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Die echten deutschen Minderheitsgebiete (Teil
11)
Das Deutschtum in Südslawien
Der offizielle Name des für gewöhnlich Südslawien oder
Jugoslawien genannten Staates ist "Königreich der Serben, Kroaten und
Slowenen" - was öfters, gemäß der serbischen
Schreibweise der drei Namen, abgekürzt wird in S.H.S. Nach offizieller
Zählung sollen hier unter rund 11,7 Millionen Einwohnern etwas
über eine halbe Million Deutsche leben. Diese Angabe aber ist sicher zu
gering, und zwar mindestens um 100 000.
[300b]
Deutsches Bauernhaus bei Gottschee.
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Das südslawische Deutschtum scheidet sich in drei, nach ihren
geographischen Wohnsitzen, ihrer Herkunft und ihrer Zahl sehr ungleiche
Gruppen: eine auf altösterreichischem, eine auf früher ungarischem
und eine auf bosnischem Boden. Die österreichische umfaßt die beim
Friedensschluß von Österreich abgetrennten Städte und
Gemeinden von Südsteiermark und Südkärnten, sowie die
mitten im slowenischen Krain gelegene deutsche Sprachinsel Gottschee; die
ungarische das donau-schwäbische Siedlungsgebiet in der Batschka, im
westlichen Teil des Banats und im südlichen Teil der Baranya, dazu eine
Anzahl von Ortschaften im früheren Kroatien und Slawonien; die bosnische
endlich ist erst nach der Besetzung des Landes durch
Österreich-Ungarn entstanden, und wenn auch wertvoll, so doch wenig
[308a]
Dorf Unter-Deutschau bei Gottschee.
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zahlreich. Die Batschka und die jugoslawischen Anteile am Banat und an der
Baranya werden jetzt von den Serben unter der gemeinsamen Bezeichnung der
"Vojvodina" zusammengefaßt. Nach serbischer Zählung sollen hier
330 000, nach deutscher Schätzung, die jedenfalls als richtiger
anzunehmen ist, 400 000 Deutsche wohnen. Im eigentlichen Kroatien ist
die Zahl der Deutschen gering. In dem früheren Slawonien, jetzt meist
Syrmien genannten Gebiete, das zwischen der Save im Süden, der Drau und
Donau im Norden liegt, mit der Spitze bei Belgrad, ist sie dagegen
größer und beträgt nach deutscher Angabe über
130 000, nach serbischer über 122 000 Seelen. Am
verschiedensten sind die Angaben für Slowenien, d. h.
Südsteiermark und Krain. Hier ergab die Zählung zur
österreichischen Zeit 110 000, unter jugoslawischem Regiment kaum
noch 40 000 Deutsche. Bis zu einem gewissen Grade mag dies Ergebnis
durch den Übergang "doppelsprachiger" Elemente vom Deutschtum zum
Slowenentum zu erklären sein, nachdem die Herrschaft gewechselt hatte.
Noch stärker aber hat vermutlich die gewaltsame Beeinflussung der
Angaben durch die slowenischen Zähler gewirkt. In Bosnien beträgt
die Zahl der Deutschen, davon der größere Teil in den
Bauernkolonien, 16 000 Seelen.
[316a]
Deutsche Pfarrer im Gottscheer Land.
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[331] Der heutige
jugoslawische Staat ist entstanden auf Grund der großserbischen Idee und
der großserbischen Propaganda. Er umfaßt, außer ca. 20%
Minderheitsangehörigen (Deutsche, Madjaren, Albanesen, mazedonische
Bulgaren, Türken, Walachen, Italiener) zwei oder besser gesagt drei
naheverwandte slawische Völker: 7 Millionen Serben, 2 Millionen Kroaten
und 1,3 Millionen Slowenen.
Die Slowenen haben Jahrhunderte lang zur Habsburgischen
Völker- und Ländermasse gehört. Bis zum
16. Jahrhundert gab es weder eine slowenische Kultur noch ein
slowenisches Schrifttum. Durch die Reformation wurden zuerst die Bibel und
andere religiöse Schriften in die "windische" Sprache übersetzt, aber
eine slowenischsprechende Oberschicht existierte nicht bis zum Anfang des
19. Jahrhunderts. Die ersten slowenischen Dichter und Gelehrten
fußten noch ganz und gar auf der deutschen wissenschaftlichen Kultur.
Slowenisch-nationale Bestrebungen setzten deutlich erst seit 1848 ein. Damit kam
die bis zur Mitte des Jahrhunderts im Fortschritt begriffene Germanisierung zum
Stehen, und der nationale und Sprachenkampf begann allmählich. Je
länger, desto mehr kam das Slowenentum ins Vordringen, namentlich
durch Kinderreichtum und Landkauf und die Hilfe der nationalen Geistlichkeit.
Die Serben standen bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts teils unter
türkischer, teils unter habsburgischer Herrschaft. Dadurch haben sich so
große Verschiedenheiten zwischen ihnen herausgebildet, daß Serben
und Kroaten heute als zwei selbständige Nationen betrachtet werden
müssen, die einen mit mehr westlicher, die andern mit östlicher
Kultur (was sich auch in der verschiedenen Schrift ausdrückt) und einem
gesonderten, ja gegensätzlichen geschichtlich-nationalen Bewußtsein.
Die Mehrzahl der Serben ist griechisch-orthodox; in Bosnien lebt eine halbe
Million serbischer Mohammedaner; die Kroaten und Dalmatiner sind
katholisch.
Nachdem ein Teil des serbischen Volkes anfangs mit eigener Kraft, später
mit russischer Hilfe, sich von der Türkenherrschaft befreit hatte, wurde das
neue serbische Königreich bald eine wichtige Figur im politischen Spiel der
Großmächte. Vor allen Dingen bemächtigte sich
Rußland des Protektorats über die von der großserbischen
Partei genährten Bestrebungen auf Vereinigung aller Serben in einem
großserbischen Staate. Für dieses Ziel waren zwei Lösungen
denkbar: Aufnahme des gesamten Serbentums in die
österreichisch-ungarische Monarchie in einem staatlichen Verhältnis,
etwa ähnlich demjenigen Ungarns zu Österreich
(Trialismus) - oder Zertrümmerung
Österreich-Ungarns und Vereinigung seiner von Serben bewohnten Gebiete
mit dem Königreich. Der Erzherzog-Thronfolger Franz Ferdinand dachte an
die erstere Lösung und wurde gerade um deswillen von
großserbischen Fanatikern ermordet. Jene Bombenwürfe
eröffneten den Weltkrieg, an dessen Ende aus den Trümmern
Österreich-Ungarns außer dem tschechoslowakischen und
großrumänischen auch der großserbische Staat mit seiner
deutschen Minderheit entstand.
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Geschichtlich gehört von den drei Bestandteilen des Deutschtums in
Jugoslawien das slowenische (d. h. untersteirische) Deutschtum
überwiegend zur deutsch-mittel- [332] alterlichen
Kolonisation in den Ostalpenländern. Zum mindesten gilt das für die
bäuerliche und für die alte städtische Bevölkerung. Ein
Teil der Städter bestand aus der zugezogenen österreichischen
Beamtenschaft; außerdem fand ein stetiger Austausch von Einwohnern
zwischen den verschiedenen österreichischen Kronländern statt. Die
meisten Deutschen in Slowenien lebten und leben in teils größeren,
teils kleineren städtischen oder ländlichen Sprachinseln, der
Hauptteil zwischen der heutigen jugoslawischen-österreichischen
Staatsgrenze und Marburg a. d. Drau, das allein mit den Vororten
[308a]
Pettau, Stadtturm und Theater.
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30 000 Deutsche zählte; dann geschlossen südlich von
Radkersburg im reindeutschen
Abstaler-Becken über 4000 Bauern, weiter im
Gottscheer-Ländchen gegen 20 000 deutsche Bauern und
Städter, während sich der Rest auf die deutschen Vorposten,
insbesondere auf Laibach und die untersteirischen Städte und
Märkte Cilli, Pettau, Mahrenberg, Gonobitz, Rann, Saldenhofen,
Schönstein, Weitenstein, Hochenegg, Tüffer, Fichtenwald,
Windisch-Gratz, Windisch-Feistritz, Rohitsch, Luttenberg und
Friedau verteilte. Aus den deutschen Gebieten Sloweniens sind nicht
wenige Männer hervorgegangen, die in der Welt einen Namen gewonnen
haben. Zu ihnen gehörte der österreichische Admiral Tegethoff, der
die Italiener in der Seeschlacht bei der Insel Lissa besiegte, der Graf Anton
Auersperg, mit seinem Dichternamen Anastasius Grün, der Tondichter Hugo Wolf, der
Erfinder der Schiffsschraube Josef Ressel, und andere.
In der Vojvodina und in Syrmien ist die Herkunft und die Geschichte des
Deutschtums dieselbe, wie in den übrigen früher ungarischen
Gebieten, in denen die Siedlung nach der Vertreibung der Türken im Laufe
des 18. Jahrhunderts stattfand. Die hauptsächlichsten Orte dieser
Landschaft sind, nach der Aufzählung bei Gesemann (Das Deutschtum
in Südslawien, Verlag Pfeiffer & Co., München,
1922) folgende: Neusatz a. d. Donau (Novi Sad), der Vorort der
Vojvodina, ferner Sombor, Vrbas, Betschkerek, Werschetz,
(Ungarisch-)Weißkirchen, Mramorak, Pantschova, Semlin, Pazova, Ruma,
Indjija, Vukovar, Vinkovci und andere. Die serbische Bevölkerung,
mit der untermischt diese deutschen Ortschaften liegen, ist großenteils auch
erst im 18. Jahrhundert dorthin gekommen, als die wiederhergestellte
kaiserliche Gewalt in Ungarn einen Schutz für Flüchtlinge bot, die
vor den türkischen Bedrückungen die Heimat südlich der
Donau verließen. In Kroatien hatte es in den Städten wie Agram,
Esseg, Peterwardein, Semlin Deutsche schon seit alters gegeben. Nun aber griff
die deutsche Ansiedlung vom Banat und von der Batschka aus seit der zweiten
Hälfte des 18. Jahrhunderts auch auf Syrmien über.
[316b]
Deutsche Wandervögel bei den Trappisten
in Josephsburg bei Windthorst, Bosnien.
[316b]
Nähstube des Klosters Maria-Stern, Bosnien.
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In Bosnien waren einzelne deutsche Niederlassungen schon vor der
österreichischen Okkupation vorhanden. 1869 gründeten rheinische
Trappistenmönche im Vrbastal eine Niederlassung, aus der in der Folge das
bedeutende Kloster Mariastern entstand. 1879 und 1880, unmittelbar nach der
Okkupation, kam eine Anzahl Familien aus Deutschland, aus der Gegend von
Essen und Köln; darnach fingen auch süd- [333] ungarische Schwaben
an, sich Einzufinden. Von 1891 - 1905 erfolgte eine ziemlich
bedeutende staatliche Kolonisation, die besonders durch den Finanzminister
v. Kallay gefördert wurde, dem damals die Verwaltung von Bosnien
unterstand. Im Vergleiche zu dem, was er plante, waren die verwirklichten
Siedlungen allerdings nicht viel. Im ganzen wurden 54 staatliche Kolonien
gegründet, davon 12 mit deutschen, die übrigen mit polnischen,
ukrainischen, tschechischen und sonstigen Ansiedlern. Die Zahl der deutschen
Einwanderer betrug ursprünglich nur 1800. Sie hat sich also,
hauptsächlich durch den natürlichen Zuwachs, bedeutend vermehrt.
Die späteren privaten Gründungen, die durch deutsche Banater,
Bukowiner, vereinzelt auch durch Deutsche aus Galizien und
Südrußland zustande kamen, waren unbedeutend. Über die
deutschen Siedlungen in Bosnien unterrichtet am besten das 13. Heft der
Schriften des deutschen Auslandsinstituts in Stuttgart, das von Dr. Hans
Maier verfaßt ist. Der Hauptteil der Kolonien liegt im südwestlichen
Bosnien im Tal des Vrbasflusses, und in seiner Nachbarschaft in der Nähe
der Save. Hans Maier zählt die deutschen Siedler in Bosnien zu den "an
Tüchtigkeit, Lebenswillen und sittlichen Eigenschaften besten Teilen" des
deutschen Volkes. Für weitere deutsche Zuwanderung aber ist das Land
verschlossen, da die serbische Regierung keine Deutschen mehr
hineinläßt.
Wir geben nun im folgenden zunächst einen allgemeinen Überblick
über die Lage des Deutschtums in Jugoslawien seit der Besetzung der
früher österreichisch-ungarischen Gebiete des
S.H.S.-Staates durch die Serben, um danach einige Einzelfragen zu behandeln und
eine Reihe unmittelbarer Zeugnisse zu bringen.
Mit dem staatlichen Umsturz setzte von jugoslawischer Seite zuerst eine
grundsätzlich verschiedene Behandlung der beiden Gruppen der deutschen
Bevölkerung in Slowenien und in der Vojvodina ein. Die Deutschen in
Slowenien waren von allem Anfang an den härtesten Bedrückungen
ausgesetzt. Sie wurden nicht nur kulturell eingeengt, sondern man versuchte auch,
sie wirtschaftlich zu entwurzeln und durch die härtesten
[300b]
Das "Deutsche Haus" in Cilli.
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Polizeimaßnahmen zur Abwanderung zu bewegen. Das ehemals
blühende deutsche Schulwesen in diesem Gebiet wurde gänzlich
zerstört. Seit vielen Jahrzehnten bestehende deutsche Vereine
(Theaterverein in Marburg, Deutsches Haus in Cilli, Musikverein in
Laibach usw.) wurden aufgelöst, und ihr nach Millionen
zählendes Vermögen unter nichtigen Vorwänden
slowenischen Zwecken zugeführt. Alle gegen diese
Gewaltmaßnahmen ergriffenen Beschwerden hatten nicht den geringsten
Erfolg, und heute ist das Deutschtum in diesem Gebiet bereits vollständig
mundtot gemacht. Sogar die ausschließlich von deutschen Bürgern
gebildeten Feuerwehrvereine müssen sich der slowenischen Sprache
bedienen, und die letzte deutsche Schulklasse hat schon vor zwei Jahren zu
bestehen aufgehört.
[308b]
Studentenverbindung "Banatia" in Werschetz.
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Gegenüber dem Deutschtum in der Vojvodina schlug man anfangs eine
andere Taktik ein. Man stellte deutsche Schulen nicht nur in Aussicht, sondern
errichtete tatsächlich in einzelnen Gemeinden die ersten deutschen
Schulklassen, soweit geeignete [334] Lehrkräfte dazu
gefunden werden konnten. Auch in der Verwaltung schien man den Deutschen
entgegenkommen zu wollen, wurde doch der bekannte Führer der
Deutschen im Banat, Ingenieur Reinhold Heegn, zum Obergespan der von den
südslawischen Truppen besetzten Stadt Temesvar ernannt und die
Errichtung nicht nur deutscher Mittelschulen, sondern auch einer deutschen
Hochschule in Temesvar in Aussicht gestellt, falls es gelingen sollte, diese Stadt
mit Unterstützung der Deutschen für den südslawischen Staat
dauernd zu gewinnen. Es war also die Absicht, mit Hilfe der deutschen
Bevölkerung die damals noch nicht feststehenden Grenzen
gegenüber Ungarn möglichst auszudehnen. Kaum war jedoch die
Entscheidung gefallen, die Städte Temesvar, Fünfkirchen und Baja
endgültig verloren, so ließ man auch hier die Maske fallen und setzte
mit denselben, ja mit zum Teil noch viel härteren
Bedrückungsmaßnahmen ein als die, unter denen das Deutschtum in
Slowenien so schwer zu leiden hat.
Den Vorwand für dieses Vorgehen bietet die Behauptung, daß die
Deutschen jener Gegend keine bodenständige Bevölkerung, sondern
Kolonisten seien, die den weit älteren slawischen Siedlern seit mehr denn
zweihundert Jahren die Bewegungs- und Entwicklungsfreiheit verkümmert
hätten. Als "Hergelaufene" werden die Deutschen geschmäht, und
selbst verantwortliche Regierungskreise nehmen keinen Anstand, sich dieses
fragwürdigen Arguments zu bedienen, um die deutsche Bevölkerung
immer mehr an die Wand zu drücken. So hat Minister Simonowitsch
ausdrücklich erklärt, daß von der durch die Verfassung
gewährleisteten Gleichberechtigung der Deutschen erst dann die Rede sein
könne, wenn die slawische Urbevölkerung den weiten
wirtschaftlichen Vorsprung der Deutschen eingeholt haben würde. Mit
besonderer Vorliebe wird geltend gemacht, daß die Serben die von ihnen
bewohnten Gebiete mit der Waffe in der Hand gegen die Türken verteidigt
hätten, während die Deutschen als träge Nutznießer ins
Land gekommen seien. Diesen Vorhaltungen suchen die deutschen Führer
durch den Hinweis auf die historische Tatsache zu begegnen, daß die
Befreiung vom Türkenjoche in der Hauptsache durch deutsche Truppen und
deutsche Heerführer bewirkt worden ist, daß selbst der slawische
Patriarch Tschernojewitsch von Ipek unter dem Schutze deutscher Reichstruppen
über die Save und Donau in Sicherheit gebracht wurde, wo sich dann unter
dem Schutze einer vornehmlich deutschen Verwaltung das Serbentum in jeder
Hinsicht entwickeln konnte. Auch die wirtschaftlichen Leistungen der Deutschen,
die in mehr als einer Hinsicht die Vorbilder der Slawen waren, werden
deutscherseits geltend gemacht, um die öffentliche Meinung zu einer
gerechteren Auffassung der Lage zu bekehren, bisher allerdings mit einem sehr
geringen Erfolge.
Was zunächst das Schulwesen betrifft, so begann die Drosselung der
deutschen Bildungs- und Erziehungsanstalten in Slowenien durch eine
Verordnung des gewesenen Unterrichtsministers Pribitschewitsch, welcher die
Schulbehörden anwies, die Volkszugehörigkeit der Schulkinder
durchaus einseitig, ohne Befragen, ja selbst [335] gegen den direkten
Einspruch der Erziehungsberechtigten zu bestimmen. Zur Begründung
dieser Vergewaltigung des nationalen Selbstbestimmungsrechts der Eltern wird
angeführt, daß ein slawischer Staat nicht dulden könne,
daß "gewaltsam" (!) eingedeutschte slawische Familien auch
weiterhin das Deutschtum stärken sollen. Wenn also die
Schulbehörde einen nicht ganz einwandfreien deutschen Namen feststellen
zu können glaubt, so wird der Träger dieses Namens unbarmherzig
zum Besuch der slawischen Schule gezwungen, ja so weit geht die Willkür
der Slawen, daß ein Hoffmann oder Schulze seine Kinder in slawische
Schulen schicken muß, wenn die Schulbehörde irgendeine Ahne mit
slawisch klingendem Familiennamen aufgestöbert hat. Da es auf diese
Weise die Schulbehörde in der Hand hat, die zur Aufstellung einer
deutschen Schulklasse vorgeschriebene Mindestzahl von dreißig
Schülern jederzeit herabzudrücken, so war damit das Schicksal der
meisten deutschen Schulen besiegelt. Dieselbe Praxis wurde sehr bald auch auf
die Vojvodina übertragen und hat dazu geführt, daß auch in
diesem Gebiet in rein deutschen Gemeinden slawische Schulklassen erzwungen
wurden mit Lehrkräften, die die deutsche Sprache nicht nur nicht
beherrschen, sondern innerlich ablehnen. Da es ein deutsches Lehrerseminar nicht
gibt, die Heranziehung deutscher Lehrkräfte aus dem Auslands aber nicht
geduldet wird, so sind auch die letzten kümmerlichen Reste deutscher
Schulen in Südslawien zum Absterben verurteilt. Der Hauptschlag gegen
das deutsche Schulwesen aber war die in den Jahren 1922 und 1923
durchgeführte Verstaatlichung, die darin bestand, daß die zahlreichen
Privat- und Gemeindeschulen, ohne irgend jemand zu fragen, in die Verwaltung
des Staates übernommen wurden.
Nicht nur der Schulbetrieb wurde verstaatlicht, sondern das gesamte
Schulvermögen (Gebäude, Liegenschaften,
Schuleinrichtung usw.) ohne Entschädigung eingezogen, so
daß diese beispiellos dastehende sogenannte Verstaatlichung nicht nur die
gewaltsame Unterdrückung des deutschen Schulunterrichts, sondern
gleichzeitig auch die Verletzung von Privateigentum bedeutet. Dieser
gewalttätigen Schulpolitik gegenüber versuchte die deutsche
Bevölkerung zu kultureller Selbsthilfe zu greifen, indem sie im Juni 1920
den Schwäbisch-Deutschen Kulturbund gründete, der die Pflege der
deutschen Kultur unter den bodenständigen Volksgenossen sich zur
Aufgabe gesetzt hatte. Es war der erste Versuch, die Deutschen jener Gebiete zu
geschlossener öffentlicher Arbeit aufzurufen, und der Versuch war
glänzend gelungen. Unter der harten Not der Zeit schloß sich die
ganze Bevölkerung dem Kulturbunde an. Über 120 Ortsgruppen
entstanden in Stadt und Land, und eine rege Tätigkeit ließ hoffen,
daß die kulturelle Selbsthilfe wenigstens einiges von dem vermitteln werde,
was der Staat seinen Bürgern deutscher Zunge vorenthielt. Allein auch
diese Erwartung sollte bald zuschanden werden. Die vom Kulturbund geplanten
Analphabeten- und Fortbildungskurse für schulentwachsene Personen
wurden ohne Angabe von Gründen rundweg verboten, die Aufstellung von
deutschen Kindergärten an unerfüllbare Forderungen geknüpft,
die Absingung selbst harmloser deutscher Lieder und die Auf- [336] führung
durchaus unbedenklicher Schauspiele, wie Meyer-Försters
"Alt-Heidelberg", als staatsgefährlich untersagt, und als alle diese
Maßnahmen die Bevölkerung nicht einzuschüchtern
vermochten, schritt man zur Auflösung des Kulturbundes unter dem
Vorwand, daß die Leiter des Bundes sich politisch betätigt haben,
ohne daß für diese Behauptung auch nur eine einzige Tatsache
angeführt werden konnte. Heute sind die Dinge so weit gediehen, daß
nicht nur keine einzige deutsche Schulklasse, sondern nicht einmal ein deutscher
Kindergarten besteht und die Möglichkeit kultureller Selbsthilfe, obwohl
diese in den Friedensverträgen und dem Minderheitenschutzvertrag
ausdrücklich eingeräumt wird, durch willkürliche und
gewalttätige Verordnungen unmöglich gemacht wird.
Parallel mit dieser kulturellen Bedrückung gehen Maßnahmen auf
allen anderen Gebieten der öffentlichen Verwaltung. Die Deutschen in der
Vojvodina siedeln zum großen Teile in geschlossenen rein deutschen
Landgemeinden, und um auch in der Verwaltung dieser Gemeinden jeden
Einfluß der bodenständigen deutschen Bevölkerung
auszuschalten, werden seit dem staatlichen Umsturz im November 1918 alle
Gemeinden in Stadt und Land durch Regierungskommissare verwaltet, ohne
daß der Bevölkerung selbst auch nur der bescheidenste Einfluß
auf die Führung der Gemeindegeschäfte eingeräumt
würde. Von ministerieller Seite ist es offen ausgesprochen worden,
daß von Gemeindewahlen und daher auch von der Selbstverwaltung der
Gemeinden keine Rede sein könne, solange die Gefahr bestünde,
daß auch nur eine Landgemeinde eine deutsche Gemeindevertretung
wählen könnte. Diese nun schon acht Jahre andauernde
kommissarische Gemeindewirtschaft verfolgt offensichtlich den Zweck, nicht nur
die einzelnen Bürger zu zermürben und den Wünschen von
Belgrad gefügig zu machen, sondern auch die Gemeinden selbst in immer
weitere Abhängigkeit von der Zentralstelle zu bringen. Zu diesem Behufe
dient namentlich die Finanzwirtschaft der Gemeinden. Durch ihre
verhältnismäßige Wohlhabenheit hatten sich namentlich die
deutschen Gemeinden eine gewisse Unabhängigkeit und
größere Bewegungsfreiheit zu wahren gewußt. Alle diese
Gemeinden waren musterhaft verwaltet, und die meisten von ihnen besaßen
ausgedehnte Liegenschaften und Unternehmungen, deren Erträgnisse nicht
nur zur Befriedigung der laufenden Gemeindebedürfnisse ausreichten,
sondern auch zur Durchführung der erforderlichen Investitionen
herangezogen werden konnten. Solcher Art war es möglich, eine in
mancher Hinsicht geradezu vorbildliche Gemeindewirtschaft zu erhalten, ohne die
Gemeindeangehörigen irgendwie erheblich zu belasten. Heute haben es die
Regierungskommissare dahin gebracht, daß Gemeinden (Bezdan, Franzfeld,
Rudolfsgnad, Werbas und andere), die früher keinerlei Gemeindeumlagen
kannten, 1000 bis 1500 v. H. der direkten Staatssteuern an
Gemeindeumlagen einheben müssen, um nur die notdürftigsten
Bedürfnisse bestreiten zu können. Man kann sich des Eindrucks
nicht erwehren, daß diese fortschreitende Verschuldung und Verarmung
vornehmlich der deutschen Gemeinden gewollt ist, um die deutsche
Be- [337] völkerung
entweder den Wünschen der Regierungsgewaltigen gefügig zu
machen oder wirtschaftlich zu entwurzeln und zur Abwanderung zu bewegen,
zumal da auch eine Reihe anderer Maßnahmen sich auf der gleichen Linie
bewegen.
So werden die für das Tiefland zwischen Donau und Theiß
lebenswichtigen Wassergenossenschaften gleichfalls zum Schaden der
Genossenschafter seit November 1918 kommissarisch verwaltet, ohne daß
den deutschen Bauern, deren Interessen doch auf dem Spiele stehen, irgendeine
Mitwirkung ermöglicht wäre. Die Genossenschaftsbeiträge
werden durch den Regierungskommissar willkürlich festgesetzt, ohne
daß über die Verwendung der zum Teil sehr bedeutenden
Beträge irgendwie öffentlich Rechnung abgelegt würde. Dabei
verfallen die Bewässerungs- und Entwässerungsanlagen immer mehr,
und alle Versuche der Gemeinden und der Genossenschafter, in ihre
genossenschaftlichen Rechte wieder eingesetzt zu werden, sind bisher ohne Erfolg
geblieben. In vielen Gemeinden, wie in Apatin a. d. Donau, haben die
Genossenschaftsbeiträge eine Höhe erreicht, welche die
Ernteerträgnisse weit übersteigen, so daß einzelne
Grundeigentümer den Grund und Boden aufgeben wollen, nur um weiterhin
keine Beiträge zu den Wassergenossenschaften zahlen zu müssen.
Von seiten der Regierung werden diese hohen Beiträge damit
begründet, daß unter den zur Zeit herrschenden schwierigen
Verhältnissen langfristige Amortisationsanleihen zur Durchführung
der nötigen Arbeiten nicht erwirkt werden können, daher die
Genossenschaften, wenn auch nur vorübergehend, zu sehr erheblichen
Beitragsleistungen herangezogen werden müssen. Da jedoch den
Genossenschaftern ein Einblick in die Geschäfte nicht gewährt ist, so
ist das Vertrauen vollständig geschwunden und vielfach schon die Meinung
verbreitet, daß die Regierungskommissare der Wassergenossenschaften in
erster Reihe die Aufgabe haben, die deutsche Landwirtschaft zu vernichten.
[316a]
Im Banater Weinberg.
[308b]
Deutsche Weinbauern bei Werschetz.
[400a]
Banater Pferdeausstellung und -prämiierung.
|
Im Zusammenhang mit diesen Verhältnissen steht die sogenannte
Bodenreform, die, einer gesetzlichen Regelung noch entbehrend, lediglich auf
Verordnungen der Regierung aufgebaut ist und eingestandenermaßen den
Zweck verfolgt, die deutsche landwirtschaftliche Bevölkerung zu
verdrängen. Tausende von deutschen Familien, die seit Geschlechtern als
Tagelöhner oder Pächter auf den zahlreichen
Großgrundbesitzen saßen, wurden verdrängt, um slawischen
Siedlern Platz zu machen, die zum Teil aus entlegensten Gebieten des Staates
herangezogen wurden. Vergebens war die Vorstellung, daß, wenn der
Großgrundbesitz zur Aufteilung gelangen soll, in erster Reihe doch
diejenigen Berücksichtigung verdienen, die seit 100 bis 150 Jahren
den Grund und Boden bearbeiten und durch ihren Fleiß und Schweiß
zu dem gemacht haben, was er heute ist.
Um der deutschen Bevölkerung auf dem Gebiete der Wirtschaft den
nötigen Rückhalt zu bieten, wurde vor 3½ Jahren, dank
der Initiative des Abgeordneten Dr. Stephan Kraft, die landwirtschaftliche
Zentralgenossenschaft "Agraria" mit dem Sitz in Neusatz gegründet, der
erste Versuch einer Zusammenfassung der
wirtschaft- [338] lichen Kräfte auf
genossenschaftlicher Grundlage. Die "Agraria" ist eine Genossenschaft mit
beschränkter Haftung (mit 25facher Haftung der gezeichneten
Genossenschafts-Anteile) und bildet heute nach Überwindung der
Anfangsschwierigkeiten das Rückgrat der wirtschaftlichen Organisation des
Deutschtums. Die Zahl der Ortsgenossenschaften ist in stetem Wachsen begriffen,
und erfreulicherweise zeigt sich nicht nur in der Vojvodina lebhaftes Interesse
für diese wirtschaftliche Organisation, sondern auch in Slawonien und
Kroatien, bis vor die Tore von Agram, haben sich die zerstreuten deutschen
Siedlungen zum Anschluß gemeldet in der instinktiven Erkenntnis,
daß nur ein fester Zusammenschluß aller Volksgenossen unter den
von Grund aus geänderten Verhältnissen den wirtschaftlichen
Bestand der deutschen Siedlungen zu sichern vermag. Was der Kulturbund
begonnen, setzt die "Agraria" auf einem anderen Lebensgebiet mit Erfolg fort,
und beide Organisationen werden wohl in nächster Zeit berufen sein, das
Deutschtum zusammenzuschweißen, allen politischen Bedrückungen
zum Trotz.
Noch im Mai 1919 hatte sich die deutsche Bewegung in Südslawien auch
eine eigene Tageszeitung geschaffen, das in Neusatz erscheinende Deutsche
Volksblatt, welches trotz anfänglicher Schwierigkeiten und
späterer politischer Anfeindungen seine führende Stellung behauptet
hat. Das Deutsche Volksblatt ist mittlerweile zum Zentralorgan der
politischen, sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Bestrebungen der
Deutschen in Südslawien herangewachsen und in allen von Deutschen
bewohnten Gemeinden des Staatsgebietes verbreitet. Vor etwa
1½ Jahren wurde dem Deutschen Volksblatt noch eine,
vornehmlich landwirtschaftlichen Interessen dienende Wochenschrift unter dem
Titel Die Heimat angegliedert, während eine eigene Buchhandlung
sehr erfolgreich für den Vertrieb deutscher Bücher sorgt.
Bedauerlicherweise hat der Umsatz deutscher Bücher in den letzten
1½ Jahren infolge valutarischer Schwierigkeiten bedeutend
abgenommen.
[288d]
Schwäbisches Kirchweihpaar im Banat.
|
Auch die Entwicklung des kirchlichen Lebens ist den Deutschen in
Südslawien nicht günstig. Von der Gesamtzahl der Deutschen
gehören etwa sechs Siebentel der
römisch-katholischen Kirche an, während der Rest evangelisch ist.
Die evangelische Kirche hat nun eben vor wenigen Wochen eine
Landesorganisation geschaffen, in welcher die Deutschen zwar das
zahlenmäßige Übergewicht besitzen, ohne jedoch den Mut
gefunden zu haben, etwa nach dem Vorbild der Siebenbürger Sachsen, eine
eigene deutsch-evangelische Landeskirche zu bilden.Die katholische Kirche in
den jetzt südslawischen Gebieten war vor dem Kriege nicht etwa national
farblos, sondern in Ungarn ausgesprochen madjarisch, in Slawonien ebenso
ausgesprochen kroatisch eingestellt. Mit dem Umsturz nun sind die ungarischen
Bischofsitze Temesvar und Kalocsa außerhalb der staatlichen Grenzen
verblieben, wenngleich das weitaus größte Gebiet dieser beiden
Bistümer an den Südslawenstaat gefallen ist. In der ersten Zeit
wurden die kirchlichen Angelegenheiten noch von den Bischöfen selbst
verwaltet, vor etwa zwei Jahren aber in Mariatheresiopel und in
Groß-Betschkerek besondere bischöfliche Ad- [339] ministratoren bestellt,
welche bis zu einer endgültigen Regelung der kirchlichen Judikatur die
kirchlichen Angelegenheiten leiten. Diese Administratoren nun sind unter dem
Einfluß der Belgrader Regierung vollständig slawisch eingestellt,
zeigen nicht die geringste Neigung, den muttersprachlichen Bedürfnissen
der deutschen Katholiken entgegenzukommen, und so besteht die Gefahr,
daß in der Vojvodina auch die Kirchenverwaltung slawisierenden
Tendenzen entgegenkommen wird, ähnlich wie das Bistum Djakovar in
Slawonien schon zu des Bischofs Stroßmayer Zeiten seine Aufgabe auch
darin erblickte, die deutschen Katholiken dem Slawentum zuzuführen. Ein
deutsches Priesterseminar besteht nicht, und die Ausbildung von Kandidaten des
priesterlichen Berufs an deutschen Seminaren oder Universitäten wird nur
sehr ungern und höchst ausnahmsweise gestattet, so daß heute schon
auch deutsche Studierende der katholischen Theologie ihre Ausbildung in
Djakovar suchen müssen.
[300a]
Werschetz, im jugoslawischen Teil des Banats.
[400b]
Bauernhäuser in Alexanderhausen, Banat.
[400b]
Banater Dorfanlage.
[388b]
Banater Bauernpaar.
[400c]
Banater Bauernpaar.
[396b]
Kleinbauernhäuser in einem Banater Schwabendorf.
[396b]
Bauernhof in Lovrin, Banater Heide.
[396a]
Guttenbrunn im Banat.
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In politischer Beziehung entbehrten die Deutschen bis zum Sommer 1923 aller
Rechte. Sie hatten keinerlei Wahlrecht, infolgedessen auch keine Vertretung in
der Nationalversammlung, und sie sind, wie oben erwähnt, auch heute noch
von jeglicher Teilnahme an der Verwaltung ihrer eigenen
Gemeindeangelegenheiten ausgeschlossen. Die Absicht der Regierung ging
offenkundig dahin, die Deutschen aus dem Bilde des öffentlichen Lebens
möglichst zu verdrängen, namentlich auch im Parlamente nicht
aufkommen zu lassen. Allein gerade die steigende Bedrückung auf fast
allen Gebieten des öffentlichen Lebens hatte die Überzeugung
begründet, daß auch kulturelle, soziale und wirtschaftliche
Notwendigkeiten nur durch politische Mittel, nur durch einträchtiges
politisches Handeln verwirklicht werden können, und aus dieser
Überzeugung heraus entstand unmittelbar vor den Wahlen des Jahres 1923,
an denen die Deutschen zum ersten Male teilnehmen durften, die Partei der
Deutschen im Königreiche der Serben, Kroaten und Slowenen, eine auf
völkischer Grundlage aufgebaute politische Organisation, die ihre
Richtlinien und Endziele in dem sogenannten Hatzfelder Programm niederlegte.
Als Leitgedanke gilt den Deutschen die Losung der Staatstreue und Volkstreue.
Die Deutschen in Südslawien stehen politisch und staatsrechtlich durchaus
auf dem Boden der durch die Friedensverträge geschaffenen
öffentlichen rechtlichen Ordnung. Sie bekennen sich also ohne
Rückhalt zum neuen südslawischen Staate, wollen aber auch ihrem
angestammten deutschen Volkstum unter allen Umständen die Treue
halten. Wiederholt haben die berufenen deutschen Vertreter in Wort und in Schrift
zum Ausdruck gebracht, daß sie gewillt sind, an dem Aufbau der neuen
staatlichen, sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Ordnung mitzuarbeiten,
daß diese Mitarbeit aber nur aus dem Grundzug ihres deutschen Wesens
heraus erfolgen könne; nur als bewußte Angehörige der
großen deutschen Sprach- und Kulturgemeinschaft glauben die Deutschen
in Südslawien nicht nur sich selbst behaupten, sondern auch zur Festigung
der inneren Verhältnisse ihres neuen Heimatstaates beitragen zu
können. Leider fehlt für diese Selbstverständlichkeit bei den
herrschenden Parteien zur Zeit noch jeg- [340] liches
Verständnis und auch der Hinweis auf die in den Friedensverträgen
und in dem Minderheitenschutzvertrag verbürgten Minderheitenrechte
haben in der führenden öffentlichen Meinung keinen Widerhall
geweckt. Parlament und Presse verharren fortgesetzt in schweigender Ablehnung,
als wollen sie den Eindruck erwecken, daß es in Südslawien nationale
Minderheiten überhaupt nicht gäbe. Ein einziges Mal hat ein
führender serbischer Politiker, der gewesene Justizminister Dr. Lazar
Markowitsch, zum Minderheitenproblem Stellung genommen, in einer Weise
jedoch, die nicht nur juristisch unhaltbar, sondern auch politisch völlig
unannehmbar ist. Wenn die Friedensverträge von dem Schutze nationaler
Minderheiten sprechen, so seien damit immer nur die einzelnen, einer nationalen
Minderheit angehörenden Staatsbürger gemeint. Nur der einzelne
Mensch könne also für seine Person vom Staate gewisse
Minderheitenrechte, wie namentlich die Anerkennung der Muttersprache, in
Anspruch nehmen, keineswegs aber könne die Minderheit als juristische
Person Trägerin von Minderheitenrechten sein. Eine gewaltsamere
Verdrehung der Verträge über den Minderheitenschutz ist wohl nicht
möglich.
Die ersten Wahlen zur Nationalversammlung, an denen die Deutschen teilnehmen
konnten, fanden im Sommer 1923 statt und ergaben eine überaus
erfreuliche Geschlossenheit der deutschen Wähler, so daß gleich im
ersten Ansturm acht Mandate durch deutsche Politiker gewonnen werden konnten.
An der Spitze der deutschen Fraktion steht Dr. Stephan Kraft, der mit
großer Geschicklichkeit und anerkennenswerter Unerschrockenheit den
politischen Kampf der Deutschen in Südslawien führt. Schon das
bloße Vorhandensein von deutschen Abgeordneten hatte indessen
große Widerstände ausgelöst, und als im Februar vorigen
Jahres Neuwahlen ausgeschrieben wurden, wendete die Regierung alle nur
erdenklichen Mittel der Beeinflussung, der Einschüchterung, ja selbst der
brutalen Gewalt an, um die deutschen Mandatsträger aus dem Parlamente
verschwinden zu lassen. In vielen deutschen Gemeinden wurden die deutschen
Wähler mit Gewalt von den Wahlurnen ferngehalten, in anderen wieder
durch physische Gewalt und körperliche Mißhandlung
eingeschüchtert. Allein, trotz allem vermochten sich die Deutschen zu
behaupten und in der Stärke von fünf Abgeordneten neuerdings in
das Parlament einzuziehen. Positive Erfolge sind nun freilich dieser kleinen
Gruppe von deutschen Abgeordneten nicht beschieden, aber der Schwerpunkt
ihrer Tätigkeit ist anderswo zu suchen: in der Aufklärung und
Beeinflussung der öffentlichen Meinung, damit die psychologischen
Voraussetzungen für eine Anerkennung der Minderheitenrechte geschaffen
werden, sobald die äußeren politischen Verhältnisse ein
Eingehen auf diese Fragen ermöglichen. Einen Wendepunkt auch für
die Deutschen in Südslawien bedeutet der im Oktober vorigen Jahres
vollzogene erste Minderheiten-Kongreß in Genf. Die auf diesem
Kongreß zum Ausdruck gebrachte Interessengemeinschaft aller nationalen
Minderheiten in Europa hat auch den Deutschen in Südslawien einen
starken Rückhalt verliehen, und in der Tat beginnt die öffentliche
Meinung [341] in Südslawien
aus dem Gesichtswinkel des Minderheitenkongresses die weitere Entwicklung der
Minderheitenfrage aufmerksamer als bisher zu verfolgen.
Wäre es nach dem Willen der Südslawen gegangen, so hätte
bei der Festsetzung der Grenzen des S.H.S.-Staates noch mehr Deutsche das
Schicksal getroffen, in sie einbezogen zu werden. Es handelte sich dabei um Süd-Kärnten. Hier aber geschah etwas ganz Unerwartetes. Das
deutsche Volk von Süd-Kärnten, und nicht nur dieses, sondern auch
nicht wenige südkärntnerische Slowenen, deren Heimatgefühl
sie nicht zu dem großen jugoslawischen Staate, sondern zu dem kleinen
Kärntner Heimatlande zog, erhob sich mit der Waffe. Diese Kärntner
Freiheitskämpfe, die sich in den Jahren 1918 und 1919 abspielten,
mögen unbedeutend sein im Vergleich zu den Schlachten des Weltkrieges,
aber sie sind trotzdem ein erhebendes Denkmal für die
Freiheits- und Heimatsliebe eines Volkes. Wer ihre Geschichte und ihren Erfolg
näher kennen lernen will, der greife zu dem wundervollen Buch von
Dr. Martin Wutte: Kärntens Freiheitskampf (Verlag
Kleinmaur, Klagenfurt 1922).
Das Ziel, um dessentwillen die Kärntner zu den Waffen gegriffen hatten,
war die Volksabstimmung. Diese wurde, mit nachdrücklicher
amerikanischer Hilfe, durchgesetzt. Die 180 Toten, die in den Kämpfen
gegen die südslawischen regulären Truppen gefallen waren, und die
800 Verwundeten hatten nicht umsonst geblutet. Es wurden zwei Zonen für
die Abstimmung festgesetzt, eine südliche Zone A, die bis zum
Abstimmungstermin unter südslawischer Verwaltung blieb, und eine
nördliche Zone B, die nur abstimmen sollte, falls die
südlichen sich für Jugoslawien entschieden. Der Terrorismus, den
Slowenen und Serben bis zum Abstimmungstermin in der vorläufig an sie
ausgelieferten Zone übten, war ungeheuer. Die Kommission hatte keinen
leichten Stand. Slowenische Prügelgarden bedrohten jeden heimattreuen
Kärntner, aber schrittweise schuf die Kommission doch erträgliche
Verhältnisse. Der 10. Oktober 1920 war der Abstimmungstag. 96% der
Stimmberechtigten erschienen an den Urnen. Rund 22 000 Stimmen fielen
für das Verbleiben bei Österreich, rund 15 000 für
Südslawien. 21 slowenische Gemeinden mit 10 000 slowenischen
Stimmen zogen die Kärntner Heimattreue dem Übergang in das
S.H.S.-Reich vor. Heller Jubel herrschte im Lande. Kirchliche und weltliche
Feiern wurden veranstaltet. Nur ein kleines Gebiet, das erzreiche Mießtal,
wurde ohne Abstimmung gegen seinen Willen den Jugoslawen zugeschlagen:
wegen seiner Bleibergwerke und seines Eisens!
Welch einem Schicksal die Deutschen in Südkärnten durch das
Ergebnis der Abstimmung vom 10. Oktober entgangen sind, davon kann man sich
ein Bild machen, wenn man sich die Verhältnisse vergegenwärtigt,
wie sie sich in dem jugoslawisch gewordenen südlichen Teile von
Steiermark sofort nach der Annexion gestalteten. Wir gaben davon bereits eine
allgemeine Skizze, wollen hier aber noch eine kurze Schilderung aus Cilli, einer
der annektierten südsteirischen Städte, wiedergeben.
[342] Alle
deutschen Schulen wurden beschlagnahmt, die Klassenzahl der wenigen
verbliebenen deutschen Schulen wurde plötzlich auf weniger als ein
Hundertstel ihrer früheren Zahl heruntergedrückt und auch an diesen
nur allzurasch von selbst absterbenden Schulklassen mit deutscher
Unterrichtssprache wirkt nirgends auch nur ein deutscher Lehrer. Kinder
mit auch nur slawisch anklingendem Namen wurden ausschließlich
slowenischen Klassen zugeteilt, so daß Familien buchstäblich
zerrissen wurden; denn in den Schulen wird sehr starke nationale Propaganda
betrieben. Solche Kinder kannten oft auch gar nicht die slowenische Sprache und
blieben im Lernen zurück und sind für das Leben dauernd
verschüchtert. Privatschulen fanden keine Genehmigung. Hunderte von
Vereinen wurden aufgelöst, die Tonhalle der Philharmonischen
Gesellschaft in Laibach (gegründet 1702), das deutsche Kasino in Laibach,
das deutsche Theater in Marburg wurden einfach enteignet, wobei auch aktive
Richter offen mitwirkten; zwanzig deutsche Alpenvereinshütten wurden
ohne Entschädigung weggenommen und hierbei der auf dem Gebiete des
Sportes lächerliche Vorwand gebraucht, daß reichsdeutsches Kapital
in denselben investiert sei. Die deutschen Turnvereine wurden aufgelöst
und alle ihre wertvollen Turngeräte und Häuser dem slowenischen
Sokol ohne Entschädigung übergeben. Die deutschen Firmenschilder
wurden in Anwesenheit der Polizei demoliert; die Eigentümer erhielten
keine Entschädigung. Dagegen waren bis zum Umsturze auch in deutschen
Orten slawische Aufschriften unbehelligt. Selbst die Aufschrift über dem
Friedhofstore in Cilli: "Hier endet Neid, Verfolgung und Klage"
mußte heruntergenommen werden. Was kann bezeichnender sein? Die
Behörden nehmen keine deutsche Eingabe an, obwohl früher
die Slowenen mit allen Behörden in ihrer Sprache verkehren konnten. Die
deutschen Zeitungen sind geknebelt. Wenn die Zeitung gegen die
Bedrückung der deutschen Minderheit schreibt, so ruft der
Bezirkshauptmann den Schriftleiter zu sich und sagt bedeutungsvoll, daß er
weder für Leben noch für Eigentum der deutschen Herausgeber
haften könne. Der deutsche Abgeordnete von Cilli erlitt durch
einen Steinwurf aus einer slowenischen Menge einen Schädelbruch. Der
Täter wurde nicht bestraft. Ein deutscher Festsaal, eine deutsche
Advokaturskanzlei wurden durch Bombenwürfe zerstört; keiner der
Täter wurde verhaftet oder abgeurteilt. Die rein künstlerischen
Veranstaltungen der deutschen Männergesangvereine wurden von den
Behörden verboten, obwohl diese Vereine nur in geschlossenen
Räumen vor einem geladenen Publikum auftreten.
Zahllos sind die Vorgänge, die einzeln hervorgehoben werden
könnten, um das jugoslawische Gewaltregiment gegen die Deutschen, das
am schlimmsten in Slowenien ist, zu illustrieren. Wir begnügen uns mit
zwei typischen Fällen: einem, an dem der nichtamtliche, aber amtlich
geduldete Terrorismus, und einem anderen, an dem die Rechtsverweigerung und
Rechtsbeugung von seiten der Behörden illustriert wird. Der eine Vorfall
geschah in Marburg. Im Grenzland, der in Graz erscheinenden Zeitschrift
des "Deutschen Schulvereins Südmark" (Nr. 1, Januar 1926), steht
unter der Überschrift "Deutschenjagd in Marburg" der folgende,
geprüfte und beglaubigte Bericht. Vorausgeschickt sei, daß kurz
vorher in Graz von jugoslawischen Staatsangehörigen, also von
Ausländern, eine demonstrative nationale Feier zu Ehren des
Schutzheiligen der serbischen Kirche, St. Sava, von der Behörde aus
begreiflichen Gründen nicht gestattet worden war. Das wurde zum
Vorwand für einen brutalen Überfall der "Orjuna", der
Kampforganisation der slowenischen Nationalisten, auf die Teilnehmer des
Verbandes deutscher Hochschüler in Marburg genommen, [343] die beabsichtigten, das
25jährige Bestehen ihrer Vereinigung mit einer bescheidenen Feier in Form
einer Zusammenkunft der Alten Herren und der zur Zeit Aktiven zu begehen. Es
heißt nun in dem Bericht:
"Um ½9 Uhr abends waren im
rückwärtigen Saale des Hotels Halbwiedl 50 Mitglieder des
Verbandes versammelt. Noch bevor die Erschienenen an den Tischen Platz
genommen hatten, erschien der in Marburg sattsam bekannte Rechtsanwalt
Dr. Franjo Irgolič als Obmann der in Marburg aufgelösten
»Orjuna«, mit ihm der Konzipient des
Dr. Bratjančič Dr. Šnuderl und der gerichtlich
abgestrafte Vertreter der Jutro Chlebs, und erklärte in slowenischer
Sprache, daß die »Orjuna« diese Zusammenkunft nicht dulde,
»als Repressalie für die Unmöglichmachung der
St. Sava-Feier in Graz«. Er forderte die Anwesenden auf, sofort den
Saal zu verlassen, ansonsten die Räumung des Saales gewaltsam
vorgenommen werden würde. Die Anwesenden können ruhig den
Saal verlassen, widrigenfalls er keine Verantwortung übernähme.
Dr. Irgolič hatte noch nicht geendet, als die
»Aktionstruppe« in Zivil gekleidet unter Kommando des
Führers der Aktionstruppe, des Angestellten des Tabot Reja, unter
wüstem Geheul mit geschwungenen Prügeln, Totschlägern,
Gummiknütteln, Ochsenziemern in den Saal stürzte und sofort auf
die Anwesenden einhieb. Selbst 60- bis 70jährige alte Herren wurden von
der Bande nicht geschont; zwei jüngere Akademiker brachen
blutüberströmt zusammen. Die Deutschen wurden aus dem Saale
hinausgedrängt und wurden auch im Hofe von den dort aufgestellten
Orjunaschen noch verprügelt. Unterdessen wurde neuerdings bei der
Polizeihauptwache um Polizeiassistenz angesucht und diese auch beigestellt.
Natürlich kam die Polizeimannschaft jetzt viel zu spät und es wird
erzählt, daß dieselbe nicht eingegriffen habe mit der
Begründung, daß sie das Einlangen des Beamten vorher abwarten
müsse.
Der Wahrheit gemäß muß festgestellt
werden, daß zwei Polizeiorgane sich der Deutschen annahmen und weitere
Angriffe der Orjunaschen zu verhindern suchten. Unter den Orjunaschen befanden
sich auch der Staatsbeamte Dr. Cazafura, der ehemalige
Advokaturskonzipient und gegenwärtige Berichterstatter des Jutro
Dr. Raimann, ein Angestellter der Firma Mastek am Hauptplatze in
Marburg. Die übrigen wurden nicht erkannt.
Weiters wird festgestellt, daß Orjunasche in
Uniform irgendwo bereit waren, denn solche tauchten erst später in den
Straßen auf.
Die herbeigeeilte Rettungsgesellschaft leistete in einigen
Fällen die erste Hilfe. Das Erscheinen des Rettungsautos wurde seitens der
Orjunaschen mit Pfui-Rufen begrüßt und von denselben als
»Provokation« bezeichnet und verlangt, daß dasselbe sofort
einrücke, da niemand verletzt sei!
Erst als von den übrigen Polizeiwachstuben
genügend Verstärkung eingelangt war, sind die Orjunaschen in Reih
und Glied unter wüstem Geschrei und Beschimpfungen der Deutschen
abgezogen.
Es wird festgestellt, daß an der Zusammenkunft der
alten und jungen Akademiker in Marburg nur dort seßhafte Herren
teilgenommen haben, während die in Graz verhinderte
Sava-Feier von dortigen Ausländern abgehalten hätte
werden sollen. Darin liegt der große Unterschied zwischen der
Verhinderung der Veranstaltung in Graz und Marburg, abgesehen davon,
daß die Grazer St. Sava-Feier weder von den Mitgliedern des
Marburger Hochschülerverbandes noch vom Verband selbst gestört
worden ist.
Die Führung der ganzen Aktion lag in den
Händen von solchen slawischen Akademikern, die sich ihr ganzes
Berufswissen nur auf deutschen Universitäten geholt haben. Die
Führer der ganzen Aktion, Dr. Irgolič und
Dr. Šnuderl, sind Angehörige des heute noch in Graz und
Wien ungestört bestehenden slawischen Hochschulvereins
»Triglav« und haben in Graz und Wien an unzähligen
Unterhaltungen dieser Verbände teilgenommen, ohne daß ihnen
jemals [344] ein Haar
gekrümmt worden wäre. Der deutsche Hochschülerverband
Marburgs, der seinen Sitz in der Heimatstadt seiner Mitglieder hat, hat es als
selbstverständlich befunden, daß er am Sitze des Verbandes seines
25jährigen Bestandes gedenkt, wobei die Deutschen jedwede
Veröffentlichung der Zusammenkunft peinlichst vermieden, damit dieser
bescheidene Abend nicht Ursache zu irgendwelchen Ausschreitungen
gab.
[300b]
Das "Deutsche Haus" in Cilli.
|
Das zweite Stück, das etwas eingehender behandelt werden muß,
weil durch die Verfolgung der Einzelheiten am deutlichsten die Vergewaltigung
der Deutschen auf dem "Rechtswege" gezeigt werden kann, betrifft die
Fortnahme des Deutschen Hauses in Cilli. Im Jahre 1898 war in Cilli
unter dem Namen "Deutsches Haus" ein nichtpolitischer Verein gegründet
worden, mit der Aufgabe, ein Haus zu erbauen, das eine Heimstätte sein
sollte für die Deutschen von Cilli und Umgebung zur Förderung
ihres geselligen, wissenschaftlichen und künstlerischen Strebens. Der
große und schöne, auch äußerlich eindrucksvolle Bau
sollte insbesondere ein Heim für die deutschen Vereine sein, und es sollten
dort deutsche Veranstaltungen und Festlichkeiten abgehalten werden. Mit der
gleichen Bestimmung gab es in Cilli schon seit Jahren ein slowenisches
Vereinshaus, das "Narodni dom" (Volkshaus) hieß. Bald nach der
Besetzung Cillis durch die Slowenen wurde das "Deutsche Haus" der deutschen
Bevölkerung auf eine Weise fortgenommen, über die aus Cilli der
folgende Bericht vorliegt:
"Der Verein »Deutsches
Haus« als solcher war nach dem Friedensschluß mangels der
erforderlichen Geldmittel nicht in der Lage, das Haus zu erhalten, und
mußte deshalb den Verkauf an Privatpersonen ins Auge fassen. Es wurde
eine außerordentliche Hauptversammlung einberufen, damit diese
über das weitere Schicksal des Hauses beschließe. Diese
Versammlung fand am 2. Juni 1919 statt und beschloß den Verkauf des
Hauses, selbstverständlich mit Zweckbestimmung. Als Kaufpreis wurde der
Betrag des grundbücherlichen Lastenstandes festgesetzt. Nicht nur jedes
Mitglied des Vereins, sondern überhaupt jeder Deutsche Cillis sollte
berechtigt sein, als Käufer aufzutreten und einen Anteil zu erwerben. Die
bei dieser Hauptversammlung anwesenden Vertreter der Behörde fanden
keinen Anlaß, gegen diese Beschlüsse Einspruch zu erheben. Der
Stadtmagistrat Cilli als Vereinsbehörde erster Instanz stellte anstandslos
eine Amtsbestätigung des Inhaltes aus, daß die Mitglieder des
Vereinsausschusses zur rechtsverbindlichen Unterfertigung des Vertrages
berechtigt seien. Hierauf wurden auf Grund des Kaufvertrages die 11
Käufer am 3. Juni 1919 als Eigentümer des gewesenen
Vereinshauses im Grundbuche eingetragen.
Etwa 14 Tage später erhielt der Obmann des
Vereins aus Laibach eine Verständigung, daß auf Grund des
serbischen Gesetzes über das Vorgehen mit dem Vermögen
feindlicher Staatsbürger vom Jahre 1915 das Vermögen des
Vereins unter besondere Aufsicht und Sequester gestellt werde, und zum
Sequester wurde Ivan Prekorsek, Verwalter des Krankenhauses in Cilli, bestellt.
Dieser Schritt war ein Übergriff, da es sich ja nicht um ausländisches
Vermögen eines Vereins handelte, der in Jugoslawien seinen Sitz hatte, und
ausschließlich jugoslawische Staatsbürger zu seinen Mitgliedern
zählte. Diese behördliche Verfügung war vom 5. Juni 1919
datiert, an welchem Tage der Kaufvertrag bereits grundbücherlich
durchgeführt war. Nun verfügte der Stadtmagistrat Cilli als
Vereinsbehörde am 20. Juni 1919 die Sistierung der Ausführung des
Beschlusses der Hauptversammlung vom 2. Juni 1919 und [345] einige Tage
später die Einstellung der weiteren Tätigkeit des Vereins
»Deutsches Haus«. - Am 8. September 1919 verfügte
die damalige Landesregierung in Laibach die Auflösung des Vereins mit
der kurzen Begründung, daß derselbe mit dem Verkaufe des
Vereinshauses seinen statutenmäßigen Wirkungskreis
überschritten habe. Gegen diese Auflösungsverfügung wurde
rechtzeitig die Berufung an das Ministerium des Innern in Belgrad im Wege der
Landesregierung in Laibach eingebracht. Diese Berufung wurde vom Ministerium
des Innern mit Entscheidung vom 7. Juli 1924, Z. 3513/24
verworfen.
Ende 1919 brachte der von der Regierung ernannte
Sequester des Vereins »Deutsches Haus« gegen die 11 nunmehrigen
Eigentümer des ehemaligen Vereinshauses eine Klage auf Aufhebung des
Kaufvertrages und Wiederherstellung des früheren Rechtszustandes ein.
Diese Klage wurde jedoch sowohl vom Kreisgerichte in Cilli, als auch vom
Obersten Gerichtshofe in Agram mit der Begründung abgewiesen,
daß der Sequester nicht im Besitze der erforderlichen Vollmacht zur Klage
gewesen sei.
Etwa ein Jahr später - anfangs Jänner
1922 - brachte der zum Kurator des aufgelösten Vereins bestellte
Herr Ivan Prekorsek namens desselben eine neuerliche gleiche Klage ein mit dem
Begehren, daß der frühere Rechtszustand wiederherzustellen sei, das
heißt, daß an Stelle der 11 Miteigentümer wieder der klagende
Verein als solcher im Grundbuche als Eigentümer eingetragen werden
müsse. (Welche Absicht damit verfolgt wurde, sollte späterhin
deutlich genug werden!) Dieser Prozeß zog sich über zweieinhalb
Jahre hin.
Das Kreisgericht Cilli als erste Instanz gab dem
Klagebegehren des Kurators bedingungslos statt. Dieses Urteil wurde von der
zweiten Instanz (Oberlandesgericht Laibach) dahin abgeändert, daß
die Beklagten nur gegen Ersatz aller ihnen erwachsenen notwendigen und
nützlichen Auslagen (im Betrage von 360 000 Dinar) zur
Herausgabe des Hauses verpflichtet seien. Dieser Auffassung schloß sich
der Oberste Gerichtshof in Agram an. Die Wiedergabe der Begründung
würde zu weit führen. Erwähnt sei nur, daß der Klage im
wesentlichen aus dem Grunde stattgegeben wurde, weil das Gericht die
Verfügung des Stadtmagistrates Cilli vom 20. Juni 1919 (mit welcher die
Sistierung der Ausführung des Hauptversammlungsbeschlusses vom 2. Juni
1919 ausgesprochen wurde) als rechtskräftigen Verwaltungsakt betrachtete,
an welchen das Gericht bei seiner Rechtsprechung gebunden sei.
Nach der durch diese Urteile geschaffenen Rechtslage
hatte also der Kurator des aufgelösten Vereins »Deutsches
Haus« das Recht, den sachfällig gewordenen Gegner zur
bücherlichen und faktischen Übergabe des Hauses zu zwingen,
jedoch nur gegen gleichzeitige (Zug um Zug) Bezahlung der notwendigen und
nützlichen Auslagen. Entgegen dem klaren Wortlaute des Urteils gelang es
nun dem Kurator, den aufgelösten Verein »Deutsches Haus«
am 5. Jänner 1925, nachmittags 3 Uhr, mit Hilfe des Kreisgerichtes
Cilli (Exekutionsbewilligung vom 3. Jänner 1925, Geschäftszahl
E 74/24/1) in den faktischen und bücherlichen Besitz des Hauses zu
setzen, jedoch ohne gleichzeitige Bezahlung der Auslagen der bisherigen
Eigentümer. Ja, der Kurator erklärte in seinem Antrage auf
gerichtliche Bewilligung der exekutiven Übergabe des Hauses sogar
ausdrücklich, daß er diese Auslagen überhaupt nicht
anerkenne!! Trotzdem bewilligte das Gericht die begehrte Exekution und
wies den Antrag auf Aufschiebung kurzerhand zurück!
Der § 15 der Satzungen des Vereins
»Deutsches Haus« bestimmt nun, daß für den Fall einer
behördlichen Auflösung das ganze Vereinsvermögen an den
Verein »Südmark«, der seinen Sitz in Graz hat, fällt,
welcher es zu verwalten und einem sich etwa bildenden Vereine mit gleichem
Zwecke zu übergeben hat.
Zu Beginn des Monats Juli 1924 wurde aus deutschen
Kreisen der Stadt Cilli um die Ge- [346] nehmigung eines neuen
Vereins angesucht, der den Zweck haben soll, im Sinne der
obenangeführten Bestimmung des § 15 der Satzungen das
Vermögen des behördlich aufgelösten Vereins
»Deutsches Haus« zu übernehmen und zu verwalten.
Dieses Gesuch wurde vom Obergespan der mariborska
oblast mit Entscheidung vom 26. Juli 1924, Zahl 3800, abschlägig
beschieden mit der fadenscheinigen Begründung, daß der neu zu
gründende Verein keinen Titel zur Übernahme des
»Deutschen Hauses« nachzuweisen vermöge. Über die
klare Bestimmung der Satzungen (§ 15, Absatz 2) verlor die
Behörde kein Wort.
Wohl aber genehmigte der Obergespan in
Maribor-Marburg mit Erlaß vom 12. April 1924, Zahl 2034, die von den
ärgsten slowenischen Chauvinisten bewerkstelligte Gründung eines
Vereines »Celjski Dom« und verfügte am 18. Dezember 1924
unter Zahl 1644/9 die Übergabe des gesamten beweglichen und
unbeweglichen Vermögens des aufgelösten Vereines
»Deutsches Haus« an den Verein »Celjski Dom«,
welcher im Sinne des § 15 der Statuten des aufgelösten
Vereines als Rechtsnachfolger dieses Vereines anzusehen ist.
Diese Verfügung wurde auf Antrag der
Finanzprokuratur in Laibach ohne Rücksicht auf die schwebende
Widerspruchsklage grundbücherlich und durch tatsächliche
Übergabe des Hauses an den Verein »Celjski Dom«
durchgeführt. (Beschluß des Kreisgerichtes Cilli als
Grundbuchsgericht vom 8. Jänner 1925, Tagebuchzahl 6/25/1.)
So ist der deutschen Minderheit mit einer Brutalität
und einem Zynismus ohnegleichen das Haus, das sich die Deutschen in
jahrelanger, unsäglich mühevoller Arbeit als Stätte deutscher
Geselligkeit gebaut haben und das heute einen Wert von vielen Millionen hat,
ohne das geringste Entgelt weggenommen und im krassesten Widerspruche mit
dem oben angeführten § 15 der Statuten einem diametral
gegensätzlichen Zwecke zugeführt worden."
Soweit der Bericht. Die geschädigten Deutschen kamen auf den Gedanken,
sich mit einer Klage wegen der ihnen angetanen Vergewaltigung an diejenige
Instanz zu wenden, der ja nominell aufgetragen ist, über den Schutz aller
Minderheiten zu wachen: an den Völkerbund. Als es sich aber darum
handelte, daß die deutschen Abgeordneten im Belgrader Parlament die
Eingabe an den Völkerbund mit unterschreiben sollten, wurde ihnen von
serbischer Seite bedeutet, wenn sie das täten, so würden sie erst
erleben, wie es den Deutschen im S.H.S.-Staate ergehen würde! Um ihre
Volksgenossen vor dem äußersten zu bewahren, unterblieb die Klage.
Was aber sagt der Völkerbund dazu, dem doch, als der berufenen
Sicherungsinstanz für die Minderheiten, derartige Vorgänge auch
ohne formelle Eingabe schwerlich unbekannt bleiben?
Von jugoslawischer Seite ist, bezeichnenderweise unter einem Pseudonym
"Carinthiacus", im Jahre 1925 eine Schrift mit dem Titel "Die Lage der Slowenen
unter Österreich und jene der Deutschen im Königreiche der Serben,
Kroaten und Slowenen" herausgegeben worden, in der zu beweisen versucht wird,
daß einer der Hauptvorwürfe, die Unterdrückung des
deutschen Schulwesens von jugoslawischer Seite, nicht berechtigt sei; von einer
Vergewaltigung der deutschen Schulen könne keine Rede sein. Da dies ein
Punkt von besonderer Wichtigkeit ist, so ist es nötig, auch ihn eingehender
klarzustellen und die völlig der Wahrheit ins Gesicht schlagenden [347] Behauptungen des
anonymen Verfassers zu widerlegen. Das geschieht in der folgenden, von
deutscher Seite herausgegebenen, peinlich sich an die Tatsachen haltenden
Antwort:
"Mit Verordnung des
Unterrichtsministeriums vom 18. Juni 1925, Zl. 32. 580, wurde bestimmt,
daß, wenn in einer Klasse mehr als 30 Kinder einer anderen Rasse
vorhanden sind, für sie Parallel-Klassen eröffnet werden
sollen, in welchen in den ersten vier Klassen der Unterricht mit Ausnahme der
nationalen Gegenstände (Geographie und Geschichte) in ihrer
Muttersprache erfolgt. Wenn eine Klasse von weniger als 30, die ganze Schule
aber von mehr als 30 Schülern einer anderen Rasse besucht wird,
können zwei oder mehrere Klassen zusammengezogen werden, doch so,
daß diese Abteilung nicht mehr als 50 Schüler zählt. Wenn die
obigen Bedingungen nicht erfüllt sind, werden die Parallelklassen
aufgelassen.
Als »echtdeutsch« gelten nur jene Kinder,
deren Eltern und Großeltern deutsche Namen und deutsche Gesinnung
hatten. Kinder aus Mischehen und Kinder mit slowenischen Namen werden nicht
als »echtdeutsch« betrachtet. Die Entscheidung darüber, ob
ein Kind »echtdeutsch« ist oder nicht, steht ausschließlich den
örtlichen Schulbehörden in erster und letzter Instanz zu. Kinder, die
nicht als »echtdeutsch« anerkannt werden, müssen
reinslowenische Schulen besuchen, gleichgültig, ob ihre Eltern es wollen
oder nicht, ob sie selbst ein Wort slowenisch können oder nicht.
Durch die Unterscheidung von
»echtdeutschen« und »nicht echtdeutschen« Kindern
und die Ausschließung der letztgenannten von deutschen Klassen wird die
Zahl der deutschen Kinder in vielen Orten künstlich unter die
vorgeschriebene Zahl von 30 herabgedrückt und den Deutschen die
Möglichkeit genommen, die Errichtung deutscher Klassen zu verlangen. Es
müssen daher auch die »echtdeutschen« Kinder in solchen
Orten, wie z. B. Cilli, Windisch-Graz und Mahrenberg, reinslowenische
Schulen besuchen.
Privatschulen zu gründen ist untersagt.
Um auch den deutschen Privatunterricht zu verhindern oder
möglichst einzuschränken, wurde verboten, gleichzeitig mehr als vier
Kindern Privatunterricht zu erteilen.
Auf Grund der erwähnten Bestimmungen wurde in
Slowenien gegen die deutschen Schulen ein wahrer Vernichtungsfeldzug
unternommen.
Nach dem im Juni 1922 im Laibacher
»Slovenec« erschienenen Berichte des zur Leitung des Schulwesens
in Slowenien berufenen Staatskommissärs Dr. Verstovsek
waren bereits bis dahin folgende deutsche Volksschulen slowenisiert: 4
Knaben- und 3 Mädchenschulen in Marburg, je eine
Knaben- und Mädchenschule in Cilli, Pettau, Brunndorf und Pobersch; je
eine Schule in Leitersberg, Rothwein, Thesen,
Ober-St. Kunigund, St. Georgen a. d. Pößnitz,
St. Lorenzen, Kötsch, Gams, Zellnitz a. d. Drau, Reifnig,
Rann a. d. Save, Gonobitz, Weitenstein, Luttenberg, Hrastnigg, Friedau,
Rohitsch, Tüffer, Windisch-Graz, Pragerhof und
Windisch-Feistritz.
Feiner waren aufgehoben: je eine Privatschule in Rann bei
Pettau, Zierberg, St. Egydi, St. Leonhard i. W. B.
Schönstein, Saldenhofen, Laibach (2), Unterschischka, Neumarktl,
Domschale, Majerle, Rodine, Wertschitz, Reuter, Suchen und Aßling; je
eine Schule in Pickerndorf und Hochenegg. Endlich waren slowenisiert die
slowenisch-deutschen Schulen in Rann a. d. Save, Trifail, Hrastnigg,
Lichtenwald, Hohenmauthen, St. Bartlmä bei Hohenmauthen,
St. Oswald a. d. Drau, Pernitzen, Remschnigg und
Saldenhofen.
Damit ist jedoch die Reihe der slowenisierten und
aufgehobenen deutschen Schulen noch lange nicht erschöpft, denn die
Auflösung deutscher Volksschulen ging weiter, bis schließlich 51
öffentliche deutsche Schulen (11 zweiklassige, 5 dreiklassige, 12
vierklassige und 23 fünfklassige) [348] mit zusammen 200
Klassen und 34 deutsche Privatschulen (20 in Untersteier, 14 in Krain)
aufgelöst und in Unteisteier allein 19
slowenisch-deutsche Schulen mit 82 Klassen slowenisiert waren. (Dr. Eger
S. 6ff.)
Die Gebäude der deutschen Privatschulen waren
samt Einrichtung, Lehrmitteln und Büchereien beschlagnahmt. Es ist daher
eine bittere Ironie, wenn Carinthiacus behauptet, daß der jugoslawische
Staat die nötigen Gebäude für die »deutschen
Schulen« beschaffe.
Endlich wurden auch alle deutschen Kindergärten
geschlossen oder slowenisiert.
Selbständige deutsche Schulen gibt es in Slowenien
schon lange nicht mehr. Denn nach Auflösung der früheren
selbständigen deutschen Volksschulen mit 200 Klassen wurden lediglich
nur mehr einige deutsche Parallelklassen, die an slowenische Schulen angegliedert
sind, gewährt. In Marburg z. B., das 1910: 22 653, 1922 nach
jugoslawischer Zählung 6512 Deutsche zählte und früher 7
deutsche Volksschulen mit 77 Klassen besaß, bestehen seit Oktober 1925
nur mehr je 3 deutsche Knaben- und Mädchen-Parallelklassen. In der
Gottscheer Sprachinsel, die 1910 18 000 Deutsche zählte und 37
selbständige reindeutsche Unterrichtsanstalten, darunter ein
Obergymnasium und eine Fachschule hatte, gibt es nur mehr an 11 Schulen
Parallelklassen für Kinder deutscher Nation.
Gegenwärtig geht das Streben der jugoslawischen
Schulbehörden dahin, auch die deutschen Parallelklassen so viel wie
möglich zu beseitigen. Für die erste Klasse der deutschen Abteilung
der Volksschule in Marburg z. B. wurden für das Schuljahr 1925/26
50 Schüler angemeldet. Zugelassen wurden jedoch nur 24, da die Eltern der
übrigen die Bestätigung des Magistrats nicht beibringen konnten,
daß sie bei der Volkszählung als Deutsche eingetragen wurden. Diese
deutschen Eltern haben erst jetzt erfahren, daß sie bei der
Volkszählung als Slowenen gezählt wurden. Ihre Kinder wurden
slowenischen Klassen zugewiesen. Weil auf diese Art die Zahl von dreißig
Kindern für die deutsche Klasse nicht erreicht wurde, so wurden die
zugelassenen 24 Knaben und Mädchen als eigene Abteilung mit den
nächsthöheren Klassen der Knaben-, bezw. der
Mädchenabteilungen vereint. So droht auch der deutschen Volksschule in
Marburg der Untergang.
In Pettau (1910: 3672 Deutsche = 86%; 1921: 724
Deutsche = 22%) wurde im Herbst 1925 die einzige deutsche Klasse geschlossen.
Es waren über 30 Schüler eingeschrieben, doch wurden 5 davon
gestrichen, weil sie in diesem Jahre erst das sechste Schuljahr vollenden. Dagegen
wurden solche Schüler in die slowenische Schule ohne weiteres
zugelassen.
Sogar mitten im geschlossenen deutschen Sprachgebiete
des Gottscheerlandes sind einklassige Schulen slowenisiert worden, wenn von der
vorgeschriebenen Zahl von dreißig Schülern auch nur einer fehlte.
Die deutsche Schulklasse in Süßenberg bei St. Egydi,
für die sich 1925/26 über 30 deutsche Kinder meldeten, wurde bis
heute (Dezember 1925) nicht eröffnet.
Auch das Schicksal der deutschen
Mädchenbürgerschule in Marburg scheint besiegelt zu sein. Im
Vorjahre wurde die erste Klasse dieser Schule abgebaut, weil sie nicht die
vorgeschriebene Zahl von 30 Schülern hatte. Im September 1925 wurde sie
mit 50 Schülern eröffnet, aber wenige Tage darauf durch Verordnung
des Unterrichtsministeriums wieder geschlossen und an ihrer Stelle eine weitere
slowenische Parallelklasse errichtet. Ein Laibacher Blatt brachte die Nachricht,
daß dies deshalb geschehen sei, weil die Verordnung, wonach eine Schule
bei einer Schülerzahl von 30 Schülern eröffnet werden solle,
nur für Volksschulen gelte. Dies würde jedoch in Widerspruch zu der
im Vorjahre vorgeschützten Begründung für den Abbau der
ersten Klasse der Schule stehen.
Machtlos und rechtlos mußten die Deutschen
Sloweniens es dulden, daß der stolze Bau ihres Schulwesens, einst ihre
Freude und die Hoffnung ihrer Kinder, zertrümmert wurde. [349] Bitteren Herzens
müssen die deutschen Eltern nunmehr auch zusehen, wie an der
Beseitigung des letzten Restes deutscher Schulen systematisch gearbeitet
wird.
Das Elternrecht, das in Kärnten den Hauptgrundsatz
bei Regelung der Schulverhältnisse bildet, ist in Slowenien ausgeschaltet.
Zahlreichen deutschen Eltern ist die Möglichkeit genommen, die
Nationalität ihrer Kinder zu erhalten, da sie diese weder in deutsche
öffentliche Schulen, noch in deutsche Privatschulen schicken können
und auch der Privatunterricht unmöglich oder nur in sehr
beschränktem Maße möglich ist. Klar tritt hier die Absicht der
jugoslawischen Schulbehörden, die Kinder deutscher Eltern zu
entnationalisieren, zutage.
Den deutschen Kindern, die slowenische Schulen
besuchen müssen, wird nicht nur der Unterricht in ihrer Muttersprache
vorenthalten, sie lernen auch nicht mehr die deutsche Schrift und den deutschen Druck,
wodurch ihnen auch der gesamte reiche Kulturgehalt der deutschen Literatur
verschlossen wird.
Was die deutschen Lehrer betrifft, so ist der
größte Teil von ihnen tatsächlich entlassen oder zwangsweise
pensioniert worden. In ganz Untersteier gibt es nur einen deutschen Lehrer mehr,
alle anderen sind slowenischnational. Von den Gottscheer Lehrern und
Lehrerinnen wurden 32 entlassen und mußten ihre Anstellung in
Österreich oder Amerika suchen.
Außer den Volksschulen und den
Kindergärten wurden in Slowenien alle deutschen Bürgerschulen,
ferner sieben deutsche Mittelschulen (fünf Gymnasien und zwei
Realschulen), drei deutsche (bezw. doppelsprachige)
Lehrer- und Lehrerinnenbildungsanstalten und alle deutschen Fachschulen
aufgelassen oder in slowenische umgewandelt. Es gibt gegenwärtig in
Slowenien auch keine deutsche Mittelschule, keine deutsche
Lehrerbildungsanstalt und keine deutsche Fachschule mehr. Die einzige deutsche
Klasse am Realgymnasium in Laibach, die heute noch besteht, wird im
nächsten Jahre abgebaut."
Nach diesen genauen und sachkundigen Ausführungen wird kein
"Carinthiacus" mehr behaupten können, daß dem deutschen
Schulwesen im jugoslawischen Staate, also dem eigentlichen Nerv des
Deutschtums, keine Gewalt geschieht, und daß die Schutzbestimmungen,
die in dem Vertrage der alliierten und assoziierten Hauptmächte mit der
jugoslawischen Regierung die Minderheiten betreffen, auf dem Schulgebiet auch
nur im entferntesten eingehalten werden. Um nun aber mit dem lebendigen Worte
der betroffenen selbst das ganze deutsche Leid und die den Deutschen angetane
Gewalt in Südslawien vor dem Urteil der Öffentlichkeit
auszubreiten, wird es das beste Mittel sein, wenn wir eine Rede, die von einem
deutschen Abgeordneten im Belgrader Parlament in serbischer Sprache gehalten
worden ist und von der die übrige Welt vielleicht wenig erfahren hat, im
folgenden - auszugsweise - in deutscher Wiedergabe hierhersetzen.
Beim Zusammentritt der Skupschtina nach den Wahlen im Februar 1925, bei
denen es zu dem verbrecherischen und beinahe tödlich ausgegangenen
Überfall auf den deutschen Führer, den Dr. Stephan Kraft,
gekommen war, ergriff der Abgeordnete Dr. Hans Moser das
Wort:
"Zu den am 8. Februar 1925
durchgeführten Wahlen müßte jeder einzelne gewählte
Abgeordnete das Wort ergreifen, um seine Ansichten und seinen Standpunkt
darzulegen, damit ein jeder uninteressierte Psychologe schon aus der Rede allein
entnehmen könnte, ob der Abgeordnete durch den freien Willen des
Volkes, seiner Wähler, der Anhänger starker Ideen seines
Parteiprogrammes, das er ihnen auf eine derart unwiderstehliche Weise
erklärt hat, [350] daß er sie
für diese Ideen begeisterte, gewählt wurde oder ob er mit Hilfe der
Polizei, der Dorfschreiber, der Gendarmerie, der Gemeindenotäre, der
Polizeikommissäre, der Bezirksadjunkten, der Oberstuhlrichter und
Kreisvorsteher, der Vizegespäne, der Obergespäne und anderer
Vertreter der Behörde sein Mandat erhielt.
Der Beginn des ungesetzlichen Kampfes gegen die Partei
der Deutschen des Königreiches S.H.S. fällt in die Zeit der
Tätigkeit des Staatsausschusses gleich nach Ausschreibung der Wahlen.
Dem Ausschusse waren vom Innenministerium mangelhafte und unrichtige
Ziffern über die Zahl der Wähler vorgelegt worden, weiters stellte
dasselbe Ministerium ganz willkürliche Anträge über die
Aufstellung von Wahlplätzen. Eine Unzahl von Gemeinden mit über
800 bis 2000 Wählern mußte nach diesen Anträgen ohne
Wahlplätze bleiben.
Diese unsere Gemeinden mußten in anderen
serbischen Orten abstimmen, nur damit sie um so größeren
Einschüchterungen und Behinderungen ausgesetzt würden. Und in
der Tat hat am Tage der Wahl eine bedeutend kleinere Zahl Wähler
abgestimmt als in Gemeinden, welche einen eigenen Wahlplatz hatten.
Rücksichtslos war auch die Beschränkung in
der Abhaltung von öffentlichen Versammlungen und Besprechungen.
(Redner führt zahlreiche Beispiele an.)
Dem Abgeordneten und Listenführer im unteren
Banat Dr. Kraft wurde vom Oberstuhlrichter in Werschetz die
Abhaltung jeder Versammlung oder Zusammenkunft im Orte Gudurica verboten.
Aus dem Hause des Herrn Tetz, bei dem Dr. Kraft abgestiegen war, jagte
eine Gendarmeriepatrouille mehrere Gäste hinaus und später
mißhandelte Gendarmeriewachtmeister Mijatovic im Gemeindearrest den
Landwirt Johann Tetz und brachte ihm schwere körperliche Verletzungen
bei. Hier das ärztliche Zeugnis. Auch dem
Abg. Schumacher wurde ohne jede Begründung die
Abhaltung einer Versammlung in Veprovac am 24. Januar 1925 verboten.
In allen diesen Vorgängen der behördlichen
Organe fanden unverantwortliche Elemente, die Mitglieder der nationalistischen
Organisationen, echte und unechte Dobrowoljzen und Cetnici, den Ansporn
für ihre Ausschreitungen, von denen sie nach diesen Vorzeichen und nach
anderen internen Weisungen wußten, daß sie ungestraft bleiben
werden. Und so begannen sie auch mit der gewaltsamen Störung bei der
Abhaltung öffentlicher Versammlungen. Von den zahlreichen Fällen
dieser Art erwähne ich nur den vom 19. Januar 1925 in Zabalj und den
noch ärgeren Fall, der meinem Kollegen, dem
Abg. Schumacher am 25. Januar 1925 in Croenka widerfuhr. In
diesem rein deutschen Dorfe sollte eine dem Oberstuhlrichter angemeldete
Besprechung stattfinden. Vor deren Beginn fragte
Abg. Schumacher den Gemeindenotär, ob er Anordnungen
getroffen habe, daß die Besprechung ungestört verlaufe, da einige
bewaffnete fremde Leute im Dorfe aufgetaucht seien. Der Notär erwiderte,
die Köpfe der übrigen Anwesenden seien ebenso unsicher wie sein
eigener. Zum Schutze der Besprechung hatte er nichts unternommen, obwohl er
12 Polizeimänner und mehrere Gendarmen zur Verfügung hatte.
Kaum hatte die Besprechung begonnen, als 9 Dobrowoljzen in den Saal
eindrangen, ein Geheul anstimmten, mit den Revolvern in der Hand drohten und
die Anwesenden, auch die Abgeordneten, hinausjagten. Als der Saal geleert war,
zertrümmerten und verwüsteten sie alles, was in ihre Hände
fiel: Fenster, Gläser, Geschirr, Stühle, Tische,
Türen usw. Da die Leute nicht schnell genug auseinandergingen,
jagte sie unter Beihilfe der Dobrowoljzen auf Befehl des Notärs die Polizei
selbst mit Säbeln und Bajonetten auseinander, wobei mehr als sechs
Personen verletzt wurden. Polizei und Gendarmerie hatten sich erst jetzt
versammelt, um den Angreifern einen sicheren Rückzug zu
verschaffen.
Die Vertreter der Ortsbehörden gingen aber auch
noch weiter. In allen Orten in der ganzen Vojvodina begann man einerseits die
Wähler durch unerlaubte Versprechungen zu locken [351] und anderseits mit den
ärgsten Drohungen einzuschüchtern. Man versprach ihnen
Hausplätze, Bauplätze, Grund und Boden, Abschreibung von Steuern
und Gemeindeumlagen, Jagdkarten, Waffenpässe, Befreiung vom
Militärdienst, bessere Qualifizierung und Preise für Tabak,
verschiedene Monopolkonzessionen usw. Als aber die behördlichen
Organe sich überzeugen mußten, daß diese Versprechungen
keinen Erfolg hatten, daß ihnen niemand mehr glaubte, begannen sie zu
drohen und setzten leider an vielen Orten diese Drohungen auch in die
Tat um. Sie drohten mit Entziehung der Gewerbescheine, des Schankrechtes,
Nichtausstellung von Auslandpässen, wenn dieselben auch aus den
allerbegründetsten Ursachen verlangt wurden, mit Einberufung zum
Militärdienst, Abnahme der Waffen, Verhaftungen, Ausweisung über
die Grenze usw. Diese und andere Drohungen wurden auf die
allerhärteste Weise durchgeführt. So wurden Schankkonzessionen
den Gastwirten in Lazarevo, Martinica, Ernestinovo, Banatski Brestovac, Banatski
Despovac, Supljaja, Katarina, Veprovac und Altwerbaß entzogen.
Charakteristisch ist, daß das Schankrecht in Ernestinovo ohne jeden Grund
auch einer Frau entzogen wurde, die, da sie ja kein Wahlrecht hatte, beim besten
Willen nicht für die Radikalen stimmen konnte. Sehr oft war es genug,
daß in dem betreffenden Gasthaus eine Besprechung oder eine
Wählerversammlung angesagt war und sogleich folgte die Entziehung des
Schankrechts. Außer Gasthäusern wurden auch Fleischbänke,
Mühlen und Druckereien gesperrt.
Dann begann man in vielen Orten in der Vojvodina und in
Syrmien die Waffen Leuten, wie Jagdpächtern und ihren Hegern,
wegzunehmen, welche nach den Vorschriften des Jagdgesetzes Feuerwaffen
tragen müssen, um mit diesen Waffen und keinen anderen das
schädliche Raubwild zu vernichten. Gegen die Verpflichtung, daß er
für die Radikalen stimmen werde, konnte jedermann wieder die
Bewilligung zum Waffentragen erhalten. Die Waffen wurden auch den
Nachtwächtern in großen Industrieunternehmungen
weggenommen.
Je mehr sich der Tag der Wahlen näherte, desto
mehr wuchs die Nervosität der unteren behördlichen Organe, so
daß ihre Ausschreitungen immer ärger wurden und in
Mißhandlungen, Verprügeln und Einsperren ruhiger, angesehener, ja
sogar der besten Bürger ausarteten. So mißhandelte der
Oberstuhlrichter Dusan Nikolic in Backa-Palanka in seiner eigenen Kanzlei den
Obmann unserer Organisation, den Grundbesitzer Josef Müller
aus Neu-Palanka. In demselben Amte wurden mißhandelt Christoph
Schmidt und Peter Ballay aus Bukin, Adam Wildmann und Nikolaus Klees aus
Obrovac um Mitternacht vom 7. auf den 8. Februar 1925 und andere. Der
Oberstuhlrichter von Werschetz Vladimir Rakic mißhandelte im
Gemeindeamt in Georgshausen den Gewerbetreibenden Jakob Krämer, weil
er dem Abgeordneten Grgin, der auf unwahre Weise die Tätigkeit meiner
Abgeordnetenkollegen im vergangenen Parlament kritisierte und diese
Tätigkeit herabsetzte, mit einem harmlosen Zwischenruf ins Wort gefallen
war. Auf ganz unbeschreibliche Weise wurden auf dem Gendarmerieposten in
Ridjica Kaspar Lewang, Anton Stein, Josef Sehn und Jakob Findeis von den
Gendarmen mißhandelt, ohne daß sie irgend etwas verschuldet
hätten, nur darum, weil sie Mitglieder unserer Partei sind. Ridjica, ein Ort
an der äußersten Nordgrenze unseres Königreiches, leidet
schon durch Jahre unter den unbeschreiblichen und unmenschlichen Gewalttaten
und der Mißhandlungswut seitens des Notärs und der Gendarmen,
und die wiederholten Anzeigen, die selbst bis zum Ministerium des Innern gingen,
nützten bisher garnichts. Die Verbrecher in Gestalt von behördlichen
Organen führen bis heute ihre Untaten ungestraft durch. Diese
Straflosigkeit ermutigte den Gemeindenotär in Heufeld zu dem
unerhörten Skandal, daß er dem Abgeordneten
Dr. Wilhelm Neuner den Zutritt in dieses rein deutsche Dorf
verbot und ihn mit Hilfe von Gendarmen und Bajonetten aus dem Dorfe vertrieb,
so daß er mit seinen Wählern nicht ein einziges Wort sprechen
konnte. Dr. Neuner hat allerdings gegen diesen [352] Notär und gegen
den Oberstuhlrichter in Jasa Tomic, der angeblich dem Notär den Auftrag
hierzu gab, die Strafanzeige wegen Verbrechens und Vergehens des
Mißbrauches der Amtsgewalt nach §§ 472 und 475 des
Strafgesetzes für die Vojvodina erstattet, aber wir glauben nicht, daß
der Staatsanwalt und der Gerichtshof in Groß-Kikinda frei und nach ihrer
amtlichen Pflicht dieses Verbrechen untersuchen und die Schuldigen werden
bestrafen können.
Am 31. Januar 1925 wurde das Erscheinen der
Werbasser Zeitung eingestellt und der Schriftleiter des Blattes,
Breitwieser, von der Polizei auf unmenschliche Weise verprügelt.
Die Druckerei wurde gesperrt, dann später aber in Widerspruch mit allen
gesetzlichen und verfassungsmäßigen Vorschriften für dieses
Blatt die »Präventivzensur« eingeführt.
Unbeschreibliche Taten übten im unteren Banat die
sogenannten Cetnici aus, von denen mir Minister Boza Maksimovic kurze Zeit
vor den Wahlen sagte, er wisse nichts von ihnen, das könnten keine echten
Cetnici sein usw. Unterdessen aber hatten acht solche bis an die
Zähne bewaffnete Leute Erlässe des Oberstuhlrichters Ranisavljevic
aus Kovin, womit ihnen erlaubt wird, die Wohnungen unserer angesehensten und
anständigsten Leute in Mramorak zu durchsuchen. Hier ist ein solcher
Erlaß! (Redner zeigt ihn vor.) Diese Cetnici, begleitet von Gendarmen,
durchsuchten die Wohnungen, um »inkriminierte«
Gegenstände und Urkunden zu suchen, - welche, wird im
Erlaß nicht angeführt. Wie kommen Cetnici dazu, eine
Hausdurchsuchung vorzunehmen? Darüber wird uns erst der Herr Minister
des Innern Aufklärung geben müssen. Natürlich fanden sie
nichts, absolut nichts. Aber trotzdem führten sie alle unsere
Ortsausschußmitglieder in die Gemeinde, wo sie ihnen drohten, sie
würden ihnen Frauen und Kinder erschlagen und abschlachten, wenn
nur fünf Kugeln in der Urne unserer Partei gefunden würden. Darauf
schlugen die Cetnici in der Gemeinde mit Revolvern, Gewehrkolben und
Stöcken unsere Volksgenossen blutig, bis sie in Ohnmacht fielen. Es waren
dies Franz Bingel und Jakob Fisler, was dieses ärztliche Zeugnis beweist.
(Zeigt es vor.)
Eine ähnliche Gruppe von Cetnici besuchten den
Ort Franzfeld und drohten vor den Vertretern der Behörde, welche die
Bürger zu einer Versammlung zusammenberufen hatten, ganz offen mit
Messern und Revolvern, daß sie Frauen und Kinder abschlachten und
das Dorf an allen vier Ecken anzünden werden, wenn es nicht
für den nationalen Block stimmen werde. Dieselben Cetnici beunruhigten
das ganze Dorf wiederholt und in der Nacht vor den Wahlen terrorisierten sie bis
über Mitternacht hinaus die Einwohnerschaft.
Mit denselben Drohungen gegen Frauen und Kinder und
mit Brandlegung drohten die Cetnici auch in anderen Orten, so in Plocica, wo sie
im Gemeindehause einen gewissen Konrad Novak solange prügelten, bis
sie ihm das Versprechen abzwangen, für die Radikalen zu stimmen.
Was soll ich erst über das zahllose Einwerfen von
Fensterscheiben sagen, das in so vielen unseren Dörfern bei unseren
angesehensten Leuten bis zum Bundespräsidenten unserer Partei
Dr. Ludwig Kremling mitten in Weißkirchen geschieht,
ohne daß bis heute jemand deswegen gestraft worden wäre!
Nach alledem folgten die Verhaftungen ohne Anlaß
und ohne Schuld. So wurden in Altwerbaß Daniel Bladt, Heinrich Reppert,
Ludwig Kilz und Peter Schneider, in Prigl Sv. Ivan, Franz Bretträger und
Egl, in Neupazua zehn Mitglieder unseres dortigen Ausschusses durch zehn Tage,
in Bukin Christoph Schmidt, Peter Balloy und der
römisch-katholische Pfarrer Booz, in Beska 16 Leute verhaftet. In Backa
Palanka drohte der Oberstuhlrichter dem versammelten Gemeindeausschusse, er
werde der deutschen Bevölkerung den Krieg erklären, wenn nicht
1000 Stimmen für die Radikalen fallen.
Die unerhörteste Tat vor den Wahlen war der
verbrecherische Überfall auf den Abgeordneten Dr. Kraft
und Dr. Graßl sowie auf den Obmann unserer
Ortsorganisation Peter Ka- [353] rius in
Neusiwatz. In dem deutschen Orte Neusiwatz war eine
Wählerversammlung angemeldet worden. Die Leute hatten sich ruhig
versammelt, und da die Redner nicht zur angesagten Zeit eingetroffen waren,
begaben sie sich ebenso ruhig wieder nach Hause. Aber es hatte sich auch eine
Gruppe unverantwortlicher Elemente unter der Führung eines
Gemeindeangestellten eingefunden, welche, nachdem sich das Volk verlaufen,
den Einberufer der Versammlung Karius ohne jeden Anlaß derart
verprügelten, daß er ohnmächtig und blutend zur Erde fiel.
Nach diesem Verbrechen trafen vor Einbruch der Nacht auf einem Auto
Dr. Kraft und Dr. Graßl in Neusiwatz ein. Als sie erfuhren,
was Karius widerfahren sei, wollten sie ihn auf dem Automobil in das
nächste Krankenhaus bringen. Als sie eben daran waren, dieses charitative
Werk auszuführen, wurden sie mitten im Dorf in der Dunkelheit von
demselben aufgehetzten Haufen angehalten und auf ein Zeichen, das mit einem
Revolverschuß gegeben wurde, warfen sie sich auf Dr. Kraft und
Dr. Graßl, um die verbrecherische Tat, die sie an dem
unglückseligen Karius begonnen hatten, an diesen beiden zu vollenden. Im
Augenblick waren beide Unglückliche von einer aufgehetzten Masse von
30 bis 40 Leuten, die alle mit dicken Stöcken und Eisenstäben
bewaffnet waren, umgeben und es begannen die Schläge auf die Opfer zu
hageln. In unerhörter Barbarei schlug man beide auf den Kopf, auf die
Hände, auf den Rücken und auf den ganzen Körper, bis sie
ohnmächtig in ihrem Blute zusammenstürzten und man glaubte,
daß sie erschlagen seien. Auf die Hilferufe kam keine Hilfe. Nirgends war
ein Polizist oder ein Gendarm zu sehen, obwohl sich alles dies mitten im Dorf in
unmittelbarer Nähe des Gemeindeamtes zutrug und obwohl die Organe der
Sicherheit (oder besser der Unsicherheit) und beide Notäre aus
Alt- und Neusiwatz wissen mußten, daß jemandem etwas drohe, denn
niemals bis zu diesem Tage war in Neusiwatz vor dem Kasino mitten im Ort, ein
bis zwei Kilometer entfernt von Altsiwatz, eine derartige Menge von
Dobrowoljzen und Mitgliedern der Srnao versammelt wie an diesem Tage.
Dr. Kraft schwebte eine Woche zwischen Leben und Tod, beinahe sechs
Wochen mußte er im Sanatorium im Bett zubringen, er ist auch heute noch
nicht vollkommen hergestellt und trägt an der Stirne die sichtbaren
Schandzeichen der freien Wahlen. Aber bis heute ist noch niemand ernstlich
zur Verantwortung gezogen, geschweige denn bestraft worden, und wir sind
neugierig, ob denn auch irgend jemand bestraft werden wird.
Ein besonderer Trick der Anhänger der
Regierungspartei waren die gefälschten Plakate, welche am Tage vor den
Wahlen und am Wahltage selbst unter unsere Wähler verteilt wurden.
Sehen Sie her, meine Herren, wie in diesem Plakat (Redner zeigt ein mit
"Dr. Graßl" unterfertigtes Plakat), welches unter den Deutschen in
Neupazua mit der gefälschten Unterschrift Dr. Graßls verteilt
wurde, von seiten der königlichen Regierung den Deutschen deutsche
Schulen, Rückstellung des Grundes und Bodens, der dem deutschen Volke
in deutschen Gemeinden weggenommen worden war, versprochen wird. Sehen
Sie, wie gedroht wird, man werde ihnen ihren Privatbesitz und ihre Häuser
und alle ihre Rechte wegnehmen, wenn es zu Unruhen kommen sollte. Sehen Sie,
welcher Mißbrauch mit dem Namen Sr. Majestät des
Königs Alexander I. getrieben wird. Hier, meine Herren, eine weitere
Fälschung mit der angeblichen Unterschrift Dr. Krafts, in welchem
mit Terror, Attentaten und Blutvergießen gedroht wird und die
Wähler aufgefordert werden, nicht zur Wahl zu gehen. Bezeichnend ist
das Versprechen, daß alle brutalen Gesetzwidrigkeiten dem
Völkerbunde angezeigt würden. Hätten wir dies letztere
gesagt, so würden Sie uns heute an das Kreuz schlagen; wenn aber
Ihre Agenten den Glauben unserer deutschen Bevölkerung zu unseren
Behörden untergraben und ihr versprechen, daß sie nur beim
Völkerbund Hilfe finden könne, dann rühren Sie keinen
Finger, um den Fälscher ausfindig zu machen. Hier noch ein [354] Flugblatt aus dem
Somborer Wahlkreise, in welchem mit agents provocateurs, mit
unverantwortlichen Elementen gedroht wird, von denen in diesem Flugblatte
zugegeben wird, daß sie von den Behörden unterstützt und
angespornt werden. Weiters wird mit Gewalt, mit Verbrechen,
Blutvergießen und Brandlegung gedroht. Alles dies sind indirekte
Geständnisse ihrer Anhänger, daß Gewalttaten, Terror und
Drohungen der ärgsten Art verwendet werden, die sie dann auch
tatsächlich ausübten.
Sie werden die Frage stellen, warum wir dagegen nicht
Beschwerden oder Klagen eingebracht haben. Wir taten dies darum nicht, weil
auch wir den Glauben verloren haben, daß sich ein Forum finden wird,
welches sich mit diesen Klagen und Beschwerden ernstlich befassen, die
Schuldigen suchen und sie bestrafen würde.
Der Wahltag selbst brach in diesem Zeichen der Unruhe
der Wählermassen an, die schon durch soviel Wochen beständig
beunruhigt, aufgereizt, eingeschüchtert, mißhandelt und von den
Organen aller Behörden verprügelt wurden, nur damit das Ergebnis
der Wahlen so ausfallen möge, wie es beide herrschenden Gruppen
wünschten. Obwohl § 63 des Wahlgesetzes klar vorschreibt,
daß es ausschließlich in die Befugnis des Wahlausschusses
gehöre, die Identität der einzelnen Wähler festzustellen, wurde
doch in aller Frühe des Wahltages von Gemeindeangestellten die Nachricht
verbreitet, daß niemand ohne Legitimation abstimmen könne, welche
jedem einzelnen Wähler der Notär auszustellen habe. Den
Anhängern der Regierung wurden die Legitimationen noch vor Beginn der
Wahl zugestellt, die übrigen Wähler mußten bis gegen Abend
warten, und die Mehrzahl derselben konnte die Legitimationen nicht erwarten,
weil jede halbe Stunde nur eine ausgestellt wurde. Den
Nichtanhängern der Regierung gab sie der Notär, den Radikalen oder
selbständigen Demokraten teilten sie die Parteikortesche aus, welche sie,
wie in Apatin und anderen Orten, in der Tasche hatten. Die Eingänge zum
Wahllokal, die Gassen, ja ganze Orte waren abgesperrt und verbarrikadiert durch
bewaffnete Gruppen von Leuten, welche irgendeine Kontrolle ausübten und
nur Leute mit Legitimationen durchließen, während solche, die keine
Legitimationen hatten, mißhandelt wurden, wie zum Beispiel in
Backi-Brestovac. Hunderte und Tausende von Wählern wurden auf
diese Weise an der Abstimmung verhindert."
So weit die Rede des Abgeordneten Moser. Sie wurde von den slawischen,
d. h. von den serbischen, kroatischen und slowenischen Abgeordneten teils
mit Lärm, teils mit Nichtbeachtung oder verletzenden Zwischenrufen
aufgenommen. Am Schluß wird in dem stenographischen Sitzungsbericht
"schallendes Gelächter" verzeichnet. Solches Gelächter richtet
sich selbst. Aus der Rede des Abgeordneten Dr. Stephan
Kraft vom 28. Februar sei das Folgende wiedergegeben:
"...Die deutsche Minderheit lebt in
Verhältnissen, die nicht nur darin den Forderungen der Verfassung und des
internationalen Rechtes widersprechen, daß sie nicht die bürgerliche
Gleichberechtigung besitzt, sondern daß sie nicht einmal im Rechtsschutz
gleichgestellt ist. Insbesondere wo Parteirücksichten in Frage kommen,
steht diese Minderheit außerhalb des Gesetzes.... Eine der schwersten
Verletzungen der Rechtsordnung, einer der schwersten Angriffe auf die Sicherheit
des Lebens und der persönlichen Freiheit war der Überfall auf
Bewohner von Lazarfeld und Martinsfeld. Am 1. Mai 1924 haben etwa hundert
Bürger aus diesen zwei Dörfern ruhig ihre Feldarbeiten verrichtet, als
20 bis 30 Wagen mit bewaffneten Leuten dahergefahren kamen, die sie
mit Schießwaffen angriffen. Die jüngeren Männer entflohen
vor den Angreifern, die übrigen aber, etwa 30 oder 40 Jahre alte
Männer, die nicht entfliehen konnten, wurden mit Kolben, Messern
und anderen Waffen so miß- [355] handelt, daß
16 von ihnen schwer verletzt wurden, so daß sie zwei bis drei Monate
das Bett hüten mußten und kaum mit dem Leben davonkamen.
Obwohl deswegen eine Klage eingebracht wurde, ist darüber nicht
einmal eine Untersuchung eingeleitet worden. Es wurde die Anzeige bei der
Staatsanwaltschaft erstattet und der Fall auch dem Justizministerium angezeigt,
aber bis zum heutigen Tage ist in der Sache, obwohl nun fast zwei Jahre
vergangen sind, nichts geschehen, um der Rechtsordnung Genüge zu
tun.
Die Nachlässigkeit in der Verfolgung so schwerer
Verbrechen führt zur Erschütterung des
Rechtsbewußtseins in den breitesten Schichten des Volkes, so
daß heute Tausende von Menschen, besonders in der Vojvodina, in der
Überzeugung leben, daß sie die sogenannten »anationalen
Elemente« straflos überfallen dürfen.
Als Beispiel dafür kann der Fall in Stanischitz
dienen, wo ich am 25. Januar 1925 eine Versammlung abhielt, die von 20 bis 30
»Cetnici« gestört wurde. Auf die Aufforderung, das Gesetz
zu achten, antworteten diese zynisch: »Was für ein Gesetz? Es
gibt kein Gesetz! Wenn wir wollen, können wir euch
erschlagen.«...
Ich selbst wurde vor der Wahl am 25. Januar 1925 im
Dorfe Siwatz von einer Rotte von 20 bis 25 bewaffneten Leuten überfallen
und halbtot geschlagen, so daß ich infolge der Gehirnerschütterung,
die dadurch eingetreten war, drei Wochen lang in Lebensgefahr schwebte. Die
Staatsanwaltschaft leitete auch notgedrungen eine Untersuchung ein, in der der
Bezirksrichter an Ort und Stelle feststellte, daß das Verbrechen der
öffentlichen Gewalttätigkeit mit Verwendung von Mordwaffen
vorliege. Es wurde auch angeordnet, daß die Anführer des
verbrecherischen Überfalles verhaftet und nach Sombor in den Arrest
gebracht werden.
Obwohl aber durch 17 Zeugen unzweifelhaft
nachgewiesen wurde, daß diese mit dem Unternotär der Gemeinde
Siwatz an der Spitze die Verbrecher waren, wurden sie doch nach zwei Tagen auf
ungesetzliche Weise freigelassen.
Sie hatten nämlich beim Gerichtshofe in Sombor
gegen die Haftverfügung des Bezirksgerichtes Beschwerde eingelegt. Nach
der Strafprozeßordnung hatte aber niemand mehr das Recht, außer
dem Anklagesenat, in den Gang des Strafverfahrens einzugreifen. Was ist aber
geschehen? Der Akt der Haftverfügung ist bis heute nicht an den
Anklagesenat des Somborer Gerichtshofes gelangt, sondern der Staatsanwalt
hat ihn einfach in die Lade gesteckt, wo er liegen geblieben
ist...."
Mit diesem Zeugnis können wir unser Kapitel über die Lage des
Deutschtums in Jugoslawien beschließen. Unter allen deutschen
Minderheiten in Europa ist die in dem Königreich der Serben, Kroaten und
Slowenen am meisten der Gewalt im physischen, brutalsten Sinne des Wortes
ausgeliefert. Typisch ist ein Vorgang, der im September 1925
anläßlich einer Nachwahl in einem Dorf in der Vojvodina stattfand.
Der Ort war bei der endgültigen Grenzregulierung nachträglich an
Jugoslawien gekommen; daher geschah die Wahl nicht schon im Februar. Um alle
Störungen zu vermeiden, beschlossen die Deutschen, auf die Aufstellung
eines Kandidaten und auf jede Wahlagitation zu verzichten und einfach den
Regierungskandidaten zu wählen. So geschah es. Nach der Wahl, bei der
Siegesfeier, vergnügten sich die Serben unter Führung des
Abgeordneten und des leitenden Staatsbeamten damit, daß sie den
"Schwaben", die ihre Stimme für den Regierungskandidaten abgegeben
hatten, die Fenster einschlugen und einen alten, angesehenen [356] deutschen Einwohner
in das Festlokal schleppten und dort mißhandelten. Die auf das
äußerste empörten deutschen Einwohner rotteten sich
zusammen und befreiten den Mißhandelten. Auf ihre Beschwerde bei der
Regierung wurde ein großes Gendarmerieaufgebot in das Dorf geschickt,
um die "deutschen Aufrührer" zu bestrafen. Man nahm die angesehensten
Einwohner fest und schleppte sie auf die Wache, wo sie in einer Weise, die an die
schlimmsten Zeiten des Dreißigjährigen Krieges erinnert, gefoltert
wurden. Einer der Mißhandelten wurde geistesgestört. Ein Mann, der
schon entlassen war und nochmals zur Wache geholt werden sollte,
erhängte sich, um durch den Tod den Mißhandlungen zu entgehen.
Das Verbrechen ist bis heute noch nicht gesühnt. Der Vorfall ist
einwandfrei beglaubigt. Bei dem Blutbad von Lazarfeld am 2. Mai 1925 handelte
es sich um einen Streitfall, wem der Besitz gehört, den deutschen
Pächtern oder den Dobrovoljzen, den früheren serbischen
Kriegsfreiwilligen. Vom Gericht erster Instanz war er zugunsten der
Pächter entschieden worden, aber das Gericht zweiter Instanz verwarf das
Urteil. Darauf rückten die 200 bewaffneten Dobrovoljzen an und
eröffneten das Feuer gegen die Deutschen. Auch dies Vorgehen ist typisch
für den Serben. Mit dieser Gesinnung, der es das Natürlichste
ist, zur Gewalt zu greifen, haben die Deutschen dauernd zu rechnen. Es gibt
keine andere Möglichkeit, Hilfe und Recht für das Deutschtum zu
schaffen, als die Öffentlichkeit.
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