Bd. 4: Der Seekrieg - Der Krieg um die
Kolonien
Die Kampfhandlungen in der Türkei
Der Gaskrieg - Der Luftkrieg
Abschnitt: Der
Seekrieg
Kapitel 5: Der
Auslandskreuzerkrieg (Forts.)
Fregattenkapitän Emil Huning
4. Die Kriegsschiffe der Kaiserlichen Marine im
Auslande.
S. M. Kleiner Kreuzer "Emden".4
Der Kleine Kreuzer "Emden" war unter der Führung des damaligen Fregattenkapitäns Karl v. Müller im Juni 1914 vom Chef des Kreuzergeschwaders als Stationär in den ostasiatischen Gewässern
zurückgelassen worden. Ihm fiel daher bei Kriegsausbruch die schwere und
verantwortungsvolle Aufgabe zu, die ersten entscheidenden Anordnungen
für den Bereich der ostasiatischen Station zu treffen. Nachdem er sich
dieser Aufgabe entledigt hatte, ging der Kreuzer am Abend des 30. Juli von Tsingtau aus in See. Die erste kriegerische Handlung war die Aufbringung eines
Dampfers der russischen Freiwilligen-Flotte in der
Korea-Straße am 4. August, des 3500 Tonnen großen Dampfers
"Rjäsan", den die "Emden" mit sich nach Tsingtau nahm, wo er mit der
Besatzung des Kleinen Kreuzers "Cormoran" als deutscher Hilfskreuzer in Dienst
gestellt und auf den Namen "Cormoran" umgetauft wurde. Am
Spätnachmittage des 6. August verließ "Emden" dann
endgültig Tsingtau, um sich bei Pagan mit dem Kreuzergeschwader zu
vereinigen. In der Begleitung des Kreuzers befanden sich der Hilfskreuzer "Prinz
Eitel Friedrich" und der Kohlendampfer "Markomannia". Am 12. August trafen
die Schiffe am Bestimmungsort ein; am folgenden Tage ging das
Kreuzergeschwader in See, und am 14. August wurde "Emden" durch das Signal
des Geschwaderchefs "»Emden« detachiert, wünsche guten
Erfolg" aus dem Verbande entlassen, um selbständig im Indischen Ozean
Handelskrieg zu führen. Der Kommandant beantwortete das Signal mit "Ich
danke Euer Exzellenz für in mich gesetztes Vertrauen, wünsche dem
Kreuzergeschwader glückliche Fahrt und guten Erfolg", schor in elegantem,
großem Bogen aus der Linie aus und begann seine Fahrt, die so erfolgreich
werden und das in ihn gesetzte Vertrauen vollauf rechtfertigen sollte. Der
Kohlendampfer "Markomannia" (Kapitän Faß) setzte sich ins
Kielwasser und wurde der "Emden" ein treuer Begleiter.
In flotter Fahrt ging es durch die Molukken-Passage,
Buru-Straße, Banda-See nach der Insel Timor. Am 19. August wurde bei
Angaur zur Kohlenübernahme geankert. Auf der Weiterfahrt traf "Emden"
mit dem Kanonenboot "Geier" kurz zusammen und ankerte am 27. August vor der
holländischen Insel Djampea. Nach kurzem Aufenthalt wurde der Marsch
fortgesetzt und ein künstlicher vierter Schornstein aus Segeltuch
aufgebracht, um das Schiff äußerlich schwerer erkenntlich zu
machen. Am 4. September lief "Emden" in den
Langini-Hafen auf der Insel Simolaer ein und füllte die Kohlenbunker
auf.
Mit dem Verlassen dieses Hafens am 5. September begann die eigentliche
Kreuzfahrt, der Vorstoß in den Indischen Ozean. In der Nacht vom 9. zum
10. September wurde die erste Prise gemacht in Gestalt des griechischen
Dampfers "Pon- [309] toporos", der als
willkommener Kohlendampfer - er hatte 6600 Tonnen bengalische Kohle
für die englische Regierung an Bord - mitgenommen wurde. Am 10.
September morgens wurde ein Dampfer gesichtet, der beim Näherkommen
die blaue Admiralitätsflagge heißte und es offenbar nicht für
möglich hielt, hier einem deutschen Kriegschiff zu begegnen. Es war der
englische Dampfer "Indus", von der englischen Regierung gemietet und für
Truppen- sowie Pferdetransport eingerichtet und ausgerüstet. Der Dampfer
wurde, nachdem die Besatzung in Sicherheit gebracht worden war, an Ort und
Stelle versenkt. Das gleiche Schicksal widerfuhr dem englischen Dampfer
"Lovat" am nächsten Tage. Am 12. September abends wurde der englische
Dampfer "Kabinga" angehalten und mitgeführt; er sollte für die
Folge als "Lumpensammler", d. h. zur Übernahme der Besatzungen
versenkter Schiffe, dienen. Kurze Zeit darauf wurde der englische Dampfer
"Killin" mit 6000 Tonnen Kohle aufgebracht, aber nicht versenkt, sondern
einstweilen mitgenommen. Einen besonders guten Fang machte der Kreuzer am
13. September mit dem englischen Dampfer "Diplomat", der mit Ladung einen
Wert von etwa 10 Millionen Mark darstellte. Das Schiff wurde versenkt. Am
gleichen Tage kam der italienische Dampfer "Loredano" in Sicht, bei dessen
Untersuchung sich herausstellte, daß es sich um ein neutrales Schiff ohne
Bannware handelte; es wurde daher unbehelligt gelassen.
Nunmehr mußte der Kommandant allmählich damit rechnen,
daß die Tätigkeit der "Emden" im Golf von Bengalen ruchbar
geworden war und daß man ihm auf den Fersen sein würde. Es wurde
Kurs nach der Ostküste Vorderindiens genommen, um auf dem belebten
Dampferwege Madras - Kalkutta neue Beute zu suchen. Am 14.
September kaperte "Emden" den englischen Dampfer "Trabboch" und versenkte
ihn, nachdem die Besatzung auf "Kabinga" übergeschifft worden war. Der
"Lumpensammler" mit seiner bunt durcheinandergewürfelten Besatzung
wurde darauf entlassen. Auf östlichem Kurse weitersteuernd, stieß
"Emden" bald auf den Dampfer "Clan Matheson", der ebenfalls eine besonders
wertvolle Ladung trug und samt dieser versenkt wurde. Der Kreuzer nahm Kurs
auf den Golf von Martapan und benutzte die günstige Witterung am 16.
September, um bei spiegelglatter See aus "Pontoporos" Kohlen zu nehmen. Der
griechische Dampfer wurde darauf unter Führung des Ersten Offiziers der
"Markomannia" nach einem Treffpunkt bei der Insel Simaloer entlassen. Am
folgenden Tage wurden Funkenzeichen wahrgenommen, die auf Anwesenheit des
englischen Panzerkreuzers "Hampshire" schließen ließen. Der
Kommandant hielt es daher für ratsam, das Operationsgebiet wieder zu
wechseln und einen Vorstoß gegen Madras an der Ostküste
Vorderindiens zu machen, um die dortigen Öltankanlagen zu
beschießen. Am 19. September wurden auf See aus dem Dampfer
"Markomannia" 300 Tonnen Kohlen genommen und in der Nacht der
Präparis-Südkanal passiert. Am Abend des 22. September wurde
"Markomannia" vorübergehend entlassen. Um 8 Uhr abends stieß
Kapitän v. Müller mit hoher [310] Fahrt gegen Madras
vor und erschien plötzlich überraschend vor dem ahnungslosen
indischen Ort. Die mächtigen Öltanks mit ihrem wertvollen Inhalt
wurden unter verheerendes Feuer genommen und in Brand geschossen. Einige
Granaten schlugen auch binnenlands ein und verursachten geringfügigen
Schaden, was nicht zu vermeiden war. Ebenso schnell, wie er gekommen,
verschwand der Kreuzer wieder in die dunkle Nacht, wobei der Feuerschein der
brennenden Öltanks noch auf über 50 Seemeilen deutlich zu
erkennen war.
Am 23. September traf "Emden" mit "Markomannia" wieder zusammen und kurz
entschlossen wurde nunmehr das Feld der Tätigkeit in den westlichen Teil
des Indischen Ozeans verlegt.
Am 24. September zeigte der Empfangsapparat der Funkentelegraphie auf
"Emden" die nähere oder weitere Anwesenheit des japanischen Kreuzers
"Tschikuma" an, der sich auf dem Wege von Colombo nach Madras befand. Am
25. September wurde der englische Dampfer "King Lud" angehalten und versenkt.
Auf nördlichen Kurs gehend, steuerte "Emden" dann den Dampferweg
Colombo - Aden an; nach Einbruch der Dunkelheit konnte der hin
und her gehende Lichtschein der Hafenverteidigung von Colombo deutlich
erkannt werden. In der folgenden Nacht lief der englische Dampfer "Tymeric" mit
4600 Tonnen Zucker im Werte von 3 Millionen Mark der "Emden" ins Garn,
wobei sich der englische Kapitän besonders erbost darüber zeigte,
gewissermaßen unter den Kanonen von Colombo von einem deutschen
Kreuzer gekapert zu werden. Dies hinderte den Kommandanten der "Emden"
allerdings nicht, den Dampfer an Ort und Stelle zu versenken. Die
"Jagdgründe" sollten hier noch ergiebiger werden, denn bald darauf wurde
der englische Dampfer "Gryfevale" angehalten und, da er ohne Ladung war, als
neuer "Lumpensammler" angespannt. Am 27. September war wiederum ein
besonders glücklicher Erfolg durch Aufbringung des englischen Dampfers
"Buresk" zu verzeichnen, der 6700 Tonnen
Cardiff-Kohle und 900 Tonnen Bunkerkohle an Bord hatte. Er wurde als neuer
Kohlenbegleitdampfer eingestellt, und zwar unter Führung eines von der
"Emden" übergeschifften Offiziers. Nachdem weiter die englischen
Dampfer "Ribera" und "Foyle" angehalten und versenkt worden waren,
entschloß sich der Kommandant, diese Gegend zu verlassen, da er damit
rechnen mußte, daß die Gegenwirkung englischer
Seestreitkräfte sich hier bald bemerkbar machen würde.
Das nächste Ziel waren die Malediven. Es wurden zum letzten Male am 29.
September aus "Markomannia" Kohlen ergänzt und der getreue Begleiter
dann entlassen, um nach der Insel Simaloer zu fahren und für die
Bereitstellung neuer Kohlendampfer mit Hilfe der Etappe zu sorgen. Das
treffliche Schiff ist später leider durch den englischen Kreuzer "Yarmouth"
aufgebracht und versenkt worden.
Nach verschiedenen Kreuzfahrten lief Emden am 9. Oktober zum Kohlennehmen
nach Diego Garcia ein, dessen Bewohner merkwürdigerweise vom
Aus- [311] bruch des Krieges noch
keine Ahnung hatten. Nach erfolgter Kohlenübernahme und
gründlicher Reinigung des Schiffsbodens setzte "Emden" am 10. Oktober
ihre Operationen fort. Der Kommandant hatte den kühnen Entschluß
gefaßt, nach Penang-Hafen an der Westküste Hinterindiens zu fahren
zur Zerstörung von dort etwa liegenden feindlichen
Krieg- und Handelsschiffen. Unterwegs wurden noch die englischen Dampfer
"Clan Grant", "Benmohr", "Troilus", "St. Egbert", "Exford" und "Chilkana"
gekapert, teilweise versenkt, teilweise mitgenommen, und am 28. Oktober der
Vorstoß gegen Penang angesetzt.
Beim Einlaufen in den unbekannten Hafen in der Frühe des 28. Oktober
dämmerte kaum der neue Tag herauf, als vier nebeneinanderstehende
weiße Lichter sichtbar wurden, die auf eine Entfernung von gut
1000 m als Hinterdecksbeleuchtung eines Kriegschiffs ausgemacht werden
konnten. Es war der russische Kleine Kreuzer "Schemtschug", auf den "Emden"
sofort zum Torpedoangriff vorging. Auf gut 300 m Entfernung
verließ der erste Torpedo das Rohr, und bald darauf griff die Artillerie der
"Emden" in das Gefecht ein. Der Torpedo traf in Höhe des hinteren
Schornsteins, es erfolgte eine starke Detonation, und gleichzeitig prasselte das
Artilleriefeuer auf das in sorgenlosem Schlummer daliegende Schiff. Die
völlig überraschte feindliche Besatzung eilte an die Geschütze
und gab einige Schüsse ab, die fehlgingen, und alsbald flog der Russe, von
einem zweiten Torpedo getroffen, in dichten Rauch gehüllt, in die Luft. Als
der Qualm sich verzogen hatte, war von dem Schiff weiter nichts zu sehen als eine
aus dem Wasser ragende Mastspitze.
Gleich darauf steuerte "Emden" mit hoher Fahrt wieder zum Hafen hinaus, und es
sollte nicht lange dauern, bis ihr ein zweiter Feind vor den Bug lief. Es war der
französische Torpedobootszerstörer "Mousquet", der vor dem Hafen
patrouillierte und den der Kanonendonner herangelockt hatte. Er wurde von
"Emden" sofort unter vernichtendes Salvenfeuer genommen und sank nach
kurzer, aber erfolgloser Gegenwehr. 42 Mann der Besatzung waren bei dem
Gefecht gefallen, 1 Offizier und 35 Mann wurden von "Emden" gerettet.
Nach dem schönen Erfolg von Penang, einem "Husarenstück" ersten
Ranges, steuerte "Emden" auf den Dampferweg
Singapore - Rangoon, um hier den Handelskrieg fortzusetzen. Am
30. Oktober wurde der englische Dampfer "Newburn" angehalten, aber nicht
versenkt, sondern zur Fortschaffung der kriegsgefangenen Besatzung des
"Mousquet" benutzt. Er erhielt Befehl, zunächst Sabang anzulaufen, um die
Verwundeten dort auszuschiffen. Am 31. Oktober fand bei Simaloer die
Wiedervereinigung mit dem Dampfer "Buresk" statt. Nachdem Kohlen
aufgefüllt waren, faßte der Kommandant
den - leider so folgenschweren - Entschluß, einen
Vorstoß gegen die Cocos-Inseln zu machen, um die dortige englische
Kabel- und Funkenstation zu zerstören.
Am Morgen des 9. November stand "Emden" vor ihrem Ziel und ankerte kurz
nach Sonnenaufgang vor Port Refuge, dem Ankerplatz der
Süd-Keeling- [312] Inselgruppe. Von
feindlichen Seestreitkräften war nichts zu sehen. Sofort wurde die
Landungsabteilung unter Führung des Ersten Offiziers, Kapitänleutnants v. Mücke, an Land gesetzt, mit dem Befehl,
die Kabel- und Funkenstation zu zerstören und, wenn möglich, auch
die Kabel zu schneiden. Der Handstreich wurde mit größter
Schnelligkeit ausgeführt, doch konnte nicht verhindert werden, daß
die Funkenstation den für "Emden" verhängnisvollen Funkspruch
abgab "Fremdes Kriegschiff in der Hafeneinfahrt". Auf "Emden" nahm man
mehrere Detonationen an Land wahr, die bekundeten, daß das
Landungskorps an der Arbeit war; auch wurde beobachtet, daß der
Funkenmast an Land umfiel. Da kam plötzlich gegen 9 Uhr in
nördlicher Richtung eine Rauchwolke in Sicht, aus der sich nach und nach
die Umrisse eines Kriegschiffes entwickelten. An das Landungskorps wurde das
Rückrufsignal gemacht, aber der Feind kam so schnell näher,
daß die Rückkehr des Landungsdetachements im Interesse der
Sicherheit der "Emden" nicht abgewartet werden konnte. Der Kommandant
ließ in allen Kesseln Dampf aufmachen und setzte sein Schiff in
Gefechtszustand. Es wurde Anker gelichtet und auf nordwestlichen Kurs
gegangen, dem Feinde entgegen. Der Gegner war der der "Emden" an
Gefechtskraft und Geschwindigkeit nicht unerheblich überlegene
australische Kreuzer "Sydney", der auf dem Wege nach Colombo begriffen war
und zufällig nur 52 sm von den
Cocos-Inseln ab stand, als er die von dort ausgeschickten drahtlosen Hilferufe
|
auffing. Er hatte sich sofort mit hoher Fahrt dorthin in Bewegung gesetzt und
stand nun der "Emden" gefechtsbereit gegenüber. Es entspann sich ein
scharfer Artilleriekampf, der wegen der Unterlegenheit der deutschen Kanonen
bald eine für "Emden" ungünstige Wendung nahm und es auch dem
Kapitän v. Müller unmöglich machte, die Torpedowaffe
seines Schiffes ins Gefecht zu bringen. Nach etwa zweistündigem Gefecht
war der deutsche Kreuzer derartig zusammengeschossen und so leck geworden,
daß der Kommandant sich entschloß, das Schiff auf Strand zu setzen,
um es nicht in die Hände des Feindes fallen zu lassen. Dies geschah
ungefähr um 1115 Uhr Vm. Es waren viele Tote
und Verwundete zu beklagen, zumal der Gegner noch wie rasend weiterfeuerte,
nachdem die "Emden"
längst keine Gegenwehr mehr leistete, weil sie ihrer
Waffen beraubt war. Aber auch "Sydney" hatte schwer gelitten und den
Waffenerfolg mit einer Trefferzahl von 16 Granaten erkauft, die einen Verlust von
4 Toten und 17 Verwundeten zur Folge hatten. Der Kommandant der "Emden"
wurde gerettet und in Kriegsgefangenschaft gebracht, wo er wegen seiner
chevaleresken und humanen Kriegführung in den ersten Monaten sehr gut,
später aber desto schlechter behandelt wurde. Das tapfere Landungskorps,
seines Schiffes beraubt, war unter der trefflichen Führung des
Kapitänleutnants v. Mücke nicht gewillt, sich in
Gefangenschaft zu begeben. Es rüstete das zufällig im Hafen
liegende alte Segelschiff "Ayesha" notdürftig aus und machte es segelfertig, was nur dadurch möglich war, daß der Kreuzer "Sydney" nach
Niederkämpfung der "Emden" sich auf die Verfolgung [313] des Kohlendampfers
"Buresk" begeben hatte. Nach abenteuerlicher Fahrt über den Indischen
Ozean gelang es dem Kapitänleutnant v. Mücke später,
mit einem deutschen Dampfer die Küste von Arabien und in langen
Märschen mit vielen Kämpfen den Anschluß an die
verbündeten türkischen Streitkräfte zu erreichen, wobei er den
Verlust manches braven Mannes zu beklagen hatte.
Mit dem Untergang der "Emden" verlor nicht nur die deutsche Marine, sondern
auch die deutsche Nation ihr gefeiertstes und populärstes Schiff, England
seinen im Handelskrieg gefürchtetsten Gegner. Hatte dieser treffliche
Kreuzer doch in der Zeit vom 5. September bis 20. Oktober, also im Verlauf von
noch nicht sieben Wochen, 15 englische Dampfer mit einer
Gesamtwasserverdrängung von rund 66 000 Tonnen und mit einem
Wert von etwa 60 bis 70 Millionen Mark versenkt und zwei englische
Kohlendampfer von zusammen etwa 9000 Tonnen aufgebracht; abgesehen von
den kriegerischen Erfolgen bei Madras, Penang und den
Cocos-Inseln, wo er die Zerstörung der englischen
Kabel- und Funkenstation mit einem schnellen, aber
ruhm- und ehrenreichen Ende erkaufen mußte. Bis in die fernsten Zeiten
wird die Geschichte den Völkern der Erde zu erzählen wissen, was
dieses deutsche Kriegschiff unter der Führung seines vortrefflichen
Kommandanten, fern der Heimat, auf sich allein gestellt, dem Vaterlande geleistet
hat.
S. M. Kleiner Kreuzer "Karlsruhe".5
Zur Zeit der politischen Spannung im Juli 1914 befand sich der Kleine Kreuzer
"Karlsruhe" auf der Ausreise von der Heimat nach der ostamerikanischen Station,
um daselbst den Kleinen Kreuzer "Dresden" abzulösen, der im
Anschluß daran in die Heimat zurückkehren sollte, aber infolge des
Kriegsausbruchs daran gehindert wurde. Am 26. Juli 1914 fand auf der Reede von
Port au Prince (Haiti) der Kommandowechsel statt. Der bisherige
Kommandant der "Dresden", Fregattenkapitän Köhler,
übernahm das Kommando über die "Karlsruhe" und ging mit dem
Schiff noch am gleichen Tage in See, um über Havanna nach Mexiko zu
dampfen. Bei der Ankunft in Havanna lauteten die Nachrichten bereits sehr
bedrohlich, so daß die für den 29. Juli in Aussicht genommene
Weiterreise um einen Tag verschoben wurde. Am 30. Juli ging das Schiff nach
Vera Cruz (Mexiko) in See und erhielt unterwegs am gleichen Tage die
drahtlose Nachricht, daß infolge der kritischen politischen Lage die Reise
nach Mexiko unterbrochen werden sollte. Der Kommandant beschloß, nicht
nach Havanna zurückzukehren, um den Aufenthaltsort des Schiffes zu
verschleiern und zu vermeiden, im Hafen durch englische Schiffe festgelegt zu
werden. Aus aufgefangenen Funksprüchen war zu erkennen, daß der
englische Panzerkreuzer "Berwick" auf der Fahrt von Mexiko nach Westindien
war und nicht weit ab sein konnte. Nach Einbruch der Dunkelheit dampfte
"Karlsruhe" nach Osten und ankerte am 31. Juli morgens auf der
Cay Salbank, einem Platze, der außerhalb [314] jedes Verkehrs lag. An
diesem Tage traf die Nachricht von der drohenden Kriegsgefahr ein. Das Schiff
blieb vorläufig auf seinem Ankerplatz liegen, um den
funkentelegraphischen Verkehr aufrechtzuerhalten und weitere Nachrichten
abzuwarten. Am 2. August wurde Anker gelichtet und die
Florida-Straße durchlaufen, am 3. August nach Osten gesteuert, um mit dem
deutschen Schnelldampfer "Kronprinz Wilhelm" an verabredeter Stelle
zusammenzutreffen. Inzwischen hatte der Kommandant die drahtlose Nachricht
erhalten, daß der englische Panzerkreuzer "Berwick" am 2. August abends
mit nordwestlichem Kurse Havanna verlassen hätte. Am 4. August wurde
die englische Gegnerschaft zur Gewißheit, und der Kommandant bekam
nun volle Freiheit des Handelns.
In der Nacht vom 5. zum 6. August wurde die drahtlose Verbindung mit
"Kronprinz Wilhelm" und am Morgen des 6. August die Vereinigung mit diesem
Schiffe vor den Bahama-Inseln hergestellt. Die Ausrüstung als Hilfskreuzer
begann sofort ("Kronprinz Wilhelm" erhielt zwei leichte Geschütze mit
Munition und sonstige Gefechtsausstattung von der "Karlsruhe"); gleichzeitig
nahm der Kreuzer die sehr notwendig gewordene Kohlenergänzung aus
dem Dampfer vor. Beide Manöver aber wurden bereits nach zwei Stunden
jäh unterbrochen durch das Insichtkommen eines feindlichen Kreuzers
(wahrscheinlich "Berwick"). Beide Schiffe trennten sich so schnell wie
möglich, die Ausrüstung des "Kronprinz Wilhelm" war wenigstens
so weit gediehen, daß er als Hilfskreuzer angesprochen und benutzt werden
konnte, während "Karlsruhe" immerhin 40 bis 50 Tonnen Kohlen hatte
übernehmen können. Ersterer lief in nordöstlicher, "Karlsruhe"
in nördlicher Richtung fort. Es gelang dem Kommandanten, vermöge
der hohen Geschwindigkeit, sich der Verfolgung durch den stark
überlegenen Gegner zu entziehen, aber kurz nach Einbruch der Dunkelheit
kamen beide Gegner doch in Gefechtsfühlung. Bei hellem Mondschein
entspann sich ein Artilleriekampf von halbstündiger Dauer. "Karlsruhe"
wurde nicht getroffen; ob der Gegner Beschädigungen oder Verluste
erlitten hatte, konnte nicht festgestellt werden, er blieb jedoch plötzlich
stark zurück und verschwand. Etwa eine Stunde später stieß
"Karlsruhe" wieder auf einen Gegner, es kam jedoch nicht zum Gefecht. Es war
klar, daß dem deutschen Kreuzer der Weg nach Norden durch mehrere
feindliche Kreuzer verlegt war; daher wurde beschlossen, mit
südöstlichem Kurs nach der Insel St. Thomas zu dampfen und
dort Kohlen aufzufüllen. Bei Tagesanbruch am 7. August war vom Feinde
nichts mehr zu sehen, jedoch aus Funkenzeichen zu schließen, daß
mehrere englische Kreuzer in der Nähe waren, darunter der Panzerkreuzer
"Suffolk" und der Kleine Kreuzer "Bristol".
Bald stellte sich heraus, daß der Brennstoffvorrat nicht ausreichte, um
St. Thomas zu erreichen. Es wurde daher Kurs auf San Juan auf
Portorico geändert, wo der Kreuzer am 9. August einlief. Da dieser Tag ein
Sonntag war und außerdem der englische und französische Konsul
der Bekohlung des Schiffes starken Widerstand entgegensetzten, gelang es nur mit
größter Mühe, [315] den Kohlenbestand, der
fast ganz zur Neige gegangen war, nur einigermaßen wieder
aufzufüllen. Noch am Abend desselben Tages lief "Karlsruhe" wieder aus
und nahm Kurs auf Curacao, wo am 12. August geankert wurde. Auch hier
machte man bezüglich der Kohlenlieferungen Schwierigkeiten, weil das
Gerücht bestand, Holland befinde sich mit Deutschland im Kriegszustand.
Es gelang aber dem ebenso energischen wie diplomatisch geschickten Auftreten
des Kommandanten, eine Bekohlung in Höhe von 1200 Tonnen zu
ermöglichen. Am Abend desselben Tages lief "Karlsruhe" wieder aus und
kreuzte zunächst an der Küste von Venezuela, um dann am 16.
August den Vormarsch nach Osten zur Kreuzerkriegführung anzutreten.
Am 18. August gelang es, die Vereinigung mit dem lange gesuchten Dampfer
"Patagonia" herzustellen, und der Kommandant beschloß, die Insel Maraca
anzulaufen, um daselbst aus dem Dampfer Kohlen zu nehmen. Auf der Fahrt
dorthin kam nachmittags der englische Dampfer "Bowes Castle" in Sicht, der mit
Salpeter und Silbererz im Werte von 600 000 Mark beladen war. Es war
ein ganz neuer und sehr wertvoller Dampfer. Das Schiff wurde nach
Überschiffung der Besatzung auf "Patagonia" an Ort und Stelle versenkt.
Am 21. August trafen beide Schiffe bei der
Maraca-Insel ein; die Kohlenübernahme begann sofort, wurde aber durch
die starke Strömung derart behindert, daß drei Tage benötigt
wurden, um 1200 Tonnen zu nehmen. Am 23. August wurde der Weitermarsch
nach den Joao-Inseln angetreten, wo der Dampfer "Schleswig" mit Kohlen
bereitliegen sollte. Dieser wurde dort am 25. August auch richtig angetroffen,
sofort entkohlt und wieder entlassen, nachdem ihm die Besatzung des "Bowes
Castle" an Bord gegeben worden war. Am 27. August setzten "Karlsruhe" und
"Patagonia" ihren Marsch fort, um die Insel Rocas anzusteuern. Auf dem Wege
dorthin wurde der englische Dampfer "Strathroy", mit 6000 Tonnen Kohlen
beladen, angehalten und mitgeführt. Bei Rocas fand Vereinigung mit den
deutschen Dampfern "Asuncion", "Crefeld" und "Rio Negro" statt. "Strathroy"
wurde mit deutschem Kommando als Hilfsschiff in Dienst gestellt. Der Dampfer
"Crefeld" wurde, weil schneller als "Patagonia", von nun ab als Begleitschiff
für "Karlsruhe" eingestellt. Am 1. September begann der Weitermarsch.
"Asuncion", "Rio Negro" und "Strathroy" erhielten Sonderbefehl.
Am 3. September wurde der englische Dampfer "Maple Branch" angehalten, der
2000 Tonnen Stückgut und lebendes Vieh an Bord hatte. Nachdem letzteres
geschlachtet und auf die beiden Schiffe verteilt war, wurde der Dampfer versenkt.
Am 4. September, auf der Höhe von Fernando Noronha, wurde der
Funkenverkehr des englischen Dampfers "Chemab" gehört, woraus
geschlossen werden konnte, daß dieser in der kommenden Nacht Fernando
Noronha passieren mußte. "Karlsruhe" und "Crefeld" wählten daher
einen Kurs, der auf den Standort des Dampfers führen mußte. Leider
wurde es ein Stoß in die Luft. Im Laufe der folgenden Tage kreuzten
"Karlsruhe" und die Begleitdampfer mit
ver- [316] schiedenen Kursen auf
der Hauptverkehrslinie zwischen Europa und Südamerika, ohne
zunächst weitere Prisen zu machen. Aus aufgefangenen
Funksprüchen konnte festgestellt werden, daß verschiedene englische
Kreuzer sich in den dortigen Gewässern befanden, darunter "Monmouth",
"Glasgow", "Cornwall" und mehrere Hilfskreuzer. Am 14. September war der
nächste Erfolg zu verzeichnen: der englische Dampfer "Highland Hope"
wurde angehalten und versenkt, nachdem dessen Markonistation ausgebaut und
übernommen worden war. Durch das Hinzukommen eines spanischen
Dampfers, der mit englischen Schiffen in privatem Funkenverkehr stand, war der
Aufenthaltsort der Schiffe wahrscheinlich bekannt geworden, so daß
"Karlsruhe" von nun ab einen anderen Platz zur Kreuzerkriegführung
wählen mußte. Die Schiffe verlegten ihre Tätigkeit nach der
Nordostküste von Südamerika, wo der Verkehr von und nach
Nordamerika und Westindien lebhaft sein mußte.
Am 17. September wurde der englische Dampfer "Indrani" aufgebracht, der 6700
Tonnen Kohlen an Bord hatte; er wurde unter deutschem Kommando als
Begleitdampfer mitgenommen. Der bisherige englische Begleitdampfer "Bowes
Castle" wurde, nachdem die letzten Kohlen aus ihm entnommen waren, versenkt.
Am 21. September traf "Karlsruhe" auf den holländischen Dampfer
"Maria", der in Charter einer englischen Firma fuhr und 6000 Tonnen Weizen an
Bord hatte. Während Anstalten gemacht wurden, den Dampfer zu
versenken, kam ein zweites Schiff in Sicht, der englische Dampfer "Cornish City"
mit 6400 Tonnen Kohlen an Bord. "Karlsruhe" ließ das Prisenkommando
auf dem ersteren Schiff zurück und jagte den Engländer. Beide
Schiffe wurden versenkt. Den englischen Dampfer "Rio Ignassu", der, mit 4800
Tonnen Kohlen, am folgenden Tage aufgebracht wurde, ereilte dasselbe
Schicksal. Die folgenden Tage wurden auf hoher See benutzt, um dringende
Überholungsarbeiten an Kesseln und Maschinen auszuführen. Der
Kreuzer konnte mit seinen bisherigen Erfolgen recht zufrieden sein; es waren sehr
wertvolle Prisen, die er gemacht hatte. Der Kommandant operierte mit den
Begleitdampfern in sehr geschickter Weise, indem er sie je nach den
Umständen in engerer oder weiterer Aufklärungslinie fahren
ließ und so die Wahrscheinlichkeit steigerte, feindliche Dampfer zu sichten
und aufzubringen.
Nach inzwischen erfolgter Kohlenübernahme wurde Anfang Oktober der
Kreuzerkrieg fortgesetzt. Am 5. Oktober gelang es, den englischen Dampfer
"Farn" mit 7000 Tonnen Kohlen aufzubringen, er wurde mit deutschem
Kommando als Hilfsschiff eingestellt. Die folgenden Tage brachten weitere
Erfolge: am 6. Oktober wurde der englische Dampfer "Niceto de Larrinaga" mit
8000 Tonnen Hafer und Mais aufgebracht, am 7. Oktober der englische Dampfer
"Lynrowan" mit 5000 Tonnen Mais, Zucker, Talg und Fellen sowie 12
Automobilen, am 8. Oktober der englische Dampfer "Cervantes" mit 4500
Tonnen Viehfutter, Zucker, Fellen und Wolle, sowie der englische Dampfer
"Pruth" mit 2300 Tonnen Gerste und 3800 [317] Tonnen Salpeter, am
11. Oktober der englische Dampfer "Condor" mit Dynamit, Maschinenöl
und Petroleum. Letzterer war gut mit Proviant, besonders Konserven, versehen; da
"Karlsruhe" und die Hilfsdampfer knapp an Proviant waren und der Kreuzer
dringend Heizöl benötigte, wurde die Ladung als willkommene
Beute empfunden. Sämtliche Dampfer wurden versenkt. Der Kommandant
hatte sich in seiner Hoffnung, an der Nordostecke des südamerikanischen
Kontinents gute Beute zu finden, nicht getäuscht.
Am 18. Oktober wurde noch der englische Dampfer "Glanton" mit 3700 Tonnen
Kohlen und am 23. Oktober der englische Dampfer "Hurstdale" mit 4600 Tonnen
Mais angehalten und versenkt, nachdem inzwischen der Dampfer "Crefeld" nach
Teneriffa entlassen worden war. Da dieser dort inzwischen eingetroffen sein
mußte, war mit der Annahme zu rechnen, daß durch die daselbst
gelandeten englischen Besatzungen der Aufenthaltsort der "Karlsruhe" bekannt
geworden wäre. Der Kommandant wechselte daher das Operationsgebiet
und ging zunächst zur Kohlenübernahme nach Sao Joao.
Am 26. Oktober sollte dem braven Kreuzer der letzte Erfolg beschieden sein; er
traf auf den englischen Dampfer "Vandyck", der 210 Passagiere,
größtenteils Amerikaner, an Bord hatte, ferner Post, Geld und 1000
Tonnen gefrorenes Fleisch. Nach Übernahme der Passagiere und des
größten Teiles der Ladung auf die Begleitdampfer wurde "Vandyck"
versenkt.
Am 28. Oktober traf "Karlsruhe" mit den Begleitschiffen vor Sao Joao ein und
nahm Kohlen, dann wurde der Weitermarsch in das neue Operationsgebiet, die
westindischen Inseln, angetreten. Es war beabsichtigt, auf den
Handelsstraßen nach Barbados und Trinidad zu kreuzen. Dieses Ziel hat der
Kreuzer "Karlsruhe" nicht mehr erreicht. Auf hoher See erfolgte auf bisher
unaufgeklärte Weise am 4. November im Torpedobreitseitraum eine heftige
Explosion, die das Schiff auseinanderriß. Es sank um 7 Uhr abends auf
11° 7' nördlicher Breite und
55° 20' westlicher Länge, auf etwa 4000 Meter
Wassertiefe. Der treffliche Kommandant wurde mit 259 Mann der Besatzung in
die Tiefe gerissen. Nur der Anwesenheit der beiden Begleitdampfer
"Rio Negro" und "Indrani" ist es zu danken, daß alle
Überlebenden einschließlich der Schwerverletzten gerettet werden
konnten. Der ebenfalls gerettete Erste Offizier, Kapitänleutnant Studt,
übernahm das Kommando über den übrig gebliebenen Teil der
Besatzung und stellte sich die schwere, aber schöne Aufgabe, diese der
Heimat zuzuführen, behufs weiterer Verwendung im Dienste des
Vaterlandes.
Er benutzte hierzu den Dampfer "Rio Negro" und beschloß, auf Umwegen
den norwegischen Hafen Bergen anzusteuern und von hier aus in die Heimat zu
gelangen. Aus dem Dampfer "Indrani" sollte zunächst der Kohlenbestand
des "Rio Negro" nach Möglichkeit aufgefüllt werden. Dazu
wurde nördlicher Kurs aufgenommen, unter Umgehung des von einem
englischen Kreuzer bewachten Meeresgebiets östlich der Insel Trinidad,
und am 7. November auf einem von [318] den früheren
Operationen bekannten Ankerplatz geankert. Nach dem Kohlenauffüllen
trat Kapitänleutnant Studt am 9. November die Heimreise an, und es ist ihm
unter mancherlei Fährnissen glücklich gelungen, am 5. Dezember
1914 die heimischen Gewässer zu erreichen.
Läßt man rückschauend nochmals die dreimonatige
Tätigkeit des Kleinen Kreuzers "Karlsruhe" an sich vorüberziehen,
so fragt man sich unwillkürlich, weshalb der Name "Emden" in der
deutschen Nation so volkstümlich geworden und der Name "Karlsruhe"
dagegen stark in den Hintergrund getreten ist. Dies hat seinen Grund wohl darin,
daß die kriegerischen Erfolge der "Emden" von einer gewissen Romantik
angehaucht sind, einer Romantik, wie sie gerade dem
seemännisch-militärischen Handwerk eigentümlich ist. Es
spielten sich bei den durch die "Emden" erfolgten Schiffsversenkungen und bei
ihren unvermuteten Besuchen in den entlegensten Häfen Episoden ab, die
oft eines tragikomischen Beigeschmacks nicht entbehrten; die Art und Weise, wie
die "Emden" ihre Dutzend Gegner, die vergeblich Jagd auf sie machten,
abschüttelte und nasführte; der sportliche Charakter ihrer
Handelskriegführung, der selbst den Engländern als Leidtragenden
Anerkennung und Achtungsbezeigung abnötigte; der Wechsel zwischen
reiner Handels- und militärischer Angriffskriegführung; der
Abschluß des Dramas durch heldenmütigen Kampf und Untergang
und schließlich die Argonautenfahrt des Mückeschen Landungskorps
über den Indischen Ozean nach Arabien und weiter nach der
Türkei - alle diese Eigentümlichkeiten der
"Emden"-Tätigkeit treten bei der "Karlsruhe" nicht in die Erscheinung.
Während der Name "Emden" im Laufe der ersten Kriegsmonate in aller
Munde war, hörte man von der "Karlsruhe" gar nichts. Um so mehr aber ist
es Pflicht der Geschichtschreibung, die Taten der "Karlsruhe" entsprechend ihrem
Werte nachträglich zu würdigen. Fregattenkapitän
Köhler arbeitete im stillen, er behielt die gefangenen Besatzungen der
versenkten Schiffe so lange bei sich, wie es irgend möglich war. Daher
drang der Ruhm seiner kriegerischen Tüchtigkeit nicht durch; Funkspruch
und Kabel wußten wohl zu melden, daß ein Schiff nach dem andern
überfällig war; man raunte sich in den Wandelgängen der
Londoner Schiffahrtsbörse allerhand zu über die geheimnisvolle
Tätigkeit eines deutschen Kreuzers in den Gewässern des
Atlantischen Ozeans, aber es schwebte ein schier undurchdringliches Dunkel
über diesen Vorgängen. Eine solche "lautlose"
Handelskriegführung ist vom Standpunkte der Seestrategie die richtige, die
ideale, und deshalb ist die durch die "Karlsruhe" erfolgte Versenkung von 16
englischen Dampfern im Werte von vielen Millionen vom militärischen
Gesichtspunkt mindestens ebenso hoch einzuschätzen, wie die
"Emden"-Tätigkeit.
S. M. Kleiner Kreuzer "Königsberg" und Vermessungsschiff
"Möwe".
S. M. Kleiner Kreuzer "Königsberg", Kommandant Fregattenkapitän
Looff, war erst am 6. Juni 1914 auf der ostafrikanischen Station eingetroffen,
während [319] das kleine
Vermessungsschiff "Möwe" schon länger auf dieser Station
tätig war. Beim Eintreffen der ersten Nachrichten über die
Unsicherheit der politischen Lage, am 24. Juli 1914, kehrte "Königsberg"
von seinem Übungsplatz nach Daressalam zurück, die
"Möwe" folgte ebendahin am 26. Juli. Es wurden sofort in Verbindung mit
dem Gouverneur von Deutsch-Ostafrika die für den Kriegsfall zu treffenden
Maßnahmen besprochen; auf "Königsberg" selbst wurden alle
entsprechenden Vorbereitungen getroffen. Die "Möwe", welche keinerlei
Gefechtswert besaß, sollte bei Kriegsausbruch außer Dienst gestellt
und aufgelegt werden,6 während mit ihrer Besatzung,
wenn möglich, ein geeigneter Handelsdampfer als Hilfskreuzer
ausgerüstet werden sollte. Zu diesem Zweck gab "Königsberg" zwei
leichte Geschütze an die "Möwe" ab. Vom Feinde war bekannt,
daß sich das alte französische Kanonenboot "Vancluse" in Durban im
Dock befinden sollte, daß russische Kriegschiffe nicht in erreichbarer
Nähe waren und daß das englische
Kap-Geschwader, bestehend aus den drei Kleinen Kreuzern "Hyacinth", "Astraea"
und "Pegasus", Kapstadt verlassen hatte und sich auf See befand, angeblich auf
der Reise nach Mauritius.
Am 31. Juli lief die Nachricht ein, daß dieses englische Geschwader am 1.
August vor Sansibar erwartet würde. Am Nachmittag des 31. Juli lief
"Königsberg" mit voller Kriegsausrüstung aus Daressalam aus und
stieß unerwartet in einer Entfernung von 5 bis 10 sm von der
Küste bereits auf das englische Geschwader. Es wurde dem Kommandanten
sofort klar, daß der Engländer zur Beobachtung der
"Königsberg" Stellung vor Daressalam eingenommen hatte. Auf der
weiteren Fahrt hielten die drei englischen Kreuzer unmittelbare Fühlung
mit "Königsberg", ein zum mindesten auffallendes Verhalten, da ein
Kriegszustand noch nicht bestand. In der kommenden Nacht gelang es der
"Königsberg", die lästigen englischen Fühlunghalter
abzuschütteln und die Fahrt nach dem Operationsgebiet, dem Golf von
Aden, fortzusetzen; die drahtlose Verbindung mit Daressalam konnte noch
aufrechterhalten werden, wurde aber mit zunehmender Entfernung immer
schwieriger. Nachdem am 2. August die Nachricht vom Ausbruch des Krieges mit
Rußland und Frankreich eingetroffen war, wurde am 5. August abends auch
die Kriegserklärung Englands zur Gewißheit. Die größte
Sorge des Kommandanten war die Kohlenversorgung des Schiffes und die
bedauerliche Tatsache, daß die Maschinenanlage nicht ganz einwandfrei
arbeitete, da Maschinen und Kessel seit längerer Zeit nicht gründlich
überholt waren. Die Kohlenfrage mußte brennend werden, wenn es
nicht bald gelang, einen deutschen oder feindlichen Kohlendampfer auf See
anzutreffen. Dazu kam die Besorgnis, ob es der Etappe Daressalam gelingen
würde, die beiden dafür vorgesehenen
Begleit- und Vorratschiffe für "Königsberg" aus dem Hafen
heraus- und durch die englischen Bewachungsschiffe hindurchzubringen. Die
letzteren waren, wie [320] sich später
herausstellte, durch die Scheinkurse der "Königsberg" auf eine ganz falsche
Fährte geraten und hatten den deutschen Kreuzer an den Tagen nach dem 1.
August in dem Gebiet der Küste südlich von Daressalam vergeblich
gesucht.
"Königsberg" versuchte nach dem Eintreffen im Operationsgebiet
zunächst, Funkenverbindung mit deutschen Dampfern herzustellen. Dieses
gelang nur bei dem Lloyddampfer "Zieten", der als Reichspostdampfer sich auf
der Rückreise von Australien befand und den 98 Köpfe starken, von
der Südsee heimkehrenden Besatzungsteil des Vermessungsschiffes
"Planet" sowie mehrere Passagiere, darunter auch Engländer, an Bord hatte.
Diese jungen und gut ausgebildeten Marinemannschaften waren für
"Königsberg" ein besonders willkommener Besatzungszuwachs; sie
wurden, nachdem die Schiffe einander gefunden hatten, auf "Königsberg"
übergeschifft, während mit "Zieten" ein späterer Treffpunkt im
Golf von Aden vereinbart und der Dampfer dorthin entlassen wurde. Am 6.
August wurde der deutsche Dampfer "Goldenfels" gesichtet, der aber leider nur
mangelhafte Kohlen an Bord hatte, die für die Kessel der
"Königsberg" nicht geeignet waren. Der Dampfer erhielt einstweilen
Anweisung, sich nach einem Treffpunkt an der arabischen Südküste
zu begeben. Bald kam auch "Zieten" wieder in Sicht und empfing die Weisung,
ebenfalls an der Südküste von Arabien, bei Bender Burun, auf die
"Königsberg" zu warten. Der Kommandant steuerte nunmehr auf Aden zu,
in der Hoffnung, auf diesem vielbefahrenen Seegebiet gute Beute zu finden,
wobei allerdings auch mit dem Erscheinen überlegener feindlicher
Streitkräfte gerechnet wurde. Er hatte sich nicht getäuscht. In der
Nacht zum 7. August kam ein englischer
7000-Tonnen-Dampfer namens "City of Winchester" in Sicht, der
hauptsächlich Tee für London geladen hatte. Das Schiff wurde nach
dem Treffpunkt Bender Burun mitgenommen, wo "Königsberg" mit
"Zieten" wieder zusammentraf. Dorthin kam ebenfalls der inzwischen durch
Funkspruch herangeholte deutsche Dampfer "Ostmark". "Zieten" wurde darauf
nach Portugiesisch-Ostafrika, dem Hafen Mozambique, entlassen, wo er auch
wohlbehalten eintraf; ebenso der Dampfer "Ostmark" nach Massana. Die "City of
Winchester" wurde nach den Churja-Maria-Inseln gebracht, wo Dampfer
"Goldenfels" schon wartete. Dieser bekam die Besatzung des Engländers an
Bord, der Dampfer "City of Winchester" wurde darauf versenkt. Endlich, am 14.
August, traf der sehnsüchtig erwartete Dampfer "Somali" aus Daressalam
ein; "Goldenfels" wurde alsbald nach Holländisch-Indien entlassen. Das
beabsichtigte Kohlennehmen aus dem Dampfer "Somali" mußte wegen der
bedrohlichen Nähe mehrerer englischer Kriegschiffe unterbleiben und der
Ankerplatz geändert werden. Nach mehrtägigen Fahrten bei
schwerem Wetter wurde "Somali" nach Ras Hafun bei dem
Kap Guardafui entlassen, um dort auf "Königsberg" zu warten. Hier
konnte endlich am 21. August die Kohlenübernahme vor sich gehen,
nachdem der Vorrat der "Königsberg" auf einen kritisch niedrigen Stand
gesunken war.
[321] Da die Anwesenheit
des deutschen Kreuzers im Golf von Aden allmählich bekannt geworden
sein mußte, außerdem die Nähe mehrerer englischer
Kriegschiffe zur Gewißheit geworden war, entschloß sich der
Kommandant, am 23. August das nördliche Operationsgebiet zu verlassen
und die Gewässer der Insel Madagaskar aufzusuchen, um hier den
französischen Handelsschiffsverkehr zu stören. "Somali" wurde nach
Aldabra, einer einsamen Insel nordwestlich von Madagaskar, entlassen. Nach
siebentägiger Fahrt lief "Königsberg" in Majunga, den Haupthafen
der Insel Madagaskar, ein. Dieser war leer, die vermutete Befestigung nicht
vorhanden. Der Hafen wurde daher gleich wieder verlassen und mehrere Tage auf
den Hauptdampferwegen nördlich der Insel gekreuzt. Am 1. September
wurde bei der Insel Aldabra geankert, wo der Dampfer "Somali" bereits wartete
und sofort mit der Kohlenabgabe an "Königsberg" begann. Der
Kommandant mußte jetzt mit Rücksicht auf den Zustand der Kessel
und Maschinen einen geschützten Ankerplatz aufsuchen. Er wählte
dazu die Mündung des Rufiji-Flusses an der ostafrikanischen Küste,
wo er am 3. September eintraf. Dank der Unterstützung von Daressalam
aus gelang es, den Kreuzer, der sich hier zur Sicherung gegen
Überfälle "verschanzt" hatte, ausreichend mit Kohlen, Proviant und
sonstiger Schiffsausrüstung zu versehen, so daß das Schiff nach
beendeter Reparaturzeit am 18. September wieder gefechtsbereit und klar zum
Auslaufen war. Inzwischen war festgestellt worden, daß mindestens zwei
englische Kriegschiffe an der Küste kreuzten. Da eines von diesen schon
mehrere Tage nicht mehr beobachtet worden war, nahm der Kommandant an,
daß es sich wahrscheinlich nach Sansibar zum Kohlennehmen begeben
hätte, und beschloß, den Gegner dort aufzusuchen und
anzugreifen.
Zu diesem Zweck verließ "Königsberg" am 19. September seinen
Ankerplatz in der Rufiji-Mündung und steuerte Sansibar in der Nacht zum
20. September an. Ein feindliches, armiertes Hilfskriegschiff wurde in der
Dunkelheit passiert, das den deutschen Kreuzer nicht zu bemerken schien. Trotz
der navigatorisch schwierigen Einfahrt gelang es, noch bei Dunkelheit bis zur
südlichen Zufahrt vorzudringen, und bei Tagesanbruch wurde im Hafen ein
englischer Kreuzer mit zwei Schornsteinen entdeckt, der zunächst für
"Astraea" gehalten wurde; später stellte sich heraus, daß es der
englische Kreuzer "Pegasus" war. Der Kommandant beschloß, den an
Größe und Armierung überlegenen Gegner sofort mit der
Artillerie auf größere Entfernung anzugreifen. Der Engländer
wurde völlig überrascht und bot der "Königsberg" durch seine
Breitseitlage ein vorzügliches Ziel. Kurz nach 5 Uhr morgens setzte
der deutsche Kreuzer Toppflaggen und eröffnete das Feuer auf etwa
7000 m Entfernung. "Pegasus" machte beschleunigt Dampf auf.
"Königsberg" hatte sich nach den ersten Salven gut eingeschossen, im
Vorschiff des Engländers erfolgte eine größere Explosion und
bald geriet das Schiff an mehreren Stellen in Brand. Der vordere Schornstein
knickte um und nach etwa dreiviertelstündigem Gefecht sank der englische
[322] Kreuzer in die Tiefe,
nachdem er das Feuer des Gegners erfolglos erwidert hatte. Es verdient
hervorgehoben zu werden, daß der Engländer vorher zum Zeichen der
Kapitulation die weiße Flagge gesetzt hatte, die aber nicht auswehte und
daher von "Königsberg" nicht erkannt wurde. "Königsberg" hatte
weder Verluste noch Beschädigungen erlitten, "Pegasus" hatte 33 Tote und
59 Verwundete zu beklagen. An ein Bergen der Verwundeten konnte der
Kommandant nicht denken, da er noch andere Aufgaben am gleichen Tage zu
lösen hatte.
Nach dem Niederkämpfen des "Pegasus" verließ "Königsberg"
den Hafen, gab noch einige Schüsse auf die Funkenstation ab, welche nicht
unerheblich beschädigt wurde, und kehrte am 20. September nach der
Rufiji-Mündung zurück. Es war ein schöner
militärischer Erfolg, der wiederum Zeugnis dafür ablegte, daß
die deutschen Kreuzer im Auslands niemals das militärische Ziel aus dem
Auge verloren, sondern jede Gelegenheit benutzten, im frischen, mutigen Angriff
den bewaffneten Gegner aufzusuchen, anzugreifen und zu vernichten.
Der Kreuzer sollte keine Gelegenheit mehr erhalten, seinen Zufluchtsort zu
verlassen und zu neuen Unternehmungen auszulaufen. Der Feind hatte entdeckt, wo die "Königsberg" sich aufhielt, und begann jetzt die Mündung
des Rufiji-Flusses systematisch zu blockieren. Die nun folgende lange
Blockadezeit und die letzten Kämpfe des Kreuzers bis zu seinem Untergang
erfordern zu ihrer vollen Würdigung eigentlich einen viel breiteren Raum;
sie können leider nur ganz kurz wiedergegeben werden.
Durch geschickte Benutzung der eigenen sowie der Funkenstation des Dampfers
"Somali"7 gelang es der "Königsberg", dem
Feinde vorzutäuschen, das Schiff befände sich noch auf hoher See;
erst am 30. Oktober konnten die Engländer den Versteck des deutschen
Kreuzers in der Rufiji-Mündung durch Ausfragen gefangen genommener
Eingeborener ausfindig machen. In dieser Erwartung hatte der Kommandant sich
bereits auf eine längere Verteidigung eingerichtet und einen umfangreichen
Beobachtungs- und Wachdienst sowie an Land eingebaute Gefechtsstellen
vorgesehen. Da ein gewaltsames Eindringen in die Flußmündung auf
diese Weise sehr erschwert war, versuchten die englischen
Blockade-Kreuzer zunächst, die "Königsberg" und den
Begleitdampfer "Somali" durch Beschießung von See aus
unschädlich zu machen. Das Bombardement setzte am 1. November gegen
"Somali" und am 3. November gegen "Königsberg" auf etwa
15 000 m Entfernung mit
15-cm-Geschützen ein, nachdem sich die Engländer vorsichtig so
weit wie möglich herangelotet hatten. Die Beschießung war
äußerst heftig und führte auch zur Vernichtung der "Somali"
am 8. November, während "Königsberg" wohl einige
Sprengstücke, aber keinen Volltreffer erhielt. Die englische Blockade
wurde durchgeführt von den modernen Kreuzern "Chatham", "Dartmouth"
und "Weymouth", zu denen später noch der Kreuzer "Fox" sowie einige
Hilfskriegschiffe traten, also ein ziemlich umfangreicher Apparat.
[323] Nach der
Beschießung verlegte "Königsberg" ihren Ankerplatz zunächst
nur etwa 5 km weiter in das Innere des
Rufiji-Deltas, was aber bei den schwierigen Stromverhältnissen
großes seemännisches Geschick erforderte. Am 10. November
drangen die Engländer nach erneutem Bombardement der
Landverteidigungsstellen in die eine Mündung des
Rufiji-Deltas ein und machten die Benutzung dieses Flußarmes durch
Versenkung eines Dampfers unbrauchbar. Am 22. November erschien zum
erstenmal ein feindliches Flugzeug, das dann mehrfach seine Besuche wiederholte
und stets unter Feuer genommen, auch einmal getroffen wurde. Am 10. Dezember
mußte es wegen Motorschadens landen, wobei der Führer, ein junger
englischer Offizier, gefangen genommen wurde.
Der in den Monaten Dezember/Januar zeitweise sehr heftig auftretende
Nord-Ost-Monsun erschwerte den Engländern ihre Blockade
außerordentlich, zumal passende Ankerplätze vor der
Rufiji-Mündung nicht vorhanden waren. Daher griffen sie am 10. Januar
1915 die dort gelegene kleine Insel Mafia an, vertrieben den schwachen
Verteidigungsposten und setzten sich in Besitz der Insel, die sie als
Stützpunkt einrichteten und die ihnen gute Ankerplätze verlieh. Am
6. Februar machten sie mit dem früher gekaperten und von ihnen armierten
Dampfer der Ostafrika-Linie "Adjutant" eine Erkundungsfahrt in die
Rufiji-Mündung. Der Dampfer wurde von der äußersten
Verteidigungsstellung unter Feuer genommen, manövrierunfähig
geschossen und zum Stranden gebracht. Der Dampfer holte darauf seine Flagge
nieder und setzte anstatt der stolzen englischen eine besonders große
weiße Flagge. Schiff und Besatzung ergaben sich. Am 3. März
empfing "Königsberg" durch die Funkenstation Windhuk
(westafrikanisches Schutzgebiet) die überraschende Nachricht, daß
ein Hilfsschiff mit Waffen, Munition und sonstiger Kriegsausrüstung von
der Heimat unterwegs und Mitte April an der ostafrikanischen Küste zu
erwarten wäre. Es war der Dampfer "Rubens", der unter der vortrefflichen
Führung des Oberleutnants zur See d. Res. Christiansen auch
tatsächlich bis an die Küste gelangte, aber leider durch den
englischen Kreuzer "Hyacinth" entdeckt und verfolgt wurde, so daß er am
14. April an der Küste des nördlichen Schutzgebietes versenkt
werden mußte, um dem Gegner nicht in die Hände zu fallen. Hiermit
war auch der "Königsberg" die letzte Möglichkeit genommen, aus
der Rufiji-Mündung auszubrechen, sich mit "Rubens" zu vereinigen und
weiter erfolgreich Kreuzerkrieg zu führen.
Nachdem im März/April das englische Blockadegeschwader
vorübergehend durch das Linienschiff "Goliath" verstärkt worden
war, trat am 27. April der Panzerkreuzer "Cumberland" und Mitte Juni ein
weiterer, besonders großer und stark armierter Hilfskreuzer hinzu; ferner
von Südafrika her ein Flugzeugmutterschiff mit einem
Land- und zwei Wasserflugzeugen. Der Gegner bestand Ende Juni 1915 aus nicht
weniger als einem Panzerkreuzer, vier geschützten Kreuzern, zwei
Monitoren, drei großen Hilfskreuzern, drei kleinen Hilfskriegschiffen, acht
bis zehn armierten Walfischfängern und einem Flugzeugmutterschiff,
[324] fürwahr eine
gewaltige Streitmacht gegen einen einzigen deutschen
Kreuzer - die englische Admiralität scheute keine Mittel "to sink
or destroy the Königsberg", wie ihr bereits vor Monaten erteilter Befehl
lautete.
Im Laufe des Mai und Juni machten die Engländer mehrfach
Fliegerangriffe, die durch die 10,5-cm-Geschütze der "Königsberg"
aber stets erfolgreich abgewiesen wurden. Anfang Mai war über
Portugiesisch-Ostafrika der Befehl aus der Heimat eingetroffen, die deutsche
Schutztruppe in Ostafrika durch Personal der "Königsberg" nach
Möglichkeit zu verstärken. Dies geschah dadurch, daß der
Kommandant dem Kommandeur der Schutztruppe 4 Offiziere, 3 Deckoffiziere
und 80 Mann zur Verfügung stellte. Mit dem Rest der Besatzung richtete er
sich auf den allgemeinen großen Angriff des englischen
Blockadegeschwaders ein, der dann auch am 6. Juli 1915 erfolgte.
In der Frühe dieses Tages drang der Gegner mit seinen Monitoren gegen die
Flußmündung vor, die Kreuzer folgten in einiger Entfernung. Sobald
die Schiffe in Reichweite der Geschütze der "Königsberg"
gekommen waren, wurden sie unter Feuer genommen. Alsbald stiegen auch die
feindlichen Flugzeuge zum Angriff auf. Es erfolgte eine planmäßige
|
Beschießung und gegen 8 Uhr morgens erhielt "Königsberg" einige
Volltreffer, aber trotz des neun Stunden währenden Gefechts gelang es
nicht, das Schiff niederzukämpfen; es blieb seeklar und
gefechtsfähig, als der Gegner seinen Angriff um 4 Uhr Nm.
aufgab und sich nach See zu zurückzog. "Königsberg" hatte einige
Beschädigungen erlitten; außerdem waren mehrere Verwundungen
des Personals zu verzeichnen, darunter der Kommandant.
Am Sonntag, dem 11. Juli, erfolgte der zweite große Angriff, diesmal unter
persönlicher Leitung des englischen Viceadmirals King Hall, der
sich auf dem Kreuzer "Weymouth" eingeschifft hatte. Gegen
11 Uhr Vm. näherte sich das ganze Blockadegeschwader,
bestehend aus 21 Schiffseinheiten, wiederum hatten die Monitore die
Führung. Es setzte alsbald eine ungemein heftige Beschießung der
"Königsberg" ein, die ihrerseits den Rest ihrer Kräfte und ihrer
Munition einsetzte, um ihr Leben so teuer wie möglich zu verkaufen. Die
Artillerie des Schiffes hatte gegen die stark überlegenen Gegner bereits gute
Treffresultate erzielt, als im Hinterschiff gegen 1 Uhr ein verheerender
Brand ausbrach und das Schiff bald des Gebrauchs seiner Waffen beraubte. Mit
dem letzten an Bord vorhandenen Geschoß, einem
10,5-cm-Schrapnell, wurde eins der beiden englischen Flugzeuge
heruntergeschossen. Dann gab der zum zweitenmal schwer verwundete
Kommandant dem Ersten Offizier den Befehl, das Schiff durch Sprengung zu
vernichten. Der überlebende Teil der Besatzung wurde an Land
ausgeschifft, als letzter verließ der Kommandant sein Schiff; dann sank der
brave deutsche Kreuzer gegen 2 Uhr Nm. auf den Grund des Flusses,
der ihm beinahe zehn Monate lang als Unterschlupf gedient hatte.
Von allen deutschen Auslands-Kriegschiffen, soweit sie über einen
gewissen [325] Gefechtswert
verfügten, hat die "Königsberg" am längsten bestanden; fast
ein ganzes Jahr lang hat das tapfere Schiff dem übermächtigen
Feinde Trutz geboten und ihn gezwungen, eine
verhältnismäßig große Streitmacht an der
ostafrikanischen Küste zu unterhalten. Über die Betätigung der
Besatzung des Vermessungsschiffes "Möwe" im Dienste der
"Königsberg" hat im Rahmen dieses kurzen Abrisses nicht viel gesagt
werden können; jedenfalls hat sie nicht unwesentlich zu der langen
Lebensdauer des Kreuzers beigetragen. Über ihre und des abgegebenen
Besatzungsteils der "Königsberg" Teilnahme an den Kämpfen der
Schutztruppe innerhalb der deutschen Kolonie wird an einer andern Stelle dieses
Bandes zu berichten sein.8
S. M. Kanonenboot "Geier".
S. M. Kanonenboot "Geier" hatte bis Anfang Juni 1914 Dienst auf der
ostafrikanischen Station getan, war daselbst von "Königsberg"
abgelöst worden und befand sich seitdem auf der Reise nach der
australischen Station, seinem zukünftigen Tätigkeitsfelde. "Geier"
lief nach Durchquerung des Indischen Ozeans am 25. Juli Singapore an und
empfing dort die ersten Nachrichten von der bedrohlichen politischen Lage. Als
diese immer gespannter wurde, versuchte der Kommandant, bezüglich
seines weiteren Verhaltens mit dem Chef des Kreuzergeschwaders in
telegraphische Verbindung zu treten, jedoch vergeblich. Nach mehrtägigen
Kreuzfahrten im holländisch-indischen Archipel glückte dann am 6.
August die Vereinigung mit den beiden deutschen Dampfern "Bochum" und
"Elmshorn". Aus letzterem wurden die Kohlenbestände aufgefüllt,
während ersterer Befehl erhielt, dem "Geier" als Begleitschiff zu dienen.
"Elmshorn" wurde mit Sonderbefehl nach einem neutralen Hafen entlassen. In den
folgenden Tagen steuerte "Geier" weiter durch den Archipel, immer noch im
Ungewissen, ob die inoffiziell bekannt gewordene Nachricht von der
Kriegserklärung Englands Tatsache war oder nicht. Da das Schiff selbst fast
gar keinen Gefechtswert besaß, faßte der Kommandant den
Entschluß, die Sawai-Bucht auf der Insel Ceram anzulaufen und daselbst
oder auf einem anderen Ausrüstungsplatze einen Dampfer zu suchen, der
als Hilfskreuzer geeignet wäre.
Mittlerweile war es Mitte August geworden, "Geier" befand sich mit "Bochum"
immer noch einsam auf weiter See. Plötzlich wurden in der Nacht vom 17.
zum 18. August Funkenzeichen von dem Kleinen Kreuzer "Emden"
wahrgenommen. Nachdem die Verbindung drahtlos hergestellt worden war,
erhielt "Geier" von "Emden" endlich die Bestätigung der englischen
Kriegserklärung sowie die Nachricht von der voraussichtlichen
Gegnerschaft Japans. Beide Kommandanten vereinbarten ein Zusammentreffen in
Angaur. "Geier", welcher inzwischen in der
Sawai-Bucht eingetroffen war, lichtete darauf sofort Anker. Am 20. August
erfolgte auf hoher See die Vereinigung, man tauschte [326] Nachrichten aus und
verständigte sich über die weiteren Kriegsmaßnahmen. Danach
sollte "Geier" zunächst Angaur anlaufen, darauf nach
Malakal-Hafen weiterdampfen, um den dorthin beorderten Dampfer "Elmshorn"
aufzunehmen, weiter nach Jap, um Nachrichten einzuholen und von dort
Verbindung mit dem Kreuzergeschwader herzustellen versuchen. Am gleichen
Tage trennten sich beide Schiffe wieder. "Geier" ließ sich vom Dampfer
"Bochum" zwecks Kohlenersparnis schleppen und nahm Kurs auf Angaur, das am
22. August erreicht wurde. Hier lag der Dampfer "Tsingtau" mit 2300 Tonnen
Kohlen. Ein Versuch, Kohlen überzunehmen, scheiterte an der starken
Dünung, so daß "Geier" mit beiden Dampfern gleich nach
Malakal-Hafen weiterfuhr, wo die Ankunft am 23. August erfolgte. Hier lagen
wichtige Nachrichten für das Kreuzergeschwader; auch wurde der Dampfer
"Elmshorn", wie erwartet, angetroffen. Der Kommandant entschloß sich,
dem Chef des Kreuzergeschwaders nach dem
Majuro-Atoll zu folgen, in der Hoffnung, dort einen als Hilfskreuzer geeigneten
Dampfer zu finden. "Elmshorn" erhielt Anweisung, alle entbehrlichen Kohlen an
"Bochum" abzugeben und nach Manila zu gehen. "Bochum" sollte die in Malakal
liegenden 3000 Tonnen Kohlen nehmen und darauf nach
Majuro-Atoll folgen, während "Geier" mit Dampfer "Tsingtau" die
Weiterreise antrat. Die Fahrt ging über die
Admiralitäts-Inseln, wo Kohlen aufgefüllt wurden, nach
Neu-Hannover im Bismarck-Archipel. Hier ankerte "Geier" am 30. August. In der
Nacht zum 1. September wurden Funkenzeichen englischer Kriegschiffe
aufgefangen; dagegen gelang es nicht, mit dem Kreuzergeschwader in drahtlose
Verbindung zu treten. Nachdem "Geier" am 4. September bei der Insel Kufaie
vorübergehend Aufenthalt genommen hatte, stand das Schiff am 10.
September auf der Höhe von Jaluit und steuerte am 11. September
Majuro-Atoll an, wo mittags geankert wurde. Hier erfuhr der Kommandant,
daß das Kreuzergeschwader am 26. August daselbst eingetroffen war und
am 30. August die Reise mit nördlichem Kurse fortgesetzt hatte.
Über die weiteren Absichten des Grafen Spee war nichts zu erfahren. In der
richtigen Annahme, daß das Kreuzergeschwader wahrscheinlich nach dem
südöstlichen Stillen Ozean und anschließend nach
Südamerika weitergefahren sein würde, gab der Kommandant
nunmehr die Hoffnung auf eine Vereinigung mit diesem auf und entschloß
sich, über die Sandwich-Inseln nach San Francisko
zu fahren, der kürzeste Weg nach dem
nordamerikanischen Festlande. Inzwischen waren Maschinen und Kessel stark
reparaturbedürftig geworden. "Geier" ging daher nach den
Romanzoff-Inseln in See und ankerte dort am 17. September, um die notwendigen
Ausbesserungsarbeiten vorzunehmen. Unter Überwindung der
größten Schwierigkeiten und unter mehrfachem Wechsel des
Ankerplatzes gelang es, das Schiff wieder auf volle Gefechtsbereitschaft zu
bringen; es sollte dem Kommandanten jedoch leider nicht vergönnt sein,
davon kriegerischen Gebrauch zu machen.
Anfang Oktober näherte sich "Geier" den Sandwich-Inseln; aber der
Kom- [327] mandant zögerte
noch, nach Honolulu einzulaufen, da er wohl das instinktive Gefühl hatte,
daß er dort nicht wieder herauskommen würde. Er überlegte,
ob es nicht möglich wäre, ohne Anlaufen eines Verkehrshafens nach
San Francisko zu gelangen; schließlich nahm er schweren Herzens die Fahrt
dahin auf, indem er sich von seinem Begleitdampfer schleppen ließ, denn
nur so war die zur Überfahrt zwingend notwendige Kohlenersparnis zu
erzielen. In der Dünung des Stillen Ozeans brach jedoch mehrfach die
Schlepptrosse, außerdem fing wieder ein Kessel an leck zu werden, so
daß das Vorhaben aufgegeben werden mußte. Am 15. Oktober lief
"Geier" in den Hafen von Honolulu ein.
Es folgte nun für das deutsche Kanonenboot eine schwere Zeit,
angefüllt von Schwierigkeiten, Schikanen und Quertreibereien seitens der
amerikanischen Behörden. Diese zeigten sich anfangs zwar
entgegenkommend; aber die unter einer scheinbar neutralen Haltung verkappte
Feindschaft der Vereinigten Staaten von Nordamerika machte sich doch bald
geltend, und die Hafenbehörden verstanden es meisterhaft, einerseits die
Ausbesserungsarbeiten an dem Schiffe künstlich zu verzögern und
anderseits auf ein alsbaldiges Wiederauslaufen des Kanonenboots "zur
Aufrechterhaltung der Neutralität" zu dringen. Inzwischen war der
Aufenthaltsort des "Geier" allgemein bekannt geworden, und es dauerte nicht
lange, bis feindliche Kriegschiffe vor Honolulu erschienen und die Hafeneinfahrt
bewachten. Unter diesen Umständen wäre ein Auslaufen für
"Geier" gleichbedeutend gewesen mit seiner Vernichtung. Nach langwierigen
Verhandlungen, bei denen den amerikanischen Behörden vergeblich klar zu
machen versucht wurde, daß ein Auslaufen des Schiffes unmöglich
wäre, weil für die Seefähigkeit unentbehrliche Teile der
Maschinen noch in den Werkstätten an Land in Arbeit wären, wurde
dem Kommandanten am 7. November morgens kategorisch erklärt, "Geier"
hätte bis nachts 12 Uhr den Hafen zu verlassen, widrigenfalls das
Schiff interniert werden würde. Ein energisch erhobener Protest blieb
erfolglos, und so mußte der Kommandant sich in das Unvermeidliche
fügen. Schiff und Besatzung wurden interniert; damit fand die
Tätigkeit des "Geier" ihren Abschluß. Als Nordamerika im
Frühjahr 1917 dem Deutschen Reich den Krieg erklärte, wurde
"Geier" als amerikanisches Kriegsfahrzeug unter dem Namen "Schurz" in Dienst
gestellt, die Besatzung zu Kriegsgefangenen gemacht.
Im weiteren Kriegsverlauf ist "Schurz" am 21. Juni 1918 infolge eines
Zusammenstoßes mit dem Dampfer "Florida" südwestlich von
Kap Lookout an der Küste von North Carolina gesunken; ein
trauriges Ende für das kleine Schiff, dessen Kommandant, vom
Unglück verfolgt, alles versucht hatte, um draußen sich im Dienste
des Vaterlandes zu betätigen.
S. M. Kanonenboot "Eber".
S. M. Kanonenboot "Eber" war Ende Juni 1914 von Swakopmund nach Kapstadt
in See gegangen und hier am 29. Juni eingetroffen, um sofort zu
In- [328] standsetzungsarbeiten
zu docken. Es dauerte aber nicht lange, da mußten diese Arbeiten auf die
beunruhigenden Nachrichten aus der Heimat hin unterbrochen und das Schiff
beschleunigt seeklar gemacht werden. "Eber" verließ am 31. Juli Kapstadt
und ging auf telegraphische Weisung aus Berlin zunächst in Richtung
Lüderitzbucht in See. Hier erhielt der Kommandant am 2. August den
Mobilmachungsbefehl und handelte entsprechend den ihm für den
Kriegsfall erteilten Weisungen. Das Kanonenboot, weil ohne Gefechtswert, war
dazu bestimmt, in den südamerikanischen Gewässern einen
Schnelldampfer als Hilfskreuzer auszurüsten. In Lüderitzbucht lag
der Dampfer "Steiermark", der dazu ausersehen wurde, den "Eber" auf seiner
Fahrt über den Atlantischen Ozean zu begleiten. Nachdem die
nötigen Vereinbarungen mit dem Bezirksamtmann getroffen waren, ging
das Kanonenboot, gefolgt von "Steiermark", am 4. August nach der Insel
Trinidad - an der Küste von
Brasilien - in See. Unterwegs wurden vereinzelt Funksprüche
englischer Kriegschiffe aufgefangen; die Fahrt aber, während der nach
Bedarf Kohlen aus Dampfer "Steiermark" ergänzt wurden, verlief ohne
Störung durch den Feind. Am 20. August kamen beide Schiffe vor Trinidad
an, wo der Kleine Kreuzer "Dresden" und Begleitschiffe angetroffen wurden. Auf
drahtlose Anfrage bei der Etappe Buenos Aires kam am 22. August die Antwort,
daß der als Hilfskreuzer bestimmte Dampfer "Cap Trafalgar" am 22.
August aus Montevideo mit Kurs nach Trinidad ausgelaufen wäre. Am 28.
August fand die Vereinigung beider Schiffe statt, und ohne Verzug wurde mit der
Ausrüstung des Dampfers begonnen. In anstrengender
Tag- und Nachtarbeit wurde diese so beschleunigt durchgeführt, daß
"Cap Trafalgar" am 31. August in Dienst und das Kanonenboot "Eber"
gleichzeitig außer Dienst gestellt werden konnte. Der Kommandant
übernahm nunmehr das Kommando über den Hilfskreuzer,9 während "Eber" unter deutscher
Handelsflagge und unter Führung eines Offiziers vom Stabe des "Eber"
nach dem nahen brasilianischen Hafen Bahia entlassen wurde.
Am 4. September erfolgte die Ankunft in Bahia, wo der Charakter des Schiffes als
Handelsschiff sofort angezweifelt wurde, obwohl es nicht armiert war und die
Besatzung in Zivilkleidung ging. Am 8. September ordnete die brasilianische
Hafenbehörde offiziell an, daß "Eber" als Kriegschiff zu betrachten
wäre und demgemäß interniert werden müßte. Um
eine Flucht des Schiffes zu verhindern, wurde der Führer gezwungen,
wichtige Teile der Schiffsmaschine auszubauen und an Land zu hinterlegen. Auf
Befehl des brasilianischen Marineministeriums mußte weiterhin ein Teil der
Besatzung das Schiff verlassen und den Aufenthaltsort ändern. Etwa 12
Köpfe kamen zur Internierung in ein Lager in der Nähe von Rio de
Janeiro, darunter der Führer des Schiffes. Er erhielt aber am 12. August
1915 die Erlaubnis, die Heimreise nach Deutschland anzutreten, wo er am 14.
September 1915 eintraf.
[329] Nachdem Brasilien
unter dem Druck Nordamerikas im Herbst 1917 dem Deutschen Reich den Krieg
erklärt hatte, beabsichtigte die brasilianische Regierung, den "Eber" in
Bahia zu beschlagnahmen; der zurückgebliebene Besatzungsteil hat es aber
verstanden, wachsam zu bleiben und das ehemalige Kanonenboot durch
rechtzeitiges Versenken der Beschlagnahme zu entziehen.
S. M. Vermessungsschiff "Planet" und "Peilboot
III".
Das auf der Station in der Südsee befindliche Vermessungsschiff "Planet"
ankerte Ende Juni 1914 vor Manila (Philippinen); der neue Kommandant hatte
gerade das Kommando übernommen, nachdem der abgelöste
Besatzungsteil die Heimreise angetreten hatte. Anfang Juli war das Schiff nach
Deutsch-Neu-Guinea in See gegangen
und am 14. Juli vor Rabaul eingetroffen.
Da eine Typhusepidemie an Bord ausgebrochen war, mußte es in
Quarantäne liegen; diese wurde jedoch infolge der Nachrichten über
die gespannte politische Lage abgebrochen, und am 30. Juli ging "Planet" nach
Matupi in See, füllte hier Kohlen und Proviant auf und setzte am 31. Juli
die Reise fort, mit dem Ziel Jap. Da das Schiff keinerlei Gefechtswert
besaß, fiel der Besatzung die immerhin wichtige Aufgabe zu, die dortige
Funkenstation zu schützen und gegen einen feindlichen Handstreich zu
sichern.
Am frühen Morgen des 7. August lief "Planet" in den Hafen von Jap ein;
das Schiff wurde sofort in eine versteckte Bucht verholt und so der Sicht von See
aus entzogen. Mit Hilfe von 150 Eingeborenen wurden
Schützengräben ausgehoben, Laufgräben, Stände
für Maschinengewehre und Revolverkanonen angelegt und ein
bombensicherer Unterstand geschaffen. Am 9. August kam der Dampfer
"Coblenz" in Jap an; er wurde sofort nach Truk (Ostkarolinen) geschickt, um die
Besatzung des dort liegenden Peilbootes III zu holen und nach Jap zu
bringen.10
Am 12. August morgens näherten sich die englischen Panzerkreuzer
"Minotaur" und "Hampshire" der Insel, störten den Verkehr der
Funkenstation stark und gaben den drahtlosen Befehl, daß sich
sämtliches Personal entfernen sollte. Kurz nach 9 Uhr gab
"Minotaur" einen Warnungsschuß ab, der quer über die Insel ging,
darauf begann die Beschießung der Funkenstation. Von der Anwesenheit
des "Planet" merkten die Engländer nichts, und sie dampften, nachdem sie
die Station durch ihr Artilleriefeuer unbrauchbar gemacht hatten, wieder ab.
Alsbald nach deren Abzug machte sich die
"Planet"-Besatzung daran, eine neue Funkstation provisorisch einzurichten; sie
wählte dazu im Urwald der Insel eine geeignete Stelle, wobei die Masten
der Antennen aus Kokospalmen gefertigt wurden. Die an Bord des "Planet"
befindliche Funkenstation wurde ausgebaut und an Land aufgerichtet. So gelang
es der wackeren Besatzung, in
sieben- [330] tägiger
mühevoller Arbeit eine Funkenanlage zu schaffen, die zwar nicht die
Leistungsfähigkeit der zerstörten Station erreichte, aber immerhin
über eine Reichweite von etwa 300 sm verfügte und auch mit
Erfolg in Tätigkeit getreten ist.
Am 17. September traf der Hilfskreuzer "Cormoran" vor Jap ein, um mit anderen
Stationen in telegraphische Verbindung zu treten. Am 30. September ordnete
dessen Kommandant an, daß die "Planet"-Besatzung und diejenige des
Peilboots III, welche am 17. August vom Dampfer "Coblenz" nach Jap
übergeführt worden war, sich behufs weiterer Verwendung an Bord
"Cormoran" einzuschiffen hätte. Dies geschah noch am 30. September. Der
Stabsarzt und der Zahlmeister sowie 7 Mann der Besatzung mußten wegen
des immer noch nicht erloschenen Typhus auf Jap zurückbleiben und
erhielten Befehl, das Schiff bei Annäherung des Feindes zu versenken. Am
Abend des 30. September ging "Cormoran" in See.
Als sich späterhin, am 7. Oktober 1914, japanische Seestreitkräfte
der Insel näherten und als mit einer Besetzung durch den Feind gerechnet
werden mußte, wurde von diesem zurückgebliebenen Besatzungsteil
die provisorische Funkenstation zerstört und der "Planet" im Hafen
versenkt. Mittags erschien ein Landungskorps des japanischen Linienschiffs
"Satsuma" und nahm die deutsche Kolonie in Besitz.
Hiermit schließt die Übersicht über die im Auslande bei
Kriegsausbruch stationiert gewesenen eigentlichen Kriegsfahrzeuge der deutschen
Marine. Es erübrigt nun noch, der einzelnen Hilfskreuzer zu gedenken,
welche die Fluten der Ozeane durchfurchten, um dem feindlichen Handel nach
Möglichkeit Abbruch zu tun; und hierbei ist wieder zu unterscheiden
zwischen denjenigen, welche im Auslande als solche ausgerüstet wurden,
und denjenigen, welche, in der Heimat in Dienst gestellt und von hier aus
abgesandt, die Aufgabe hatten, zunächst sich durch den feindlichen
Blockadegürtel einen Weg ins Freie zu bahnen und dann erst ihre
eigentliche Tätigkeit aufzunehmen.
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