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Warschau unter deutscher Herrschaft.
Deutsche Aufbauarbeit im Distrikt Warschau.

[145]
Wirtschaftlicher Aufbau im Distrikt Warschau

1. Der Distrikt Warschau als Zentrum der gewerblichen Wirtschaft des Generalgouvernements

Warschau ist schon vor dem jetzigen Kriege das industrielle Zentrum des damaligen Staates gewesen.

Nach der polnischen Industriestatistik vom Jahre 1938 gab es im gesamten Gebiet der früheren Republik Polen, also einschliesslich der jetzt dem Reichsgebiet eingegliederten Gebiete, 9 166 Industriebetriebe, wovon 3 916 Betriebe auf den Raum des jetzigen Distrikts Warschau entfallen.

Wenn man die Beschäftigtenzahl zugrunde legt, dann waren von den rund 302 000 in der Industrie Beschäftigen nicht weniger als 170 000 Arbeiter und Angestellte im heutigen Distrikt Warschau tätig, also rund 56%. Außerdem befanden sich noch die Hauptniederlassungen zahlreicher mittlerer und grösserer Betriebe in Warschau, wodurch das Schwergewicht des industriellen Einflusses von Warschau noch verstärkt wurde.

Als natürliche Folge dieser industriellen Zusammenballung in Warschau hatte sich hier auch nahezu das gesamte Bankwesen mit rund 28 Banken, die zum Teil Milliardenumsätze aufwiesen, niedergelassen, ebenso wie fast alle grösseren Versicherungsgesellschaften ihre Hauptniederlassungen in Warschau errichtet hatten.

In der Zeit nach dem Weltkriege wurden grosse, modern ausgestattete Rüstungsfabriken im Warschauer Becken gebaut, wodurch die allgemeine industrielle Betätigung noch weiter verstärkt worden ist.

Die einzelnen Industriezweige wiesen an Beschäftigten folgende Prozentsätze auf, wobei die im Jahre 1938 im Gebiet des jetzigen [146] Generalgouvernements beschäftigten Arbeiterzahlen zugrunde gelegt sind:

    Metallindustrie 56,4%
    Elektrotechnische Industrie   87,9%
    Chemische Industrie 53,3%
    Lederindustrie 47,6%
    Nahrungsmittelindustrie 48,6%
    Bekleidungsindustrie 67,7%
    Vervielfältigungsindustrie 76,9%
    Baugewerbe 76,0%
    Papierindustrie 61,6%
Diese einem Bericht des Reichskuratoriums für Wirtschaftlichkeit, Dienststelle Generalgouvernement, entnommenen Zahlen zeigen die überragende Bedeutung der Warschauer Industrie.

Der Charakter der Warschauer Industrie kann im wesentlichen als der einer Veredelungs- und weiterverarbeitenden Industrie bezeichnet werden, da im Distrikt - abgesehen von den Rohstoffen zum Betrieb der zahlreichen Ziegeleien - sonstige Rohstoffe nicht vorkommen, so dass Rohstoffe und Halbfabrikate zur Weiterverarbeitung von auswärts bezogen werden müssen.

In der Nähe dieses Industriezentrums hat sich eine industrielle Arbeiterschaft angesiedelt, die zum größten Teil in Warschau und Umgebung wohnt. Es muß ganz besonders hervorgehoben werden, daß in dieser Arbeiterschaft ein grosser Teil geschulter Fachkräfte vorhanden ist.

Ein umfangreicher Selbstverwaltungsapparat in der gewerblichen Wirtschaft, die Hauptgruppe Gewerbliche Wirtschaft und Verkehr mit ihren Fachverbänden sowie zahlreiche Fachschulen, sichert die Heranbildung des nötigen Nachwuchses und ist bestrebt, den Ausbildungsstand nicht nur zu erhalten, sondern die Leistungen noch weiter zu steigern.

Die in Warschau bestehenden Großbanken verfügen über die Mittel, einem industriellen und gewerblichen Aufschwung die nötige finanzielle Grundlage zu sichern, zumal sich in wachsendem Maße reichsdeutsches Kapital an diesen Banken beteiligen wird. Die bisherige Entwicklung ist weitgehend dadurch bestimmt worden, dass deutsche Lenkung und deutscher Einfluss mit grossem Erfolg eingesetzt worden sind. Die Schaffung einer deutschen Oberschicht und [147] die Durchdringung der Betriebe mit deutscher Organisation ist im ständigen Wachsen und hat schon zu erfreulichen Ergebnissen geführt. Dabei hat sich erwiesen, dass es auch mit wenigen deutschen Menschen möglich ist, grosse Betriebe, die ihrer Arbeiterschaft und ihrem Aufsichtspersonal nach rein polnisch sind, nicht nur im Gang zu halten, sondern dort sowohl der Leistung als den Kosten nach beachtliche Erfolge zu erzielen.

Die verkehrsgünstige Lage Warschaus im Schnittpunkt der Nord-Süd- und West-Ost-Achse sowie das gut ausgebaute Eisenbahnnetz tragen ihrerseits dazu bei, Warschau immer mehr zu einer Hauptdurchgangstelle werden zu lassen.

Wenn schliesslich noch die Lage der Stadt Warschau am Weichselstrom, über dessen Bedeutung an anderer Stelle dieses Buches berichtet wird, und weiter die Möglichkeiten berücksichtigt werden, die sich aus dem Ausbau der Weichsel und der Lage der Stadt und des Stromes zu den neuen Ostgebieten ergeben, so kann der Industrie des Distrikts Warschau - trotz der jetzt vorhandenen kriegsbedingten Schwierigkeiten - für die weitere Zukunft die günstigste Entwicklung vorhergesagt werden.

Im folgenden soll ein kurzer Überblick über die hauptsächlichsten Industriezweige des Distrikts Warschau gegeben werden. Dabei ist von vornherein darauf hinzuweisen, dass sich das durchschnittliche Niveau natürlich nicht mit dem des reichsdeutschen vergleichen lässt. Gewiss gibt es zahlreiche Betriebe, die organisatorisch und maschinell über beste Einrichtungen verfügen, daneben stehen aber viele kleine Betriebe, deren technischer Stand nach deutschem Masstab gemessen als veraltet bezeichnet werden muß.

Weitaus an der Spitze der Industrie des Distrikts Warschau steht die eisen- und metallverarbeitende Industrie mit über 500 Betrieben. Dieser Industriezweig beschäftigte 1938 fast 35 000 Arbeiter. Der technische Entwicklungsstand ist hier besonders unterschiedlich. Neben modern und gutgeleiteten Betrieben gibt es solche, die sich nicht weit über das Niveau einer handwerklichen Fertigung erheben.

In der eisen- und metallverarbeitenden Industrie des Distrikts Warschau sind ziemlich alle Zweige vertreten. Es gibt Eisengiessereien, Fabriken für die Herstellung kleinerer und einfacher Maschinen und Apparate, Drahtziehereien, Nagelfabriken, Fabriken für Baubeschläge, Werkzeuge, Hausrat und dergleichen.

[148] Auch die elektrotechnische Industrie ist im Distrikt Warschau bedeutend. Nach der erwähnten Statistik bestanden 119 Betriebe mit über 10 000 Beschäftigten.

Selbst wenn man berücksichtigt, dass in den vorstehend genannten Zahlen der eisen- und metallverarbeitenden Industrie und der elektrotechnischen Industrie viele kleine und unbedeutende Betriebe enthalten sind, dass einige Betriebe durch Kriegshandlungen zerstört, andere inzwischen stillgelegt und liquidiert worden sind, so bleibt immer noch ein beachtenswerter Umfang dieser Industrie bestehen.

In der Textilindustrie war zwar Warschau nicht das Zentrum des ehemaligen polnischen Staates, da der Hauptsitz der Textilbetriebe in Litzmannstadt war, doch weist dieser Industriezweig auch im Distrikt Warschau eine ansehnliche Grösse auf. Nach der polnischen Statistik aus dem Jahre 1938 wurden

    163 Betriebe der Textil- und
    606 Betriebe der Bekleidungsindustrie

Baumwollmanufaktur Wola Warschau
Baumwollmanufaktur Wola Warschau.
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Webereisaal der Baumwollmanufaktur Wola.
Webereisaal der Baumwollmanufaktur Wola
gezählt, die zusammen über 18 000 Menschen beschäftigten. Nach einer Bereinigung der Textilindustrie und einer erheblichen Einschränkung, zu der die Rohstofflage zwang, sind heute noch etwa 100 Betriebe teilweise oder voll beschäftigt. Die beiden grossen Textilbetriebe "Zyrardower Manufakturen A. G." und "Wola A. G." wurden unter deutsche Leitung gestellt. Im Jahre 1941 wurden in der Textil- und Bekleidungsindustrie durchschnittlich 10 000 Menschen beschäftigt; der Gesamtwert der Erzeugung in diesem Zeitraum betrug über 64 Millionen Zloty.

In der Schuherzeugung entfiel schon früher der grösste Anteil mit etwa 85% auf das Handwerk. Die restlichen 15% lieferten mittelgrosse mechanische Schuhfabriken in Warschau, die alle in jüdischem Besitz waren, und die Schuhfabrik "Bata" in Chelmek. Heute sind 9 mechanische
Schuhfabrik Weynerowski, Fliessband
[150] Schuhfabrik Weynerowski, Fliessband.
Schuhfabriken in Warschau tätig, die sämtlich in arischen Händen sind und insgesamt durchschnittlich 750 Arbeiter beschäftigten. Im Jahre 1941 wurden von diesen mechanischen Schuhfabriken 371 000 Paar Schuhe hergestellt.

Warschau war früher der Mittelpunkt der Lederindustrie im ehemaligen Polen. Vor dem Kriege bestanden im Bereich des heutigen Distrikts Warschau etwa 60 grössere Gerbereien, wovon etwa 40 in jüdischem Besitz waren. Nach Schliessung aller jüdischen Betriebe [149-152=Fotos] [153] wurden von der deutschen Verwaltung die leistungsfähigsten Gerbereien mit einer Produktionskapazität von 40% der Vorkriegszeit zur Weiterarbeit zugelassen. 1941 arbeiteten 23 Gerbereien mit einer durchschnittlichen Beschäftigtenzahl von 600 Gefolgschaftmitgliedern.

Fettindustrie Schicht, Seifenprägerei
Fettindustrie Schicht. Seifenprägerei.
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Kerzenfabrik Marenchowski. Kerzenziehmaschinen.
Kerzenfabrik Marenchowski, Kerzenziehmaschinen
Die chemische Industrie, bei der in etwa 200 Betrieben rund 8 000 Arbeiter beschäftigt sind, ist mit einer vielseitigen Produktion vertreten. Allein 48 Betriebe, darunter 3 Großbetriebe, stellen pharmazeutische Erzeugnisse her. Unter den Betrieben der Seifen- und Waschmittelindustrie befindet sich die "Schicht A. G.", ein Großbetrieb, der in seiner technischen Einrichtung keinen Vergleich mit anderen technisch hochstehenden Betrieben des gleichen Gewerbezweiges in Europa zu scheuen braucht. Ferner gibt es in Warschau eine Bleistiftfabrik, die 336 Arbeiter beschäftigt und die ebenso alt wie die gleichartigen Fabriken in Deutschland ist. Weiter sind vertreten die kosmetische Industrie, die Industrie der Farben und Lacke, die Kautschuk- und Asbestindustrie, Dachpappenindustrie, die Industrie für Leder- und Fußbodenpflegemittel, die Leimindustrie und andere.

Papierfabrik Mirkow, Pergamentiermaschinen
[158] Papierfabrik Mirkow,
Pergamentiermaschinen.

Papierfabrik Mirkow, Pergamentiermaschinen
Auch in der Papierwirtschaft ist Warschau mit eigener Erzeugung vertreten. Die Mirkower Papierfabrik in Jeziorna bei Warschau ist in der Lage, monatlich 2500 bis 3000 t Papier herzustellen, angefangen vom gewöhnlichen Packpapier bis zu den anspruchsvollen Sorten, die die Staatsdruckerei für die Herstellung von Banknoten und dergleichen benötigt. Trotz der durch den Krieg bedingten Beschränkungen in der Rohstoffverwendung spielt die Mirkower Papierfabrik auch jetzt noch bei der Eigenversorgung des Generalgouvernements mit Papier eine bedeutsame Rolle.

Bei dem Überfluss an Papier, der früher in Polen bestanden hat, ist es nicht verwunderlich, dass hier eine ausgedehnte Verarbeitungsindustrie besteht, die wiederum hauptsächlich ihren Sitz in Warschau hat. So besitzt Warschau auch heute noch die älteste Tapetenfabrik des
Papierfabrik Mirkow, Papiermaschinen
[159] Papierfabrik Mirkow,
Papiermaschinen.

Papierfabrik Mirkow, Papiermaschinen
Generalgouvernements.

Dass Warschau auch über zahlreiche bedeutende Druckereibetriebe verfügt, ist nur eine Folge seiner grossen wirtschaftlichen Bedeutung, die es schon früher im ehemaligen Polen einnahm. Es besteht hier die grosse Staatsdruckerei, in der die Banknoten, Steuerbanderolen, Stempelmarken, Lebensmittelkarten und dergleichen hergestellt werden. Ferner sind zu nennen die Städtische Druckerei, die Druckerei der Postsparkasse, die Schlesische Druckerei und der [154] grosse Druckereibetrieb des Zeitungsverlages Krakau-Warschau, in dem verschiedene Zeitungen, Druckschriften und Schriften für die Wehrmacht hergestellt werden.

Die Industrien der Steine, Erden, Glas und Keramik sind im Distrikt Warschau die
Bilder aus der Chemischen Fabrik Ludwig Spiess & Sohn
[157] Bilder aus der
Chemischen Fabrik Ludwig Spiess & Sohn.

Bilder aus der Chemischen Fabrik Ludwig Spiess & Sohn
einzigen, die, abgesehen von der benötigten Kohle, überwiegend rohstoffunabhängig sind. Es ist hier in erster Linie die Ziegelindustrie zu nennen, die mit 86 Ringofen-Ziegeleien und 41 Feldziegeleien vertreten ist. Darunter befinden sich etwa 70 Ziegeleien, von denen jede eine Jahreskapazität von über eine Million Stück aufweist. Insgesamt verfügen die Ziegeleien über eine Jahreskapazität von 230 Millionen Stück Mauersteinen, Dachziegeln, Drainageröhren, Kacheln und dergleichen. In Zukunft soll die Herstellung von Dachziegeln noch erweitert werden, da die früher vielfach übliche Verwendung von Zinkblech zum Dachdecken deutschen Schönheitsbegriffen nicht entspricht. Ebenso soll die Produktion von Drainageröhren gesteigert werden, weil die Durchführung eines umfassenden Meliorationsprogrammes in der Landwirtschaft einen erhöhten Bedarf an Drainageröhren mit sich bringt.

Phillips-A. G. Warschau, Glühlampenabteilung
[150] Phillips-A. G. Warschau, Glühlampenabteilung.
Die Glasindustrie kann im Distrikt Warschau mit 16 Glashütten aufwarten, in denen Flaschenglas und Hohlglas in den gebräuchlichen Dimensionen und verschiedenen Qualitäten hergestellt werden. Ferner besteht eine leistungsfähige Glühlampenfabrik. Etwa zehn dieser Hütten sind in technisch gutem Zustand. Die grösste Glashütte hat bei voller Beschäftigung eine Gefolgschaftsstärke von 350 Mann und eine monatliche Produktion von etwa 500 000 kg. Ferner haben zahlreiche glasverarbeitende Betriebe ihren Sitz in Warschau.

Die Baustoffindustrie ist im Distrikt Warschau mit 22 Dachpappenfabriken vertreten, die insgesamt über eine Jahreskapazität von 17,2 Millionen qm Dachpappe und Isolierpappe verfügen.

Schließlich ist noch die holzverarbeitende Industrie zu nennen, von der es im Distrikt Warschau etwa 60 Betriebe gibt. Es sind darunter zum Teil sehr leistungsfähige Betriebe, die anerkannte Qualitätserzeugnisse an Möbeln, Hausgeräten und dergleichen herstellen. Die Qualität dieser Erzeugnisse wird sich noch steigern lassen, wenn sich durch Erziehung und Belehrung die deutsche Geschmacksrichtung einmal im stärkeren Masse durchgesetzt haben wird.

Schokoladenfabrik Wedel in Warschau
Schokoladenfabrik Wedel in Warschau.
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Arbeitssaal in der Schokoladenfabrik Wedel.
Arbeitssaal in der Schokoladenfabrik Wedel
Bei der wirtschaftlichen Bedeutung und der dichten Besiedlung des Warschauer Raumes hat sich als natürliche Folge auch eine umfangreiche Nahrungsmittelindustrie angesiedelt. Es sind hier zu nennen zwei grosse Schokoladenfabriken, ferner zahlreiche, zum Teil [155] moderne Mühlenbetriebe sowie Großbäckereien, Marmeladefabriken und Konservenfabriken für Fleisch, Gemüse und Obst.

Wenn bisher im wesentlichen nur von den industriellen Betrieben die Rede war, so sei der Vollständigkeit halber darauf hingewiesen, dass Warschau auch der bevorzugte Sitz des Handels und zwar des Groß-, Ein- und Ausfuhrhandels von Polen gewesen ist und in seinen Mauern auch den überwiegenden Teil der bedeutenden Handelsunternehmen dieses Staates überhaupt beherbergt hat. Dieser Handel lag hauptsächlich in jüdischen Händen. Auch hier ist, wie bei der industriellen Wirtschaft, eine durchgreifende Änderung eingetreten: Die Ausschaltung der Juden aus dem Wirtschaftsleben ist nahezu hundertprozentig erreicht. An die Stelle der Juden sind einheimische Kräfte und die aus den neuen Reichsgauen evakuierten Polen getreten. So konnte ein reibungsloser und den Wirtschaftsablauf nicht beeinträchtigender Austausch der Kräfte vollzogen werden.

Die augenblickliche Lage auf dem Warenmarkt kann natürlich kein Bild über die Leistungsfähigkeit des Handels vermitteln. Es kann aber festgestellt werden, daß gerade in Warschau von jeher eine grosse Tradition auf dem Gebiet des Handels bestanden und sich bis zum heutigen Tage erhalten hat. Die Verbindung mit den Seehäfen der Ostsee, insbesondere mit Danzig und Königsberg, die noch an anderer Stelle gewürdigt wird, und mit den Gebieten des Ostens bis zum Schwarzen Meer ist seit jeher in Warschau gepflegt worden, so dass gerade jetzt, nach dem Gewinn dieser grossen Ostgebiete, sich auch insoweit grosse Zukunftsaussichten ergeben.

Zur Zeit kann die Zahl der Handelsbetriebe im Distrikt Warschau mit etwa 35 000 angegeben werden.

Neben Industrie und Handel ist in Warschau stets auch das Handwerk von besonderer Bedeutung gewesen. Es lässt sich geschichtlich nachweisen, dass gerade im Handwerk der deutsche Kultureinfluss in den vergangenen Jahrhunderten sehr stark gewesen ist. Insbesondere kamen im 18. Jahrhundert im Gefolge der sächsischen Baumeister zahlreiche deutsche Handwerksmeister nach Warschau, wie aus den Innungsbüchern der Warschauer Zünfte hervorgeht.

Die Zahl der Handwerksbetriebe beträgt zur Zeit etwa 20 000. Da die Handwerksbetriebe durchschnittlich 2,3 Beschäftige aufweisen, kann mit einer Beschäftigtenziffer von rund 45 000 gerechnet werden. Welche Rolle dieses Handwerk spielt, geht daraus hervor, dass, wie schon erwähnt, etwa 85% der Schuhe von den Handwerkern [156] hergestellt werden, deren Erzeugnisse vielfach als überaus hochwertig angesehen werden können und auf den deutschen Messen immer wieder besondere Beachtung finden. Ähnliches gilt vom Schneiderhandwerk und von der Bau- und Möbeltischlerei. Ein hochwertiges Bäcker-, Fleischer- und Konditorengewerbe entspricht den Bedingungen, die die verhältnismässig hohe Lebenshaltung Warschau an die Leistungen dieser Gewerbe gestellt hat. Ein ausgebautes Innungswesen und gut geleitete Fachschulen haben den hohen Stand des Handwerks in Warschau besonders begünstigt. Unter deutscher Führung wurde das Handwerk zu einer straffen Organisation zusammengefasst, deren Aufgabe es ist, in ihren Reihen auf Ordnung und Sauberkeit zu halten und insbesondere die Pflege des Nachwuchses in ihre Obhut zu nehmen.

Welche Bedeutung die vorstehend behandelten Gruppen der Industrie, des Handels und des Handwerks haben, erhellt am besten die Tatsache, dass der Distrikt Warschau in den Jahren 1940 und 1941 allein so viel Staats- und Gemeindesteuern aufgebracht hat, wie die Distrikte Krakau, Lublin und Radom zusammen genommen. Dies ist gleichzeitig die beste Rechtfertigung der auf dem Gebiet der Wirtschaft geleisteten Aufbauarbeit, da der grösste Teil dieser Steuern von den einzelnen Gruppen der gewerblichen Wirtschaft getragen worden ist.


 
2. Die wirtschaftlichen Beziehungen Warschaus zu den Nachbargebieten und den Hansestädten

Die grosse wirtschaftliche Bedeutung Warschaus zeigt sich nicht nur darin, dass es im Generalgouvernement ein sehr starkes Wirtschaftszentrum ist, sondern vor allem in der Tatsache, dass die wirtschaftlichen Beziehungen Warschaus weit über die Grenzen des Generalgouvernements ausstrahlen.1

In vorderster Linie steht hier die alte Hansestadt Danzig, zu der die Handelsbeziehungen Warschaus stets besonders lebhaft gewesen sind. Schon im 13. Jahrhundert bestand über die Weichsel mit Danzig ein lebhafter Warenverkehr, wobei hauptsächlich Getreide, Holz, Pech und Teer ausgeführt wurde. Nach einer alten Chronik betrug im Jahre 1618 die Ausfuhr polnischen Getreides über Danzig [157-159=Fotos] [160] 128 789 Laczty. Es handelt sich hierbei um ein altes polnisches Maß, das etwa 2,5 t entspricht.

Auch mit dem früheren Kongresspolen war Danzig wirtschaftlich stark verbunden, da es das gegebene Hinterland von Danzig gewesen ist. Diese starke Verknüpfung der Wirtschaftsinteressen hat sich vor allem in den Jahren verdichtet, in denen Danzig nach dem Diktat von Versailles vom Reich abgesplittert war. Gewiss hat die polnische Republik alles getan, um das deutsche Danzig auf die Knie zu zwingen, wobei sie vor allen Dingen durch den Bau des Konkurrenzhafens Gdingen die Danziger Schiffahrt erdrosseln wollte; trotzdem hat aber Danzig zur Sicherung seines Lebensbedarfes mit dem polnischen Hinterland starke Verbindungen angebahnt, auch wenn diese naturgemäss vielfach in getarnten Formen abgewickelt werden mussten. Die weitgehende Beherrschung der polnischen Sprache in Danziger Wirtschaftskreisen und die genaue Kenntnis der wirtschaftlichen Lebensbedingungen des polnischen Staates befähigten die in jahrhundertelanger Schulung erzogenen Danziger Wirtschaftskreise, die wirtschaftlichen Verhältnisse in Polen stets klar zu überblicken, sich einzuschalten und so die eigene Existenz aufrecht zu erhalten.

Als Danzig in das Reich zurückkehrte und der Gau Danzig-Westpreussen gebildet wurde, war deshalb nichts natürlicher, als dass mit dem gleichzeitig erstehenden Generalgouvernement nahe Beziehungen aufgenommen wurden, um die alten Wirtschaftsverbindungen weiter auszubauen. Führende Männer der Danziger Wirtschaft, an der Spitze der Reichsstatthalter und der Präsident der Danziger Industrie- und Handelskammer sind es gewesen, die als erste mit Warschau in Verbindung traten. Dort wurden diese ersten Versuche eines wirtschaftlichen Zusammengehens freudig aufgenommen. Den mehrfachen Besuchen Danziger Wirtschaftsführer in Warschau und Krakau schlossen sich Gegenbesuche in Danzig an, an denen sich auch der Gouverneur des Distrikts Warschau und der Präsident der Hauptabteilung Wirtschaft in der Regierung des Generalgouvernements beteiligten. Warschau hat seit Bestehen des Generalgouvernements in ganz besonderer Weise Wert darauf gelegt, mit Danzig in engster Fühlungnahme zu bleiben.

Als erste Frucht dieser Beziehungen war es möglich, den Einsatz deutscher Handelsfirmen im Distrikt Warschau unter maßgebender Beteiligung der Industrie- und Handelskammer Danzig-Westpreussen einzuleiten und durchzuführen. Rund 24 deutsche Firmen, die mit zwei Ausnahmen sämtlich aus Danzig-Westpreussen [161] stammten, sind im Distrikt Warschau zum Einsatz gekommen. Es kann festgestellt werden, daß sie sich ausnahmslos bewährt haben. Jeder Kreishauptmannschaft wurde eine führende deutsche Firma zugeteilt, die in stärkstem Masse zur Belebung des Wirtschaftslebens beigetragen und den polnischen Geschäftsleuten als Vorbild deutscher Geschäftsführung gedient hat. Insbesondere haben sich diese Firmen in einer überaus anerkennenswerten Weise den wichtigen Fragen der Ernteerfassung gewidmet, wobei sie in der Hauptsache Träger der Austauschaktion gewesen sind.

Im Lauf der Zeit haben sich die Beziehungen zu Danzig-Westpreussen weiter verdichtet, indem zwei grosse Danziger Textilfirmen die unter treuhänderischer Verwaltung stehenden Betriebe "Wola" und "Broun und Rowinski" gepachtet haben. Ein inzwischen auf dem Felde der Ehre gefallener Kaufmann Dietrich Dirksen aus Danzig hat als erster ein deutsches Handelshaus in Warschau errichtet.

Die gesamte Zusammenarbeit mit Danzig-Westpreussen hat sich deshalb so erfolgreich gestaltet, weil die Industrie- und Handelskammer Danzig und die leitenden Männer des Gaues Danzig-Westpreussen hinter den im Generalgouvernement eingesetzten Firmen stehen und sie in jeder erdenklichen Weise unterstützen und fördern.

Enge Beziehungen unterhält das Generalgouvernement und insbesondere der Distrikt Warschau auch zu dem Nachbargau Ostpreussen. Auch dies ist nur natürlich, da Ostpreussen mit dem Distrikt Warschau durch eine rund 150 km lange gemeinsame Grenze verbunden ist und dadurch weitgehende gemeinsame Interessen mit dem Generalgouvernement hat.

Leider sind die Versuche, neben den Danziger Firmen auch Firmen aus Ostpreussen im Distrikt Warschau einzusetzen, bisher nur auf ein geringes Ausmaß beschränkt geblieben. Trotzdem ist das Generalgouvernement weiter bemüht, in Zukunft die Beziehungen auf diesem Gebiet lebhafter zu gestalten. Deshalb hat sich auch das Generalgouvernement und insbesondere der Distrikt Warschau stets in stärkster Weise an der Königsberger Ostmesse beteiligt.

Eine Verstärkung der Beziehungen des Generalgouvernements zu Ostpreussen ist um so wünschenswerter, als die gemeinsame Grenze mit Ostpreussen inzwischen durch die Schaffung des Gebietes Bialystock weiter verlängert wurde.

Darüber hinaus hat der Distrikt Warschau weitgehende Wirtschaftsbeziehungen mit Berlin und mit den Hansestädten Ham- [162] burg und Bremen aufgenommen. Es mag zunächst erstaunlich erscheinen, daß gerade die Hansestädte mit Warschau in Handelsbeziehungen stehen. Dieser Vorgang ist aber durchaus erklärlich. Hamburg und Bremen waren bis zu Beginn des jetzigen Krieges in der Hauptsache atlantisch orientiert. Ihr Handel ging über die Ozeane bis nach Australien und Japan. Alle diese Handelswege sind zur Zeit verschlossen. Es war daher nur natürlich, daß der hanseatische Kaufmannsgeist nach neuen Absatzgebieten Ausschau hielt. Hierbei war das Generalgouvernement als das erste neu erschlossene Wirtschaftsgebiet des deutschen Ostens von besonderer Bedeutung. Bekannte Hamburger Firmen haben sehr schnell die Beziehungen aufgenommen. Die Firma Illies & Co., die früher vor allen Dingen im Ostasiengeschäft tätig war, hat einen großen Teil ihrer Handelstätigkeit nach dem Generalgouvernement verlagert und außerordentliche Erfolge erzielt.

Es ist anzunehmen, daß Hamburg und Bremen auch nach dem Kriege, selbst wenn der atlantische Verkehr wieder geöffnet ist und gerade dem deutschen Kaufmann die Weltmeere in besonderer Weise offenstehen, die während dieses Krieges angeknüpften Beziehungen mit dem Osten nicht aufgeben wird; denn die gewaltigen neu erschlossenen Gebiete der früheren Sowjetunion, die nunmehr dem großdeutschen Machtbereich angehören, bieten große Zukunftsmöglichkeiten.

Warschau wird als Brücke zu diesem nunmehr näher gerückten Osten stets eine besondere Bedeutung haben. Es ist deshalb verständlich, daß bereits während des jetzigen Krieges bedeutende Großfirmen des Reiches bemüht sind, in Warschau festen Fuß zu fassen, um von dieser Brückenposition aus die wirtschaftlichen Quellen des Ostens den deutschen Interessen später in verstärktem Umfange dienstbar machen zu können.


1Nähere Angaben hierüber vgl. Grundmann a.a.O. S. 33. ...zurück...

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