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der deutschen Kolonien
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Land und Leute in unseren Kolonien (T. 5)
 

Deutschlands Schutzgebiete in der Südsee
Gouverneur i. R. Dr. Albert Hahl

Geschichte und Entwicklung von Neuguinea

Am 4. Mai 1493 teilt der Papst Alexander VI. in der dadurch berühmt gewordenen Bulle die neue Welt, d. h. die durch die Entdeckungen bekanntgewordenen Gebiete der Erde, zwischen Spanien und Portugal. Auf andere Völker wurde durch den Papst nicht Rücksicht genommen. In Anlehnung an diese Kundgebung des Papstes schlossen Spanien und Portugal am 7. Juni 1494 einen Staatsvertrag, in dem sie für die beiderseitigen Erwerbungen eine gedachte Linie zogen, die 370 Meilen westlich von den Kapverdischen Inseln verlief. Dabei waren die vertragschließenden Teile der Meinung, Afrika den Portugiesen und [187] Indien den Spaniern gesichert zu haben. Im Laufe der nun einsetzenden Entdeckungsfahrten stellte sich heraus, daß mit dieser Regelung den Spaniern Amerika zufiel, während Indien an Portugal gelangte. Die Portugiesen faßten nach Umschiffung des Kaps der Guten Hoffnung durch Vasco da Gama am 18. November 1497 an den Küsten Ostafrikas und in Indien festen Fuß und setzten von da aus die Erwerbung neuer Stützpunkte in östlicher Richtung fort. Mit der Festigung der spanischen Herrschaft im mittleren und südlichen Amerika, namentlich in Mexiko und Peru, als den politischen Mittelpunkten des spanischen Reiches in Amerika, wurde von den Vizekönigen in westlicher Richtung die Ausbreitung der spanischen Herrschaft durch Erwerbung weiterer Stützpunkte betrieben. Im Jahre 1564 wurden die Philippinen in Besitz genommen, die längst in regelmäßigen Fahrten für Handelszwecke besucht wurden.

Diese eben in kurzem Zuge gestreiften Fahrten der Portugiesen nach Osten und der Spanier nach Westen, auslaufend von Indien und Amerika, führten dadurch zur Berührung der Inseln des Pazifischen Ozeans, daß die kühnen Seefahrer durch widrige Winde und Strömungen von dem Reiseziel recht oft abgetrieben wurden. Soweit verbürgte Nachrichten vorliegen, kam die Insel Neuguinea erstmals im Jahre 1526 dem Portugiesen Jorgé G. Meneses zu Gesicht. Der Spanier Alvara de Saavedra lief zwei Jahre später an ihrer Nordküste entlang und gab ihr den Namen Isla de Oro. Sein Landsmann Inigo de Orbis de Retes belegte dann die große Landmasse mit dem Namen Neuguinea; diese Bezeichnung hat sich erhalten. An weiteren wichtigen Entdeckungen soll nur hervorgehoben werden, daß im Jahre 1525 die Karolinen zum ersten Male durch den Portugiesen Diego da Rocha berührt wurden, während 1526 und 1528 auch die Spanier durch die westlich gelegenen Inseln liefen. Im Jahre 1686 wurde eine größere Insel - soweit sich feststellen läßt, Jap - entdeckt. Lazeano, der Führer des Seglers, nannte die Insel nach der damaligen spanischen Königin Carolina. Der Name ging dann später auf die Gesamtheit der Inseln über. Der kühne Seefahrer Magalhães lief am 6. März 1521 an einer der südlichen Inseln der Marianengruppe vorbei. Es ist nicht erforderlich, diese einzelnen Berührungen der Seefahrer mit den Inseln weiter aufzuzählen. Es genügt, darauf hinzuweisen, daß die Fahrten nicht Entdeckungs- und Suchfahrten für jene Gebiete darstellen, sondern, wie schon hervorgehoben, die Landsichtungen auf dem Zufall beruhten. Aber die Wahrnehmungen hatten zur Folge, daß allmählich die Gewißheit bestand, daß ausgedehnte Landmassen und Inseln im südlichen Pazifischen Ozean vorhanden waren, und damit setzte nun, mit dem Anfange des 17. Jahrhunderts etwa, die planmäßige Entdeckungsfahrt nach jenen Gebieten ein. Sie wurde eröffnet durch die Holländer, die nach ihrer Festsetzung in Niederländisch-Indien im Wettstreit mit den Portugiesen Wert auf die Auffindung neuer Landteile legten. Am berühmtesten geworden ist die Fahrt der Kapitäne Lemaire und Schouten auf dem Segler "de Eendracht". Sie stießen bis zum südlichen Neumecklenburg vor und liefen dessen Ostküste entlang. 1643 folgte Abel Tasman [188] dieser Fahrtrichtung und entdeckte die Antony Kaan und Gerrit Denys Inseln. Während im Jahre 1606 der Spanier L. Vaez de Torres die später nach ihm benannte Straße durchlief, die Australien und Neuguinea trennt, gelang es dem Holländer Dampier im Jahre 1700 die Meeresstraße zu durchsegeln, die die Insel Neupommern von Neuguinea scheidet. Der Name Dampierstraße erinnert an diese seemännische Tat. Mit diesen beiden Fahrten war der insulare Charakter Neuguineas festgestellt. Es bestand aber immer noch die Meinung, daß eine ähnlich große Landmasse der Dampierstraße nördlich vorgelagert sei.

Den Holländern folgten in den Entdeckungsfahrten die Engländer und Franzosen. Im Jahre 1767 durchlief Kapitän Carteret mit dem englischen Kriegsschiffe "Swallow" den Kanal zwischen Neupommern und Neumecklenburg, gelangte bis zur Neulauenburg-Gruppe und stellte damit die Teilung der vermuteten Landmasse in eine Menge größerer und kleinerer Inseln fest. Von den französischen Seefahrern erwarb sich durch seine kühnen Forschungen und Fahrten einen besonderen Namen Graf Jean Francois de la Pérouse, der von seiner zweiten von Sydney aus unternommenen großen Suchfahrt durch die melanesische Inselwelt nicht mehr zurückgekehrt ist. Zu Nachforschungen nach ihm wurden die Fregatten "Recherche" und "Espérance" unter dem Kommando von Antoine Josef Rayand d'Entrecasteaux ausgesandt, ohne daß es indessen gelang, über den Verbleib des Grafen Pérouse und seiner Schiffe und Mannschaften Aufklärung zu schaffen. Früher schon hatte Kapitän Bougainville die nördlichen Salomoninseln berührt. Die größte Insel dieses Gebietes ist nach ihm benannt worden.

Diese Fahrten und Entdeckungen führten indessen nicht zu irgendeiner Festsetzung oder Besitzergreifung der beteiligten Mächte in der Inselwelt des Pazifischen Ozeans. Lediglich die Marianen wurden 1668 von den Spaniern in Besitz genommen und erst im Jahre 1828 hißten die Holländer auf der Insel Neuguinea bis zum 141. Grad östlicher Länge ihre Flagge. Man darf annehmen, daß die für die Seefahrt nicht günstige Küstengestaltung der melanesischen Inseln, der tiefe Kulturstand der Eingeborenen und das auf den ersten Blick jedenfalls fehlende Vorkommen greifbarer Naturschätze von einer Besitznahme zurückhielten. Die mikronesischen und polynesischen Inseln, die von hellfarbigen, auch kulturell verhältnismäßig hochstehenden Menschen bewohnt waren, boten für eine Festsetzung einen weit größeren Anreiz als die melanesischen Gebiete. So kam es um die Mitte des 19. Jahrhunderts zu einem heftigen Wettbewerb zwischen England und Frankreich um Erwerbungen in den polynesischen Inseln. Zunächst waren die Franzosen erfolgreich, die die Tahiti-Inseln sich aneigneten, England aber, mit dem Anwachsen der Bevölkerung in Australien und Neuseeland, blieb der stärkere Teil, die polynesischen Inseln fielen überwiegend England zu.

Als in diesem politischen Wettbewerb bereits eine Entspannung eingesetzt hatte, griff der deutsche Handel mit Erfolg auf den südlichen Pazifischen Ozean über. Das Hamburger Haus Johann Cäsar Godeffroy & Söhne war in Chile [189] seßhaft geworden und betrieb von dort aus zunächst den Küstenhandel mit einigen der polynesischen Inseln. Diese Verbindung ließ aber den Wert einer Festsetzung rasch hervortreten, so daß es im Jahre 1857 zur Errichtung einer Hauptfaktorei in Apia auf der Insel Upolu kam und von da aus dann zu einer Ausbreitung des Handels mit festen Stützpunkten über fast die gesamte polynesische Inselwelt. In den 60er Jahren wurden dann auch die mikronesischen Inseln, namentlich die Marschall- und Gilbert-Inseln, in Angriff genommen. Diese grundlegende und erfolgreiche Arbeit des Hamburger Handelshauses gewann eine neue Bedeutung, als durch den Leiter der Hauptfaktorei in Apia, Theodor Weber, zugleich deutscher Wahlkonsul, die Aufbereitung des Kernes der Kokosnuß, der Kopra, zur marktfähigen Ware durch besondere Trocknung herbeigeführt wurde. Damit war für die Versorgung des Weltmarktes ein wertvoller Fettstoff gesichert worden.

Das Handelshaus ging nunmehr zu einem größeren Landerwerb auf Upolu und zur Anlage von Kokosnußpflanzungen über. Die Bevölkerung Samoas, ebenso der übrigen polynesischen Inseln war für die geregelte Arbeitsleistung in einem europäischen Pflanzungsdienst nicht geeignet, ließ sich jedenfalls auf die Dauer hierzu nicht gewinnen. Damit war die Firma darauf angewiesen, die Arbeitermengen für ihren Pflanzungsbetrieb durch besondere Anwerbung in den melanesischen Inseln sicherzustellen. Sie folgte damit dem Beispiel, das bereits die Zuckerrohrpflanzungen in Fidschi und Queensland, aber auch Südamerika für die Ausbeutung der Salpeterfelder in Chile gegeben hatten. Es zeigte sich rasch, daß eine gesicherte Arbeiteranwerbung durch Unterbindung von Gewalttätigkeiten und feindlichen Zusammenstößen mit den Eingeborenen selbst sich nur dadurch erreichen ließ, daß einer festen Niederlassung die Anwerbung und die Aufsicht übertragen werden konnte.

So kam es im Jahre 1878 zur Errichtung einer Faktorei auf der Insel Mioko in der Neulauenburg-Gruppe (Duke of York). Der Wert der melanesischen Inseln war inzwischen auch von anderer Seite erkannt worden. Bereits im Jahre 1875 hatte sich der Hamburger Kaufmann Eduard Hernsheim auf der Insel Makada der Neulauenburg-Gruppe niedergelassen, um dort einen festen Stützpunkt für seine ausgedehnten Küstenfahrten durch Mikronesien und Melanesien zu gewinnen. 1878 wurde die Faktorei nach der Insel Matupi in der Blanche Bucht verlegt und die Offene Handelsgesellschaft Robertson & Hernsheim errichtet. Aus diesem Unternehmen ging dann in weiterer Entwicklung die Hernsheim & Co. A.-G. hervor. Auf der Insel Mioko widmete sich auch seit 1879 der Amerikaner Thomas Farell dem Handel. Die Unternehmung wurde 1882 nach Ralum an der offenen Blanche Bucht auf der Gazelle-Halbinsel verlegt, 1883 dort mit der Anlage einer Kokosnußpflanzung begonnen. Das Unternehmen ging später in den Besitz der Frau Emma Elisa Kolbe und schließlich der Hamburgischen Südsee A.-G. über. Diesen ersten Festsetzungen kaufmännischer Unternehmungslust in Melanesien lief das Missionswerk [190] voraus. Im Auftrage der australischen Methodistischen Missionsgesellschaft besuchte Dr. George Brown mit dem Schoner "John Wesley" im Jahre 1875 die Inselwelt, berührte am 15. August desselben Jahres den Hunter-Hafen in der Neulauenburg-Gruppe und entschloß sich, dort die erste feste Niederlassung seiner Mission zu errichten.

Diese kurze und gedrängte Darstellung der Auffindung der pazifischen Inselwelt und der ersten Festsetzung europäischer Kräfte in den melanesischen Inseln ist gewiß nicht erschöpfend. Sie soll nur eine kurze Darbietung der Reihenfolge und der bewegenden Richtungen geben. Die Erfassung des Wertes der Australien nördlich vorgelagerten großen Inseln ließ allmählich den Wunsch zu einer Sicherung des Besitzes an diesen erwachsen. In Queensland (Australien) entstand im Jahre 1883 eine öffentliche Bewegung, die mit Flaggenhissung auf Neuguinea und den vorliegenden Inseln endigte. Das damalige Ministerium in London indessen, unter Führung von Gladstone, war mit diesem Vorgehen nicht einverstanden. Die Flaggen wurden wieder niedergeholt und die Gebiete damit völkerrechtlich weiter herrenlos.

In Deutschland entstand mit dem Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre die große koloniale Bewegung, die in der Gründung des Deutschen Kolonial-Vereins und der Deutschen Kolonial-Gesellschaft ihren Ausdruck fand. Die Nutzanwendung ergab sich zunächst nicht in der Erwerbung afrikanischen Besitzes, sondern im Bereiche der Südsee-Inseln. Das schon genannte Haus Johann Cäsar Godeffroy & Söhne war durch unglücklich verlaufende Beteiligungen an bergbaulichen Unternehmungen in Deutschland in finanzielle Bedrängnisse geraten. Die Südseegeschäfte mußten an ein neugegründetes Unternehmen abgegeben werden, an die Deutsche Handels- und Plantagen-Gesellschaft für die Südsee-Inseln in Hamburg. Diese beschränkte sich auf die polynesischen Inseln. Der Handel in den mikronesischen Eilanden wurde von einer besonderen Gesellschaft ausgeübt, der Jaluit-Gesellschaft in Hamburg. Damit waren aber die Schwierigkeiten noch nicht behoben. Es mangelte an Mitteln. Zur Stützung der Handels- und Plantagen-Gesellschaft gründete Adolph von Hansemann, Chefinhaber der Disconto-Gesellschaft, im Februar 1880 die Deutsche Seehandels-Gesellschaft mit einem Kapital von zehn Millionen Mark. Um dem Risiko aus der Anlage des Kapitals einigermaßen zu begegnen, unterbreitete er der Reichsregierung den Antrag, für eine Verzinsung von 4,5 Prozent eine zeitlich begrenzte Sicherheit zu geben. Dieser Vorschlag wurde dem Reichstage zur Entscheidung unterbreitet, der ihn im April 1880 ablehnte. Mit dem Falle dieser Samoa-Vorlage mußte sich die Deutsche Seehandels-Gesellschaft auflösen. Für die Finanzierung der Deutschen Handels- und Plantagen-Gesellschaft wurde auf andere Weise Sorge getragen. Adolph von Hansemann hatte aber durch die mit der Gründung der Deutschen Seehandels-Gesellschaft verbundenen Arbeiten eine weitreichende Kenntnis der melanesischen Inseln erworben. Mit einigen Freunden bildete er ein besonderes Konsortium und rüstete ein Unter- [191] nehmen aus zur Erwerbung von Landbesitz in den melanesischen Inseln und zu ihrer weiteren Erkundung, um für eine etwaige Besitzergreifung die Grundlage zu schaffen. Dieser Aufgabe widmete sich Professor Dr. Finsch an Bord des für diese Zwecke gecharterten Dampfers "Samoa" in den Jahren 1884 und 1885. Noch während das Fahrzeug in der Inselwelt tätig war, folgten die Kriegsschiffe "Elisabeth" und "Hyäne" und hißten die deutsche Flagge auf der Insel Matupi, in der Astrolabe-Bucht, in dem späteren Finschhafen und ferner 1886 in den nördlichen Salomoninseln. Diese für Deutschland damit erworbenen Gebiete wurden gegen den englischen Machtbereich durch gegenseitige Erklärungen der deutschen und englischen Regierung vom 6. April 1886 abgegrenzt. Eine zweite Erklärung über die beiderseitige Handels- und Verkehrsfreiheit in den deutschen und englischen Besitzungen und Schutzgebieten im westlichen Stillen Ozean wurde unter dem 10. April 1886 ausgetauscht. Entsprechend der Einstellung des Fürsten Bismarck über die Verwaltung kolonialen Besitzes wurden die nun dem deutschen Schutze anvertrauten Gebiete nicht vom Reiche unmittelbar übernommen, sondern durch die Schutzbriefe vom 17. Mai 1885 und 13. Dezember 1886 der Neu-Guinea-Compagnie übergeben. Sie erhielt das Recht zur Ausübung landesherrlicher Befugnisse unter der Oberhoheit des Reiches. Die Neu-Guinea-Compagnie war aus dem von Adolph von Hansemann gegründeten Konsortium nach Auflösung der Expedition des Dampfers "Samoa" hervorgegangen. Durch kaiserlichen Erlaß vom 12. Mai 1886 wurde ihr juristische Persönlichkeit verliehen.

Die in den melanesischen Inseln begonnene Flaggenhissung setzte sich in dem mikronesischen Gebiete fort. Dadurch kamen die Marschall-Inseln in den unbestrittenen Besitz Deutschlands. Die Hissung unserer Flagge in den Karolinen führte zu einem Streite zwischen Deutschland und Spanien. Fürst Bismarck übertrug die Entscheidung dem Papst Leo XIII. als Schiedsrichter. Dieser erkannte die Inseln Spanien zu, sicherte aber Deutschland die Anlegung von Kohlenstationen auf Jap und Ponape. Die Marschall-Inseln wurden der Leitung eines besonderen Landeshauptmannes mit dem Sitze in Jaluit unterstellt. Das der Neu-Guinea-Compagnie anvertraute Schutzgebiet wurde von einem Landeshauptmann geleitet mit dem Sitze in Finschhafen. Der durch die Flaggenhissung begründete und durch die nachfolgenden Verträge mit den angrenzenden Kolonialmächten festgesetzte Besitzstand erfuhr indessen noch einige Veränderungen. Im Jahre 1898 verlor Spanien die Philippinen infolge des unglücklichen Ausganges seines Krieges an die Vereinigten Staaten von Nordamerika. Aus dem mikronesischen Besitz schnitt sich der Siegerstaat nur die Insel Guam als wichtigen Flotten- und Kabelstützpunkt aus. Die Verwaltung und Bewirtschaftung der Marianen und Karolinen war von Manila aus erfolgt. Bei der weiten Entfernung von Spanien konnte an eine Aufrechterhaltung des Besitzes in der weit zerstreuten Inselwelt nicht gedacht werden. Die spanische Regierung verkaufte daher die mikronesischen Inseln an das Deutsche [192] Reich. Die hierüber abgegebene Erklärung der beiden Regierungen vom 8. Februar 1899 wurde dann durch einen Vertrag vom 30. Juni 1899 bestätigt. Die Verwaltung der neu erworbenen Inselwelt wurde drei Bezirksämtern mit dem Sitze in Saipan, Jap und Ponape übertragen, die dem Gouverneur von Neuguinea unterstellt waren. Die Führung der Verwaltung wurde für die Neu-Guinea-Compagnie mit dem Anwachsen der Anforderungen zu einer untragbaren Last. Es kam daher im Oktober 1898 zu einem Vertrage mit dem Reiche, wonach dieses die Verwaltung gegen Gewährung einiger Abfindungen an die Neu-Guinea-Compagnie als Entschädigung für die aufgewendeten Mittel übernahm. Die Übergabe erfolgte am 1. April 1899 an den ersten Gouverneur Deutsch-Neuguineas, Rudolf von Bennigsen. Dieser inneren Festigung und Zusammenfassung der Verwaltung der melanesischen und mikronesischen Inselwelt in einer Hand unmittelbar unter dem Reiche folgte noch einmal eine Gebietsverschiebung. In Berlin wurde am 16. Februar 1900 der lange dauernde Streit zwischen England, den Vereinigten Staaten von Nordamerika und Deutschland um den Besitz der Samoa-Inseln endlich ausgetragen. Deutschland erhielt die Inseln Upolu und Sawaii, trat aber als Ausgleich die Inseln Choiseul, Isabel und die Gruppen Shortland, Fauro, sowie Ongtong-Java an England ab. Die selbständige Verwaltung der Marschall-Inseln unter einem Landeshauptmann blieb bis zum 1. April 1906 erhalten. Die Festigung der Verhältnisse in den Inseln erlaubte dann, zu einfacheren Formen der Regierung überzugehen. Es wurden die Marschall-Inseln als Stationsgebiet dem Schutzgebiet Deutsch-Neuguinea einverleibt und dem Gouverneur in Rabaul unterstellt.

Der deutsche Kolonialbesitz im westlichen Pazifischen Ozean erstreckte sich nach der endgültigen Vereinigung aller im vorstehenden kurz beschriebenen Änderungen vom 8. Grad südlicher bis zum 21. Grad nördlicher Breite und vom 131. Grad bis zum 173. Grad östlicher
Dorfleben in Azora am Markham-Fluß. 
Kaiser-Wilhelms-Land, Südsee.
[198]      Dorfleben in Azora am Markham-Fluß.
Kaiser-Wilhelms-Land, Südsee.
Länge. Für die Führung der Verwaltung war das ungeheure Flächenausmaß von etwa zwei Dritteln Europas ein Hemmnis. Es bedurfte vieler und nicht immer billiger Seefahrten, um den Aufgaben einer geordneten Verwaltung gerecht zu werden. Die in dem weiten Meeresgebiet ruhenden Inseln umfaßten eine Landfläche von rund 241 000 qkm, wovon man, soweit überhaupt zuverläßliche Ziffern in dieser Hinsicht geboten werden können, 181 600 qkm auf Kaiser-Wilhelms-Land, 47 000 qkm auf den Bismarck-Archipel, 10 000 qkm auf die deutschen Salomoninseln und 2500 qkm auf die mikronesischen Inseln verteilen darf.

Für die Zwecke der Verwaltung bestand unter Berücksichtigung der Besitzänderungen zuletzt folgende Einteilung:

  1. Altes Schutzgebiet Neuguinea.
    1. Kaiser-Wilhelms-Land.
      • Bezirksamt, zugleich Bezirksgericht Friedrich-Wilhelms-Hafen, umfassend die Mitte unseres Besitzes in Kaiser-Wilhelms-Land, an der Küste reichend von der Mündung des Sepik bis zum Huongolf.
      [193] • Station Eitape, von der Mündung des Sepik bis zur holländischen Grenze.
      • Station Morobe, vom Huongolf bis zur englischen Grenze.
    2. Bismarck-Archipel.
      • Bezirksamt Rabaul, umfassend Neupommern und die vorgelagerten Inseln.
      • Bezirksamt Kaewieng, umfassend das nördliche Neumecklenburg und Neuhannover.
      • Station Namatanai für das südliche Neumecklenburg.
      • Station Manus für die Admiralitätsinseln und westlich davon liegenden Inselgruppen Ninigo und Luf.
      • Station Kieta an der Ostküste von Bougainville für die deutschen Salomo-Inseln Buka und Bougainville.

  2. Das Inselgebiet nördlich des Äquators.
    1. die Marschallinseln, zusammengesetzt in einem Stationsbezirk, Sitz der Station Jaluit.
    2. Station Nauru, geographisch den Marschallinseln noch zuzurechnen.
    3. Ost-Karolinen.
      • Bezirksamt Ponape, dazu die
      • Station Truk (Zentral-Karolinen, Truk-Atoll und Mortlockinseln.)
    4. West-Karolinen.
      • Bezirksamt Jap, mit den untergeordneten Stationen Korror für die Palauinseln und Saipan für die Marianen.

Fischerdorf bei Rabaul auf Neu-Pommern, Südsee.
[215]      Fischerdorf bei Rabaul auf Neu-Pommern, Südsee.
Die richterlichen Geschäfte erster Instanz wurden für das Inselgebiet, soweit solche nicht den Bezirksämtern und Stationen für kleine Fälle übertragen waren, von dem Bezirksrichter in Rabaul wahrgenommen. Für das gesamte Schutzgebiet bestand ein Obergericht in Rabaul.

Schon die oben dargelegte Zersplitterung der Inselwelt von größten Landgebieten bis zu kleinsten Eilanden weist auf eine Verschiedenheit der geologischen Bildung hin, und es braucht nicht besonders hervorgehoben zu werden, daß auch die Besiedelung nicht durch eine einheitliche Rasse oder Volksmenge erfolgt ist.

Die große Insel Neuguinea wird von einer gewaltigen zentralen Gebirgskette, von Südwest nach Nordost streichend, zuletzt West-Ost verlaufend, durchzogen. Dieses Landgebilde ist alten Ursprungs und weist dementsprechend auch eine Zusammensetzung von Quarziten, Schiefern, Graniten, Syeniten alter Bildung auf. Im deutschen Teile zeigte auch das Küstenrandgebirge von der Mündung des Wariaflusses bis zum Huongolf alten geologischen Aufbau. Die vom Huongolf bis zur holländischen Grenze dem Zentralgebirge vorgelagerten Teile sind jungen Ursprungs, meist quartärer Bildung. Die tiefe Senkung, die das Land von der Mündung des Markhamflusses im Huongolf bis zur Mündung des Sepik durchzieht, weist deutlich darauf hin, daß diese Vorlagerung in späterer Zeit entstanden sein muß. Diese Wahrnehmungen werden vor allem durch die eingehenden Untersuchungen von Professor Dr. B. Schultze, Jena, in seinen Berichten über den Verlauf der deutsch-holländischen Grenzexpedition im Jahre 1910 dargeboten. (Ergänzungsheft 11 der Mitteilungen aus den deutschen Schutzgebieten, Berlin 1914.) Die der großen Insel vorgelagerten melanesischen Inseln sind gleichfalls gebirgig und in tertiärer und quartärer Zeit durch vulkanische Kräfte und Be- [194] wegungen der Erdrinde emporgetrieben worden. Dieser Aufstieg ist nicht in einem bestimmten Zeitabschnitt vor sich gegangen. Es muß vielmehr angenommen werden, daß Aufstieg und Senkung wechselten, bis endlich die Inseln die heute vorhandene Gestaltung angenommen hatten. Die Untersuchungen von Prof. Dr. Sapper im mittleren und südlichen Neumecklenburg geben über diese Landwerdung ein anschauliches Bild (vgl. Mitteilungen aus den deutschen Schutzgebieten, Jahrgang 1910, Ergänzungsheft 3). Neben den vulkanischen Gewalten waren noch zahllose Lebewesen kleinster Ordnung an der Landbildung betätigt, die Korallentierchen. Überall da, wo durch unterirdische Bewegungen Land so hoch sich gehoben hatte, daß die Korallentierchen leben konnten, führten sie auf der festen Unterlage des Gesteines ihre wunderbaren Bauten auf. So sind die flachen korallinischen Inseln, namentlich die Atolle im Bismarck-Archipel und im Inselgebiet entstanden.

Auf Neu-Mecklenburg in der Südsee leben die Männer in eigenen
Häusern.
[197]      Auf Neu-Mecklenburg in der Südsee
leben die Männer in eigenen Häusern.


Auf den Südsee-Inseln, also auch auf 
Neu-Mecklenburg, tanzt man gern maskiert. [198]      Auf den Südsee-Inseln, also auch auf Neu-Mecklenburg,
tanzt man gern maskiert.
Die ursprüngliche Bevölkerung in den melanesischen Inseln scheidet sich in Melanesen und Papua. Unter den ersteren verstehen wir diejenigen Stämme, die sprachlich dem austro-indonesischen Sprachnetze beizuzählen sind. Kulturell sind sie überwiegend malaiisch beeinflußt. Es ist anzunehmen, daß die Melanesen in späterer Zeit über Niederländisch-Indien, vielleicht auch von den Philippinen her, zugewandert sind und die ursprünglichen Bewohner des Landes, die Papua, teilweise verdrängt haben. Die Papua weisen sprachlich nach Bau und Wortschatz keine Einheit auf. Wir können als Papua bis heute nur diejenigen Volksteile bezeichnen, die in Sprache und Kultur nicht melanesisch sind, wobei wir ihnen auch die spärlichsten Reste einer Bevölkerung kleinen Wuchses in Kaiser-Wilhelms-Land zurechnen. Mischungen zwischen beiden Volksteilen haben vielfältig, namentlich in Kaiser-Wilhelms-Land, stattgefunden. Die stattliche und zahlreiche Bevölkerung des Stromgebietes des Sepik ist, um ein Beispiel zu bieten, sprachlich papuanisch, kulturell dagegen stark malaiisch beeinflußt. Das Inselgebiet ist von einer hellfarbigen Bevölkerung bewohnt, die sprachlich, abgesehen von der Insel Jap, wiederum indonesisch-austrisch ist. Offensichtlich ist indessen das Volk durch Wanderungen und Eroberungen stark berührt worden. Die östlichen Teile weisen polynesische Beeinflussung auf, die westlichen asiatische, namentlich altjapanische.

Die asiatische Beeinflussung geht auch aus der Stammesverfassung hervor. Meist läßt sich eine Königsfamilie unterscheiden gegenüber der Adelskaste und dem gemeinen Volke. Das letztere hatte kein Recht am Grund und Boden. Der Adel befand sich im Besitz von Lehen, die durch die Königsfamilien verliehen wurden. Diese übten unbeschränkte Herrschaft über Leben und Tod aus und waren in ihrer Machtentfaltung wesentlich nur gebunden durch die Einflüsse der Priesterkaste, die indessen mit der Einführung des Christentumes ihre Bedeutung verloren hat. Die melanesischen Stämme bauen sich ebenso wie die mikronesischen nach dem Mutterrecht auf. Die innerhalb einer Sippe durch Blutsverwandtschaft, d. h. durch die Erinnerung der gemeinsamen Abstammung verbundenen Angehörigen sind zur Blutrache gegenseitig verpflichtet. In den mikronesischen Gebieten hat [195] die Sippe indessen bestimmende Herrschgewalt nicht ausgeübt. Unter den Melanesen gab es eine Zusammenfassung, namentlich auf Gebietsgrundlage beruhend, nicht. Das Sippenhaupt regelte, soweit es Anerkennung fand, innerhalb der Sippe eintretende Streitigkeiten und führte gegen die Nachbarstämme in den unerbittlichen, mit der Blutrache verbundenen Kämpfen an. Die papuanischen Stämme leben zum Teil nach Vaterrecht, zum Teil haben sie die melanesische Gliederung nach dem Mutterrecht übernommen. In ihrer ursprünglichen Kulturform sind die Papua den Melanesen unterlegen. Die Melanesen und Mikronesen kennen die Kauf-Ehe als feststehende Einrichtung. Der Papua verschafft sich seine Frau durch Raub, wobei freilich zuletzt die Entführung der Frau vielfach nur noch äußere Form darstellt, ohne daß es dann zu blutigen Kämpfen unter den Horden gekommen wäre, wie dies bei den Stämmen noch der Fall ist, die der Berührung mit den Melanesen wenig ausgesetzt waren.

Wirtschaftlich herrscht unter den Melanesen und Papua die Sippengemeinschaft. Grund und Boden sind Gemeinbesitz. Die Bebauung der für die Ernährung notwendigen Fläche wird gemeinsam durchgeführt, wobei Arbeitsleistung die Pflicht eines jeden ist. Soweit bei Melanesen und Papua von Religion gesprochen werden kann, darf man sagen, daß sie an die Wirksamkeit verschiedener Naturgewalten glauben und im übrigen animistischen Vorstellungen sich hingeben. Auch bei den Mikronesen war unter dem Volk überwiegend der Animismus herrschend. Daneben aber bestand die Verehrung gewaltiger Naturgottheiten: Sonne, Mond, Donner, Blitz wurden als solche verkörpert und verehrt. Auch hierin zeigen sich Spuren asiatischer Beeinflussung. Diese kurze Schilderung des Kulturstandes und des Seelenlebens dieser zur Zeit der Besitzergreifung zum Teil noch im Steinzeitalter lebenden Menschen ergibt von selbst die gewaltige Verschiedenheit gegenüber unserer eigenen Einstellung und läßt die Schwierigkeiten der Arbeit für die Gewinnung des Volkes auf jedem Gebiete ohne weiteres hervortreten. Missionsinspektor Christian Keyßer der Neuendettelsauer Missionsgesellschaft, der jahrelang unter den Kate nahe bei Finschhafen gewirkt hat, gibt einige treffende, auf unmittelbare Erfahrung beruhende Bilder aus diesem inneren Leben der Eingeborenen und ihrer Auffassung der nun auf sie einstürzenden neuen Eindrücke:

In welcher Kolonie es auch sei: jeder, der die Eingeborenen genau kennt, was allerdings ohne jahrelanges, eingehendes Studium, Kenntnis der Sprache, liebevolles Eingehen auf alle Sitten und Gebräuche - kurz, durch Zusammenleben mit den Farbigen bis zur Erreichung ihres Vertrauens nicht zu erreichen ist, spricht dasselbe Urteil aus: daß sie weit davon entfernt sind, törichte, primitive, lächerliche Wilde zu sein, über die der Europäer hoch erhaben ist. Sie haben ihre Eigenarten, wie wir, wie alle Menschen sie haben. Hüten wir uns aber, unsern Maßstab an andere Völker zu legen, die wir - nicht verstehen! In einer von Christian Keyßer herausgegebenen Sammlung "Nalumotte" - nalu ist in der Sprache der Papua: Mädchen, motte heißt: Knabe; nalumotte = Kinder - lesen wir folgenden anschaulichen Kinderbericht:

[196]       "Einmal war auf der Missionsstation ein hoher Gast. (Es war der oberste Beamte des Landes, Herr von Bennigsen.) Der hatte allerlei zu essen mitgebracht, das er der Missionarsfrau gab. Die Frau kochte es, und wir stellten es auf den Tisch. Alle aßen, auch der fremde Weiße. Das tun wir braunen Leute auch nicht. Wenn wir jemand etwas geben, essen wir selbst nichts davon. Mein Vater sagte früher: »Wenn man einem andern Speise reicht und selbst davon ißt, dann beißt man sich die Nase ab.«
      Dagegen muß man von allem essen, was einem vorgesetzt wird. Nur wenn einem etwas zu essen verboten ist, oder wenn man nach dem Tode eines Verwandten ein Gelübde getan hat, dann darf man bestimmte Speisen zurückweisen. Dieses Gelübde gibt es jetzt aber nicht mehr; darum essen wir alles, was uns gereicht wird. Das Zurückweisen einer Speise galt früher als Beleidigung und machte die Leute mißtrauisch. Sie fragten sich: »Warum ißt der Mann nicht, was wir ihm geben? Es führt gewiß Böses im Schilde und will uns verzaubern.«
      Wenn zu Euch Weißen ein Fremder kommt, dann klopft er an die Tür. Wir Braunen klopfen nicht, sondern wir husten. Aber das verstehen die meisten Weißen nicht. Sie meinen immer, wir sollen es so machen, wie sie es gewohnt sind. Geht man ins Haus hinein, dann setzt man sich bei uns ruhig nieder und wartet eine Weile, bis man mit dem Reden beginnt. Die Weißen aber kommen sofort roh und rücksichtslos mit der Frage: »Was willst du?« Ach, man muß sich doch erst besinnen, in welcher Weise man am besten seine Sache vorbringen soll! Wenn man so rasch mit den Worten herausfährt, wird man dann nicht Ungeschicktheiten begehen? Wird man nicht Unsinn schwätzen?
      Einmal gingen etliche Papuamänner an der Missionsstation vorüber. Sie begaben sich zu einem Fest in einem Nachbardorf. Da sie es eilig hatten und rasch vorwärtsschritten, glitt einer aus und fiel zu Boden. Ich sah, wie ein Weißer lachte! Welch eine Roheit! Die Männer sahen das Lachen auch. Der Gefallene stand in großem Zorn auf, schlug den Boden wütend mit seinem Beil und rief: »Elender Boden, was hast du mich hinzuwerfen, damit Fremde mich auslachen und über mich spotten können? Schäm' dich mitsamt deinen Besitzern!« Der Weiße war ein junger Missionar, der noch nicht wußte, was sich gehörte. Wenn jemand fällt, muß man ihn bedauern und sprechen: »Ach, Freund, warum mußte dir das passieren?« Dann weicht der Unwille des Betroffenen.
      Wie oft habe ich Weiße gesehen, die beim Lachen den Mund so weit aufrissen, daß man alle Zähne sehen konnte! Bei uns Papua gilt das auch als unanständig. Man hält beim Lachen die Hand vor den Mund. Mein Vater hat mir erzählt: »Vor langer Zeit kamen einmal drei Weiße in unser Dorf. Sie blieben nicht stehen und warteten nicht auf unsre Einladung, herzukommen und sich niederzusetzen. Wie wenn sie die Herren des Dorfes wären, liefen sie überall herum, guckten in alle Hütten hinein, nahmen alles in die Hand, gafften jeden von uns an und lachten, als sie merkten, daß wir uns vor ihrer Roheit entsetzten. Sie redeten auch mit uns; aber wir verstanden von ihrer Sprache kein Wort. Als sie auf eine Kokospalme hinaufdeuteten, merkten wir, daß sie Nüsse wollten. Ein junger Mann mußte schnell hinaufklettern und etliche herunterwerfen, um die Frechen zufriedenzustellen. Sie öffneten die Nüsse, tranken das Wasser und gingen unter lautem Reden und Lachen hinweg. Von da an nannten wir die Weißen Bombong; in eurer Sprache heißt das: die Wilden. Später lernten wir sie genauer kennen und merkten, daß es sehr verschiedene Arten von Weißen gibt: Gute, Böse und ganz Schlechte.«"

Die Zauberei umfaßt das ganze Leben der Papua, umfaßt die ganze Welt mit allen ihren Kräften und Begebenheiten. Der Zauberer steht im Bunde mit den Geistern und mit den Toten. Durch Zauberspruch und mancherlei Hilfsmittel vermag er sie in seinen Dienst zu stellen.

Ein Zauberer kann alles. Er läßt Glück und Unglück kommen, ruft Sonne und Regen, bewirkt Feldsegen und Mißwachs, verfügt über Leben und Tod. [197-198=Fotos] [199] Erfolglosigkeit seiner Bemühungen beweist stets nur das Vorhandensein eines mächtigen Gegenzaubers.

Ein starker Unterschied besteht zwischen dem Zauber im Bereich des gewöhnlichen Alltagslebens und der Zauberei, die das Leben der Menschheit mit Krankheit und Tod bedroht. Die erste Art wird nicht besonders schwer genommen, die zweite dagegen ist die Ursache beständiger Angst, bitterster Feindschaft und blutiger Kämpfe.

Daß mit der Zauberei allerlei plumper Schwindel verbunden ist, kann nicht wundernehmen.

Um zu entscheiden, ob eine Krankheit durch Geister oder Zauberei verursacht ist, läßt sich der Zauberer eine Knollenfrucht reichen, murmelt einige Geisternamen, schwingt die Frucht etlichemal um den Kopf des Kranken und beißt sie entzwei. Findet er ein kleines Steinchen darin, so kommt die Krankheit von einem Geist, wird jedoch ein kleines zusammengewickeltes Blatt gefunden, so hält ein Zauberer die Seele des Kranken in seinem finsteren Bann.

Für die Waffenweihe zur Jagd oder zu einem Kriegszug, oder auch für andere Zwecke werden eine Menge Zaubersprüche benutzt. Als ich einmal mit den Stationsjungen arbeitete und über Kopfweh seufzte, wollte mir einer der wohlmeinenden Burschen zu Hilfe kommen und beschwor die Sonne, ihre Strahlen zu dämpfen und überhaupt schleunigst zu verschwinden. Das wäre uns allen erwünscht gewesen. Er hob also ein Steinchen vom Boden und flüsterte seinen Spruch:

    Gleite, o Sonne, gleite schnell hinab!
    Gleite hinab in des Meeres Grab!
    Gleite, wie die Schiffe zu gleiten pflegen!
    Gleite wie die Schlangen auf glatten Wegen!
    Wie der Saft des Strauches gleitend macht,
    So gleite hinab in deiner Pracht!

Dann warf er das Steinchen gegen die Sonne. Das Gestirn aber fragte keinen Pfifferling nach dem Beschwörer und seinem Spruch, so daß selbst die Heidenjungen schließlich spotteten: "Freund, dein Spruch taugt nichts, hast du keinen besseren?"

Derartige Zaubersprüche sind harmlos. Furchtbar dagegen ist der Todeszauber. Er übt eine unbeschreibliche Herrschaft über die Gemüter aller Bewohner Neuguineas aus. Er vergällt den Menschen das Leben, vergiftet das Verhältnis der Stämme zueinander, macht Frieden und Freundschaft unmöglich.

Zauberei gilt allgemein als die schlimmste Gemeinheit, als das schändlichste Verbrechen. Und doch gebraucht man überall die Zauberei und ruft den Zauberer zu Hilfe, angeblich, um sich von feindlichen Zaubereien zu befreien.

Die Zauberei ruht auf der sonderbaren Anschauung von der menschlichen Seele. Der Mensch besitzt nach Meinung der Papua nicht eine, sondern zwei Seelen. Die eine befindet sich wohlverwahrt im Innern des Körpers, die andere dagegen sitzt in allen Teilen des Körpers, also auch in der Haut und in den [200] Haaren. Es ist darum leicht, in Haut und Haaren ein Teilchen von ihr einzufangen. Dieses Teilchen kann man durch Zauberei töten, und dann stirbt die ganze Außenseele. Die Folge ist der Tod des Leibes, und damit wird die Innenseele zum Verlassen des Leibes gezwungen. Diese wandert dann ruhelos umher und geht schließlich ein ins Totenreich.

Um den Tod eines Menschen herbeizuführen, sucht der Zauberer zuerst irgend etwas in die Hand zu bekommen, das die Seele jenes Menschen enthält: ein Härchen, ein Speiserest von ihm oder einen Zigarrenstummel. Dieser Seelenträger wird dann sorgfältig mit bestimmten Blättern umhüllt und mit Bast vom Geisterplatz verschnürt.

Das Päckchen wird zum Geisterplatz gebracht, und beim Betreten dieses Platzes beschwört der Zauberer die unheimlichen Wesen mit den Worten: "Ihr Geister, ich vollbringe euer Werk, tut mir kein Leid."

Ein beißender Saft wird über das Päckchen gegossen; er soll die Seele in dem Päckchen quälen, und eingesteckte Dornen sollen dem Körper Schmerzen bereiten. Täglich begibt sich der Zauberer in seine weit entlegene Zauberhütte, und bei der immer aufs neue entfachten Glut seines Feuers murmelt er die Worte: "Krokodil und Wakang-Eidechse, hört! Kommt herzu und stört diesem Mann die Seelenruhe! Schafft ihn hin zu jenem finstern Ort! Drückt ihn nieder, daß nie wieder Freude seine Seele fülle! Schafft, daß das Grauen ihn erfasse und nicht lasse, Taubheit seine Ohren stopfe, Angst in seinem Herzen klopfe und Verwirrung ihn umhülle." Dabei wird das Seelenpäckchen mit der Hand geschlagen und gedrückt in der Meinung, daß der zugehörige Körper dasselbe erleide, krank werde und sterben müsse.

Um die Wirkung zu verstärken, ahmt der Hexenmeister den Sterbenden nach, während sein Handlanger den Krankenpfleger darstellt. Der Zauberer legt sich also auf den Boden, windet sich wie vom Schmerz gepeinigt, stöhnt, jammert und ruft um Hilfe. Schließlich zuckt er wie im Todeskampf, röchelt und bleibt schließlich starr und steif wie ein Toter liegen. Nach einer Weile erhebt er sich und verläßt seine Zauberhütte, um am nächsten Tag seine Arbeit von neuem zu beginnen.

Die Zauberarbeit währt oft wochen-, ja monatelang, so lange, bis sich Wirkung zeigt, bis der Mensch vielleicht doch krank wird. Damit er auch wirklich stirbt, muß der Zauberer alle Kraft aufbieten. Wird der Verzauberte trotzdem nicht krank, dann muß er - es kann nicht anders sein - einen mächtigeren Zauber besitzen, der ihn schützt.

Tritt unter einem heidnischen Stamm das Christentum auf, so pflegt man bald von den Eingeborenen die Behauptung zu hören, seit Christen da seien, wirke die Zauberei nicht mehr wie früher. Vielleicht ist das einfach zu erklären. Die Wahrheit des Christentums bekämpft die alten Lügen und weckt Zweifel an der heidnischen Überlieferung.

[201] Die Neu-Guinea-Compagnie befand sich mit der Übernahme der Landeshoheit und der Verwaltung der melanesischen Gebietsteile in keiner leichten Lage. Die wenigen Anfänge in Missionswerk und Wirtschaft, die zur Zeit der Flaggenhissung im Bismarck-Archipel vorhanden waren, sind schon kurz berührt worden. Kaiser-Wilhelms-Land und die Salomoninseln waren völlig unberührte Gebiete. Es bestand weder eine Kenntnis des Landes noch seines Aufbaues, noch der Eingeborenen, noch waren Straßen oder Wege für einen Zugang in das Innere vorhanden. Alle und jede Voraussetzung für eine Beeinflussung der Eingeborenen und eine Nutzbarmachung der gewaltigen Flächen Landes mußten erst geschaffen werden. Hier setzte zunächst eine wissenschaftliche Erkundung ein, die in den Jahren 1886 bis 1890 die ersten Voraussetzungen für eine Einflußnahme schuf. Es kam in dieser Zeit auch zur zweimaligen Befahrung des Kaiserin-Augusta-Stromes (Sepik), ohne daß indessen die
Hochwasser des Töpferflusses in Neuguinea.
[197]      Hochwasser des Töpferflusses in Neuguinea.
Aufschließung dieser gewaltigen Wasserstraße in das Innere die Möglichkeit einer nutzbaren Festsetzung gebracht hätte; denn das Ergebnis war schließlich, daß die unmittelbar dem Stromgebiet angrenzenden Landschaften für eine Bewirtschaftung in europäischem Sinne nicht brauchbar waren, weil sie stetigen gewaltigen Überschwemmungen ausgesetzt waren. Das Küstengebiet wies, abgesehen von den bescheidenen Kokospalmenbeständen der Eingeborenen und reichem Nutzholz in den ungeheuren Waldungen, einem sofortigen Zugriff offenstehende Werte nicht auf. Es blieb nur übrig, durch Errichtung von Stationen und Anlagen von Versuchspflanzungen die Voraussetzungen für spätere Bebauung zu schaffen und zugleich damit in nahe Berührung mit den Eingeborenen zu kommen und sie für Arbeitsleistungen zu erziehen. Das gleiche läßt sich auch für die melanesischen Inseln sagen, wobei auch noch darauf hingewiesen werden muß, daß die vorhandenen bescheidenen Ansätze unter steten Angriffen und Überfällen der Eingeborenen zu leiden hatten. Erst nach zehn Jahren unermüdlicher tastender Arbeit konnte auf der nördlichen Gazellehalbinsel und in der Neulauenburg-Gruppe ein den Verhältnissen Rechnung tragendes Regiment unter den Eingeborenen selbst aufgerichtet werden, das sich schließlich dahin auswirkte, daß wachsend eine Befriedung dieser Landschaften eintrat und, von da ausstrahlend, das einmal gesetzte Beispiel, getragen von den im Laufe der Jahre errichteten Stationen, auch in den übrigen Gebietsteilen Aufnahme fand. Erst mit der eintretenden Befriedung der Eingeborenen und der damit verbundenen Gewöhnung an geregelte Arbeit im Dienste des Europäers konnte nun der Handel sich ausbreiten und die Kultivierung großer Landflächen mit Nutzgewächsen in Angriff genommen werden. Der im Jahre 1906 in Rabaul errichtete Botanische Garten unterstützt dieses Werk bei Eingeborenen und Europäern dadurch, daß tropische Nutzgewächse des Landes sowohl als auch der benachbarten Kolonien gezogen und Saatgut in wachsendem Umfange dauernd verteilt werden konnten. Das Stapelgut der Kolonie bildet die Kopra, d. h. der getrocknete Kern der Kokosnüsse. Der Anbau dieser Palme ergab sich von selbst daraus, daß sie im Lande heimisch war. Um den Gefahren einer Einzelkultur zu begegnen, warf sich die Euro- [202] päerwirtschaft indessen auch auf den Anbau von Kaffee, Kakao, Sisal und Kautschuk. Zu Anfang des Jahres 1914 waren unter europäischer Wirtschaftsleitung insgesamt vorhanden:

    Kokospalmen 31 098 Hektar
          davon tragend       9 519 Hektar
    Kautschuk 2 254 Hektar
    Kakao 384 Hektar
    Sisalhanf 65 Hektar
    Kaffee 73 Hektar

Mit der Befriedung der Eingeborenen wurde es auch möglich, sie für einen eigenen geregelten Anbau von Nutzgewächsen zu gewinnen. Ausschlaggebend blieb auch hier die Kokospalme. Die aus dem Handel mit den melanesischen Völkern gewonnene Kopramenge betrug im Jahre 1896 rund 1500 Tonnen, die zur Ausfuhr gelangten. Von den im Jahre 1913 ausgeführten 14 526 Tonnen Kopra mit einem Werte von 6 173 000 Mark entstammten dem Handel mit den Eingeborenen etwa 5000 Tonnen. Dabei muß darauf hingewiesen werden, daß die Kokospalme bis zu ihrer Reife 12 bis 15 Jahre braucht, mithin die von den Eingeborenen seit ihrer zunehmenden Befriedung seit 1897 ausgebrachten Palmenbestände erst zu einem geringen Teile ertragfähig waren.

Die mikronesische Bevölkerung überwog kulturell, wie die kurze Skizzierung ihrer politischen Einrichtungen darbietet, weitaus die melanesische und papuanische. Es war infolgedessen für den europäischen Handel von Anbeginn an eine bessere Grundlage gegeben. Die Stämme waren zugänglich und aufnahmefähig. Die reichen Bestände der Inseln an Kokospalmen boten den Gegenwert für die eingeführten Handelsgüter dar. Auch nach der gesundheitlichen Seite ist die Inselwelt insofern im Vorteil, als die Malaria dort nicht vorkommt. Die an sich beschränkte Bodenfläche erlaubte indessen im mikronesischen Gebietsteile die Aufnahme einer Pflanzungswirtschaft nicht. Zudem wirkten sich nachteilig für den Wuchs und damit für jede, namentlich aber für eine europäische Pflanzungswirtschaft das Auftreten der Wirbelstürme aus, die immer wieder die Inseln mit gewaltigen Verheerungen überzogen. Mit der Auffindung von Phosphatvorkommen auf den Inseln Nauru und Angaur (Palau-Gruppe) wuchs die wirtschaftliche Bedeutung des mikronesischen Gebietes bedeutend. Die reichen Vorkommen sicherten für Jahrzehnte eine geregelte Ausbeute, aber auch erfreuliche Einnahmen für den öffentliche Haushalt wie für die Eingeborenen, die in diesen Betrieben beschäftigt waren. Der Gesamtaußenhandel des Schutzgebietes hat im Jahre 1896 nur wenige hunderttausend Mark betragen. Im Jahre 1913 war der Wert von 20 Millionen Mark überstiegen worden.

Jede wirtschaftliche Entwicklung setzt geregelten Verkehr für die Beförderung von Menschen und Gütern voraus. Die Marschallinseln waren durch die Schiffe der Jaluit-Gesellschaft mit Sydney verbunden. Für Neuguinea unterhielt die Neu-Guinea-Compagnie von 1886 bis 1892 eine geregelte Dampferverbindung nach [203] Cooktown in Queensland. Von diesem Jahre ab stellte der Norddeutsche Lloyd im Anschluß an seine ostasiatische große Linie eine Verbindung mit Singapore her, die in achtwöchentlichem Verkehr die Verbindung mit der Außenwelt sicherte. Vom Jahre 1895 ab erfreute sich diese Seitenlinie eines besonderen Zuschusses des Reiches. Mit dem Anwachsen des Verkehrs wurde diese Verbindung bis nach Sydney ausgebaut, so daß das alte Schutzgebiet Anschluß sowohl nach Australien als auch nach Niederländisch-Indien und Hinterindien fand. Vom Jahre 1905 ab stellte der Norddeutsche Lloyd auch eine Verbindung mit China und Japan her, die für die Zufuhren von Waren und den Reiseverkehr besonders wichtig wurde. Im Jahre 1903 übernahm es der Norddeutsche Lloyd, die Bucht von Rabaul (Simpsonhafen) auf der nördlichen Gazellehalbinsel zu einem großen Verkehrs- und Umschlaghafen auszubauen. Es wurde eine mächtige Landungsbrücke angelegt und die erforderlichen Lagerräume und Häuser für die Angestellten erbaut. Nach Fertigstellung dieser Anlagen im Jahre 1905 wurde auch ein geregelter Küstenverkehr durch Schlepper und einen kleinen Dampfer eingeführt, so daß für die wirtschaftlichen Unternehmungen des Schutzgebietes die schwere Last der eigenen Schiffahrt abgebürdet wurde und überdies durch die Sicherung geregelter Zufuhr und des Absatzes für die Erzeugnisse ein mächtiger Anreiz zu einem weiteren Ausgreifen geboten wurde. Das Inselgebiet war durch die asiatische Linie des Norddeutschen Lloyd, hergestellt zwischen Sydney - Hongkong - Yokohama, über Rabaul an das Verkehrsnetz angeschlossen, während zugleich, auslaufend von Sydney, eine subventionierte Dampferlinie der Jaluit-Gesellschaft die Inseln untereinander und auch mit Hongkong in Verkehrsbeziehung brachte. Die Deutsch-Niederländische Telegraphengesellschaft hatte als Stützpunkt für ihre im Jahre 1906 ausgelegten Kabelleitungen die Insel Jap in den Westkarolinen erwählt. Von dort lief eine Linie nach Guam und fand damit Anschluß an das amerikanische Kabel, eine zweite nach Menado in Celebes zur Verbindung mit dem Netz von Niederländisch-Indien und eine dritte nach Schanghai mit dem Anschluß an die dort mündenden großen Seekabel und Telegraphenlinien. Im Jahre 1912 war auch auf der Insel Jap eine große Funkanlage entstanden, die ihren Ausbau durch die Errichtung großer Stationen auf der Insel Nauru und in Rabaul erfahren sollte. Der Kriegsausbruch hat die Vollendung dieses Werkes verhindert.

Diese kurz und gedrängt dargestellte kulturelle und wirtschaftliche Beeinflussung des Landes wäre in der kurzen Spanne Zeit gewiß nicht möglich gewesen, wenn nicht auch von seiten der Missionen eine Befriedung und Höherhebung der Eingeborenen in weitem Umfange stattgefunden hätte. Die im Lande tätigen Missionsgesellschaften haben schwere Opfer an Gut und Leben der Kolonie dargebracht. Aber die einmal ausgestreute Saat ist erhalten geblieben. Es darf für Kaiser-Wilhelms-Land nur auf die räumlich gewaltige Ausdehnung hingewiesen werden, die das Werk der Steyler Mission und der Neuendettelsauer Mission inzwischen genommen hat.

Eingeborenen-Gruppe auf Neuguinea.
[215]      Eingeborenen-Gruppe auf Neuguinea.
Die Entwicklung des Landes hat auch dadurch gelitten, daß die Inseln nur [204] spärlich bevölkert sind. Zählungen und Schätzungen ergaben für die Inseln nördlich des Äquators etwa 50 000 Eingeborene. Die Mandatsberichte lassen ersehen, daß eine Zunahme bisher nicht stattgefunden hat. Die melanesische und papuanische Bevölkerung der Küste und des erreichbaren Inlandes wurde nach Zählung und Schätzung zwischen 450 000 und 550 000 angenommen. Die Ergebnisse der Volkszählung der australischen Mandatsverwaltung lassen erkennen, daß diese Schätzungen richtig waren, wenn nicht etwa noch tief im Hochgebirge früher nicht bekannte Völkerschaften eingerechnet werden müßten.

Durch die Auswirkung des Versailler Vertrages wurde das Schutzgebiet Deutsch-Neuguinea in drei Teile gerissen. Die Inseln nördlich des Äquators kamen unter die Mandatsverwaltung Japans, Neuguinea und die melanesischen Inseln unter die Australiens, die Insel Nauru wurde einem gemeinsamen Mandat Englands und seiner Dominien Neuseeland und Australien unterstellt. Diese Dreiteilung beruht auf dem Bestreben, jedem einen Teil der reichen und wichtigen Phosphatvorkommen zu sichern.

Abschließend darf noch kurz darauf hingewiesen werden, daß Deutschland in 30 Jahren zur Zeit der Besitzergreifung unbekannte und unzugängliche Landteile erforscht und entwickelt hat und die Bevölkerung, die überwiegend noch im Steinzeitalter unter primitivsten Kulturformen sich bewegte, einer Gesundung und Höherhebung entgegenführte. Zur Zeit des Kriegsausbruches fing die Kolonie eben an, durch wirtschaftliche Werte, namentlich die Darbietung reicher Rohstoffe, die aufgewendete Mühe und Arbeit zu lohnen. Die zur Begründung der Wegnahme der Kolonien von den Siegermächten beliebte Darstellung, daß Deutschland es nicht verstanden habe, seine Kolonien zu erschließen, findet mit der geschilderten Entwicklung der Inselwelt und Neuguineas von selbst ihre Widerlegung. Ein zukunftsreiches Land ist unserem Volke unter falschen und erfundenen Vorwänden entrissen worden.



Naturkundliches von Neuguinea
(Nach Berichten von Professor Neuhaus und anderen Forschungsreisenden.)

Der geologische Aufbau

Neuguinea selbst ist von ganz besonderem geologisch-tektonischem Aufbau; in ihm sind die außergewöhnlichen Schwierigkeiten begründet, die sich der Erforschung der Insel entgegensetzen. Sehr hohe und steile Gebirgszüge, die durch zerklüftete Schluchten voneinander getrennt sind, viel Sumpf und endloser dichter Urwald, dazu Gestrüpp mit ungemein spitzen und langen Dornen - die ihren Anteil an dem Untergange der Ehlers-Expedition hatten - und mannshohes messerscharfes Gras hindern die Reisenden. Es sind übrigens in den letzten Jahren Besteigungen und Übergänge im alpinen Sinn mit guten Resultaten aus- [205] geführt worden, so daß die Kenntnis des Gebirges allmählich etwas umfassender wird. Es scheint, als ob die technischen Schwierigkeiten nicht allzu große sind - aber die örtlichen Verhältnisse, die Verpflegungssorgen, die Unzuverlässigkeit und die Unvertrautheit der Eingeborenen mit dem Hochgebirge und seinen Wettereigenheiten -, Hagel und in den höchsten Regionen auch Schnee sind auch heute noch wohl nur mit vieler Mühe zu überwinden. Auf dem holländischen Gebiet erreichen die Gipfel 4600 m und mehr - die Schneegrenze liegt in dieser Zone; auf dem früher deutschen Gebiet sind die Berge etwas niedriger, so daß in den Morgenstunden dort oben Schnee zu sehen ist, der dann in der Sonne schmilzt. Die Berge bestehen übrigens nicht, wie man annahm, nur aus Urgestein, sondern die oberen Schichten werden aus Ton und tertiärem Kalk gebildet, der dem Urgestein aufgelagert ist. Die Gebirge Neuguineas sind etwa um die gleiche Zeit entstanden, in der sich unsere Alpen gebildet haben. An verschiedenen Stellen, z. B. am Huongolf, der Grenze zwischen dem englischen und dem deutschen Gebiet, tritt das Urgestein bis ans Meer heran und bildet Buchten von großer landschaftlicher Schönheit, die an norwegische Fjorde erinnern. Erdbeben sind in den Südgegenden überaus häufig - der Boden ist, wie der Arzt Prof. Neuhaus meint, "stellenweise der reine Wackeltopf".

      "Wo", sagt der Gelehrte zur Erklärung der Beben, "tätige Vulkane vorhanden sind, wie auf mehreren Inseln an der Nordküste von Kaiser-Wilhelms-Land, wird man die Erschütterung auf Dampfspannungen und das Toben der feurig-flüssigen Masse zurückführen. Auf Neuguinea gibt es aber keine tätigen Vulkane mehr; man erklärt dort die Erdbeben als tektonische, verursacht durch Zusammenziehen der Erdrinde. In dem Kalk- und Kreidegebirge des Sattelberges bei Finschhafen, wo sich ebenfalls ein Erdbebenzentrum befindet, dürften auch Nachstürze in unterirdischen, vom Wasser ausgewaschenen Höhlen nicht selten Erschütterungen verursachen."

Die Beben beginnen in der Regel mit pendelartigen Bewegungen, die allmählich stärker werden und in drehende und schüttelnde Bewegungen übergehen; auch kommen Stöße von unten nach oben vor. Obgleich das Ganze zumeist nur wenige Sekunden dauert, so genügt das doch, um die schlimmsten Verheerungen anzurichten. Steinbauten sind daher in Neuguinea unmöglich, und in besonders gefährdeten Gegenden halten sogar gut gefügte Holzbauten nicht immer stand, sondern werden wie 1906 bei dem entsetzlichen Beben auf dem Sattelberge, über den Haufen geworfen. Damals lösten sich riesige Massen von den Bergen ab und stürzten, ganze Wälder und Dörfer begrabend, in die Tiefe. Die starken Beben sind häufig mit Flutwellen verbunden, die an den Küsten Verwüstungen anrichten und Ortschaften wegspülen. Nach unseren bisherigen Kenntnissen können wir einen Zusammenhang zwischen Wetter und Erdbeben nicht nachweisen (Neuhaus).

"Immerhin bleibt es auffallend", fährt Neuhaus fort, "daß in der Finschhafener Gegend die Frühjahrsbeben zur Zeit des Windwechsels von den Eingeborenen am meisten gefürchtet werden."

Wie wenig der Boden Neuguineas bis heute zur Ruhe gekommen ist, beschreibt Neuhaus sehr anschaulich:

[206]      "Wie wenig der Boden von Neuguinea zur Ruhe gekommen ist, beweist die wunderbare Terrassenbildung bei Kap König Wilhelm. Dort steigt der aus Korallenfels bestehende Boden bis zur Höhe von mehr als 1000 m in Terrassen an, wobei die einzelnen Absätze durchschnittlich 3 - 10 m übereinander liegen. Korallen wachsen bekanntlich nur unter dem Wasserspiegel bis zur Tiefe von ungefähr 40 - 50 m. Jene Terrassenbildung kann also nur durch eine im Laufe der Jahrtausende sich immer wiederholende ruckweise Hebung des Landes entstanden sein. Während langer Jahre hatte sich eine derbe Korallenbank unter dem Wasser gebildet. Da gab es plötzlich einen gewaltigen Ruck, und das ganze Küstengebiet schnellte 3 - 10 m in die Höhe, so daß die Korallen auf dem Trockenen lagen und abstarben. Langsam bildete sich im Wasser neuer Nachwuchs, und als im Laufe langer Jahre wiederum eine solche Korallenbank entstanden war, wurde die Küste abermals um mehrere Meter gehoben. So wiederholte sich das Spiel unzählige Male..."

Das Eindringen in das Innere wird durch die Seltenheit schiffbarer Ströme erschwert; zahllose Wasserläufe kommen allerdings als Bäche und sturzreiche Flüßchen vom Gebirge herunter, aber sie sind für Boote unpassierbar. Vier größere Ströme sind vorhanden: der Waria (Herkulesfluß) in der Nähe der englischen Grenze, der Markham, der am Huongolf mündet, der Ramu und der Augusta-Fluß. Von diesen ist der Waria nur im Unterlauf befahrbar; der Markham ist so reißend, daß man gegen den Strom die Boote ziehen muß, während die Fahrt zu Tal so schnell geht, daß ständig die Gefahr besteht, mit treibenden Baumstämmen oder anderen Hindernissen zusammenzustoßen. Der Ramu kann mit ganz flachgehenden kleinen Dampfern befahren werden. Nur der Augusta-Fluß ist für Dampfer von 3 - 4 m Tiefgang etwa 400 km stromauf (Luftlinie 180 km) zu befahren - aber die Ufer sind sumpfig, stehen zum größten Teil während der Regenzeit unter Wasser und bilden also ebenfalls nur Hindernisse für das Eindringen in das Innere der geheimnisvollen Insel. In einzelnen Flüssen, vor allem im Waria, ist goldhaltiger Sand gefunden und, soweit es ohne große Hilfsmittel möglich war, auch ausgebeutet worden.

Die Küstengestaltung im Kaiser-Wilhelms-Land ist vom wirtschaftlichen Standpunkt aus nicht übermäßig günstig - es gibt auf 1500 km Entfernung nur drei brauchbare Häfen. Angriffshafen an der holländischen Grenze, dann der beste der drei: der ausgezeichnete Friedrich-Wilhelms-Hafen und Finschhafen, der aber gegen Nordwinde nicht geschützt und für größere Schiffe nicht tief genug ist. Sonst sind die mit "Hafen" bezeichneten Stellen nur offene Reeden, vor denen, ähnlich wie in Westafrika, zur Zeit der Nordwestmonsune eine mächtige, für die Landungsboote oft verderbliche Brandung steht. Außerdem sind manche "Häfen" infolge von Korallenriffen unzugänglich oder fallen schnell in solche Wassertiefen ab, daß kein Anker mehr faßt, oder besitzen nur wildes Gebirge als Hinterland - das ist alles sicher sehr ungünstig.


Das Klima

Die Regenzeit dauert an der Nordküste Neuguineas während unserer Winter-, an der Südküste während unserer Sommermonate an. Nur sind in Neuguinea Regen- und Trockenzeiten nicht so deutlich voneinander unterschieden wie in den [207] Äquatorialgebieten Afrikas. In der Regenzeit schieben sich ganz trockene Wochen ein, und in der Trockenzeit regnet es häufig, besonders nachts sehr heftig. Im Inland, in den Urwaldgebirgen, gibt es eigentlich überhaupt keine Trockenzeit, sondern es regnet eigentlich das ganze Jahr hindurch ziemlich gleichmäßig - etwa wie im Süden Irlands, wo ein regenloser Tag zu den Seltenheiten gehört. Auf jeden Fall gehörte unsere Kolonie zu den regenreichsten Gebieten der Erde. Das Tagesmaximum für Finschhafen erreichte im Oktober 1906 499 mm, in Deinzerhöhe am Huongolf 545 mm - das ist die Jahresmenge für Berlin.

Die Temperaturen halten sich an der Küste in sehr erträglichen Grenzen; vormittags bringt die Seebrise Abkühlung, ebenso ist die Nachtbrise erfrischend. Für Europäer bietet höchstens die Feuchtigkeit der Luft einige Schwierigkeiten für die leichte Gewöhnung an das Klima - es ist Treibhausluft, hier wie in Kamerun. Im Innern des Landes, hauptsächlich in den Urwäldern, steigt allerdings der Feuchtigkeitsgehalt der Luft bis auf 90% und mehr, so daß "die durch Verdunstung herbeigeführte Abkühlung zur tropfenförmigen Ausscheidung von Wasser genügt". Im allgemeinen schwankt die Temperatur zwischen 22°C als Minimum in der Nacht und 31°C zur Zeit der Sonnenhöhe. Bei bedecktem Himmel - also sehr oft - bleibt die Wärme auch in der Trockenzeit auf etwa 26°C. Auch hier wieder machen wir die Erfahrung, daß die tatsächlichen Hitzegrade keineswegs höher sind als in Mitteleuropa während der Sommermonate.


Die Pflanzenwelt

Der Pflanzenwuchs Neuguineas wird durch die Feuchtigkeit bestimmt: Der Urwald ist infolgedessen hier noch zu phantastischeren Ausmaßen gesteigert als in Kamerun.

      "Von dem majestätischen Hochwald kann sich kaum eine Vorstellung machen, wer ihn nicht gesehen hat", sagt Neuhaus, "es ist ein Kampf ums Dasein, wie er rücksichtsloser nirgends geführt wird. Alles strebt nach oben zur Sonne, und was das rettende Licht nicht erreicht, muß vermodern. Ein starker Baum nimmt dem Unterholze das Licht fort und scheint sich siegreich zu behaupten. Da aber kriecht eine Liane am Stamm empor, klimmt bis zur Krone, sendet Luftwurzeln nach unten, lockt neue Schößlinge hinauf, und schließlich ist der neue Stamm der Besiegte; auf die Dauer kann er die enge Umklammerung nicht ertragen, stirbt ab, und nach seinem Falle müssen auch seine Blutsauger am Boden vermodern. In den höheren Waldregionen, wo alles von Feuchtigkeit trieft, sind Stämme und Schlingpflanzen von dichter Mooshülle überwuchert. Wegen der starken Beschattung bleibt das Unterholz in der Entwicklung zurück, doch glaube man nicht, daß der Wanderer deswegen im papuanischen Urwald gut weiterkommt, denn allerwärts hängen stachelbesetzte Ranken, oder einige Wurzeln und Bambusen sperren den Weg, oder die gestürzten und vermoderten Baumriesen machen unausgesetzte Kletterei notwendig."

[208] Ein für Neuguinea charakteristischer und auffallener Baum ist eine Araukarie, die nach dem Forschungsreisenden Hunstein (dessen Namen auch ein Gipfel des Zentralgebirges trägt) genannt wird. Sie überragt mit ihrem glatten Stamm von riesenhafter Höhe den anderen Urwald und bildet infolge ihrer großen Anzahl einen Wald für sich. Ein unheimliches Pflanzenwesen, ein richtiger Baumdämon aber ist der "Baumwürger", der das Halbdunkel des Waldes noch gespenstischer zu machen scheint: er schleicht gleichsam heran und erdrosselt seine Opfer, indem er Luftwurzeln in Menge herabsendet und sich also bald Stämmchen an Stämmchen reiht, so daß der Würger genügend Halt hat, wenn der Baum abstirbt, an dem er sich festgesetzt hatte, und er nun, stürzt der Stamm, nicht mit zu Boden muß, sondern triumphierend auf seinen Stützen ruht und am Licht bleibt. Ein bösartiger und gerissener Geselle - und ist doch "nur eine Pflanze"... In den Tropen kommen so manche scheinbar festgefügte Begriffe ins Schwanken.

Mangrovenurwald auf den Südseeinseln.
[216]      Mangrovenurwald auf den Südseeinseln.
Eine Lebens- und Nahrungsspenderin ist dagegen die Sagopalme, die im Süßwassersumpf wächst; ihr Mark dient den Eingeborenen als Hauptspeise - auch in unseren Küchen ist Sago beliebt -, ihre Blätter liefern vorzügliches Dachdeckungsmaterial für die Papuahütten. Die Mangrove kennen wir schon, sie fehlt auch hier als Brutstätte der Malariamücke nicht in den Salzwassersümpfen. Die Zahl der Palmenarten ist groß, die Kokospalme die wichtigste unter ihnen.

An vorsintflutlichen Epochen der Weltgeschichte erinnern die hohen Farnbäume, die wir auch bei uns in geologischen Schichten der Erde finden; sie stammen aus einer Zeit, in der Europa mit tropischen Wäldern bedeckt war und Nashörner im Gebiet der Mark Brandenburg spazierengingen. (Auch die Tierwelt zeigt ein primitive Gepräge, wie wir gleich sehen werden.) Einen besonders schönen Pflanzenschmuck, den sonst in solcher Pracht nur die brasilianischen Urwälder aufzuweisen haben, bilden die Orchideen; ihre Blüten, von der überraschendsten Farbigkeit und Mannigfaltigkeit der Formen, sind in Sümpfen, auf Felsen, auf Bäumen zu finden - die prächtigsten Exemplare wetteifern ganz oben in den Baumkronen an Farbenglanz mit den Paradiesvögeln.

Eine Menge Kulturpflanzen sind von den Europäern eingeführt worden; da außerdem eine Anzahl von Nutzgewächsen, wie Zuckerrohr, Bananen, Süßkartoffeln und andere in Neuguinea heimisch sind, so ergibt sich von selbst, daß eine Kultivierung des Bodens recht ertragreich sein kann.


Die Tierwelt

Wir erwähnten schon die Sonderbarkeit der Tierwelt. Alle einheimischen auf der Erde lebenden Säugetiere sind Beuteltiere: jeder kennt das Känguruh aus dem zoologischen Garten. Ebenso sind aber in Neuguinea Baummarder, Ratte, Maus usw. Beuteltiere, d. h. sie befinden sich noch auf einer [209] Stufe, die von denselben Tieren in anderen Erdteilen längst überwunden worden ist. Die Mutter trägt ihre Jungen nicht bis zur völligen Reife aus, sondern wirft sie früher, um dann den eigentlich noch nicht ganz Erdfähigen in ihrem Beutel Schutz und Wärme zu gewähren, sowie das Saugen zu erleichtern. Alle anderen Säugetiere, auch Ratten und Mäuse, die nicht zu den Beuteltieren gehören, sind später durch landende Schiffe eingeführt worden. Da außerdem Affen und größere Raubtiere vollkommen fehlen, so ist offenbar die Brücke, die Neuguinea mit dem Indochinesischen Archipel und Asien verband, schon in grauer Vorzeit abgebrochen worden: Die Tierwelt der Inseln blieb unter sich und also auf der primitiven Stufe stehen, die ihren Bedürfnissen ganz und gar genügte. Das Urweltliche der Wälder hat denselben Charakter wie die Tierwelt, deren seltsamste Form wohl das Schnabeltier bildet, jenes Geschöpf, das noch Eier legt wie die Reptilien, aber die ausgebrüteten Jungen dann säugt: ein Übergang, der für die Entwicklungslehre der Naturwissenschaft von grundlegender Bedeutung ist.

Die Nächte Neuguineas werden von sonderbaren Geschöpfen durchzogen, die ebenfalls ein Mittelding bedeuten, nämlich zwischen Vogel und Säugetier: von den großen "Fliegenden Hunden", die tagsüber mit dem Kopf nach unten an den Bäumen hängen und nur während der Dunkelheit mit ruhig-stetigem Flügelschlag im Mondschein dahinsegeln - ganz im Gegenteil zu unseren unruhig hin und her flatternden Fledermäusen. Ihr spitzer Kopf, ihr scharfes Gebiß und die lautlose Nachtexistenz mögen ängstliche Gemüter erschreckt und ihre Gattung, die auch in anderen südlichen Ländern heimisch ist, mit blutsaugerischen Gelüsten in Verbindung gebracht haben.

Im Gegensatz zu den unentwickelten Säugetieren ist die Vogelwelt die bunteste und reichste der Erde. Als ihre Krönung müssen wird den Paradiesvogel nennen - wohl das Herrlichste an Farbenzusammenstellungen, das die Natur hervorgebracht hat. Der Paradiesvogel kommt fast nur noch in Neuguinea vor. Schönheit und Glanz ihrer Federn ließen schon die Eingeborenen die langen Schwanz- und Seitenfedern zum Körperputz, die kürzeren zum Verzieren ihrer Waffen verwenden. Aus den Bälgen, an denen sie die Krallen ließen, wurden herrliche Königsmäntel verfertigt. Die Bälge waren auch die wichtigsten Handelsgegenstände für die Eingeborenen. Eine "gemachte" Mode ließ die Zahl der Paradiesvögel schon vor dem Weltkriege erschreckend zurückgehen. Allein aus dem deutschen Schutzgebiete Kaiser-Wilhelms-Land wurden im Jahre 1910 trotz seit 1892 durchgeführter Schonzeit 5706 Paradiesvogelbälge ausgeführt und im folgenden Jahre gar 7376. So ist es kein Wunder, daß ihre Zahl reißend zurückging. Die Achtung vor allem Leben sollte unseren heutigen Anschauungen gemäß eine Wiederkehr der Mode, seltene Vogelbälge als Schmuck zu tragen, widersinnig machen!

Nur das Männchen trägt das bunte Kleid. Es kann also eingewendet werden, daß die Weibchen ja leben blieben, um die Art zu erhalten. Aber der Paradiesvogel lebt in Einehe, und da die Männchen spärlich geworden sind, werden [210] viele Weibchen von der Fortpflanzung ausgeschlossen. Glücklicherweise hat die englische Regierung ein Schießverbot erlassen, und da außerdem die Jagd mit beträchtlichen Schwierigkeiten und Kosten verbunden ist, so bleibt die Hoffnung, daß die wunderbare Naturschöpfung erhalten wird.

Es gibt beinahe hundert verschiedene Arten der herrlichen Vögel, die vollkommen voneinander verschieden sind. Eine Art ist ganz und gar blau, ohne die geringste Beimischung einer anderen Farbe; das einzige Beispiel einer solchen Färbung, welches auf der Erde vorkommt. Die Weichheit und Zartheit der Federn, der Glanz der Farben, die Leuchtkraft der verschiedenen Töne des Gefieders übertreffen sogar noch die Feinheit der Kolibriarten oder der Papageien, die, wie Neuhaus treffend meint, "Farbenkleckser" gegen den "Farbenkünstler" aus Neuguinea sind.

Aber auch die übrigen Vogelgattungen sind in Neuguinea von großer Schönheit, ganz kleine Papageien von reizender Buntheit, Honigsauger, nicht größer als Kolibris, ebenfalls äußerst farbenprächtig, Nashornvögel mit den mächtigen Schnäbeln, und viele Taubenarten, von denen die Kronentaube mit ihrem Kopfschmuck aus Federn die größte und auffallendste ist. Große Laufvögel, wie der straußähnliche Kasuar, das Buschhuhn und der Laubenvogel kommen vor. Dieser ist ganz besonders bemerkenswert, weil er die einzige Tiergattung verkörpert, bei der eine ästhetische Tätigkeit zu vermuten ist: kein Tier läßt jemals merken, daß ihm etwas "schön" erscheint, nur der Laubenvogel putzt sein aus zwei großen Reisighaufen bestehendes Nest für seine Liebesstunden mit Muscheln, Blüten, grünen Betelnüssen - lauter Dinge, die keinen praktischen Zweck haben, sondern nur der Verschönerung dienen sollen. Also muß doch der Laubenvogel Unterscheidungs- und Urteilsvermögen haben, muß doch intellektuelle und psychische Regungen verspüren, die zum mindesten denen der Menschen sehr nahe verwandt sind; wenn diese sich ein Zimmer behaglich einrichten oder sich selbst schmücken, so bedeutet das nicht viel anderes. Das Verhalten des Laubenvogels hat den Naturwissenschaftlern viel zu denken gegeben und viele verschiedene Auslegungen gefunden, die mehr oder minder stichhaltig sind.

Raubvögel und Reptilien, von denen der meterlange Leguan, eine Rieseneidechse, an die Drachen der Vorzeit erinnernd, aber ganz harmlos ist, sind häufig; zahllos die Insektenarten, die außer den wundervollen großen Schmetterlingen mit ihrem majestätischen Flug das Leben nicht gerade angenehm machen. Ameisen, eine stinkende Sorte besonders greulich, Termiten, Flöhe, Malariamücken und besonders zwei, Buschmücken und Sandfliegen, erschweren dem Europäer das Dasein. Nach einer Wanderung durch taufrisches Gras verspürt man am nächsten Morgen an den Beinen unangenehmes Jucken, und es zeigen sich gerötete, ein wenig vorgewölbte Hautstellen. Buschmücken, mikroskopisch kleine Milben haben sich in die Haut gebohrt und erzeugen dort Entzündungen.

Eine noch größere Plage als die Mücken sind in manchen Gegenden die [211] stecknadelkopfgroßen schwarzen Sandfliegen, die durch die kleinste Masche hindurchschlüpfen.

Plagegeister und kein Ende! Im Gebirge, am schlimmsten in Höhen von 1000 m und darüber, stürzen sich die gierigen Landblutegel auf den erschöpften Wanderer, und wenn man im Meere Erfrischung sucht, wird durch Berührung mit fadenförmigen, unsichtbaren Gebilden auf der Haut brennender Schmerz verursacht. (Neuhaus.)

Es ist mehrfach ein wunderliches Nachtbild geschildert worden, das nur in Neuguinea zu sehen ist: das Meer ist bedeckt mit den Kanus der Papuas, Fackelschein leuchtet über das Wasser, aus dem die schwarzen Gestalten eifrig mit Gefäßen jeder Form und Art schöpfen, unaufhörlich, mit einer Hast, die keine Bewegung für etwas frei läßt... Nur manchmal fliegt ein Blick nach Osten... Steigt der Mond schon auf?... Erst gestern hatte er seine höchste Fülle erreicht... Noch ist es Zeit, zu schöpfen und den köstlichen Leckerbissen des Palolowurmes aus der Flut zu heben. Millionen, Milliarden der begehrten Speise bringt das Meer an die Küste Neuguineas; aber nur einmal im Jahr und nur für ein paar Stunden - am Tage nach Vollmond zwischen Mitte Oktober und Mitte November, von Sonnenuntergang bis Mondaufgang schwimmen die 10 - 15 cm langen, regenwurmartigen Tiere in dichten Scharen vorbei und verschwinden ins Unendliche, woher sie gekommen...

Jetzt! Der Mond erhebt sich aus dem Ozean und schickt seine zitternde Lichtbahn im Steigen weiter und weiter vor... Im Augenblick ist der Palolowurm verschwunden, und die Kanus rudern nach Hause, um die Beute zu bergen, der Fackelschein verlischt, und das Meer liegt unter schwebendem Mondglanz, der seine Geheimnisse mit anmutigem Glitzern verhüllt.

Die Regelmäßigkeit und die kurze Frist des Erscheinens veranlaßten die am Kap König Wilhelm in Kaiser-Wilhelms-Land lebenden Eingeborenen als die einzigen (nur dort erscheint der Wurm), sich eine nach Monden zählende Zeitrechnung anzulegen, denn ohne eine solche würden sie nicht imstande sein, rechtzeitig am Strande mit ihren Schöpfgefäßen die willkommene Nahrung in Empfang zu nehmen... (Neuhaus.)



Samoa
(Nach Berichten von Gouverneur i. R. Dr. Schnee u. a.)

Wasserfall auf Upolu. Samoa, Südsee.
[216]      Wasserfall auf Upolu. Samoa, Südsee.
Samoa - nie wird der Name ohne jenen Klang von Sehnsucht ausgesprochen, den nur ganz wenige bevorzugte Erdengebiete zu erwecken vermögen.

Landschaftlich sind die Samoainseln von einzigartiger, berückender Schönheit. Hohe Vulkankegel von malerischen Formen, schweigender, düsterer Urwald, von Menschen gemieden, herrlich frisch sprudelndes Wasser, warme Luft, von der See- [212] brise gekühlt, am Strande das Rauschen und Raunen der sich über das Meer beugenden Kokospalmen und in der Ferne das leise Rollen der Brandung über die in der Tiefe buntfarbig leuchtenden Korallenfelsen geben eine Ahnung von der Glut und Schönheit dieser Landschaft. Wer einmal all dies glücklich genießen konnte, wird es nie im Leben vergessen.

Samoa ist die "Perle der Südsee" und uns Deutschen, die wir ein lebhaftes Empfinden für Naturschönheiten haben, ganz besonders ans Herz gewachsen. Die großen Fortschritte, die diese Inselgruppe unter deutscher Verwaltung bis zum Weltkriege gemacht hatte, rechtfertigen die Wehmut, mit der wir ihren Verlust betrauern. Ihre Lage im Verkehrsschnittpunkt des Stillen Ozeans machte sie für alle Großmächte, die ihre Hand auf Inselgruppen der Südsee gelegt hatten, besonders begehrenswert.

Einer der besten Kenner dieser "glücklichen Insel", Gouverneur i. R. Dr. Schnee, gibt eine Übersicht über die wechselvolle Geschichte Samoas:

      "Samoa hatte bereits seit langen Jahren einen Zankapfel zwischen den drei großen Mächten Deutschland, England und Amerika gebildet. Zwar war ursprünglich durchaus deutscher Einfluß auf den Inseln maßgebend gewesen, da als einziges größeres europäisches Unternehmen seit den 1850er Jahren dort die Hamburger Firma Godeffroy & Co. tätig war. Doch hatten sich allmählich auch Angehörige fremder Nationen, besonders Engländer, niedergelassen, wie auch die englische Mission, die London Missionary Society, bereits seit 1830 dort tätig war und einen bedeutenden Einfluß auf die Eingeborenen erlangt hatte. Die Wirren, die seit Menschengedenken immer wiederkehren, die durch die Eifersucht der samoanischen Häuptlinge untereinander und durch die Kämpfe um die Königswürde auf den kleinen Inseln veranlaßt wurden, wuchsen allmählich dadurch an, daß die Angehörigen der fremden Nationen für oder gegen die verschiedenen samoanischen Kronanwärter Partei nahmen.
      Im Jahre 1886 versuchte der »König« Tamasese, dem der Deutsche Brandeis, ein ehemaliger Offizier, zur Seite stand, eine geordnete Verwaltung einzurichten. Er vermochte jedoch nicht, seiner Widersacher, unter denen besonders der Häuptling Mataafa hervorragte, Herr zu werden. Der Versuch des deutschen Konsuls Knappe, Ende 1888 mit Hilfe der im Hafen von Apia liegenden deutschen Kriegsschiffe eine friedliche Entwaffnung der samoanischen Gegner herbeizuführen, mißlang. Es kam zu Kämpfen zwischen einer deutschen Landungstruppe und den Leuten des Mataafa, wobei zwei deutsche Seeoffiziere und eine Anzahl Matrosen getötet wurden. Das Vorgehen des Konsuls Knappe, das in England und Amerika erheblichen Widerspruch erregte, wurde vom Fürsten Bismarck im Deutschen Reichstage, als ohne seine Genehmigung erfolgt, mißbilligt.
      Im Jahre 1889 wurde ein Vertrag zwischen Deutschland, England und den Vereinigten Staaten von Amerika abgeschlossen, durch den die Inseln unter den gemeinsamen Schutz der drei Mächte gestellt wurden. Doch zeigte sich bald, [213] daß die Abmachungen der sogenannten Samoa-Akte den Keim des Unfriedens in sich trugen. Es kam wiederholt zu Wirren in Samoa, in deren Verlauf Mataafa 1893 von deutschen Kriegsschiffen gefangen genommen und nach den Marschallinseln gebracht wurde. 1898 starb der von den Vertragsmächten anerkannte bisherige König Malietoa; zu seinem Nachfolger wurde alsbald von der Hauptmenge der Samoaner der eben nach Samoa zurückgekehrte Mataafa ernannt, während die Minderheit sich für den jungen Malietoa, den Sohn des bisherigen Königs, aussprach. Als der nach den Bestimmungen der Samoa-Akte für diesen Fall zur Entscheidung berufene amerikanische Oberrichter in Apia zugunsten des letzteren entschied, kam es Anfang 1899 wiederum zum Kampf zwischen den samoanischen Parteien, der ein Vorgehen der englischen und amerikanischen Kriegsschiffe gegen die Mataafapartei im Gefolge hatte. Es kam zur Beschießung von Apia, wobei deutsches Eigentum in beträchtlichem Maße zerstört wurde.
      Die Verhandlungen zwischen den drei beteiligten Mächten führten schließlich dahin, daß die Vereinigten Staaten von Amerika die Insel Tutuila, woselbst sie eine Marinestation in Pagopago (sprich Pangopango) errichteten, mit einigen kleinen Inseln erhielten. England verzichtete auf seine Ansprüche auf die Samoagruppe, wogegen Deutschland auf seine Anrechte an den Tongainseln verzichtete, die beiden südlichen Salomonsinseln Choiseul und Ysabel nebst den Shortlandinseln an England abtrat und letzterem eine günstige Grenzfestsetzung in Togo gewährte. Durch diesen Vertrag vom 14. November 1899 erhielt Deutschland seinerseits die beiden größten Inseln Upolu und Savaii nebst den dazwischen liegenden kleinen Inseln Manono und Apolima."

Die Bevölkerung der Samoainseln ist von einem Gleichmaß der Glieder, das den Künstler begeistert. Eine fröhliche Lebensauffassung und edle Sitte sind ihnen eigen. Der Fremdling wurde einst festlich von einer Ehrenjungfrau empfangen, die ihm den Festtrank, aus Kawawurzel bereitet, darreichte. Die alten Herrschergeschlechter waren stolz auf ihre ruhmreiche Geschichte und den Adel ihres Stammes. Prächtige selbst gefertigte und mit schönen Farben bedruckte Rindenstoffe bildeten die Festkleidung; das Zeichen hoher Würde waren schön geschnitzte Fliegenwedel. Ihre Häuser bestehen aus einer mit Palmenblättern oder Zuckerrohr gedeckten offenen, lichten Säulenhalle. Zum Tanz schmücken sich die edel gestalteten Menschen mit einem hohen Kopfputz, die Frauen nur mit einer Blüte, die sie sich ins Haar stecken. Gesänge, die die Taten der Vorfahren preisen, verschönen jedes Fest. Der Festtrank ist stets die Kawa, ein etwas trübes Getränk, das keinen Alkohol, aber den betäubenden Stoff Methysticin (nach der Pfefferstaude Piper methysticum) enthält. Tabak wird viel gebaut.

Das Leben der Eingeborenen spielt sich vorwiegend am Strande ab, da sie den Urwald fürchten und meiden. Kokosnüsse, Bananen und Tarowurzeln sind ihre Hauptnahrung. Ihr Fleischbedürfnis deckt der Fischreichtum der Brandungsriffe, ebenso alljährlich im Oktober bis November zur Zeit des Vollmondes ein Meeresborstenwurm, der Palolowurm.

[214] Die Inseln sind vulkanischen Ursprungs; aus dem Meere sind sie aufgestiegen - eine Naturkatastrophe, deren Andenken sich in der Schöpfungssage der Samoaner erhalten hat.

Tangaola hat die Menschen erschaffen, das gewöhnliche Volk aus Würmern, die Adligen aus der Schlange. Dem Mythos entsprechend war der Ahnenkultus außerordentlich ausgebildet, so daß die adligen Geschlechter, wie die Königsfamilie Tamasese, zweiunddreißig Vorfahrengenerationen nachweisen konnte: das bedeutet einen Zeitraum von etwa 1000 Jahren.

Von den alten Sitten der Samoaner ist wohl nicht mehr viel übrig; ihren Charakter, der im ganzen heiter und liebenswürdig ist, haben sie beibehalten. Das zeigt schon die landesübliche Begrüßung "talofa": ein aus mehreren Worten zusammengezogener Ausdruck, der "ich liebe dich" bedeutet... Immer wird es ja nicht stimmen, aber es zeigt doch den guten Willen. Hübsch ist die Bezeichnung für ein junges Mädchen: "funga", die Blüte... Das stimmt schon öfter, die jugendliche Weiblichkeit wird an Grazie und gutem Aussehen von keinen Rivalinnen anderer Länder übertroffen. Sonderbar ist die Antwort von Eltern auf die Frage nach dem Alter ihrer Kinder: "fa' atalia oe" - wie es dir beliebt... Das ist aber nicht nur Höflichkeit, sondern auch ein wenig Verlegenheit, denn mit der genauen Zeitrechnung hapert es gewöhnlich erheblich. Jahre kommen und gehen, beim ewig gleichbleibenden Klima merkt man es kaum und schließlich: was liegt daran...

Die Überlieferung der Samoaner ist reich an poetischen Sagen, Liedern und Sprichwörtern, literarisches Talent besitzen sie ohne Zweifel; die sehr klangvolle vokalreiche Sprache kommt dem dichterischen Ausdruck entgegen. Alle harten Laute und viele Konsonanten wie R, X, Z und andere fehlen. Fast stets sind Konsonante durch Vokale getrennt, oft aber viele Vokale zusammengefügt. Eine solche Sprache fordert zum Singen heraus; so hat die samoanische Melodik, hauptsächlich im Chorgesang, eine hohe Stufe erreicht. Eine große Rolle spielen die stimmungsvollen Bootslieder, die vom rhythmischen Schlag der Ruder begleitet werden. Das musikalische Gehör der Samoaner ist gut ausgebildet, und besonders ausgeprägt ihre Fähigkeit, Instrumente zu erlernen. So haben Harmonikas aller Arten, Zithern, Mandolinen usw. schnell Verbreitung auf den Inseln gefunden.

Der einzige geschützte Hafen auf den Inseln ist Pango-Pango auf Tutuila; er war nie in deutschem Besitz. Die Reede von Apia ist offen, nur durch ein Riff mit schmaler Einfahrt geschützt; bei schweren Stürmen, wie sie im Herbst auf der südlichen Halbkugel auftreten - Samoa liegt 12 - 14° südlich vom Äquator -,wird dieser Schutz vollkommen illusorisch. Eine der schlimmsten Katastrophen, die unsere Marine betroffen hat, trat im "Hafen" von Apia am 16. März 1889 ein: S. M. Kanonenboot "Eber", S. M. Kreuzer "Adler" gingen vollständig verloren, S. M. Korvette "Olga" wurde auf den Strand gesetzt und kam mit einigen Havarien davon. Auch ein paar amerika- [215-216=Fotos] [217] nische Kriegsschiffe scheiterten; die furchtbare Sturmnacht und das prachtvolle Verhalten unserer Offiziere und Mannschaften werden aus den Berichten der Kommandanten klar.

      "Im Schutzgebiet lebten ungefähr 35 000 Samoaner sowie 557 Weiße 1913, davon 329 Deutsche und 99 Frauen. Zudem gab es eine Mischlingsbevölkerung von etwa 100 Köpfen, sowie etwa 1500 Chinesen. Die Samoaner gehören zu den Polynesiern. Sie sind von stattlicher Erscheinung, hellbrauner Hautfarbe und schlichtem schwarzem Haar." - "An Stelle der alten ständischen Verfassung ist eine ähnliche Einrichtung der Selbstverwaltung getreten, und von der Regierung sind Dorfhäuptlinge eingesetzt worden. Seit der Übernahme Samoas durch das Deutsche Reich nahm das Land unter dem Gouverneur Dr. Solf 1900 - 1911, seit 1912 unter Dr. Schultz-Ewerth eine friedliche Entwicklung. Die Kolonie hat sich bereits jahrelang vor dem Kriege selbst erhalten und keinen Reichszuschuß mehr benötigt." (Schnee.)

Die Entwicklung der Kolonie unter deutscher Herrschaft bis zum Kriege hat die wirtschaftliche Wichtigkeit Samoas deutlich gezeigt, da die Ausfuhr sich von 1900 - 1908 mehr als verdoppelte, nämlich von 1,266 Millionen Mark auf 2,671 Millionen Mark, und die Hauptkokospflanzungen erst 1910 ertragreich werden konnten.

Zu Beginn des Weltkrieges wurden die Samoainseln wie die Gebiete der anderen Südseebesitzungen von Australiern und Neuseeländern besetzt. Ein Widerstand der kleinen Polizeikräfte gegen die Truppen eines Kontinents war nicht möglich.

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Das Buch der deutschen Kolonien
Herausgegeben unter Mitarbeit der früheren Gouverneure
von Deutsch-Ostafrika, Deutsch-Südwestafrika, Kamerun, Togo und Deutsch-Neuguinea.
Vorwort von Dr. Heinrich Schnee.