[322] VIII. Die
politischen Parteien und die Anschlußfrage
Univ.-Prof. Dr. Karl Gottfried Hugelmann,
Vorsitzender-Stellvertreter des Bundesrates (Klosterneuburg bei
Wien)
Die Forderung nach dem Zusammenschluß geht von
Österreich aus Entstehung der politischen Parteien
Deutschösterreichs Die politischen Parteien der
Provisorischen Nationalversammlung
Deutschösterreichs Deutschösterreichs Parteien
und Wilsons Friedensprogramm Donauföderation oder
Anschluß Monarchie oder Republik Der
Deutsche Nationverband Die Sozialdemokratische
Partei Die Großdeutsche Volkspartei Der
Landbund für Österreich Die
Christlichsoziale Partei Ignaz Seipel Die
politischen Parteien des Deutschen Reiches Die Parteien der
Weimarer Nationalversammlung Stellung zur
Anschlußfrage Die Parteien Deutschlands und
Österreichs einmütig für den
Zusammenschluß.
Will man die Stellung der reichsdeutschen und der österreichischen
Parteien zum Problem des Zusammenschlusses Österreichs mit dem
Deutschen Reich ins Auge fassen, so empfiehlt es sich wohl, bei dieser
Erörterung von den österreichischen Parteien auszugehen; denn es ist
historische
Tatsache – und diese sollte auch aus politischen Gründen immer ins
volle Licht gestellt
werden –, daß das Verlangen nach dem Anschlusse von
Österreich ausgegangen ist. Um die Anschlußbewegung an ihrer
Wurzel zu erfassen, müssen daher zunächst die
österreichischen Parteien in ihrem Verhalten zum Anschlusse betrachtet
werden.
Die heutigen österreichischen Parteien sind im großen und ganzen
lange vor dem Zusammenbruche des Jahres 1918 auf dem Boden des alten
Österreich, der österreichischen Reichshälfte der
Doppelmonarchie, entstanden und in die Republik mit herübergenommen
worden. Der deutsche Teil des österreichischen Abgeordnetenhauses
bildete ja im Jahre 1918 die provisorische Nationalversammlung, die mit
Beschluß vom 21. Oktober 1918 den deutschösterreichischen
Staat konstituierte. Es waren hier also von vornherein die noch in der
Monarchie entstandenen Parteien vertreten, die im Weltkrieg ihre letzte
geistige Formung erhalten hatten, und diese alten Parteien standen nun
völlig neuen Verhältnissen gegenüber. In der provisorischen
deutschösterreichischen Nationalversammlung vom 21. Oktober
1918 waren folgende Parteien vertreten: die Sozialdemokratische Partei
("Deutsche Sozialdemokratie Österreichs"); die Christlichsoziale Partei
("Christlichsoziale Vereini- [323] gung deutscher
Abgeordneter"); die Deutschösterreichische Unabhängigkeitspartei;
der Verband deutschfreiheitlicher Wiener Abgeordneter; die
Nationalsozialistische Arbeiterpartei und der "Verband der deutschnationalen
Parteien". Der letztgenannte Verband umfaßte die Abgeordneten der
ehemaligen Deutschen Fortschrittspartei (die Überreste der alten, einst so
mächtigen Liberalen Partei) und der Deutschen Volkspartei, welche
innerhalb des sogenannten Nationalverbandes keine eigenen Parteiorganisationen
aufrecht erhielten; ferner die Deutschradikalen und die Deutschen Agrarier,
welche beide innerhalb des Nationalverbandes selbständige
Parteiorganisationen bildeten. Die Deutschösterreichische
Unabhängigkeitspartei war vor dem Krieg aus einigen Dissidenten der
Christlichsozialen Partei und einigen Agrariern gebildet worden und hatte sich
damals Deutsches Zentrum genannt; nunmehr bezeichnete sie sich als
Deutschösterreichische Unabhängigkeitspartei.
Diese Parteien sahen sich ganz unvermittelt beim Umsturze vor die Frage
des Schicksals der deutschösterreichischen Länder gestellt, die nun
aus ihrem historischen Zusammenhange völlig herausgerissen waren. Alle
anderen Nationalitäten, Tschechen, Ungarn, Südslawen, hatten schon
ihre eigenen Nationalstaaten gegründet. Auch die deutschen Abgeordneten
mußten daher an die Einrichtung eines deutschösterreichischen
Staatswesens schreiten. Parteimäßige Vorbereitungen hiezu waren
freilich nicht möglich, es mußte binnen wenigen Tagen Stellung
genommen werden. Diese Stellungnahme zu den kommenden Geschicken der
Deutschen in Österreich erfolgte in der konstituierenden Sitzung der
provisorischen österreichischen Nationalversammlung in Wien am
21. Oktober 1918, ferner in den Sitzungen dieser Versammlung vom
30. Oktober und vom 12. November 1918, wobei fast nur mehr die
notwendigen Folgerungen aus den sich überstürzenden Ereignissen
gezogen wurden. Von den in der provisorischen Nationalversammlung
vertretenen, aus der Zeit des alten Staatsverbandes stammenden Parteien
formulierten in der Sitzung vom 21. Oktober zuerst die Sozialdemokraten
durch Dr. Viktor Adler ihr Programm, in welchem sie die Bildung der
Nationalstaaten der nichtdeutschen Völker Österreichs
begrüßten, aber gleiche Rechte mit ihnen auf Grundlage des
Selbstbestimmungsrechtes für die Deutschen Österreichs verlangten.
Deutschösterreich sollte ein deutscher Volksstaat sein (Deutlicheres war
über die Staatsform noch nicht gesagt) mit freier selbständiger
Regelung der Beziehungen zu den Nachbarn.
Zu- [324] nächst sollte
man mit diesen einen freien Völkerbund zu schließen versuchen; falls
dies aber nicht möglich wäre, werde Deutschösterreich, das
wirtschaftlich sich nicht zu halten vermöge, gezwungen sein, "sich als ein
Sonderbundesstaat dem Deutschen Reiche einzugliedern". In der Sitzung vom
12. November 1918 konnte der Vertreter der Sozialdemokraten
Dr. Renner bereits mitteilen, daß die Verhandlungen des Staatsrates
mit den anderen Nationalitäten zu keinem Ziel geführt hätten
und die Partei daher uneingeschränkt den Artikel 2 des Gesetzes, der
Deutschösterreich zum Bestandteile der deutschen Republik erklärte,
vertrete auf Grund der
Stammes- und Schicksalsgemeinschaft mit dem deutschen Volke. Die
Christlichsoziale Partei erklärte durch Abgeordneten Schraffl am
21. Oktober ihr grundsätzliches Festhalten an der monarchischen
Regierungsform auf demokratischer Grundlage und die Bereitwilligkeit zur
Vereinigung mit den anderen Nationalstaaten in einem Bundesstaate, dies unter
voller Wahrung der nationalen Interessen des deutschen Volkes. In der Sitzung
vom 30. Oktober verlas Abgeordneter Schraffl eine Erklärung des
Tiroler Nationalrates, in der auf das entschiedenste für die Republik
eingetreten wurde, und Abgeordneter Miklas erklärte namens der Partei am
12. November die Bereitwilligkeit derselben zur Stützung der neuen
Staatsautorität. Von der staatsrechtlichen Stellungnahme zum Deutschen
Reiche wurde in den Parteierklärungen der Christlichsozialen nicht
ausdrücklich gesprochen, aber es war selbstverständlich geworden,
daß auch die Christlichsozialen die Einfügung
Deutschösterreichs in den gesamtdeutschen Staatsverband nicht ablehnten,
indem Artikel 2 des Gesetzes von der gesamten Nationalversammlung
einstimmig angenommen wurde. Die Deutschösterreichische
Unabhängigkeitspartei ließ durch Freiherrn von Pantz am
21. Oktober erklären, daß sie für die
demokratisch-konstitutionelle Monarchie eintrete gemäß dem
Zweikammersystem, wobei die eine Kammer nach dem allgemeinen, gleichen und
direkten Wahlrecht gewählt sein sollte, während die zweite neben
derart gewählten Mitgliedern auch Vertreter der Erwerbsgruppen und
Fachleute umfassen sollte. Die Errichtung eines Bundesstaates mit den
übrigen Völkern der Monarchie wird abgelehnt; dafür solle
mit dem Deutschen Reiche das innigste Verhältnis bestehen, da der Hort
Deutschösterreichs die Gemeinschaft des europäischen Deutschtums
sei. In der Sitzung vom 30. Oktober brachte Pantz diesen Gedanken der
deutschen Schicksalsgemeinschaft noch deutlicher zum Ausdrucke. Die
deutschfreiheitlichen Wiener [325] Abgeordneten
ließen durch Dr. Ofner erklären, daß sie nur eine
Zusammenfassung aller Deutschen Österreichs anstrebten, während
die Nationalsozialistische Arbeiterpartei durch Abgeordneten Knirsch jedes
Zusammengehen mit den Slawen Altösterreichs ablehnte und bereits in der
Sitzung vom 21. Oktober 1918 den staatsrechtlichen Anschluß
Österreichs als Bundesstaat an das Deutsche Reich klipp und klar forderte;
nur der deutsche Einheitsstaat sei Rettungsmöglichkeit für
Österreich. Die größte Parteigruppe in der provisorischen
Nationalversammlung mit etwa 100 Abgeordneten, der Verband der
deutschnationalen Parteien, forderte durch Abgeordneten Dr. Steinwender
am 21. Oktober und durch Dr. Waber am 30. Oktober ohne
definitive Stellungnahme zur Regierungsform engstes Zusammengehen mit dem
Deutschen Reich.
Es war naheliegend, daß der Deutsche Nationalverband und die
Nationalsozialistische Arbeiterpartei zuerst und am klarsten den Anschluß
an das Deutsche Reich als das nationalpolitische Ziel des nach dem
Zusammenbruch übriggebliebenen Deutschösterreich proklamierten.
Im Nationalverbande saßen ja die Deutschradikalen, welche aus der
Schönerer-Bewegung hervorgegangen waren, sich zwar von
Schönerer persönlich losgesagt hatten, beziehungsweise von ihm
nicht mehr anerkannt waren, aber den Gedanken einer Eingliederung der
Deutschen Österreichs in das Reich schon vor dem Kriege verlangt hatten.
Auch die Deutsche Volkspartei hatte viele Mitglieder gezählt, deren Ideal
wenigstens in ihrer Jugend die staatsrechtliche Vereinigung mit dem Deutschen
Reiche gewesen war. Ebenso war die Nationalsozialistische Arbeiterpartei schon
vor dem Kriege diesem Gedanken nahegestanden. Wohl war während des
Krieges bei dem festen Bündnis zwischen dem Reich und der
österreichisch-ungarischen Monarchie und dem Kampfe gegen die
slawische Übermacht im Osten diese Richtung mehr in den Hintergrund
getreten und hatte einer Auffassung Platz gemacht, die ein Fortbestehen der
Österreichisch-ungarischen Monarchie unter einer wiederherzustellenden
Führung der Deutschen in Österreich für möglich und
wünschenswert hielt. Aber es war nichts natürlicher, als daß
nun nach dem für die Deutschen so unheilvollen Ausgange des Krieges die
alten Gedanken sofort wieder die Oberhand gewannen.
Wesentlich anders lagen die Dinge bei der Sozialdemokratischen Partei. Diese
hatte sich im Brünner Programm (1899) eingehend mit der Einrichtung des
österreichischen Staates [326] befaßt und sich
für nationale Autonomie und Konstituierung der Nationen als
öffentlich-rechtlicher Körperschaften ausgesprochen. Aber auch die
innere Parteiorganisation selbst war schon auf dem VI. Parteitag 1897 nach
nationalen Gesichtspunkten gegliedert worden, so daß z. B. der
Parteitag nach dem Organisationsstatut sich aus den Vertretern der deutschen,
tschechischen, polnischen usw. Organisationen zusammenzusetzen hatte.
Diese Organisationen selbst hielten auch gesonderte Parteitage ab (die deutsche
den ersten 18981). In dieser Richtung, die konsequent bis
zum Kriege festgehalten wurde, setzten sich die Gedanken durch, die
insbesondere von dem späteren Staatskanzler Dr. Renner in seinen
bekannten, unter dem Pseudonym Springer erschienenen Schriften, deren hohe
Bedeutsamkeit auch der politische Gegner anerkennt, vertreten worden waren.
Weniger in der Öffentlichkeit bemerkt wurde eine andere Richtung in der
österreichischen Sozialdemokratie, welche unter der Führung des
damals noch jungen Dr. Otto Bauer stand, der zu jener Zeit
keinerlei größere Stellung in der Sozialdemokratischen Partei
bekleidete. Dieser legte seine den großdeutschen Gedankengängen
Rechnung tragenden Ideen in dem Werk: Die Nationalitätenfrage und
die Sozialdemokratie (Wien 1907), nieder. Der Kampf dieser beiden
Richtungen spiegelt sich noch in der Stellungnahme der Sozialdemokratischen
Partei nach dem Zusammenbruche, wie wir sie hier skizziert haben.
Dr. Otto Bauer begleitete diese Auseinandersetzung in der Partei mit einer Reihe
von gehaltvollen Artikeln in der
Arbeiter-Zeitung. Man kann wohl sagen, daß in der Zeit zwischen
dem 21. Oktober und dem 12. November 1918 unter der Wucht der
Tatsachen die Ansicht Dr. Otto Bauers sich vollständig
durchsetzte, was in nichts deutlicher zum Ausdrucke kam, als darin, daß am
12. November gerade Staatskanzler Dr. Renner sich dieselbe
völlig zueigen machte. Seit diesem Tage kann der Anschluß an das
Deutsche Reich als ein von der Sozialdemokratischen Partei Österreichs
einhellig vertretener Punkt ihres
Parteiprogramms – das letzte Programm, das sich wieder klar zum
Anschlusse bekennt, ist das 1926 in Linz revidierte und
beschlossene – bezeichnet werden.
Aus den Kreisen, die den Deutschen Nationalverband gebildet hatten, ging nach
mehrfachen Zwischenbildungen, die hier nicht näher [327] ausgeführt
werden können und sollen, in der konstituierenden Nationalversammlung
die Vereinigung großdeutscher Abgeordneter hervor, welche
schon in ihrem Namen den Anschluß an das Deutsche Reich als das erste
Ziel ihres Programms bezeichnete, wobei allerdings bemerkt werden muß,
daß das Parteiprogramm in anderer Beziehung konkrete, mit dem
Anschluß an das Deutsche Reich in keinem Zusammenhange stehende
Punkte enthält, die es ausschließen, daß sich jemand
lediglich mit Rücksicht auf die im nationalen Sinne
großdeutsche Gesinnung dieser Partei anschließt. Dies muß
hervorgehoben werden, damit nicht aus der relativen Kleinheit dieser Gruppe,
welche um so deutlicher in Erscheinung trat, seit sich von ihr der deutsche
Landbund für Österreich loslöste, nicht
gänzlich falsche Schlüsse auf den Anschlußwillen des
österreichischen Volkes gezogen werden. In den Richtlinien deutscher
Politik vom Jahre 1920 gibt die Großdeutsche Volkspartei
(S. 11) als ihr Hauptziel den Anschluß Österreichs an das
Deutsche Reich an. Bis zu dessen Verwirklichung sei die Angleichung der
Rechts-, Wirtschafts- und Verwaltungseinrichtungen möglichst
durchzuführen. In ähnlichem Sinne sagt der Landbund im
§ 8 seiner im Jahre 1925 formulierten programmatischen
Grundsätze, daß sein außenpolitisches Ziel der
Zusammenschluß aller deutschen Stämme im geschlossenen
Sprachgebiete zu einem einigen deutschen Reiche bilde.
Am schwierigsten war es der Natur der Dinge nach für die
Christlichsoziale Partei, zu einer klaren Stellungnahme in bezug auf das
Anschlußprogramm zu kommen. Diejenigen Kreise, die im Frieden in
dieser großen, am stärksten in den Alpenländern, aus denen ja
das neue Österreich geformt wurde, bodenständigen Partei vereinigt
waren, waren die bewußtesten Träger des österreichischen
Staatsgedankens unter den Deutschösterreichern gewesen. Nicht im
entferntesten lag es so, als ob ihnen das Bewußtsein ihrer deutschen
Volksverbundenheit gefehlt hätte, aber sie waren der tiefen
Überzeugung, daß der Bestand des alten Österreich
beziehungsweise der
österreichisch-ungarischen Monarchie im Interesse des gesamten
Deutschtums gelegen war, und sie konnten sich hiefür auf keinen
geringeren als auf den Fürsten Bismarck
und ganz besonders auf dessen an
die deutschnationalen Studenten bei ihrer Huldigungsfahrt nach Friedrichsruh
gehaltene Rede als Zeugen berufen. Das feste völkerrechtliche
Bündnis zwischen der Monarchie und dem Deutschen Reiche war geeignet,
diese Richtung zu bestärken, wenn auch unter [328] den Christlichsozialen
die letzten Vertreter jener Tradition zu finden waren, die in den Jahren 1848 bis
1866 den großdeutschen Gedanken im weitesten Umfange vertreten und
eben deshalb die Bismarcksche Lösung als kleindeutsch abgelehnt
hatten. Der Eintritt Österreichs in den
Weltkrieg Schulter an Schulter mit
dem Reich und der Verlauf der ersten Kriegsjahre mußten der hier
geschilderten politischen Auffassung einen mächtigen Auftrieb geben, wie
ja schon oben bemerkt wurde, daß sogar andere Parteien, die weniger in
diesem Gedankenkreise wurzelten, davon nicht unberührt blieben.
Nicht daß es für die Christlichsoziale Partei schwerer als für
die anderen österreichischen Parteien war, aus dem Kriegsausgange sofort
alle Konsequenzen zu ziehen, kann wundernehmen, das Gegenteil
müßte wundernehmen. So wäre es sinnlos, zu leugnen,
daß innerhalb der Christlichsozialen Partei um eine einheitliche und klare
Stellungnahme zum Anschlußproblem in den ersten Jahren der Republik
schwer und ernstlich gerungen wurde. Während die christlichsoziale
Länderpresse zum sehr großen Teile der ersten und
stürmischen Anschlußbewegung in Österreich
gegenüber positiv eingestellt war, nahm die Reichspost eine mehr
als zurückhaltende Stellung ein, wobei allerdings zu bemerken ist,
daß dieses bedeutende Blatt, wenn es auch das christlichsoziale Programm
vertritt und die christlichsozialen parteiamtlichen Verlautbarungen
veröffentlicht, überhaupt zu der Partei in einem sehr vertrauensvollen
Verhältnis steht, doch nicht den Weisungen irgendeiner Parteiinstanz
untersteht. In der christlichsozialen Publizistik trat die Meinungsverschiedenheit
innerhalb der Partei besonders klar zutage, solange (Mai 1919 bis März
1922) der Verfasser dieser Zeilen als Herausgeber des Deutschen
Volksblattes dieses als ausgesprochen christlichsoziales, dabei aber
prinzipiell für den Anschluß kämpfendes Blatt
führte. Die Stellungnahme hervorragender Mandatare bei den Wahlen, die
Wahlaufrufe verschiedener Gruppen und Landesparteileitungen wiesen in bezug
auf die Anschlußfrage sehr verschiedene Abstufungen auf. In den
programmatischen Erklärungen der Gesamtpartei vermied man es bis zum
Jahre 1926, die Frage ausdrücklich zu berühren.
Wenn man all dies unumwunden zugibt, ist es aber notwendig, und zwar gerade
im Interesse der Anschlußsache notwendig, einige andere Punkte klar
festzustellen. Erstens hat, wie schon erwähnt, in dem Augenblick, in dem
die Partei zu einer offiziellen Stellungnahme in der Volksvertretung
genötigt war, doch der ganze Klub sich einhellig [329] für den
Anschluß ausgesprochen; zweitens ist festzuhalten, daß aus dieser
Zeit des Schwankens zwar sehr verschieden abgestufte Erklärungen zur
Anschlußfrage aus dem christlichsozialen Lager vorliegen, daß
darunter aber keine einzige ist, welche den Anschluß prinzipiell ablehnt,
hingegen eine große Zahl von solchen, welche ausdrücklich für
den Anschluß Stellung nehmen. Schließlich waren schon an der ersten
stürmischen Anschlußbewegung, welche sich in den
Volksabstimmungen äußerte, christlichsoziale Mandatare in
hervorragender Weise beteiligt: der damalige Landesrat Dr. Steidle in Tirol
und der damalige Landeshauptmannstellvertreter Dr. Rehrl in Salzburg.
Und wenn es auch sicher ist, daß bei der Abbremsung dieser
Abstimmungsbewegung nach einer schweren Krise im Parlament und innerhalb
der Partei selbst die Führung der Gesamtpartei, insbesondere der
spätere Bundeskanzler Dr. Seipel, entscheidend eingriff, so darf doch
nicht übersehen werden, daß sich zu der Notwendigkeit dieser
augenblicklichen Zurückstellung der Anschlußfrage bald darauf bei
der Einleitung der Sanierungspolitik auch überzeugte
Anschlußanhänger, ja sogar die Großdeutsche Volkspartei
bekannten. Und dafür, daß die erdrückende Mehrzahl auch der
christlichsozialen Wählerschaft, was das Endziel anlangt, für den
Anschluß an das Reich ist, ist gerade Bundeskanzler Seipel, der die
Stimmung in seiner Partei gewiß am allerbesten kennt, ein Kronzeuge,
indem er wiederholt öffentlich erklärte, wenn das
österreichische Volk über den Anschluß abzustimmen habe,
werden sich 95% für den Anschluß erklären.
Es kann denn auch festgestellt werden, daß bei dem Wiederaufleben der
Anschlußbewegung in neuen Formen nach der erfolgreichen Beendigung
der Sanierung, welche sich tatsächlich als ein Weg zur
größeren Freiheit Österreichs bewährt hatte,
christlichsoziale Mandatare sich lebhaft an derselben beteiligten. Sie sind heute
sowohl im
Österreichisch-deutschen Volksbund als auch mehr noch in der
Österreichisch-deutschen Arbeitsgemeinschaft tätig. Die Partei selbst
und ganz besonders in zielbewußter und nachdrücklicher Weise
Bundeskanzler Seipel an der verantwortungsvollsten Stelle des Staates haben alle
Angleichungsarbeiten, die an anderer Stelle dieses Buches behandelt werden,
gefördert. Nur als ein ganz besonderes Verdienst, welches dem
persönlichen Eingreifen des Bundeskanzlers Dr. Seipel zu verdanken
ist, nenne ich den
preußisch-österreichischen Beamtenaustausch. Die Partei selbst hat in
dem ersten authentischen Parteiprogramm nach dem Zusammenbruche, welches
am 31. Dezember [330] 1926
veröffentlicht wurde und deshalb als Sylvesterprogramm bezeichnet wird,
laut Punkt 8 folgende Formulierung festgelegt: "Als national gesinnte
Partei fordert die Christlichsoziale Partei die Pflege deutscher Art und
bekämpft die Übermacht des zersetzenden jüdischen
Einflusses auf geistigem und wirtschaftlichem Gebiete. Insbesondere verlangt sie
auch die Gleichberechtigung des deutschen Volkes in der europäischen
Völkerfamilie und die Ausgestaltung des Verhältnisses zum
Deutschen Reich auf Grund des Selbstbestimmungsrechtes." Es mag
zugegeben werden, daß auch hiedurch die Mitglieder der Partei nicht
geradezu auf den Anschluß in dem herkömmlich verstandenen Sinne
des Wortes, die staatsrechtliche Vereinigung mit dem Reiche, verpflichtet werden;
aber es ist einerseits zu beachten, daß das ganze Programm auch in anderen
Fragen eine möglichst breite Plattform geschaffen hat, die es
Flügelgruppen ermöglicht, ohne Gewissenszwang in der Partei
mitarbeiten zu können, und anderseits enthält die hier zum
Parteiprogramm erhobene Formulierung doch die absolute Bekämpfung des
Anschlußverbotes und darüber hinaus das Bekenntnis dazu,
daß eine Ausgestaltung des Verhältnisses Österreichs
zum Reiche, also die Herstellung engerer Beziehungen, als sie in der heutigen
Form möglich sind, ein Mindestziel ist. Weiter ist von
außerordentlicher Bedeutung die von Bundeskanzler Dr. Seipel am
27. Juli 1928 im Parlament in einer Polemik gegen den jugoslawischen
Außenminister Marinkovic gehaltene Rede. Diese Rede, welche bei der
überragenden Stellung des Redners überhaupt und ganz besonders im
Zeitpunkte der Rede innerhalb der Partei gewiß als von der Gesamtpartei
getragen angesehen werden kann, ist so wichtig, daß ich es für
notwendig halte, die wesentlichen Stellen derselben anzuführen. Sie lauten:
"Was wir, wenn solche (gegen
den Anschluß gerichtete) Erklärungen
auch jetzt wieder abgegeben wurden, aus ihnen lernen können, ist,
daß es nicht an der Zeit ist, mit einer Erfüllung des
Anschlußgedankens zu rechnen, und daß es auch gar nicht an der Zeit
ist, selbst diesen Gedanken in öffentlichen Aussprachen mehr in den
Vordergrund zu rücken, als es notwendig ist, weil wir ja wissen, daß
wir derzeit auf jede solche Äußerung ein Nein zur Antwort
bekommen. Irgendein Versuch, uns zu veranlassen, daß wir etwa selbst
auch uns zu diesem Nein bekennen, das die anderen ausgesprochen
haben, oder daß wir uns zur Hoffnungslosigkeit bekennen, als ob die
künftige [331] Entwicklung der
europäischen Politik nicht irgend einmal in anderer Richtung vor sich
gehen könne, als sie durch ein solches Nein angedeutet
ist – ein Versuch, uns dazu zu bringen, ist nicht gemacht worden. Deshalb
habe ich die Meinung, daß wir uns freihalten müssen, hineinzugehen
in eine größere oder kleinere, eine europäische,
mitteleuropäische, deutsche Lösung, sobald sich uns die Tür in
dieses oder jenes größere Wirtschaftsgebiet öffnet. Aber
niemals werden wir glauben, daß die mitteleuropäische Frage
gelöst ist, wenn der große Staat, der das eigentliche Mitteleuropa
ausfüllt, das Deutsche Reich, bei dieser Lösung nicht dabei ist."
Eine stärkere offizielle Stellungnahme für den Anschluß als in
dieser Rede des christlichsozialen Führers und Bundeskanzlers ist seit der
Unterzeichnung des Friedensvertrages noch niemals erfolgt. Je freimütiger
ich über die Stellungnahme der Christlichsozialen Partei, der ich
angehöre, gesprochen habe, um so mehr kann ich sonach das Ergebnis
dahingehend zusammenfassen, daß ihre Gesamtbetätigung
in den letzten Jahren als eine anschlußfreundliche zu bezeichnen ist.
Wenden wir nun unser Augenmerk den Parteien im Deutschen Reiche
zu und fragen wir, welches Echo das Anschlußverlangen Österreichs,
soweit die Parteien in Frage kommen, gefunden hat? Die Parteien im Deutschen
Reiche standen nicht vor einem so vollständigen Trümmerfelde wie
die Parteien Österreichs; das Reich war bestehen geblieben; seinen Bestand
zu sichern, erschien als die erste und wichtigste Aufgabe; wie es einzurichten sei,
wurde naturgemäß zu einem Hauptpunkte des Parteienkampfes.
Gerade dieser Umstand läßt es begreiflich erscheinen, daß die
Anschlußfrage im Reiche nicht so mit einem Schlage zu einer Hauptfrage
der Politik überhaupt und des Parteilebens insbesondere wurde; aber
selbstverständlich mußte die Anschlußfrage nach der
Revolution in den Parteiprogrammen eine Rolle spielen. Obwohl im Reich
eigentlich stärkere Strukturwandlungen der Parteien eintraten als in
Österreich, ist es doch für das Verständnis der Stellung der
Parteien zur Frage des Zusammenschlusses nötig, auf ihre Geschichte
zurückzugreifen, die weit in die Zeit der Monarchie zurückreicht.
Nach Beendigung der Revolution finden wir im Deutschen Reich, im Volke wie
in der konstituierenden Nationalversammlung, sechs große Parteigruppen:
die marxistischen Parteien, das Zentrum und [332] die Bayrische
Volkspartei, die Deutsche demokratische Partei, die Deutsche Volkspartei, die
Deutschnationale Volkspartei, schließlich die sogenannte Völkische
Bewegung. Die seitherige
Entwicklung ist durch eine weitgehende Zersplitterung
gekennzeichnet, die eine Übersicht fast unmöglich macht. Gehen wir
von den großen ursprünglichen Gruppen aus!
Die Sozialdemokratische Partei (SPD.) bildete weitaus den stärksten Teil
der marxistischen Parteien, wesentlich schwächer war die 1916
abgespaltene Unabhängige sozialdemokratische Partei (USP.), die 1922
sich mit der Hauptpartei wieder vereinigte. Nationale oder gar großdeutsche
Ziele lagen dieser Partei bis zum Umsturze
ziemlich ferne, noch mehr der dritten
marxistischen Partei, der Kommunistischen (KPD.). Das Zentrum und die
Bayrische Volkspartei, damals die Hauptmasse der bewußt katholischen
Wähler umfassend, bildeten bis zum Jahre 1920 eine Arbeitsgemeinschaft,
die wegen der etwas unitarischen Strömung im Zentrum gelöst
wurde. Die Bayrische Volkspartei war bereits vor dem Kriege für ein
engeres Zusammenarbeiten mit den deutschen Katholiken Österreichs, ohne
daß sich diese Strömung zu einem staatspolitischen Programm
verdichtet hätte, und das Zentrum hatte von seinem Ursprung an auch
solche Gruppen in sich aufgenommen, denen die Bismarcksche Lösung als
zu wenig großdeutsch galt. Eine bedeutsame Partei war bis zum Umsturze
die Nationalliberale Partei, in der Hauptsache der Sammelpunkt jenes Teiles des
liberalen Bürgertums, das schon vor 1866 für die kleindeutsche
Lösung eingetreten war; sie teilte sich und ging großenteils in die
Deutsche Volkspartei über, während der kleinere Teil und die
ehemalige Fortschrittliche Volkspartei, die den stärker von der
großdeutschen Tradition des Jahres 1848 getragenen Teil des liberalen
Bürgertums umschloß, sich zur Deutschen demokratischen Partei
zusammenschlossen. Eine stets steigende Bedeutung erlangte in den ersten Jahren
nach dem Umsturze die Deutschnationale Volkspartei, die eine Verschmelzung
zwischen der Deutschkonservativen Partei (1848 in Preußen
entstanden), der Reichspartei (in Preußen Freikonservative Partei
genannt), der Deutschvölkischen Partei und der Christlichsozialen Partei
(beide antisemitisch) darstellt, durchaus Gruppen, die vor dem Kriege politisch
vorbehaltlos kleindeutsch eingestellt waren. Die Bayrische Mittelpartei ist ein
allerdings ziemlich selbständiger Zweig der Deutschnationalen Partei. Die
Völkische Bewegung schließlich kam zu Parteigründungen
überhaupt erst im Jahre [333] 1919
(Nationalsozialistische deutsche Arbeiterpartei, Deutschvölkische
Freiheitspartei; beide im Reichstage später zusammengeschlossen in der
Fraktion der "Völkischen Arbeitsgemeinschaft").
Es tritt nun an uns die Frage heran, wie diese Parteien, welche trotz aller
Absplitterungen bis vor kurzem das maßgebende Gerippe der
Parteigliederung im Reichstage darstellten, sich zur Frage des
Zusammenschlusses stellen. Vorweg sei gesagt, daß die Parteien sich
durchweg grundsätzlich für den Anschluß ausgesprochen
haben. Dies kam zunächst in erhebender Weise bei der Eröffnung der
konstituierenden Nationalversammlung von Weimar zum Ausdruck. In seiner
Eröffnungsrede am 6. Februar 1919 antwortete der Volksbeauftragte
Ebert (später erster Reichspräsident), am nächsten Tage der
erste Präsident des Hauses David in feierlicher Weise auf den
Beschluß der provisorischen deutschösterreichischen
Nationalversammlung vom 12. November 1918. Die Beratung über
das Gesetz über die vorläufige Reichsgewalt gab den
Wortführern aller Parteien von der äußersten Rechten bis zur
äußersten Linken Gelegenheit, sich über den
Zusammenschluß zu äußern; dies geschah in so imponierender
einmütiger Zustimmung, in so vollständigem Gleichklang, daß
es sich erübrigt, die einzelnen Stimmen anzuführen. Im Zuge der
Verhandlungen stellten die Abgeordneten Löbe (Sozialdemokrat), Gröber
(Zentrum), Haase (unabhängiger Sozialdemokrat), von Payer
(Demokrat), Graf von
Pesadowsky-Wehner (deutschnational) und Dr. Stresemann (Deutsche
Volkspartei) gemeinsam
den – später am 21. Februar einstimmig
angenommen – Antrag, der von dem Anschlußwillen
Deutschösterreichs Kenntnis nimmt, die Einheit der Deutschen über
die Grenze hinweg bestätigt und die Hoffnung auf ihren Ausdruck in festen
staatlichen Formen ausspricht.
Wie steht es nun mit den Parteiprogrammen? Wir beginnen mit der SPD. Im
Heidelberger Programm (1925), das heute das Programm der (Vereinigten)
Sozialdemokratischen Partei Deutschlands ist, heißt es im letzten Abschnitt:
"Sie (die Partei) tritt ein für das Selbstbestimmungsrecht der Völker
und für das Recht der Minderheiten auf demokratische und nationale
Selbstverwaltung." In den offiziell von der Partei dazugegebenen
Erläuterungen wird u. a. ausdrücklich hervorgehoben,
daß den österreichischen Stämmen, denen der Anschluß
an das deutsche Brudervolk zunächst verweigert wurde, ihre freie
Selbstbestimmung gesichert werden muß. Die Kommunistische Partei
Deutschlands nimmt in ihren programmatischen
Er- [334] klärungen zur
Anschlußfrage keine Stellung; in gelegentlichen Äußerungen
verlangte aber auch sie das Selbstbestimmungsrecht für
Deutschösterreich.
Wir gehen nun zu jenen Parteien über, die man unter dem großen,
allerdings irreführenden Sammelnamen "bürgerliche Parteien"
zusammenfaßt. Die Deutsche Zentrumspartei faßte auf dem
2. Reichsparteitag am 19. Jänner 1922 in ihren Richtlinien
bezüglich der Stellung zu Österreich folgenden Beschluß:
"Für Deutschösterreich ist in der Anschlußfrage unbedingte
Freiheit der Entschließung zu verlangen, wie überhaupt allen
deutschen Stämmen das tatsächliche Selbstbestimmungsrecht
errungen und gewahrt werden muß." Damit ist wohl eine positive
Stellungnahme zur Anschlußfrage zum Ausdrucke gebracht; die vorsichtige
Fassung soll das Schlagwort, das Reich wolle Österreich annektieren,
entwaffnen. Auch die Bayrische Volkspartei nimmt in bejahender Weise zum
Anschluß Stellung, indem sie die Anwendung des
Selbstbestimmungsrechtes der Nationen auf Österreich verlangt.
Überdies verlangt sie ausdrücklich Angleichung der
Rechtsverhältnisse und der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen
Österreich und Deutschland "als Vorstufe des Anschlusses".
Die Deutsche demokratische Partei nahm in ihrem letzten Wahlaufrufe (1928) zur
deutschen Frage in folgender Weise Stellung: "Wir wissen, daß die
großen Ziele deutscher Außenpolitik..., vor allem aber die Schaffung
des großdeutschen Nationalstaates, der alle Deutschen des geschlossenen
deutschen Siedlungsgebietes umfaßt, nicht durch Säbelrasseln und
tönende Phrasen erreicht werden könne." Dies ist wohl als
eindeutiges Bekenntnis zum Zusammenschlusse zu werten. Aber auch die
Deutsche Volkspartei sagt in ihren Grundsätzen (1922) klar und deutlich im
Absatz 2 des Abschnittes vom Staatswesen, daß sie die
Völkerversöhnung anstrebt, diese aber für unmöglich
hält, solange "eine Vereinigung aller Deutschen, die von uns gerissen sind
oder sich zum Reiche bekennen, einschließlich der österreichischen
Deutschen, verhindert" wird.
Die Deutschnationale Volkspartei betont vielleicht am ausdrücklichsten die
Forderung nach dem Zusammenschlusse, wenn sie kurz und knapp in ihrem
Wahlaufrufe (Handbuch des Reichstages für das Jahr 1928) sagt: "Wir
lassen nicht von der Forderung der Vereinigung mit dem deutschen Volkstum in
Österreich." Dies ist um so bedeutsamer, wenn man erwägt,
daß in dieser Partei jene [335] Schichten den
Grundstock bildeten, die am stärksten mit dem alten preußischen
Staat und mit dem
Bismarckschen – vorläufig
kleindeutschen – Reich verknüpft waren und daher von der
umgekehrten Seite, als manche Gruppen der österreichischen
Christlichsozialen, in die neue großdeutsche Aufgabe hatten hineinwachsen
müssen. Die später entstandene, auch rechtsstehende Reichspartei
des deutschen Mittelstandes (Wirtschaftspartei) verlangt in ihrem Parteiprogramm
(Außenpolitik, Absatz 4 und 5) "Durchführung des
Selbstbestimmungsrechtes auch für das gesamte deutsche Volk,
Vereinigung aller deutschen Stämme im freien und föderalistischen
Deutschen Reiche, zunächst Anschluß Deutschösterreichs".
Endlich vertritt die Nationalsozialistische deutsche Arbeiterpartei (NSDAP.) in
ihrem Programm (1928) auf das entschiedenste den Zusammenschluß, wenn
sie sagt: "Wir verzichten auf keinen Deutschen in Sudetendeutschland, in
Südtirol, in Polen, in
der Völkerbundkolonie Österreich."
Bezüglich einer Reihe kleinerer Parteien wollen wir uns auf die Bemerkung
beschränken, daß auch sie dem Anschlusse freundlich
gegenüberstehen und so, wie die größeren Parteien, deren
Programm wir betrachtet haben, praktisch für den Anschluß eintreten,
z. B. bei der gemeinsamen Beratung des allgemeinen deutschen
Strafgesetzbuches freudige und positive Mitarbeit geleistet haben.2
Man hat die Regierungsform der mitteleuropäischen Verfassungen nach
dem Umsturz als Parteienstaat gekennzeichnet, und viele finden bei der
Beschaffenheit unseres Volkes in diesem entscheidenden Einfluß der
Parteien als solchen auf die unmittelbare Staatsführung ein
gefährliches Element der Zersplitterung. Wenn wir abschließend
[336] die Stellungnahme der
Parteien im Reich und in Österreich zum Anschlusse nochmals
überblicken, können wir sagen, daß hier eine
Frage – wir fügen hinzu, eine der wenigen
Fragen – vorliegt, in der die Parteischranken keine trennenden
Scheidewände zu begründen vermochten. Auch dies mag ein Zeichen
sein für die Stärke und Tiefe der Anschlußbewegung.
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