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Bd. 3: Die grenz- und volkspolitischen Folgen
des Friedensschlusses

IV. Gebietsverlust durch erzwungene Abtretung
oder Verselbständigung
  (Teil 1)

1) Elsaß-Lothringen

Hans Knecht
Straßburg

Scriptorium merkt an:
Ein Buch zu den Gebiets- und Bevölkerungsverlusten des Deutschen Reiches und Deutsch-Österreichs nach dem Jahre 1918 finden Sie hier!
Zehn Jahre Versailles! Für Elsaß-Lothringen stand diese Schicksalswende unter dem Leitgedanken, den der achte von Wilsons Vierzehn Punkten also formuliert hatte: "Das Unrecht, das von Preußen 1871 Frankreich angetan worden war hinsichtlich des Elsasses und Lothringens, ein Unrecht, das den Frieden der Welt während fast 50 Jahren gestört hat, muß wieder gutgemacht werden, auf daß der Friede von neuem im Interesse aller gesichert sei."

Die große Streitfrage, ob sachlich 1871 ein wirkliches "Unrecht" verübt worden ist, wird wohl nie einmütig beantwortet werden. Eine gerechte Wertung wird aber jedenfalls nicht vergessen dürfen, daß zwei Jahrhunderte zuvor Frankreich in Ausnützung der Schwäche des Deutschen Reiches unzweifelhaft deutschen Volksboden an sich gerissen hatte, und daß das wieder geeinigte Deutschland das sittliche Recht empfinden durfte, einst verlorenes deutsches Kulturerbe vor dem Untergang in volksfremdem Wesen zu retten. Doch sei auch nicht bestritten, daß seit der Eroberungen des Elsaß durch Frankreich, seit dem Westfälischen Frieden (1648) und dem Raub Straßburgs (1681), andere staatsrechtliche Auffassungen alte Staatsbegriffe abgelöst hatten. Unter der Auswirkung der Ideen der großen Revolution, der "Rechte der Menschen und Bürger", war die frühere Auffassung im Schwinden, die über die Menschen lediglich als Zubehör des Bodens, den sie bewohnten, verfügte und sie so verschachern und verschieben ließ wie Steine auf dem Schachbrett. 1871 hatte sich dieses Neue noch keineswegs durchgesetzt. Der Wunsch Deutschlands, einst geraubtes Besitztum wieder an sich zu nehmen, geriet in Widerstreit mit dem Willen der elsaß-lothringischen Bevölkerung selbst, die sich nun dagegen auflehnte, als Lösegeld für den Frieden aus der Hand des besiegten Frankreich überzugehen an den deutschen Sieger.

Wie dem auch sei: Ein "Unrecht" konnte nur an der betroffenen Bevölkerung selbst begangen sein. Sie selbst muß daher darüber entscheiden, in welcher Form eine Wiedergutmachung Gestalt ge- [230] winnen sollte. Die Wilsonsche Formel konnte in ihrem ideellen Zusammenhang mit dem Grundsatz des "Selbstbestimmungsrechtes der Völker" nichts anderes bedeuten als die Gewährung dieses Rechtes auch an Elsaß-Lothringen. Das war auch die Ansicht der maßgebenden Wortführer Großbritanniens und der Vereinigten Staaten, Lloyd Georges und Wilsons. Frankreich aber, dem diese feierliche Bestätigung seiner jahrzehntelang verfochtenen Ansprüche durch eine unbeeinflußte freie Volksabstimmung hochwillkommen sein mußte, verfocht eine wesentlich andere Anschauung. Es erreichte durch den vor Kriegsausbruch außer Landes gegangenen frankophilen Bürgermeister von Colmar, Daniel Blumenthal - der selbst gar nicht Elsässer war -, daß Präsident Wilson gerade für das wichtigste europäische Streitproblem den Gedanken der Volksabstimmung preisgab. Doch hielt es der Präsident der französischen Republik, Raymond Poincaré, für geboten, nach seinem Einzug in Straßburg im Dezember 1918 noch einmal etwaige Gewissensregungen bei den alliierten Mächten abzudrosseln durch sein berühmtes Wort: "Le plébiscite est fait", "Die Volksabstimmung hat stattgefunden"... durch die Straßenbegeisterung in Straßburg.

Und doch hatte das Deutsche Reich den Weg zu einer nunmehr völlig freien Entscheidung der bodenständigen elsaß-lothringischen Bevölkerung freigemacht, als es Ende Oktober 1918 zwei Elsässer, den Straßburger Bürgermeister Dr. Schwander und den Vorsitzenden der Zentrumsfraktion im Landtag Karl Hauß, mit der Statthalterschaft und dem Staatssekretariat (Ministerpräsidentschaft) des Bundesstaates Elsaß-Lothringen betraute. Es hatte dabei anerkannt, daß sie damit keinerlei Treueverpflichtung gegenüber dem Reich übernähmen. Die elsässischen Reichstagsabgeordneten Dr. Ricklin und Dr. Haegy haben in den letzten Sitzungen, an denen die elsaß-lothringischen Abgeordneten im deutschen Reichstag teilnahmen, am 23. und 25. Oktober, ausdrücklich betont, daß alles unterbleiben müsse, "was einer freien Willensäußerung der Elsaß-Lothringer vorgreifen könnte" (Dr. Haegy), da durch die Annahme des Wilson-Programms "die elsaß-lothringische Frage zu einer internationalen geworden ist, deren Lösung, wenn nicht dem Präsidenten Wilson, so doch dem Friedenskongreß übertragen ist. Die vom Herrn Reichskanzler gestern gebrauchten Worte, daß die Rechtsfrage nicht Halt vor unseren Landesgrenzen macht, stützen diese unsere Auffassung" (Dr. Ricklin). Im Lande selbst, das durch die Abwesenheit der wehrfähigen Männer weitgehend politisch desorganisiert und aktionsunfähig war, gewannen die auch 1871 lebendig gewesenen Wünsche nach völliger Freiheit starken Auftrieb. Den Anspruch auf Volksabstimmung meldete ein Telegramm an Wilson auf dem Weg über die Berliner Schweizer Gesandtschaft an. Flugblätter verwahrten [231] sich gegen den Versuch, dem Lande auch nach diesem Kriege die freie Entscheidung über seine staatliche Zukunft zu rauben. Eine neutrale Republik Elsaß-Lothringen, wie sie nicht nur dem Sehnen vieler im Lande entsprach, sondern 1870 auch von einem französischen Publizisten Comte Agénor de Gasparin: La République neutre d'Alsace (Genf, Dezember 1870) im welschschweizer Journal de Genève und in einer Flugschrift als Ideallösung verteidigt worden war, erhofften viele.

Der Waffenstillstand, dem rasch der Einmarsch der französischen Armeen in Elsaß-Lothringen folgte, machte diesen Hoffnungen auf eine gerechte und daher endgültige Lösung des Problems ein jähes Ende. Frankreich zeigte vom ersten Tage an, daß es eine Diskussion über seine erstrebte Siegesbeute nicht zulassen werde. Während Deutschland entsprechend den Haager internationalen Rechtssätzen in den vier Kriegsjahren Belgien auf Grund des vorher geltenden Rechts verwaltete, nahm die französische Verwaltung in Elsaß-Lothringen die Entschlüsse des Friedensvertrages vorweg und behandelte Elsaß-Lothringen sofort als unanfechtbar französisches Staatsgebiet. Es ließ sich daher auch im Versailler Vertrag den Besitz des Landes zurückdatieren auf den Zeitpunkt des Waffenstillstandes, ohne die rechtlichen und politischen Ungeheuerlichkeiten zu beachten, die daraus erwachsen mußten:

Art. 51: "Die infolge des Versailler Vorfriedens vom 26. Februar 1871 und des Frankfurter Vertrages vom 10. Mai 1871 an Deutschland abgetretenen Gebiete fallen mit Wirkung vom Zeitpunkte des Waffenstillstandes vom 11. November 1918 ab unter die französische Souveränität."

Dem entsprach auch die einzigartige Verweigerung jeglichen Optionsrechtes für die Bewohner des Landes. Ihm entsprach vor allem die zwangsweise Verleihung der französischen Staatsangehörigkeit an alle, die 1871 diese Nationalität verloren hatten, und an die Nachkommen derartiger exfranzösischer Väter. Sie haben keine Möglichkeit, sich von dieser Staatsangehörigkeit frei zu machen, auch wenn sie beim Inkrafttreten des Friedensvertrags längst außerhalb der französischen Staatsgrenzen, auch in Deutschland, Wohnsitz genommen hatten.

Der Führer der deutschen Friedensdelegation, Graf Brockdorff-Rantzau, hatte in den an die Siegermächte überreichten "Gegenvorschlägen" vergeblich unternommen, vor den Folgen einer Verletzung des Selbstbestimmungsrechtes der elsaß-lothringischen Bevölkerung zu warnen:

      "Der gegenwärtigen allgemeinen Rechtsauffassung entsprechend" sei zuzugeben, daß 1871 "durch Unterlassung der Befra- [232] gung des Volkes ein Unrecht begangen wurde". Die deutsche Regierung habe sich daher auch verpflichtet, gemäß den allseitig anerkannten Programmpunkten dieses "Unrecht" wieder gutzumachen. "Es würde jedoch nicht wieder gut gemacht, sondern nur durch neues größeres Unrecht ersetzt werden, wenn Elsaß-Lothringen ohne weiteres an Frankreich abgetreten würde." Denn dann würde der mit der Regelung der elsaß-lothringischen Frage verfolgte Zweck, "endlich Friede im Interesse aller zu machen", nicht erreicht.
      Die Abstimmung müsse sich auf die gesamte Bevölkerung Elsaß-Lothringens erstrecken und diese drei Möglichkeiten vorsehen:
      a) Vereinigung mit Frankreich oder
      b) Vereinigung mit dem Deutschen Reich als Freistaat oder
      c) volle Unabhängigkeit, insbesondere Freiheit des wirtschaftlichen Anschlusses an einen der Nachbarn."

Am 16. Juni 1919 überreichte Clemenceau die Antwort der Alliierten und Assoziierten. Die geforderte Volksabstimmung wurde verweigert.

Der Versuch, diese glatte Verletzung des Wilson-Programms zu rechtfertigen, ist höchst bezeichnend für die französische Einstellung. "L'injustice", das "Unrecht", das nach Wilsons Willen gutzumachen war, habe bestanden

      "in der Annexion eines Stücks französischer Erde gegen den Willen seiner Bewohner.... Eine Ungerechtigkeit wiedergutzumachen heißt, die Dinge so weit als möglich wieder in den Zustand versetzen, in dem sie sich befanden, bevor sie durch das Unrecht umgestürzt wurden. Alle Bestimmungen des Vertrages bezüglich des Elsaß und Lothringens haben dieses Ziel im Auge.... Die alliierten und assoziierten Mächte können daher ein Plebiszit für diese Provinzen nicht zulassen. Deutschland, das den achten Punkt angenommen und den Waffenstillstand unterzeichnet hat, der das Elsaß und Lothringen den geräumten Gebieten gleichstellt, hat keinerlei Recht, diese Abstimmung zu fordern. Die Bevölkerung Lothringens und des Elsaß hat es niemals gefordert. Sie hat vielmehr während fast 50 Jahren um den Preis ihrer Ruhe und Interessen gegen den Mißbrauch der Gewalt protestiert, deren Opfer sie 1871 war. Ihr Wille ist also nicht zweifelhaft, und die alliierten und assoziierten Mächte sind einig darin, ihm Achtung zu verschaffen."

Gegen die Zurückdatierung der neuen Einverleibung Elsaß-Lothringens in den französischen Staat wird in dieser Note heuchlerisch eingewandt, daß das Land

      "selbst den Tag seiner Befreiung bestimmte, als es sich in die Arme Frankreichs wie in die einer wiedergefundenen Mutter warf. Ein Vertrag, der sich auf [233] das Recht der Völker stützt, über sich selbst zu bestimmen, kann einen so feierlich verkündeten Willen nur zur Kenntnis nehmen...."

Da Elsaß-Lothringen demnach einfach als ein Stück "französischer Erde" behandelt wird, so wird französischerseits eine eigene elsaß-lothringische oder elsässische Volkspersönlichkeit nicht anerkannt. Daß man den deutschen Bundesstaat Elsaß-Lothringen einfach wieder werde herabdrücken zu drei willenlosen Departements nach französischem Schema F, stand den klarblickenden Gruppen in Elsaß-Lothringen deutlich vor Augen. Insbesondere erkannten gläubige katholische Kreise die Gefahr für die Kirche, die die Verleugnung eines Eigenrechtes für ihr Land bedeuten mußte. Die erst in späteren Jahren in ihrer vollen Bedeutung richtig gewertete warnende Stimme eines klugen elsässischen Priesters, des Pfarrers Sigwalt, sein rechtzeitig erschienener Appell in der Straßburger katholischen Zeitung Der Elsässer, ist dafür ein ebensolches Zeugnis wie ein anderer eminent politischer Versuch des Landtagspräsidenten Dr. Ricklin im "Nationalrat" (zu dem sich die vom Volke gewählte Zweite Kammer konstituiert hatte). Es sollte vor aller Welt als selbstverständliche Voraussetzung der Angliederung des Landes an Frankreich die Anerkennung seiner Sonderrechte verkündet werden:

      "Elsaß-Lothringen kehrt in den Schoß Frankreichs zurück in der sicheren Erwartung, daß ihm seine Sprache, seine religiösen Institutionen, seine Selbstverwaltung und seine wirtschaftlichen Interessen gewährleistet bleiben."

Die Mehrheit des Nationalrats glaubte jedoch, daß es angesichts der früheren Versprechungen französischer Wortführer unnötig sei, in dieser Weise geradezu Zweifel in die vorliegenden ehrenwörtlichen Zusagen von Vertretern der französischen Nation auszudrücken.

Die Quittung für das unbegründete Vertrauen war die Auflösung des "Nationalrats"; Elsaß-Lothringen hatte kein Organ mehr, seinen Willen auszusprechen. An den Friedenskonferenzen war es, den wahren Willen des Volkes einwandfrei feststellen zu lassen. Wir sahen bereits, wie man dort in die französische Falle ging.

Eine schwache Möglichkeit allerdings bestand, daß dieser Wille auch nach dieser Sabotage eines wahren Plebiszits Gestalt gewinnen könnte: bei den ersten Wahlen zum französischen Parlament im Herbst 1919. Aber dem "demokratischen" Frankreich lag nichts an einer klaren Willensentscheidung der "Befreiten". Es fürchtete sie vielmehr, fürchtete sie ebenso wie Wetterlé und andere Nationalisten, die vor dem Kriege und während der Kriegszeit sich als die Wortführer des "unterjochten" Elsaß-Lothringens aufgespielt hatten und jetzt vor einer Volksbefragung warnten. Das Land stand noch jetzt, ein Jahr nach dem Waffenstillstand, unter Militärdiktatur, die [234] im merkwürdigen Widerspruch stand zu der angeblichen einheitlichen Begeisterung über die Rückkehr zum französischen Mutterland. Ein Dokument von historischer Bedeutung ist die Anordnung des "Administrateur du Territoire de Haguenau" vom 30. Oktober 1919 an die Bürgermeister dieses unterelsässischen Kreises, das hier als ein Beispiel für die "Freiheit" der Wahl wiedergegeben sei, die bei dieser Gelegenheit nach französischer Ansicht eine nochmalige Bestätigung der Straßen-"Plebiszits" vom November/Dezember 1918 ergeben haben soll:

      "Politische Versammlungen. - Autonomistische Propaganda.
      Ich beehre mich, Ihnen mitzuteilen, daß die Verwaltung unter keinem Vorwand, selbst dem der Wahlen, irgendeine öffentliche oder private Versammlung dulden kann, in welcher für Elsaß-Lothringen irgendeine andere Regierungsform angepriesen oder einfach erörtert würde als diejenige, welche durch die Waffenstillstandsbedingungen oder den Friedensvertrag festgesetzt ist, d. h. die bedingungslose Wiedereinreihung der Frankreich durch den Frankfurter Frieden geraubten Provinzen in die französische nationale Einheit.
      Es obliegt Ihnen infolgedessen, darauf zu achten, daß in Ihrer Gemeinde keine Versammlung stattfinde, in welcher das Thema der Autonomie, des Neutralismus, des Föderalismus oder irgendeines andern politischen Systems zur Erörterung gelangen sollte, welches für Elsaß-Lothringen eine andere politische Gestaltung als die oben beschriebene umfassen würde.
      Die Verteilung von Flugschriften und Rundschreiben unterliegt selbst in der Wahlperiode denselben Vorschriften. Sie sind verpflichtet, jede in diesem Sinne gehaltene Propagandaschrift unverzüglich zu beschlagnahmen und mir sofort darüber zu berichten."

Diese Unterbindung jeder wirklichen politischen Tätigkeit wurde noch verschärft durch die geradezu mittelalterliche Methode, etwaigen Widerstand gegen nationalistische Wahlen im Keime zu ersticken. Schon bald nach dem Einmarsch der französischen Truppen hatten sich ungesetzliche Fehmegerichte gebildet, die sogenannten Commissions de triage ("Siebkommissionen"), die ein willkürliches Schreckensregiment ausübten und unendlich viel Leid und Elend über das Land gebracht haben. Erst im März 1929, zehn Jahre später, konnten es die Opfer dieser "Gerichte" wagen, sich zu einer Vereinigung zusammenzuschließen "zwecks Erkämpfung ihrer moralischen Rehabilitierung und ihrer materiellen Entschädigung". Bereits früher hatten sich die vielen Hunderte von Elsässern und Lothringern zusammengeschlossen, die während des Krieges als Zivilinternierte in französische Lager verschleppt worden sind und vielfach für [235] Lebenszeit körperlich und seelisch zugrunde gerichtet wurden. Die Commissions de triage trieben zahlreiche Alteingesessene vorübergehend oder dauernd außer Landes. Einer der krassesten Fälle ist die Internierung des Präsidenten des Landtags und Reichstagsabgeordneten Dr. Ricklin in dem badischen Dorf Bodersweier im besetzten Brückenkopf Kehl bei Straßburg: vom März 1919 bis über die ganze Zeit der Friedensverhandlungen, über die Wahlen zu Kammer und Senat hinaus bis zum Tage nach der Annahme des Versailler Vertrages durch die französische Kammer!

Die unbestreitbare Tatsache, daß in jener ersten Wahl zum französischen Parlament nur Vertreter des Poincaréschen "Nationalblocks" nach Paris entsandt wurden, verliert durch diese Begleiterscheinungen natürlich jede Beweiskraft. Eine "Föderalistenpartei", die sich schon im Frühjahr 1919 gebildet hatte, um wenigstens die staatsrechtliche Sonderstellung zu retten, die Elsaß-Lothringen zuletzt im Rahmen Deutschlands erkämpft hatte, konnte es unter dem amtlichen Wahlterror selbstverständlich zu keinen Erfolgen bringen, da schon die Bereitstellung von Stimmzetteln fast unlösbaren Schwierigkeiten begegnete. Zur geschichtlichen Klarstellung der Tatsachen aber ist es nötig, das Bestehen dieser Partei ausdrücklich zu erwähnen. Über ihr Ziel berichtete am 15. Juli 1919 (einen Tag nach dem französischen Nationalfeiertag) das lothringische Journal de Thionville (Diedenhofener Zeitung). Erstrebt wurde die Bildung einer autonomen Republik Elsaß-Lothringen, die mit der französischen Republik zusammen ein Groß-Frankreich bilden sollte. Der Präsident der Partei hatte im April 1919 bei Clemenceau angefragt, ob Frankreich bereit sei, Elsaß-Lothringen am Tage des Friedensschlusses zu einem selbständigen Bundesstaat zu erklären. Sofort nach Unterzeichnung des Friedensvertrages wurde am 24. Juni 1919 an Clemenceau (und abschriftlich auch an Wilson und Lloyd George) ein Protest dagegen abgesandt, daß man dem Lande eine Autonomie verweigert, welche erlauben würde, "in unserer Republik Elsaß-Lothringen die Stellen der hohen Beamten durch Eingeborene, die unsere Sprache und unsere Sitte verstehen, zu besetzen. Wir wollen die besten Freunde Frankreichs bleiben, aber keine minderjährigen Kinder der Mutter Frankreich und keine Knechte Frankreichs. Wir sind bereit, uns mit Frankreich zu verbinden zu einer Organisation 'Groß-Frankreich', welche Frankreich und unserm Lande die verdienten Freiheiten (Souveränität) läßt." Die Zeitung konnte auch mitteilen, daß die Denkschrift "im Umfang von 100 Folioseiten" rechtzeitig zum 14. Juli "auf den Tisch Frankreichs niedergelegt" worden ist. Der Aufsatz schloß:

      "Die Partei, welche überzeugt ist, die Mehrheit des elsaß-lothringischen Volkes hinter sich zu haben, hofft, damit Veranlassung ge- [236] geben zu haben, daß der Feiertag der französischen Freiheitsverkündigung auch der Feiertag der Geburtsstunde der elsaß-lothringischen Freiheit werde, und daß dann Frankreich und Elsaß-Lothringen im gemeinsamen Verbande Groß-Frankreich noch lange am gleichen Tage die Erinnerung an die Wiedergewinnung ihrer zur Entfaltung der höchsten Kultur und zur gemeinsamen Wohlfahrt ganz unentbehrlichen Freiheit (Souveränität) werden feiern können."

Es ist für den Willen Elsaß-Lothringens, Herr im eigenen Hause zu sein, ebenso bedeutsam wie diese Parteigründung, daß die größte Partei im Elsaß, die katholische "Elsässische Volkspartei" schon in ihrem Programm von 1919 die Aufrechterhaltung der elsaß-lothringischen Sonderverwaltung forderte. Die auf ihr Programm gewählten ersten Abgeordneten und Senatoren waren also bereits Widersacher jener "einen und unteilbaren Republik", die in Innerfrankreich mit dem Begriff der Nation geradezu dogmatisch gleichgesetzt wird.

Die Mißachtung der besonderen Lebensbedingungen Elsaß-Lothringens zeigte sich in dem naiven Beginnen, sofort das alte französische Departementalsystem wieder über ein Land zu stülpen, das in deutscher Zeit als eine Einheit lebte und seit mehr als einer Generation an Ort und Stelle - im Landesausschuß, seit 1911 im Landtag - über seine örtlichen Fragen mit immer wachsender Selbständigkeit zu entscheiden gelernt hatte. So wenig Frankreich ein elsaß-lothringisches Volk und seinen Willen anerkannte und anerkennt, so wenig glaubte es, auf die verfassungsmäßige Wirklichkeit Rücksicht nehmen zu sollen. In einem großen Wurf wollte es den ganzen staatlichen Apparat des "Reichslandes" zerschlagen. Drei Kommissare der Republik in Straßburg, Colmar und Metz als Verwalter der drei Bezirke Unter- und Ober-Elsaß und Lothringen wurden eingesetzt. Ihre Befugnisse waren kaum größer als die eines innerfranzösischen Präfekten. Jede Entscheidung sollte wieder in Paris fallen. Dort hatte man auch schon durch Dekret vom 26. November 1918 einen Conseil supérieur d'Alsace et de Lorraine eingesetzt mit ernannten, meist sogar beamteten Mitgliedern.

Schon im März 1919 aber mußte man einen Schritt zurück tun, um der Mißstimmung über die Vernachlässigung der Landesinteressen halbwegs gerecht zu werden. Als "Generalkommissar der Republik" wurde der spätere Präsident der Republik, Millerand, nach Straßburg entsandt mit weitreichenden Vollmachten, die ihn als eine Art von Nachfolger des einstigen deutschen Statthalters erscheinen ließen. Der neue Mann, der sich zur Notwendigkeit einer "regionalistischen" Dezentralisation Frankreichs bekannte, schien Elsaß-Lothringen in seinem einheitlichen Bestand anerkennen zu wollen. Er erreichte, daß im Herbst 1920 ein 35gliedriger Conseil consultatif [237] als sehr schwächlicher Ersatz für den einstigen Landtag eingesetzt wurde, dem drei Abgeordnete, sechs Senatoren, 21 Vertreter der drei Generalräte und fünf ernannte Mitglieder angehörten. Seine Befugnis war "Beratung" der Regierung, ohne daß diese auf solchen Rat etwas geben mußte. Zum Nachfolger Millerands wurde nach seiner Wahl zum Präsidenten der Republik (1920) der in der Kolonialverwaltung bewährte Franzose Alapetite bestimmt. Gemeinsam mit dem Conseil consultatif betrieb dieser in den kommenden Jahren die Angliederung der einzelnen Verwaltungszweige an die entsprechenden Pariser Zentralstellen und die Ersetzung der geltenden, zumeist von der Bevölkerung mitgeschaffenen Gesetze durch diejenigen Frankreichs. In den letzten Monaten der Nationalblock-Ära, wo diese "Verschmelzung" durchgeführt werden konnte, weil die ihm angehörenden elsaß-lothringischen Abgeordneten und Senatoren einen offenen Widerstand nicht wagten, zum Teil wohl auch gar nicht die Bedeutung dieses schrittweisen Abbaus eines wohlorganisierten Staatswesens erkannten, wurde dem Conseil consultatif ein Gesetzentwurf vorgelegt, der das Straßburger "Generalkommissariat" ersetzen wollte durch eine in Paris amtierende "Generalverwaltung". Die beratende Instanz lehnte diesen Schlußstrich unter das Werk ab, das sie selbst gefördert hatte. Nichts aber ist bezeichnender für die französische Geschlossenheit in dem Willen, Elsaß-Lothringens Eigenleben auszulöschen, als die Tatsache, daß nach dem Sturz des Poincaréschen Nationalblocks die siegreiche Linksregierung Herriot diesen Zertrümmerungsplan übernahm und das Generalkommissariat zum 1. Januar 1925 aufhob. Eine "Generaldirektion" unter Leitung des Franzosen Valot und mit dem Sitz in Paris ist an seine Stelle getreten. Der Conseil consultatif selbst war schon Mitte November 1924 von der neuen Regierung durch bloßes Dekret, nicht einmal durch ein Gesetz, abgeschafft worden. In kaum sechs Jahren hatte Frankreich das Gebilde Elsaß-Lothringen verfassungsmäßig vernichtet. Die spätere politische Entwicklung hat aber gezeigt, daß damit die lebendige volkhafte Einheit der Elsaß-Lothringer keineswegs auch zertrümmert war. Vielmehr begann zur gleichen Zeit der politische und kulturelle Selbstbehauptungswille erst recht Gestalt zu gewinnen. Und so zeigte sich, wie gut ein Mann wie der französisch-elsässische Propagandist Dr. Bucher es mit Frankreich gemeint hatte, als er in der von ihm nach dem Kriege gegründeten Straßburger französischsprachigen Wochenschrift L'Alsace Française schon im ersten Heft warnend schrieb:

      "In Elsaß-Lothringen müßte eine Politik, welche sich nicht gründen würde auf die Bestrebungen regionaler Richtung, schnell enden mit schrecklichen Mißerfolgen, die Frankreich schädlich werden würden." (Siehe Schrifttum S. 252 und 253.)

[238]

Die politische Entwicklung nach dem Waffenstillstand

Die französische Welle hatte im Winter 1918/19 überall, auch in den bestehenden Parteien, die bedingungslos französisch eingestellten Elemente nach oben geschwemmt. Auch in den großen gutorganisierten Parteien, in der katholischen "Elsässischen Volkspartei" (früher Zentrum) und bei den Sozialdemokraten, zeigte sich dieser Prozeß. Kein Wunder, daß daher bei der ersten Nachkriegswahl Männer wie Wetterlé, Pfleger, François, wie die Generäle Bourgeois und Taufflieb, wie der Comte de Leusse und der Colonel Stuhl bei der katholischen Partei als Repräsentanten des Volkes in Erscheinung traten, und daß im sozialistischen Lager Männer wie Peirotes, Georg Weill und Grumbach die politische Führung in die Hand bekamen und sofort den Anschluß an den französischen Sozialismus herbeiführten. An parteipolitischen Bildungen gab es daneben - außer der erwähnten "Föderalistenpartei" - im Zeitpunkt der ersten Volkswahl im Elsaß die Gruppe der Demokraten, über deren Rückhalt in der Wählerschaft niemand etwas aussagen konnte. Das seltsame französische Wahlrecht, das 1919 galt, spielte den zum Nationalblock vereinigten Katholiken und Demokraten sämtliche elsässische Kammer- und Senatsmandate in die Hand. In Lothringen erlangte der Nationalblock, der hier fast ausschließlich aus der katholischen "Lothringischen Volkspartei" bestand, ebenfalls alle Mandate in Kammer und Senat.

Während der Herrschaft des Nationalblocks - Ära Poincaré - war eine Opposition äußerst schwierig. Kritik gegen die unaufhaltsam weitergeführte Assimilationspolitik regte sich lediglich in einigen linksoppositionellen Blättern. Bei den zweiten Kammerwahlen - 1924 - zeigte sich daher ein gut Teil der Unzufriedenheit in der Zunahme der Linksstimmen. Ihr Anwachsen erreichte die Durchbrechung des bisherigen Monopols der "nationalen" Parteien: zwei Sozialisten (Peirotes und G. Weill) und ein Kommunist (Hueber, jetzt Bürgermeister von Straßburg) zogen ins Pariser Parlament ein. Die Ausschaltung eines Mannes wie Wetterlé, dessen überspannter Nationalismus bereits als gefährliche Belastung der im Volke wurzelnden katholischen Partei empfunden wurde, zeigte auch auf der Gegenseite das Abebben der blau-weiß-roten Flut. Dieser zweite Vier-Jahres-Abschnitt politischen Lebens im neuen Staatsverband vertiefte die Erkenntnis, daß mit den überbrachten Parteiformeln - hie Bürgerliche, dort Proletariat! oder hie christliche Parteien, dort "Antiklerikale"! - den neuen Problemen nicht beizukommen war. Die in Paris ans Ruder gekommene Linksregierung Herriot bekannte sich nämlich noch unverhüllter zum "Assimilations"-(Verschmelzungs-)-Ziel als der Poincarésche Nationalblock. Er vollendete nicht nur die Zertrümmerung der elsaß-lothringischen Selbstverwaltung durch die [239] unter Poincaré vorbereitete Aufhebung des Generalkommissariats und des Conseil consultatif, sondern verkündete die Absicht, die Ersetzung der geltenden elsaß-lothringischen bzw. deutschen Gesetzgebung durch die französische noch mehr zu beschleunigen. Das betraf vor allem die Aufhebung der religiösen Sonderstellung des Landes und die Erstreckung der Trennung von Kirche und Staat auch auf Elsaß-Lothringen. Die ohnehin durch den Sturz Poincarés in die Opposition getriebene katholische "Elsässische Volkspartei" (Zentrum) leitete gegen diese Absicht einen umfassenden Protest ein, der in den großen Städten zu eindrucksvollen Kundgebungen, im ganzen Lande zur Sammlung von Zehntausenden von Unterschriften gegen die Pariser Absichten führte. Das Wort "Protest" hat in Elsaß-Lothringen einen besonderen politischen Klang. Auch jetzt mischten sich in den rein kirchlich-religiös gemeinten Widerstand gegen die Absichten der Regierung rasch in wachsendem Maße andere Töne: der Widerstand gegen die Mißachtung des elsaß-lothringischen Volkswillens richtete sich auch gegen die Entrechtung der deutschen Muttersprache, gegen die Überfremdung durch französische Beamte und Lehrer, gegen die Zerschlagung der verfassungsmäßigen Sonderstellung. Die beschwichtigenden Worte Herriots, der den Staatsrat über die Weitergültigkeit des "Konkordats" - das in Frankreich selbst Ende des vorigen Jahrhunderts abgeschafft ist - ein Gutachten abgeben ließ, vermochten den heraufbeschworenen Sturm nicht mehr einzudämmen.

Und nun gewann der niedergehaltene Wille des Volkes ein Organ. Eine zunächst sehr unansehnliche kleine Wochenschrift Die Zukunft warf den Gedanken der Autonomie wieder ins Volk, die Idee der "Heimatrechte", die alte Parole: "Elsaß-Lothringen den Elsaß-Lothringern!" Die Kritik an den französischen Zielen, bisher planlos und zersplittert, fand hier grundsätzliche Deutung. Sie zwang die bestehenden Parteien, zwang die Tages- und Zeitschriftenpresse, zwang auch die Wortführer der Verwelschung zum Farbebekennen. Die bestorganisierte Partei, die "Elsässische (katholische) Volkspartei", rückte ihre zeitweise stark in den Hintergrund gestellten "regionalistischen" Ziele wieder stärker in den Vordergrund. Die katholische deutschsprachige Presse, die bodenständigste im Lande, machte sich in weitem Umfang die "Zukunfts"-Forderungen zu eigen. Die in der National-Block-Zeit an Stärke gewachsene linksbürgerliche Gruppe der "Radikalen" tat desgleichen. Da die Pariser Parteizentrale (Herriot) jedoch die Wandlung verfehmte, wandte sich ihre Anhängerschaft von ihr ab und ging zu einer neuen "Elsaß-Lothringischen Fortschrittspartei" über. Im sozialistischen Lager, wo eine französisch-nationalistisch eingestellte Führung jedes Einlenken stark verhinderte, zeigte sich eine ähnliche Entwicklung; ein starker Teil ihrer Gefolgschaft ging zum Kommunismus über, der in seinen heimat- [240] lichen Forderungen noch über die Autonomisten hinweggeht, indem er die Anerkennung des Selbstbestimmungsrechtes "mit allen Folgerungen" fordert.

Nicht die Schilderung der Entwicklung im einzelnen kann hier gegeben werden, sondern nur die große Linie, die sie kennzeichnet. Sie besteht in der völligen Umgestaltung der politischen Kampflinien, wobei der Gegensatz zwischen "heimatrechtlich" und "national" (d. h. französisch-assimilationistisch) alle anderen Scheidelinien überrennt. Trotz allen Machenschaften der französischen "Patrioten", trotz Aufgebot des gesamten staatlichen Apparats, selbst der Justiz, gelang es nicht, die Entfaltung der Heimatidee zu hemmen. Neben die Wochenschrift Die Zukunft trat eine autonomistische Tageszeitung Volksstimme in Straßburg, trat ein gleichfalls heimatrechtliches Wochenblatt der neuen Fortschrittspartei (Das Neue Elsaß), ein politisches Witzblatt D'r Schliffstaan und die extrem-oppositionelle Wahrheit (Herausgeber Claus Zorn von Bulach). An Pfingsten 1926 gewann die bisher nur literarisch wirksame Autonomiebewegung einen organisierten Unterbau im "Elsaß-Lothringischen Heimatbund", an dessen Spitze der frühere Landtagspräsident Dr. Ricklin stand, und dessen Aufruf rund hundert Männer aus allen Berufen, aus dem Elsaß wie aus Lothringen, aus dem katholischen wie dem protestantischen Lager unterzeichnet hatten. Die Regierung ging mit hemmungsloser Erbitterung gegen die ihrem Zugriff preisgegebenen Beamten, Lehrer, Eisenbahner vor, die mit ihrem Namen für die Sache der Heimat eingetreten waren. "Sanktionen" wurden verhängt, die neues Leid in zahlreiche Familien brachten, ohne aber den Willen des Volkes zu erschüttern. Einige Monate später zeigte die Gründung einer "Autonomistischen Partei" (jetzt "Landespartei"), daß neben die überparteiliche Arbeit des "Heimatbundes" auch die politische Arbeit praktisch treten konnte.

Von erschreckenden Zeichen wäre hier zu berichten, die für die französische Verblendung und böswillige Verkennung des Zieles dieser Bewegung zeugen. Kein Mittel der Verleumdung und lügenhaften Pressehetze war Frankreich schmutzig genug, um es gegen die "liebe" elsaß-lothringische Bevölkerung einzusetzen. Und es scheute sich nicht, auch die letzte Karte auszuspielen: den Einsatz seiner Justiz, die mißbraucht wurde, um politische Ideen mit einer gerichtlichen Strafverfolgung unschädlich zu machen.

Diese große Staatsaktion, deren international beachteter Höhepunkt der Colmarer Prozeß im Mai 1928 gewesen ist, bildet den Übergang zu der dritten Periode, in der Elsaß-Lothringen noch heute steht. Die parteipolitische Gruppierung hatte in Frankreich inzwischen Poincaré wieder ans Ruder gebracht, diesmal mit einer nicht rein rechts eingestellten, sondern - um der Rettung des Frankens willen [241] - stark überparteilichen Regierung. Hatte einst der Nationalblock den Abbau "Elsaß-Lothringens" verfassungsmäßig, juristisch, politisch eingeleitet und gefördert, so hatte die kurze Regierungszeit des Linksblocks erwiesen, daß man auch hier das gleiche Ziel hat, die Vernichtung des Elsaß-Lothringertums. In die neue Poincaré-Ära fallen die krassen Versuche, den Willen des "befreiten" Volkes mit Gewalt niederzuschlagen. Wie würde diese Erkenntnis von der Unvereinbarkeit des französischen und des elsaß-lothringischen Strebens bei einer neuen Volkswahl sich auswirken? Das war die bange Frage im "nationalen" Lager. Im April 1928 würden die Wähler zum drittenmal berufen sein, ihr Urteil über die Politik der letzten Jahre abzugeben. Im Oktober und November zuvor schlug Frankreich los. Unter dem Vorwand, daß eine damals in Bildung begriffene Lehrergenossenschaft ("Sapart" - "Société alsacienne de participations financières") - durch ihre Werber "den Staatskredit gefährde", wurde vom Oberelsaß her gegen die tatsächlich oder vermeintlich beteiligten Elsässer eine Haussuchungsaktion eingeleitet, die sich auch auf die Schriftleitungsräume der heimatlichen Blätter erstreckte. Auf Beschluß des Ministerrats wurde am 11. November 1927 die autonomistische Presse unterdrückt; den Vorwand bildete der Fremdsprachenparagraph des französischen Presserechts, der das Verbot "fremdsprachiger" Zeitungen gestattet. Unter einem andern Vorwand, dem der "Spionage", wurden zwei kaufmännische Angestellte der extremistischen Wochenschrift Die Wahrheit verhaftet. Der Vorsitzende der einheimischen Lehrerschaft Prof. Rossé, der schon wegen Unterzeichnung des "Heimatbund"-Aufrufs seiner Stellung verlustig gegangen war, wurde wegen der "Sapart"-Affäre verhaftet. Um die Jahreswende folgten weitere Verhaftungen. Im Februar verkündete Ministerpräsident Poincaré auf einem Bankett der unterelsässischen Gemeinden, daß das Elsaß "schaudern" werde, wenn es im Prozeß die Schandtaten dieser Elsässer erfahren werde. Die autonomistische Presse unterdrückt, die Bewegung mit dem Makel des Hochverrats belastet, die Führer im Gefängnis oder außer Landes geflüchtet, die Organisationen der Heimatbewegung zerschlagen -, so mußte es gelingen, für weitere vier Jahre gefügige "Volksvertreter" in die Kammer zu bringen. Die Verteidigung der Heimatrechte war für die große Mehrzahl der Wähler der Prüfstein der Kandidaten. So wurden im Oberelsaß sogar die vom Gefängnis aus kandidierenden Autonomisten Dr. Ricklin und Professor Rossé gewählt. Eine Reihe von früheren nationalistischen Abgeordneten verloren ihre Mandate: der Lothringer François, der 1919 "im Namen Elsaß-Lothringens" die Freude über die Befreiung in der Kammer kundgab; der Sozialist Georg Weill, der Berater der französischen Linken; die protestantischen Pfarrer Scheer und Altorffer, die [242] als demokratische Abgeordnete eifrige Förderer der Assimilation gewesen waren.

Zwei Tage darauf begann der Colmarer "Komplott"-Prozeß. Er endete nach aufschlußreichen Beratungen, die den eindeutigen Willen des Landes zeigten, auch "im Rahmen Frankreichs" sein Sonderleben zu führen, mit einem Tendenzurteil. Sieben von zwölf Geschworenen hatten entsprechend dem Antrag des französischen Generalstaatsanwalts Fachot das Bestehen eines "Komplotts gegen die Sicherheit des Staates" bejaht. Vier der Angeklagten wurden daraufhin mit einer Gefängnisstrafe von einem Jahr und fünfjährigem Aufenthaltsverbot belegt. Die politische Tragweite dieses Urteils, das auch in zahlreichen neutralen Blättern als verhängnisvoll gewürdigt wurde, lag in dem zunächst verschwiegenen Umstand, daß es den Verurteilten die bürgerlichen Ehrenrechte, also das aktive und passive Wahlrecht, auf Lebenszeit abspricht. Unter den Verurteilten waren auch die vom Volke gewählten Abgeordneten Dr. Ricklin und Rossé. Die stürmischen Volksversammlungen im ganzen Lande, die dem Urteil folgten und eine Einheitsfront von der katholischen "Volkspartei" bis hinüber zu den Kommunisten zeigten, erzwangen zwar schon im Juli eine vorzeitige Haftentlassung der vier Verurteilten, aber eine wirkliche Begnadigung, die alle Rechtsfolgen beseitigen müßte, verweigerte die Regierung Poincaré mit Zustimmung des Parlaments. Im November 1928 sprach die Kammer trotz der beschwörenden Worte elsässischer Abgeordneter den beiden Elsässern ihre Mandate ab. Bei den Neuwahlen im Januar 1929 siegten zwei andere Autonomisten, die im Colmarer Prozeß Freigesprochenen Stürmel und Hauß.

Eine erste große Kammerdebatte über Elsaß-Lothringen (24. Januar bis 8. Februar 1929) endete mit einer inhaltslosen Formel, die "das Vertrauen der Kammer in die patriotische Anhänglichkeit des Elsaßes und Lothringens an das französische Mutterland" bescheinigt, über die Probleme selbst aber kein Wort besagt. Die Abstimmung über einen elsässischen Antrag auf Autonomie und Amnestie wurde unterbunden. Nur vier von insgesamt sechzehn elsässischen Abgeordneten sprachen der Regierung noch ihr Vertrauen aus. Die bisherige französische Politik haben auch sie nicht offen zu billigen gewagt, da drei von ihnen (Dr. Oberkirch, Dr. Pfleger, Weydmann) selbst im Wahlkampf die Grundforderungen der Heimatbewegung sich zu eigen gemacht hatten.

Andere Willensäußerungen des elsaß-lothringischen Volkes bestätigen die Haltung der autonomistischen Abgeordneten bei der Elsaß-Lothringen-Debatte: bei der Teilerneuerung der drei Bezirkstage ("Generalräte") erringt die Heimatbewegung große Erfolge. Die bisher gefügigen Generalräte bewiesen in ihren anschließenden Ta- [243] gungen einen ungewohnten Widerstandsgeist gegen die Zumutungen der französischen Präfekten; erregte politische Zusammenstöße ergaben sich aus dem Versuch, diesen Widerstand zu brechen.

Die Gemeinderatswahlen im Mai 1929 standen ebenfalls im Zeichen der neuen Fronten und ersetzten in Straßburg, Colmar, Schlettstadt die autonomiefeindlichen Mehrheiten durch heimatrechtliche, so daß auch als Bürgermeister hier und in andern Städten Gegner des Assimilationskurses gewählt wurden.

Schließlich besiegelt der mit einem Freispruch endende zweite Komplott-Prozeß (Besançon) gegen den freiwillig aus der Schweiz ins Elsaß zurückgekehrten autonomistischen Führer Dr. Roos den Zusammenbruch der juristisch-polizeilichen Autonomistenverfolgung. Die Heimatbewegung ist damit als verfassungsmäßig berechtigt anerkannt. Es bedeutet jedoch keineswegs, daß Frankreich Elsaß-Lothringen nunmehr als eine nationale Minderheit anerkennt und sie nach den Grundsätzen des Minderheitenrechts behandeln will. Der damalige Ministerpräsident Poincaré hat durchaus die allgemeinfranzösische Auffassung in Worten gefaßt, als er während der großen Kammerdebatte seine dreitägige Rede schloß: "Die Elsässer sind keine nationale Minderheit." Dieser Auffassung, die mit den reinen Tatsachen ebenso im Widerspruch steht wie mit dem immer wieder ausgesprochenen Willen der großen Volksmehrheit, entspricht es, daß Frankreich jede Milderung oder gar grundsätzliche Umstellung seiner Schul- und Sprachenpolitik mit Entschiedenheit ablehnt. Das Ziel ist und bleibt die kulturelle Aufsaugung des deutschsprachigen Elsaß-Lothringertums. (Siehe Schrifttum S. 253.)


Das Kulturproblem

Wenn Elsaß-Lothringen heute um die Gewährung der Autonomie kämpft, so ist ihm dies nicht Selbstzweck. Vielmehr hat ihm die im Licht der Geschichte gesehen kurze Spanne der ereignisreichen Jahre seit dem Waffenstillstand gezeigt, daß es kulturell zugrunde gerichtet wird, wenn es sich nicht der Pariser kulturimperialistischen Umstrickung erwehren kann. Die Gegner der Heimatbewegung sind bestrebt, diesen Zusammenhang zu verschleiern. Sie wollen glauben machen, daß der Kampf einfach darum gehe, Frankreich "seinen. Siegespreis wieder zu entreißen": Von Berlin her dirigiere man den Widerstand gegen die französische Politik. Man suche von dort aus, diese "künstliche Einheit" Elsaß-Lothringen aufrechtzuerhalten, damit der deutsche Drang nach Revanche immer wieder sein Ziel erkenne. Die Unsinnigkeit einer solchen Auffassung könnte die Franzosen schon die eine Tatsache erkennen lassen, daß unter den Führern des Autonomismus eine Reihe von Männern zu finden sind, die [244] stets Gegner Deutschlands gewesen sind und zum Teil sogar während des Krieges von deutschen Kriegsgerichten wegen "franzosenfreundlicher Handlungen" zu schweren Strafen verurteilt waren: die Abgeordneten Dahlet (Präsident der Fortschrittspartei), Brogly (Präsident der oberelsässischen Zentrumspartei), Hauß (Autonomistische Landespartei) u. a. Und die Stimmzahlen der letzten Wahlen zeigen eigentlich jedem ruhig Denkenden, daß eine solch umfassende Volksbewegung nicht von außen her in einem Lande zu erreichen ist, da sein Drang, vom deutschen Joch befreit zu werden und zu Frankreich zurückzukehren, doch nach französischer Auffassung so groß gewesen sein soll, daß der Gedanke an eine ausdrückliche Volksbefragung eine Beleidigung dargestellt hätte.

Die Rettung des kulturellen Erbes ist der Zweck der Heimatbewegung. Ganz klar wird dies in dem Aufruf "An alle heimattreuen Elsaß-Lothringer!", den der überparteiliche "Heimatbund" Pfingsten 1926 veröffentlichte, und wegen dessen so viele der Unterzeichner schwerste moralische Kränkung und wirtschaftliche Schädigung auf sich nehmen mußten.

      "In schicksalsschwerer Stunde treten die Unterzeichneten vor das elsaß-lothringische Volk. Längeres Zögern wäre Verrat an unserm Volk, denn das Maß ist voll bis zum Überlaufen. Sieben Jahre lang haben wir zugesehen, wie man uns Tag für Tag in unserer eigenen Heimat entrechtet hat, wie all die Versprechungen, welche man uns feierlich gegeben, mißachtet worden sind, wie man unsere Rasseneigenschaften und Sprache, unsere Überlieferungen und Gebräuche zu erdrosseln suchte. Wir wissen nun, daß die Assimilationsfanatiker es auf Wesen, Seele und Kultur des elsaß-lothringischen Volkes abgesehen haben, wobei sie nicht einmal vor Fragen der inneren Überzeugung und des Gewissens halt machen...
      Wir sind der Überzeugung, daß die Sicherung und lebendige Auswirkung der unverjährbaren und unveräußerlichen Heimatrechte des elsaß-lothringischen Volkes und die Wiedergutmachung all des Tausenden und Abertausenden unter uns zugefügten Unrechts nur garantiert sind, wenn wir als nationale Minderheit die vollständige Autonomie im Rahmen Frankreichs erhalten..."

Unter den Einzelforderungen ist in diesem Zusammenhang besonders die Behandlung der Sprachenfrage von Wichtigkeit:

      "Wir fordern, daß die deutsche Sprache im öffentlichen Leben unseres Landes den Rang einnimmt, der ihr als Muttersprache des weitaus größten Teils unseres Volkes und als einer der ersten Kultursprachen der Welt zukommt. In der Schule muß sie Ausgangspunkt und ständiges Unterrichtsmittel und Unterrichtsfach mit abschließender Prüfung sein. In der Verwaltung und vor Gericht muß ihr gleiche Berechtigung mit der französischen Sprache zukommen.
[245]       Unser niederes und höheres Schulwesen, wie unsere sonstigen Bildungseinrichtungen, sollen in allen ihren Zweigen nicht gemäß Diktat der Pariser Zentralgewalt, sondern der Eigenart und Kulturhöhe des elsaß-lothringischen Volkes entsprechend ausgebaut werden, so wie unser zukünftiges Parlament unter weitgehendem Mitbestimmungsrecht der Eltern und Lehrpersonen es verfügen wird."

Wie weit die Wirklichkeit von diesem Ideal entfernt ist, und wie völlig entgegengesetzt die französische Auffassung die Dinge sieht, läßt sich in kurzen Worten andeuten. Vor Gericht ist in diesem deutschsprachigen Lande jede Behandlung in der französischen Fremdsprache zu führen, auch wenn Richter, Verteidiger, Angeklagter und Zeugen sich besser und leichter auf Deutsch verständigen könnten. Alle rechtlich wirksamen Akte müssen französisch ausgefertigt werden. Bei den mündlichen Verhandlungen ist Zuziehung von Dolmetschern gestattet. Die Unvernunft, ja Bedrohung jeder zuverlässigen Rechtsfindung bei solchen Verfahren hat vor aller Welt der Colmarer Prozeß gezeigt. (Die Tatsache, daß fast alle Staatsanwälte und Richter landfremde Innerfranzosen ohne Kenntnis der deutschen Sprache sind, verschärft dies Gefühl der Rechtsunsicherheit.) Die Auswahl der Geschworenen erfolgt lediglich unter den Bewohnern, die der französischen Sprache mächtig sind, also aus einer beschränkten oberen Schicht. Die Idee des Laienrichtertums wird dadurch völlig verletzt. (Auch hierfür war der Colmarer Tendenzprozeß und sein Urteilsspruch ein erschütterndes Beispiel.)

In den Verwaltungen ist Alleinherrscherin gleichfalls die "Nationalsprache", das Französische. Mit einer Ausnahme: Die Ausfertigung der Steuerzettel geschieht in beiden Sprachen. Neuere Anweisungen in einzelnen Verwaltungszweigen, z. B. in der Sozialversicherung, den Schriftverkehr mit dem Publikum auf Wunsch deutsch zu führen, ändern nichts an der grundsätzlichen Entrechtung der Muttersprache des Volkes.

In der Schule, die nach französischem Muster in allen ihren Zweigen einem Straßburger Recteur d'Académie unterstellt ist, kommt dem Französischen gleichfalls die Herrscherrolle, der deutschen Muttersprache des Volkes die Aschenbrödelrolle zu. Die Straßburger Universität ist restlos französischsprachig; ihr Lehrkörper ist fast rein französisch. Das höhere Bildungswesen ist rein französischsprachig. Die Volksschulen bis hinab zur kleinsten Dorfschule haben als Unterrichtssprache nicht das Deutsche, sondern das Französische. Auch die einheimische Lehrerschaft mußte von einem Tag zum andern vom Deutschen zum Französischen übergehen. Die méthode directe, die Anwendung der Staatssprache für den Unterricht, ist an die Stelle der Methode getreten, die im deutschen Reichsland Elsaß-Lothringen gegolten hatte, und die für das deutsche Sprach- [246] gebiet die deutsche, für das kleinere französische Sprachgebiet (einzelne Vogesentäler und einen westlothringischen Landstreifen) die französische Muttersprache als Ausgangspunkt des Unterrichts nahm. Die massenhafte Versetzung französischer Lehrer und Lehrerinnen nach Elsaß-Lothringen, die Ersetzung der in deutscher Zeit fast ausschließlich einheimischen Schulinspektoren durch Franzosen, die Besetzung aller gehobenen Stellen der Unterrichtsverwaltung durch Eingewanderte aus Innerfrankreich vermehren das Übel unheilvoll. Wer ein hochstehendes Kulturvolk rasch und wirksam geistig knebeln und verdummen will, kann keine trefflichere Methode finden als das von Frankreich im "befreiten" Elsaß-Lothringen eingeführte Schulsystem. Von 1919 bis zum Januar 1927 deckte diese Sprach- und Schulenpolitik mit seinem Namen der früher in den Kolonien tätig gewesene "Akademierektor" Charlety. Seine Richtlinien für den Unterricht ausschließlich in französischer Sprache in den Volksschulen Elsaß-Lothringens (15. Januar 1920) an die Schulinspektoren sind ein Dokument französischer Zielstrebigkeit. Sie gipfeln in dem Satze, es könne keine andere Erwägung den Vorrang erhalten, als "die Notwendigkeit, aus dem Elsaß und aus Lothringen Länder französischer Zunge zu machen".

Als Charlety Ende Januar 1927 als Nachfolger des verstorbenen Pariser Kollegen aus Straßburg weggenommen wurde, trat an seine Stelle ein aus dem Elsaß gebürtiger Professor Pfister, der sein ganzes Leben in Frankreich zugebracht hat und völlig in der französischen Geistesverfassung aufgegangen ist. Nichts aber ist für die Einheitlichkeit des französischen Kulturimperialismus bezeichnender als die Tatsache, daß Charlety und sein System allen Wechsel der politischen Kabinette unangefochten überdauert hatten und von Poincaré, Herriot, Briand, von der Action Française und dem Echo de Paris bis zum sozialistischen Populaire mit gleichem Eifer gefördert wurden. Mit dem Wechsel der Person von Charlety zu Pfister trat ebensowenig ein grundsätzlicher Wechsel ein. Das vorausgegangene öffentliche Versprechen des Ministerpräsidenten Poincaré auf Gewährung der "Zweisprachigkeit" ist so wenig wie andere französische Versprechen jemals eingelöst worden. Poincaré hat sich vielmehr ausdrücklich der Besprechung eines Kammerantrags der "Elsässischen Volkspartei" bzw. ihres Präsidenten Seltz widersetzt, der das Regierungsversprechen in die Wirklichkeit überführen wollte. Es sollte eine Schulkommission gebildet werden, "die beauftragt werden soll, eine schnelle Lösung der Sprachenfrage im Elementarunterricht in Elsaß-Lothringen herbeizuführen" (Januar 1927). Vertreter des Unterrichtsministeriums, Lehrer, Abgeordnete, Senatoren, einheimische Bürgermeister, Vertreter der Konfessionen, Landwirte, Industrielle, Kaufleute, Handwerker sollten ihr angehören. Frank- [247] reich hat kein Interesse an einem solchen Ausschuß. Es will die unbedingte Vorherrschaft des Französischen. Es rechnet es sich demgegenüber schon zum Verdienst an, daß es "den elsässischen Dialekt duldet". Die Anwendung des Fremdsprachenparagraphen auf die deutschsprachige elsaß-lothringische Presse, die dadurch im Gegensatz zur französischen und französischsprachigen beständig unter der Drohung der Unterdrückung steht, beleuchtet diese Einstellung auch von politischer Seite. Die Folge der "geistigen Verkrüppelung", die das französische Schul- und Sprachensystem den befreiten Brüdern einbringt, paßt in die Rechnung; sie wird zwar die Landessprache auch in Generationen nicht auslöschen können, aber wohl schon die heute der französischen Schule überantwortete Jugend unfähig machen, später ebenso wirksam gegen die Assimilation Widerstand zu leisten, wie es die heutige "geopferte Generation" imstande ist.

Das schutzlos gelassene elsaß-lothringische Volk muß die Pflege der Überlieferung seiner geschichtlich gewachsenen volkhaften kulturellen Eigenart aus eigenen Kräften und gegen den offenen oder verdeckten Widerstand des Mehrheitsvolkes tragen: Zeitschriften heimatlichen Charakters, wissenschaftliche Heimatforschung, eine umfassende Vereinsbühnenarbeit, mundartliches Schauspiel, Kalender, literarische Veröffentlichungen. Die Straßburger Universität, die zu deutscher Zeit eine ihrer Aufgaben darin sah, das geschichtliche Gut für die Volkskunde und Volkstumspflege zu erschließen, ist heute ein Werkzeug der Verwelschung, also der Entwurzelung und Verfälschung elsässischen und lothringischen Wesens. (Siehe Schrifttum S. 253.)


Die wirtschaftliche Überfremdung

Der geistigen Umstrickung entspricht auf wirtschaftlichem Gebiet die Auswirkung der "Befreiung". Für ein Teilgebiet dieser Seite der Wiedergutmachung des Unrechts von 1871 hat der französische Senator Cluzel das Wort geprägt von der "ergiebigsten Plünderung der Weltgeschichte". Das Wort paßt aber auf den ganzen Umschichtungsprozeß, der sich seit 1918 auf wirtschaftlichem Gebiet abgespielt hat. Die Zerschlagung der elsaß-lothringischen Eigenstaatlichkeit und die Leugnung einer elsaß-lothringischen Volkspersönlichkeit haben es ermöglicht, daß fast der gesamte Reichtum des Landes in französische Hände gespielt wurde, und daß der geistigen Knebelung eine wirtschaftliche Überfremdung zur Seite ging. Im Lande selbst hat man dies zehn Jahre und länger nicht recht bemerkt. Wenn es heute erkannt ist, so ist es die unbeabsichtigte Folge der großen Rede des Ministerpräsidenten Poincaré in der Elsaß-Lothringen-Debatte der französischen Kammer (24. Januar bis 8. Februar 1929). Ein erstes Drittel seiner Rede war nämlich dem zahlen- [248] gespickten Nachweis gewidmet, daß Frankreich seinen "befreiten Brüdern" eine Fülle von Wohltaten auf wirtschaftlichem Gebiet gewährt habe, denen Elsaß-Lothringens unvergleichliche Blüte von heute zu danken sei. Die Unzufriedenheit sei daher Unvernunft und Undank. Die autonomistische Presse hat demgegenüber das wahre Bild gezeichnet. Das Wesentliche sei nicht, ob in den meisten Zweigen der elsaß-lothringischen Wirtschaft - Industrie, Bergbau, Handel, Verkehr, Landwirtschaft - heute und morgen eindrucksvolle finanzielle Ergebnisse zu verzeichnen sind, sondern die Frage: Wer hat den Nutzen? Diese Frage ist heute aber höchstens in der Landwirtschaft zugunsten der Einheimischen zu beantworten. Fast überall sonst aber geht der Ertrag in nicht-elsaß-lothringische Hände. Das gilt fast für die Gesamtheit der lothringischen Schwerindustrie, deren Einbeziehung in den französischen Wirtschaftsbereich allein Frankreich zu seinem hervorragenden Rang auf dem Welteisenmarkt verholfen hat. Drei Viertel der deutschen Eisenerzgewinnung fiel vor dem Kriege auf Lothringen. Die Sequesterverwaltung übertrug die früher deutschen neuzeitlich ausgebauten Hüttenwerke zu Bedingungen an innerfranzösische Konkurrenten, die jenes französische Wort von der "ergiebigsten Plünderung" rechtfertigten: Für einen Vorkriegswert von 1,4 Milliarden Mark erhält der Staat bis zum Jahre 1940 165 Millionen Franken, d. h. 33 Millionen Goldfranken. Um diesen Raub zu sichern, war in den ersten Nachkriegsjahren durch die Zwangsverwaltung die Erzeugung gedrosselt worden, um Unrentabilität vorzutäuschen.

Bei den lothringischen Kohlenzechen, die zum Teil noch in lothringischem Familienprivatbesitz (de Wendel) stehen, ist eine ähnliche Entwicklung zu verzeichnen. Hier wurden die früher in deutschem Besitz befindlichen Gruben und Konzessionen an innerfranzösische Kohlenindustrielle (de Peyerimhoff) zugeschlagen, die heute bei der Entwicklung einer Kohlenchemieindustrie (Gewinnung von Ammoniak usw.) bereits alle einheimischen Stellen ausschalten können.

Das elsaß-lothringische staatliche Bahnnetz ist unbelastet und ohne Anrechnung auf deutsche Leistungen an den französischen Staat übergegangen. Seine leitenden Stellen sind sämtlich mit Franzosen besetzt. Seine jährlichen Millionen-Reingewinne kommen weder Elsaß-Lothringen selbst, noch dem französischen Staat als solchem zugute, sondern fließen in eine gemeinsame Kasse der französischen Bahnnetze, um die Dividenden der dortigen Privatgesellschaften zu sichern. An die Ostbahngesellschaft, die vor 1871 Besitzerin der Bahn war, muß eine sinnlose Vergütung abgeführt werden wegen der Wertsteigerung, die das Bahnnetz aus gesamtdeutschen und einheimischen Mitteln in deutscher Zeit erreichte.

Ein besonderes Prunkstück der französischen Schilderungen der [249] elsaß-lothringischen Wirtschaftsblüte ist stets der amerikanisch rasche Anstieg der Kaliausbeute seit Kriegsende. Diese Zahlen sind Wirklichkeit und doch täuschendes Blendwerk. Die oberelsässischen Kalilager wurden nämlich erst zehn Jahre vor dem Kriege entdeckt, und erst 1911 begann die Förderung, um rasch zu steigen:

1911     103 644 Tonnen,
1912     136 243      "
1913     300 341      "
1914     325 886      "

Die Ausbeute geschah nur zu einem Fünftel durch französisches Kapital (Grube St. Thérèse), während die übrigen Kaliwerke überwiegend in deutschem Besitz standen. Ein Zehntel der Kuxe gehörte dem Reichsland Elsaß-Lothringen selbst. Nach dem Kriege sequestrierte Frankreich den deutschen Anteil. Bis 1924 dauerte das Liquidationsverfahren, das mit Übereignung der früheren deutschen Gruben an den französischen Staat endete, der nur 200 Millionen Franken an die früheren Eigentümer zu leisten hat für Anlagen, die schon 1926 40 Millionen für Neuanlagen erbringen könnten und einen Reingewinn von 93½ Millionen, wovon 4 Millionen an die drei elsaß-lothringischen Departements für die Anteile des früheren Reichslandes gingen. Frankreich hat durch den Kalibesitz im Elsaß einen ungeheuern Gewinn eingeheimst, der ihm bei seiner Schuldenregelung mit den Vereinigten Staaten unersetzliche Dienste leistet. Den Löwenanteil dieses Milliardenbesitzes und seiner Erträge erhielt aber nicht Elsaß-Lothringen, sondern Frankreich.

Die Lage bei der hochentwickelten elsässischen Textilindustrie und der Maschinenindustrie (Grafenstaden bei Straßburg, Mülhausen) beginnt sich erst jetzt zu klären. Fünf Jahre nach Inkrafttreten des Versailler Vertrages bestand Zollfreiheit für elsaß-lothringische Waren bei der Einfuhr nach Deutschland. Als diese Vergünstigung zu Ende ging, gewährte der Frankensturz eine vorübergehende neue Spanne der Gunst. Nach ihrem Abschluß traf die Textilindustrie sofort eine schwere Krise, aus der noch kein Ausweg zu sehen ist. Denn der französische Markt ist besetzt durch die altfranzösische Konkurrenz, die als Ausweg angepriesene Eröffnung des Marktes der französischen Kolonien ist wertlos, da im Elsaß andere Erzeugnisse hergestellt werden, als dort benötigt werden. Der Zusammenbruch des ältesten oberelsässischen Textilwerks und der Übergang anderer Firmen an französische Häuser sind ernste Warnungszeichen. Vereinbarungen mit innerfranzösischen Konkurrenzen, die bisher scheiterten, werden im besten Falle nur die Wirkung haben, auch diesen Zweig der elsaß-lothringischen Wirtschaft in Abhängigkeit von Frankreich zu bringen. Bei der Maschinenindustrie ist diese Abhängigkeit [250] vom französischen Kapital längst eingetreten. Eine gleiche Entwicklung hat das frühere einheimische Bankwesen genommen, das heute mit ganz geringen Ausnahmen aufgesogen ist durch Pariser Großbanken.

Nur die bodenständige Landwirtschaft ist heute noch frei; der Weinbau jedoch ist erdrückt von der billiger produzierenden südfranzösischen und algerischen Konkurrenz.

Der riesige Aufschwung des elsaß-lothringischen Wirtschaftslebens in deutscher Zeit, der sich ablesen läßt aus den Produktionsziffern der lothringischen Schwerindustrie und aus dem Wachstum der Bevölkerungszahlen, aus dem Aufschwung des Verkehrswesens und aus der Spartätigkeit, kommt heute Frankreich zugute und nur in den seltensten Fällen der bodenständigen Wirtschaft, die in fast allen Teilen überfremdet ist.

Die Lage wird noch schlimmer durch die steuerliche Übervorteilung, deren Beseitigung Frankreich immer wieder verspricht, aber nicht zustande bringen kann oder will.

All dies ist ebenso wie die kulturelle Bedrückung eine Folge der Leugnung des elsaß-lothringischen Eigenrechts, seiner besonderen Lebensbedingungen, die durch die schematische Einfügung in den andersartigen französischen Wirtschaftskörper schutzlos der Entrechtung ausgesetzt sind. Auf wie schwachen Füßen die Scheinblüte der Wirtschaft steht, zeigte sich bei Beginn der Verhandlungen über vorzeitige Räumung des Saargebiets. Hier mußte Frankreich selbst die besonderen Lebensnotwendigkeiten Elsaß-Lothringens anerkennen und ihnen eine Vertretung bei den Verhandlungen zubilligen.

Kulturell und wirtschaftlich, verfassungs- und verwaltungsmäßig ist die "Befreiung" Elsaß-Lothringens zu einer Herabdrückung eines sich selbst verwaltenden Landes auf den Rang einer ausgebeuteten Kolonie Frankreichs oder eines "Schutzgebiets" geworden. Daran ändert es natürlich nichts, daß eine kleine Oberschicht zu einem Teil Nutznießerin dieses Zustandes geworden ist. (Siehe Schrifttum S. 253.)


Elsass-Lothringen und die deutsch-französische Verständigung

Hat Wilson dieses Unrecht gewollt? Nicht Frankreich sollte ein Geschenk erhalten, sondern Elsaß-Lothringen sein Recht. Aus dem sicherlich zumeist ganz unbewußten naiven "Kolonialdenken" des heutigen Frankreich gegenüber seinen "befreiten Brüdern und Schwestern" am Oberrhein und an der Mosel erwächst das "malaise", das "Unbehagen". Denn Frankreich sieht nur immer sein Recht, sein Interesse, sein Machtstreben. Nie denkt es zuerst und vor allem an die Lebensnotwendigkeiten des elsaß-lothringischen Volkes. Wieder ist 1918 und 1919 Elsaß-Lothringen nur als Objekt eines Größeren [251] behandelt worden, nicht als Subjekt, nicht als Träger eigenen Wollens. In heutiger Zeit, im Zeichen des Selbstbestimmungsrechts der kleinen Völker, schafft solche Mißachtung des Volkswillens Unruheherde, die den Frieden der Nachbarn immer aufs neue gefährden müssen. Nicht allein im eigenen Interesse des Landes und seines heutigen französischen Besitzers handelt daher Elsaß-Lothringen, wenn es heute die Wahrung seiner Volkspersönlichkeit im Rahmen Frankreichs fordert. Die Gewährung der natürlichen Rechte der Bevölkerung, die Befreiung von unwürdigen kulturimperialistischen Fesseln, die Anerkennung ihres eigenen Lebensrechtes durch Frankreich würde jede Unruhe zum Erlöschen bringen können. Nicht Gefährdung des Friedens bedeutet also die elsaß-lothringische Heimatbewegung, sondern die Durchsetzung ihrer Ziele würde vielmehr entscheidend zur Festigung des europäischen Friedens beitragen. In Frankreich aber gibt es noch immer nur ganz Vereinzelte, die die elsaß-lothringischen Heimatforderungen in diesem Sinne aufzufassen vermögen. Einer dieser wenigen, der frühere französische Gesandte Alcide Ebray, der Verfasser des Buches vom Unsaubern Frieden (La Paix malpropre), hat 1927 einmal den verhängnisvollen Irrtum des französischen Kampfes gegen die Autonomiebewegung in diese Worte gefaßt:

      "Man bildet sich in Frankreich ein, falls man den Elsaß-Lothringern Genugtuung gäbe, würde man zugleich auch den Deutschen Genugtuung geben, und zwar in dem Sinne, daß man ein Elsaß-Lothringen schafft, welches gegebenenfalls leichter zu Deutschland zurückkehren könnte. In Wirklichkeit liegen die Tatsachen aber eher gegenteilig. Die Deutschen kennen einen Unterschied zwischen Deutschland und Deutschtum sehr wohl. Sie finden sich damit ab, daß Länder mit deutscher Kultur nicht zum deutschen Staate gehören... Die Volksteile dieser Länder werden um so weniger daran denken, nach Deutschland zu schauen, je weniger ihre Kultur in den Staaten bedroht ist, denen sie als Fremdrassige angehören..."

Für Frankreich aber ist "Hochverrat" und "Separatismus" die Feststellung, daß die Elsässer und Deutsch-Lothringer eine ethnische und sprachliche, also nationale Minderheit im Rahmen der französischen Republik bilden. Man verweigert die Anerkennung des Minderheitenrechtes und verfolgte seine Verteidiger als "deutsche Agenten". Man warf die Führer dieser Minderheit ins Gefängnis, schädigte sie wirtschaftlich durch Verwaltung und Justiz, man läßt ihnen wegen angeblichen "Komplotts gegen die Sicherheit des Staates" die bürgerlichen Ehrenrechte auf Lebenszeit absprechen, bereitet Ausnahmegesetze vor, die jede autonomistische Propaganda unter entehrendes Sonderrecht stellen. Das schürt nur die Glut des Brandherdes, verhindert jede Beruhigung, verschärft die seelische Not.

Und das deutsche Volk? Es hat durch den Abschluß des Locarno- [252] paktes Frankreich jeden Vorwand genommen, seine Ostgrenze als bedroht zu erklären und etwa damit die Entdeutschung seiner neugewonnenen Gebiete zu rechtfertigen. Die Grundsätze des Selbstbestimmungsrechtes und des international anerkannten Minderheitenrechtes konnten damit selbstverständlich ebensowenig für Elsaß-Lothringen außer Kraft gesetzt werden wie andere Bestimmungen des Versailler Vertrages, die als Sicherung des Friedens gedacht sind. Auch haben die Vertreter der Regierung und der Parteien bei der entscheidenden Reichstagsdebatte ausdrücklich erklärt, daß der deutschen Nation eine völlige Teilnahmslosigkeit gegenüber dem kulturellen Schicksal eines Gliedes der Kulturgemeinschaft nicht zugemutet werden könnte.

Mehr als 120 000 Vertriebene aus Elsaß-Lothringen leben heute im Deutschen Reich. Auch sie, die durch engste Bande mit der alten Heimat verbunden sind, haben die Lösung der elsaß-lothringischen Frage stets nur aus dem freien Willen des Volkes für möglich erklärt. Als ihre Pflicht betrachten sie es aber auch, die verhängnisvollen Folgen der Mißachtung des elsaß-lothringischen Willens aufzuzeigen, die nicht nur als schwere kulturelle Schädigung einer hochstehenden europäischen Bevölkerung erscheinen, sondern auch das Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich aufs verhängnisvollste belasten. In der Zeitschrift der heute in Deutschland lebenden Alt-Elsaß-Lothringer, der Berliner Monatsschrift Elsaß-Lothringen / Heimatstimmen, hat während der Locarno-Verhandlungen ein Altelsässer, Professor Dr. Adolf Krencker, diese unlösbare Verknüpfung der auch in Versailles ungelöst gelassenen elsaß-lothringischen Frage mit dem deutsch-französischen Problem und dadurch auch mit der Sicherung des Friedens überhaupt also in Worte gefaßt:

      "Und darum führt der Weg zum Frieden entweder durch ein in seiner deutschstämmigen Eigenart und seinem Eigenrecht verfassungsmäßig gesichertes, bei seinem alten Volkstum beharrendes, als deutsches Kulturland von Frankreich freiwillig geachtetes und verständnisvoll behandeltes Elsaß-Lothringen, oder aber er ist nicht einmal gedanklich möglich. Geistige Abrüstung ist ausgeschlossen und das Siechtum Europas unheilbar, wenn es wirklich dazu kommen sollte, daß die Franzosen dem nationalistisch fremdartigen Stil ihres Staates zuliebe ein lebendiges Glied der deutschen Kulturnation zugrunde richteten." (Siehe Schrifttum S. 253.)


Schrifttum

Grundlegende Schriften historischen und politischen Charakters: O. Stählin, Geschichte Elsaß-Lothringens. - F. Bronner, Die Verfassungsbestrebungen des Landesausschusses für Elsaß-Lothringen (1875 bis 1911). - F. König, Deutschlothringen. Stammestum, Staat und Nation. - [253] Eugen Meyer, Das Deutschtum in Elsaß-Lothringen. - H. Pohl, Die elsaß-lothringische Frage.

Zur Staatsangehörigkeits- und Optionsfrage Aufsätze von Reichsgerichtsrat Dr. M. Schwalb in der Monatsschrift Elsaß-Lothringen - Heimatstimmen (Berlin), und zwar 1924, S. 198/9: "Vom Widersinn der elsaß-lothringischen Staatsangehörigkeitsbestimmungen"; 1928, S. 241: "Das neue französische Nationalitätengesetz und Elsaß-Lothringen". - Die gleiche Zeitschrift bringt zu dem Versuch, eine bedingungslose Hingabe an Frankreich zu verhüten, nähere Ausführungen im Jahrgang 1925, S. 269/271: "Pfarrer Karl Sigwalt von Runzenheim".

Über die letzten Erklärungen der elsässischen Abgeordneten Dr. Haegy und Dr. Ricklin im deutschen Reichstag, über die Versuche, das Selbstbestimmungsrecht für Elsaß-Lothringen zu beanspruchen und über den Antrag Dr. Ricklins im elsaß-lothringischen "Nationalrat" gab die am 11. November 1927 unterdrückte autonomistische Straßburger Zeitschrift Die Zukunft in einer Sonderbeilage vom 23. April 1927 genaues Material. - Der genaue Wortlaut der Hagenauer Proklamation bei K. Roos, Politik und Gewaltpolitik in Elsaß-Lothringen.

Über die Ausweisungen nach dem Waffenstillstand: R. Ernst, Die Wiedereingliederung der vertriebenen Elsaß-Lothringer in das deutsche Wirtschaftsleben. K. Roos, Politik und Gewaltpolitik in Elsaß-Lothringen. - Streiflichter zur elsaß-lothringischen Krisis. Von einem Elsässer. - Die Kammerdebatte über Elsaß und Lothringen. (Sitzungen vom 24. Januar bis 8. Februar 1920.) (Verlag Alsatia, Colmar.) - Der Komplottprozeß von Colmar (1.-24. Mai 1928). - Der Komplottprozeß von Besançon. - Die Zeitschriften Elsaß-Lothringen / Heimatstimmen (Berlin) und Elsaß-Lothringjsche Mitteilungen (Freiburg i. Br.).

Zur Schul- und Sprachenfrage G. Wolf, Das elsässische Problem. Grundzüge einer elsässischen Politik im Zeitalter von Locarno. - B. Baier, Die Sprachenfrage in den Volksschulen Elsaß-Lothringens 1871-1914. - Ausführungen über die Sprachenfrage in der Sammlung Die Kammerdebatte über Elsaß und Lothringen (Sitzungen vom 24. Januar bis 8. Februar 1929)." - Zur Sprachen- und Schulpolitik B. Frey in der Monatsschrift Elsaß-Lothringen / Heimatstimmen. Jahrgang 1927, S. 76.

Heimatliche kulturelle Selbsthilfe bedeuten die Arbeiten der "Elsaß-Lothringischen Wissenschaftlichen Gesellschaft in Straßburg" (Jahrbücher, Einzelschriften), der "Elsässischen Gesellschaft für Kirchengeschichte" (Archiv und Einzelveröffentlichungen), der Monatsschriften Elsaßland / Lothringer Heimat und Die Heimat sowie die autonomistische Presse.

Aufsätze der Straßburger autonomistischen Halbwochenschrift Volkswille in Anschluß an die Kammerdebatte über Elsaß-Lothringen (Februar 1929 ff.). - Ausführlicher Überblick in der Berliner Zeitschrift Volk und Reich: Elsaß-Lothringen, Frankreichs europäische Wirtschaftskolonie (von einem elsässischen Wirtschaftspolitiker).

Über Elsaß-Lothringen und die deutsch-französische Verständigung Aufsätze anläßlich der Locarno-Verhandlungen in der Zeitschrift Elsaß-Lothringen / Heimatstimmen (Berlin): A. Krencker, "Die elsaß-lothringische Autonomie und der Weltfrieden" (April 1925). - "Zu den deutsch-französischen Sicherheitsverhandlungen" (Juli 1925). - Kapp, "Der Sicherheitspakt und Elsaß-Lothringen" (September 1925). - A. Krencker, "Der Sicherheitspakt" (September 1925). - "Elsaß-Lothringen im deutschen Reichstag" (Dezember 1925). - Die Stellungnahme der Elsaß-Lothringer im Reich zum Selbstbestimmungsrecht auf den verschiedenen Vertretertagungen des "Hilfsbundes" seit 1925 in dem Verbandsorgan Elsaß-Lothringische Mitteilungen.

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Deutsches Land: Das Buch von Volk und Heimat, Kapitel "Elsaß und Lothringen."

Deutschtum in Not! Die Schicksale der Deutschen in Europa außerhalb des Reiches,
besonders das Kapitel "Das Deutschtum in Elsaß-Lothringen."

Das Grenzlanddeutschtum, besonders das Kapitel "Elsaß-Lothringen."

Gebiets- und Bevölkerungsverluste des Deutschen Reiches und Deutsch-Österreichs nach dem Jahre 1918

Das Versailler Diktat. Vorgeschichte, Vollständiger Vertragstext, Gegenvorschläge der deutschen Regierung

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Zehn Jahre Versailles
in 3 Bänden herausgegeben von
Dr. Dr. h. c. Heinrich Schnee und Dr. h. c. Hans Draeger