksvermögens zugrunde gingen und die anscheinende Hoffnungslosigkeit einen moralischen Tiefstand erzeugte, den niemand für möglich gehalten hätte, wer Deutschland in den Tagen seines Glanzes sah?

Dieser Niederbruch des Letzten hat naturgemäß auch an dem Kriegswerk nicht spurlos vorübergehen können. Das hat sich zunächst äußerlich dadurch ausgeprägt, daß die Zeitspanne, in der wir das Werk abzuschließen hofften, sich in unerwünschter Weise ausgedehnt hat.1 Innerlich aber ging diese von nie- [VI] mand verschuldete Einwirkung noch viel tiefer; heute, da wir zuversichtlich einen guten Abschluß des Kriegswerks erkennen, darf man es wohl aussprechen, daß seine Weiterführung nur mit Sorgen sich durch die schlimmsten Tage des Jahres 1923 hindurchleben und hindurchmühen mußte.

Wenn alle Mitarbeiter am Kriegswerk durch willig gebrachte Opfer seine Fortführung ermöglicht haben, so schöpften sie den Willen dazu aus dem tiefen Gefühl der Pflicht dem deutschen Volk gegenüber - aus dem Gefühl, daß das Volk ein Recht hat, die Schilderung seines Heldenkampfes nicht im Elend seines heutigen trüben Existenzkampfes untergehen zu sehen, daß das einmal hoffnungsvoll begonnene und in dieser, das ganze Kriegsgeschehen umfassenden Form wohl für immer einzige große Werk über sein Schicksal zu Ende geführt werden müsse.

Brachten die ersten Bände des Kriegswerks der deutschen Nibelungen gewaltige Erhebung und Sieg, der Nibelungen Kämpfen und Not, so oblag diesem dritten Bande die Schilderung von der Nibelungen Tod und Untergang. Schicksal des deutschen Volkes ist es, nach kurzen Zeitspannen glänzender Blüte zurückgeworfen zu werden in Schmach und Not. Die Schuld daran einzelnen Führern zuzuschreiben, wäre ein Irrtum - die ganze Schuld trägt das ganze Volk: jedes Volk hat die Führer, die es verdient! - Schicksal des deutschen Volkes war es aber auch, stets wieder sich aufzurichten und den Weg zum Licht zu suchen - aus eigener Kraft. Die Zuversicht, daß es wieder so komme, schöpfe ich aus der erschütternd großen Art, wie es jetzt unterging.

Im Elend der Gegenwart stählt sich der deutsche Wille zur Zukunft an den Großtaten der jüngsten Vergangenheit. Was sein Volk ins Elend führte, lehrt ihn die Erkenntnis der Fehler vermeiden. Daran mitzuwirken, war als Zweck des Werkes beabsichtigt; erfüllt es diese große und hehre Aufgabe, dann wird ein wieder erstarktes Deutschland es uns, den zum Kriegswerk Zusammengeschlossenen, zu Dank wissen, daß wir das gewaltige Bild seines Riesenkampfes seinen kommenden Geschlechtern schenkten. Die Gewißheit, daß das neue Deutschland dieses Bild in Ehren halten wird, ist heute unser Lohn.

M. Schwarte      

[VIII - XI] [Anm. d. Scriptorium: im Original findet sich auf den hier folgenden Seiten die Inhaltsübersicht für Bd. 3, welche wir in diesem unserem Online-Nachdruck hier wiedergegeben haben.]


1 [1/V]Daß die beiden staatspolitischen Bände von Geheimrat Professor Dr. Oncken auch heute noch fehlen, hat seine Ursache in dem selbstverständlichen Wunsche, in ihnen die vom Auswärtigen Amt zur Zeit veröffentlichten Akten und Dokumente im vollen Umfange zu verwerten. Nur dadurch besteht die Gewähr, die politische Geschichte vollständig und einwandfrei zu erfassen. Sie werden in möglichster Beschleunigung in den nächsten Jahren 1925 und 1926 folgen. - Sie sind insofern als eine notwendige Ergänzung der übrigen Bände anzusehen, als sie die politische Entwicklung zum und im Weltkrieg auf Grund der heutigen Kenntnis der Dinge schildern und die oft unvollkommene, oft irrige Kenntnis des politischen Geschehens während des Krieges richtigstellen werden. Die abgeschlossenen acht Bände stellen aber schon jetzt ein vollständiges, in sich geschlossenes Werk dar: eine erschöpfende Übersicht über das ungeheure Geschehen. ...zurück...


Der Weltkampf um Ehre und Recht.
Die Erforschung des Krieges in seiner wahren Begebenheit,
auf amtlichen Urkunden und Akten beruhend.
Hg. von Exzellenz Generalleutnant Max Schwarte