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Bd. 3: Die grenz- und volkspolitischen Folgen
des Friedensschlusses

IV. Gebietsverlust durch erzwungene Abtretung
oder Verselbständigung
  (Teil 7)

7) Sudetendeutsche Gebiete

Dr. h. c. Franz Jesser
Senator, Zwickau

Scriptorium merkt an:
Ein Buch zu den Gebiets- und Bevölkerungsverlusten des Deutschen Reiches und Deutsch-Österreichs nach dem Jahre 1918 finden Sie hier!
Die Entwicklungen der Tschechen und Deutschen in den "historischen Ländern der Wenzelskrone" stehen seit vielen Jahrhunderten in so innigen Wechselwirkungen, daß man für diese Verflechtung die Beziehung Symbiose angewendet hat. Das Wort hat viel Widerspruch gefunden. In der Tat ist die Übertragung dieses naturwissenschaftlichen Fachwortes auf das Völkerleben nur für die genauen .Kenner der Verhältnisse ungefährlich, weil nur sie die unausgesprochenen Vorbehalte kennen, die der Umwandlung einer durch geographische, geschichtliche und wirtschaftliche Verhältnisse erzwungenen Verflechtung zu einer auf freiem Willen beruhenden Symbiose entgegen stehen. Die materiellen Voraussetzungen sind vorhanden, die geistig seelischen jedoch noch nicht. Das symbiotische Verhältnis ist in der Gemeinsamkeit des Lebensraumes bei voller Selbständigkeit beider Individuen, daher bei vollem Eigenleben jedes Teiles gegeben. Die Jahrhunderte alte Tragik beider Völker liegt aber gerade darin, daß sie abwechselnd die Vorherrschaft besessen haben.

Der augenblickliche Zustand ist nur eine Etappe dieses Ringens. Der tschechische Politiker Klofač hat die Relativität des tschechischen Erfolges von 1918 unfreiwillig in dem Satze anerkannt: "Wir Tschechen brauchen nur einige Jahrzehnte ungestörter Entwicklung, um den tschechischen Nationalstaat zu konsolidieren." Auch Abgeordneter Kramař hat im Jahre 1929 dieser quälenden Sorge vor einer Störung dieser Entwicklung durch ein erstarkendes Deutschland Ausdruck gegeben. Er sieht eine dauernde Sicherung des tschechischen Nationalstaates nur in der Erneuerung eines allslawisch gesinnten Rußlands. Dem Außenminister Beneš schreibt man das geistreiche Wort zu, der Politiker müsse zwischen politischer Konjunktur und politischer Konstante unterscheiden. Die politische Konstante des tschechischen Volkes ist die in das Siedlungsgebiet des deutschen Volkes keilartig eingeschobene Siedlung, die politische Konjunktur aber ist die augenblickliche Interessengemeinschaft zur Erhaltung der [355] Friedensverträge und daher auch der politischen Ohnmacht des deutschen Volkes. Das tschechisch-deutsche Problem ist daher im tiefsten Grunde ein Raumproblem des aus den historischen Ländern bestehenden westlichen Staatsteiles gegenüber Deutschland und Deutschösterreich, Raumproblem des neu erworbenen östlichen Staatsteiles gegenüber Ungarn.

Wir haben uns nur mit dem ersten Problem zu beschäftigen. Der Sinn der Geschichte des tschechischen Volkes war bisher das Streben, den ganzen Raum der historischen Länder zum Lebensraume des tschechischen Volkes auszugestalten. Da aber die sudetendeutsche Siedelung in einer Hunderte von Kilometern langen unmittelbaren Verbindung mit dem Muttervolke steht, die deutsche Bevölkerung zahlenmäßig ein Drittel der tschechischen Kopfzahl erreicht, kulturell mit dem Muttervolke eine Einheit bildet, so mußte jede Beherrschung des deutschen Randgebietes durch das tschechische Innere sich außenpolitisch als Gegensatz zum gesamten deutschen Volke auswirken. Diese Rolle des tschechischen Volkes als Staatsvolk mußte aber sofort aufgegeben werden, wenn die weltpolitische Konjunktur sich verschlechterte. Daher wurde in den Zeiten größter politischer Schwäche des tschechischen Volkes (von 1621-1866) die sudetendeutsche Bevölkerung als Teil der Deutschen in der österreichischen Monarchie ein Bestandteil eines deutschen politischen Mehrheitsvolkes, das tschechische ein politisches Minderheitsvolk. Mehrheit und Minderheit im politischen Sinne sind also für beide Völker relative Begriffe. Ethnische Minderheit wird jede der Nationalitäten erst dann, wenn sie eine politische Minderheit geworden ist.

Der Sinn der Geschichte der Sudetendeutschen war bisher das Streben, sich nicht zu einer ethnischen Minderheit herabdrücken zu lassen, sondern sich als Volk im politischen Sinne zu behaupten. Vor 1918 konnte dieses Streben im Rahmen der alten Monarchie versucht werden. Heute erhebt sich die sehr ernste Frage: Kann dieses Ziel im Einvernehmen mit den Tschechen erreicht werden, oder auch diesmal nur durch eine Änderung der außenpolitischen Konjunktur?

Für die sudetendeutsche Auffassung ist die Tatsache der - nur für kurze Epochen unterbrochenen - Gemeinschaft des Schicksals und Kulturentwicklung mit dem Gesamtdeutschtum entscheidend, für die tschechische die Loslösung aus dieser historischen Verflechtung. Masaryk hat im Jahre 1919 der tschechischen Auffassung den besten Ausdruck gegeben. Er erkennt an, daß theoretisch auch die Sudetendeutschen das Selbstbestimmungsrecht fordern könnten - tatsächlich aber fehle ihnen dazu die wichtigste Voraussetzung - sie seien kein Volk, sondern nur Kolonisten und Immigranten. Das tschechische Volk könne seine nationale Existenz nicht behaupten, [356] wenn ihm nicht die deutschen Randgebiete zugeteilt würden. Die Deutschen hätten zwei Nationalstaaten, in denen sie sich ausleben könnten. Es sei daher eine berechtigtere Forderung, die kleinere Zahl der Sudetendeutschen dem tschechischen Selbstbestimmungsrechte aufzuopfern, als zuzulassen, daß die größere Zahl des tschechischen Volkes zuletzt doch wieder in den gesamtdeutschen politischen Bannkreis gerate, was er als deutschen Drang nach Osten formuliert. Aber auch aus wirtschaftlichen Gründen brauche der neue Staat die deutschen Randgebiete, deren hochentwickelte Industrie für den neuen Staat unentbehrlich sei, auch biete diese Industrie mit dem tschechischen Gebiete eine auf gegenseitiger Ergänzung beruhende Einheit.

Diese Behauptung ist richtig, jedoch nur unter gewissen Voraussetzungen. Die große Industrie der historischen Länder, insbesondere des deutschen Teiles, ist ausgesprochene Exportindustrie. Vor dem Kriege besaß sie in den wohlhabenden historischen Ländern einen inneren Markt im engeren Sinne, in den österreichisch-ungarischen Provinzen einen inneren Markt im weiteren Sinne. Durch den Umsturz ist der letztere zu einem Teile des äußeren Marktes geworden. Gewiß kann die sudetendeutsche Wirtschaft den inneren Markt des reichen tschechischen Gebietes nicht entbehren, sie kann aber noch weniger ohne die Märkte in den heutigen Nachfolgestaaten und in Deutschland dauernd gedeihen. Sie braucht daher den großen Raum, sie leidet unter einer Wirtschaftspolitik, die den außenpolitischen, gegen Deutschland, Deutschösterreich und Ungarn gerichteten Tendenzen untergeordnet wird.

Daraus ergibt sich ein innerer Bruch in der sudetendeutschen Geisteshaltung - man ist an das tschechische Gebiet gebunden, fühlt sich aber als Opfer der nationalpolitischen Ziele des Systems. Man bejaht aus materiellen Gründen die staatliche Gemeinschaft mit den Tschechen, verlangt jedoch eine der raumpolitischen Lage des Staates entsprechende Außen- und Wirtschaftspolitik. Die aber fürchten die Tschechen als Erneuerung der gehaßten deutschen Vorherrschaft. Um die wirtschaftliche Verflechtung mit der deutschen Nachbarschaft zu schwächen, hat der Handelsminister Stransky im Jahre 1919 den Rückzug des Industrieexportes von den alten Märkten und die Umstellung nach dem Westen propagiert. Durch mehr als vier Jahre war der Abbau der Industrie als Abbau der gefährlichen Abhängigkeit von der deutschen wirtschaftlichen Entwicklung eine populäre These, die als Nebenwirkung auch die Schwächung der sudetendeutschen Machtstellung in der Industrie nach sich ziehen müßte. Heute, da inzwischen der tschechische Anteil an der Industrieproduktion gewachsen ist, das Budget auf den großen Steuereingängen der Industrie beruht, die Handels- und Zahlungsbilanz auf dem Industrie- [357] export, wurde die Abbauforderung zurückgestellt. Das tschechische Volk ist heute an dem Warenaustausch mit den deutschen Nachbarn genau so interessiert, wie das sudetendeutsche. Dennoch aber will es die deutschfeindliche Außenpolitik aufrecht erhalten. Dadurch entsteht auch im tschechischen Volke ein innerer Bruch.

Um den Anspruch der Sudetendeutschen, als Volk behandelt zu werden, als unberechtigt hinzustellen, führen ferner die Tschechen das Fehlen einer eigenen sudetendeutschen Kulturvarietät an. Sie halten hartnäckig an der Annahme fest, daß die Staatsgrenzen auch für die sudetendeutsche Kulturentwicklung im ähnlichen Sinne verselbständigend hätten wirken müssen, wie in der Schweiz - daß das nicht geschehen sei, sei ein Beweis für den Mangel an der ersten Voraussetzung moderner Volkseigenart, an der inneren Einheit. Es gibt tatsächlich keine eigene sudetendeutsche Varietät der deutschen Kultur - dagegen aber tragen die Kulturformen der einzelnen Teile der deutschen Siedlung den Stammescharakter der angrenzenden reichsdeutschen und deutschösterreichischen Stämme - nicht anders, wie die nordbayrischen Franken oder die westbayrischen Schwaben fränkische und schwäbische Eigenart erhalten haben, trotzdem sie mit einem anderen deutschen Stamme im engeren Staatsverbande stehen. Die Sudetendeutschen hatten eben ihre kulturellen Bezugspunkte niemals im tschechischen Innern, sondern in Wien und in den für das ganze deutsche Volk maßgebenden reichsdeutschen Kulturzentren. Darum gab es und gibt es in den sudetendeutschen Gebieten einfach nur eine deutsche Kultur schlechtweg - die Staatsgrenzen waren alle Zeit nur Linien auf der Landkarte. Eine aus tschechischen und deutschen Kulturelementen zusammengesetzte Mischkultur, etwas wie eine von den Staatsgrenzen umschlossene tschechisch staatliche Kulturabart hat niemals bestanden. Der tschechische Universitätsprofessor Dr. Emanuel Radl sagt: "Beide Nationen leben nebeneinander, wobei jede ihr eigenes sprachliches, kulturelles und wirtschaftliches Leben führt. Sie durchdringen einander also nicht, wie politische Parteien und Kirchen." Jedes Volk hat seine selbständige Kultur, beide jedoch aufgebaut auf der Synthese ursprünglichen Sondervolkstums und gemeinsamer mitteleuropäischer Geistes- und Gesellschaftsentwicklung. Der größeren deutschen Volkszahl entsprechend ist die Wirkung der deutschen Entwicklung auf die tschechische größer als umgekehrt. Um nicht berechtigte tschechische Empfindlichkeiten zu verletzen, enthalten wir uns eines eigenen Urteils über das Verhältnis der tschechischen Kultur zur deutschen, sondern geben abermals Professor Radl das Wort. "Die Kultur, die von Westen her zu den Tschechen kam, kam in Wirklichkeit aus Deutschland. Die kulturelle Grundlage des mittelalterlichen Lebens, die Städteordnung, der Handel, der Bergbau, das [358] Leben des Adels und das Christentum wurden bei den Tschechen nach deutschem Muster, oft von den Deutschen selbst eingeführt."

Die Tschechen empfinden diese kulturelle Verflechtung mit der deutschen Kulturentwicklung ebenso als Gefahr und als deutschen Druck, wie die geschichtliche und wirtschaftliche. Der Versuch, diese Verflechtung durch den kulturellen Anschluß an Frankreich und England zu ersetzen, ist mißlungen. Sie kann den bildenden Künstlern, vielleicht auch den Literaten gelingen, niemals aber den tschechischen Massen, weil die soziale Gliederung, die Rechtsanschauungen, Organisationsformen, ja das Alltagsleben sich im Laufe der Jahrhunderte genau so entwickelt haben, wie die der deutschen Umgebung. Das scheidet ja die Tschechen von den Ostslawen noch schärfer, wie ähnliche geschichtliche Einflüsse die Kroaten und Slowenen von den Altserben. Nach dem Umsturze war "Französischlernen" die große Mode, heute wird der alte Brauch des sogenannten Kinderwechsels wieder geübt. Deutsche und tschechische Eltern tauschen ihre Kinder, um die fremden Sprachen gründlicher zu erlernen. Auch der Schulunterricht paßt sich wieder den Bedürfnissen beider Völker an.

Die tschechische staatliche Kulturpolitik gegenüber den Deutschen ist nicht einheitlich. Man weiß zu gut, daß eine kulturelle Assimilationspolitik nur örtliche und gelegentliche Wirkungen haben kann - niemals Massenwirkungen. Man will aber den Sudetendeutschen die größeren Möglichkeiten im wirtschaftlichen Wettbewerbe, die sich aus einem hochentwickelten Schulwesen und aus der Innigkeit der kulturellen Gemeinsamkeit mit der gesamtdeutschen Kultur ergeben, erschweren. Der tschechische Abgeordnete Lukavsky begründet seine ablehnende Haltung gegen die Errichtung einer deutschen Handelshochschule am 21. April 1929 mit folgenden Worten: "Eine deutsche Handelshochschule würde die Entwicklung der tschechischen ebenso bedrohen, wie es seinerzeit mit der tschechischen montanistischen Hochschule in Přibram der Fall war. Durch die Agitation der Deutschen würden die großen Unternehmungen nur Absolventen der deutschen Hochschule aufnehmen, denen dann die ganze Welt offenstünde, während sich die Hörer der tschechischen Hochschule nur auf einen kleinen tschechischen Kreis beschränken müßten. Infolgedessen würden viele tschechische Studenten ein Studium an der deutschen Hochschule vorziehen." Im Juli 1929 stimmten jedoch die tschechischen Mehrheitsparteien für eine Resolution der deutschen Regierungsparteien, in welcher der Anspruch auf eine deutsche Handelshochschule grundsätzlich anerkannt wird.

Aus diesen Betrachtungen ergibt sich, daß das sudetendeutsche Minderheitsproblem zu seiner Lösung besonderer Methoden bedarf, [359] weil es nicht das Problem der Deutschen im tschechischen Volke, sondern das Problem der Deutschen neben den Tschechen im gemeinsamen Staatsraume ist.

Masaryk hat inzwischen seine Auffassung über die Stellung der Deutschen im Staate revidiert. Er sagt in der Oktoberbotschaft des Jahres 1928: Die Anwendung der üblichen Schablone für die Lösung des Minderheitenproblemes in der Tschechoslowakei muß abgelehnt werden; zwar haben auch andere Staaten.... nationale Minoritäten, aber bei uns haben die Minderheiten anderen Charakter. Es gibt ganze Staaten, welche keine größere Bevölkerung haben als unsere deutschen Mitbürger zählen; sie steht auf hoher Kultur und Wirtschaftsstufe.

Die Einzigartigkeit dieses Problems wird auch unfreiwillig in dem viel umstrittenen Memoire III. des Dr. Beneš (1919) zugegeben; denn dort heißt es: Die tschechische Republik sei bereit, nicht nur das gesamte durch die Friedensvorkonferenz eingeführte internationale Minderheitenrecht anzuerkennen, sondern auch darüber hinaus zu gehen... Die Deutschen würden in Böhmen dasselbe Recht haben, wie die Tschechoslowaken... Das Regime würde ähnlich sein, wie in der Schweiz!1 Dieses Bekenntnis zum Vorbilde der Schweiz hat im tschechischen Lager den stärksten Widerspruch gefunden. Die ganze Gesetzgebung und Verwaltung ist entgegen dieser vor einem internationalen Forum abgegebenen Zusicherung eine ausgesprochen nationalistische. Sie hält an dem Gedanken des tschechoslowakischen Nationalstaates fest, während eine Nachahmung des Schweizer Vorbildes die Anerkennung der Deutschen als gleichwertiges Staatsvolk zur Folge haben müßte.

Leider hat Masaryks Wort von den Kolonisten als angeblichen Exponenten der deutschen Ländergier und der habsburgischen Gewaltherrschaft die Gegensätze ungemein verschärft. Wir werden die große Bedeutung dieser Mentalität für die gesamte Politik seit 1918 später nachweisen. Vorerst aber müssen wir die Grundlage des tschechisch-deutschen Problemkomplexes behandeln: Sind die Sudetendeutschen ein Volk? Zu einer politischen Nation (und sie ist mit dem Worte Volk gemeint) wird eine ethnische Gemeinschaft dann, wenn sie aus dem Bewußtsein einer historischen oder künftigen Schicksalsgemeinschaft heraus gemeinsamen politischen Willen entwickelt, sich als Eigenart zu behaupten. Der Zeitpunkt solcher Willensbildung ist gleichgültig. So manche der Völker der neuen Staa- [360] ten Osteuropas haben sie erst nach dem Kriege vorgenommen, bei anderen ist die Entwicklung vom Sprachvolk zur politischen Nation noch nicht vollendet. Wenn daher die Sudetendeutschen den Willen, ein Volk zu sein, erst im Oktober 1918 ausgesprochen hätten, so hätten sie denselben Anspruch auf internationale Anerkennung, wie die Esten, Letten oder Litauer. Sie sind es aber seit Jahrhunderten. Die tschechische Gegenargumentation übersieht absichtlich die für die sudetendeutsche Auffassung entscheidende Tatsache, daß die Länder der böhmischen Krone während des Mittelalters in staatsrechtlichem Zusammenhange mit dem Römischen Reiche Deutscher Nation standen, daß Prag die Residenz der Kaiser aus dem Luxemburgischen Hause war, daß deren Prager Kanzleisprache die Grundlage der neuhochdeutschen Schriftsprache wurde, daß die historischen Länder nach 1526 als habsburgische Erbländer im Reiche verblieben, bis 1866 auch im Deutschen Bunde und bis 1918 in der Österreichisch-Ungarischen Monarchie. Die Sudetendeutschen waren daher während dieser langen Zeiträume Bestandteile des geschichtstragenden Volkes dieses großen Raumes. Sie haben sich nicht anders als Böhmen, Mährer und Schlesier gefühlt, wie irgendein anderer deutscher Volksteil als Angehöriger eines Gliedstaates oder einer Provinz Deutschlands oder Österreichs. Daß die Tschechen über die geschichtliche Funktion des sudetendeutschen Siedlungsgebietes anders denken als die Deutschen, ist gerade ein Beweis für das Vorhandensein zweier verschiedener Willensmeinungen; da jede eine andere ethnische Farbe trägt, so stellt sich eben das politische tschechische Volk gegen das politische sudetendeutsche.

Die heute allgemeine deutsche Forderung nach nationaler Selbstverwaltung im neuen Staate ist daher geschichtlich, siedlungsgeographisch und kulturell begründet. Sie ist vom Standpunkte der Verminderung der europäischen Konfliktsstoffe eine Frage von europäischer Bedeutung. Sie ist im Interesse der Entwicklung des neuen Staates selbst gelegen, daher im höchsten Maße loyal. Die überwiegende Masse der tschechischen Politiker versteht jedoch unter Loyalität die Anerkennung des Staates als tschechischen Nationalstaat, daher die Anerkennung der Vorherrschaft des tschechischen Staatsvolkes über ein deutsches bloß ethnisches Minderheitsvolk, das heißt, sie verlangt den Verzicht auf national politische Kampfmittel gegen das herrschende System.

Aus dieser Auffassung ergibt sich die gesamte Politik der Tschechen seit 1918 zwanglos. Sie will die im tschechisch-deutschen Gegensatz liegenden Gefahren durch die Assimilationspolitik im Sinne Mello-Franco bannen. Die Tschechen suchen zunächst die Vorstellung zu erwecken, als gäbe es kein geschlossenes deutsches Gebiet, sie nennen es darum grundsätzlich das gemischte Gebiet.

[361] Die tatsächlichen nationalen Verhältnisse weist die nachfolgende Tabelle aus, welche dem Buche Die Nationalitätenfrage in der Tschechoslowakei von Dr. A. Oberschall entnommen ist:

Gebiet Gemeinden    Fläche in
Mill. ha.
   Deutsche   Tschechen   Polen    Ein-
wohner
in Millionen

Deutsches 3 161 2,5 2,6 0,3 0,0   2,9
Tschechisches   8 206 5,3 0,4 6,4 0,02 6,9
Polnisches      46   0,05 0,0   0,02 0,05   0,09

Sudetenländer 11 413   7,9 3,0 6,7 0,07 10,0  

In einem anderen Werk desselben Autors Der politische Besitzstand der Deutschen in den Sudetenländern (1922) werden die abgegebenen Stimmen für das Abgeordnetenhaus im Jahre 1920 als Vergleichszahlen benützt.

Gebiet Zahl der Gemeinden    Fläche
qkm
   Deutsche
Stimmen
Tschechische
Stimmen
   Fläche der
Tschechen
qkm
mit
80-100%
mit
50-80%

Geschlossen deutsch 2 957       234       24 852   1 363 402   121 229    
Darin tschech. Inseln
      (16 Gemeinden)
—       —       —   9 276   15 309     113
Deutsche Inseln 163       43       1 707   93 021   19 920    
Deutsche Minderheiten —       —       —   119 569   3 080 157     50 587     

3 120       277       26 559   1 585 268   3 236 515     50 700     

Im geschlossenen deutschen Gebiete wohnen 85% aller Deutschen - im ganzen deutschen Sprachgebiete siedeln 9,0%, im ganzen tschechischen 6,4% Deutsche.

Die Bezeichnung "gemischtes Gebiet" soll den Eindruck erwecken, als sei diese Mischung durch das deutsche Element hervorgerufen worden. Im Inlande kann man deutlicher werden, hier spricht man vom verdeutschten Gebiete. In diesem Worte liegt die "moralische" Begründung der künstlichen tschechischen Ausdehnung in das deutsche Gebiet, aber auch die für die systematischen Versuche der nationalen Assimilierung der angeblich verdeutschten, ursprünglich daher slawischen Bevölkerung. Man argumentiert allen Ernstes, daß diese "Wiederherstellung"' nur ein Akt ausgleichender Gerechtigkeit sei. All diesen Auffassungen liegt eine historische Legende von ungewöhnlicher volkstümlicher Macht zugrunde. Die Legende von den deutschen Eindringlingen in den tschechischen Volksstaat, von der Usurpation ursprünglich tschechischen Nationalbesitzes durch die deutschen Kolonisten und - was von höchster Bedeutung ist - von der dadurch begründeten wirtschaftlichen und sozialen Differenzie- [362] rung zuungunsten des zahlreicheren tschechischen Urvolkes und zugunsten des kleineren, eingedrungenen deutschen Volkes. "Unser" soll der Staat sein, "unser" daher auch das Land mit all seinen Reichtümern. Grundsätzlich ist daher jeder Tscheche, der in den rein deutschen Gebieten sitzt, ein Nachkomme der ursprünglichen Besitzer, die Millionen Deutscher aber Nachkommen der Usurpatoren. Darum ist nach tschechischer Auffassung die böhmisch-mährisch-schlesische Grenze gegen Deutschland und Deutschösterreich auch die Grenze gegen das deutsche Volk Mitteleuropas; was innerhalb dieser Grenzen siedelt - und sei es seit 700 Jahren - sitzt auf ihm nicht zustehenden Lande. Aus der Idee des Nationalstaates als tschechischen Volksbesitzes ergibt sich die bewundernswerte Einheitlichkeit der Zusammenarbeit von Staat, Gemeinden, national-tschechischen politischen, kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Organisationen, die ihrerseits wieder die Massen diesem System dienstbar machen. Diese Zielgemeinschaft hat zur Ausbildung einer raffinierten Taktik des einander in-die-Hände-Arbeitens geführt. Der Deutsche steht daher nicht nur den nationalen freien Organisationen der Tschechen gegenüber, nicht nur der Bureaukratie und der Gesetzgebung, sondern einer sie alle umfassenden einheitlich geführten Front. Weil die Tschechen die Bedeutung dieser straffen Zusammenfassung aller nationalen Kräfte aus ihrer eigenen Erfahrung heraus als die stärkste Waffe kennen, erschweren sie jede ähnliche Zusammenfassung auf deutscher Seite und ertöten oder schwächen alle aus der österreichischen Zeit stammenden Reste nationaler, deutscher Korporationen mit behördlichen oder beruflichen oder wirtschaftlichen Funktionen.

Aus dieser nationalen Staatsauffassung, die bewußt moderne nationale Besitzstandstheorien auf frühere Jahrhunderte anwendet, ist die volkstümliche These von dem Rechte der Wiedereroberung, "der Revindikation" aufgebaut. Aus ihr ergibt sich, daß im tiefsten Grunde der nationale Gegensatz zwischen Deutschen und Tschechen als der soziale Gegensatz des armen gegen das reiche Volk empfunden wird.

Es ist unmöglich, in diesem Rahmen die wirtschaftsgeographischen Ursachen für die ältere und stärkere Industrialisierung der deutschen Gebiete nachzuweisen. Die Behauptung von dem Reichtum des Sudetenvolkes ist aber auch sachlich nicht richtig. Industriegebiete dieser Intensität zeigen allüberall den schroffen Gegensatz zwischen proletarischer Masse und kleiner wohlhabender Oberschicht. Wer ferner den armseligen deutschen Gebirgsbauer und den verelendeten deutschen Heimarbeiter kennt, wird für den Vorwurf des Reichtums nur ein bitteres Lächeln übrig haben. Und darin liegt gerade die furchtbare Wirkung der Revindikationstheorie, weil sie sich nicht nur auf den reichen Grundbesitz, auf die Industrie und auf das Großkapital erstreckt, sondern auch auf den damit zusammenhängenden Arbeits- [363] platz des deutschen Beamten, Angestellten und Arbeiters, das heißt, auch auf die Mittelschichten und auf das Proletariat. Tief bedauerlich ist es, daß auch ein größerer Teil der tschechischen Arbeiterschaft (z. B. Mähr.-Ostrau, Nesselsdorf) an der Verdrängung deutscher Arbeitsgenossen trotz ihrer sozialistischen Gesinnung mitgearbeitet hat und daß die tschechischen sozialistischen Parteien an der gesamten Revindikationspolitik mit beteiligt sind.

So entsteht denn eine überaus verwickelte politische Konstellation. Das nationale Interesse schweißt bei beiden Völkern die sozialen gegnerischen Parteien zusammen - das augenblickliche soziale Interesse der Klassen, der Stände, der Berufe schwächt fallweise und zeitweise die nationale Interessengemeinschaft und führt zu übernationalen, wirtschaftlichen und sozialen Interessengemeinschaften. Niemals aber dominiert eine dieser Interessengemeinschaften so stark, daß sie die andere dauernd politisch unwirksam machen könnte.

Bis zum Ende des Monates September 1929 regierte eine tschechisch-deutsche Koalition der bürgerlichen und konservativen Parteien, deren Politik das ewige Schwanken zwischen der nationalen und der sozialen Interessengemeinschaft deutlich zeigt. Sie wurde im Dezember 1929 von einer tschechisch-deutschen Koalition abgelöst, der nach dem Ausscheiden der deutschen christlichsozialen und der slowakischen Volkspartei die tschechischen und deutschen Sozialdemokraten beigezogen wurden. So können wir denn diesen allgemeinen Überblick über die psychologischen Untergründe des Problems mit der Feststellung schließen, daß im zehnten Jahre des Staatsbestandes die Ideale und Illusionen aus der Zeit der Siegerpsychose auf die wirtschaftlichen und sozialen Realitäten stoßen, die sich aus der geographischen Lage des Staates und in ihm des tschechischen Volkes ergeben.


Man kann die Geschichte der Sudetendeutschen seit 1918 in vier Abschnitte gliedern. Der erste umfaßt die Monate Oktober und November 1918. Er ist gekennzeichnet durch den Versuch, durch Konstituierung des deutschösterreichischen Staates auf der Grundlage des nationalen Selbstbestimmungsrechtes das sudetendeutsche Gebiet vor den tschechischen Zugriffen zu sichern. Die tschechische Politik dieser Periode ist zwar einheitlich in dem Ziele, die Souveränität des künftigen Staates auf die historischen Länder und auf die Slowakei auszudehnen, jedoch uneinheitlich in der Taktik gegenüber den Sudetendeutschen. Noch am 2. Oktober 1918 schreibt Masaryk an Beneš: "Man muß mit den Deutschen verhandeln, damit sie unseren Staat anerkennen, welcher keine nationale Schöpfung sein wird, sondern eine moderne Demokratie." Am 12. Oktober räumt ein Aufruf der [364] tschechischen Sozialdemokraten an die deutschen Genossen den Deutschen das Recht der Selbstbestimmung ein. Wenige Tage nachher aber fällt aus dem Munde des späteren Finanzministers Rašin das böse Wort: "Mit Rebellen verhandeln wir nicht."

In diesen zwei Monaten errichten die Deutschen in Böhmen eine deutschböhmische Landesregierung, die Deutschen in Nordmähren und Schlesien eine sudetenländische, beide als Verwaltungsgebiete des deutsch-österreichischen Staates. Die Landesregierungen üben in dieser kurzen Periode die Regierungsfunktionen in den geschlossenen Gebieten aus. Die tschechische Regierung sucht den deutschen Widerstand mit den Mitteln der Aushungerung zu schwächen.

Der zweite Abschnitt umfaßt die Zeit vom Dezember 1918 bis zum April 1920. Der von den Sudetendeutschen unternommene Versuch, ihr Geschick selbst zu bestimmen, scheitert. Die Tschechen besetzen das deutsche Gebiet militärisch und unterstellen es ihrer zivilen Verwaltung. Die deutschböhmische Landesregierung verläßt die Heimat, die sudetenländische tritt zurück. Die Bevölkerung beharrt auf dem Selbstbestimmungsrechte, die deutschen Volksvertreter suchen die Teilnehmer der Friedenskonferenz über die wahren nationalen Verhältnisse aufzuklären und erheben Proteste gegen die Verletzung ihrer politischen Rechte. In geschlossener politischer Willenseinheit lehnen alle Deutschen von den Sozialdemokraten bis zu den Deutschnationalen den neuen Staat ab. Dieser Kampf wird jedoch mit friedlichen Mitteln geführt - die dennoch zahlreichen Blutopfer sind nicht auf aktiven Widerstand zurückzuführen, sondern auf das bewaffnete Einschreiten tschechischer Truppen und Gendarmen gegen unbewaffnete Demonstranten. - Beweis dafür die vielen erschossenen Frauen und Mädchen in Kaaden und Sternberg.

Die Friedenskonferenz entscheidet am 10. September 1919 endgültig im Sinne der tschechischen Forderungen. Nochmals erheben die sudetendeutschen Vertreter in der deutschösterreichischen Nationalversammlung feierlichen Protest, dem sich die heimische Bevölkerung in Massenkundgebungen anschließt.

In dieser Periode sichern sich die Tschechen die verfassungsmäßigen Grundlagen des tschechoslowakischen Nationalstaates, vor allem durch jene Gesetze, deren Abänderung an eine hochqualifizierte Mehrheit gebunden ist. Die tschechische Nationalversammlung, die nicht aus Wahlen hervorgegangen war, sondern durch Berufungen absolut verläßlicher tschechischer und slowakischer Politiker zusammen gesetzt wurde, band dadurch einer künftigen versöhnlicheren tschechischen Politik sozusagen die Hände, erst recht den nicht tschechischen Volksvertretern. Die am 29. Februar 1920 verabschiedete Verfassung beruft sich für die historischen Länder auf die an- [365] gebliche historische Kontinuität, für die Slowakei dagegen auf das nationale Selbstbestimmungsrecht - im ersten Falle wird den drei Millionen Sudetendeutschen der geschlossenen Siedlung das Selbstbestimmungsrecht verwehrt, im anderen Falle wird die historische Kontinuität des ungarischen Staates mißachtet. Die Verfassung bedeutet für etwa 4,6 Millionen nichttschechischer Staatsbürger ein Oktroy, dessen Unerträglichkeit daraus erhellt, daß die gesamte Gesetzgebung bis auf den heutigen Tag in ihr die geistige Quelle besitzt.

Gleichzeitig mit der Verfassung wurde das Sprachengesetz verabschiedet, dessen Durchführungsverordnung allerdings erst im Jahre 1926 erschien. Im Sprachengesetz wie in der Verfassung sind die wichtigsten Bestimmungen des internationalen Minderheitenschutzvertrages aufgenommen. Die darin enthaltene Forderung, daß den Minderheiten angemessene Erleichterungen im Sprachengebrauche gegeben werden, wurde nur für jene Deutschen erfüllt, welche in Bezirken mit mehr als 20% Konnationalen wohnen. Die Feststellung dieser Bezirke erfolgte auf Grund der im Jahre 1921 durchgeführten Volkszählung, bei der nicht mehr wie in Österreich die Umgangssprache, sondern die Nationalität erhoben wurde. Die Definition dieses Begriffes war absichtlich so unklar gehalten, daß es den tschechischen Zählungskommissaren frei stand, entweder die "Abstammung" (bei Nachkommen aus Mischehen) oder die Gesinnung (bei assimilationswilligen Deutschen) oder endlich dort, wo, wie in Hultschin und Ostschlesien, Bevölkerung slawischer Haussprache, jedoch politischer deutscher Gesinnung siedelt, die "Muttersprache" als Kriterien der Nationalität anzuwenden. Die verschiedenen Wahlen in die Gemeindevertretungen und in das Parlament haben einen größeren deutschen Hundertsatz ergeben, als die Volkszählung aufweist. So ergaben die vor der Zählung stattgefundenen Gemeindewahlen 32,6% Deutsche gegen 30,4% der Volkszählung, daher im ganzen Staate 3 317 000 Deutsche statt 3 123 000, in den historischen Ländern 3 170 000 Deutsche statt 2 950 000.

Die Begrenzung des deutschen Sprachenrechtes bei Gerichten und Behörden mit 20% hat zur Folge, daß die deutsche Minderheit Groß-Prags mit etwa 30 000 Köpfen, fast durchwegs Angehörigen der gesellschaftlichen Oberschichten mit außerordentlich regem Behördenverkehr, sich nur der tschechischen Sprache bedienen dürfen, selbst dann, wenn alle Streitteile Deutsche sind. Dagegen muß (nicht kann) jeder vereinzelt im deutschen Gebiete wohnende Tscheche als Angehöriger des Staatsvolkes die Staatssprache anwenden und in ihr Bescheid erhalten. Die Ausflucht, daß die Zulassung der deutschen Sprache im gesamten Staatsgebiete auf technische Schwierigkeiten stoßen würde, ist unstatthaft, denn die deutsche Sprache [366] ist auch heute noch im privaten Verkehr der verschiedenen Völker des Staates untereinander die Vermittlungssprache. Diese Tatsache macht eine andere Verletzung des Minderschutzvertrages besonders unerträglich. Der Vertrag sichert den Minderheiten den ungehemmten Gebrauch ihrer Sprache im privaten und wirtschaftlichen Leben zu. Zur Wirtschaft gehört z. B. auch der Frachtbrief! Der deutsche Großkaufmann in Prag darf aber keinen deutschen Frachtbrief verwenden. In Prag darf kein deutscher Kaufmann ein deutsches Wort auf seiner Firmentafel anbringen. Außer in vielen anderen Punkten haben die Tschechen auch in folgenden Punkten den altösterreichischen Zustand verschlechtert. Während die österreichischen Regierungen die deutsche Forderung nach Festsetzung der deutschen Sprache als Staatssprache trotz ihres Weltsprachencharakters ablehnten, hat die Verfassung des neuen Staates die tschechoslowakische Sprache als die staatsoffizielle Sprache den Sprachen der Minderheitsvölker übergeordnet. Was die Tschechen einst erbittert bekämpft haben, tun sie heute selbst.

Bedeutsamer als diese sprachenrechtlichen Einzelheiten ist die grundsätzliche Abkehr von den altösterreichischen Versuchen, die Nationalitäten als Kollektivpersönlichkeiten zu organisieren und zu behandeln, d. h. eine restlose Gleichberechtigung anzustreben. Diese Abkehr tritt klar zutage in der zentralistischen Organisation des Staates. Um die in den ehemaligen österreichischen Kronländern vorhandenen, besonders in Mähren ausgestalteten Ansätze zur nationalen Selbstverwaltung auszutilgen (nationale Sektionen der Landeskulturräte, Landesschulräte, Landesgewerberäte, Advokaten-, Ärzte-, Ingenieurkammern, Sozialversicherung, Privatbeamtenversicherung usw.), hatte die revolutionäre Nationalversammlung im Jahre 1919 die Landeseinteilung aufgehoben und an ihre Stelle größere sehr willkürlich zusammengesetzte Gaue gestellt, von denen nur zwei überwiegend deutsche sein sollten, die jedoch ausschließlich bureaukratisch organisiert waren. In diesem Falle stieß jedoch die Regierung auf eine stille, aber um so heftigere Gegnerschaft der Slowaken und der mährischen Tschechen, deren althistorische, föderalistische Neigungen dauernd nicht zu ertöten waren. Die Regierung mußte daher die Durchführung des Gaugesetzes hinausschieben und endlich im Jahre 1928 die alten Länder mit gewissen Beschränkungen wieder herstellen, allerdings noch immer als fast ausschließlich bureaukratisch beherrschte Gebilde, ohne die frühere gesetzgebende Macht. Die Meinungen im deutschen Lager darüber, ob es nicht besser gewesen wäre, die Gaueinteilung mit den zwei deutschen Gauen zu behalten, sind geteilt.

In diesem Zusammenhange muß auch der Abbau aller freien beruflichen und wirtschaftlichen Gliederungen nach Nationalitäten er- [367] wähnt werden. Das alte Österreich hatte die Errichtung ausschließlich tschechischer freier und beruflicher Organisationen der Industrie, des Gewerbes, der Landwirtschaft, der freien Berufe, der Volksgeldanstalten usw. nicht nur gestattet, sondern sie als gleichberechtigt und gleichwertig mit den deutschen Organisationen behandelt. Die tschechische Regierung hat zwar die aus der österreichischen Zeit stammenden deutschen Organisationen bestehen lassen, hat ihnen aber von Anfang an die kalte Schulter gezeigt und sie bei jeder Gelegenheit ihre Einflußlosigkeit fühlen lassen. Verkehrsfähig waren nur die tschechischen Organisationen. Dadurch sollen die deutschen Organisationen allmählich mürbe gemacht und zur Verschmelzung mit den tschechischen Organisationen veranlaßt werden. Der Hauptstoß richtete sich, leider mit Erfolg, gegen den Hauptverband der deutschen Industrie. Nach langem inneren Kampfe ging der deutsche Hauptverband eine Fusion mit dem tschechischen Verbande ein, die praktisch die Ausschaltung des Hauptverbandes aus der Industriepolitik bedeutet. Der Teilnahme deutscher Parteien an der Regierung gelang es seit 1926, den radikalen Abbau der noch bestehenden behördlichen Organisationen vorläufig zu stoppen - vorläufig, denn alle sehr mageren Konzessionen der Regierung sind nicht, wie einst in Österreich, im Gesetze festgelegt, sondern nur in der Durchführungsverordnung enthalten, können daher jederzeit aufgehoben werden. Sie sind daher ein unsicherer Besitz, der jederzeit von der Regierung als politisches Druckmittel ausgenützt werden kann.

Das dritte Grundgesetz, das in dieser Periode geschaffen wurde, ist die Einführung des Verhältniswahlrechtes für die beiden Kammern des Parlaments und für die Gemeinden (seit 1928 auch für die Bezirksvertretungen und Landesvertretungen). Sie sichern im allgemeinen den Sudetendeutschen den ihnen gebührenden Anteil, wenn auch der Prager Wahlkreis ungewöhnlich bevorzugt ist. Verfälscht wurden jedoch die tatsächlichen Verhältnisse durch zwei Methoden der Wahlgeometrie. Als einziger europäischer Staat hatte der neue Staat den Soldaten das Wahlrecht gegeben. Dieses ungewöhnliche Ausmaß von Demokratie entsprang rein nationalistischen Absichten. Die Regierung erhielt dadurch die Möglichkeit, durch tschechische militärische Wählerbataillone in einzelnen Gemeinden eine tschechische Mehrheit zu schaffen (z. B. Znaim, Iglau), in anderen die unbedeutende tschechische Minderheit zu einer ansehnlicheren zu erheben, in anderen Gemeinden den deutschen Hundertsatz unter 20% herabzudrücken. Die Aufhebung des Soldatenwahlrechtes erfolgte erst im Jahre 1927, nachdem es seine Schuldigkeit getan hatte. Die zweite Methode ist die Eingemeindung tschechischer Gemeinden in deutsche Gemeinden. So wurde die bisherige deutsche Zweidrittelmehrheit in der Industriestadt Brünn durch Eingemeindung zahl- [368] reicher, oft weitabliegender agrarischer Gemeinden in eine Minderheit von kaum 25% verwandelt. Ähnliche Schicksale erlitten Olmütz, Mähr.-Ostrau, Znaim und andere Orte.

Den schwersten Schlag erhielt jedoch das Deutschtum in der Zeit von 1918 bis 1920 mit dem Beginne der Drosselung des deutschen Schulwesens und der systematischen Schwächung der deutschen Wirtschaft.

Das Volks- und Bürgerschulwesen Österreichs wird heute allgemein als die wertvollste Schöpfung der österreichischen Gesetzgebung und Verwaltung anerkannt. In Böhmen und Mähren waren seit 1890 die Landesschulräte national sektioniert, die Errichtung von Schulen für nationale Minderheiten war an die Zahl von 40 Schülern geknüpft. Das Verhältnis des tschechischen Schulwesens zum sudetendeutschen vor dem Kriege bezeichnete der Tscheche Tobolka in dem großen Werke Das böhmische Volk (1917) als annähernd gleich gut ausgestaltet. Tobolka begründet die größere Zahl der deutschen niedrig organisierten Schulen (1 - 2klassig) ganz richtig mit den Verkehrsschwierigkeiten der deutschen Gebirgssiedelung. Der neue Staat hat sofort einen erfolgreichen Feldzug gegen das deutsche Schulwesen begonnen. Schon im Jahre 1919 wurde die Errichtung sogenannter Minderheitsschulen dem Ministerium selbst vorbehalten, d. h. dem Landesschulrate entzogen. Die deutschen Sektionen der Landesschulräte ließ man zwar bestehen, übertrug jedoch ihr Recht, Schulen und Schulklassen ihrer Nationalität zu errichten und aufzulösen, dem Präsidenten des Landesschulrates, einem hohen Staatsbeamten tschechischer Nationalität. Die Sperrungen deutscher Schulen und Klassen dauern bis 1926 an. Die Handhabe bot die ständig sinkende Zahl der schulpflichtigen Kinder, eine bei allen Völkern einsetzende Kriegsfolge. Sperrungen von Klassen waren tatsächlich unvermeidlich. Auch tschechische wurden, wenn auch in weitaus geringerem Verhältnisse, gesperrt. Wenn diese Sperrungen und Zusammenlegungen im Einvernehmen mit den deutschen Sektionen durchgeführt worden wären, so wäre nicht nur die so verhängnisvolle Degradation höher organisierter in nieder organisierte Schulen und damit die unvermeidliche Herabsetzung der Unterrichtsintensität beschränkt, sondern auch eine gleichmäßige Behandlung der Schulen beider Völker erzielt worden.

Geradezu groteske Formen nahm jedoch die Errichtung tschechischer Minderheitsschulen an. Es gibt zahlreiche Schulen mit wahren Schulpalästen für kaum ein Dutzend Kinder. Ja es gibt Schulen für 3 - 4 Kinder. In allen Schulen aber finden wir auch deutsche Kinder, trotzdem Minister Hodza verdammende Worte über diesen Seelenfang ausgesprochen hat. Der Begriff Nationalität wird in derselben Weise vieldeutig ausgelegt, wie bei der Volkszählung. Das Elternrecht ist [369] praktisch außer Kraft gesetzt. Bezeichnend ist, daß im tschechisch-polnischen Minderheitsvertrage das Elternrecht ausdrücklich festgelegt ist. Daraus ergibt sich ganz klar, trotz der offiziellen Ableugnung, die Tendenz, deutsche Kinder zu entnationalisieren. Man kann auch ohne Anwendung offener Gewalt durch sanften Druck, Verlockung, Zusicherung von Schulgeldbefreiung, Kleidern, Schuhen, Büchern, Weihnachtsbescherungen, durch Gesetzesauslegungen und Verwaltungsmethoden entnationalisieren. Um tschechische Schulen in deutschen Orten zu füllen, werden tschechische kleine Kinder kilometerweit herangeführt, oft an tschechischen Orten mit ausgestalteten Schulen vorbei.

Seit der Gründung des Staates wurden 294 deutsche Volksschulen und außerdem 3000 Volksschulklassen aufgehoben. Das sind etwa 25% des Besitzstandes vor dem Umsturze. Dagegen wurden bis zum Jahre 1929 nicht weniger als 1060 tschechische Volks- und 185 Bürgerschulen des Typus "Minderheitsschulen" errichtet - alle in deutschen Gemeinden. Deutsche Minderheitsschulen in den Sudetenländern werden erst seit 1926 in kaum nennenswerter Zahl errichtet, aber auch sie nur nach hartem Kampfe mit den tschechischen Organisationen, deren Einfluß auf die Regierung noch immer sehr groß ist. Für den Geist dieser chauvinistischen Kreise ist bezeichnend, daß sie die Errichtung einer deutschen Minderheitsschule im Geburtsorte des deutschen Ministers Spina nicht zulassen.

Der Eintritt der Deutschen in die Regierung erfolgte zu einer Zeit, als die Kinderzahl wieder zuzunehmen begann. Wenn es jetzt den deutschen Regierungsparteien gelegentlich gelingt, neue Klassen,2 auch einzelne deutsche Minderheitsschulen zu errichten, so kann von einem Entgegenkommen der Tschechen nur sehr bedingt gesprochen werden. Dagegen muß als Erfolg der deutschen Regierungsparteien anerkannt werden, daß die sich jetzt erst äußernden Nachwirkungen der niederen Geburtenfrequenz an den Bürger- und Mittelschulen bisher nur in einzelnen Fällen zu Sperrungen Anlaß gegeben haben, meist unter stillschweigender deutscher Duldung.

Vor 1926 waren fast alle deutschen Mittelschulen sehr gut besucht. Trotzdem wurden bis 1923 nicht weniger als 23% aufgelöst. Wenn die Sudetendeutschen vor dem Kriege relativ mehr Mittelschulen besaßen, so liegen die Ursachen in der Art der deutschen Minderheiten in Prag, Budweis, Brünn, Mähr.-Ostrau, Pilsen usw. Die Deutschen dieser Orte gehören fast alle den sozialen Oberschichten an, die überall ein größeres Kontingent Mittelschüler stellen als [370] normal zusammengesetzte Volksgruppen in geschlossenen Gebieten. Dazu gesellen sich die ebenfalls den Oberschichten angehörigen Juden, die selbst dann, wenn sie sich als Nationaljuden bekennen, die Erziehung in Schulen einer Weltsprache und Weltkultur bevorzugten und auch heute noch bevorzugen. Das gilt auch für die deutschen Hochschulen, denen außerdem aus denselben Gründen Magyaren und Juden aus der Slowakei und Karpathoruthenien zuströmen. Gesperrt wurde eine deutsche Hochschule, die Montanistische in Přibram. Die Errichtung einer neuen montanistischen Hochschule wurde bisher verweigert. Als Grund ist offen zugestanden worden, daß es im Interesse des tschechischen Volkes und der angeblichen Sicherheit des Staates gelegen sei, die noch immer überwiegend im deutschen Besitze befindlichen Bergbau- und Montanunternehmungen mit tschechischen Beamten zu durchsetzen und die Tschechisierung dieser Unternehmungen vorzubereiten. Um deutschen Zuzug zu erschweren, hat die Regierung die Bedingungen für die Nostrifizierung reichsdeutscher und deutschösterreichischer Zeugnisse außerordentlich erschwert. Das wirkt sich auch aus für Absolventen ausländischer, vor allem volkswirtschaftlicher und tierärztlicher Hochschulen, weil solche deutsche Schulen in der Tschechoslowakei nicht bestehen. Man will die vom Staate und von tschechischen Privaten übernommenen Forste des enteigneten Großgrundbesitzes mit tschechischen Forstleuten besetzen, die durch ihr Amt Einfluß auf die Heranziehung tschechischer Waldarbeiter, nicht zuletzt auch Einfluß auf die holzverarbeitende Industrie nehmen sollen.

Dieser Satz leitet über in das interessanteste Kapitel der sudetendeutschen Geschichte seit 1918: die Versuche, die Wirtschaft im weitesten Sinne des Wortes zu "nationalisieren", d. h. zu tschechisieren.

In der Zeit vom Dezember 1918 bis zum April 1920 schuf das ernannte Revolutionsparlament die gesetzlichen und verwaltungstechnischen Voraussetzungen, um die volkstümliche Theorie vom Erstgeburtsrecht des tschechischen Volkes im ganzen Staatsraum auf dem weiten Gebiete der Wirtschaft zu verwirklichen. Diese Art robusten Nationalismus ist nicht neu - schon zur Hussitenzeit war die Konfiskation deutschen Besitzes und die Vertreibung Deutscher aus ihren Arbeitsstätten nationaler Brauch. Wie damals sind auch heute die eigentlichen Nutznießer dieser Nationalisierung in erster Linie die Angehörigen des herrschenden politischen Klüngels. Die Beweise sind der Rubrik Gerichtssaal zu entnehmen. Die Korruption der Nachkriegszeit ist zwar überall politisch gefärbt gewesen, in der Tschechoslowakei aber politisch und national. Die 3½ Millionen deutscher Menschen mit höchster Ausbildung der Wirtschaft, daher in stärkstem Maße finanziell empfindlich, von der staatlichen Ver- [371] waltung und der Steuerbehörde abhängig, wurden wehrloses Objekt eines politischen Systems, dessen Tendenz wir durch Aussprüche tschechischer Politiker charakterisieren wollen.

Im November 1927 fand in Anwesenheit der Vertreter der Staatsämter und der Militärbehörden in der Kaserne des 13. Infanterieregimentes in Mähr.-Schönberg ein tschechischer "Grenzkämpfertag" statt. Ein Redner sagte:

      "Wo es sich um mittlere und kleine Besitze im deutschen Nordmähren handelt, ist der wirtschaftliche Besitzstand der Deutschen noch vielfach unberührt. Die Tschechisierungspolitik muß darauf hinarbeiten, auch die kleinen und mittleren deutschen Unternehmungen zu erobern und zu festen tschechischen Stellungen auszubauen. Die großen Unternehmungen mußten sich der tschechischen Kontrolle unterstellen, nachdem die Deutschen besiegt waren."

In einer Entschließung ist folgende Stelle enthalten:

      "Die Erteilung von verschiedenen Begünstigungen wie Steuernachlässe usw. muß von dem Verhalten des Unternehmers gegen die tschechischen Angestellten und den Staat abhängig gemacht werden.... Als Vorstände der Staatsämter und staatlichen Unternehmungen im Grenzgebiet müssen rücksichtslos nur verläßliche Tschechen ernannt werden. Besondere Bedeutung legen wir auf die Sicherheitsorgane und die Finanzbehörden.... Die Altvaterwälder müssen in den Besitz des Staates übergehen.... Die Stadt Mähr.-Schönberg darf keinen Wald bekommen.... In Mähr.-Schönberg sind in den Staats- und öffentlichen Ämtern schon 573 Tschechen und 210 Deutsche tätig...."

Der ehemalige Minister Dr. Horaček sagte 1928:

      "Während die Bodenreform ein energischer Schritt zur tatsächlichen Nationalisierung des Bodens war, weicht man vor jeder durchgreifenden Maßnahme zurück, durch welche auch das nichttschechische Kapital der Industrie und des Handels in den Dienst unserer nationalen Idee gestellt würde."

Der Ministerialrat Dr. Para, der im Finanzministerium die Nostrifikation der durch den Umsturz ausländisch gewordenen Banken leitete, schreibt im Februar 1929 über seine amtliche Tätigkeit:

      "Mir steht kein Urteil zu, ob diese Nostrifikationen in einer die staatlichen und nationalen Interessen schützenden .Weise durchgeführt wurden.... Bei, der Subskription des Aktienkapitales der Böhmischen Kommerzialbank wurde darauf gesehen, daß die Majorität der zur Zeichnung aufgelegten Aktien tschechischen Händen zugeteilt wurde."

Bei der Fülle des Materiales müssen wir uns mit einer Aufzählung der wichtigsten Maßnahmen begnügen. Von der Absicht der Währungstrennung im Jahre 1919 sowie der Nichtanerkennung der Kriegsanleihe, wurden durch die schon angedeuteten Verbindungen zwischen Regierung und organisierter tschechischer Masse die Tschechen rechtzeitig informiert, so daß die Wucht der Verluste haupt- [372] sächlich die Deutschen traf. Die dadurch entstandene finanzielle Notlage der deutschen Industrie wurde vom tschechischen Kapital zur Durchsetzung der Betriebe mit tschechischen Verwaltungsräten benützt. Dasselbe gilt für die ausländisch gewordenen Bankfilialen, Versicherungsanstalten usw., die nur gegen nationale Konzessionen nostrifiziert wurden. Während der Inflationszeit wurden bei den Gesuchen um Ein- und Ausfuhrbewilligung die deutschen Gesuchsteller schlechter behandelt, wie die tschechischen - stammt doch vom jetzigen Innenminister Černý das Wort: "Die Verwaltung könne den loyalen Staatsbürgern Entgegenkommen zeigen - für die anderen habe sie nur das nackte Recht." Weltbekannt geworden ist die Bodenreform, nicht zuletzt durch die Weigerung der tschechischen Regierung im Jahre 1929, den Schiedsspruch des Haager Gerichtshofes anzuerkennen. Wenn wir absehen von der strittigen Frage, ob die Erhaltung des Latifundienbesitzes vom agrar- und verpflegungstechnischen Standpunkte berechtigt sei, liegt die Bedeutung der Bodenreform für die Deutschen in der Entgüterung eines namhaften Volksteiles, in der Errichtung künstlicher tschechischer Stellungen im deutschen Gebiete, in dem Verluste Tausender von Arbeitsplätzen für deutsche Güterbeamte, Angestellte und Arbeiter und in der Zurücksetzung Deutscher bei der Verteilung des Bodens im deutschen Gebiete selbst. Nur das sogenannte Kleinpächtergesetz mußte beiden Nationen gleichmäßige Vorteile bringen, weil die Dauer der Pacht entscheidend für die Übergabe in das Eigentum war. Für die Tendenz der Bodenreform sind folgende Daten bezeichnend: die Korruption feiert auf dem Gebiete der Bodenreform Orgien, die im tschechischen Lager selbst die größte Erbitterung hervorgerufen haben. Besonders starke Kritik findet die Übergabe der Restgüter an sogenannte tschechische Landedelleute. Das Bodenamt ist heute noch eine nicht der parlamentarischen Kontrolle unterstehende Behörde, die ausschließlich aus Exponenten tschechischer politischer Parteien besteht. Trotz der Teilnahme Deutscher an der Regierung ist auch heute noch das deutsche Element ausgeschlossen.

Nach zuverlässigen Schätzungen wurden bisher 435 000 Hektar landwirtschaftlichen Bodens enteignet, davon erhielten die deutschen und magyarischen Minderheiten, die mehr als ein Drittel der Bevölkerung zählen, rund 15 000 Hektar = 3%. Restgüter wurden 1292 ausgesetzt, davon bekamen die Deutschen kaum ein Dutzend. Das Bodenamt übernimmt zu lächerlich niederen Preisen - bleibt aber diese Beträge lange Jahre schuldig. Die Enteigneten haben heute über eine Milliarde Kronen zu fordern.

Dazu kommt der enteignete private Waldbesitz, dessen Umfang noch nicht genau festgestellt ist, der aber eine Million Hektar erreichen dürfte. Hinter den Kulissen wird versucht, auch von diesem [373] kostbaren Volksgute einen Teil in private Hände hinüberzuspielen, jedenfalls aber möglichst zu verhindern, daß die deutschen Gemeinden und Bezirke Teile der beschlagnahmten Wälder in ihrem Gebiete erhalten.

Auch dieser Boden soll in "sichere" Hände kommen und seien es die einer fernab gelegenen tschechischen Gemeinde. Den größten Teil soll der Staat übernehmen.

Die dritte Periode beginnt im April 1920 mit der Teilnahme an den ersten ordentlichen Wahlen in die Nationalversammlung und endet im Herbste 1925 mit der Auflösung des Parlamentes. Die Protestaktion der Sudetendeutschen wird fortgesetzt, die Forderung nach Revision der Friedensverträge aufgestellt, zugleich aber Beschwerde gegen die Nichteinhaltung der von der tschechischen Regierung übernommenen Verpflichtungen des Minderheitenschutzes vor dem Völkerbunde erhoben. Die geschlossene politische Front der Deutschen beginnt sich zu lockern. Die ideelle Hochspannung läßt sich nicht dauernd erhalten; die materiellen Kräfte der wirtschaftlichen und sozialen Mannigfaltigkeiten und die ideellen der weltanschaulichen Verschiedenheiten machen sich geltend - wie wir sehen werden, auch im tschechischen Lager. Die Frage taucht auf, ob eine Milderung des tschechischen Druckes nicht früher durch positive Einstellung zum Staate zu erreichen wäre, als durch den moralischen Einfluß der Weltmeinung, des Völkerbundes oder gar durch weltpolitische Veränderungen. Das Selbstbestimmungsrecht wird von einem Teile der Bevölkerung nicht mehr unbedingt, sonder bedingt aufgefaßt: Selbstbestimmung in der Form der nationalen Selbstverwaltung, daher innerhalb des Staates. Geschlossen blieb jedoch die politische Front in der Ablehnung des tschechischen Nationalstaates und in der Forderung der Umwandlung in einen Nationalitätenstaat.

Fast sämtliche tschechische Parteien schließen sich in dieser Periode zu einer allnationalen Koalition zusammen, die ihre sichere Mehrheit zum Ausbaue und zur Sicherung der Errungenschaften der beiden vorangehenden Perioden benützt. Diesmal beruht also die deutschfeindliche Politik auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens auf dem Willen der tschechischen Gesamtheit. Das Budget ist in allen Teilen, besonders im kulturellen Teile, fast ausschließlich den Interessen des tschechischen Volkes angepaßt. Es berücksichtigt weder den zahlenmäßigen deutschen Anteil der Bevölkerung, noch den an der deutschen Steuerleistung.

Die Bedeutung der deutschen Wirtschaft für die Staatsfinanzen erhellt aus einem Ausspruche des ehemaligen Ministers Klofač: "Schon heute wird eine gute Hälfte der Steuern aus deutschen Taschen bezahlt" (aus der Wochenschrift Masarykuv Lid).

[374] Daß im Staatsbudget die Deutschen den ihnen zugesicherten "entsprechenden" Anteil nicht erhalten, lehrt folgende Übersicht über einige Stellen des Unterrichtsbudgets von 1928, also aus der Zeit der deutsch-tschechischen Koalition!

    Tschechen: Deutsche:
    Für Universitätsstipendien 535 000 Kr. 73 000 Kr.
    für soziale Fürsorge der Studenten 10 500 000 Kr. 250 000 Kr.
    für wissenschaftliche Vereinigungen u. ä. 4 700 000 Kr.   400 000 Kr.
    für Schulen u. Kulturverbindungen
          mit Frankreich u. slawischen Staaten    
    14 000 000 Kr.
    für Fürsorge für Musik 5 900 000 Kr. 120 000 Kr.
Die Drosselung des deutschen Schulwesens erreicht in dieser Periode ihr Maximum.

Die Grundzüge der tschechischen Kulturpolitik sind jetzt klar zu erkennen. Die Kulturhöhe der deutschen Massen soll durch Sperrung deutscher Schulen, durch Umwandlung hochorganisierter in niederorganisierte herabgedrückt werden, die Errichtung tschechischer Minderheitsschulen wird benützt zur Aufnahme deutscher Kinder, um sie durch geistige Vorbereitung im tschechischen Sinne für die nationale Assimilierung reif zu machen; durch Sperrung deutscher Fachschulen soll die Gelegenheit zu fachlicher Ausbildung verringert werden, durch Sperrung deutscher Mittelschulen die Verkleinerung der geistigen deutschen Oberschichten und damit der Führerschicht erreicht werden. Da die Aufnahme Deutscher in den öffentlichen Dienst nahezu ausgeschlossen, die Ausübung der freien Berufe durch allerlei sprachliche Schikanen und Verwaltungsmaßregeln erschwert ist, hofft man, den Zudrang zu den deutschen Mittelschulen zu verringern, um neue Schulen sperren zu können. Die deutschen Hochschulen werden durch ungenügende Dotationen, durch Verzögerung von Berufungen, durch mangelndes finanzielles Entgegenkommen von Berufungen an Ausländer vernachlässigt. Die Ausbildung deutscher junger Leute im Bergbau und Forstfach wird unmöglich gemacht, um alle diese Stellungen Tschechen vorzubehalten. Die frühere Freizügigkeit der Studierenden nach Deutschland und Deutschösterreich wird erschwert, um dadurch den kulturellen Zusammenhang mit dem Gesamtdeutschtum zu schwächen. Deutsche studentische Wohlfahrtseinrichtungen werden nur in bescheidenstem Maße gefördert. Anerkennung ausländischer Zeugnisse wird erschwert. Das Verbot oder die Erschwerung der Teilnahme an reichsdeutschen und österreichischen kulturellen Vereinen und Tagungen soll gleichfalls die Abschnürung vom deutschen Kulturleben verstärken. In den Schulen wird der Versuch gemacht, dieselben Absichten durch geistige Umstellung der Schüler auf einen tschechisch nationalen [375] Patriotismus herbeizuführen. Nur ein Gesetz ist wahrhaft demokratisch und national gerecht, das sogenannte Büchereigesetz, das den Gemeinden die Pflicht zur Errichtung von Volksbüchereien auferlegt und allen nationalen Minderheiten eine ihrer Kopfzahl entsprechende Quote aus den Gemeindemitteln zuweist.

Um die Kritik und die Agitation im In- und Auslande lahm zu legen, schuf die allnationale Koalition ein sogenanntes Schutzgesetz, das insbesondere die Wirkung hat, daß deutsche Beamte oder Personen, die auf das Entgegenkommen der Behörden angewiesen sind, sich vom öffentlichen Leben zurückziehen, so daß praktisch das verfassungsmäßige Recht sich auf die Abgabe des Stimmzettels beschränkt. Der allgemeine Beamtenabbau trifft hauptsächlich die Deutschen, die Sprachenprüfungen wurden in vielen Fällen außerordentlich streng durchgeführt, oft geradezu schikanös. Die niedrigen Pensionen und Abfertigungen bedeuten praktisch einen weiteren Aderlaß an deutschem Volkseinkommen. Die Zahl der abgebauten und vorzeitig pensionierten deutschen Beamten, einschließlich jener, die in den Tagen des Umsturzes halb gezwungen, halb freiwillig die Heimat verließen, beträgt rund 40 000.

Für die heutigen Verhältnisse seien folgende Zahlen angeführt: Während der Volksanteil der Deutschen in den historischen Ländern rund 30% beträgt, erreicht er in der Gruppe der

    Ministerialbeamten 2%, 
    Rechnungsbeamten der Landesverwaltung (Böhmens) 13,5%3,
    Technikern der Landesverwaltung (Böhmens) 11,0%3,
    Beamten des obersten Gerichtshofes 17,3%3,
    der politischen Konzeptsbeamten Böhmens 15,8%3.
In diesem Zusammenhange sei daran erinnert, daß die starke tschechische Position in den Landesverwaltungen schon aus der Vorkriegszeit stammt, daß schon damals (besonders in Böhmen) deutscher Nachwuchs möglichst hintangehalten wurde. Es dürfte nicht allgemein bekannt sein, daß die mit gesetzgebender Macht und umfassender Gewalt ausgestatteten Landtage in Böhmen und Mähren tschechische Mehrheiten besaßen, die eifersüchtig ihre Unabhängigkeit von den Ministerien in Wien wahrten.

Die schwerste Schädigung erlitt das deutsche Volk durch das in dieser Periode verabschiedete Kriegsanleihegesetz. Auch zahlreiche deutsche Volksgeldanstalten gerieten in schwere Bedrängnis. Die durch die Deflation herbeigeführten Verluste sind zwar sehr schwere, [376] müssen aber nach unserer persönlichen Auffassung als unvermeidlich vom valutapolitischen Standpunkte aus betrachtet werden. Die Bestrebungen der sogenannten Nationalisierung der Industrie dauern fort. Der Staat vergibt öffentliche Lieferungen vorwiegend an Tschechen; auch in rein deutschen Orten werden die ansässigen deutschen Handwerker und Industriellen gegenüber tschechischen Auswärtigen zurückgestellt. Die Regierung fördert neugegründete, oft unsolide tschechische Unternehmungen bewußt gegen alte bestehende, oft Weltruf besitzende Firmen. So wurde die ziemlich primitive tschechische Glasindustrie durch die tschechischen Konsulate im Auslande angepriesen, die alten, großen, deutschen, Unternehmungen totgeschwiegen. Die Verstaatlichung der Privatbahnen im deutschen Gebiete vergrößert die Zahl der abgebauten deutschen Beamten und vermehrt die der tschechischen Beamten, so daß im Vereine mit den tschechischen Beamten anderer Ämter in vielen Städten die tschechischen Minderheiten fast ausschließlich aus öffentlichen Angestellten bestehen. Hier haben wir den Beweis für unsere Behauptung, daß ein großer Teil der tschechischen Minderheiten im deutschen Gebiete nicht aus einem wirtschaftlichen Bedürfnisse heraus entstanden ist, sondern durch systematische Versetzungen ohne sachliches Bedürfnis.

Entscheidend ist in dieser Periode die Wirtschaftspolitik des Staates, die noch immer die wirtschaftlichen Notwendigkeiten den außenpolitischen Zielen unterordnet. Da die deutsche Industrie Exportindustrie in vollstem Sinne des Wortes ist, wird sie von dieser Wirtschaftspolitik besonders hart getroffen.

Die innerpolitische Entwicklung nimmt nun eine unerwartete Wendung. Es stellt sich heraus, daß auch im tschechischen Volke die Folgen der wirtschaftlichen und sozialen Gegensätze sich nicht dauernd durch das gemeinsame nationale Interesse an der Ausnützung der politischen Schwäche des deutschen Volkes ausschalten lassen. Je näher die Tschechen ihrem Ziele sind, den Nationalstaat gesichert zu haben, um so mehr machen sich die wirtschaftlichen Gegensätze geltend. Damit aber beginnt eine Annäherung an die gleichen Interessengemeinschaften im deutschen Volke. Diese Entwicklung führt zum Zerfalle der alltschechischen Koalition und zwingt zur Auflösung des Parlamentes. Die Neuwahlen im Jahre 1925 ergeben auf deutscher und tschechischer Seite einen Sieg der agrarisch-konservativen Richtung.

Mit dem November 1925 beginnt die vierte Periode - die Regierung der gemischtnationalen Koalition zuerst in loser Form, von 1926 an in der festen Form der Teilnahme deutscher Minister als Vertreter ihrer Parteien an der Regierung. Der Ministerpräsident Švehla verkündet als lei- [377] tenden Grundsatz der neuen Regierung die Behandlung der Deutschen als "Gleiche unter Gleichen", Masaryk nennt die Deutschen nun einen organischen Bestandteil des Staates. Švehla lehnt jedoch bindende Zusicherungen grundsätzlicher, nationalpolitischer Art ab. Die tschechische Bureaukratie fühlt sich jedoch noch immer als eine Art amtlicher Vertretung tschechisch-nationaler Interessen, so daß die deutschen Minister bei ihrer die deutschen Interessen schützenden Arbeit immer wieder auf die stille Sabotage, ja auf einen offenen Widerstand dieser Bureaukratie stoßen. Das ist nur möglich, weil diese Bureaukratie sehr wohl weiß, daß hinter ihr schützend die gesamte tschechische Volksvertretung, ob Mehrheits- oder Oppositionspartei, steht. Dennoch soll nicht verschwiegen werden, daß die Teilnahme der Deutschen an der Regierung eine gewisse Milderung des fast unerträglichen Druckes herbeigeführt hat. Festgehalten werden muß, daß grundsätzlich keinerlei Entgegenkommen gezeigt wurde. Was an verschiedenen Erleichterungen erreicht wurde, wird als politische Konzession für die deutsche Mitarbeit ausgegeben, und zwar in einer Form, die deutlich erkennen läßt, daß mit einem Austritte der Deutschen aus der Regierung all diese Konzessionen hinfällig werden. Die deutschen Parteien können daher ihre Teilnahme an der Regierung nicht so auswerten, wie die Bevölkerung es von ihnen mit Recht erwartet. So hat sich in den letzten Monaten des Jahres 1928 anläßlich der Ernennungen in die Landes- und Bezirksvertretungen herausgestellt, daß der Innenminister den Wünschen privater tschechisch-nationaler Organisationen mehr Rechnung getragen hat, als den Forderungen der deutschen Regierungsparteien, trotzdem bei diesen Ernennungen der nationale Schlüssel angewendet werden sollte. Dasselbe Schauspiel erlebten wir im Monat Mai 1929 bei den Ernennungen für die Sozialversicherungsanstalt. An dieser Stelle sei nochmals mit allem Nachdrucke festgestellt, daß keine der deutschen Regierungsparteien jemals aus der Teilnahme an der Regierung die Konsequenz der Anerkennung des tschechischen Staates als tschechischen Nationalstaates gezogen hat, daß nach wie vor die deutschen Regierungsparteien auf der nationalen Autonomie bestehen und mit ihnen heute auch die deutschen Oppositionsparteien, daß ferner die deutschen Regierungsparteien die Außenpolitik des Ministers Beneš nicht billigen, daß sie mit den deutschen Oppositionsparteien vollkommen einig sind in der Forderung einer außenpolitischen Annäherung an das Deutsche Reich und Deutschösterreich, einig sind in der Forderung, daß auch die Wirtschaftspolitik sich den geographischen und geschichtlichen Entwicklungen anpasse, endlich in der Ablehnung aller Versuche, die gesamtdeutsche Kulturgemeinschaft zu lockern. Wenn auch das sudetendeutsche Volk in zahlreiche Parteien gespalten ist, mit all den sich daraus ergebenden oft heftigen [378] parteipolitischen Kämpfen, so besteht doch ein einheitlicher politischer Wille im höheren Sinne.

Die Sudetendeutschen sind infolge ihrer Grenzlandstellung berufen, die Brücke zwischen dem Deutschen Reiche und Deutschösterreich wieder so herzustellen, wie sie bis zum Jahre 1918 bestand. Wenn das tschechische Volk im Jahre 1918 die vom Ausland mit Recht bewunderte Leistung fertig brachte, sofort die Behördenorganisation des Staates klaglos durchzuführen, so verdankt es diese Kraft den zahlreichen tschechischen Beamten, die in den altösterreichischen Ministerien, Statthaltereien und Zentralbehörden tätig waren. Sie verdankt aber auch den verhältnismäßig ruhigen Verlauf ihrer sogenannten Revolution der Kultur ihrer Massen. Alle diese Vorzüge aber sind Folgen des Jahrhunderte langen Zusammenlebens mit dem deutschen Volke in Mitteleuropa. Das alte Problem des Raumes der historischen Länder ist durch die Gründung des Staates als tschechischen Nationalstaates nicht gelöst. Damit bleibt dieser Raum ein Unruheherd in Mitteleuropa. Wenn die Geschichte der Jahrhunderte dieses Raumes charakterisiert wird durch Aufstieg und Abstieg, heute der Deutschen, morgen der Tschechen, so zwingt die Verantwortung für die Zukunft der Völker dieses Raumes zu dem Schlusse, daß die Ursachen dieses ewigen Wechsels zwischen politischer Vormacht und politischer Ohnmacht beseitigt werden müssen. Nur die reinliche Scheidung der nationalen Lebenskreise bei gleichzeitiger Sicherung der beiderseitigen Minderheiten unter Verzicht auf imperialistische Ausdehnung eines Teiles über den Lebensraum des anderen Teiles kann das notwendige Gleichgewicht zwischen den beiden Völkern herstellen. Masaryks Wort aus der Vorkriegszeit muß Wirklichkeit werden: "Ich mein Herr, du dein Herr." Aber auch die weltwirtschaftliche Entwicklung zwingt die Tschechoslowakei zur Wiederanknüpfung, ja zur Verstärkung der alten innigeren Beziehungen zu ihren deutschen und magyarischen Nachbarn. Die Selbstisolierung ist in den Tagen des Siegertaumels verständlich gewesen, als im tschechischen Volke der Glaube verbreitet war, daß der neue Staat das wirtschaftliche Erbe Deutschlands und Deutschösterreichs im ganzen südlichen Mitteleuropa antreten werde. Der Reichtum an Bodenschätzen, der Arbeitsgeist beider Völker, die Energie der Unternehmer schienen in Verbindung mit der weltpolitischen Konjunktur die Gewähr zu geben, daß der neue Staat eine Insel der Seligen im Meere des Elends sein könne. Diese Illusion ist verflogen. Die Unzufriedenheit beschränkt sich heute nicht mehr auf die Deutschen, sondern hat auch das tschechische Volk erfaßt. Die Stimmen tschechischer Wirtschaftler mehren sich, welche die bisherige Wirtschaftspolitik verurteilen und eine Annäherung an Deutschösterreich, Ungarn, Südslawien und das Deutsche Reich für notwendig halten.

[379] So ergibt sich denn die Lehre, daß die Zukunft dieses Staates in einer Vereinigung der sich selbstverwaltenden Völker zur Betreuung der gemeinsamen wirtschaftlichen und kulturellen Interessen gelegen ist. Die Sudetendeutschen sind die Träger dieses konstruktiven Gedankens, der nach unserer Überzeugung auch der konstruktive Gedanke für den Neubau des ganzen gewaltigen Raumes Mittel-, Ost- und Südosteuropas sein wird. An die Stelle imperialistischer Ideen muß die Idee der Interessengemeinschaft aller miteinander so innig verbundenen und voneinander abhängigen Völker treten.

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1Auf eine Interpellation der deutschen Abgeordneten am 9. November 1920 antwortete Minister Beneš, daß die Regierung an nichts gebunden sei, als an den Text des Minderheitenschutzvertrages. ...zurück...

2Das kleine Schulgesetz erniedrigt vom Jahre 1928 an für alle Volksschulen des Staatsgebietes die Schülerhöchstzahl auf 60 (bisher 80). ...zurück...

3Dieser Hundertsatz verringert sich alljährlich, weil die deutschen Beamten fast ausschließlich aus der Vorkriegszeit stammen, daher den älteren Jahrgängen angehören. ...zurück...



200 000 Sudetendeutsche zuviel! Der tschechische Vernichtungskampf gegen 3,5 Millionen Sudetendeutsche und seine volkspolitischen Auswirkungen

Das andere Lidice: Die Tragödie der Sudetendeutschen

Das Buch der deutschen Heimat, besonders das Kapitel "Sudeten".

Zur Vorgeschichte des deutsch-tschechischen Kulturkonflikts, weit ins 19. Jahrhundert und noch darüber hinaus zurück: Die Deutschen in Österreich und ihr Ausgleich mit den Tschechen

Deutsches Land: Das Buch von Volk und Heimat, besonders die Kapitel "Schlesien" und "Die Deutschen im alten Österreich".

Deutschtum in Not! Die Schicksale der Deutschen in Europa außerhalb des Reiches,
besonders das Kapitel "Das Sudetendeutschtum und die Deutschen in der Slowakei".

Dokumente zur Austreibung der Sudetendeutschen

Das Grenzlanddeutschtum, besonders das Kapitel "Das Sudetendeutschtum mit dem Deutschtum im Hultschiner Ländchen."

50 Jahre Vertreibung. Der Völkermord an den Deutschen. Ostdeutschland - Sudetenland: Rückgabe statt Verzicht

Benesch und der Völkermord an den Sudetendeutschen. Zeitzeugen klagen an

Bilder aus dem Sudetenland

Der "Brünner Todesmarsch" 1945. Die Vertreibung und Mißhandlung der Deutschen aus Brünn. Nemci ven! Die Deutschen raus! Eine Dokumentation

Es begann in Prag: Die Wurzeln der Vertreibung

Europa in Trümmern

Gebiets- und Bevölkerungsverluste des Deutschen Reiches und Deutsch-Österreichs nach dem Jahre 1918

Die große Flucht. Es begann an der Weichsel - Das Ende an der Elbe

Das große Ringen. Der Kampf der Sudetendeutschen unter Konrad Henlein

Kein Schlußstrich. Die Sudetendeutschen und die Tschechen in Geschichte und Gegenwart

Schreie aus der Hölle ungehört Das totgeschwiegene Drama der Sudetendeutschen

Das Versailler Diktat. Vorgeschichte, Vollständiger Vertragstext, Gegenvorschläge der deutschen Regierung

Weg mit den Benesch-Dekreten! Das ungesühnte Jahrhundert-Verbrechen

Wir suchten die Freiheit. Schicksalsweg der Sudetendeutschen

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Zehn Jahre Versailles
in 3 Bänden herausgegeben von
Dr. Dr. h. c. Heinrich Schnee und Dr. h. c. Hans Draeger