Bd. 4: Der Seekrieg - Der Krieg um die
Kolonien
Die Kampfhandlungen in der Türkei
Der Gaskrieg - Der Luftkrieg
Abschnitt: Der
Seekrieg
Kapitel 5: Der
Auslandskreuzerkrieg (Forts.)
Fregattenkapitän Emil Huning
3. Das Kreuzergeschwader.
Im Stillen Ozean.2
Das Kreuzergeschwader nimmt als Kern der Auslandsstreitkräfte das
Hauptinteresse in Anspruch. Seine Führung lag in den bewährten
Händen des Vizeadmirals Grafen Spee.
Der ihm unterstellte Schiffsverband
war, wie bereits erwähnt, bei Kriegsausbruch - bis auf die für
die Kriegführung kaum in Frage kommenden
Kanonen- und Flußkanonenboote - stark zersplittert, nicht einmal die beiden
stärksten und kampfkräftigsten Schiffe, die Panzerkreuzer "Scharnhorst" und "Gneisenau", waren taktisch vereinigt. Vom Standpunkt einer
erfolgversprechenden Handelskriegführung, die um so aussichtsreicher
erscheint, je mehr sich die einzelnen Kreuzer auf die
Handels- und Schiffahrtswege der Welt verteilen, muß dieser Zustand heute
nicht einmal als ungünstig erscheinen. Graf Spee jedoch faßte seine
Aufgabe grundsätzlich anders auf; er glaubte, dem Kriegszweck besser zu
entsprechen, wenn er seinen Schiffsverband möglichst geschlossen hielt,
allein schon im Interesse einer gesicherten Kohlenzufuhr. So war er von Anfang
an darauf bedacht, die einzelnen Schiffe seines Verbandes möglichst
schnell an sich heranzuziehen. Von grundsätzlicher Bedeutung war die
Frage, ob Graf Spee den Seekrieg in den ostasiatischen Gewässern unter
Anlehnung an das befestigte Tsingtau führen, oder ob er sich von dieser
örtlichen Fessel ganz freimachen und den Krieg in andere Gebiete des
Weltmeeres tragen sollte. Konnte ihm die Entscheidung in dieser Frage schwer
werden, so mußte jeglicher Zweifel für ihn in dem Augenblick fallen,
wo die Kriegserklärung Japans zur Tatsache wurde. Insofern war es eine
günstige Fügung des Schicksals, daß sich der [295] Geschwaderchef bei
Ausbruch des Krieges nicht in Kiautschou, sondern auf einer Kreuzfahrt in der
Südsee befand. Niemals würde sich ein Mann von den Eigenschaften
des Grafen Spee bereitgefunden haben, sich nach dem befestigten Hafen von Tsingtau zurückzuziehen und sich dort von der japanischen Flotte
blockieren zu lassen. Die Rolle, die das russische Geschwader 1904 in Port Arthur
gespielt hatte, war zur Nachahmung wenig geeignet. Vestigia terrent!
Seine Gegner, und besonders Japan, hatten gerade das Gegenteil erwartet; sie
hatten nicht daran gezweifelt, daß Tsingtau eine magnetische
Anziehungskraft auf den deutschen Admiral ausüben würde. Und das
war für ihn günstig; denn nur so konnte es gelingen und ist es
gelungen, mehrere Dampfer mit Kohlen und sonstiger wertvoller Ladung von
japanischen Häfen aus nach der Südsee zu leiten und sie dem
deutschen Geschwader zuzuführen.
Graf Spee empfing die erste Nachricht von der gespannt gewordenen politischen
Lage am 7. Juli 1914 auf der Reede der Südseeinsel Truk durch ein
Telegramm des Admiralstabs: "Politische Lage nicht einwandfrei, Entwicklung in
Truk oder Ponape abwarten. Klarheit ist zu erwarten in 8 bis 10 Tagen". Der
telegraphische Nachrichtendienst mit der Heimat erfolgte über die
Funkenstation Yap, die an das Weltkabelnetz angeschlossen war. Je kritischer die
politische Lage wurde, um so schneller folgten die Telegramme, bis
schließlich über "drohende Kriegsgefahr" Anfang August der
Mobilmachungsbefehl eintraf. Am 17. Juli hatten "Scharnhorst" und "Gneisenau"
vor Ponape geankert, am 6. August traf "Nürnberg", von Mexiko
über Honolulu kommend, vor Ponape ein. Am selben Tage gingen die drei
Schiffe mit dem Kohlendampfer "Titania" nach Pagan (Marianen) in See, wo sie
am 11. August eintrafen und bereits von den Kohlendampfern "York", "Mark",
"Holsatia", "Prinz Waldemar", "Staatssekretär Kraetke", "Gouverneur
Jäschke" und "Longmoon" erwartet wurden. Dank der Geschicklichkeit der
Etappen in Ostasien war es gelungen, diese stattliche Zahl von Hilfsschiffen
rechtzeitig nach dem verabredeten Treffpunkt in Marsch zu setzen. Am 12.
August traf daselbst "Emden"
mit dem Kohlendampfer "Markomannia" ein.
Unverzüglich versammelte Graf Spee alle Kommandanten und den
Führer des Trosses auf seinem Flaggschiff, um ihnen seinen Operationsplan
zu entwerfen. Er entwickelte seine Ansichten über die allgemeine
politisch-strategische Lage und über die zweckmäßigste Art
der Verwendung seiner Schiffe; er stellte die voraussichtliche Gegnerschaft
Japans voll in Rechnung und erklärte unter der Losung "Los von Tsingtau",
daß er auf Grund eingehender Erwägungen zu dem Entschluß
gekommen sei, mit dem Geschwader zunächst nach der Westküste
von Südamerika zu marschieren.
Am Abend des 13. August verließ das Kreuzergeschwader Pagan und ging
auf östlichen Kurs; außer den vorher genannten Begleitschiffen war
noch der in Tsingtau ausgerüstete Hilfskreuzer "Prinz Eitel Friedrich" zum
Geschwader gestoßen. Hiermit begann die Reise, man kann sagen die
Todesfahrt des Speeschen [296] Geschwaders; keinem
Mann der Besatzung war es zweifelhaft, wie die Fahrt enden mußte,
ungewiß war nur, wie lange sie dauern würde. Dennoch war jeder
beseelt von Kampfesfreudigkeit und todesmutiger Pflichttreue. Am 14. August
vormittags wurde "Emden" mit "Markomannia" aus dem Verbande
entlassen, um selbständig im Indischen Ozean Handelskrieg zu
führen. Am 19. August lief das Geschwader in das
Enivetok-Atoll (westliche Gruppe der Marschall-Inseln) zu kurzem Aufenthalt
ein; Kohlen- und sonstige Vorräte wurden aufgefüllt und nach
Entlassung dreier geleerter Kohlendampfer der Marsch nach Osten fortgesetzt.
Die Nachrichtenübermittlung hatte seit der Zerstörung der
Funkenstation Yap durch die englischen Panzerkreuzer "Minotaur" und "Hampshire" (12. August) fast ganz aufgehört, das Geschwader war fast
ausschließlich auf drahtlose Nachrichten von Honolulu angewiesen. Auf
diesem Wege wurde in der Nacht vom 22. zum 23. August die Tatsache der
Kriegserklärung Japans bekannt. Am 26. August ging der Verband in
Majuro-Atoll zu Anker und ergänzte seine Kohlenvorräte. Daselbst
traf der Hilfskreuzer "Cormoran" ein,
der - ein von der "Emden" im Gelben Meer aufgebrachter russischer
Dampfer - inzwischen in Tsingtau mit der Besatzung des Kreuzers
"Cormoran" in Dienst gestellt worden war. Dieser wurde am 28. August durch
den Geschwaderchef besichtigt und dann zusammen mit dem Hilfskreuzer "Prinz
Eitel Friedrich" und dem Kohlendampfer "Mark" entlassen, mit dem Befehl,
westlich von Australien Kreuzerkrieg zu führen. Am 30. August wurde der
Marsch fortgesetzt.
Am 3. September traf die drahtlose Nachricht von der Besetzung
Deutsch-Samoas durch australische
Truppen ein. Aus dieser Meldung glaubte
Graf Spee schließen zu können, daß sich wahrscheinlich der
australische Panzerkreuzer "Australia", von dem mehrfach Funkenzeichen
aufgefangen worden waren, dort befinden würde. Er hatte sich von Anfang
an mit der Hoffnung getragen, Teile der feindlichen Streitkräfte zum Kampf
zu stellen und zu vernichten. Diese Gelegenheit schien ihm jetzt gekommen. Am
7. September wurde bei den englischen Christmas-Inseln geankert. Zuvor erhielt
"Nürnberg" den Auftrag, zusammen mit dem Begleitdampfer "Titania" auf
der Insel Fanning das Kabel Canada - Australien zu zerstören.
Nach erfolgreicher Ausführung kehrten beide Schiffe am 8. September
zurück. "Nürnberg" wurde mit dem Troß bei den
Christmas-Inseln zurückgelassen und ein späterer Treffpunkt
vereinbart.
Am 9. September schritt Graf Spee zur Ausführung seines Gefechtsplans.
Er ging mit "Scharnhorst" und "Gneisenau" ohne Begleitung Anker auf mit Kurs
auf Samoa. Am 14. September früh waren beide Schiffe gefechtsklar und
stießen bei Hellwerden gegen die Küste bei Apia vor. Der damalige
Erste Offizier der "Gneisenau" schreibt darüber sehr anschaulich:3
[297] "Es war eine
wunderschöne Tropennacht, in der ich am 14. September gegen Morgen an
Deck kam, stockdunkel auf dem Wasser, darüber bei abnehmendem Mond
ein prächtiger Sternenhimmel. Bald trennte sich »Gneisenau«
von »Scharnhorst«; jener sollte einige Seemeilen nordöstlich,
dieser nordwestlich von Apia Aufstellung nehmen. Allmählich konnten wir
die hohen Berge von Upolu auf dem dunklen Horizont unterscheiden. Bald
wurden voraus einzelne Lichter sichtbar, die an Land stehen mochten, aber auch
zu Schiffen gehören konnten, die etwa auf der Reede oder im Hafen von
Apia zu Anker lagen, wenn sie nicht gar draußen in See Wache hielten. Wir
verlangsamten daher die Fahrt, um nicht vorzeitig entdeckt zu werden. Seit
5 Uhr morgens war die Mannschaft gefechtsbereit. Sie hatte am Abend
vorher gebadet und trug reine Wäsche und das beste Päckchen
Arbeitszeug; um den Hals die »Nasenbinde«, den Vorläufer
der Gasmaske, und die Erkennungsmarke. Leicht fröstelnd standen die
Leute in Gruppen in der frischen Morgenluft. Hier und da qualmte noch ein
Pfeifchen zur Stärkung vor blutiger Arbeit oder um die Spannung zu
meistern, die noch in jedem lebendig war. Uns blieben noch einige Minuten, die
Lage zu überdenken. Da waren wir nun mit unseren besten Schiffen vor
unserem vorjährigen wie diesjährigen Reiseziel, aber unter welch
anderen Bedingungen, als wir gehofft! Eine der schönsten Besitzungen des
Reiches, der Marine so teuer durch die Opfer, die sie gefordert, war vom Feinde
besetzt. Und anstatt bei strahlender Sonne stolz vor den Hafen zu kommen,
freudig empfangen von unseren Landsleuten und den Samoanern, erwarteten wir
nur das erste Tageslicht, um uns mit ehernem Gruß auf den zu
stürzen, der uns das Kleinod geraubt hatte. Da fingen die Lichter vor uns an
in Morsezeichen zu sprechen und ließen vermuten, daß man sich mit
uns beschäftigte. Der Kommandant schickte daher die Mannschaft auf die
Gefechtsstationen. Nach Kurs und Fahrt zu schließen, die wir seit den
Sternenbeobachtungen am Abend vorher abgelaufen hatten, mußten wir
jetzt auf dem befohlenen Posten sein. Wir legten uns mit dem Bug auf Land zu,
um möglichst wenig Fläche zu zeigen. Je nach den Umständen
konnten wir so zum überraschenden Torpedoangriff vorstoßen oder
auch zur schnellen Breitseitsalve der Geschütze aufdrehen. Da die
Leuchtfeuer nicht brannten, war es bisher nicht möglich gewesen, eine
genauere Ortsbestimmung nach Landmarken vorzunehmen. Nun erkannten wir in
der kurzen Dämmerung, daß wir westlich standen; der Strom hatte
uns über Nacht doch etwas mehr versetzt, als wir angenommen hatten.
Gegen strammen Südostpassat, der an der Küste entlangstrich,
dampften beide Schiffe mit höchster Fahrt, daß die Spritzer auf die
Kommandobrücke gingen, und schlossen gleichzeitig näher an Apia
heran. Schnell wird es Tag. Aus der blaudunstigen Masse des Landes treten
Einzelheiten hervor. Die dünne weiße Linie des Korallenriffs deutet
den Verlauf der Küste an. Hinter der weit vorspringenden niedrigen
Halbinsel Mulinuu, auf der die vor langen Jahren im Kampf mit den Samoanern
gefallenen Kameraden von der »Olga« ruhen, lassen helle Streifen
[298] und Flecke die Stadt
Apia erkennen, den Sitz der deutschen Regierung. Palmenbedeckte Hänge
steigen darüber an; der Vaea-Berg, das Wahrzeichen Apias und ein guter
Ausguck nach See zu, wird deutlich. Wir sehen uns die Augen wund, ob auf dem
Wasser nicht ein Schornstein aufragt, die Umrisse eines Kriegschiffes sich
abheben möchten. Aber - so schön der Anblick im vollen
Sonnenlicht nun wird: das immer leuchtendere Landschaftsbild im Vordergrund,
darüber die lange Kette seltsam geformter, bis zu tausend Meter
Höhe aufragender Kraterränder; das Ganze eingefaßt von
weißkämmendem Meer und strahlend blauem Himmel mit leichten
Federwölkchen, die Enttäuschung ist bitter. Außer dem
schwarzen Wrack des alten »Adler« tief drinnen im Hafen, des
deutschen Kanonenbootes, das zusammen mit dem »Eber« und zwei
amerikanischen Kriegschiffen im Frühjahr 1889 einem Wirbelsturm hier
zum Opfer fiel, ist kein Schiffsrumpf auszumachen. Statt dessen weht an Land an
hohem Mast die englische Flagge."
"Scharnhorst" und "Gneisenau" drehten nunmehr der schönen deutschen
Kolonie den Rücken und steuerten das östlich davon gelegene
Suwarow-Atoll an, wo am 17. September geankert wurde. Da die
ungünstige Witterung eine Kohlenergänzung nicht gestattete,
beschloß Graf Spee, sofort weiterzufahren und den französischen
Stützpunkt Tahiti anzugreifen. In der Frühe des 22. September kam
die Insel Tahiti in Sicht; gegen 5 Uhr morgens wurde "Klarschiff zum Gefecht"
befohlen. Wider Erwarten eröffneten die feindlichen Landbatterien das
Feuer, das sofort von deutscher Seite erwidert wurde. Nach kurzem Gefecht
wurden die französischen Landbatterien zum Schweigen gebracht und das
im Hafen vor Anker liegende französische Kanonenboot
»Zélée« vernichtet. Die Kohlenbestände von
über 3000 Tonnen waren sofort nach Insichtkommen der deutschen Schiffe
in Brand gesteckt worden. Der durch die Beschießung angerichtete
materielle Schaden wurde später vom französischen
Kolonialminister auf über 1½ Millionen angegeben, wird aber
tatsächlich erheblich höher gewesen sein.
Nach dem Verlassen der Tahiti-Inseln steuerte das Geschwader die
französischen Marquesas-Inseln an, wo am 26. September geankert und die
Vereinigung mit "Nürnberg" und dem Troß wiederhergestellt wurde.
Auf der von der Natur verschwenderisch ausgestatteten Hauptinsel Nukahiva
wurde den Besatzungen der Schiffe reichlich Gelegenheit zu Ausflügen,
Baden und dgl. geboten. Am 30. September erhielt "Gneisenau" den Auftrag, der
benachbarten Insel Hiwaoa einen kurzen Besuch abzustatten, um dort
Vorräte und Proviant zu beschlagnahmen. Am 2. Oktober ging der Verband
wieder in See, nachdem die Begleitdampfer bis auf "York" und
"Göttingen" entlassen worden waren. Hiermit endete gewissermaßen
der erste Abschnitt der Operationen, denn jetzt begann der weite Marsch
über den Rest des Stillen Ozeans nach der südamerikanischen
Küste. Die seit dem 13. August zurückgelegte Strecke betrug etwa
7000 Seemeilen.
Am 4. Oktober wurden plötzlich und unerwartet funkentelegraphische
Zeichen vom Kleinen Kreuzer "Dresden" wahrgenommen. Dieser hatte nach einer
aben- [299] teuerlichen Fahrt von
Westindien an der Ostküste Südamerikas entlang die
Westküste dieses Kontinents erreicht und stand gerade auf dem Wege nach
Mas-a-fuera (Juan-Fernandez-Inseln), etwa auf der Höhe von Cap Tres
Montes (Peñas-Golf). Im Laufe des Tages gingen dann von "Dresden"
Funkenmeldungen über die Anwesenheit feindlicher Streitkräfte in
den südamerikanischen Gewässern ein. Am 9. Oktober gelang auch
die Herstellung der drahtlosen Verbindung mit dem Kleinen Kreuzer "Leipzig",
der von Chile aus das Kreuzergeschwader zu erreichen strebte. "Leipzig" hatte
seit Kriegsbeginn mit großen Schwierigkeiten hinsichtlich der
Kohlenergänzung zu kämpfen gehabt, besonders infolge der
übelwollenden Neutralität der Vereinigten Staaten. Immerhin war es
diesem Kreuzer sowohl wie der "Dresden" gelungen, im Handelskriege einige
Erfolge zu erringen.
Am 12. Oktober traf das Kreuzergeschwader vor der zu Chile gehörenden
Oster-Insel ein, woselbst "Dresden" bereits mit dem Kohlendampfer "Baden" vor
Anker lag. Am 14. Oktober erschien dann auch "Leipzig", ferner die
Kohlendampfer "Amasis", "Anubis" und "Karnak". Graf Spee hatte nunmehr das
Geschwader vollständig versammelt bei sich und verfügte
über einen neuen größeren Kohlenvorrat, womit ihm seine
größte Sorge genommen war. Die Nachrichten vom Feinde in dem
neuen Kriegsgebiet wurden durch die mündlichen Berichte der
Kommandanten der "Dresden" und "Leipzig" entsprechend ergänzt, und so
trat der Geschwaderchef, neu beseelt von der Hoffnung auf ein siegreiches
Gefecht mit dem englischen Gegner, nach erfolgter Kohlenauffüllung am
18. Oktober den Weitermarsch nach der Küste Südamerikas an. Sein
nächstes Ziel war die Inselgruppe Juan-Fernandez, wo am 26. Oktober die
Anker fielen. Zum nicht geringen Erstaunen des Geschwaders erschien hier in der
Frühe des 27. Oktober auch der Hilfskreuzer "Prinz Eitel Friedrich", der
sich nach ziemlich ergebnislosen Kreuzfahrten in den australischen
Gewässern von dem "Cormoran" getrennt und diese Gegend aufgesucht
hatte, wo er ein besseres Feld für seine Tätigkeit zu finden
hoffte.
Graf Spee sollte nicht lange mehr auf den sehnlichst herbeigewünschten
kriegerischen Erfolg zu warten haben. Wegen der schlechten
Ankerplatzverhältnisse hielt er sich vor
Mas-a-fuera (Juan-Fernandez-Inseln) nicht länger als unbedingt nötig
auf. Am 27. Oktober gab er den versammelten Kommandanten Aufschluß
über seine weiteren Absichten. Am Abend dieses Tages ging das
Geschwader Anker auf mit Kurs zunächst auf Valparaiso. "Prinz Eitel
Friedrich" wurde Führerschiff des Trosses, der aus den Dampfern "Titania",
"Baden", "Göttingen", "Amasis" und "Santa Isabell" bestand. Endlich in
der Nacht zum 1. November kam eine Nachricht vom Feinde. Der nach
Valparaiso entlassene Dampfer "Göttingen" machte die drahtlose Meldung,
daß ein englischer Kleiner Kreuzer am 31. Oktober vor dem chilenischen
Hafenplatz Coronel gelegen habe. Diese wichtige Nachricht führte zu der
am folgenden Tage stattfindenden Schlacht von Coronel.
[300] Am Sonntag, 1.
November, lief das Geschwader in etwa 20 sm Abstand von der Küste in
südlicher Richtung. Das Wetter war sichtig, bei auffrischendem Wind und
zunehmendem Seegang. Vormittags hatte der gewohnte Gottesdienst auf den
Schiffen stattgefunden. Gegen 12 Uhr erhielt "Nürnberg" Befehl, einen
unter der Küste aufgetauchten Segler zu untersuchen. Durch diesen Auftrag
entfernte sich der Kreuzer so weit vom Geschwader, daß er in das
später sich entwickelnde Gefecht nicht rechtzeitig mit eingreifen konnte.
Kurz nach Mittag erhielt "Dresden" Befehl, den Dampferverkehr unter der
Küste zu beobachten; dadurch blieb auch dieser Kreuzer einige Seemeilen
zurück. Um nun den gemeldeten englischen Kreuzer abzufangen, dessen
24stündiger Aufenthalt in Coronel im Laufe des Nachmittags beendet sein
mußte, nahmen "Scharnhorst", "Gneisenau" und "Leipzig" Aufstellung vor
den beiden Ausgängen der Arauco-Bucht. Gegen 4 Uhr Nm.
wurden englische Funkenzeichen wahrgenommen, der Feind mußte in
unmittelbarer Nähe sein. Die Erwartungen und die Spannung war auf den
deutschen Schiffen zur Siedehitze gesteigert. Noch wenige Minuten, und der
Kampf sollte beginnen.
Das Seegefecht bei Coronel.
Es war kurz nach 4 Uhr Nm., als die Mastspitzen der ersten englischen Schiffe in
Sicht kamen. Auf das Signal von "Scharnhorst" "Klarschiff zum Gefecht" und
"Dem Führer folgen" drehten "Gneisenau" und "Leipzig" in das Kielwasser
des Flaggschiffs ein. Der Seegang hatte stark zugenommen, so daß die
Sturzseen über die Schiffe hinweggingen. Der Feind bestand aus den
englischen Panzerkreuzern "Good Hope" und "Monmouth", dem Kleinen Kreuzer "Glasgow" und dem Hilfskreuzer "Otranto". Der englische Konteradmiral
Cradock hatte seine Flagge auf "Good Hope" gesetzt. Der Feind lag auf
südlichem Kurse und stand etwa 4 Strich an Steuerbord voraus vom
deutschen Geschwader. Graf Spee hatte die Absicht, den Feind von der
chilenischen Küste fernzuhalten, um ihn zu verhindern, auf neutrales
Gebiet zu gelangen. Gegen 430 Uhr wurde festgestellt, daß der
Gegner mehr nach Westen abhielt, die deutschen Schiffe folgten dieser Bewegung
bis auf etwa West-Süd-West-Kurs. Kurz nach 6 Uhr standen die
gegnerischen Linien ("Dresden" war inzwischen bis auf etwa 1 sm herangeschlossen, während "Nürnberg" noch weit entfernt war) auf
annähernd parallelem Kurse einander im Abstande von 13,5 km
gegenüber. Gegen 630 auf 10,4 km Abstand ließ Graf
Spee das Feuer eröffnen. Bereits nach wenigen Minuten wurde der erste
Treffer auf "Good Hope" beobachtet; auf "Monmouth" wurde durch einen
schweren Artillerietreffer die Decke des vorderen Doppelturms abgehoben. Die
Überlegenheit des Feuers lag von Anfang an auf deutscher Seite. Da sich
die Entfernung - trotzdem der deutsche Admiral dies zu verhindern bestrebt
war - allmählich bis auf 5 km vermindert hatte, nahm Graf
Spee an, daß der Gegner am Artillerieerfolg verzweifelte und durch
gewaltsame Annäherung auf Torpedo- [301=Karte] [302]
schuß manövrierte. Die Stellung des gegen 6 Uhr aufgegangenen
Mondes hätte den Feind hierbei begünstigt. Inzwischen wurde es
immer dunkler, so daß um 726 Uhr abends das Feuer eingestellt
werden mußte. Um 723 Uhr war auf "Good Hope" eine
starke Explosionswolke zwischen den Schornsteinen beobachtet worden. Von da
ab feuerte das Schiff anscheinend nicht mehr. "Monmouth" hatte das Feuer schon
kurz vorher eingestellt.
[301]
Skizze 8: Schlacht bei Coronel am 1. November 1914 Nm.
|
Um 730 Uhr gab Graf Spee den
Kleinen Kreuzern den drahtlosen Auftrag, die feindlichen Schiffe in der
Dunkelheit weiter zu verfolgen und, wenn möglich, im Torpedokampf zu
vernichten. Inzwischen gingen mehrfach Regenböen nieder, die die Luft
sehr unsichtig machten. "Good Hope" wurde nicht mehr gefunden; wie sich
später herausstellte, war das englische Flaggschiff dem deutschen
Artilleriefeuer zum Opfer gefallen und gesunken. "Nürnberg" dagegen traf
den Panzerkreuzer "Monmouth" und brachte ihn durch Artilleriefeuer zum
Sinken. An Rettungsarbeiten war bei dem hohen Seegang nicht zu denken, zumal
"Nürnberg" unmittelbar nach Niederkämpfung des Gegners
Rauchwolken eines zweiten Feindes zu sichten glaubte und dorthin einen neuen
Vorstoß machen mußte. "Glasgow" hatte sich am Gefecht
artilleristisch beteiligt, allerdings ziemlich erfolglos, und war dann in der
Dunkelheit entkommen. "Otranto" war schon bei Gefechtsbeginn, nachdem er
einen Treffer erhalten hatte, abgedreht und hatte mit hoher Fahrt das Weite
gesucht. "Scharnhorst" hatte im Kampfe keine Verluste oder Schäden
gehabt, ebensowenig die Kleinen Kreuzer. "Gneisenau" hatte zwei
Leichtverwundete.
Der Geschwaderchef hielt am Abend des Schlachttages eine Ansprache an die
Besatzung seines Flaggschiffes und richtete an den Verband folgenden
Funkspruch: "Mit Gottes Hilfe ein schöner Sieg, für den ich den
Besatzungen meine Glückwünsche und Anerkennung
ausspreche."
Der Sieg von Coronel war mehr als eine gewonnene Schlacht. Es war das
erstemal, daß deutsche und englische Schiffe in annähernd gleichem
Kampfe einander gegenüberstanden, wobei die Überlegenheit der
deutschen Führung sowie der Gefechtsausbildung so offenkundig in die
Erscheinung getreten waren, daß der Nimbus von der Unbesiegbarkeit der
englischen Flotte dahin war. Die Nachricht von dem Siege löste in der
deutschen Heimat und an der Front ungeheuren Jubel aus.
Nach der Schlacht beschloß Graf Spee, den chilenischen Hafen Valparaiso
anzulaufen. Hier ankerten "Scharnhorst", "Gneisenau" und "Nürnberg" am
Morgen des 3. November, während "Leipzig" und "Dresden" Befehl
erhielten, mit den Begleitschiffen nach Mas-a-fuera zu dampfen. Unter dem Jubel
der im Hafen von Valparaiso liegenden vielen deutschen Schiffe war das
Geschwader eingelaufen. Bald fanden sich viele Deutsche an Bord ein.
Gestellungspflichtige und Kriegsfreiwillige meldeten sich in großer Zahl
und wurden auch nach Möglichkeit eingestellt. Mit hoher Begeisterung
stellten sich die Leute zum Dienst. Die englische [303] Gegenwirkung aber
setzte sofort ein, was sich z. B. durch Verzögerung der Anlieferung
von Kohlen und Lebensmitteln bemerkbar machte.
Nach eintägigem Aufenthalt verließen die deutschen Schiffe den
chilenischen Hafen und vereinigten sich am 5. November bei
Mas-a-fuera mit dem Rest des Geschwaders. Am 6. November kam der
Kohlendampfer "Baden" mit dem gekaperten norwegischen Segler "Helicon" an.
"Leipzig" war mit der Übernahme von Kohlen aus der aufgebrachten
französischen Bark "Valentine" beschäftigt. Am 10. November
wurden "Leipzig" und "Dresden" mit Post nach Valparaiso entlassen, um
später auf See wieder zum Geschwader zu stoßen. Die übrigen
Schiffe benutzten die Tage zum Kohlennehmen und zu Instandsetzungsarbeiten.
Am 14. November wurde der Begleitdampfer "Titania" abgerüstet und
versenkt, weil er für die beabsichtigte Fahrt nach Süden, wo mit
schlechtem Wetter gerechnet wurde, weder die genügende Geschwindigkeit
noch Seefähigkeit besaß. Am Sonntag, dem 15. November, fand auf
allen Schiffen großer Dankgottesdienst statt; nachmittags versammelte Graf
Spee die Kommandanten zur Sitzung um sich, um sie über seine weiteren
Absichten zu unterrichten, und abends ging das Geschwader nach den
südlichen amerikanischen Gewässern in See. Der Hilfskreuzer "Prinz
Eitel Friedrich" wurde zur selbständigen Handelskriegführung
entlassen.
Um Kap Horn nach der Ostküste.
Das deutsche Geschwader trat nunmehr in einen neuen Abschnitt der Operationen
ein, vielleicht nicht ahnend, daß es der letzte sein sollte. Mit welchen
strategischen Absichten Graf Spee sich von nun ab eigentlich getragen hat, ist
zuverlässig nicht bekannt. Möglich, daß er den ihm vom
Admiralstab nahegelegten Rat befolgt hat, sich nach der Heimat versuchsweise
durchzuschlagen; jedenfalls hielt er es für angezeigt, das bisherige Feld
seiner Tätigkeit zu wechseln, da er annehmen mußte, daß der
geschlagene und in seinem Nationalstolz bei Coronel tief getroffene englische
Gegner alles daransetzen würde, ihn mit überlegenen
Streitkräften in den chilenischen Gewässern zu stellen und zu
schlagen. So wählte er den Weg um die Südspitze Amerikas nach der
Ostseite des Kontinents. Weiter können seine Pläne und Ziele leider
nicht verfolgt werden. Nach den vorliegenden Berichten und
Tagebuchaufzeichnungen ist aber mit hoher Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen,
daß er beabsichtigt hat, sich an der Ostküste Südamerikas
etappenweise nach Norden vorwärts zu bewegen, um schließlich zum
geeigneten Zeitpunkte durch den Atlantischen Ozean nach der Heimat
durchzubrechen.
Am 17. November stießen "Leipzig" und "Dresden", von Valparaiso
zurückkehrend, zum Geschwader. Das Wetter war inzwischen kalt und
stürmisch geworden. Am 21. November liefen die Schiffe in die Bucht von
St. Quentin (Peñas-Golf) ein. Daselbst fand die Vereinigung mit den
Dampfern "Seydlitz", "Rhakotis", "Memphis" und "Luxor" statt. Ersterer brachte
ein Telegramm mit der Nachricht von der Verleihung des Eisernen Kreuzes 1. und
2. Klasse für [304] den Geschwaderchef
sowie von 300 Kreuzen 2. Klasse für die Besatzungen der Schiffe. Nach
erfolgter Kohlen- und Proviantübernahme setzte Graf Spee am 27.
November die Fahrt nach Süden fort, während die geleerten Dampfer
"Rhakotis", "Memphis" und "Luxor" entlassen wurden. Es kam sehr bald das
berüchtigte schlechte Wetter auf, wofür die dortige Gegend bekannt
ist. Am 2. Dezember gegen Mittag kam das Kap Horn in Sicht, nachmittags
wurde ein großer Eisberg passiert. Bald darauf sichtete "Gneisenau" voraus
einen Segler, und "Leipzig" erhielt Auftrag, diesen zu untersuchen. Es war das
kanadische Segelschiff "Drummuir" mit 3000 Tonnen
Cardiff-Kohlen an Bord. Das Wetter war inzwischen besser geworden, und der
Geschwaderchef beschloß, zwecks Entleerung des Seglers den
nördlich von Kap Horn gelegenen
Picton-Sund anzulaufen. Am 3. Dezember wurde bei der
Picton-Insel geankert. Die Kohlen des Seglers "Drummuir" nahmen die Dampfer
"Baden" und "Santa Isabell" an Bord, das Schiff selbst wurde später
versenkt. Am Sonntag, dem 6. Dezember, versammelte Graf Spee (zum
letztenmal!) seine Kommandanten um sich und gab ihnen seine
Entschließungen bekannt. Er beabsichtigte, die englischen
Falkland-Inseln anzulaufen, um die dortigen militärischen Anlagen zu
zerstören und möglichst den Gouverneur gefangen zu nehmen.
"Gneisenau" und "Nürnberg" erhielten den Auftrag, diese Aufgabe
durchzuführen. Mittag speiste Graf Spee noch mit den Kommandanten und
seinen beiden Söhnen an Bord des Dampfers "Seydlitz", und am
Nachmittag ging das Geschwader in See - zu seiner letzten, zu seiner
Todesfahrt.
Die Seeschlacht bei den Falkland-Inseln.
Der 6. und 7. Dezember verliefen ohne Zwischenfall. In der Nacht zum 8.
Dezember steuerte der Verband die Gruppe der
Falkland-Inseln an. Bereits um 2 Uhr früh kam das noch
60 sm entfernte Land in Sicht. Um 5 Uhr machte Scharnhorst Signal:
"»Gneisenau« und »Nürnberg« für
Sonderaufgabe detachiert." Die beiden Schiffe liefen mit hoher Fahrt in Richtung
auf Port Stanley, während der Geschwaderchef mit den übrigen
Schiffen zurückblieb. Gegen 8 Uhr sichtete
»Gneisenau« die Masten der englischen Funkenstation und bald
darauf auch die Mastspitzen einiger Schiffe. Gegen 9 Uhr schlugen in einer
Entfernung von einigen hundert Metern die ersten englischen Granaten ein,
welche - wie später festgestellt
wurde - von dem Linienschiff "Canopus" herrührten. Bald wurden
Schiffe der "Kent"- und "Glasgow"-Klasse erkannt. "Gneisenau" hielt den
Geschwaderchef durch Funkspruch hierüber auf dem laufenden. Als
"Gneisenau" im Begriff war, das Gefecht aufzunehmen, kam von "Scharnhorst"
der Befehl: "Gefecht nicht annehmen, 18 sm laufen." So brachen beide
Kreuzer die Unternehmung ab, machten Kehrt und suchten wieder
Anschluß an den Verband. Bald stellte sich heraus, daß Graf Spee hier
in ein Wespennest gestochen hatte. Ein englisches Schiff nach dem andern kam
aus dem Hafen heraus: die [305] Panzerkreuzer "Kent",
"Cornwall", "Carnarvon", die Kleinen Kreuzer "Glasgow" und "Bristol", der
Hilfskreuzer "Macedonia" und schließlich die ernstesten Gegner, die beiden
Schlachtkreuzer "Invincible" und "Inflexible". Diese waren von der englischen
Heimat hierher befohlen worden mit dem ausdrücklichen Zweck,
das Geschwader des Grafen Spee zu suchen und zu vernichten. Von der
Anwesenheit dieser beiden übermächtigen Gegner hatte Graf Spee
keine Ahnung gehabt. Der feindliche Verband stand unter dem Befehl des
Vizeadmirals Sturdee.
[305]
Skizze 9: Schlacht bei den Falkland-Inseln am 8. Dezember 1914.
|
Um 1145 Uhr mittags eröffnete
"Invincible" das Feuer auf die am Schluß der deutschen Linie fahrende
"Leipzig". Da die Kleinen Kreuzer in dem bevorstehenden Kampfe nur geringen
Gefechtswert hatten und zu leicht dem Feinde zum Opfer gefallen wären,
wurden sie auf Signal entlassen. "Leipzig",
"Nürn- [306] berg" und "Dresden"
schoren aus der Linie aus und suchten auf verschiedenen Kursen zu entkommen.
Graf Spee war entschlossen, allein mit den Panzerkreuzern den ungleichen Kampf
mit dem stark überlegenen Feinde aufzunehmen. Die Kohlenbegleitdampfer
waren schon früher entlassen worden. Kurz nach 1 Uhr
eröffnete "Scharnhorst" auf etwa 15 km das Feuer auf das englische
Führerschiff "Invincible". Es entspann sich ein heißer Kampf. Die
deutschen Panzerkreuzer gaben ihr bestes und letztes her, um ihr Leben so teuer
wie möglich zu verkaufen. Unter mehrmaligem
Kurs- und Wechsel der Feuerseite wurde ein scharfer Artilleriekampf
geführt, der bei der Überlegenheit der Engländer sich mehr
und mehr zu deren Gunsten entschied. Gegen 330 Uhr Nm., also nach etwa
vierstündigem Kampfe, war "Scharnhorst" infolge mehrerer schwerer
Treffer tiefer gesunken und neigte nach Backbord über. Im Vorschiff klaffte
ein weites Loch, ein ähnliches im Hinterschiff. Die Schornsteine waren
umgefallen, Rauch quoll empor und Brände wüteten im Innern. Die
Geschütze waren zum Teil außer Gefecht gesetzt, ein großer
Teil der Besatzung gefallen. Als der vordere Turm noch etwa zwei Meter
über Wasser war, feuerte er den letzten Schuß, das Schiff glitt
schräg nach vorn allmählich in die Tiefe, während die
Schrauben noch hoch in der Luft sich drehten. Das deutsche Flaggschiff sank, mit
ihm der Geschwaderchef und die gesamte Besatzung. Der grausame Feind machte
keinen Versuch, Überlebende zu retten. Jetzt kam die Reihe an
"Gneisenau". Das Schiff wurde von allen Seiten umstellt, ein Hagel von
Geschossen prasselte darauf nieder. Es kämpfte wie ein Löwe, aber
es mußte bald dem Schwesterschiff folgen. Aus tausend Wunden blutend,
neigte sich das Schiff nach weiterem Kampfe nach Steuerbord über und
sank eine Stunde nach "Scharnhorst" ebenfalls mit wehender Flagge in die Tiefe.
Von der überlebenden Besatzung wurden 17 Offiziere und 170 Mann durch
die Engländer gerettet, der Kommandant fand den Tod in den Wellen.
Während des Kampfes der großen Schiffe führten die Kleinen
Kreuzer ein Rückzugsgefecht. "Nürnberg" wurde von "Kent"
verfolgt und hat sich tapfer seiner Haut gewehrt, bis es dem überlegenen
Gegner unterlag und mit dem Kommandanten den Untergang fand. Nur wenige
Köpfe der Besatzung wurden gerettet. Schlimmer erging es "Leipzig".
Dieses Schiff hatte noch einen langen Leidensweg zu bestehen. Es lag zeitweise
unter dem schweren Feuer der englischen Schiffe "Kent", "Cornwall" und
"Glasgow"; den Schlußkampf führte der brave Kreuzer gegen
letzteres allein. Als "Leipzig" bereits dem Sinken nahe war und keine Waffe mehr
benutzen konnte, wurde von "Glasgow" in unbarmherzigster Weise auf das Schiff
weitergefeuert und ein furchtbares Blutbad unter der wehrlosen Besatzung
angerichtet. Als die Dunkelheit hereingebrochen war, sank "Leipzig", den
Kommandanten mit in die Tiefe nehmend. "Dresden" war es geglückt, in
einer Regenbö seinen Verfolgern zu entkommen, wandte sich der
Küste zu und kam am 10. Dezember im
Magdalena-Sund an. Der Komman- [307] dant hat es verstanden,
sich unter mehrfachem Wechsel des Ankerplatzes dem Gegner drei Monate lang
verborgen zu halten, bis er Anfang März 1915 bei den mehrfach genannten
Juan Fernandez-Inseln von den Kreuzern "Kent" und "Glasgow"
aufgestöbert und zu Anker liegend angegriffen wurde. Es wiederholten sich
dieselben Vorgänge wie bei der Vernichtung der "Leipzig", indem von dem
englischen Gegner auf die wehrlose Besatzung minutenlang weitergefeuert wurde,
obwohl das Schiff, nachdem seine Artillerie niedergekämpft worden war,
das Feuer eingestellt hatte. Es ist dem Kommandanten schließlich gelungen,
sein Schiff im feindlichen Feuer zu versenken, um zu verhindern, daß es
dem Gegner in die Hände fiele.
Das deutsche Volk steht am Grabe des stolzen Kreuzergeschwaders. Furchtlos
und kühn war es ausgelaufen, vier Monate hat es den überlegenen
Gegnern die Stirn geboten und ihnen großen Schaden zugefügt; in
heroischem Kampfe ist es untergegangen. Die Nachricht von der verlorenen
Schlacht bei den Falkland-Inseln wurde mit tiefem Schmerz in der Heimat
aufgenommen. Mit Stolz zwar, aber mit banger Ahnung von dem
schließlich unvermeidlichen Schicksal hatte man zu Hause die Fahrt des Grafen Spee
und seiner getreuen Schar verfolgt. Nun es nicht mehr schwamm, das
ruhmvolle Geschwader, eilten stumme, aber dankbare Grüße
übers weite Meer, dorthin, wo im südlichen Atlantischen Ozean sich
die Wellen für immer geschlossen hatten über den Leibern der
braven Schiffe und ihrer bis zum Tode treuen Besatzungen.
Der englische Historiker Julian Corbett, der die englische Geschichte dieses
Krieges geschrieben hat, nennt die Fahrt des Grafen Spee eine Odyssee. Dieser
Vergleich ist nicht nach deutschem Geschmack, obwohl der gefallene Admiral
manche treffliche Eigenschaft des "vielgewandten Odysseus" besessen hat. Der
"göttliche Dulder" Odysseus hatte zwar auch eine lange, abenteuerliche
Fahrt übers weite Meer zu bestehen, hatte mit vielen
Widerwärtigkeiten und Gefahren zu kämpfen, aber er kam aus dem
Kriege, der siegreich gewonnen war. Graf Spee jedoch steuerte in den Krieg
hinein, in einen Todeskampf. Dieses kriegerische Moment darf nicht vergessen
werden zu betonen und immer zu wiederholen, denn Graf Spee war ein echter
Kriegsmann, ein Soldat vom Scheitel bis zur Sohle. Er schlug als erster deutscher
Admiral den stolzen Engländer aufs Haupt und errang den ersten deutschen
Seesieg in dem großen Kriege.
Die Fahrt des Kreuzergeschwaders mit irgendeinem anderen Ereignis zu
vergleichen, ist nicht möglich, weil die Weltgeschichte ähnliches
vorher nicht gekannt hat. Beispiellos steht diese Fahrt
da - ein Ruhmesblatt in der deutschen Kriegsgeschichte. Das Schicksal des
Krieges konnte das Speesche Geschwader nicht bestimmen, aber der Admiral ist
mit seinen wackern Schiffen und Besatzungen nicht umsonst gefallen. Er hat die
Farben der deutschen Kriegsflagge über die Ozeane getragen, rein und
unbefleckt; stolz wehten sie am Mast, als das erbarmungslose Meer sich
über ihnen schloß.
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