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Bd. 2: Der deutsche Landkrieg, Zweiter Teil:
Vom Frühjahr 1915 bis zum Winter 1916/1917


Bearbeitet von
Major Adalbert v. Wallenberg, Oberst Gustav v. Bartenwerffer,
Oberstleutnant Paul Fleck, Generalleutnant Max Schwarte,
Generalleutnant William Balck, Oberst Theodor Jochim,
Oberst Friedrich Immanuel, Oberst Rudolf Frantz
[v] Einleitung

Dem zweiten Bande des Kriegswerks Worte der Einleitung voranzusetzen, würde an sich nicht erforderlich sein; der Band enthält die Fortsetzung der Darstellung der kriegerischen Ereignisse der Jahre 1915 und 1916 in der gleichen Art, wie sie der erste Band für die ersten Kriegsmonate brachte. Wenn doch einige Worte hierhergesetzt sind, so geschieht es, um die Bitte auszusprechen, sich die dort niedergeschriebenen Worte in die Erinnerung zurückzurufen. Ihre Beachtung wird verhindern, daß möglicherweise einzelne Angaben als Unrichtigkeiten oder Unstimmigkeiten angesehen werden, die - bewußt - voneinander abweichend niedergeschrieben sind.

Es sei an dieser Stelle nochmals darauf hingewiesen, daß die Überlegungen und Entschlüsse der handelnden Führer im Kriege stets von den Unterlagen abhängig waren (wie sie es auch in Zukunft bleiben werden), die ihnen im Augenblick der Entscheidung zu Gebote standen. Viel schärfer noch als im ersten wird in sich diesem Bande die Unsicherheit des Bodens erkennen lassen, auf dem die Oberste Heeresleitung ihre schwerwiegenden Entschlüsse aufbauen mußte. Das war in besonderem Maße hinsichtlich der politischen Grundlagen der Fall; es ist eine erschütternde Erkenntnis, die hier offenbar wird, daß die politische Leitung des Reiches nicht nur oft bewußt und absichtlich der Obersten Heeresleitung ihre Kenntnis der außen- und innenpolitischen Lage, ihre eigenen Auffassungen und Absichten vorenthielt - selbst dann, wenn die Oberste Heeresleitung sie als Grundlage für ihre entscheidungsschweren Entschlüsse von ihr forderte -, sondern daß auch die schließlich gegebene Orientierung unvollständig, ja mehrfach direkt falsch war, und daß sie die ihr bekanntgegebenen militärischen Entschlüsse wiederholt sich bis zur Durchführung entwickeln ließ, dann aber durch Änderung oder Abschwächung oder Eingriffe politischer Art, sogar durch direkten Umfall die ganze Auswirkung der militärischen Handlung zunichte machte. Diese Unaufrichtigkeit in der gemeinsamen Arbeit, diese Sabotage kriegerischer Erfolge ist eine tieftraurige Erscheinung in dem Ringen des deutschen Volkes um Leben und Tod. Sie hat an dem furchtbaren Kriegsende eine schwere Mitschuld.

Die ersten Kriegshandlungen hatten sich 1914 bei den verbündeten Mittelmächten in einer nur lockeren Abhängigkeit voneinander abgespielt. Erst die gleichzeitige Offensive der k. u. k. Armee im Herbst 1914 mit dem Vormarsch Hindenburgs aus Oberschlesien auf Warschau und der (gleichfalls gleichzeitige) Rückzug hatten ein engeres Zusammenarbeiten erstehen lassen, das im Winter 1914/15 durch die Notlage der österreichisch-ungarischen Armee und das unmittelbare Eingreifen [VI] deutscher Hilfskräfte zu engster Bindung wurde.1 Das Jahr 1915 brachte zum ersten Male gemeinsame Kampfhandlungen großen Stils. Da im Frieden eine Klärung der beiderseitigen Befehlsverhältnisse nicht herbeigeführt war, entwickelte sich aus der Notwendigkeit des Krieges heraus jetzt zwar eine gemeinsame Kriegsführung, aber unter zahlreichen Reibungen und nicht immer erfreulichen Erscheinungen. Es würde falsch sein, in diesem Widerstreit der Interessen die Schuld einseitig diesem oder jenem der beiden Verbündeten zuzumessen. Die gegenseitigen Beziehungen und ihre Folgeerscheinungen mußten aber - unparteisch, soweit es menschliche Unvollkommenheit und der unbewußte Einfluß eigener Wünsche zuließ - klargelegt werden, um die gemeinsamen großen Erfolge des Jahres 1915 ebenso zu erklären, wie die aus der Divergenz der Interessen und der gegenseitigen Unaufrichtigkeit erwachsenden schweren Mißerfolge des Jahres 1916.

Zu der unsicheren und unklaren Grundlage, auf der aus den angeführten Ursachen die zweite deutsche Oberste Heeresleitung ihre Entschlüsse und Befehle entwickeln mußte, trat, in gleicher Richtung wirkend, die aus den Kriegsnotwendigkeiten erwachsende gewaltige Ausdehnung der Kriegsschauplätze in Rußland weit nach dem Osten und auf der Balkanhalbinsel bis an die Gestade des Ägäischen Meeres, also auf Gebiete, deren Verhältnisse in ihrem Einfluß auf die Operationsmöglichkeiten völlig unbekannt sein mußten. Nicht nur die Kenntnis über den Feind versagte, sondern selbst die absolute Gewißheit über die Faktoren, mit denen die Oberste Heeresleitung auf der eigenen Seite, bei den Verbündeten, zu rechnen hatte. Das allerdings stellte sich immer klarer heraus, daß man auf deren Hilfe und Unterstützung weniger rechnen konnte, als mit ihren Forderungen auf deutsche Hilfe; und daß vor allem das unbeirrbare Vertrauen, die peinliche Treue gegen übernommene Verpflichtungen, die Gewissenhaftigkeit in der Erfüllung nach Zahl, Zeit, Ort usw., die beim eigenen Heere selbstverständlich waren, dort von einer weniger strengen Auffassung getragen waren.

Immer schärfer prägte sich in den Jahren 1915 und 1916 die Abhängigkeit der Entschlüsse und ihrer Ausführung von der Größe und Kraft der Mittel aus, die die Heimat den Armeen zuführen konnte. Sie wurden um so mehr mitbestimmend, weil die beschränkten Mittel jetzt nicht nur für die eigenen Truppen reichen sollten, sondern in dauernd steigendem Maße auch die Verbündeten kampfkräftig halten mußten. Die Grenzen der Leistungsfähigkeit der Heimat haben mehrfach dazu gezwungen, auf entscheidende Entschlüsse zu verzichten.

[VII] Wie schon im ersten Bande, so sind auch in diesem zweiten die zeitlichen Räume der Darstellung in den Abschnitten nicht völlig miteinander in Übereinstimmung. Das ergab sich aus dem Wunsch, bestimmte Kriegsperioden operativer oder strategisch-taktischer Natur in sich abgeschlossen darzustellen.

Für die operativen Handlungen handelt es sich im Band 2 vorzugsweise um die Zeit der zweiten Obersten Heeresleitung, der Periode Falkenhayn. Diese Abschnitte schließen deshalb mit dem Ausscheiden Falkenhayns aus seinem Amt als Generalstabschef ab. - Für die Entwicklung der Verhältnisse zwischen den beiden Heeresleitungen war dieses Ereignis auch von starkem Einfluß, entscheidend war aber der Tod des Kaisers Franz Joseph; so ist der dritte Abschnitt bis zu diesem Zeitpunkt weitergeführt worden.

Die den strategischen und taktischen Ereignissen gewidmeten Abschnitte gehen über beide Zeitgrenzen hinaus; für Ost und West bildet ungefähr das Jahresende 1916 den Abschluß. Wenn die dritte Oberste Heeresleitung selbstverständlich auch bei diesen Kämpfen durch den Nachschub der einzusetzenden Kräfte einen starken Einfluß ausgeübt hat, so war sie an einer entscheidenden Mitwirkung auf den Ursprung und die Entwicklung dieser Kriegshandlungen bei Verdun, an der Somme und in Rumänien nicht beteiligt. Sie mußte vielmehr die schwere Aufgabe übernehmen, diese Kampfhandlungen in sehr kritischem Stadium zu übernehmen und für ihre bestmögliche Weiterführung bis zum erfolgreichen Abschluß zu sorgen. Für die politischen und militärischen Verhältnisse, unter denen jene Kämpfe einsetzten, war sie nicht verantwortlich, sondern die Kriegsleitung Falkenhayns. Es ist also gerechtfertigt, wenn die Darstellung dieser Kämpfe zeitlich über die Ära Falkenhayn hinausgeht; organisch sind sie Folgeerscheinungen seiner Auffassung der Lage und seiner Entschlüsse. Ihre spätere Beeinflussung durch Hindenburg-Ludendorff war nötig, um sie zum Abschluß zu bringen; aber sie entstanden nicht als Ausfluß des eigenen Wollens dieser beiden Führer.

Der dritte Band soll den Zeitraum Hindenburg-Ludendorff umfassen und die Kampfhandlungen bis zum tapferen, tieftraurigen Ausgang fortführen.

M. Schwarte      

[viii - xii] [Anm. d. Scriptorium: im Original findet sich auf den hier folgenden Seiten die Inhaltsübersicht für Bd. 2, welche wir in diesem unserem Online-Nachdruck hier wiedergegeben haben.]


1 [1/VI]Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, daß in den Bänden 1 - 3 "Der deutsche Landkrieg" die Kampfhandlungen jener zahlreichen deutschen größeren und kleineren Verbände nicht im einzelnen dargestellt sind, die als Teile österreichisch-ungarischer Befehlseinheiten unter k. u. k. Führern gekämpft haben. Sie haben im Band 5 "Der österreichisch-ungarische Krieg", im Rahmen der österreichisch-ungarischen Operationen, ihre Würdigung gefunden. ...zurück...


Der Weltkampf um Ehre und Recht.
Die Erforschung des Krieges in seiner wahren Begebenheit,
auf amtlichen Urkunden und Akten beruhend.
Hg. von Exzellenz Generalleutnant Max Schwarte