Bd. 1: Der deutsche Landkrieg, Erster Teil:
Vom Kriegsbeginn bis zum Frühjahr 1915
Kapitel 7: Der Krieg im Herbst und Winter im
Osten (Forts.)
Oberst Friedrich Immanuel
4. Der Winterfeldzug in Ostpreußen
1914/15.
Der Rückzug der deutschen 8. Armee auf die Angerapp und
die Masurischen Seen.
Am 7. November erhielt General Otto v. Below die Mitteilung der Obersten
Heeresleitung, daß er zum Führer der 8. Armee ernannt sei, und General v. Mackensen die Führung der 9. Armee zu
übernehmen habe. Die deutsche [513] Oberste Heeresleitung zog aus den
Vorgängen in Polen und den neuen Absichten mit Entschlossenheit
ihre Folgerungen, indem sie die 8. Armee auf das geringste Maß
verminderte, um die 9. Armee so stark wie möglich zu machen und sie
zum wuchtigen Angriff gegen die rechte Flanke des von Warschau nach
Nordwesten und Westen hin vorgehenden russischen Hauptheeres zu
befähigen. Dem General v. Below verblieben: Generalkommando I.
Armeekorps, 2.
Infanterie-Division, 3. Reserve-Division, 1. Kavallerie-Division, 3.
Kavallerie-Brigade, 1. und 10. Landwehr-Division,
Landwehr-Division Königsberg, Truppenkommando Tilsit, Besatzung
Lötzen, rund 100 000 Mann, dazu die Landsturmaufgebote
Ostpreußens. Er erhielt den Auftrag, die Verteidigung
Ostpreußens und den Schutz der linken Flanke der Ostfront zu
übernehmen. Er beschloß, die zum Teil ausgebauten Stellungen
Alt-Czymochen (an der ostpreußisch-russischen Grenze östlich
Lyck) - Bakalarzewo - Filipowo -
Przerosl - Wysztyter See - Höhen östlich
Wirballen - Schirwindt möglichst lange zu halten und
im Notfalle vor Übermacht auf die Stellungen an der Angerapp und
den Masurischen Seen auszuweichen, die er auch gegen große russische
Überlegenheit mit seinen geringen Kräften in gut befestigten
Linien aufs äußerste behaupten wollte. Die
ost- und westpreußische Südgrenze vom Pisseck an
westwärts wurde durch besondere Grenzschutztruppen
(Festungsbesatzungen aus Küstrin, Graudenz, Marienburg, Kavallerie
und Landsturm unter General v. Zastrow) gedeckt.
Russischerseits versuchte die 10. Armee Rennenkampf, später Sievers,
rund 220 000 Mann stark, am 8. November einen Durchbruch am
Wysztyter See, wurde aber unter sehr erheblichen Verlusten geworfen. Da
aber die 8. Armee gerade um diese Zeit durch die starken Abgaben
beträchtlich in ihrer Kampfstärke herabgesetzt war, sah sich
General v. Below genötigt, der über Schirwindt drohenden
Umfassung auszuweichen und langsam zurückzugehen. Die
Nachhuten der deutschen 8. Armee leisteten in gut gewählten
Stellungen bei
Schirwindt - Pillkallen,
Eydtkuhnen - Stallupönen, Goldap und Lyck
zähen Widerstand. Am 12. November kam der deutsche
Rückzug in der befestigten Linie westlich
Johannisburg - Spirdigsee - Lötzen -
Angerburg - westlich Gumbinnen - Szeszupa
nordöstlich Spullen zum Halten. Die Russen liefen nochmals an, um
sich von der Unmöglichkeit zu überzeugen, die von Natur sehr
starke, vortrefflich befestigte, durch geübte, wenn auch an Zahl stark
unterlegene Truppen verteidigte Front zu durchbrechen. Sie legten sich ihr
gegenüber in leicht befestigten Stellungen fest, die etwa durch die
Punkte
Johannisburg - Arys - Goldap -
Gumbinnen - Spullen bezeichnet wurden. Das ostpreußische
Land östlich dieser Linie fiel zum zweiten Male der Aussaugung durch
die Russen anheim.
Die Winterkämpfe zwischen Weichsel und
Niemen.
An der Front der 8. Armee fanden im Dezember 1914 und Januar 1915 fast
täglich Kämpfe statt. Namentlich griffen die Russen die deutschen
Brücken- [514] köpfe bei Lötzen,
Darkehmen, Nemmersdorf an. Am Weihnachtstag scheiterte ein mit
großer Wucht und besonderer Zähigkeit durch Sumpf und
Wasser geführter Angriff des III. sibirischen Armeekorps bei
Darkehmen unter schweren Verlusten. Gegen Ende Januar flaute die
russische Angriffslust ab, da scharfe Kälte mit tiefem Schnee einsetzte.
Die Deutschen hielten durch umfangreiche Eissprengungen auf den Seen und
Flüssen ihre Stellungen sturmfrei. Die Kämpfe
beschränkten sich von dieser Zeit ab auf kleine Unternehmungen.
Lebhafter ging es an der ost- und westpreußischen Südgrenze
zu. Die Gruppe Zastrow, die im November 1914 im allgemeinen bis an die
ost- und westpreußische Südgrenze zurückgegangen war,
sah es als selbstverständliche Aufgabe an, den Vormarsch der 9.
Armee auf dem linken
Weichsel-Ufer dadurch zu unterstützen, daß sie am rechten Ufer
der Weichsel zwischen diesem Strom, der Wkra, dem Orzyc gegen die
Narew-Front vorging. Durch diese Bewegung wurden die russischen
Streitkräfte bei Nowogeorgiewsk, Pultusk, Ostrolenka gefesselt, auch
die Südgrenze
Ost- und Westpreußens am besten gedeckt. Vom 9. Dezember 1914 ab
wurde westlich der Wkra um die Höhen bei Sierpe, östlich des
Flusses zwischen Zjechanow und Przasnysz lebhaft gekämpft. Die
russische 1. Armee, die hier focht, wurde so erheblich
zurückgedrängt, daß die russische Heeresleitung von
Warschau her bedeutende Verstärkungen vorgehen ließ. Daher
sahen sich die Deutschen am 15. Dezember gezwungen, Sierpc, Zjechanow,
Przasnysz wieder aufzugeben und unter Nachhutgefechten bis in die Linie
Strasburg - Lautenburg - Soldau -
Neidenburg - Willenberg zurückzugehen, die gegen die
Unternehmungen der nachfolgenden russischen
Reiter-Divisionen gehalten wurde.
Der Rückzug der russischen Hauptkräfte vor dem Angriff
Mackensens auf dem linken
Weichsel-Ufer hinter die Bzura und Rawka äußerte sich in
bezug auf die Kampflage am rechten Stromufer sofort dahin, daß
Gruppe Zastrow wieder vorging. Die Russen hielten in der befestigten
Stellung
Bielsk - Racionz - Zjechanow - Przasnysz
stand.
Anfang Januar 1915 stellte die russische Heeresleitung eine neue
Armee - die 12. unter Plehwe - am unteren Narew mit dem
Mittelpunkt Lomza auf. Diese Armee ging mit dem linken Flügel Mitte
Januar gegen die Linie
Gollub - Soldau vor, wurde aber von Gruppe Zastrow in der
Front
Lipno - Sierpc - Biezun - Radzanowo zum Stehen
gebracht. Die nächsten Wochen brachten wechselvolle Kämpfe
von mehr örtlicher Bedeutung sowohl in der bisherigen Gefechtslinie
Lipno - Przasnysz, wie auch weiter nordwärts an der
Grenze zwischen Orzyc und Pisa. Die Russen wollten feststellen, was hinter
der Front der 8. Armee vorging, denn sie fürchteten hier einen Schlag
seitens der Deutschen. Da aber die Gruppe Zastrow scharf aufpaßte,
blieben den Russen die deutschen Vorbereitungen zur "zweiten
Masuren-Schlacht" verborgen.
[515]
Der deutsche Aufmarsch zur "Winterschlacht in
Masuren".
Über die im Osten zu verfolgenden Kriegsziele und über die zu
deren Erreichung einzusetzenden Mittel bestand ein Gegensatz zwischen der
durch den Generalstabschef
General v. Falkenhayn vertretenen Obersten
Heeresleitung und dem Oberbefehlshaber
Ost - Hindenburg-Ludendorff. "Entsprechend dem leider weit
verbreiteten Schlagwort: »der Krieg muß im Osten
gewonnen werden«," äußerte sich Falkenhayn,16 "neigte man bis in hohe
Führerkreise dort der Meinung zu, es wäre den
Mittelmächten möglich, Rußland mit den Waffen
tatsächlich »auf die Knie zu zwingen« und durch diesen
Erfolg die Westmächte zum Einlenken zu bewegen... Es war ein
schwerer Irrtum zu glauben, die Westmächte würden
nachgeben, wenn und weil Rußland geschlagen wurde... Der
Generalstabschef hielt deshalb zunächst an der Absicht fest, die neuen
Korps im Westen zu verwenden." Ludendorff,17 im Bewußtsein des
"Tiefstandes" der Verhältnisse in
Österreich-Ungarn, kam zu der Schlußfolgerung, daß sein
Heer durch kräftige deutsche Hilfe im Osten gestützt werden
müsse, damit es dem Druck der Russen standhielt und
leistungsfähig blieb. "Die Entente wollte 1915 noch durch
Rußland den Krieg gewinnen. Während der
Großfürst mit ganzer Kraft in den Karpathen anzugreifen
beabsichtigte, sollte nach seinem sogenannten »gigantischen
Plan« starke russische Kräfte zwischen dem Niemen und der
Chaussee
Gumbinnen - Insterburg gegen den nur schwachen
nördlichen Flügel der 8. Armee eingesetzt werden, ihn
eindrücken, die Armee umfassen und gegen die Weichsel werfen.
Andere Truppen, namentlich starke Kavalleriemassen, hatten zwischen
Mlawa und der Weichsel unsere dort stehenden schwachen Truppen zu
schlagen, um in Westpreußen einzufallen.... Die Ausführung des
»gigantischen Planes« war erst im Entstehen... Kamen wir mit
unseren Absichten den seinigen zuvor, dann mußten wir mit starken
Gegenangriffen sowohl über den Niemen wie über den Narew
rechnen."
Die Oberste Heeresleitung18 mußte sich, in der klaren
Erkenntnis der Notwendigkeit, das
österreichisch-ungarische Heer "durch Angriff an anderer Stelle" zu
entlasten, "mit schwerem Herzen" nun doch entschließen, die jungen
Korps, die einzige zur Zeit greifbare Heeresreserve, im Osten einzusetzen. So
wurde "mit der Obersten Heeresleitung verabredet, die vier Armeekorps zu
einem Schlage gegen die der 8. Armee gegenüberstehenden feindlichen
Kräfte sofort nach erfolgter Ausladung einzusetzen. Die Erfahrungen
von Tannenberg und in der Schlacht an den Masurischen Seen hatten
gezeigt, daß nur dann ein großer und schneller Schlachterfolg zu
erringen sei, wenn der Feind von zwei Seiten gefaßt wurde."19 Hieraus ergab sich der Plan zur
Schlacht. Der Feind war frontal zu [516] fesseln. Auf beiden Flügeln war er schwach. "Wir
durften hoffen, stark Gelände zu gewinnen, bevor sich die
feindlichen Hauptkräfte aus der angegriffenen Front
loslösen konnten. Beide Stoßgruppen sollten den Feind
umklammern; je früher [517] dies geschah, desto besser war es. War die
Vernichtung des Gegners gelungen, so konnte in Frage kommen, unter
dauernder Sicherung gegen
Kowno - Grodno über die Linie
Osowiec - Grodno anzugreifen und den
Bobr-Übergang bei Osowiec von rückwärts zu
öffnen. Voraussetzung war, daß die lange Flanke
Wloclawek - Mlawa - Johannisburg - Osowiec
feststand."20 In diesen Sätzen liegen die
Grundzüge der Schlacht, die unter der Bezeichnung "Winterschlacht
in Masuren" zu einer der ruhmreichsten Taten für die deutschen
Waffen im Weltkriege geworden ist.
Unter Hindenburgs
Oberbefehl, mit Ludendorff als Chef seines Stabes,
wurden die beiden zum Schlage bestimmten Armeen in folgender Weise
gegliedert:
8. Armee.
General der Infanterie Otto v. Below, Chef des Stabes Generalmajor v.
Böckmann.
I. Armeekorps (ohne 1. Infanterie-Division),
3. Reserve-Division,
XXXX. Reservekorps,
1. Landwehr-Division,
10. Landwehr-Division,
5. Infanterie-Brigade (nur vorübergehend),
Besatzung Lötzen,
3. Kavallerie-Brigade,
4. Kavallerie-Division (vom 10. Februar 1915 ab).
10. Armee (neugebildet).
Generaloberst v. Eichhorn, Chef des Stabes Oberst Hell.
5. Garde-Infanterie-Brigade,
XXI. Armeekorps,
XXXVIII. Reservekorps,
XXXIX. Reservekorps,
Landwehr-Division Königsberg,
Truppenkommando Tilsit,
1. Kavallerie-Division.
Gesamtstärke rund 250 000 Mann. Als Grenze zwischen beiden
Armeen wurde die Eisenbahn
Königsberg - Insterburg - Eydtkuhnen bestimmt,
nördlich die 10., südlich die 8. Armee.
Nur ein kleiner Teil der beiden Armeen bestand aus aktiven Truppen alter
Schulung, darunter das von der Westfront kommende,
kampfbewährte, in letzter Zeit geschonte XXI. (lothringische)
Armeekorps unter General Fritz v. Below. Die Armeekorps XXXVIII bis
XXXX waren neuaufgestellt und traten zum erstenmal in den Kampf:
meistens Freiwillige der verschiedensten Lebensalter, dazu Ersatzreservisten
und ungedienter Landsturm. Die Erfahrungen mit den Neuaufstellungen
vom Herbst 1914 hatten bei ihrer Ausbildung Berücksichtigung
gefunden. Sie war eine sehr gründliche. Die Korps waren auch durch
ihre
Zu- [518] sammensetzung kampfkräftiger als
die früheren Neubildungen, jede Kompagnie besaß einen Stamm
kriegserfahrener und besonders tüchtiger Offiziere, Unteroffiziere
und Mannschaften. Die oberen Führungsstellen waren mit
ausgewählten Kräften besetzt. Helle Begeisterung ging durch die
jungen Truppen, die der Führung Hindenburgs volles Vertrauen und
überzeugte Siegeszuversicht entgegenbrachten. Die Truppen waren
für den Winterfeldzug bestens ausgestattet, auch Schlitten und auf
Kufen gestellte Fahrzeuge in großer Zahl bereit. Seit dem 5.
Februar herrschte ein überaus starker Schneesturm, der Straßen
und Eisenbahnen verwehte und die Bewegungen außerhalb der Wege
ungemein erschwerte. Mannshohe Schneewehen wechselten oft mit kahlen
Stellen, die mit Glatteis bedeckt waren. Geschütze und Munitionswagen
wurden mit zehn bis zwölf Pferden bespannt. Dann aber schlug das
Wetter um, die Wege wurden grundlos, auf dem noch gefrorenen Boden
außerhalb der Wege stand das Wasser an tiefen Stellen und auf den
Sümpfen. Der Führung erwuchsen außerordentliche
Schwierigkeiten. Es dauerte beim Zusammentreffen mit dem Gegner lange
Zeit, ehe gefechtsfähige Verbände verfügbar wurden.
Befehle kamen nicht durch, der Sturm zerriß die Leitungen,
Meldungen versagten. "Und trotzdem wurde das Höchste geleistet,
die Schlacht verlief wie die meisten Schlachten nicht ohne Reibungen, die das
strategische Ergebnis beeinträchtigten."21
Der Plan Hindenburgs ging darauf hinaus, den südlichen Flügel
der Russen durch schweres Artilleriefeuer in der Linie
Johannisburg - Grenze zu erschüttern und dann zu
durchbrechen. Zu gleicher Zeit hatte die deutsche 10. Armee den feindlichen
Nordflügel zu umfassen und nach Süden zu werfen.
Während somit die beiden deutschen Flügel schnelle Fortschritte
machen mußten, um dem Gegner die Rückzugsstraße nach
Osten hin abzuschneiden, sollte die Mitte der deutschen Schlachtfront den
Feind durch Angriff fesseln. Alles kam darauf an, daß der Gegner
nicht entkommen konnte, und daß dazu trotz aller Unbilden des
Wetters die deutschen Flügel in Gewaltleistungen schnell genug
herumgriffen.
Der am 28. Januar 1915 zu Posen ausgegebene Befehl Hindenburgs
lautete:
"Ich beabsichtige, die 10. Armee
mit ihrem linken Flügel
Tilsit - Wylkowyszki zur Umfassung des nördlichen
Flügels anzusetzen, den Feind mit der
Landwehr-Division Königsberg und dem linken Flügel der 8.
Armee im frontalen Kampf zu binden und den rechten Flügel der 8.
Armee auf
Arys - Johannisburg und südlich angreifen zu
lassen."
Am 5. Februar wurde diese Weisung durch eine weitere, vom neuen
Hauptquartier Insterburg aus gegebene vervollständigt:
"8. Armee geht am 7. 2. mit
ihrem rechten Flügel über die Linie
Kurwien - Rudzanny auf
Kolno - Johannisburg. 10. Armee am 8. 2. mit [519] XXXIX., XXXVIII. und XXI. Armeekorps
über die Linie der verstärkten 1.
Kavallerie-Division mit dem rechten Flügel etwa auf Kussen, mit dem
linken weit umfassend an oder nördlich der Memel (Niemen)
vor."
Den Russen entgingen die deutschen Vorbereitungen und
Truppenansammlungen vollkommen. Sie hielten sich hinter ihren
Ortschafts- und Waldbefestigungen gegen alle Überraschungen
hinreichend gesichert. Sie hatten die Stellungen sehr reich mit Artillerie
ausgestattet, überall Drahtverhaue hergestellt, abschnittsweise
Verteidigungen geschaffen. Ihre Reitereistreifen und Patrouillenkommandos
vermochten nirgends Einblick in die Vorgänge hinter der
vorzüglich abgeschlossenen deutschen Front zu gewinnen.
Luftaufklärung stand ihnen nur in ganz ungenügender Weise
zur Verfügung, überdies verwehrte das Schneewetter die
Erkundung. General v. Sievers hatte die Hauptmassen auf dem
nördlichen Flügel gehäuft, wo ihm eine starke Anlehnung
fehlte. Hier befand sich beiderseits der Memel das aus 2½
Kavallerie-Divisionen bestehende Reiterkorps Leontiew. Zwischen Pillkallen
und Goldap standen die 27., 56., 73.
Infanterie-Division. Nach Süden schloß sich bei Goldap das XX.
Armeekorps mit der 28. und 29.
Infanterie-Division und der 53. Reserve-Division an, dem um Arys das III.
sibirische Armeekorps mit drei Divisionen folgte. Den Südflügel
deckten bei Bialla die 57.
Infanterie-Division und eine auf Johannisburg vorgeschobene
Kosaken-Division. Große Reserven befanden sich bei Kowno und
Grodno. Die deutschen Stoßtruppen waren der vorderen russischen
Linie an Zahl überlegen. Sehr ungünstig für die Russen
wirkte der Umstand, daß die wichtigen Bahnverbindungen nahe hinter
den Flügeln mündeten: im Norden Linie
Kowno - Gumbinnen, im Süden
Bialystok - Grajewo - Lyck. Außer ihnen kam
für den Antransport russischer Kräfte die Gürtelbahn
Orany - Olita - Suwalki -
Augustow - Grodno in Betracht. Die russischen Truppen lagen mit
Ausnahme der Vorposten in gut eingerichteten Winterquartieren und
ließen es sich, keines Angriffs gewärtig, in den schönen
ostpreußischen Ortschaften wohl sein.
Die Winterschlacht in Masuren.
Am 7. Februar 1915 begann die Schlacht, indem die rechte deutsche
Flügelgruppe unter General Litzmann, bestehend aus dem XXXX.
Reservekorps mit der 79. und 80.
Reserve-Division, der 2. Infanterie-Division, 3.
Kavallerie-Brigade, zur Erzwingung des
Pisseck-(Pisa-)Abschnittes gegen die Linie
Gehsen - Wrobeln - Snopken durch die Johannisburger
Heide vorbrach.
[516] Skizze 16: Die Winterschlacht in Masuren. Februar 1915.
|
Trotz außerordentlicher Schwierigkeiten, die der tiefe Schnee
verursachte, erreichten schon am 7. abends die 2.
Infanterie-Division Snopken, die 80.
Reserve-Division Wrobeln, während die 79.
Reserve-Division an diesem Tage den sumpfigen Wiesengrund westlich
Gehsen nicht mehr bewältigen konnte. Bis zu 40 Kilometer waren
einzelne Bataillone in knietiefem Schnee unter fortgesetztem Gefecht
marschiert. Das Schneetreiben dauerte unvermindert an.
[520] Am 8. Februar früh gelang es der 79.
Reserve-Division, einen starken russischen Vorstoß aus der Gegend von
Kolno her zurückzuwerfen und Gehsen zu nehmen. Am 7. Februar
abends stand die Gruppe Litzmann in der Linie
Drygallen - Rollken. Sie hatte 4000 Gefangene gemacht, 12
Geschütze erbeutet
und - worauf es ankam - die Aufmerksamkeit der Russen nach
Süden gelenkt. Das russische Oberkommando zog unter
höchster Beschleunigung um Lyck bedeutende Kräfte
zusammen, um das Vordringen der Deutschen gegen die Straße
Arys - Lyck - Augustow aufzuhalten, wo nach seiner
Ansicht die Entscheidung lag.
Der linke Flügel der deutschen 8. Armee setzte sich erst am 10. Februar
in Bewegung. Die 11.
Landwehr-Division und die Festungsbesatzung Lötzen stießen
überall auf einen nach Osten ausweichenden Feind. Dagegen hatten
die 1.
Landwehr-Division und 3. Reserve-Division bei Goldap, die 10.
Landwehr-Division bei Walterkehmen heftigen Widerstand zu brechen, bis
auch vor dem linken Flügel der 8. Armee der Feind zu weichen
begann.
Die deutsche 10. Armee brach am Morgen des 8. Februar überraschend
über die Sicherungslinie der 1.
Kavallerie-Division vor. Die Schwierigkeiten waren in dem waldigen,
tiefverschneiten, mit Glatteis bedeckten Gelände noch
größer als im südlichen und mittleren Abschnitt des
Schlachtfeldes, namentlich mußte die Artillerie außerhalb der
festen Straßen durch Menschenhände geschleppt werden. Allein
der feste Wille der Führung und die über alles Lob erhabene
Haltung der Truppen überwanden die drohende Gefahr, daß
der entscheidende Nordflügel nicht schnell genug vorwärts kam
und diese Verzögerung den Plan Hindenburgs zunichte machte. Auf
dem äußersten linken Flügel ging das XXI. Armeekorps
(links 31., rechts 42.
Infanterie-Division) vor, nach rechts schloß sich das XXXIX.
Reservekorps (78. und 77.
Reserve-Division), dann das XXXVIII. Reservekorps (76. und 75.
Reserve-Division), weiter die Landwehr-Division Königsberg an. Am 9.
Februar abends war die Linie nördlich
Gumbinnen - Kussen - Pillkallen -
Willuhnen - Doristal - Slowiki erreicht. Der Kampf um den
Schoreller Forst bei Lasdehnen hatte längeren Aufenthalt bereitet.
Zum Schutz der linken Flanke gegen den Niemen unterhalb Kowno wurden
die 5.
Garde-Infanterie-Brigade und die 1. Kavallerie-Division bestimmt,
während bei Tilsit ein aus ostpreußischen
Landsturm- und Ersatzabteilungen bestehendes Truppenkommando
deckte.
Am 10. Februar erreichte die linke Flügelkolonne des XXI.
Armeekorps - die 65. Infanterie-Brigade - nach
29stündiger, fast ununterbrochener Bewegung Schirwindt, wies einen
heftigen Gegenstoß ab und bemächtigte sich des wichtigen
Überganges über die Szeszupa sowie des Städtchens
Wladyslawow. Bereits am 10. abends wurde unter heftigen Kämpfen
die Bahnlinie
Gumbinnen -Stallupönen - Eydtkuhnen -
Wirballen - Pilwiszki gewonnen. Am Spätabend des 10.
überfiel die 76.
Reserve-Division, im besonderen die Regimenter 259 und 260, die ohne alle
Sicherung in und bei Wirballen ruhende russische 56.
Re- [521] serve-Division und nahm nach erbittertem
Straßenkampf 10 000 Mann gefangen; 6 Geschütze, 80
Feldküchen, sehr große
Lebensmittel- und sonstige Vorräte wurden erbeutet. Zur Deckung
des linken deutschen Flügels wurde die
Landwehr-Division Königsberg hinter der Front der 10. Armee
entlang nach Osten herausgezogen, wo sie mit der 5.
Garde-Infanterie-Brigade und der 1. Kavallerie-Division zusammenwirkte.
Die Russen wurden durch die 10. Armee mit immer größerer
Schnelligkeit nach Süden geworfen, also auf die Rückzugslinien
der vor der deutschen 8. Armee zurückweichenden russischen Korps.
Ungeheure Verwirrung riß bei den russischen Massen ein:
täglich wurden Tausende von Gefangenen gemacht, lange
Wagenkolonnen blieben stehen, die abschnittsweise angelegten
rückwärtigen Stellungen konnten nicht mehr
ordnungsgemäß besetzt, sondern mußten nach kurzer
Gegenwehr aufgegeben werden. Am 12. Februar verlief die Front der 10.
Armee in der Linie
Szittkehmen - Wizainy - Lubowo -
Kalwarja - Ludwinow, nach links in enger Fühlung mit dem
rechten Flügel der 8. Armee, der bis in die Gegend des Jagdschlosses
Rominten vorgedrungen war.
Am linken Flügel der 8. Armee stand am 12. abends die 10.
Landwehr-Division in der Rominter Heide. Die 3.
Reserve-Division überwand nach sehr ernstem Kampfe mit dem sich
verzweifelt wehrenden Gegner die schwierigen
Flußübergänge bei Goldap. Rechts der 3.
Reserve-Division drang die 1. Landwehr-Division in Richtung auf Lakellen
vor. Die Hälfte dieser Division mußte aus der Front gezogen
werden, um die bedrohte rechte Flanke der 8. Armee zu schützen, da
die Russen zu Gegenstößen gegen diese Flanke ansetzten.
Inzwischen reifte die Schlachtentscheidung bei Lyck heran. Hier hatten sich
die Russen an den im besonderen Maße verteidigungsfähigen
Abschnitten des
Sanowo-, Lyck-, Groß Selment-See mit starken Nachhuten zur
zähen Verteidigung eingerichtet, um den Abzug der
Hauptkräfte und der Trains in Richtung
Grodno - Augustow zu schützen. Demgegenüber
beabsichtigte General Litzmann, der den gemeinsamen Befehl über
den rechten Flügel der 8. Armee führte, am 10. Februar die
russischen Stellungen bei Lyck nur mit der 2.
Infanterie-Division und der hinter dieser Division anrückenden 5.
Infanterie-Brigade anzugreifen. Die 79. und 80.
Reserve-Division sollte die russischen Stellungen südlich umgehen und
dem Feinde den Rückzug auf der Straße nach Augustow
abschneiden: auf dem inneren Flügel die 80., auf dem
äußeren die 79.
Reserve-Division. Die 3. Kavallerie-Brigade wurde der 79.
Reserve-Division zugeteilt. Die nächster Tage zu erwartende 4.
Kavallerie-Division sollte den Rückenschutz in Richtung auf Grajewo
übernehmen, da mit großer Wahrscheinlichkeit auf feindliche
Gegenstöße von Osowiec her gerechnet werden mußte.
Die 2. Infanterie-Division, rechts neben ihr die 5.
Infanterie-Brigade, wurde 10 Kilometer südwestlich Lyck in sehr
heftige Kämpfe verwickelt, da die Russen Stellungen hinter Stellungen
ausgebaut, namentlich gut mit Hindernissen ausgestattet hatten, auch durch
deren Lücken zu kräftigen Vorstößen schritten.
[522] Von Arys her führten sie sogar
Verstärkungen heran und stießen bei Thalussen zum Angriff
gegen die linke Flanke der 2.
Infanterie-Division vor. Die Lage der deutschen Kräfte südwestlich
Lyck gestaltete sich zeitweise nicht unbedenklich, vorübergehend
fragte es sich sogar, ob es gelingen könne, den Gegendruck der Russen
aufzuhalten. Unter diesen bedrohlichen Umständen entschloß
sich General Litzmann, am 12. Februar die bereits nach Süden
abgedrehten Teile der 80.
Reserve-Division gegen den linken Flügel der russischen Stellungen
nach Norden heranzuziehen, während die 79.
Reserve-Division mit der 3. Kavallerie-Brigade auf der Straße nach
Augustow gegen Rajgrod weiter vorrücken sollte. So hoffte er, die
russische Kerntruppe, das III. sibirische Armeekorps, bei Lyck einzukesseln
und zu vernichten.
Am 11. und 12. Februar dauerte das Ringen mit unverminderter Kraft. Der
linke Flügel der 80.
Reserve-Division, die 5. Infanterie-Brigade, die 2.
Infanterie-Division sahen sich in der Linie
Bobern - Baitkowen - Thalussen vor den russischen
Stellungen festgehalten. Die rechte Gruppe des I. Armeekorps, die gegen den
rechten russischen Flügel nordwestlich Lyck eingreifen wollte, konnte
die Seen-Engen an der Eisenbahn
Widminnen - Lyck bei
Woszczellen - Neu-Jucha - Wensowken nicht
öffnen. "Bei eisigem Schneesturm, der von Ost her dem Angreifer ins
Gesicht schlug, der die Gewehrmündungen vollwehte und das Wasser
der Maschinengewehre einfrieren ließ, über tief verschneite
Felder und zum Teil stark versumpftes Gelände mußten die
tapferen Angreifer sich Schritt für Schritt vorarbeiten. Nur ganz
notdürftig konnte man sich in dem hartgefrorenen Boden flach
geschaufelte Schützengräben herstellen, um sich vor der
feindlichen
Artillerie- und Infanteriefeuerwirkung zu schützen. Der Russe
fühlte das Messer an der Kehle, er wollte von seiner Armee retten, was
zu retten war. Der Mut der Verzweiflung verlieh ihm Kräfte. Immer
neue Massen brachte er in das Gefecht."22
Südwestlich Lyck fiel der wichtige Ort Baitkowen mit der dabei
liegenden Seenenge an der Straße
Drygallen - Lyck am Vormittag des 12. Februar in die Gewalt
der Russen zurück. Die 5.
Infanterie-Brigade, die Ort und Enge in der Nacht vorher gestürmt
hatte, ging eine Strecke an der Drygaller Straße zurück. Das
Eingreifen des linken Flügels der 80.
Reserve-Division östlich Baitkowen entlastete zwar die 5.
Infanterie-Brigade, ermöglichte aber noch keinen entscheidenden
Fortschritt gegen Lyck. Ebenso blieben die Angriffe des I. Armeekorps bei
Thalussen ohne Erfolg. Die Enge bei Woszczellen konnte ebenfalls nicht
genommen werden. Zwar fiel
Neu-Jucha in die Gewalt des I. Armeekorps, da aber dessen linker
Flügel bereits nahe östlich davon an der Kette des
Lazmiaden-, Uloffke- und Szonstag-Sees auf neue, hartnäckig
verteidigte russische Stellungen stieß, war vorläufig nicht damit
zu rechnen, daß das [523] so hart vor Lyck ringende XXXX.
Armeekorps durch eine Umfassung des Gegners von Nordwesten her seitens
des I. Armeekorps unterstützt werden würde.
Indessen spürte das III. sibirische Armeekorps doch den scharfen
Druck der beiderseitigen Bedrohungen seiner Flügel und mochte
erkannt haben, daß es jetzt an der Zeit war, die sehr bedeutende
Frontausdehnung zu verkürzen und auf eine näher bei Lyck
gelegene Verteidigungslinie zurückzugehen. Daher wichen die Russen
in der Nacht zum 13. [Februar] aus der Stellung
Bobern - Baitkowen - Thalussen zurück und
standen am Abend des 13. etwa 5 Kilometer vorwärts Lyck in der
Front
Bartossen - Neuendorf. Es gelang weder dem deutschen XXXX.
Reservekorps, diese Stellungen der Sibirier einzustoßen, noch auch den
deutschen Flügelgruppen Fortschritte zu machen: die 80.
Reserve-Division kam südlich Lyck ebensowenig vorwärts wie
das zusammengesetzte I. Armeekorps gegen die Seenkette nordwestlich
Lyck.
Am äußersten linken (nördlichsten) Flügel des
zusammengesetzten I. Armeekorps waren indessen am 13. Februar abends die
über Wensowken durch eine Lücke der russischen Aufstellung
hindurch gestoßenen Kräfte bis an die Seenenge bei Doliwen
(etwa 8 Kilometer westlich Marggrabowa) gelangt. Links daneben hatten zu
derselben Zeit die 1.
Landwehr-Division Lakellen (15 Kilometer nördlich Marggrabowa),
die 3.
Reserve-Division Filipowo, die 10. Landwehr-Division über Przerosl
sogar die Gegend halbwegs
Przerosl - Suwalki erreicht. Diese Leistungen der drei
deutschen Divisionen verdienen besondere Würdigung. Wenn sich
auch keine russischen Truppen ihrem Vordringen entgegensetzten, so waren
doch große Eilmärsche auf außerordentlich schlechten
Wegen zu bewältigen. Die Bewegung bedrohte die bei Lyck
kämpfenden Sibirier, die über die herannahende Gefahr noch
gar nicht unterrichtet waren, bereits im Rücken.
Bei Lyck nahm am 14. Februar vormittags die 80.
Reserve-Division Neuendorf und drückte hiermit den linken
Flügel der Sibirier so wuchtig ein, daß sich die Russen zum
Abzug entschlossen, obwohl die deutscherseits angesetzte Umfassung ihrer
beiden Flügel bei Lyck noch nicht wirksam geworden war.
Während bei Lyck in dieser Weise hartnäckig gerungen wurde,
gingen die 79.
Reserve-Division und die 3. Kavallerie-Brigade südlich an Lyck vorbei
auf Rajgrod vor, um die große Straße
Lyck - Augustow zu sperren. Die Division kam gegen die
zwischen Seen und Sümpfen angelegten russischen Verschanzungen
nicht vorwärts. Dagegen gewann die 3.
Kavallerie-Brigade, südlich herumgreifend, durch die versumpften
Wälder gegen Augustow Boden. Bei Grajewo hielt eine schwache
Abteilung der 79.
Reserve-Division starke russische Kräfte auf, die an der Bahn
Osowiec - Grajewo ausgeladen worden waren und sich auf
Lyck in Marsch gesetzt hatten, bis die 4.
Kavallerie-Division zur Unterstützung eintraf und nach dem Siege bei
Lyck Teile der 80.
Reserve-Division herangezogen werden konnten. So wurde bei Grajewo
rechtzeitig der russische
Gegen- [524] stoß aufgehalten, ohne zur
hemmenden Wirkung auf den Verlauf der Schlacht zu kommen.
Das III. sibirische Armeekorps hatte sich gegen Übermacht in sehr
schwieriger Lage tapfer geschlagen und konnte seinen Rückzug in
leidlicher Ordnung bewerkstelligen. Es ließ in der Zeit vom 8. bis 14.
Februar bei Lyck mehr als 8000 Gefangene, 14 Geschütze, 24
Maschinengewehre in den Händen der Sieger. Der Kaiser hatte den
letzten Kämpfen um Lyck persönlich beigewohnt und
begrüßte Teile des I. Armeekorps auf dem Marktplatz der Stadt,
welche durch die Beschießung erheblich gelitten hatte.
Der Sieg bei Lyck sollte durch rastlose, möglichst umfassende
Verfolgung zur Vernichtung ausgestaltet werden. Hierzu stieß die
deutsche 8. Armee auf Augustow mit der Absicht vor, die Russen in den
ausgedehnten Sumpfwaldungen östlich Augustow einzukesseln und
vom Entkommen in Richtung auf Grodno abzuschneiden. Noch am 14.
erreichte das verstärkte XXXX. Armeekorps den Straßenknoten
Sentken, 9 Kilometer östlich Lyck, an der Straße nach
Augustow, und jagte die Sibirier vor sich her. Höchst bedrohlich
für die Russen war das Vordringen der weiter nordwärts
befindlichen deutschen Verfolgungskolonnen. Am 14. Februar abends standen
die einzelnen Gruppen der deutschen 8. Armee in einem großen, nach
Osten hin offenen Halbkreis zwischen den Straßen
Rajgrod - Augustow und Raczki - Augustow.
Jetzt mußte ohne Rücksicht auf die aufreibenden
Kämpfe, ermüdenden Märsche, Unbilden des Winters,
karge Verpflegung und schlechte Unterkunft während der letzten
Tage alles daran gesetzt werden, um durch Vorwärtsbiegen der
Flügel den eiligst fliehenden Feind bei Augustow zu stellen und ihm
den Untergang zu bereiten. Jede andere Rücksicht mußte gegen
diese Forderung zurücktreten.
Am 15. und 16. Februar setzte die deutsche 8. Armee unter Sicherung ihrer
rechten Flanke gegen Osowiec, wo sich immer von neuem russische
Truppenansammlungen fühlbar machten, die Einkreisungsbewegung
gegen Augustow fort. Hier stießen sie im Morgengrauen des 16. auf
starke russische Verteidigungsstellungen. Der Gegner hatte in einem
Halbkreis von 6 bis 8 Kilometer nördlich, westlich und südlich
der Stadt Befestigungen angelegt, um den halbwegs geordneten Abzug der
bei Augustow zusammengepreßten Truppen, Bagagen und Trains zu
decken. Der deutsche Angriff erfolgte mit:
XXXX.
Reservekorps beiderseits der Straße
Najgrod - Augustow aus südwestlicher Richtung, |
2. Infanterie-Division von Westen her, |
½ 1. Landwehr-Division |
|
von Nordwesten her zwischen der Straße
Raczki - Augustow
und der Eisenbahn
Suwalki - Augustow. |
½ 3. Reserve-Division |
½ 10. Landwehr-Division |
Nirgends konnten die deutschen Kolonnen am 16. gegen die starken
russischen Nachhutstellungen durchgreifende Erfolge erzielen, denn der
Feind hielt zäh fest. [525] Die andere Hälfte der 10.
Landwehr-Brigade war auf dem äußersten linken Flügel
der 8. Armee nach Suwalki abgedreht worden, um die dort hart ringende 75.
Reserve-Division zu unterstützen, die am Südflügel der
deutschen 10. Armee focht. Nachdem die halbe 10.
Landwehr-Division ihre Aufgabe bei Suwalki erfüllt hatte, bog sie,
gefolgt von der halben 75.
Reserve-Division, auf der Straße nach Augustow südwärts
ab, um auch noch in den dortigen Kampf entscheidend
einzugreifen - ein hervorragendes Beispiel der Unermüdlichkeit
und Hingabe. Sie stieß am 16. abends mit der Infanterie und
Maschinengewehren über den
Blizna-Abschnitt nördlich Augustow vor. Es gelang ihr, durch
Überfall 1 Uhr morgens in die Stadt einzudringen, die 5 Uhr morgens
im Besitz der Deutschen war. 5000 Gefangene und 12 Geschütze fielen
in die Hände der Sieger. Das Hauptergebnis aber war, daß die
Enge von Augustow geöffnet
war - eine der schneidigsten Taten im ganzen Schlachtverlauf, welche
die Unternehmungslust deutscher Landwehr in hellem Lichte zeigte, aber
auch den moralischen Zusammenbruch der Russen deutlich bewies.
Unterdessen hatte auch die deutsche 10. Armee die Verfolgung unter Einsatz
aller, auch der letzten seelischen Kräfte fortgesetzt und
Tagemärsche bis zu 40 Kilometer bewältigt, obwohl das
Tauwetter die ohnehin sehr schlechten russischen Wege in Moräste
verwandelte. Das auf dem Ostflügel befindliche XXI. Armeekorps
erreicht am 14. Februar die Gegend von Sejny, rechts daneben gelangten das
XXXIX. und XXXVIII. Reservekorps unter heftigen Kämpfen bis
Suwalki, wo sich russische Nachhuten erbittert zur Wehr setzten, um den
Abzug der Hauptkräfte durch die Augustower Forsten zu sichern. Die
31. Infanterie-Division, als rechte Flügelkolonne des unermüdlichen
XXI. Armeekorps, ging östlich um den Wald von Augustow herum,
gelangte am 18. nach Sopockinie und schloß auf diese Weise den
Ostrand des Waldgebietes ab, Rücken gegen die nur 18 Kilometer
entfernte Festung
Grodno - ein außerordentlich kühner
Entschluß.
Im Innern des Augustower Waldes kam es zu sehr erbitterten
Kämpfen. Die rechte
Flügel-Division des XXI. Armeekorps erreichte am 15. Februar abends
die Seenenge und den Kanalübergang bei Studzieniczna und drang
von Osten her bis auf 4 Kilometer gegen Augustow vor, wodurch der Abzug
der dort enge zusammengedrängten russischen Massen aufs
höchste gefährdet war. Die vorderste Brigade der Division, die
65. Infanterie-Brigade, stieß auf dem schmalen, von Seen und
Sümpfen eingeengten Raum mit einem stark verschanzten Feinde
zusammen, der gewillt war, mit äußerster Zähigkeit den
Abzug der Hauptkräfte auf der Straße
Augustow - Grodno zu decken. Daher kam die ganz auf sich
selbst angewiesene Brigade am 16. nicht vorwärts und geriet in eine
sehr schwierige Lage. I. Bataillon
Infanterie-Regiments 17, das bei Sajanek am linken Flügel der Brigade
focht, wurde von den Russen umzingelt und unter tapferster Gegenwehr
völlig aufgerieben. Im Rücken der 65.
Infanterie- [526] Brigade standen starke russische
Kräfte, die bei Suwalki vor dem XXXVIII. und XXXIX. Armeekorps
ausgewichen waren und, Augustow im Westen liegen lassend, geradezu auf
Grodno zustrebten. Sie schnitten bei Serskilas und Makarce die
Verbindungen der 65.
Infanterie-Brigade mit den übrigen deutschen Kräfte völlig
ab. Die andere Brigade der 42.
Infanterie-Division - die 59. Infanterie-Brigade - suchte der 65.
Infanterie-Brigade Hilfe zu bringen, mußte aber dem gewaltigen
Stoß der russischen Massen weichen und in Richtung auf Sejny
zurückgehen. In dieser Lage griff die 78.
Infanterie-Division des XXXIX. Reservekorps, die den Nordrand des
Augustower Waldes absperrte, zur Entlastung der 42.
Infanterie-Division ein. Bei Makarce kam es zu sehr blutigen
Nahkämpfen, in deren Verlauf sich die Trümmer der
russischen Kolonnen unter schweren Opfern den Weg nach Grodno
öffneten. Am 18. Februar erreichten die Verfolgungstruppen den
Süd- und Südostrand des Augustower Waldes.
Die Verfolgung.
Das deutsche Oberkommando war sich bewußt, daß der Sieg
durch rastlose Verfolgung zur Vernichtung der russischen 10. Armee,
zugleich aber auch zu einer großen strategischen Auswirkung erweitert
werden müsse. Am 17. Februar befahl daher Hindenburg, daß
die Armeen neu gegliedert und andere Aufgabe erhalten sollten:
- Die 2. Infanterie-Division des XXXX. Reservekorps, die 4.
Kavallerie-Division treten von der 8. zur 10. Armee über;
- die 10. Armee verfolgt die geschlagenen Russen bis zum Niemen;
- die 10. Landwehr-Division, ½ 1.
Landwehr-Division, ½ 3.
Reserve-Division treten zu einer neuen 8. Armee, Otto v. Below, über, die
fernerhin aus allen Verbänden bestand, die unter General v. Scholtz die
ostpreußische Südgrenze gedeckt hatten, nämlich: XX.
Armeekorps, 5.
Infanterie-Brigade, ½ 3. Reserve-Division, 11.
Landwehr-Division, ½ 1. Landwehr-Division,
Besatzungs- und Grenzschutztruppen;
- die neu zusammengestellte 8. Armee erzwingt den Übergang
über die befestigte
Bobr - Narew-Linie im Abschnitt
Lomza - Wizna - Osowiec.
Die Neugliederung unter Zerreißung einiger Divisionsverbände
war erforderlich geworden, um die in den Waldkämpfen
naturgemäß auseinandergekommenen Truppen auf
kürzestem Wege zu ordnen. Die 10. Armee hatte die Trümmer
des geschlagenen Gegners abzufangen, die 8. erhielt keine geringere Aufgabe,
als die russische Festungsfront am Narew und Bobr in Richtung auf Bialystok
zu durchstoßen.
Am rechten Flügel der 10. Armee gelangten am 18. Februar die 80.
Reserve-Division und 4.
Kavallerie-Division bei Sztabin, die 79.
Reserve-Division bei Krasnybor, die 2.
Infanterie-Division und 3. Reserve-Brigade bei Lipsk an den Sumpfabschnitt
des Bobr, an dem die Russen nochmals schwere Verluste [527] erlitten, die Deutschen aber Halt machen
mußten, weil der Feind vom beherrschenden Südufer aus mit
überlegenen Kräften den Übergang über die
Moräste sperrte.
Gegen Grodno deckte die 31. Infanterie-Division am 18. Februar bei Holynka.
Zu ihrer Unterstützung trat die 1.
Kavallerie-Division ein, während die 77. Reserve-Division am Ostrande
des Augustower Waldes bei Kopciowo zur Verfügung stand, die 5.
Garde-Infanterie-Brigade bei Simno, sowie
Landwehr-Division Königsberg und Truppenkommando Tilsit gegen
die
Niemen-Front Kowno - Olita deckten. Die sonstigen
Verbände der 10. Armee räumten im Innern des Augustower
Waldes auf, was dort an russischen Truppen noch zurückgeblieben
war - somit ein förmliches "Kesseltreiben", bei welchem die
Deutschen den Feind zur Vernichtung auf einen immer mehr sich
verengenden Raum zusammentrieben.
Die in den Forsten eingekreisten Russen hatten sich in der Südostecke
des Waldgeländes südlich Rudawka zwischen dem
Augustow-Kanal und den sumpfigen Bächen Wolkuschek und
Wolkusch in Form eines Kreises aufgestellt. Die deutsche 10. Armee setzte
zum letzten Vernichtungsstoß an: von Norden 42.
Infanterie-Division, von Osten 77. Reserve-Division und 31.
Infanterie-Division, von Süden 2. Infanterie-Division, von Westen 76.
Reserve-Division. Gegen Grodno und Olita deckten außerhalb der
Forsten nur die gerade entbehrlichen, sehr schwachen deutschen Kräfte.
"Der Russe fühlte den eisernen Ring sich um seine Brust legen. Schon
tagelang war er in den dichten Waldungen ohne Weg und Steg herumgehetzt
worden. Bald brach er sich durch eine metertiefe Schneedecke Bahn, bald
mußte er sich durch Moräste und nicht zugefrorene
Sümpfe hindurcharbeiten. Von einer geregelten Verpflegung war
schon seit Tagen nicht die Rede, geschweige denn von irgendwelcher
Nachtruhe. Immer wieder hatte ihn der furchtbare Verfolger aufgeschreckt,
jetzt schien für ihn kaum noch eine Hoffnung vorhanden zu sein. Aber
er dachte nicht daran, sich zu ergeben. Unter gewaltigen Verlusten
wiederholte er seine verzweifelten Durchbruchsversuche, hoffte auch wohl,
nun endlich aus der nahen Festung Grodno entsetzt zu werden."23
General v. Sievers, der Oberbefehlshaber der geschlagenen russischen 10.
Armee, hatte sich, den Trümmern seiner Truppen voraneilend, nach
Grodno begeben, um den Entsatz zu betreiben und, soweit es noch
möglich war, einer Wiederholung der Tannenberger Niederlage
vorzubeugen. In der Tat rafften sich die Russen zu Entlastungsangriffen auf.
Bei und östlich Sztabin gingen halbwegs zwischen Osowiec und
Grodno starke Kräfte über den Bobr, um in hartnäckigem
Ringen und unter schwersten Verlusten vom XXXX. Reservekorps und der 4.
Kavallerie-Division abgewiesen zu werden. Am 21. Februar scheiterte ein aus
Grodno heraus unternommener Vorstoß des russischen [528] XV. Armeekorps am Widerstande der 1.
Kavallerie-Division, die durch Bataillone und Batterien der im Augustower
Walde fechtenden Divisionen unterstützt wurden. Auch
schwächliche Angriffe der Russen von Olita und Kowno her brachen
vor den deutschen Abwehrtruppen zusammen.
Mit dem Mißlingen dieser Entlastungs- und Rettungsversuche erlosch
nach und nach auch die Widerstandskraft der im Innern des Augustower
Waldes eingeschlossenen russischen Divisionen, die sich in verzweifelter Lage
sehr tapfer geschlagen hatten. Ohne Munition und Verpflegung streckten
nach einem letzten Durchbruchsversuch am 21. Februar abends 30 000
Mann der 27., 28., 29.
Infanterie-Division und der 53. Reserve-Division, darunter 11 Generale, die
Waffen. 200 Geschütze fielen in die Hände der Deutschen.
Hiermit war die Vernichtung der russischen 10. Armee beendet:
110 000 Gefangene, 300 Geschütze, gewaltige Beute an
Kriegsgerät aller Art gehörten den Siegern. Der
größte Teil des Raubes, den die Russen in Ostpreußen
begangen hatten, kam wieder in deutschen Besitz zurück.
Ostpreußen war zum zweiten Male befreit. Die Winterschlacht in
Masuren ist eine Bewegungsschlacht größten Ausmaßes,
der vollendete Ausdruck deutscher Beweglichkeit und Führungskunst,
Ausdauer und Härte gegen sich selbst, als es galt, die denkbar
schwersten Widerstände des Winterwetters, des Geländes, der
Entfernungen, aber auch eines Feindes zu überwinden, der sich in
hoffnungsloser Lage mit dem Mute der Verzweiflung schlug. Die neu
aufgestellten deutschen Reservekorps hatten sich glänzend
bewährt, alle Truppen ihr Bestes gegeben. "Unvergänglich
werden solche Taten im Gedächtnis unseres Volkes fortleben", sagte
der Erlaß des Kaisers an Hindenburg.
Deutsche und russische Gegenstöße.
Ludendorff, dessen Rat entscheidend zum Siege in der
Masuren-Winterschlacht beigetragen hatte, war mit dem Ausgange trotzdem
nicht zufrieden: "Ich durfte mich dem Gedanken nicht verschließen,
daß dem großen Siege die strategische Auswertung versagt
blieb."24
Großfürst Nikolai Nikolajewitsch ließ sich durch die
Unglücksbotschaft, daß seine 10. Armee Sievers bis zur
Vernichtung geschlagen war, nicht entmutigen, sondern traf
ungesäumt Gegenmaßregeln. Er beschränkte sich aber
nicht darauf, eiligst Verstärkungen nach Grodno, Osowiec, Olita und
Kowno zu werfen, sondern er schritt zum Gegenangriff, geleitet von der
Erkenntnis, daß es auf Menschenopfer nicht ankommen könne,
wenn nur der Endzweck erreicht würde: Bindung der Deutschen an
der Nordfront, bis der angesetzte Durchbruch über die Karpathen
nach Ungarn an der Südfront gelungen war. Daher erteilte er der 12.
Armee Plehwe den Befehl, sofort über die
Narew-Front auf Przasnysz vorzubrechen und die Südflanke der
Sieger in der Winterschlacht zu umfassen.
[529] Bis sich die russische 12. Armee zu diesem
Angriff bereitgestellt hatte, ergriffen die Deutschen im Raum zwischen der
Weichsel und dem Orzyc die Vorhand und schritten selbst zum Angriff.
Hierzu wurde unter General v. Gallwitz eine Armeeabteilung aufgestellt,
welche alle von der Front
Thorn - Willenberg versammelten
Feld-, Besatzungs- und Grenzschutztruppen unter einen Befehl
zusammenfaßte. Am 11. Februar 1915 trat General v. Gallwitz den
Vormarsch mit dem rechten Flügel an und drängte die ihm
gegenüber befindliche russische 1. Armee Smirnow bis zum 17.
Februar über die Linie
Plock - Drobin - Racionz auf Plonsk zurück.
Inzwischen trat auch der linke Flügel der Gruppe Gallwitz aus der
Gegend
Mlawa - Willenberg an, um die Russen bei Przasnysz
anzugreifen.
Zum Vorstoß auf Przasnysz wurde das deutsche I. Reservekorps Morgen
(1.
Reserve-Division und 36. Reserve-Division) aus Westpolen von der
Rawka-Front herausgelöst und mit der Eisenbahn nach der Gegend
von Willenberg befördert. Ihm standen beim Eingreifen in einen
Kampf bei Przasnysz gegenüber: das zusammengesetzte
turkestanische Armeekorps bei Przasnysz selbst in stark befestigter Stellung,
XIX. Armeekorps bei Ziechanow, I. sibirisches Armeekorps bei Pultusk, II.
sibirisches Armeekorps bei Ostrolenka, durchweg sehr gute und noch frische
Truppen.
Das Korps Morgen sollte östlich an Przasnysz vorbeigehen, die Stadt
einschließen und südlich an ihr vorüber auf Ziechanow
vorstoßen, rechts an die Division Wernitz des Korps Zastrow gelehnt.
General v. Morgen wollte sich vor allem in den Besitz des wichtigen
Straßenknotens Przasnysz setzen, wozu die 1.
Reserve-Division bestimmt wurde, während die 36.
Reserve-Division die Absperrung im Süden gegen Linie
Makow - Ziechanow übernahm und schwache
Abteilungen am Orzyc nach Osten hin sicherten. Zu letzteren traten die 9.
Landwehr-Brigade und eine halbe 3. Infanterie-Division, der später die
andere Hälfte folgte. Gegen diese Schutzstellungen gingen von
Südwesten her das russische XIX. Armeekorps, von Makow das I.
sibirische Armeekorps, von Osten her das II. sibirische Armeekorps vor. Es
gelang der deutschen 1.
Reserve-Division, Przasnysz nach einstündiger heftiger
Beschießung gerade noch rechtzeitig zu nehmen, ehe der russische
Angriff die 36.
Infanterie-Division zurückdrückte. 10 000 unverwundete
Gefangene, 36 Geschütze fielen in deutsche
Hand - ein überraschend schneller, sehr großer
Erfolg.
Die schwachen deutschen Truppen - I. Reservekorps, 3.
Infanterie-Division, 9. Landwehr-Brigade - wurden am 26. Februar von
den drei russischen Korps in der Front und auf den Flanken so heftig
angegriffen, daß sie am 28. nach tapferstem Widerstande und unter
nicht unbedeutenden Verlusten Przasnysz wieder aufgeben und bis in die
Gegend von Chorzele zurückgehen mußten. Der
strahlenförmig angesetzte Rückzug gelang und rettete die
deutschen Truppen aus einer gefährlichen Lage. Die im Anmarsch
befindlichen Verstärkungen konnten [530] den Kampfplatz nicht so zeitig erreichen,
daß sie dem Kampf eine andere Wendung hätten geben
können.
Die Russen folgten dem deutschen I. Reservekorps nur langsam mit dem II.
sibirischen Armeekorps. Mit dem I. sibirischen Armeekorps, dem XIX.
Armeekorps, dem zusammengesetzten turkestanischen Armeekorps
schwenkten sie nach Westen gegen den linken Flügel des Korps
Zastrow ein, das in seine stark befestigten Stellungen bei Mlawa
zurückgegangen war.
Schon am 7. März schritt man deutscherseits wieder zum Gegenangriff,
der unter dem Oberbefehl des Generals v. Morgen von Chorzele aus gegen
Przasnysz angesetzt wurde. Zur Verfügung standen I. Reservekorps,
Division
Hollen (½ 3. Infanterie-Division, 5.
Garde-Regiment zu Fuß, Infanterie-Regiment 146, eine
Feldartillerie-Abteilung), 76. Reserve-Division, verstärkte 6.
Kavallerie-Division (6. Kavallerie-Division und 11. Reserve-Brigade). Die neu
hinzutretenden Truppen waren aus den benachbarten Fronten in aller Eile
herangeholt worden. Wenn auch die einzelnen Verbände nicht stark
waren, so kam doch eine erhebliche Stoßkraft zum Einsatz. Am 9.
März erreichten die deutschen Truppen, das II. sibirische Armeekorps
vor sich hertreibend, die Höhen 8 bis 9 Kilometer nördlich
Przasnysz. Nun schritten die Russen mit sehr überlegenen Massen zum
Gegenstoß, indem sie außer den bereits genannten vier Korps
auch noch das XXIII. Armeekorps heranbrachten, das in der 3.
Garde-Division eine Kerntruppe besaß. Die Russen griffen frontal und
umfassend die deutsche Ostflanke an, wo
Reserve-Infanterie-Regiment 24 geworfen wurde und 16 Geschütze
verloren gingen. Ein deutscher Gegenangriff, der im wesentlichen von der 36.
Reserve-Division ausgeführt wurde, kam zuerst gut vorwärts,
lief sich aber schließlich vor den überaus stark ausgebauten und
mit bedeutenden Kräften besetzten russischen Stellungen fest. In der
Nacht zum 16. [März] gruben sich die deutschen Truppen, die einen Teil
des verlorenen Geländes zurückgewonnen hatten, in den
Stellungen südlich
Mlawa - Chorzele ein. Die Russen behaupteten sich
nördlich Przasnysz. Der Vorstoß der russischen 12. Armee war
gescheitert, aber auch die Deutschen mußten sich mit der Festhaltung
einer Verteidigungsstellung etwas vorwärts der Grenze
begnügen. Das gegenseitige Stärkeverhältnis glich sich
aus. Auf beiden Seiten erlahmte die Kampfkraft. Das Ringen um Przasnysz
gehört zu den erbittertsten Kämpfen des an blutigen Schlachten
so reichen Weltkrieges. Der deutsche Vorstoß war "ein Griff ins
Wespennest".
Während sich die Armeeabteilung Gallwitz zwischen der Weichsel und
dem Orzyc schlug, hatte Ende Februar und Anfang März 1915 die
Armeeabteilung Scholtz, die auf Grund der Neugliederung nunmehr den
rechten Flügel der 8. Armee bildete, sehr ernste Kämpfe im
Raum zwischen Orzyc und Pisa zu bestehen.
Schon während der Winterschlacht wurde vom XX. Armeekorps, das
dem rechten Flügel der 8. Armee als Rückhalt und rechte
Flankendeckung folgen [531] sollte, die durch Landsturm
verstärkte 41.
Infanterie-Division auf der Straße
Johannisburg - Kolno auf Lomza vorgeschoben, um diesen
Sperrpunkt von Norden her abzuschließen. Rechts daneben ging die
37. Infanterie-Division über Myszyniec auf den Sperrpunkt Ostrolenka
vor. Die 41.
Infanterie-Division wurde zwischen der Pisa und der Straße
Szczuczyn - Lomza von sehr überlegenen russischen
Kräften - den vordersten Teilen der 11. Armee, dem V.
Armeekorps und
Gardetruppen - angegriffen, konnte sich aber behaupten, als nach
und nach die 3.
Reserve-Division und die 5. Infanterie-Brigade zur Unterstützung
eintrafen. Die Lage blieb ernst, denn die Russen verstärkten sich
immer mehr und wurden erst aufgehalten, als die 1.
Landwehr-Division bei der Armeeabteilung Scholtz zur Unterstützung
eingesetzt wurde.
Zwischen Pisa und Orzyc gewann die verstärkte 37.
Infanterie-Division unter General v. Staabs zunächst Gelände,
sah sich dann aber vom Narew bei
Nowogrod - Ostrolenka her durch frische russische
Kräfte, namentlich des IV. sibirischen Armeekorps, sehr heftig
angegriffen. Immer weitere deutsche Truppen, welche soeben erst die
Winterschlacht durchgekämpft hatten, mußten vom
Ostflügel der 8. und aus der ganzen Front der 10. Armee
herausgenommen und oft unter Zerreißung der Verbände in
aller Eile zur Verstärkung der gegen den Narew gerichteten deutschen
Abwehrfront eingesetzt werden. So kamen nach und nach die 2.
Infanterie-Division, 75. Reserve-Division, 10. Landwehr-Division, 4.
Kavallerie-Division, später die 76. Reserve-Division von der 10. Armee,
um nach Bedarf bald bei der Gruppe Scholtz, bald bei der Gruppe Gallwitz
verwendet zu werden. Der deutschen Heeresleitung im Osten erwuchsen aus
dieser Lage nicht geringe Schwierigkeiten, deren sie aber durch schnelles
und entschlossenes Eingreifen gerecht wurde. Immerhin erreichten die
Russen ihren Zweck. Sie banden, allerdings durch Einsatz sehr bedeutender
Kräfte und unter schweren Verlusten, die Deutschen vor Przasnysz,
Ostrolenka, Lomza und verhinderten sie am Vorgehen auf Grodno, sowie
gegen
Olita - Kowno. Hiermit mußte der Gedanke an eine
strategische Auswertung der Masurenschlacht aufgegeben werden.
"Entsprechend dem Charakter des Geländes mit seinen weiten,
ebenen Sumpfflächen und den dazwischenliegenden, mit
Waldstücken und dürftigen Kiefern bedeckten Engen
lösten sich die Kämpfe hier in viele Einzelhandlungen auf. Der
Mann kämpfte gegen den Mann. Und wenn auch die örtlichen
Krisen kein Ende nehmen wollte, so blieben wir doch beim Abschluß
der Kämpfe, die sich in den April hineinzogen, vorwärts der
Grenze stehen... Unsere Soldaten verbanden mit dem Begriff Sumpf den
Begriff des Versinkens, der Russe als Naturkind wußte es besser. Die
Sümpfe in jenen Kampfgebieten froren nur zum Teil zu, zum Teil
lagen sie in geringer Höhe auf einer undurchlässigen Schicht
und blieben durchwatbar."25 Den Leistungen der Gruppen
Gallwitz [532] und Scholtz gebührt besondere
Anerkennung - mit vollem Recht, denn sie hatten sich in wechselnden,
keineswegs immer siegreichen, aber stets ehrenvollen Kämpfen
außerordentlicher Überlegenheiten zu erwehren und zwangen
dem Gegner ihren Willen auf. Erst von Anfang April 1915 ab fanden die
Truppen der ganzen preußischen Südfront die ersehnte,
wohlverdiente Ruhe, als die Russen endlich ihre Angriffe einstellten.
Im Rahmen der Kämpfe vorwärts der ostpreußischen
Südgrenze spielte der artilleristische Angriff auf Osowiec eine
besondere Rolle.
Die Sperrgruppe Osowiec bildete im Gürtel der westrussischen
Festungen das Verbindungsstück zwischen den Befestigungen der
Niemen- und Narew-Linie. Der Ort erhielt eine sehr bedeutende, wie sich
durch die Ereignisse erwiesen hat, geradezu unbezwingliche Stärke
durch die Lage in den Sümpfen des Bobr, die sich von der Gegend
südlich Augustow bis zur Vereinigung des Bobr mit dem Narew auf
eine Strecke von mehr als 80 Kilometern bei einer Breite von 15 bis 20
Kilometern ausdehnen. Die einzige für Heeresbewegungen brauchbare
Verbindung über dieses Sumpfgebiet war die neue Straße
Lyck - Grajewo - Bialystok, neben welcher die
Eisenbahn herläuft. Als Tauwetter eingetreten war und starker Regen
niederging, verwandelte sich der Sumpf um Osowiec in ein durchaus
unbetretbares Gebiet, so daß der Sperrpunkt weder seitlich zu fassen
war, noch auch auf wirksame artilleristische Entfernungen beschossen
werden konnte.
Die Befestigungen bestanden aus:
- Fort I (Kernwerk) am südlichen Bobr-Ufer mit beiderseitigen
Infanteriestellungen und Batterien;
- Fort III und IV am südlichen Ufer unterhalb des
Kernwerkes;
- Fort II als Brückenkopf am Nordufer.
Es war einleuchtend, daß der Durchbruch an einer Stelle, die in so
hervorragender Weise durch den Sumpf gedeckt war, sehr große
Schwierigkeiten bereiten mußte. Die Beschießung konnte nur auf
übergroße Entfernungen stattfinden, der Infanterieangriff war
auf eine so schmale Front eingeengt, daß der Erfolg fraglich blieb.
Anderseits erschien gerade dieser Engweg der verlockende Eingang in den
russischen Festungsgürtel zu sein, denn Straße und Eisenbahn
führten nach dem wichtigen Bialystok an der Hauptstrecke
Warschau - Wilna, welche hier der ostpreußischen
Grenze am nächsten ist. Auch durfte man hoffen, daß nach
Öffnung des Durchganges bei Osowiec die russische
Narew-Front von Nordosten her aufgerollt, Grodno aber im Süden
umfaßt werden konnte. Ein Angriff auf Osowiec im Oktober 1914 nach
der ersten
Masuren-Schlacht scheiterte vollkommen, da die artilleristische Wirkung
nicht ausreichte und der Sturmversuch mit Rücksicht auf die Enge des
Zuganges keinen Erfolg versprach. Daher gab man den Angriff auf.
Nunmehr ordnete das Oberkommando von neuem den Angriff auf Osowiec
an. Hierzu wurde die 11.
Landwehr-Division bestimmt, die bis zum 21. Februar [533] Teile des III. sibirischen Armeekorps, die
sich von Lyck hinter den Bobr gerettet hatten, über Grajewo gegen
Osowiec zurücktrieb. Deutscherseits erhoffte man alles von der
Wirkung der schwersten Artillerie. Da der
21-cm-Mörser sich bereits beim Herbstangriff 1914 als unzureichend
erwiesen hatte, wurden 2 deutsche
30,5-cm-Batterien, 2 österreichisch-ungarische 30-cm-Batterien, die
deutsche
42-cm-Batterie Solf herangezogen - eine gewaltige artilleristische
Macht.
Am 27. Februar wurde das Feuer eröffnet, wobei der
42-cm-Batterie Fort I zufiel, ein mächtiges Rechteck von etwa 1000
Meter Länge und 500 Meter Breite. Der Erfolg blieb hinter den
Erwartungen zurück, denn die Beobachtung mußte des Sumpfes
wegen 8000 bis 9000 Meter von den Werken entfernt bleiben, also zu weit
für eine genaue Leistung des Feuers.
Flugzeug- oder Ballonbeobachtung fehlte. Daher war das Schießen
nicht so sicher, um in absehbarer Zeit und ohne Aufwand sehr großer
Munitionsmengen eine vernichtende Wirkung zu erzielen. Unter diesen
Umständen mußte der Angriff am 5. März abgebrochen
werden. Eine Umfassung war nicht möglich, denn weder
südlich Augustow noch bei Lomza war die
Bobr-Linie für die Deutschen überschreitbar, deren
Kräfte sowohl in der
Masuren-Schlacht wie auch durch die hierauf folgenden sehr ernsten
Kämpfe gefesselt waren, bis sie schließlich zu ermatten
begannen. Daher war es ein durchaus gerechtfertigter Entschluß des
Oberkommandos, die Einstellung des Angriffs auf Osowiec und die
Zurücknahme der Truppen bis südlich Grajewo zu befehlen.
Nach russischem Bericht haben die
42-cm-Granaten Löcher von 6 Meter Durchmesser und 2 Meter Tiefe
geschlagen, was nicht ausreichte, um die durch gewaltige Erddecken
geschützten Betonbauten zu zerstören. Ein weiterer Verbrauch
der teueren Munition hätte sich nach Ansicht der deutschen Leitung
nicht gelohnt.
Der Ausgang der Kämpfe.
Die deutsche 10. Armee mußte Ende Februar und Anfang März
1914 (S. 526) erhebliche Kräfte an die 8. Armee
abgeben, um sie gegen die Angriffe von
Lomza - Ostrolenka - Pultusk her zu stützen. Da
die 10. Armee außerdem mit großen
Verbindungs- und Nachschubschwierigkeiten in dem ausgesogenen Lande
bei einem zwischen Frost und Tauwetter wechselnden Wetter zu
kämpfen hatte, ordnete das Oberkommando an, daß sie ihre
Front zurücknahm und verkürzte. Sie baute eine Stellung in
der Linie
Augustow - Suwalki - Kalwarja -
Marjampol - Pilwiszki - Schaki aus. Nordwärts dieser
Hauptfront wurden Vorhuten auf den gegen die
Niemen-Linie Grodno - Olita - Kowno führenden
Straßen belassen.
Die in der Winterschlacht zertrümmerte russische 10. Armee wurde
bei Olita neu aufgestellt, zu ihrer Verstärkung das II. und III.
Armeekorps herangezogen. Diese Korps schritten am 8. März zum
Vorstoß, um den Deutschen, deren Nordflügel man
russischerseits für geschwächt hielt, die in der Winterschlacht
[534] erkämpften Vorteile wieder zu
entreißen. Das russische II. Armeekorps drängte bis Sejny die
deutschen Vortruppen zurück und gelangte bis nahe östlich
Suwalki. Inzwischen hatten das russische III. Armeekorps bei Simno die
Deutschen angegriffen und zum Abmarsch nach Südwesten hin
veranlaßt. Daher schwenkte das russische III. Armeekorps nach
Süden ein, um den Gegner von Norden her zu umfassen und
aufzurollen. General v. Eichhorn zog jedoch alle verfügbaren Truppen
nach links heraus und ging am 9. März unter
Vorwärtsstaffelung dieser Kräfte zwischen Kalwarja und
Marjampol hindurch zum Gegenstoß gegen die ungeschützte
russische Nordflanke vor. Der deutsche Stoß gelang vollkommen. Am
10. März wurde das russische III. Armeekorps, in der rechten Flanke
gefaßt, zu verlustreichem Abzug genötigt, worauf auch das II.
Armeekorps sich unter schweren Opfern zum Rückzug gegen den
Niemen zwischen Olita und Grodno gezwungen sah.
Der Ausgang dieser Kämpfe, die Mitte März abschlossen,
bestand darin, daß sich die deutsche 10. Armee in der befohlenen
Stellung zur Verteidigung einrichtete und Vorhuten gegen Bobr und Niemen
schob, während sich die Russen in den Vorfeldern von Grodno, Olita
und Kowno behaupteten. Der "gigantische" Plan des
Großfürsten Nikolai Nikolajewitsch, die Scharte der
Winterschlacht auszuwetzen, von beiden Flanken, also vom Narew her wie
über
Suwalki - Augustow, nochmals in Ostpreußen einzufallen
und große deutsche Truppenmassen aus Galizien nach dem Norden zu
ziehen, war endgültig gescheitert.
Die russische Heeresleitung
setzte die letzten Mittel ein, um die Deutschen im
Norden anzugreifen und nach dieser Seite hin abzulenken. Mitte Februar
1915 ging der Gouverneur von Königsberg, General v. Pappritz, mit 4
Landsturm-Bataillonen und einigen Geschützen von Tilsit nach
Tauroggen vor und vertrieb die Russen vom ostpreußischen Boden.
Memel wurde durch 2
Landsturm-Bataillone besetzt, die ganze 135 Kilometer lange Strecke von
Jurborg am Niemen westlich Kowno bis Nimmersatt an der
Ostseeküste nördlich Memel durch eine dünne
Posten- und Patrouillenkette gesichert.
Auf russischer Seite erhielt General Apuchtin Befehl, aus der Gegend Szawle
(Schaulen) - Libau gegen Memel - Tilsit
vorzustoßen. Er verfügte hier über die 68.
Reserve-Division, zu welcher Reichswehr (Landsturm),
Marine-Infanterie und Ersatz-Batterien traten, im ganzen 20 000
Mann. Er selbst ging mit 10 Bataillonen und 20 Geschützen von
Szawle gegen
Tauroggen - Tilsit, die rechte Kolonne unter Oberst Rebrikow,
8 Bataillone und 8 Geschütze, auf der Küstenstraße gegen
Memel vor.
Zunächst erfolgte der russische Angriff gegen Memel, zugleich frontal
und umfassend von Osten her, so daß sich die schwache deutsche
Besetzung unter Oberstleutnant Conradi nach heftigem Widerstand auf
Booten nach der Kurischen Nehrung zurückziehen mußte. Am
18. abends waren die Russen im Besitz der Stadt, wo die zuchtlose
Reichswehr mit Raub und Brand furchtbar zu hausen begann.
[535] Gleichzeitig griff die linke russische
Kolonne die deutsche
Landsturm-Abteilung Pappritz bei Tauroggen an und drängte sie
durch ihre Überlegenheit nach tapferer Gegenwehr bis dicht vor Tilsit
zurück, wo sich die Landstürmler zum Schutz der Stadt zur
Verteidigung bis aufs äußerste einrichteten.
Da die Lage bei Memel - Tilsit eine bedrohliche geworden war,
namentlich sich nicht erkennen ließ, ob noch weitere russische
Kräfte dem ersten Vorstoß folgten, entsandte das deutsche
Oberkommando in höchster Eile alle irgendwie verfügbaren
Truppen nach der Grenzmark im äußersten deutschen Norden:
mehrere
Ersatz-Bataillone aus Königsberg und Stettin, die 76.
Reserve-Division, die 6. Kavallerie-Division. Auch mehrere
Küstenkreuzer gingen von Danzig nach Memel in See. Noch bevor alle
diese Verstärkungen eingetroffen waren, erfolgte der Umschlag
zugunsten der Deutschen. Bereits am 21. März trafen die deutschen
Ersatz-Bataillone, das tapfere Königsberger Bataillon Nußbaum
voran, vor Memel ein und stürmten die Stadt, wo die
plündernden Russen überrascht und unter empfindlichen
Verlusten, auch durch das Feuer der deutschen Kriegsschiffe getroffen, auf Libau
hin zurückgedrückt wurden. 3000 Verschleppte und Teile der
Beute wurden ihnen wieder abgenommen.
Bei Tilsit trafen am 23. März die deutschen Verstärkungen,
zunächst das Stettiner
Ersatz-Bataillon v. der Horst, ein. General v. Pappritz schritt zum
Gegenangriff, sprengte die russische Front und besetzte am 29. März
Tauroggen, worauf die Russen gegen Szawle abzogen. Der russische
Vorstoß war vollkommen gescheitert. Die Kämpfe bei Memel
und Tilsit sind volle Ehrentage für die braven
Landsturm- und Ersatztruppen, welche gegen vielfache Übermacht
unter sehr schwierigen Witterungsverhältnissen fochten. Die matte
russische Führung hatte durchaus versagt.
Das Ergebnis der Winterschlacht in Masuren und der ihr folgenden
wechselreichen Kämpfe kennzeichnete Ludendorff:26
"Die Hoffnungen, die ich auf eine
unmittelbare strategische Ausnutzung der Winterschlacht gehegt hatte,
mußte ich beiseite legen. Taktisch war sie geglückt, das
erfüllte mich mit Genugtuung. Ich war befriedigt, daß die
großen Angriffe des Großfürsten zusammengebrochen
waren, und wir überall auf feindlichem Gebiete standen. Der
Entscheidung gegen Rußland, und auf die kam es mir in meinem
innersten Denken und Fühlen zunächst an, hatten wir uns aber
doch nur um einen Schritt genähert. Der große russische
Kräfteverbrauch gegen
Ost- und Westpreußen sollte später die Operationen in Galizien
fördern. Die Verluste der Russen waren zudem im Vergleich zu den
unsrigen außerordentlich hoch. Selbst Rußlands großer
Menschenreichtum konnte solchen Ausfall nicht ohne weiteres auf die Dauer
decken."
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