[Anm. d. Scriptorium:
eine detaillierte Karte
der deutschen Kolonien
finden Sie hier.] |
Land und Leute in unseren Kolonien (T. 4)
Das kleine Togo
Dr. Alex Haenicke
Ein niedriger, mit Palmen und Gestrüpp bedeckter Landstreifen: so bietet
sich dem Auge des Vorüberfahrenden die "Sklavenküste"
dar, deren einen Teil Togo bildet. Sie trug ihren Namen mit Recht, denn schon
1517 begann unter der Herrschaft der Portugiesen die regelmäßige
Ausfuhr des "schwarzen Elfenbeins" und dauerte als sehr gewinnbringendes
Geschäft bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts, da 1803 von
Dänemark und 1807 in den englischen Kolonien der Sklavenhandel
verboten wurde. Von da an sank die Bedeutung der Kolonien, die
Engländer, Holländer und Dänen an der Küste angelegt
hatten; schließlich verkauften die Dänen im Jahre 1850, die
Holländer 1871 ihre Besitzungen an England. Frankreich hatte sich 1851
ebenfalls in Oberguinea festgesetzt; 1864 erwarb es Konotu und 1882 Porto Novo.
Nur die Togoküste blieb noch herrenlos.
Deutsche Kaufleute gründeten in Anecho, oder, wie es ursprünglich
hieß, in Klein-Popo Faktoreien und erkauften, um die hohen Zölle der
englischen Goldküste zu sparen, vom Häuptling Kwadjowi
Handelsfreiheit. Nach dem Tode dieses schwarzen Herrschers entstanden indessen
allerlei Unruhen, in deren Verlauf [178] die deutschen Anlagen
bedroht wurden; aber das deutsche Kanonenboot "Sophie",
Kapitän Stubenrauch, griff helfend ein und setzte die
Anerkennung der Verträge durch. Das Schiff war indessen kaum wieder
abgefahren, als der Streit aufs neue ausbrach; Stubenrauch wurde
zurückgeholt, griff diesmal energisch durch und nahm die
Ruhestörer, die aus Sierra Leone kamen, gefangen. Aber nun hetzten die
Engländer heimlich die Eingeborenen gegen die Deutschen
auf - die Einigkeit unter den Europäern in Afrika scheint stets
vorbildlich gewesen zu sein -, was ihnen aber nicht viel half, da die
Eingeborenen baten, unter deutschen Schutz gestellt zu werden. So traf das an der
Westküste in jenen Jahren schon aus Kamerun bekannte Kanonenboot
"Möve" am 2. Juli mit dem Generalkonsul Nachtigal an Bord ein;
in Bagida und Lome wurde die deutsche Flagge gehißt. Die
Engländer waren nun beruhigt, aber nun fingen die Franzosen an, sich
unangenehm bemerkbar zu machen, und besetzten
Groß- und Klein-Popo, worauf dann die Deutschen sich mit der Einnahme
von Seguro am 5. September 1884 revanchierten. Die Berliner Konferenz machte
im nächsten Jahre diesen unklaren und gefährlichen
Verhältnissen ein Ende. Anecho wurde den Deutschen,
Groß-Popo den Franzosen zugesprochen. Aber es sollte noch einige Zeit
dauern, bis die Kolonie zur Ruhe kam und ihre endgültige Gestalt erhielt;
erst ergaben sich zur Abwechslung wieder Schwierigkeiten mit den
Engländern. Sie schlossen mit verschiedenen Häuptlingen
Verträge ab, die Deutschland in seinem Gebiet stark beeinträchtigten;
erst nach einem erfolgeichen Zug, den Hauptmann
v. François nach Salaga gemacht hatte, besserte sich die
Lage, und endlich wurde Togo durch den viel umstrittenen
Sansibarvertrag vom Jahre 1890, den wir im Kapitel
Deutsch-Ostafrika näher kennenlernten, sehr günstig
bedacht: Das Gebiet von Adaklu, Ho und Kpandu, sowie das linke Voltaufer
zwischen den Mündungen des Daji und des Daka wurde deutsch.
Allerdings machte man nun den Fehler, nicht die Strommitte, sondern das linke
Ufer zur Grenze zu machen: so wurde Deutschland von der Schiffahrt auf dem
Flusse ausgeschlossen.
Die Erschließung des Landes begann sehr bald nach der Besetzung durch
die Deutschen. Dem schon erwähnten Zuge v. François, der
ihn von Bagida bis nach Sürma in Mossi und ostwärts in das
Adeleland geführt hatte, schloß sich im nordöstlichen
Hinterland die Expedition von Dr. Wolf, Kling und Bugslag
an; sie gründeten die Station Bismarckburg. Wolf gehörte zu den
Forschern, die für ihre Ideale das Leben verloren haben; auf einer Reise, die
er allein auf neuen Wegen durch die Landschaften Anjanga, Tschaudo, Ssemere
und Sugu nach Borgu machte, starb er an den Folgen eines Sturzes vom Pferde am
23. Juni 1889 in Ndali. Zehn Jahre später ist er in Lome beigesetzt
worden.
Weitere Expeditionen, unter denen die Klingschen 1888 - 1892 und die "Deutsche
Togoexpedition" unter Dr. Gruner, Dr. Doering und Oberleutnant
v. Carnap 1895 die wichtigsten waren, erschlossen bis zur
Jahrhundertwende das Land bis hoch in den Norden hinauf. Verträge mit
den mächtigsten Sultanen [179-180=Fotos] [181]
sicherten den Besitz zwar nicht vollständig, da Kämpfe, wie im
November und Dezember 1896 bei Sansane Mangu, immer noch auszufechten
waren. Auch gab es noch Grenzstreitigkeiten mit den Franzosen, die aber 1897
durch einen Vertrag und genaue Festsetzung der Grenzlinie beseitigt worden sind.
Auch mit England kam man durch den Samoavertrag vom Jahre 1899 zu einer
Verständigung über die Westgrenze der Kolonie.
Die Befriedung und Kolonisierung Togos machten nun überraschende
Fortschritte; ebenso wurde die wissenschaftliche Erforschung auf allen Gebieten
durchgeführt. Die Kolonie bietet nicht entfernt die Schwierigkeiten wie
Kamerun durch seine Urwälder, seine Bodengestaltung und
schließlich seine Größe, oder wie Südwest durch
Wassermangel und Wüste: hohe und schroffe Gebirge, fast
undurchdringliche Gehölze fehlen dem Lande, das gut bewässert und
etwa von der Größe Württembergs und Bayerns ist. Die
Bodenerhebungen bilden keine großen Hindernisse, der größte
Teil Togos besteht aus Grasland und Parklandschaft, der Boden ist zur Bestellung
wie geschaffen. Das Klima hat, wie in allen Äquatorialgegenden, seine
Tücken, die Hitze ist erheblich, besonders im Küstengebiet; aber
auch in den höherliegenden Gegenden des Hochlandes, wie bei Sansane
Mangu, in denen die Seebrise fehlt und trockene Ost- und Nordostwinde
herrschen, wird die Hitze zur alles versengenden Glut.
[180]
Die Siedlung eines Deutschen in einem Togoer
Palmenhain.
|
Trotz allem war Togo, ich möchte sagen, unsere gemütlichste
Kolonie; es hat sich zu seinem großen Stolz auch bald nach der
Jahrhundertwende als einzige aller unserer überseeischen Besitzungen
vollkommen aus eigenen Mitteln, ohne jeden Zuschuß des Reichs
erhalten. Die Einfachheit der Bodenverhältnisse begünstigte den
Verkehrsausbau außerordentlich; wir haben in Südwest und Kamerun
gesehen, welche Schwierigkeiten sich gerade in dieser Beziehung darboten;
Verkehrswege allein erschließen ein Land und machen es
ertragfähig.
Vom einfachsten, aber gut gehaltenen Weg, der durch den Busch geschlagen wird,
bis zur Eisenbahn, entstanden in Togo schnell Verkehrsmöglichkeiten. Die
Eingeborenen wurden zum Bau herangezogen, Holzbrücken über die
während der Regenzeit mächtig angeschwollenen Flüsse
geschlagen und stattliche Rasthäuser in der Entfernung eines
Tagesmarsches aufgeführt. So wurden zunächst die wichtigsten
Stationen des ganzen Landes durch ein Netz solcher Straßen verbunden;
von Süden nach Norden konnten die Reisenden und Händler auf
immerhin nicht schlechten und sicheren Wegen mit
Unterkunftsmöglichkeiten vorwärts kommen,
z. B. von Lome an der Küste über
Atakpame - Blita - Sokode - Bassari -
Bangjeli nach Sansane-Mangu oder von derselben
Anfangs- nach derselben Endstation an der Westgrenze entlang über
Agome - Palime - Misahöhe (im Gebirge an
paßbeherrschender Stelle gelegen) - Kpandu - Kete
Kratschi - Jendi. Welcher Unterschied liegt schon in dieser immerhin noch
einfachen Wegverbindungen gegen die Beförderungsmühseligkeiten
in Kamerun.
Aber bald werden sogar die wichtigsten Strecken dieses Netzes in Chausseen
umgebaut und die Holzbrücken durch massive, namentlich
Drahtseilbrücken er- [182] setzt, so daß sich
bald ein reger Wagenverkehr entwickelt, bei dem zunächst die
Fahrzeuge von den Männern gezogen wurden - natürlich war
hier ideale Vorarbeit für vollständige Motorisierung geschaffen.
Von ebenso großer Wichtigkeit zeigte sich der Bau einer
Landungsbrücke in Lome; die Brandung, hier "Kalema" genannt,
ist an der Togoküste ganz besonders schwer. Der Strand ist nach
Süden orientiert; wenn also während des Winters auf der
südlichen Halbkugel die heftigen Stürme (am berüchtigtsten
bei Kap Horn) den Ozean aufwühlen, rollt die riesige Dünung
ungebrochen genau auf die Küste Oberguineas zu: besonders
mächtig an windstillen Tagen. Manchmal war trotz Brandungshorten und
bewunderungswerter Geschicklichkeit der Eingeborenen tagelang keine Landung
zu ermöglichen - aber auch, wenn diese durchgeführt werden
konnte, gingen durch Umschlagen der Boote häufig genug Waren verloren.
Die Franzosen besaßen im benachbarten Dahomey schon längst einen
Pier; bei uns mußte jahrelang agitiert werden, bis 1900 der Bau begonnen
und nach Überwindung vieler Schwierigkeiten die Brücke 1904
eröffnet werden konnte. Die Zollgebäude befanden sich an ihrem
Ende, Dampfkrähne laufen auf Schienen auf und ab; in den letzten Jahren
vor dem Kriege ist die Brücke noch bedeutend verlängert
worden.
Im Jahre 1905 wurde die erste Strecke des Bahnnetzes eröffnet,
die Küstenlinie von Anecho nach Lome. Bereits im Jahr vorher hatte der
Reichstag ein Darlehen von 7,8 Millionen Mark zum Bau der Bahn
Lome - Agome - Palime bewilligt; die 122 km lange Strecke
wurde 1907 am 27. Januar in Betrieb genommen. Da sich sogleich, wie nicht
anders zu erwarten war, sehr gute Resultate zeigten, genehmigte das Reich
1908 den Bau der Strecke Lome - Atakpame, die 175 km lang
ist und 1911 fertig war. Diese Bahnbauten zogen naturgemäß wieder
weitere Wegebauten nach sich, da Anfahrtsstraßen zu den Stationen
angelegt werden mußten, um den Warentransport zu erleichtern; denn die
landwirtschaftliche Tätigkeit war eine viel größere geworden,
seitdem die Neger für ihre Produkte eine ganz andere
Absatzmöglichkeit fanden, als ihnen die früher allein besuchten
kleinen Landmärkte geben konnten. Da das Land für afrikanische
Begriffe mit etwa 1 Million Einwohnern ziemlich dicht bevölkert
war, brauchte es selbst eine ganze Menge Bodenerzeugnisse, die nun infolge der
erleichterten Transportbedingungen allen Teilen gleichmäßig zugute
kamen.
[179]
Die alte deutsche Post in Lome, Togos
Hauptstadt.
|
Auch das Post- und Telegraphenwesen
entwickelten sich schnell.
1891/92 gab es zwei Postagenturen in Lome und Anecho, "die sich durch
Sicherheit des Dienstes so auszeichneten, daß viele französische
Postsachen aus Groß-Popo in Anecho aufgegeben wurden". Postboten
gingen zweimal wöchentlich ins Innere bis Misahöhe. 1893/94
wurde mit dem Telegraphenbau nach den englischen und französischen
Nachbargebieten hin begonnen, 1895 wurden die Linien eröffnet und Togo
somit an das Weltkabelnetz angeschlossen. 1903 waren der Draht nach Palime
und Telephonverbindung nach Misahöhe fertig. In den Jahren vor dem
Kriege war das Land mit einem ansehnlichen Telegraphennetz
über- [183] zogen; außerdem
aber besaß es ein eigenes Kabel nach Deutschland, und als
größter Stolz wurde 1914 eine Großfunkstation in
Kamina eröffnet, die in direkter Verbindung mit Nauen stand, so daß
Togo als einzige deutsche Kolonie in den ersten Kriegstagen Kontakt mit der
Heimat hatte. Allerdings bildete diese Funkstation für die Gegner einen
wichtigen Grund, sich der Kolonie möglichst schnell zu
bemächtigten - davon später.
Die Pflanzen- und Tierwelt Togos ähneln im großen und
ganzen der Flora und Fauna, die wir als Wachstum und Bestand auf dem
Kameruner Hochland kennengelernt haben. Löwen sind oder waren
vielleicht hier häufiger als dort, und der Reichtum an großen
Antilopen gab dem Jäger die besten Gelegenheiten, Trophäen zu
sammeln und frisches Fleisch zu erbeuten.
Den in der Tat überraschenden Aufstieg Togos hat J. K. Vietor in
drei Reisebildern aus den Jahren 1884, 1899 und 1912 sehr anschaulich
geschildert:
"1884. Von Bord des Dampfers", sagt
er, "wurde man in großen offenen Brandungsbooten abgeholt, in denen 12
Ruderer mit kurzen Paddeln saßen. Das Boot wurde von einem Steuermann
mit großem Ruder gesteuert; eine gewaltige Brandung schäumte vor
dem Lande auf, welche oft genug diese nicht langen Boote umschlagen ließ.
Unglücksfälle waren aber, wenn das Boot beim Umschlagen nicht
zufällig den Europäer traf, selten, da die Schwarzen fast immer den
Umgeschlagenen an Land brachten.
Lome war ein elendes Negerdorf mit einigen Dutzend
Strohhütten... Außerdem gab es drei deutsche Faktoreien in kleinen
Holzbaracken... Der ganze Ort war auf dickem Dünensand erbaut, und da es
keine Straßen gab, war der Weg selbst durch den eigenen Hof
beschwerlich.
Verkehr mit dem Innern gab es für die
Europäer nicht. Sie saßen in ihren Faktoreien und warteten auf die
Schwarzen, die auf ihren Köpfen die einzigen Handelsartikel, Palmöl
in selbstgebrannten Töpfen und Palmkerne in selbstgefertigten
Bastsäcken zum Verkauf brachten... Aber der Handel war sehr
gering...
Eine Verwaltung gab es nicht. Konsul Randad,
ein Kaufmann, dem wir wohl vor allem die Erwerbung des Togogebietes
verdanken, verwaltete die Kolonie. Erst nach einem Jahr kam der erste
Reichskommissar, Herr Falkenthal; er brachte den Sekretär
Grade und den Unteroffizier Pichrowsky
mit..."
Vietor beschreibt dann die Anstrengungen einer Reise ins Innere auf engen, in
Schlangenlinien geführten Pfaden durch die Prärie in Gegenden,
deren Bewohner noch nie einen Weißen gesehen hatten. Nach neun Tagen
gelangte er in die Landschaft Atakpame, ließ bei der Ortschaft Amutschu
einen großen Platz von Busch und Gras reinigen, ritt durch die ganze
Gegend und forderte die Leute auf, zum Markt zu kommen, aber "je weiter ich
kam, desto häufiger erklärten mir die Männer, daß sie
meinen Markt nicht besuchen könnten, weil ihre Frauen dann von ihren
Feinden weggeraubt werden würden."
"Ich machte dieselbe Reise dann noch
einmal und sagte den Häuptlingen, daß sie ja tun und lassen
könnten, was sie wollten, daß aber an einem bestimmten Tag mein
Markttag sei, und daß ich dann Landfrieden geböte.
Als der erste Markttag herangekommen war, zogen wir
zwischen zwei Bäumen einen Bindfaden und hängten daran unsere
verschiedenen Stoffe auf.
[184]
Auf der Erde hatten wir eine Matte ausgebreitet, auf die wir kleine Haufen Salz
und Pulver geschüttet hatten. Steinzeug und Eisenwaren lagen daneben. Bei
Tagesgrauen war alles fertig; wir warteten bis 7 und 8, aber kein Mensch kam.
Einer meiner Leute kam auf den Gedanken, daß die Eingeborenen sich wohl
fürchten würden, und machte den Vorschlag, die
schwarz-weiß-rote Fahne an einem Baum zu befestigen. Ich ging ins Haus
und frühstückte; als ich nach einer halben Stunde wiederkam, war
der Markt schwarz von Menschen, die sich alle im Busch versteckt gehalten
hatten, weil sie sich gefürchtet hatten, herauszukommen. Auf meine Frage,
ob sie etwas kaufen wollten, antworteten sie: »Nein!« Es stellte sich
dann heraus, daß sie nur zum Schutze der Weiber gekommen waren, die
Handel treiben wollten...
Ich blieb ungefähr 6 Wochen dort, doch war das
Resultat der Reise ein durchaus unbefriedigendes, da von dem eingehandelten
Gummi nur kleine Quantitäten zu haben waren und mir auf der Reise viel
Vieh zugrunde ging. Aber billig genug war alles. Für eine leere Milchdose
erhielt ich ein Huhn, ein Schaf kostete zwei Mark, ein großer Ochse 20
Mark."
1899... Diese Reise ging unter anderen Verhältnissen vor sich als
die erste. Die Regierung hatte die Zeit dazu benutzt, überall an den
Hauptverkehrsplätzen Stationen anzulegen; ihr Hauptaugenmerk richteten
die Beamten darauf, breite Straßen anzulegen, denn diese waren viel
sicherer, als die schmalen Buschpfade. Infolgedessen war es möglich, die
Reise auf dem Rade zu machen...
"Der Verkehr hatte sich unglaublich
gehoben. Auf der ersten Reise hatten wir kaum einen Menschen getroffen, jetzt
strömten sie schon zu Dutzenden zu ihren Märkten... An manchen
Tagen konnte man Hunderte von Händlern treffen. An Stelle der
Unsicherheit war ein vollkommener Landfriede getreten.
Nach 4 Tagen erreichten wir Atakpame, das sich ebenfalls
völlig verändert hatte. Es hatten sich einige Dutzend schwarze
Händler angesiedelt, die sich Läden in derselben Art wie die
Händler an der Küste gebaut hatten. Die Hauptstraße machte
schon einen ganz wohlhabenden Eindruck...
Atakpame selbst liegt im Tal, durchquert von einem
Flüßchen, an dessen Rand sich uralte Bäume erheben... Auf der
Südseite der Stadt war die sehr hübsche deutsche Station errichtet...
Weit sah man die schwarz-weiß-rote Fahne über das Land
wehen."
Vietor erzählt dann von dem außerordentlichen Eindruck, den ihm
eine Missionsstation ganz im Norden, "aller Zivilisation ganz
fernliegend", gegeben habe.
"Wir standen plötzlich vor
einem europäischen Hoftor und traten in einen wohlgepflegten Park. Eine
riesige Allee von Mangobäumen führte durch seine Mitte. Links der
breiten Rasenfläche lagen schöne große europäische
Wohnhäuser... Zwischen beiden erhob sich auf freiem Platz die Kapelle.
Auf der anderen Seite in derselben Entfernung waren die Schulen, die
Lehrerwohnungen, die Ställe und die Werkstätten der Arbeiter
erbaut, in denen reges Leben herrschte.
Ich blieb einige Tage dort, besuchte mit den Missionaren
die Schulen und habe mich über die Leistungen der schwarzen Jugend sehr
gewundert...
Als ich damals von dieser freundlichen Stätte
schied, sagte ich mir: Wenn auf mich, der ich an der Küste doch in ganz
ähnlichen Verhältnissen wohnte, eine solche Missionsstation einen
solch überwältigenden Eindruck macht, wie muß er dann wohl
auf die Ein- [185] geborenen wirken, die
nie etwas Ähnliches gesehen hatten, zumal sie dort auf das freundlichste
aufgenommen werden, und man ihnen jederzeit mit Rat und Tat hilft, sobald sie
ein Anliegen vorbringen!"
[36]
Der "Deutsche Gouverneur-Palast" in Togo, jetzt Sitz des "Commissaire de la
République".
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1912... Aus dem elenden Negerdorf Lome war eine der schönsten
Städte Westafrikas geworden. In langen Reihen zogen sich die deutschen
Faktoreien am Strand hin, alles schöne große Häuser mit
breiten Veranden, riesigen Läden und mächtigen Lagerschuppen.
Gute harte Straßen mit schattigen Alleen führten durch den Ort bis
weit ins Innere hinein. Eine Landungsbrücke war gebaut worden, so
daß man nicht mehr die unheimliche Brandung in kleinen Booten zu
passieren brauchte. Die herrschende Flagge war die
schwarz-weiß-rote...
"Der Handel im Innern hatte sich
gewaltig ausgedehnt. Zwei Eisenbahnen führten einige hundert Kilometer
weit ins Innere, und meine dritte Reise nach Atakpame war wiederum eine ganz
andere als die beiden ersten.
Dieses Mal fuhr ich mit der Eisenbahn dorthin. Auf
meiner ersten Reise brauchte ich neun Tage, auf meiner zweiten vier Tage, und
dieses Mal stieg ich um acht Uhr in den Zug und bin am Abend um sechs Uhr dort
angekommen. Die Bahnstrecke hatte vielleicht fünf oder sechs Haltestellen,
und an jeder dieser Stationen hatte die Regierung einen großen
quadrarischen Marktplatz angelegt, mit Bäumen bepflanzt, und rund um
diesen Platz hatte die Regierung jeder Firma, die sich darum bewarb, ein
großes, schönes Grundstück billig verpachtet oder verkauft, auf
der die deutschen Firmen dann ihre Gebäude errichteten.
Diese neuerbauten Märkte an den Stationen der
Bahn boten ein sehr schönes Bild. Einige Dutzend Faktoreien hatten sich
den angebotenen Grund und Boden reservieren lassen, um hübsche
Gebäude darauf zu errichten. Die Läden boten einen
prächtigen Anblick. Angefüllt mit den neuesten Manufakturen, mit
Steinzeug, Eisenwaren usw. hatten sie ein beachtliches Aussehen.
Große Warenschuppen lagen dahinter, gefüllt mit den
verschiedensten Landesprodukten: Palmöl, Palmkerne, Mais, Baumwolle,
Häute, Felle usw. und es war erstaunlich zu sehen, welchen Umfang
der Handel in diesen Gebieten genommen hatte, die vor 25 Jahren fast noch
keines Europäers Fuß betreten hatte.
Die erste Fahrt auf der neuen Eisenbahn war
außerordentlich interessant. Es ging durch dasselbe Gelände, das ich
früher so oft zu Fuß, zu Rad oder zu Pferd durchquert hatte.
Früher hatten das hohe Gras und der dichte Busch eine Aussicht auf das
Land verhindert, jetzt konnte man vom Hinterperron der Bahn das ganze Land
übersehen. Im Fluge eilten wir dahin, und es machte mir ein riesiges
Vergnügen, zu bemerken, daß die jungen Herren, die mich
begleiteten, Mord und Brand schimpften, als wir mit einer halben Stunde
Verspätung in Atakpame ankamen.
Dieser Ort war inzwischen eine sehr schöne,
moderne Stadt geworden. Fast sämtliche Kaufhäuser hatten sich in
Togo niedergelassen und auch eine Filiale in Atakpame errichtet. Diese
Gebäude waren alle erst in der letzten Zeit entstanden, und da inzwischen
auch eine Reihe Bauunternehmer nach Togo gekommen waren, hatten
diese die Faktoreien in modernem Villenstil erbaut. Da Grund und Boden damals
noch verhältnismäßig billig zu kaufen waren, hatten die
einzelnen Faktoreien sich auch genügend Land erworben, um
hübsche Gärten anlegen zu können. Das ganze machte den
Eindruck einer Villenvorstadt in einer wohlhabenden
Großstadt."
Aus der Beschreibung dieser drei Reisen geht hervor, was für einen
gewaltigen Aufschwung unser Togogebiet in dreißig Jahren deutscher
Verwaltung genommen hat. An Stelle der Unsicherheit, die die Leute hinderte,
auch nur in die nächsten Dörfer zu gehen, war vollständige
Ruhe getreten. Früher, wenn einmal [186] die Ernte in einem Teil
des Gebietes versagte, trat dort sofort Hungersnot ein, weil die Eingeborenen
keinen Verkehr untereinander pflegten. Die die Neger verzehrenden
Seuchen hatten durch die Arbeit unserer Ärzte fast ganz
aufgehört. Auf meinen ersten Reisen traf ich ganze Dörfer, die
vollständig durch die Pocken ausgestorben waren. Nachher gab es kaum
noch einen Mann im ganzen Togogebiet, der nicht geimpft gewesen
wäre.
Während die Eingeborenen früher den größten Teil des
Tages träge vor ihren Hütten oder unter dem großen
Palaverbaum des Dorfes saßen, weil sie für ihre Produkte keine
Abnehmer hatten, sah man die Leute jetzt von morgens früh bis abends
spät auf ihren Feldern arbeiten, um sich so durch ihrer Hände Werk
ein besseres Dasein zu verdienen. Die Steuern, fünf Mark im Jahr,
waren gering, und die ganze deutsche Verwaltung wurde mit
äußerster Sparsamkeit geregelt. Ein frisches, frohes Leben herrschte
überall.
Die intelligenteren Eingeborenen konnten sich in großem Maßstab
statt der kleinen Negerhütten Häuser in europäischem Stil
bauen. Viele Eingeborene hatten mehr oder weniger große Beträge
auf der Sparkasse oder der Bank.
Die Arbeit der evangelischen und katholischen Mission hatte ebenfalls gewaltige
Fortschritte gemacht. Sie stellte dem Land die notwendigen Lehrer und bildete in
ihren Schulen so viele Eingeborenen aus, daß der Bedarf an
Angestellten der Faktoreien reichlich und leicht gedeckt werden konnte.
Viele dieser intelligenten Leute wurden in der Regierung als Unterbeamte
verwandt, und alle die Arbeit, die bei uns die Zollwächter an den Grenzen,
die Postbeamten und die Gehilfen in den Geschäften verrichten, wurde dort
von Schwarzen ausgeführt. Die ganze Kolonie machte den Eindruck eines
wohlhabenden, aufstrebenden Landes.
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