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Bd. 3: Der deutsche Landkrieg, Dritter Teil:
Vom Winter 1916/17 bis zum Kriegsende

[627] Kapitel 11: Die militärischen Seiten
des Vertrages von Versailles1

General der Infanterie Hans v. Zwehl

Am 18. April 1919 wurde vom französischen Ministerpräsidenten und Kriegsminister Clemenceau durch Vermittlung des Generals Nudant an die deutsche Regierung das Ersuchen gerichtet, "mit Vollmachten versehene Delegierte für den 25. April abends nach Versailles zu schicken, um dort den von den alliierten und assoziierten Mächten festgesetzten Text der Friedenspräliminarien in Empfang zu nehmen". Nachdem die zunächst bezeichneten drei Abgesandten als von zu geringem Range seitens Clemenceaus abgelehnt worden waren, wurden zu Delegierten bestimmt: der Reichsaußenminister Dr. Graf Brockdorff-Rantzau als Vorsitzender, der Reichsjustizminister Dr. Landsberg, der Reichspostminister Giesberts, der Präsident der Preußischen Landesversammlung Leinert, Dr. Karl Melchior, Professor Dr. Schücking. Diese Vertreter wurden als vollwertig angenommen. Der Umstand, daß sich kein General unter ihnen befand, ließ das mindere Interesse an allen militärischen Fragen erkennen. Die endgültige Aufforderung zur Abreise der deutschen Delegierten ging von dem Marschall Foch aus; keine nebensächlichen Einzelheiten!

Schon in der ersten Verhandlungssitzung am 7. Mai zu Versailles erklärte Clemenceau unter Übergabe des "Buches des Friedens", daß für die Deutschen keine mündlichen Vorschläge zugelassen würden, daß sie ihre Anträge in schriftlichen Ausführungen französisch und englisch binnen 14 Tagen vorbringen müßten, auf die dann die alliierten und assoziierten Regierungen Entscheidung treffen würden. Auch wurde schon die Frage von der Schuld am Kriege aufgeworfen. Der Graf Brockdorff erklärte darauf: "Es wird von uns verlangt, daß wir uns als die allein Schuldigen am Kriege bekennen; ein solches Bekenntnis wäre in meinem Mund eine Lüge. Wir sind fern davon, jede Verantwortung dafür, daß es zu diesem Weltkriege kam und daß er so geführt wurde, von Deutschland abzuwälzen. Die Haltung der früheren deutschen Regierung auf den Haager Friedenskonferenzen, ihre Handlungen und Unterlassungen in den tragischen zwölf Julitagen mögen zu dem Unheil beigetragen haben, aber wir bestreiten [628] nachdrücklich, daß Deutschland, dessen Volk überzeugt war, einen Verteidigungskrieg zu führen, allein mit der Schuld belastet ist."

Ob der Wortlaut der Erklärung geschickt war, es auch nur der Wahrheit entsprach, für Deutschland eine gewisse Teilschuld an dem Kriegsausbruch zuzugeben, bleibe unerörtert. Die aus der Erklärung des Vorsitzenden sich entwickelnden Folgen waren katastrophal. Ob eine andere Haltung günstiger gewirkt hätte, wird eine offene Frage bleiben. Sicher ist nur, daß das halbe deutsche Zugeständnis mit erneuten scharfen Anschuldigungen beantwortet worden ist.

Ein von dem Präsidenten der Vereinigten Staaten besonders betonter Plan war die Bildung eines Völkerbundes. Dem Friedensvertrage sind die "Völkerbundssatzungen" vorangestellt. Die allgemeinen Aufgaben sind in folgende Form gefaßt:

Die Mitglieder übernehmen bestimmte Verpflichtungen, nicht zum Kriege zu schreiten; in aller Öffentlichkeit auf Gerechtigkeit und Ehre gegründete internationale Beziehungen zu unterhalten; die Vorschriften des internationalen Rechtes, die fürderhin als Richtschnur für das tatsächliche Verhalten der Regierungen anerkannt sind, genau zu beobachten; die Gerechtigkeit herrschen zu lassen und alle Vertragsverpflichtungen in den gegenseitigen Beziehungen der organisierten Völker peinlich zu achten.

Als Mitglieder sind die Teilnehmer an den Verhandlungen, die ursprünglichen Ententemächte (außer Rußland) aufgeführt, die große Zahl kleiner Staaten Amerikas, die im Laufe der Jahre sich teils neutral, teils feindlich gegen die Zentralmächte gestellt hatten und die neugeschaffenen Staaten Polen und der Tschecho-Slowakei; im ganzen 27 Staaten, von denen die Vereinigten Staaten, das Britische Reich, Frankreich, Italien, Japan als die alliierten und assoziierten Hauptmächte bezeichnet wurden.

In 26 Artikeln werden die Einzelheiten der Abmachungen zusammengefaßt. Daraus ist folgendes erwähnenswert: Der Bund übt seine Tätigkeit aus durch eine Bundesversammlung, bestehend aus allen Bundesmitgliedern und durch einen Rat der alliierten und assoziierten Hauptmächte und vier Vertreter anderer Bundesmitglieder. Die erste Tagung der Bundesversammlung und die erste Tagung des Rates erfolgt auf Einberufung des Präsidenten der Vereinigten Staaten nach dem vorläufigen Bundessitz Genf. "Die Bundesmitglieder bekennen sich zu dem Grundsatz, daß die Aufrechterhaltung des Friedens eine Herabsetzung der nationalen Rüstungen auf das Mindestmaß erfordert, das mit der nationalen Sicherheit und mit der Erzwingung internationaler Verpflichtungen durch gemeinschaftliches Vorgehen vereinbar ist. Der Rat entwirft unter Berücksichtigung der geographischen Lage und der besonderen Verhältnisse eines jeden Staates die Abrüstungspläne und unterbreitet sie den verschiedenen Regierungen zur Prüfung und Entscheidung." Bestimmungen über Nachprüfung dieser Pläne, [629] Beaufsichtigung der Munitions-Heeresgeräteanfertigung. "Die Bundesmitglieder verpflichten sich, die Unversehrtheit des Gebietes und die bestehende politische Unabhängigkeit aller Bundesmitglieder zu achten und gegen jeden äußeren Angriff zu wahren. Im Falle eines Angriffes, der Bedrohung mit einem Angriff oder einer Angriffsgefahr ergreift der Rat die zur Durchführung dieser Verpflichtung erforderlichen Sicherungsmaßregeln." Jeder Krieg und jede Bedrohung mit Krieg solle eine Angelegenheit des ganzen Bundes sein. Bestimmungen über Schiedsgerichte. "Schreitet ein Bundesmitglied..... zum Kriege, so wird es ohne weiteres so angesehen, als hätte es eine Kriegshandlung gegen alle anderen Bundesmitglieder begangen." Diese verpflichten sich zum Abbruch aller Beziehungen mit dem Friedensbrecher. Festsetzung, wie er zu bekämpfen ist. Schiedsgerichtsverfahren. Keine Geheimverträge. Erörterungen, wie diese Bestimmungen auf die Kolonien anzuwenden sind. Bestimmungen über die Ausgaben für das Sekretariat des Völkerbundes und über das Rote Kreuz. Bei Ablehnung neuer Festsetzungen für die Satzungen kann der ablehnende Staat aus dem Völkerbunde ausscheiden. -

In dem als "Buch des Friedens" bezeichneten Dokument folgen hinter den "Völkerbundssatzungen" die eigentlichen Bestimmungen des Deutschland auferlegten Diktates. Aus denen über das Landheer, Seemacht, Luftfahrt ist folgendes zu erwähnen: Um die Einleitung einer allgemeinen Rüstungsbeschränkung aller Nationen zu ermöglichen - so wird heuchlerisch in der Einleitung bemerkt -, mußte sich Deutschland verpflichten, die Bestimmungen für seine Wehrmacht genau innezuhalten, von denen die wesentlichen folgende waren:

1. Spätestens am 31. März 1920 darf das deutsche Heer nicht mehr als sieben Infanterie- und drei Kavallerie-Divisionen in einer Gesamtstärke von 100 000 Mann, einschließlich 4000 Offiziere und Depots, betragen. Eigene Depots dürfen haben das Infanterie-Regiment, das Kavallerie- und das Feldartillerie-Regiment, das Pionier-Bataillon. Die Divisionen dürfen nur unter zwei Generalkommandos zusammengefaßt werden. Der deutsche Große Generalstab und alle anderen ähnlichen Formationen werden aufgelöst und dürfen unter keiner Gestalt neu gebildet werden.

2. Das Zivilpersonal der Verwaltungsbehörden des Heeres wird auf ein Zehntel der Zahl vom Jahre 1913 herabgesetzt.

3. Vermehrung der Zollwächter, der Angestellten in Forst- und Küstenschutz über die Zahl der 1913 vorhandenen ist verboten, der Gendarmen nur im Verhältnis zu der Bevölkerungszunahme seit 1913; Heranziehung dieser Personen zu militärischen Übungen ist verboten.

4. Die Herabsetzung der Heeresstärke darf schrittweise in folgender Art durchgeführt werden: binnen drei Monaten2 auf 200 000 Mann, die Zahl der [630] Einheiten darf noch das Doppelte der unter Ziffer 1 erläuterten Zahlen betragen. Nach Ablauf dieser Frist und am Schlusse jedes folgenden Jahres setzt ein Ausschuß von Heeressachverständigen der alliierten und assoziierten Hauptmächte die für das nächste Vierteljahr durchzuführenden Herabsetzungen fest, und zwar in der Weise, daß spätestens am 31. März 1920 nur die bewilligten 100 000 Mann vorhanden sind.

5. Bestimmungen, daß nur ein Fünfundzwanzigstel der etatsmäßigen Kopfstärke an Handfeuerwaffen und ein Fünfzigstel an Geschützen als Ersatz für Ausfall vorhanden sein dürfe. Diese Zahlen sollen gelten, bis Deutschland "gestattet sein würde", in den Völkerbund einzutreten, später sollten die Entscheidungen des Völkerbundes hierüber maßgebend sein. Analoge Festsetzungen für das Vorhandensein der Munitionsbestände.

6. Die Zahl und das Kaliber der Geschütze, die bei Inkrafttreten des Vertrages die Bestückung der Festungswerke, der Festungen und festen Plätze, im Lande wie an der Küste, bilden, welche Deutschland beibehalten darf, sind sofort durch die deutsche Regierung den Regierungen der alliierten und assoziierten Hauptmächte kundzugeben. Sie stellen Höchstzahlen dar, die nicht überschritten werden dürfen. Binnen zwei Monaten muß die Höchstzahl an Munition für 10,5 cm- und kleineres Kaliber auf 1500 Schuß, für jedes Geschütz schwereren Kalibers auf 500 Schuß herabgesetzt sein und ist nicht wieder zu erhöhen.

7. Die Anfertigung von Waffen, Munition und Kriegsgerät aller Art darf nur in Werkstätten und Fabriken stattfinden, deren Lage den Regierungen der alliierten und assoziierten Hauptmächte zur Genehmigung mitgeteilt worden ist. Diese Regierungen behalten sich vor, die Zahl der Werkstätten und Fabriken zu beschränken. Binnen drei Monaten Schließung aller anderen Anlagen dieser Art.

8. Binnen zwei Monaten Ablieferung aller Waffen, Munitionsvorräte, Kriegsgerät, Flugabwehrmittel, soweit sie über die zugelassenen Mengen hinausgehen, desgleichen der zur Herstellung nötigen Werkzeuge und Maschinen, abgesehen von dem, was als notwendig für die Bewaffnung und Ausrüstung der zugelassenen deutschen Streitkräfte anzuerkennen ist.

9. Die Einfuhr von Waffen, Munition, Kriegsgerät jeder Art nach Deutschland wird verboten. Dasselbe gilt betreffs Anfertigung und Ausfuhr von Waffen, Munition und Kriegsgerät jeder Art für fremde Länder.

10. Verbot von Herstellung und Einfuhr erstickender Gase sowie der dazu nötigen Rohstoffe, desgleichen von Panzerwagen, Tanks oder "irgendeines anderen ähnlichen Materials, das Kriegszwecken dienen kann".

11. Binnen drei Monaten hat die deutsche Regierung den alliierten und assoziierten Hauptmächten Beschaffenheit und Herstellungsart aller Spreng- und Giftstoffe oder anderer chemischer Präparate, die von ihr im Laufe des Krieges angewandt oder zu dieser Anwendung vorbereitet worden sind, mitzuteilen.

[631] 12. Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht, Ergänzung des Heeres im Wege freiwilliger Verpflichtung, Unteroffiziere und Gemeine für 12 Jahre. Vor Erfüllung der Pflichtzeit dürfen höchstens 5 v. H. im Jahre ausscheiden. Offiziere müssen sich bis zum Alter von 45 Jahren verpflichten. Neuernannte Offiziere müssen sich auf 25 Jahre verpflichten, es dürfen höchstens 5 v. H. vorzeitig ausscheiden. Früher im Heere verwendete Offiziere, die nicht in den zugelassenen Einheiten untergebracht sind, dürfen nicht zu Übungen herangezogen werden.

13. Beseitigung aller Heeresschulen bis auf eine für jede Waffengattung, Beseitigung der Kriegsakademien, Militärschulen für Offiziere, Kadettenanstalten, Unteroffizierschulen. Die Unterrichtsanstalten, Universitäten, Kriegervereine, Schützengilden, die Sport- oder Wandervereine, "überhaupt Vereinigungen jeder Art" dürfen sich mit keinen militärischen Dingen befassen. Übungen im Waffengebrauch sind den Vereinigungen verboten.

14. Verbot von Mobilmachungsmaßnahmen und -vorbereitungen.

15. Verbot, in irgendeinem fremden Lande eine Mission des Landheeres, der Seemacht oder der Luftstreitkräfte zu beglaubigen. Deutschland ist verpflichtet, durch geeignete Maßnahmen zu verhindern, daß Reichsdeutsche sein Gebiet verlassen, um im Heere, der Flotte oder dem Luftdienste irgendeiner fremden Macht Stellung zu nehmen, dort die Ausbildung zu fördern. Die alliierten und assoziierten Mächte vereinbaren ihrerseits, keine Reichsdeutschen einzustellen. Frankreich hat aber für seine Fremdenlegion freie Hand.

16. Die Anlage von Befestigungen auf dem linken Rhein-Ufer und auf dem rechten Ufer westlich einer 50 km östlich des Stromes verlaufenden Linie ist untersagt; ebenso innerhalb dieser Zonen die Unterhaltung und Ansammlung von Streitkräften, auch nicht zu Übungen. Alle Festungen und befestigten Anlagen auf deutschem Gebiet 50 km östlich des Rheines werden abgerüstet und geschleift; im nicht besetzten Gebiet sind sie binnen zwei Monaten abzurüsten, binnen vier weiterer Monate zu schleifen. Im besetzten Gebiet bestimmt die Oberste Heeresleitung der Alliierten die Frist. Das System der befestigten Werke an der Süd- und Ostgrenze Deutschlands verbleibt im gegenwärtigen Zustande.

17. In den beigegebenen Übersichten sind die zulässigen Höchstzahlen für die Einheiten und deren Stärken erläutert. Daraus ist folgendes zu erwähnen:

Offiziere   Mann
2 Generalkommandos zu je 30     150  

Zusammensetzung einer Infanterie-Division.
Stab 25     70  
Stab eines Infanteriekommandos 4     30  
   "      "     Artilleriekommandos 4     30  
[632] 3 Infanterie-Regimenter zu je 3 Bataillonen, jedes Bataillon
      3 Kompagnien und 1 Maschinengewehr-Kompagnie
70     2 300  
3 Minenwerfer-Kompagnien 6     150  
1 Divisions-Schwadron 6     150  
1 Feldartillerie-Regiment zu 3 Abteilungen, jede Abteilung
      zu 3 Batterien
85     1 300  
1 Pionier-Bataillon zu 2 Pionier-Kompagnien,
      1 Brückentrain, 1 Scheinwerferzug
12     400  
1 Nachrichten-Abteilung zu 1 Telephon-Abteilung,
      1 Abhördetachement, 1 Brieftaubenschlag
12     300  
1 Sanitäts-Abteilung zu 20     400  
Parks und Kolonnen zu 14     800  

Zusammensetzung einer Kavallerie-Division.
Stab 15     50  
6 Kavallerie-Regimenter zu je 4 Eskadronen 40     800  
Reitende Abteilung zu 3 Batterien 20     400  

Aus den zugelassenen Höchstbeständen an Waffen und Munition sind zu erwähnen: 84 000 Gewehre, 18 000 Karabiner, 792 schwere, 1134 leichte Maschinengewehre, 63 mittlere, 109 leichte Minenwerfer, 204 Feldkanonen (7,7 cm), 84 leichte Feldhaubitzen (10,5 cm). Für jedes Gewehr und Karabiner wurden 400 Schuß, für das Maschinengewehr 8000 Schuß, für den mittleren Minenwerfer 400 Schuß, für den leichten Minenwerfer 800 Schuß, für die Feldkanone 1000 Schuß, für die leichte Feldhaubitze 800 Schuß bewilligt.

18. Für die Seemacht waren bewilligt - Frist zwei Monate - sechs Schlachtkreuzer der "Deutschland"- oder "Lothringen"-Klasse, sechs Kleine Kreuzer, zwölf Zerstörer, zwölf Torpedoboote, oder eine gleiche Zahl von Ersatzschiffen (siehe Ziffer 26). Keine Unterwasserfahrzeuge.

19. Zu Minenräumungsarbeiten stellt Deutschland die nötigen Fahrzeuge.

20. Nach zwei Monaten darf die gesamte Kopfstärke der deutschen Kriegsmarine, Offiziere und Personal aller Grade und Gattungen eingeschlossen, 15 000 Mann nicht übersteigen, Besatzung der Flotte und Mannschaften im Küstenverteidigungs-, Küstensignal-, Verwaltungs- und Landdienst einbegriffen; Offiziere und Deckoffiziere nicht über 1500. Ohne Anrechnung auf die oben festgesetzte Kopfstärke dürfen in Deutschland weder Marine- noch Heeresformationen noch Reservebestände für einen mit der Marine zusammenhängenden Dienst gebildet werden.

21. Verlust aller deutschen Überwasserkriegsschiffe, die sich außerhalb der deutschen Häfen befinden. Schiffe, in neutralen Häfen interniert, sind auszuliefern.

[633] 22. Folgende Kriegsschiffe sind desarmiert auszuliefern mit ihrer ganzen Artillerie an Bord: Schlachtschiffe "Oldenburg", "Thüringen", "Ostfriesland", "Helgoland", "Posen", "Westfalen", "Rheinland", "Nassau"; Kleine Kreuzer "Stettin", "Danzig", "München", "Lübeck", "Stralsund", "Augsburg", "Kolberg", "Stuttgart". Außerdem 42 moderne Zerstörer und 50 moderne Torpedoboote, die durch die alliierten und assoziierten Hauptmächte bezeichnet werden.

23. Abbruch aller im Bau befindlichen Überwasserkriegsschiffe.

24. Desarmierung der Hilfskreuzer.

25. Auslieferung aller deutschen Unterseeboote, Hebeschiffe und Docks für die Unterseeboote.

26. Der Bau oder der Erwerb irgendwelcher Kriegsschiffe ist Deutschland untersagt. Ersatzbauten dürfen keine größere Wasserverdrängung haben als 10 000 t für die Schlachtschiffe, 6000 t für die Kleinen Kreuzer, 800 t für die Zerstörer, 200 t für die Torpedoboote. Außer im Falle des Verlustes eines Schiffes dürfen die Einheiten der verschiedenen Klassen erst nach einem Zeitraum von 20 Jahren für die Schlachtschiffe und Kreuzer, 15 Jahre für die Zerstörer und Torpedoboote, gerechnet vom Stapellauf an, ersetzt werden. Der Bau und Erwerb aller Unterwasserfahrzeuge selbst zu Handelszwecken ist untersagt.

27. Beschränkung in der Waffen- und Munitionsfertigung. Aufräumen der Minen.

28. Das Personal der Marine darf sich nur im Wege der freiwilligen Verpflichtung, und zwar bei Offizieren und Deckoffizieren für die Dauer von mindestens 25 Jahren, bei Unteroffizieren und Mannschaften mindestens 12 aufeinanderfolgenden Jahren ergänzen. Neueinstellungen und Übungen entlassener Mannschaften sind in gleicher Weise wie beim Landheer ausgeschlossen.

29. Einschränkende Bestimmungen für die Anlage von Küstenbefestigungen, damit alle Nationen völlig freien Zutritt zur Ostsee haben. Freigabe des Kieler Kanals und seiner Zugänge für alle Nationen auf dem Fuße der Gleichberechtigung.

30. Luftstreitkräfte darf Deutschland weder zu Lande noch zu Wasser unterhalten. Bis zum 1. Oktober dürfen zum Aufsuchen von Unterseeminen 100 Wasserflugzeuge oder Flugboote unterhalten werden. Lenkluftschiffe sind verboten. Auslieferung des Materials, aller Lenkluftschiffhallen und Behausungen aller Art für Luftfahrzeuge, der Luftfahrzeugmotoren, der Bewaffnung, Munition, der Bordinstrumente, Apparate für drahtlose Telegraphie.

31. Interalliierte Überwachungsausschüsse werden auf Kosten Deutschlands die Durchführung aller derjenigen im Friedensvertrage festgesetzten Maßnahmen beaufsichtigen, für die eine bestimmte Frist festgesetzt worden ist. Die Dienststellen werden am Sitz der deutschen Regierung eingerichtet und Unterausschüsse an jeden beliebigen Ort des deutschen Reichsgebietes entsendet.

[634] 32. Der interalliierte Heeresüberwachungsausschuß vertritt die alliierten und assoziierten Hauptmächte bei der deutschen Regierung in allem, was die Durchführung der militärischen Bestimmungen betrifft. Die deutsche Regierung ist verpflichtet, dem Ausschuß alle Auskünfte und Unterlagen zu geben. Das gleiche gilt für den interalliierten Marine- und den Luftfahr-Überwachungsausschuß.

33. Nach Ablauf einer Frist von drei Monaten muß die deutsche Gesetzgebung die erforderlichen Abänderungen erfahren haben und dann von der deutschen Regierung mit diesen Teilen des gegenwärtigen Vertrages in Übereinstimmung gehalten werden.

34. Solange der Vertrag in Kraft bleibt, verpflichtet sich Deutschland, jede Art von Nachforschung zu gestatten, die der Rat des Völkerbundes mit Mehrheitsbeschluß für notwendig erachtet.

35. Die Entlassung der Kriegsgefangenen sollte "so bald wie möglich und mit größter Beschleunigung durchgeführt werden" nach Inkrafttreten des Vertrages, auch der wegen Vergehens gegen die Disziplin bestraften. Die alliierten und assoziierten Regierungen behalten sich das Recht vor, die Heimsendung davon abhängig zu machen, daß alle ihre noch in Deutschland befindlichen Kriegsgefangenen unverzüglich freigelassen werden. Die Arbeitspflicht der deutschen Kriegsgefangenen bleibt unverändert bis zur Heimsendung bestehen.

36. Die vertragschließenden Teile verzichten auf die gegenseitige Erstattung der Aufwendungen für den Unterhalt der Kriegsgefangenen in ihren Gebieten.

37. Bestimmungen über die Grabstätten.

38. Im Teil VII des Vertrages sind die Strafbestimmungen zusammengestellt. Der Artikel 227 lautet: "Die alliierten und assoziierten Mächten stellen Wilhelm II. von Hohenzollern wegen schwerster Verletzung des internationalen Sittengesetzes und der Heiligkeit der Verträge unter öffentliche Anklage." Ein besonderer Gerichtshof sollte eingesetzt werden, "um über den Angeklagten unter Wahrung des Rechtes auf Verteidigung zu Gericht zu sitzen. Der Gerichtshof besteht aus fünf Richtern, von denen je einer von folgenden fünf Mächten, nämlich den Vereinigten Staaten von Amerika, Großbritannien, Frankreich, Italien und Japan ernannt werde. Der Gerichtshof urteilt auf Grundlage der erhabensten Grundsätze der internationalen Politik; Richtschnur ist für ihn, den feierlichen Verpflichtungen und internationalen Sittengesetzen Achtung zu verschaffen. Es steht ihm zu, die Strafe zu bestimmen, deren Verhängung er für angemessen erachtet. Die alliierten und assoziierten Mächte werden an die Regierung der Niederlande das Ersuchen richten, den vormaligen Kaiser zum Zwecke seiner Aburteilung auszuliefern." Weiter verlangt der Vertrag die Auslieferung derjenigen Personen, die wegen Verstoßes gegen die Gesetze und Gebräuche des Krieges angeklagt wurden. Die Bezeichnung dieser Personen wurde in Aussicht gestellt und die deutsche Regierung verpflichtet, die Auslieferung zu bewirken.

[635] 39. Deutschland mußte sich verpflichten, binnen sechs Monaten nach einem von der französischen Regierung aufgestellten Verzeichnis die Trophäen, Archive, geschichtlichen Erinnerungen und Kunstwerke zurückzugeben, die von den deutschen Behörden im Laufe des Krieges 1870/71 weggeführt sind, insbesondere die im Kriege 1870/71 erbeuteten Fahnen.

40. Deutschland stimmt der Aufhebung des Vertrages von Brest-Litowsk und aller Abmachungen mit der russischen maximalistischen Regierung zu. Alle in den baltischen Provinzen und in Litauen befindlichen deutschen Truppen sind, sobald die alliierten und assoziierten Hauptmächte mit Rücksicht auf die innere Lage den Augenblick dafür gekommen erachten, hinter die deutsche Grenze zurückzunehmen. Die Truppen haben sich jeder Requisition, Beschlagnahme und aller Zwangsmaßnahmen zur Erlangung von Lieferungen mit Bestimmung nach Deutschland zu enthalten. Zuführung neuer Truppen in diese Gebiete ist untersagt.

Eine der Anlagen zum Vertrage behandelt die Vereinbarung über die militärische Besetzung der Rheinlande. Die Besetzung sollte so beibehalten werden, wie sie durch das Waffenstillstandsabkommen vom 11. November 1918 und durch das Zusatzabkommen vom 16. Januar 1919 weiter ausgedehnt worden war. In diesem Gebiet sollte kein deutscher Truppenkörper, auch nicht im Durchgangsverkehr Zutritt haben, rückbeförderte Kriegsgefangene ausgenommen. Polizeikräfte durften in der von den alliierten und assoziierten Mächten zu bestimmenden Zahl beibehalten werden. Die deutschen Zivilverwaltungen blieben zwar bestehen, aber auf alle Tätigkeit derselben hatten die alliierten und assoziierten Mächte einen bestimmenden Einfluß, den sie auch in weitestem Maße geltend machten, die Franzosen vor allem auch in der Begünstigung einer von einzelnen deutschen Landesverrätern angestrebten Selbständigmachung oder gar Angliederung der Rheinlande an Frankreich. Besonders drückend und systematisch ausgebeutet waren die Verpflichtungen Deutschlands für den Unterhalt und die Unterbringung der Besatzungstruppen. Der deutschen Regierung war aufgegeben, den Truppen der alliierten und assoziierten Mächte alle erforderlichen militärischen Gebäude zur Verfügung zu stellen und in gutem Zustande zu erhalten, desgleichen die Einrichtungsgegenstände, Heizung, Beleuchtung - kurz alles! auch Flugplätze, Manöverfelder - eine lange Liste, in der nur die Bordelle fehlen, die aber später auch in großem Umfang gefordert wurden. Vielleicht hatten die Gegner noch so viel Schamgefühl, daß sie Anstand nahmen, dies in ein geschichtliches Dokument aufzunehmen. Falls die Unterkünfte sich als "unzureichend" erweisen sollten, war Deutschland zu Neubauten verpflichtet, was unter Aufwendung enormer Kosten eintrat. Als eine wahre Geißel für die Deutschen erwies sich, daß die Franzosen farbige Soldaten in großem Umfange zur Besatzung verwendeten, auch trotz allen Gegenvorstellungen aus neutralen, selbst befreundeten Ländern die zum Teil wilden, in ihren bestialischen Trieben gefährlichen Soldaten [636] nicht zurückzogen. Nach dem Vertrage soll für den Fall, daß die Bedingungen pünktlich erfüllt werden, die Besetzung allmählich wie folgt eingeschränkt werden:

1. Nach fünf Jahren der Brückenkopf von Köln und die Gebiete nördlich einer Linie, die dem Lauf der Ruhr, dann der Eisenbahn Jülich - Düren - Euskirchen - Rheinbach, sodann der Straße von Rheinbach nach Sinzig folgt und den Rhein bei der Ahr-Mündung erreicht, wobei die genannten Straßen, Eisenbahnen und Ortschaften außerhalb dieser Räumungszone bleiben.

2. Nach Ablauf von zehn Jahren werden geräumt: der Brückenkopf von Coblenz und die Gebiete nördlich einer Linie, die vom Treffpunkt der belgischen, deutschen und holländischen Grenze ausgeht, etwa vier Kilometer südlich Aachen vorbeigeht, bis zum Höhenrücken von Forst - Gmünd, dem sie folgt, sodann östlich der Urst-Taleisenbahn, dann über Blankenheim, Waldorf, Dreis, Ulmen bis zur Mosel verläuft, von Bremm bis Nehren diesem Flusse folgt, sodann bis Kappel und Simmern vorbeigeht, dem Höhenkamm zwischen Simmern und dem Rhein folgt und bei Bacharach den Rhein erreicht, wobei alle hier genannten Ortschaften, Täler, Straßen und Eisenbahnen außerhalb der Räumungszone bleiben.

3. Nach Ablauf von 15 Jahren werden geräumt die Brückenköpfe von Mainz und Kehl sowie das übrige besetzte Gebiet.

Stellt während der Besetzung oder nach Ablauf der vorgesehenen 15 Jahre der Wiedergutmachungsausschuß fest, daß Deutschland sich weigert, die Gesamtheit oder einzelne der ihm nach dem Vertrage obliegenden Wiedergutmachungsverpflichtungen zu erfüllen, erfolgt Wiederbesetzung der geräumten Zonen ganz oder teilweise.

Über die Einzelbestimmungen des Vertrages hat ein umfangreicher Schriftwechsel, da jede mündliche Verhandlung von den Feinden abgelehnt worden war, zwischen dem Grafen Brockdorff-Rantzau und Clemenceau stattgefunden, über die militärischen Fragen nur insoweit, als es sich um Völkerbundsangelegenheiten handelte. Bei der geringen praktischen Bedeutung kann hier darüber hinweggegangen werden. Deutschland wurde beim Völkerbund ausgeschaltet. Überall tritt ein herrischer, oft überheblicher, belehrender Ton hervor, mit dem die Bedingungen des Siegers dem wehrlos gewordenen Gegner auferlegt werden.

Am schärfsten machte sich dies in dem als Mantelnote bezeichneten Ultimatum des Präsidenten der Friedenskonferenz am 16. Juni 1919 geltend. Mit allgemeinen Redensarten, ohne auch nur in die Anfänge einer Beweisführung einzutreten, wirft die Note Deutschland das Streben nach der Weltherrschaft vor. Hierbei wurde noch einmal in Wiederholung des schon im Artikel 231 Gesagten festgestellt, "daß Deutschland und seine Verbündeten als Urheber für alle Verluste und Schäden" des Krieges verantwortlich sind. Es war über die Schuldfrage durch eine Kommission der alliierten und assoziierten Regierungen ein gesonderter Bericht gefertigt. Der deutsche Delegationsvorsitzende erbat sich Einsicht, wurde aber mit der kurzen Antwort abgefertigt, es seien Urkunden interner Natur, die [637] nicht übermittelt werden könnten, was weder für notwendige Gründlichkeit noch für Objektivität spricht. - Zur Erreichung seiner verbrecherischen Ziele, so sagte die Mantelnote, soll Deutschland ein System der Spionage und Intrigen entwickelt haben, um auf dem Gebiete der Nachbarn Unruhen und innere Revolten hervorzubringen. Deutschland hätte durch Gewaltandrohungen Europa in einem Zustande der Gärung erhalten und als festgestellt worden wäre, daß die Nachbarn entschlossen seien, den anmaßenden Plänen Widerstand zu leisten, hätte Deutschland seine Vorherrschaft mit Gewalt durchsetzen wollen. Ein abhängiger Bundesgenosse (Österreich) "sei ermuntert worden, Serbien innerhalb 48 Stunden den Krieg zu erklären". Deutschland sei allein auf einen Weltkrieg vorbereitet gewesen. Den Krieg selbst soll Deutschland in einer rohen, unmenschlichen Art geführt haben; es wurde auf die angeblich widerrechtlichen Hinrichtungen und Brandstiftungen in Belgien hingewiesen und all dasjenige zusammengekramt, was eine verlogene Propaganda in den vier Kriegsjahren Deutschland zur Last gelegt hatte: Gaskrieg, Unterseebootskrieg, Luftkrieg. "Das Verhalten Deutschlands ist in der Geschichte der Menschheit fast beispiellos. Die schreckliche Verantwortlichkeit, die auf ihm lastet, läßt sich in der Tatsache zusammenfassend zum Ausdruck bringen, daß wenigstens sieben Millionen Tote in Europa begraben liegen, während mehr als zwanzig Millionen Lebender durch ihre Wunden und ihre Leiden von der Tatsache Zeugnis ablegen, daß Deutschland durch den Krieg seine Leidenschaft für die Tyrannei hat befriedigen wollen."

Am Schluß fordert die Mantelnote binnen fünf Tagen eine bündige Erklärung der deutschen Delegation, daß sie bereit sei, den Vertrag in seiner festgesetzten Form zu unterzeichnen. Mangels einer solchen Erklärung würde der bestehende Vertrag über den Waffenstillstand als beendet angesehen werden und "die alliierten und assoziierten Mächte diejenigen Maßnahmen ergreifen, die sie zur Erzwingung ihrer Bedingungen für erforderlich halten". Die Vorbereitungen zum Einmarsch nach Deutschland waren eingehend getroffen, so daß er an einigen Stellen, wo die Nachricht über den Friedensabschluß verspätet eintraf, schon eingeleitet wurde und die feindlichen Truppen zurückgeholt werden mußten.

Deutschland stand vor einer ebenso schwierigen wie entscheidenden Frage über sein Geschick, als es sich um Annahme oder Ablehnung des Diktates von Versailles handelte. Hätte die Armee vom 8. November 1918 noch bestanden, wäre die Antwort wohl nicht zweifelhaft gewesen. Aber nachdem, wie Herr Scheidemann am 9. November von der Freitreppe des Reichstages gerufen, "das Volk auf der ganzen Linie gesiegt hatte", gab es nichts, was den feindlichen Heeren, also auch den maßlosen Forderungen ihrer Führer Widerstand entgegenstellen konnte. Es regte sich keine Hand, Deutschland zu helfen. Auf den Traum, der Präsident der Vereinigten Staaten würde es tun, war ein grausames Erwachen gefolgt, da er mit seiner diplomatischen Hilflosigkeit, seinen [638] philosophischen Phantastereien vor der grobkörnigen Rabulistik eines Lloyd George und Clemenceau elend Schiffbruch gelitten hatte. Es war das eingetreten, was die Sozialdemokratie noch im Oktober 1918 zwar betont, aber daraus nicht die staatsmännischen Folgerungen gezogen hatte: "Wehe dem Volke, das fünf Minuten zu früh die Waffen niederlegt." Deutschland hatte nicht allein die Waffen vorzeitig niedergelegt, sondern sie zerbrochen, sich der Möglichkeit begeben, sie wiederaufzunehmen. Die Folgen mußte es jetzt tragen. Ohne ein Prophet zu sein, konnte jeder, der, um einem Worte des Feldmarschalls Graf Schlieffen zu folgen, "in den Büchern der Kriegsgeschichte zu lesen verstand, voraussehen, wie alles kam, und wie es wieder kommen mußte".

Nach heftigen Auseinandersetzungen in der Deutschen Nationalversammlung gab diese am 22. Juni ihre Zustimmung zur Unterzeichnung des Friedens mit 237 gegen 138 Stimmen bei 5 Stimmenthaltungen. Der förmliche Protest gegen die Auslieferung des Kaisers und derjenigen Personen, die angeblich Kriegsverbrechen begangen hätten, wurde von den alliierten und assoziierten Regierungen mit dem Hinweis auf bedingungslose Unterzeichnung abgelehnt. Deshalb erfolgte am 23. Juni die Bereitwilligkeit zur bedingungslosen Unterzeichnung. In der dies zum Ausdruck bringenden Note war noch betont, daß die Friedensbedingungen bezweckten, dem deutschen Volke seine Ehre zu nehmen und weiter: "Durch einen Gewaltakt wird die Ehre des deutschen Volkes nicht berührt. Sich nach außen zu verteidigen, fehlt dem deutschen Volke nach den entsetzlichen Leiden der letzten vier Jahre jedes Mittel. Der übermächtigen Gewalt weichend und ohne damit ihre Auffassung über die unerhörte Ungerechtigkeit der Friedensbedingungen aufzugeben, erklärt deshalb die Regierung der Deutschen Republik, daß sie bereit ist, die von den alliierten und assoziierten Regierungen auferlegten Friedensbedingungen anzunehmen und zu unterzeichnen."

Das Ministerium und mit ihm der Außenminister Graf Brockdorf-Rantzau war am 21. Juni zurückgetreten. Während der ganzen Verhandlungszeit war die Delegation wie Gefangene behandelt, vielfach schweren Ehrenkränkungen ausgesetzt gewesen. Das brutale Verhalten der französischen Bevölkerung erreichte den Höhepunkt bei der Abreise von Versailles. Die Delegation sah sich auf der Fahrt zum Bahnhof noch den Beschimpfungen und tätlichen Angriffen der französischen Bevölkerung ausgesetzt. - Die in Scapa Flow internierten deutschen Kriegsschiffe ließ der befehligende Admiral Reuter am 21. Juni versenken, wie es ihm seine Seemannspflicht gebot. - Die im Zeughause zu Berlin aufbewahrten und zur Ablieferung bestimmten französischen Fahnen und Trophäen aus früheren Kriegen wurden an dem Denkmal Friedrichs des Großen von nicht ermittelten Tätern verbrannt.

Die Unterzeichnung des Vertrages erfolgte am 28. Juni 1919. Es unterzeichneten 66 Konferenzteilnehmer, darunter an der Spitze Amerikas der Prä- [639] sident Woodrow Wilson, Englands der Premierminister Lloyd George, Frankreichs der Ministerpräsident Clemenceau, Italiens Sidney Sonnino. Für Deutschland unterschrieben der neue Außenminister Hermann Müller und der Kolonialminister Dr. Bell. Als Zeitpunkt für das Inkrafttreten des Vertrages, d. h. Laufen der Fristen, sollte der Tag gelten, an dem er von Deutschland einerseits und von drei der alliierten und assoziierten Hauptmächte anderseits ratifiziert sein würde. Das war am 10. Januar 1920, von welchem Tag an die Fristen zu laufen beginnen sollen. Amerika hat den Versailler Vertrag nicht ratifiziert. -

Nicht nur in Deutschland, sondern auch im Ausland, wo noch einiges Gefühl für Gerechtigkeit besteht, ist der Frieden von Versailles als eine mit vorgehaltenem Revolver erzwungene Erpressung erkannt worden. Nun ist es ja nichts neues in der Weltgeschichte, daß der Besiegte sich harte, auch im landläufigen Sinne barbarische Bedingungen gefallen lassen muß. Das Abstoßende an diesem Diktat ist indessen, daß seine Schöpfer vorschützten, einen Frieden der Gerechtigkeit, den auch der Präsident Wilson zugesagt hatte, geschlossen zu haben, während er auf der plumpsten Lüge von Deutschlands Alleinschuld am Kriege aufgebaut ist. Es kann hier nicht in Frage kommen, diese immer wiederholte Lüge im einzelnen zu widerlegen, das dafür vorhandene Material füllt eine Bibliothek; hier und da erhoben sich auch im Lager der Entente die Lüge geißelnde Stimmen. Es sind noch Prediger in der Wüste. Ein besonders zynisches, aber wertvolles Urteil hat der russische Minister Sasonow im November 1913 abgegeben mit den Worten: "Die Friedensliebe des deutschen Kaisers bürgt uns dafür, daß wir den Zeitpunkt des Krieges selbst zu bestimmen haben werden."

Aber die Beschuldigung allein, Deutschland sei der Urheber des Krieges, genügte den Ententemächten noch nicht zum Beweise für die "Gerechtigkeit" der Friedensbedingungen. Es sollte auch die angeblich rohe, barbarische Art der deutschen Kriegführung durch ein deutsches Zugeständnis erhärtet, nicht nur von der Entente behauptet werden. Die Mantelnote zählte die angeblichen Verbrechen auf. Von dem durch die belgische Regierung entfesselten Freischärlerkrieg sprach sie nicht, ebensowenig von der deutschen Zusage, sich jeder Feindseligkeit zu enthalten, wenn Belgien den ungehinderten Durchmarsch gestatten werde; auch nicht von den Maßnahmen der Entente gegen das neutrale Griechenland, nicht von den schon im Frieden von Frankreich getroffenen Vorbereitungen für den Gaskrieg, von der völkerrechtswidrigen Hungerblockade, von den Greueln der "Baralong"-Affäre, von der unbarmherzigen Ermordung deutscher Seeleute des Kreuzergeschwaders unter dem Grafen Spee bei den Falklands-Inseln. Alle diese Dinge und ähnliches wurden verschwiegen oder entstellt, um den Völkern der Entente wie den neutralen den "Frieden der Gerechtigkeit" glaubhaft zu machen, das militärische Ziel des Vertrages als berechtigt erscheinen zu lassen.

[640] Er war auf die völlige Wehrlosmachung des Gegners gerichtet, um daraus die Möglichkeit zu gewinnen, ihn zum Nachgeben in allen wirtschaftspolitischen Fragen zu zwingen. Indem die Alliierten jede Verhandlung für die deutsche Delegation abschnitten, waren sie noch imstande, die Bedingungen in eine so elastische Form zu bringen, daß ihrer willkürlichen Auslegung bei allen strittigen Punkten ein breiter Spielraum gelassen wurde, was sie befähigte, nachdem Deutschland wehrlos gemacht war, jederzeit mit der Anwendung von Gewalt zu drohen. Unter der Gunst der Lage gelang dies im weitesten Maße und damit, den Kämpfen um die Vorherrschaft Frankreichs auf dem europäischen Kontinent einen über Erwarten günstigen Ausgangspunkt zu schaffen.

Die militärischen Bedingungen sind mit raffiniertem Geschick so entworfen, daß, solange der Vertrag besteht, Deutschland gegen jeden, auch schwachen äußeren Feind sich in einem an Ohnmacht grenzenden Zustand der Unterlegenheit befindet. Es sind nicht nur die Elemente der militärischen Macht genommen, es ist auch gelungen, in der Zukunft durch den Vertrag ihre Wiederaufrichtung zu unterbinden. Es wurde Deutschland die allgemeine Wehrpflicht genommen, ihm ein Söldnerheer aufgezwungen. Damit wurde ihm die Axt an die Wurzel seiner Kraft gelegt, nicht nur im militärisch-technischen Sinne, sondern auch ein wichtiger Faktor zur wirtschaftlichen Ertüchtigung, zur Erziehung im Geiste der Vaterlandsliebe, der Ordnung, der Zucht und des hingebenden Fleißes zerstört.

Mit welchen kleinlichen Schikanen, mit welch willkürlichen, oft völlig rechtlosen Auslegungen die eingerichtete Interalliierte Kontrollkommission unter der Leitung des französischen Generals Nollet den Vertrag durchgeführt hat, gehört zur Geschichte des Krieges nach dem Kriege.

Nicht genug, Deutschland wehrlos gemacht zu haben, der Vertrag erstrebte auch, dem Besiegten den Stempel der Ehrlosigkeit aufzudrücken durch Fordern der Auslieferung seines Obersten Kriegsherrn. Das Verlangen ist trotz mehrfachen Vorstößen an der Rechtlichkeit der holländischen Regierung gescheitert. Die Auslieferung der angeblichen "Kriegsverbrecher" dagegen erwies sich als undurchführbar, da die deutsche Reichsregierung sich auf die Unmöglichkeit zurückziehen konnte, diesem Verlangen angesichts des Widerstandes der Nation zu entsprechen. Die dafür zugestandene Aburteilung der Angeklagten durch das deutsche Reichsgericht bewies, daß es sich fast durchweg um frivole, größtenteils lügenhafte Anklagen handelte.

Über die Frage, wer der eigentlich Verantwortliche für den auf Lügen aufgebauten, mit eklelhafter Heuchelei abgefaßten Vertrag sein soll, beabsichtigen die Denkwürdigkeiten Wilsons, herausgegeben von Baker, weiteres Licht zu verbreiten.3 Es wird geschildert, daß die Generale, namentlich der Marschall [641] Foch, bei den zur Festlegung des Vertrages stattfindenden Konferenzen eine ihre Stellung und Sachkunde weit überragende Rolle gespielt hätten. Foch hätte verlangt, eine hauptsächlich aus Amerikanern gebildete alliierte Armee sofort über Deutschland und Polen nach Rußland zu senden, um den Bolschewismus zu bekämpfen. Der Gedanke ist so abenteuerlich-phantastisch, daß man ihn eigentlich keinem Soldaten vom Fach zutrauen sollte. Naiv ist die Zumutung, diese Expedition den Amerikanern zuzuschieben. Vielleicht hoffte Foch, sie wären töricht genug, um auf sie anzubeißen. Allgemein hätten die Generale keine Neigung gespürt, die noch an verschiedenen Stellen Europas fortgesetzten Kriege zu beendigen. Erst allmählich will Wilson diesen ausschweifenden Plänen, unterstützt durch Lloyd George, bisweilen auch durch Clemenceau, die Spitze abgebrochen haben. Inwieweit die Forderungen des Marschall Foch diplomatische, von Clemenceau unterstützte Winkelzüge waren, um von dem mit seinen Völkerverbrüderungsgedanken aus Amerika gekommenen Wilson möglichst viel herauszudrücken, steht dahin. Dieser betont jedenfalls, daß die Franzosen das Ziel, einen harten Frieden, von Deutschland erzwingen wollten aus Furcht vor der späteren Rache des Besiegten. Er hat auch hervorgehoben, daß die Deutschen unter ganz bestimmten Bedingungen aufgehört hätten, zu kämpfen, und daß es weder recht noch billig wäre, sie schon vor dem eigentlichen Friedensvertrage zu der Annahme weiterer Bedingungen zu zwingen. Von den Engländern unterstützte Lloyd George und Balfour die Amerikaner in diesem Streit. Dennoch kämpfte Foch die ganze Friedenskonferenz hindurch zähe und unermüdlich für die extremen französischen Forderungen. "Allmorgendlich" - so heißt es in Wilsons Denkwürdigkeiten - "beugte Foch, wie es seine Gewohnheit war, in der Messe seine Knie und flehte seinen Segen herab auf sein Werk." Er scheint danach und nach den Bestrebungen für weitere Fortsetzung der Kriege zu der Klasse von Menschen gehört zu haben, die trotz äußerer Kirchlichkeit sich besonders tatkräftig an starken Aderlässen der Menschheit zu betätigen geneigt sind.

Wilson hat schließlich selbst eingesehen, daß von seinen berühmten 14 Punkten sowohl in den Waffenstillstands- wie in den Friedensverhandlungen stark abgewichen ist, daß sonach Deutschland vertrauensselig in eine Falle ging, die gestellt war, um seinen Untergang herbeizuführen.

An diesen Anklagen gegen Foch kann man den Grad Wilsonscher Weltfremdheit ermessen, da es unwahrscheinlich ist, daß die ganze Schilderung zur nachträglichen Entlastung einseitig gefärbt wurde. Dem amerikanischen Präsidenten scheint unbekannt gewesen zu sein, daß die französischen Bestrebungen immer auf den Erwerb des linken Rhein-Ufers gerichtet waren, ja daß sie schon im Jahre 1917 offen ausgesprochen wurden. Nahm Wilson an, daß die Franzosen, die Foch, Clemenceau, Poincaré, in Wirklichkeit mit ihren Forderungen gemäßigt sein würden, nachdem er ihnen zum Siege verholfen? Dann hatte er in Büchern der Geschichte nicht mit Verständnis gelesen und "wußte deshalb nicht, wie alles [642] kam und wie es kommen mußte". Für die amerikanische Politik mag seine diplomatische Kunst ausgereicht haben, für die Gegensätze der Völker und Rassen auf dem europäischen Kontinent war sie unzulänglich. Auch Lloyd George war nicht der Mann, den französischen Ultras die Stirn zu bieten. Er hat wohl gelegentlich den Mund voll genommen, so am 7. März 1919 mit den Worten: "Kein General wird meinen Entschluß zum Wanken bringen"; wenn es aber schließlich galt, etwas Positives durchzusetzen, hat er immer Clemenceau gegenüber nachgegeben, ganz besonders bei den Friedensverhandlungen. Ist er doch ein direkter Vertreter des Verlangens gewesen, den Kaiser Wilhelm vor ein Gericht des Feindbundes zu stellen. Er erkannte nicht, welche militärischen Gefahren für England aus dieser Politik entstanden. Daß die französischen Machthaber mit größter Leidenschaft die schärfsten Friedensbedingungen vertraten, bedarf keiner näheren Ausführung.

So kam alles zusammen, von Deutschland das Schanddiktat von Versailles zu erpressen, aber auch in Deutschland den Gedanken zu festigen, daß die Franzosen unsere Todfeinde sind und bleiben werden.


1 [1/27]Die Friedensforderungen der Entente: Vollständige erweiterte deutsche Übersetzung der Versailler Bedingungen. - Der Kampf um den Rechtsfrieden: Die Urkunden der Friedensverhandlungen. Vollständiger Abdruck des amtlichen Weißbuches. - Das Ultimatum der Entente mit der Mantelnote. - Der Friedensvertrag zwischen Deutschland und den alliierten und assoziierten Mächten. (Ausgabe in drei Sprachen.) ...zurück...

2 [1/629]Bei derartigen Zeitbestimmungen sind sie nach "Inkrafttreten des Vertrags" zu rechnen. ...zurück...

3 [1/640]Woodrow Wilson, Memoiren und Dokumente über den Vertrag von Versailles im Jahre 1919. Herausgegeben von R. St. Baker in autorisierter Übersetzung von Curt Thesing. 3 Bände. Robert Lansing, Die Versailler Friedensverhandlungen. ...zurück...


Der Weltkampf um Ehre und Recht.
Die Erforschung des Krieges in seiner wahren Begebenheit,
auf amtlichen Urkunden und Akten beruhend.
Hg. von Exzellenz Generalleutnant Max Schwarte