Bd. 2: Der deutsche Landkrieg, Zweiter Teil:
Vom Frühjahr 1915 bis zum Winter 1916/1917
Kapitel 9: Der Feldzug gegen
Rumänien (Forts.)
Oberst Rudolf Frantz
7. Rückblick über den
rumänischen Feldzug.
Um die Januarmitte 1917 trat auf dem rumänischen Kriegsschauplatze die
Ruhe des Stellungskrieges ein. Was war in den wenig mehr als vier Monaten
geschehen, seit am Abend des 27. August der rumänische
Geschäftsträger in Wien die Kriegserklärung überreicht
hatte?
Siegesgewiß war das rumänische Heer in das ungeschützte
Siebenbürgen eingebrochen. Aber schon nach wenigen Tagen folgten Mackensens Schläge an der Donau bei Tutrakan und in der Dobrudscha.
Dann fegte in dreiwöchigem Siegeszuge Falkenhayn den Eindringling aus
Siebenbürgen hinaus hinter die Grenzwälle seines Landes. Aber
diese sollten Rumänien nicht schützen. Deutsche und
österreichisch-ungarische Divisionen der 9. Armee brachen über das
winterliche Hochgebirge und schlugen die Armeen, die ihnen der Rumäne
entgegenwarf. Dann überschritt Mackensen die Donau; Falkenhayn und
Mackensen vereinigten sich und warfen in neuen Siegen, trotz russischer Hilfe,
die dem Rumänen zuteil wurde, und trotz der Schwierigkeiten, die Wege,
Witterung und Fluß- [673] schranken boten, in
sechs Wochen die Rumänen aus der Walachei. Allein in der Hand der 9.
Armee blieben in der Zeit vom 19. September 1916 bis 8. Januar 1917
148 000 Gefangene, darunter 15 000 Russen, 312 Geschütze
und 396 Maschinengewehre als Beute.
Das rumänische Heer schied aus dem Kampfe. Schon im November hatten
die Verluste gezwungen, Divisionen zusammenzulegen; nun verschwanden die
Rumänen in der Moldau, um hinter den russischen Linien unter
französischer Anleitung neue Formationen aufzustellen. Und so war es
ihnen ergangen, obwohl sich das rumänische Heer mit anerkennenswerter
Tapferkeit geschlagen hatte. Deutscher Führerkunst und deutscher
Truppenleistung war es freilich nicht gewachsen gewesen.
Deutsche Führerkunst und deutsche Truppenleistung! Deutsche
Führung hatte es in der Obersten Heeresleitung verstanden, trotz
schwierigster Lage auf anderen Fronten immer wieder die Kräfte
freizumachen, die der rumänische Feldzug erforderte. Deutsche
Armeeführung hatte alle Krisen, an denen dieser Feldzug so reich war, wie
kaum ein anderer, in schnellem Entschluß und mit hoher
Verantwortungsfreudigkeit zu meistern gewußt. Deutsche
Korps- und Divisionsführung hatte sich einer solchen Armeeleitung in allen
Lagen ebenbürtig erwiesen. Und die deutsche Führung konnte nach
den höchsten Zielen greifen, weil sie sicher war, von der Truppe nicht im
Stiche gelassen zu werden. Deutsche Truppenleistung blieb sich gleich 4½
Monate lang, von Anfang bis zu Ende in der Bewältigung der
Anforderungen, die Marsch und Gefecht im raschen Bewegungskriege stellten,
wie im Bezwingen der Schrecken des winterlichen Hochgebirges. Diese
Schrecken wurden bezwungen von Truppen, die zum größten Teile
der Ebene entstammten und für den Gebirgskrieg weder vorgebildet, noch
ausgerüstet waren. Welche Mühseligkeiten und Anstrengungen der
schnelle Vormarsch durch die Walachei brachte, kann nur der ermessen, der die
rumänischen Wege in ihrem Zustande nach wochenlangen
Regengüssen gesehen hat. Die Kriegsgeschichte wird wenige Beispiele
aufweisen, in denen sich die Führung so rücksichtslos frei machte
von den Hemmnissen des Nachschubs und den Blick so offen auf die Ziele vor
sich hielt, wie es hier geschah.
Der rumänische Feldzug hatte große Teile der verbündeten
Heere wieder in den Bewegungskrieg geführt, als alle anderen Fronten im
Stellungskrieg erstarrt waren. Führung wie Truppe bewiesen, daß der
lange Stellungskrieg sie nicht um das Verständnis für die
Forderungen des Bewegungskrieges, des "reinen und wahrhaftigen" Krieges,
gebracht hatte.
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