Bd. 4: Der Seekrieg - Der Krieg um die
Kolonien
Die Kampfhandlungen in der Türkei
Der Gaskrieg - Der Luftkrieg
Abschnitt: Der
Seekrieg
Kapitel 5: Der
Auslandskreuzerkrieg (Forts.)
Fregattenkapitän Emil Huning
5. Die Hilfskreuzer.
S. M. Hilfskreuzer "Cormoran" und "Prinz Eitel
Friedrich".
Wie bereits in den Kapiteln "Kreuzergeschwader"
und "Emden" erwähnt,
war der Dampfer der russischen Freiwilligenflotte "Rjäsan" bei
Kriegsbeginn von der "Emden" im chinesischen Meer aufgebracht und nach Tsingtau geleitet worden, wo er durch die Besatzung des Kleinen Kreuzers
"Cormoran" beschleunigt in Dienst gestellt wurde und den Namen "Cormoran"
erhielt. In dem gleichen Kapitel ist auch bereits die Rede gewesen von dem
Lloyddampfer "Prinz Eitel Friedrich", der ebenfalls in Tsingtau als Hilfskreuzer ausgerüstet [331] wurde, und zwar durch
die Besatzungen der Kanonenboote "Luchs" und "Tiger". Kommandant des
ersteren war der Korvettenkapitän Zuckschwerdt, derjenige des "Prinz Eitel
Friedrich" der Korvettenkapitän Thierichens. Während "Prinz Eitel
Friedrich" das Kreuzergeschwader von Anbeginn seiner Reise von Pagan aus
begleitete, stieß "Cormoran" erst am 27. August im
Majuro-Atoll zu diesem Verbande.
Graf Spee
entließ die beiden Hilfskreuzer von diesem Hafen aus am 30.
August mit der Anweisung, in den Gewässern westlich van Australien
Kreuzerkrieg zu führen; der Kohlendampfer "Mark" wurde ihnen als
Begleitschiff zugeteilt. Da dieser nicht mehr viel Kohlen hatte und auch nicht
über die nötige Geschwindigkeit verfügte, entließ der
Kommandant des "Cormoran" das Schiff nach Jaluit, um dort Kohlen und
Proviant aufzufüllen; von dort sollte es nach dem
Limbé-Kanal (Insel Celebes) weiterfahren, wo die Wiedervereinigung mit
den beiden Hilfskreuzern stattzufinden hatte. "Cormoran" und "Prinz Eitel
Friedrich", unter Führung des ersteren, steuerten erst in südlicher,
dann in westlicher Richtung. Am 5. September lief "Cormoran" die im Norden
von Neu-Mecklenburg gelegene Regierungsstation Käwieng an, um
Erkundigungen über die Lage im Schutzgebiet einzuziehen, während
"Prinz Eitel Friedrich" zurückgelassen wurde, mit der Weisung, bei
Neu-Hannover auf die Rückkehr des "Cormoran" zu warten. In
Käwieng erfuhr "Cormoran" von der am 12. August erfolgten
Zerstörung der Groß-Funkenstation Jap und ferner, daß "Geier"
vor 8 Tagen in Käwieng gewesen wäre. Nach der Wiedervereinigung
mit "Prinz Eitel Friedrich" am 6. September marschierten beide Schiffe in
westlicher Richtung weiter. Am 9. September wurde Kapitän Thierichens
nach Niederländisch-Indien entlassen, um Nachrichten einzuziehen und zu
versuchen, Kohlendampfer zu bekommen. Beide Schiffe vereinigten sich am 12.
September wieder und traten den Marsch nach der Insel Ceram an. Die
eingezogenen Nachrichten hatten ein trauriges Ergebnis: die holländische
Neutralität wurde strikt gehandhabt, ja beinahe unfreundlich; die Aussicht,
Kohlendampfer zu erhalten, war gering. Außerdem schienen in bezug auf
den Kreuzerkrieg in diesen Gewässern keine guten Erfolge zu erzielen zu
sein. Es wurde daher beschlossen, das Operationsgebiet unter Umständen
nach den ost-australischen Inseln zu verlegen. Am 13. September wurde der
gemeinsame Weitermarsch angetreten. Nach einer Besprechung zwischen beiden
Kommandanten trennten sich die Hilfskreuzer dann wiederum am 15. September,
und zwar sollte "Prinz Eitel Friedrich" nach Angaur gehen, um festzustellen, ob
dort Kohlen zu haben wären; falls dies erfolglos, den Versuch bei einer der
anderen Palau-Inseln wiederholen, um schließlich nach
Malakal-Hafen zu dampfen. "Cormoran" sollte nach Jap gehen. Der Dampfer
"Mark" wurde drahtlos angerufen, eine Antwort war aber nicht zu erhalten. Am
17. September lief "Cormoran" in Jap ein, ging aber am 19. September wieder in
See, um in Alexishafen mit "Prinz Eitel Friedrich" wieder [332] zusammenzutreffen.
Letzterer war aber nicht dort; auch schlug der Versuch fehl, mit ihm in
Funkenverkehr zu treten. Durch verschiedene widrige Umstände ist es auch
weiterhin nicht gelungen, die Vereinigung mit "Prinz Eitel Friedrich"
wiederherzustellen. Beide Hilfskreuzer mußten auf diese Weise, entgegen
ihrer Absicht und von großem Mißgeschick verfolgt, jeder für
sich ihren Weg gehen. Hier möge zunächst das Schicksal des
"Cormoran" weiter verfolgt werden.
In Alexishafen an der Küste von Kaiser-Wilhelms-Land richtete sich
"Cormoran" häuslich ein. Schon bald ließen aufgefangene
Funkenzeichen auf die Nähe feindlicher Kriegschiffe schließen.
Tatsächlich erschienen denn auch die Schiffe "Australia", "Encounter" und
"Montcalm" nebst einem Begleitdampfer. Vorsichtig verkroch sich der
"Cormoran", soweit es irgend ging, in sein Versteck und richtete sich zum letzten
Verteidigungskampf ein. Er blieb aber unbemerkt, denn die feindlichen Schiffe
dampften nach einer oberflächlichen Erkundung wieder ab. Da mit einer
Wiederholung dieses Besuchs zu rechnen war, verließ "Cormoran" noch in
der Nacht seinen Liegeplatz und gewann unter glücklicher
Überwindung großer navigatorischer Schwierigkeiten die hohe See.
Es wurde versucht, "Prinz Eitel Friedrich" drahtlos zu warnen, aber es gelang
nicht, Funkenverbindung zu bekommen. "Cormoran" nahm wieder Kurs auf Jap.
Hier am 28. September angelangt, empfing der Kommandant endlich eine
drahtlose Nachricht von dem Schwesterschiff, daß es in Alexishafen
gewesen wäre, den "Cormoran" aber nicht angetroffen und sich nach
Südamerika gewendet hätte, um dort den Kreuzerkrieg
unter - wie er hoffte - besseren Aussichten auf Erfolg fortzusetzen.
"Cormoran" hatte nur noch 500 Tonnen Kohlen an Bord, und es bestand
einstweilen keine Möglichkeit, weiteren Brennstoff aufzutreiben. Die
Hoffnung, den Dampfer "Mark" noch zu erreichen, mußte aufgegeben
werden. Fürwahr eine verzweifelte Lage für den bedauernswerten
Hilfskreuzer. Am 29. September wurden Funkenzeichen der "Australia" in
bedrohlicher Nähe wahrgenommen, so daß mit der Gefahr des
Zusammentreffens mit dem Feinde zu rechnen war. Dieselbe Überlegung
traf für die Besatzung des in Jap liegenden Vermessungsschiffes "Planet"
zu; daher nahm der Kommandant diese Besatzung zu sich an Bord, wodurch sich
sein Landungskorps auf 200 Mann und 5 Maschinengewehre erhöhte. Ein
Kreuzerkrieg in diesen Gewässern bot keine Aussicht auf Erfolg. Unter
diesen Umständen beschloß er, eine überraschende
Unternehmung gegen Friedrich-Wilhelmshafen an der Küste von
Kaiser-Wilhelms-Land zu versuchen, wo inzwischen australische Kolonialtruppen
gelandet sein sollten.
"Cormoran" verließ, mit der "Planet"-Besatzung an Bord, am 30. September
Jap, um diesen Vorstoß auszuführen. Bei der Annäherung an
das Ziel wurde aber so lebhafter Funkenverkehr feindlicher Schiffe
abgehört, daß es nicht ratsam schien, das Unternehmen
durchzuführen; daher machte der Kommandant am 5. Oktober wieder
kehrt, lief die Insel Maron im Hermits-Atoll an, um dort nach Kohlen zu suchen,
fand aber keinen Heizstoff und setzte den Rückmarsch [333] nach Jap fort. Bei der
Annäherung an die Insel stieß er auf japanische Seestreitkräfte
und entging, wie durch ein Wunder, in einer Regenbö dem Schicksal eines
sicheren Unterganges. Inzwischen war der Kohlenvorrat derartig erschöpft,
daß nichts anderes übrig blieb, als einen neutralen Hafen anzulaufen.
Hierfür kam nach den Entfernungen der in Betracht kommenden
Plätze nur die amerikanische Station Guam in Frage. Am 12. Oktober lief
"Cormoran" in die Lamutrik-Lagune ein, die noch etwa 400 sm von Guam
ab lag.
Hier begann nun eine längere Leidenszeit für das von einem wahrhaft
unfreundlichen Geschick verfolgte Schiff. Die letzten Kohlen mußten
gespart werden, um schließlich noch Guam zu erreichen. Daher wurde an
Land aus den Wäldern Holz geholt, während das erforderliche
Frischwasser aus Gruben im Sandstrand gewonnen wurde. Der Proviant ging zur
Neige, so daß die Rationen sich eine starke Kürzung gefallen lassen
mußten. Schließlich bestanden die Fleischspeisen nur noch aus
stinkendem Salzfleisch und die Getränke aus schlechtem Tee. Dazu kam,
daß durch ein Segelboot, das den Verkehr mit Guam heimlich vermittelte,
die Nachricht von der Besetzung sämtlicher deutschen
Südseebesitzungen durch Australier und Japaner überbracht wurde,
so daß der Kommandant keinen anderen Ausweg mehr sah, als mit dem
letzten Rest der ersparten Kohlen nach Guam zu fahren, in der sicheren Erwartung
der Internierung.
Am 12. Dezember 1914 trat "Cormoran" diese seine letzte Fahrt an, nachdem das
Schiff zwei Monate unter den schwierigsten Verhältnissen in seinem
Versteck verbracht hatte. Am 14. Dezember erfolgte die Ankunft in Guam;
"Cormoran" wurde, da er nicht die zur Weiterfahrt erforderlichen Kohlen und
Proviant bekommen konnte, wie bereits erwartet, eingeschlossen. Am 7. April
1917, nach dem Eintritt Nordamerikas in den Krieg, als die bedingungslose
Übergabe des Schiffes gefordert wurde, sprengte die Besatzung den
Hilfskreuzer in die Luft. Unter drei Hurras auf den Kaiser und mit dem Gesang
des "Deutschland, Deutschland über alles" sprangen die Mannschaften
über Bord und suchten sich durch Schwimmen zu retten, während
der "Cormoran" innerhalb weniger Minuten in die Tiefe sank.
Mehr vom Glück begünstigt war der Hilfskreuzer "Prinz Eitel
Friedrich", welcher - wie oben erwähnt - die
südamerikanischen Gewässer aufgesucht hatte, nachdem er an dem
vereinbarten Treffpunkt den "Cormoran" nicht getroffen und die Hoffnung auf
eine erfolgreiche Kreuzertätigkeit in den australischen Gewässern
aufgegeben hatte. Nach Durchquerung des Stillen Ozeans war er am 27. Oktober
1914 bei Mas a fuera zum Kreuzergeschwader gestoßen und
wurde von dessen Chef - vgl. Seite 299 ff. - im
Dienste des Trosses verwendet. Nachdem dann Graf Spee mit seinem Geschwader
den Weg nach Cap Horn angetreten hatte, wurde "Prinz Eitel Friedrich" am 15.
November endgültig aus dem Verbande entlassen, um selbständig
weiter Kreuzerkrieg zu führen. Er machte am 5. Dezember die erste Prise,
den englischen Dampfer "Chareas", kaperte am [334] 11. Dezember das
französische Segelschiff "Jean" mit 3000 Tonnen
Kardiff-Kohlen und am 12. Dezember das englische Segelschiff "Kildalton" mit
2400 Tonnen Stückgut an Bord. Darauf wurde der Marsch nach der
Osterinsel angetreten, wo die Ankunft in der Cookbay am 23. Dezember
erfolgte.
Der Kommandant überlegte nun, wie er sich weiter verhalten sollte; es kam
ein Durchbruch nach der Heimat oder eine Weiterführung des
Kreuzerkrieges in Frage. Unter Abschätzung aller
Vor- und Nachteile entschloß er sich, um Cap Horn nach der Ostküste
Amerikas zu dampfen und dort noch möglichst viel Erfolge im
Handelskrieg zu erzielen, schließlich, wenn nicht anders möglich, das
Schiff in einem Hafen der Vereinigten Staaten aufzulegen. Am 5. Januar 1915
wurde der Marsch nach Süden angetreten, am 16. Januar Cap Horn
gerundet und am 17. Januar in das Gebiet des Atlantischen Ozeans eingetreten.
Unterwegs wurden weiterhin verschiedene neutrale Schiffe getroffen und
angehalten, aber wieder freigelassen, bis dem Hilfskreuzer am 26. Januar eine
russische Bark in den Weg lief, welche versenkt wurde. Dasselbe Schicksal ereilte
zwei französische und einen amerikanischen Segler einige Tage
später. Am 12. Februar kam die englische Bark "Invercoe" in Sicht; sie
hatte 38 000 Sack Weizen an Bord und wurde nach Übernahme der
Ladung versenkt. Die Erfolge mehrten sich in der Folgezeit so, daß der
Kommandant, der die Absicht des Durchbruchs nach der Heimat noch nicht
aufgegeben hatte, von diesem Vorhaben Abstand nahm und den Kreuzerkrieg an
der ostamerikanischen Küste fortsetzte. Am 18. Februar wurde der
englische Dampfer "Mary Ada Short", mit 5200 Tonnen Mais an Bord, angehalten
und versenkt, desgleichen am folgenden Tage der französische Dampfer
"Floride". Am 20. Februar hielt der Kommandant den englischen Dampfer
"Willerby-Stockton" an; der Kapitän dieses Schiffes erbot sich, die
gesamten Prisenbesatzungen, welche sich infolge der verschiedenen
Versenkungen an Bord des "Prinz Eitel Friedrich" angesammelt und bereits die
Zahl von 350 erreicht hatten, nach Rio de Janeiro zu bringen, wenn sein Schiff
dafür freigelassen würde. Kapitän Thierichens glaubte sich
jedoch darauf nicht einlassen zu können, weil sein Aufenthalt dadurch
bekannt geworden wäre. Da außerdem der Dampfer ziemlich neu und
wertvoll war, so entschloß er sich zur Versenkung des Schiffes, welche am
gleichen Tage erfolgte. Dieses war die letzte Prise, die der Hilfskreuzer machte.
Er traf zwar auf der weiteren Fahrt noch viele Segler und Dampfer, darunter
wahrscheinlich auch feindliche. Aber er verzichtete darauf, sie anzuhalten, weil er
nunmehr darauf Bedacht nehmen mußte, möglichst unbehelligt und
ungesehen nach dem angestrebten nordamerikanischen Hafen zu gelangen. Am
10. März wurde das Kap Henry passiert und in die amerikanischen
Hoheitsgewässer eingetreten. Der Kohlenvorrat war allmählich
ziemlich erschöpft, und am gleichen Tage lief "Prinz Eitel Friedrich" nach
Newport News ein, wo das Schiff interniert wurde.
Hiermit endete die siebenmonatige kriegerische Tätigkeit dieses
Hilfskreuzers. [335] Es war ihm somit nach
den langwierigen und ergebnislosen Fahrten in den australischen
Gewässern wenigstens noch gelungen, zum Schluß einige
schöne Erfolge im Kreuzerkriege zu erzielen.
S. M. Hilfskreuzer "Cap Trafalgar".
Am 12. August 1914 richtete der Admiralstab telegraphisch an den
Marine-Attaché in Buenos Aires den Befehl, den dort befindlichen
Dampfer der Hamburg-Südamerikanischen
Dampfschiffahrt-Gesellschaft "Cap Trafalgar", ein ganz neues Schiff, als
Hilfskreuzer auszurüsten, und zwar sollte es bei der brasilianischen Insel
Trinidad durch die Besatzung des Kanonenboots "Eber" in Dienst gestellt werden.
Dies geschah (Seite 328)
am 31. August, wobei große Schwierigkeiten zu überwinden waren,
da das Wetter stellenweise sehr schlecht war und der Einbau der Geschütze
die größten Anforderungen an das Personal stellte. Leider war diesem
prächtigen Schiffe nur eine recht kurze Lebensdauer beschieden. In den
ersten Tagen des September machte der Kommandant verschiedene Kreuzfahrten
in der Nähe von Trinidad, wobei mehrfach lebhafter Funkenverkehr
zwischen englischen Kreuzern wahrgenommen wurde. Am 14. September lag
"Cap Trafalgar" dicht unter dem Schutz der Insel zu Anker und hatte einen
Kohlendampfer längsseit genommen, als um 1030 Uhr Vm. vom Ausguckposten
das Insichtkommen eines Schiffes in nördlicher Richtung gemeldet wurde.
Das fremde Schiff kam dem Kommandanten verdächtig vor; er ließ
den Kohlendampfer ablegen, vorsichtshalber in allen Kesseln Dampf aufmachen,
Anker lichten und Klarschiff zum Gefecht machen. Der Hilfskreuzer drehte auf
südlichen Kurs, während das gesichtete Schiff sich mit hoher Fahrt
inzwischen sehr genähert hatte; es war ein großer Passagierdampfer
mit zwei Schornsteinen. Dieser gab plötzlich einen scharfen Schuß
ab, der dicht vor dem Bug des deutschen Hilfskreuzers einschlug. Nach kurzer
Zeit erfolgte ein zweiter Schuß, und es wurde nunmehr klar, daß es
sich um einen feindlichen Hilfskreuzer handelte. Es entspann sich sofort ein
Artilleriegefecht, wobei leider bald die Überlegenheit des Gegners in die
Erscheinung trat. Dieses war der englische Dampfer der
Cunard-Linie "Carmania", mit
8 - 12-cm-Geschützen bestückt, gegenüber den
zwei 10,5-cm-Geschützen und 6 Stück
3,7-cm-Maschinenkanonen des "Cap Trafalgar". Dem verheerenden Feuer der
"Carmania" war die schwache Artillerie des deutschen Hilfskreuzers nicht
gewachsen; er erhielt bald mehrere schwere Treffer, ein Brand brach aus, und das
Wasser strömte durch verschiedene Schußlöcher in das Schiffsinnere.
Aber auch der Engländer hatte unter dem deutschen Artilleriefeuer schwer
zu leiden, so daß er vorübergehend den Kampf einstellen
mußte. Inzwischen, gegen 2 Uhr Nm., war der Zustand auf
"Cap Trafalgar" unhaltbar geworden, das Schiff hatte schwere Ausfälle an
Waffen und Personal gehabt und konnte an eine erfolgreiche Gegenwehr nicht
mehr denken. Es legte sich langsam nach Steuerbordseite über, etwa 10
Boote entfernten sich mit den Überlebenden von [336] dem sinkenden Schiffe,
und um 215 Uhr Nm.
ging es mit wehender Flagge unter. Der Kommandant fand dabei den Tod in den
Fluten. Es war ein leichter Sieg, der dem Engländer zugefallen war.
S. M. Hilfskreuzer "Kronprinz Wilhelm".
Der Dampfer des Norddeutschen Lloyd "Kronprinz Wilhelm" lief am 3. August
1914 aus New York aus und traf (siehe Seite 314) am 6. August auf
See mit dem Kleinen Kreuzer "Karlsruhe" zusammen. Der Dampfer wurde mit
zwei leichten Geschützen des Kreuzers ausgerüstet und unter dem
Kommando des Kapitänleutnants Thierfelder vom Stabe des Kreuzers in Dienst gestellt. Diese am 6. August in Angriff genommenen
Ausrüstungsarbeiten wurden durch das Insichtkommen des englischen
Kreuzers "Suffolk" gestört und mußten plötzlich abgebrochen
werden; immerhin waren sie so weit gediehen, daß "Kronprinz Wilhelm"
seine Tätigkeit als Handelszerstörer aufnehmen konnte.
Unter der trefflichen Führung des Kapitänleutnants Thierfelder trat er
am 6. August die Fahrt in östlicher Richtung an und durchquerte den
Atlantischen Ozean bis zu den Azoren. Hier traf er mit dem deutschen Dampfer
"Walhalla" zusammen und ergänzte am 17. August zum erstenmal seine
Kohlenbestände, und zwar auf hoher See, ging dann weiter nach
Süden, kreuzte westlich der Canarischen Inseln, durchsuchte ein russisches
und ein dänisches Schiff und operierte dann während der Monate
September 1914 bis einschließlich März 1915 sehr erfolgreich im
mittleren und südlichen Atlantischen Ozean, wobei er bis in die Breiten von
Montevideo gelangte. Er versenkte auf diesen Kreuzfahrten die englischen Schiffe
"Potaro", "Wilfried", "Highland Brae", "Bellevue", "Coleby", "Hemisphere",
"Tamar", "Indian Prince", "La Correntina" und die französischen Schiffe
"Guadeloupe", "Mont Agel", "Union" und "Anne de Brétagne", teils
Dampfer, teils Segelschiffe. Ferner wurde die norwegische Bark "Semantha",
welche 3000 Tonnen Weizen nach London bringen sollte, versenkt. Außer
"Walhalla" traf der Hilfskreuzer an deutschen Dampfern noch "Ebernburg",
"Prussia" und "Pontos" (diese bei der brasilianischen Insel Trinidad) sowie "Sierra
Cordoba" vor der La Plata-Mündung. Aus diesen Dampfern wurden
nach und nach Kohlen ergänzt, ebenso aus den aufgebrachten feindlichen
Schiffen, soweit sie Kohlen an Bord hatten. So hatte "Kronprinz Wilhelm"
während seiner 8½monatigen Kreuzfahrten nicht unter Kohlennot zu
leiden. Die Übernahme dieses Brennstoffes erfolgte stets auf See, und zwar
aus den deutschen Dampfern etwa 6500 Tonnen an insgesamt 17 Tagen, aus den
feindlichen Schiffen etwa 17 600 Tonnen an insgesamt 49 Tagen. Wer die
Schwierigkeiten des Kohlennehmens auf hoher See kennt, wird hiernach ermessen
können, welches seemännische Geschick und welche Ausdauer der
Besatzung dazu gehörten, um solche Leistungen zu vollbringen. Der
Hilfskreuzer soll denn auch schließlich außenbords so ausgesehen
haben, als wären seine Bordwände aus Wellblech hergestellt.
[337] Zweimal wurden
große Vorräte an Kleiderstoffen und Stiefeln erbeutet, die eine
vollständige Neueinkleidung der Besatzung ermöglichten. Einem
englischen Dampfer wurden 2 Stück
12-cm-Schnellfeuergeschütze, leider ohne Munition, abgenommen; einem
andern eine Markonistation und ferner einem dritten Engländer sein
rotierender Funkenapparat ausgebaut und auf "Kronprinz Wilhelm" eingebaut. An
feindlichen Kriegschiffen hat er außer am 6. August 1914 keins getroffen,
ist aber verschiedentlich solchen geschickt ausgewichen und hat
während der ganzen Reise fast ununterbrochen den feindlichen
Funkenverkehr, zum Teil in nächster Nähe, beobachtet. Daß es
ihm gelungen ist, so lange vom Feinde unentdeckt zu bleiben, ist wesentlich dem
Umstande zuzuschreiben, daß die aufgebrachten Prisen nicht sogleich
versenkt und die geretteten Besatzungen nicht bei nächster Gelegenheit
nach einem neutralen Hafen geschickt wurden. Der Kommandant führte sie
vielmehr möglichst lange Zeit mit sich und handelte hierin
grundsätzlich ebenso wie der Kommandant der "Karlsruhe". Nennenswerte
Havarien hat das Schiff während der 8½ Monate nicht gehabt, ein
gutes Zeugnis für das deutsche Schiffsmaterial und die Gewissenhaftigkeit
der technischen Bedienung.
Am 11. April 1915 ist "Kronprinz Wilhelm" auf der Reede von Hampton Roads
eingetroffen, passierte hier die amerikanische Flotte und ging am gleichen Tage
nach Newport News weiter, wo das Schiff auf den am 26. April aus der Heimat
erhaltenen Befehl auflegte. Es ist von den im Auslande ausgerüsteten
Hilfskreuzern bei weitem der erfolgreichste gewesen, und seine Taten verdienen
im Rahmen der gesamten deutschen Auslandskriegführung besondere
Beachtung.
Es bleiben schließlich noch zu erwähnen diejenigen Hilfskreuzer,
welche in der Heimat als solche ausgerüstet und von hier aus abgesandt
wurden, um im Auslande Handelskrieg zu führen.
S. M. Hilfskreuzer "Kaiser Wilhelm der Große".
Der Hilfskreuzer wurde bereits am 2. August 1914 in Deutschland in Dienst
gestellt und lief am 4. August, sofort nach der englischen Kriegserklärung,
in die Nordsee aus. Er hatte Befehl, nördlich um die Insel Island zu fahren
und so den Atlantischen Ozean zur Kreuzerkriegführung zu gewinnen. Am
7. August wurde der englische Fischdampfer "Tubol Kain" aufgebracht und
versenkt. Nach Runden von Island wurde am 8. August südlicher Kurs
aufgenommen; vom Feinde war nichts zu sehen, jedoch wurde dauernd feindlicher
Funkenverkehr beobachtet. Nachdem am 12. August der italienische Dampfer
"Il Piemonte" angehalten und wieder freigelassen worden war, traf der
Hilfskreuzer Mitte August auf der Höhe der Canarischen Inseln ein und
kreuzte in deren Nähe. Am 15. August kam ihm der englische Postdampfer
"Galician" in den Weg und wurde angehalten. [338] Inzwischen kam ein
Frachtdampfer in Sicht, der sich bald als der schon seit einigen Tagen erwartete
deutsche Kohlendampfer "Duala" herausstellte. Der Kommandant ließ von
dem Engländer ab, gab ihm Anweisung, zu folgen und lief der "Duala"
entgegen. Dieser Dampfer erhielt Befehl, nach dem Hafen Rio de Oro an der
afrikanischen Westküste zu gehen, während der "Galician"
durchsucht wurde. Nach Zerstörung seiner Funkenstation erhielt er Befehl,
mit gegebenem Kurse vorauszufahren; am nächsten Morgen sollte er
Passagiere und Proviant abgeben, nachdem die Schiffe in ruhigere See unter der
Küste Afrikas gelangt sein würden. Danach sollte er versenkt
werden. Späterhin änderte der Kommandant seinen Entschluß,
da er Bedenken trug, die 224 Passagiere, darunter etwa 30 Frauen und Kinder, zu
sich an Bord zu nehmen, und da er befürchtete, daß die
Proviantübernahme zu viel Zeit in Anspruch nehmen würde. So
wurde diese schöne Prise leider entlassen. Am 16. August kam der
englische Dampfer "Kaipara" in Sicht; er wurde nach Zerstörung seiner
Markonistation und nach Übernahme der Besatzung versenkt.
Darauf nahm "Kaiser Wilhelm der Große" Kurs auf Rio de Oro. Unterwegs
begegnete er dem englischen Postdampfer "Arlanza" mit 1400 Passagieren an
Bord. Der Kommandant trug in diesem Falle noch größere Bedenken,
diese Personen an Bord zu nehmen, als bei der "Galician"; da außerdem die
drahtlosen Rufzeichen des englischen Panzerkreuzers "Cumberland" sehr laut
gehört wurden, verzichtete er auf die Versenkung des Engländers
und entließ ihn, nachdem er ihm Befehl gegeben hatte, die Antenne seiner
drahtlosen Station über Bord zu werfen. Als dann noch am gleichen Tage
der englische Dampfer "Nyanga" angehalten und versenkt worden war, nahm der
Kommandant Kurs nach Osten und ankerte am 16. August abends nördlich
von Durnford-Point an der afrikanischen Küste. Am nächsten
Morgen lichtete er Anker und steuerte diesen Punkt an, wo bereits der Dampfer
"Duala" wartete. Hier, unter dem Schutze der spanischen Neutralität, wollte
er seine Kohlenbestände auffüllen. Dies geschah in den folgenden
Tagen, ging aber sehr langsam vonstatten. Inzwischen trafen auch die deutschen
Kohlendampfer "Bethania", "Arucas" und "Magdeburg" bei dem Hilfskreuzer ein, am 19. August wurde "Duala" nach Las Palmas entlassen. Die
Kohlenübernahme wurde aus den Dampfern "Bethania" und "Arucas"
fortgesetzt und war noch am 26. August in vollem Gange, als plötzlich um
Mittag in nördlicher Richtung ein Schiff gesichtet wurde, das alsbald als
englisches Kriegschiff ausgemacht werden konnte. Es war der Kreuzer
"Highflyer", dem die Anwesenheit des deutschen Hilfskreuzers bei Rio de Oro
verraten worden war. Dieser forderte den deutschen Kommandanten auf
große Entfernung bereits durch Scheinwerfersignale auf, sich zu ergeben,
was natürlich abgelehnt wurde. Außerdem berief der Kommandant
sich in seiner Antwort darauf, daß er in spanischen Hoheitsgewässern
läge. Trotzdem eröffnete "Highflyer" alsbald das Feuer, das sofort
von "Kaiser Wilhelm der Große" [339] erwidert wurde.
Bedauerlicherweise lichtete er nicht sofort Anker, obwohl er unter Dampf war,
sondern nahm zu Anker liegend das Gefecht auf, wodurch er als
manövrierunfähiges Schiff sehr benachteiligt war. Nach etwa
1½stündigem Gefecht mußte der Hilfskreuzer, der schwer
beschädigt wurde und nicht unerhebliche Verluste erlitten hatte, wegen
Munitionsmangels das Feuer einstellen. Die überlebende Besatzung rettete
sich in die Boote, das Schiff wurde durch Sprengpatronen versenkt. An Land
angekommen, begab sich der Kommandant zum spanischen Befehlshaber und
legte energischen Protest gegen die Verletzung der spanischen Neutralität
durch den englischen Kreuzer ein. Der Erfolg war der gleiche wie bei allen
anderen Gelegenheiten dieses Krieges, wo sich England kalt lächelnd
über alle Gesetze des internationalen Rechts hinwegsetzte, nämlich
ein negativer. Right or wrong, my country!
S. M. Hilfskreuzer "Möwe".11
Am 1. November 1915 wurde der Befehl erteilt, den Dampfer "Pungs" als
Hilfskreuzer in Dienst zu stellen. Er wurde auf der Werft zu Wilhelmshaven
für diesen Zweck umgebaut und erhielt den Namen "Möwe".
Kommandant wurde der Korvettenkapitän Graf zu Dohna. Das
Schiff lief am 29. Dezember aus und nahm seinen Weg nördlich von
England, ohne vom Feinde entdeckt zu werden. Am 2. Januar 1916 wurde
westlich von Pentland Firth eine Reihe von Minen geworfen, auf deren
eine - wie mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen
ist - einige Tage später das englische Linienschiff "Audacious"
gelaufen ist, wodurch es schwer beschädigt wurde. "Möwe" lief dann
westlich Irland nach Süden und steuerte in die Bucht von Biscaya, um vor
der Mündung der Loire und Gironde wiederum Minen zu werfen. Trotzdem
dieses Manöver durch die Anwesenheit Hunderter von Heringsfischern
erschwert wurde, glückte es doch, und der Hilfskreuzer konnte unbehelligt
am 9. Januar seine Fahrt fortsetzen, um im
Süd-Atlantischen Ozean Kreuzerkrieg zu führen. Die Reise verlief
ohne Störung, östlich an den Canarischen und westlich an den
Capverdischen Inseln vorbei bis zur Nordküste von Südamerika. Auf
dieser Fahrt wurden versenkt: am 11. Januar der englische Dampfer "Corbridge",
nachdem er einen vergeblichen Fluchtversuch gemacht hatte, am gleichen Tage
"Farringford", am 13. Januar "Drumonby", "Author" und "Trader", am 15. Januar
"Ariadne", am 16. Januar "Clan Mactavish", ein armierter Dampfer, der die Flucht
ergriff und das Feuer der "Möwe" vergeblich erwiderte, am 22. Januar
"Edinburgh" (Segler), alles englische Schiffe, größtenteils mit
wertvoller Ladung. Am 15. Januar 1916 wurde östlich der Canarischen
Inseln der englische Passagierdampfer "Appam" angehalten. Dieser hatte
besonders hochwertige Stückgüter und Goldbarren im Werte von
¾ Millionen Mark an Bord, ferner 14 deutsche Zivilgefangene und [340] 160 Fahrgäste,
von denen 32 als Kriegsgefangene auf die Möwe gebracht wurden. Der
Dampfer, der sich auf der Fahrt nach Plymouth (England) befand, wurde unter
deutscher Prisenbesatzung nach dem nächst erreichbaren Hafen von
Nordamerika entlassen. Ende Januar ankerte die "Möwe"
vorübergehend zur Kohlenergänzung nordöstlich von Maraca,
einer brasilianischen Insel nördlich der Mündung des
Amazonenstromes. Nachdem der Vorrat auf beinahe 3000 Tonnen
aufgefüllt worden war, trat der Hilfskreuzer am 31. Januar die
Rückreise an und steuerte mit südöstlichem Kurse auf den
Dampferweg Europa - Südamerika, wo er gute Beute zu
finden hoffte.
Das Glück war dem Kommandanten auch weiterhin hold. Am 6. Februar
traf er den englischen Dampfer "Flamenco", der anfangs zu fliehen versuchte,
aber durch scharfe Schüsse zum Stoppen gezwungen und versenkt wurde.
Ferner wurden am 9. und 25. Februar die englischen Dampfer "Horace" und
"Saxon Prince" aufgebracht und versenkt. An nichtenglischen Schiffen fielen der
"Möwe" zum Opfer: am 4. Februar der belgische Dampfer "Luxemburg"
und am 24. Februar der französische Dampfer "Maroni"; auch diese
mußten den Weg in die Tiefe des Atlantischen Ozeans antreten.
Schließlich bleibt der englische Dampfer "Westburn" zu erwähnen,
der mit 187 Fahrgästen der versenkten Schiffe Anfang Februar unter
deutschem Prisenkommando nach Santa Cruz de Teneriffa entlassen und nach
seiner Rückkehr ebenfalls versenkt wurde.
Während der Hilfskreuzer auf der Rückfahrt diese großen
Erfolge erzielte, trat er allmählich wieder in das Gebiet des
nördlichen Atlantischen Ozeans ein, stand Ende Februar weit westlich der
Großbritannischen Inseln und steuerte südlich Islands mit
östlichem Kurse in der Richtung auf Norwegen zu. Am 21. Februar hatte
der Kommandant den Funkspruch der englischen Station Poldhu aufgenommen,
daß der Dampfer "Appam" glücklich in Nordamerika angekommen
wäre. Noch kurz vor ihrer Rückkehr in die Heimat wäre die
"Möwe" beinahe ein Opfer des Feindes geworden. Am 3. März, nicht
weit von der norwegischen Signalstation Udsire entfernt, kamen mehrere
Rauchwolken in Sicht, die einem Verbande von sechs größeren
englischen Kriegschiffen angehörten. Nur durch schnelles Ausweichen
nach Backbord gelang es dem Kommandanten, sich der Entdeckung zu entziehen.
Dann ging die Heimfahrt flott nach Süden vorwärts. Am 4.
März wurden die Schiffe des deutschen I. Geschwaders und der I.
und IV. Aufklärungsgruppe in der Nordsee passiert, welche die
"Möwe" mit drei Hurras begrüßten. Am gleichen Tage
nachmittags lief sie unter dem Jubel der Bevölkerung in den Hafen von
Wilhelmshaven ein. Vom deutschen Kaiser traf ein Telegramm ein, das den
trefflichen Kommandanten und seine tapfere Besatzung in der Heimat herzlich
willkommen hieß. Dieses war der stolzen "Möwe" erste Fahrt.
Das "Vorwort" seines Büchleins über die zweite
"Möwe"-Fahrt kleidet Graf Dohna in die netten Worte:
"Am 4. März 1916 war die
letzte Nachricht von der [341] "Möwe" in die
Öffentlichkeit gedrungen. Dann war sie ganz verschwunden. Sie hatte, wie
alle Vögel, ihre Mauserzeit und soll dann während des Sommers mit
gänzlich neuem Gefieder an verschiedenen Stellen der
Ost- und Nordsee gesehen worden sein, es waren aber immer nur Gerüchte,
und man konnte nichts Genaues erfahren.
Die »Möwe« hatte während
des Sommers die Zeit benutzt, sich für neue Taten im Winter zu
stärken: sie lag zur Ausführung der letzten Arbeiten und zur
Ausrüstung in der Werft."
Tatsächlich war die "Möwe" nach ihrer ersten Unternehmung
zunächst für kriegerische Zwecke in der Ostsee verwendet worden,
wurde dann im Herbst 1916 für die zweite Aktion ausgerüstet und
ging zu diesem Zweck am 22. November 1916 in See. Wie bei der ersten Fahrt
mußte der Spätherbst wenigstens abgewartet werden, weil nur die
langen, dunklen Nächte hinreichend Aussicht boten, das Schiff durch die
Kette der feindlichen Blockadeschiffe hindurchzubringen. Der Handelskrieg
wurde auch dieses Mal wieder durch das ganze Gebiet des Atlantischen Ozeans
hindurchgetragen, bis auf die Breite von Kapstadt.
Von den auf dieser Reise eingebrachten oder versenkten 21 Dampfern und 3
Seglern sind folgende besonders beachtenswert: Der englische Dampfer
"Yarrowdale", mit Stückgütern von New York nach Frankreich
bestimmt, wurde mit Prisenmannschaft versehen und am 13. Dezember nach
Deutschland gesandt, mit 469 Fahrgästen buntester Mischung, welche
sämtlich von den aufgebrachten Prisen stammten. Der Dampfer traf am 31.
Dezember in Swinemünde ein und ist später unter dem Namen
"Leopard" als deutscher Hilfskreuzer ausgerüstet worden. Er ist leider
gleich auf seiner ersten Unternehmung Mitte März 1917 in der
nördlichen Nordsee, wahrscheinlich nach einem Gefecht mit englischen
Kriegschiffen, gesunken. Als weiterer Dampfer, diesmal japanischer
Nationalität, ist der "Hudson Maru" zu nennen, welcher am 5. Januar 1917
aufgebracht und am 12. Januar südlich des Äquators mit 238 Mann
Besatzung und Fahrgästen gekaperter Schiffe nach dem brasilianischen
Hafen Pernambuco entlassen wurde. Schließlich der englische Dampfer
"Saint Theodore", mit Kohlen von Amerika nach Italien unterwegs, der am 11.
Dezember 1916 angehalten und zunächst mit Prisenbesatzung als
Kohlenschiff benutzt, später als neuer Hilfskreuzer unter dem Kommando
eines Offiziers vom Stabe der "Möwe" in Dienst gestellt wurde und den
Namen "Geier" erhielt. Er hat in selbständiger Handelskriegführung
zwei Prisen gemacht, den englischen Segler "Jean" und den norwegischen Segler
"Staut", welche beide versenkt wurden. Später, am 14. Februar 1917, ist der
"Geier" dann von der eigenen Besatzung abgerüstet und gesprengt worden;
das Prisenkommando stieg wieder auf "Möwe" über.
Außer den vorgenannten Schiffen wurden von der "Möwe" auf der
zweiten Fahrt noch folgende versenkt: Die englischen Dampfer "Voltaire",
"Mount Temple", "King George", "Cambrian Range", "Georgie", "Dramatist",
[342] "Radnorshire",
"Minich", "Netterby Hall", "Brecknockshire", "French Prince", "Eddie",
"Katharine", "Rhodante", "Esmeraldas", "Otaki", "Demeterton" und "Governor",
das englische Segelschiff "Duchess of Cornwall", die französischen
Segelschiffe "Nantes" und "Asnières", sowie der norwegische Dampfer
"Hallbjorg". Die gekaperten Dampfer waren zum Teil gut bewaffnet, eine
Methode, die England im Laufe des Krieges allen Regeln des internationalen
Rechtes zum Trotz sich immer mehr zu eigen gemacht hatte. Auf diese Weise
hatte die "Möwe" mehrfach Kämpfe mit den Schiffen zu bestehen,
ehe es gelang, der Beute habhaft zu werden.
Am 20. März 1917, mitten in der Nacht, lief die "Möwe" zum
zweiten Male in einen deutschen Heimathafen wieder ein, dieses Mal in Kiel.
Wieder hatte sie sich auf der Hin- und Rückreise glücklich durch den
feindlichen Blockadegürtel hindurchgewunden. Mit freudigem Stolz wurde
sie daheim empfangen. Es war ihre letzte Fahrt. Viel wäre zu sagen
gewesen, wie sie auf zwei erlebnisreichen Reisen ihre beispiellosen Erfolge
erzielte, welche kriegerischen Listen der Kommandant angewandt hat, um sich der
Entdeckung zu entziehen; auch wäre es erwünscht, über
mancherlei Vorkommnisse tragikomischer Natur an dieser Stelle zu berichten.
Aber der Raum reicht nicht, um diesen Wünschen gerecht zu werden; die
sonst erschienene Literatur muß schon diese Lücke
ausfüllen.
S. M. Hilfskreuzer "Wolf".12
Am 16. Mai 1916 wurde der Hansa-Dampfer "Wachtfels" in der Heimat in Dienst
gestellt und erhielt unter dem Fregattenkapitän Nerger als Kommandant den
Namen "Wolf". Nach
beendeter Ausrüstung und mehrwöchigen
Übungsfahrten trat der Hilfskreuzer am 1. Dezember 1916 von der
westlichen Ostsee die Ausreise an, um
Minen- und Handelskrieg zu führen. Der Weg führte durch den
Kleinen Belt, nördlich um Island herum und dann quer durch den
Atlantischen Ozean bis auf die Höhe von Kapstadt, dessen nördliche
Ein- und Ausfahrt am 16. Januar 1917 mit 25 Minen belegt wurden; darauf
verseuchte "Wolf" die
Hauptverkehrswege beim Kap Agulhas an der
Südspitze Afrikas am 18. Januar 1917 mit 30 Minen. Diese Minen, die
offenbar unbemerkt vom Feinde gelegt worden waren, scheinen ihre Wirkung
nicht verfehlt zu haben; denn bereits am 27. Januar wurde ein Funkspruch der
südafrikanischen Regierung aufgefangen, in dem vor Unterseebooten auf
der Höhe von Kapstadt gewarnt wurde. Anscheinend waren also Verluste
durch Auflaufen auf jene Minen eingetreten, von denen der Feind glaubte,
daß sie durch deutsche U-Boote gelegt worden wären. "Wolf" fuhr
weiter nach Vorder-Indien und legte am 15. Februar 19 Minen auf der
Wadge-Bank, südlich von Cap Comorin an der Südspitze von
Vorder-Indien; weiterhin wurden am 19. Februar die Ansteuerungskurse von
Bombay mit [343] 110 Minen verseucht.
Auch hier traten die guten deutschen Minen prompt und erfolgreich in die
Erscheinung, so daß "Wolf" nun einstweilen von einer weiteren
Verwendung von Minen absah und zum Handelskrieg im südlichen Teil des
Arabischen Meeres überging. Bei diesen Operationen wurde ein von der
Heimat mitgenommenes Flugzeug, das den Namen "Wölfchen" erhielt, mit
gutem Erfolg benutzt, besonders im Aufklärung- und Sicherheitsdienst, in
einzelnen Fällen auch unmittelbar zur Unterstützung im
Handelskrieg, indem es durch Abwerfen von Bomben die Fahrzeuge zum Stoppen
veranlaßte und ihnen dann mittels eines abgeworfenen Zettels oder auch
mündlich Befehl erteilte, zum Liegeplatz des "Wolf" zu fahren, wo dann
die Beschlagnahme erfolgte.
Am 27. Februar gelang es, den Engländern einen deutschen Dampfer wieder
abzujagen, den sie zuvor gekapert hatten. Dieses war der
Hansa-Dampfer "Gotenfels", der unter dem Namen "Turitella" fuhr und
Heizöl für die britische Admiralität geladen hatte. Er wurde
mit einem Schnellfeuergeschütz und 25 Minen von "Wolf"
ausgerüstet und unter einem Seeoffizier vom Stabe des "Wolf" nebst 27
Mann unter dem Namen "Iltis" als Hilfskreuzer in Dienst gestellt; er erhielt den
Auftrag, die Ansteuerungskurse zum Roten Meer, und zwar nördlich und
südlich der Insel Perim, mit Minen zu verseuchen. Man hat später
leider von "Iltis" nichts mehr gehört, so daß anzunehmen ist,
daß dies Schiff von den Engländern aufgebracht und entweder von
diesen oder von der eigenen Besatzung versenkt worden ist.
Allmählich mußte die Anwesenheit des "Wolf" im Indischen Ozean
sicher bekannt geworden sein; daher verlegte der Kommandant seine
Tätigkeit weiter nach Süden, fuhr nach der Südküste
von Australien und Tasmanien bis zur Südspitze von
Neu-Seeland und fahndete hier im April und Mai 1917 auf Kohlenschiffe. Im Juni
wurde an der Nordecke von Neu-Seeland Kreuzerkrieg geführt und
anschließend das Fahrwasser mit Minen verseucht, und zwar am 25. Juni
am Kap Maria van Diemen mit 25 Minen und am 27. Juni bei der
Cook-Straße, der Straße zwischen den beiden Hauptinseln von
Neu-Seeland, mit 35 Minen. Am 3. und 4. Juli wurde eine Sperre von 30 Minen
am Kap Howe, der Südostecke von Australien, gelegt. Danach führte
"Wolf"
Kreuzerkrieg durch die Südsee hindurch, an den
Fidschi-, Santa Cruz- und Salomons-Inseln vorbei, um den
Bismarck-Archipel und nördlich um Neuguinea herum und durch die
holländisch-indischen Inseln hindurch. Hier wurden am 4. September 1917
mit den letzten 86 Minen bei den Anambas-Inseln, nordöstlich von
Singapore, die Verkehrsstraßen von Singapore nach den Ostasiatischen
Handelsplätzen verseucht. Am 10. September entschloß der
Kommandant sich, die Heimreise durch den Indischen und Atlantischen Ozean
anzutreten. "Wolf"
kehrte am 18. Februar nach Deutschland zurück. Den
am 11. November 1917 östlich der Insel Madagascar gekaperten spanischen
Dampfer "Igotz Mendi" führte der "Wolf" als Wohnschiff für die
inzwischen angesammelten Besatzungen der aufgebrachten Schiffe mit sich
[344] bis ins Nördliche
Eismeer, wo schließlich die Fühlung mit ihm verloren ging. Das
Schiff ist nachher in den dänischen Gewässern gestrandet.
Der Hilfskreuzer hat insgesamt 14 Schiffe aufgebracht; 13 von ihnen wurden
versenkt, und zwar im Indischen Ozean die englischen Dampfer "Turitella",
"Jumna", "Wordsworth" und der englische Segler "Dee", im Stillen Ozean die
englischen Dampfer "Wairuna" und "Matunga", sowie die amerikanischen Segler
"Winslow", "Beluga" und "Encore", auf der Rückreise im Indischen Ozean
der japanische Dampfer "Hitachi Maru", der spanische Dampfer "Igotz Mendi"
und der amerikanische Segler "John H. Kirby", schließlich im
Südatlantischen Ozean der französische Segler "Maréchal
Davout" und der norwegische Segler "Storebror". Aus Zeitungsnachrichten,
Funksprüchen und Erzählungen der Mannschaften und
Fahrgäste der aufgebrachten Schiffe kann ferner geschlossen werden,
daß folgende Schiffe auf die von "Wolf" an den verschiedenen Stellen des
Weltmeeres ausgelegten Minen gelaufen und mehr oder weniger stark
beschädigt sind: Die Dampfer "City of Athens", "Cecilia", "Matheron",
"Tyndereus", "Iza Guerre", "Glacebay", "Perseus", "Mongolia", "Port Kembla"
und "Cumberland", sowie der japanische Panzerkreuzer "Haruna", von dem
bekannt geworden ist, daß er mit starken Beschädigungen nach
Colombo eingelaufen ist.
Was die Zeitdauer und die östliche Ausdehnung der Reise anbetrifft, so
steht die Fahrt des
Hilfskreuzers"Wolf" beispiellos da. Wenn die Anzahl der
aufgebrachten Schiffe im Verhältnis hierzu nicht so groß gewesen ist,
so ist einmal zu berücksichtigen, daß die verschiedenen deutschen
Handelszerstörer im Laufe der vorhergegangenen Jahre auf allen
Weltmeeren bereits tätig gewesen waren und unter den feindlichen
Handelsschiffen schon stark aufgeräumt hatten, und weiter ist nicht zu
vergessen, daß Monate dazu gehörten, um die große Anzahl
Minen auszulegen. Und gerade diese Minenerfolge waren nicht nur wegen der
unmittelbaren Wirkung, sondern besonders auch wegen ihrer mittelbaren Folgen
hoch zu bewerten, insofern die ganze Schiffahrt in den bedrohten Gegenden
dadurch aufs äußerste beunruhigt und teilweise lahmgelegt wurde.
Kommandant und Besatzung wurden bei ihrer Rückkehr mit ungeheurem
Jubel begrüßt und ihr Empfang fand seine Krönung durch den
späteren Einzug der tapferen "Wolf"-Leute in die Hauptstadt Berlin, wo sie
festlich aufgenommen und bewirtet wurden. So fand der Dank der Heimat
besonders lebhaften Ausdruck.
S. M. Hilfskreuzer "Seeadler".
Das amerikanische Segel-Vollschiff "Pass of Balmaha" wurde auf romantische
und bis dahin nicht dagewesene Art in der Nordsee zur Prise gemacht,
nämlich durch ein deutsches Unterseeboot. Es wurde unter Führung
eines Unteroffiziers nach Cuxhaven eingebracht, wo es einige Monate lag und
dann durch Prisengericht als verfallen erklärt wurde. Am 21. November
1916 wurde es unter dem Kommando des Kapitänleutnants Graf
v. Luckner mit dem Namen "Seeadler" als [345] Hilfskreuzer in Dienst
gestellt. Er ging am 21. Dezember in See und führte Kreuzerkrieg im
Atlantischen Ozean, landete mit der französischen Bark "Cambronne" am
7. März 1917 in Rio de Janeiro, um dort 281 Mannschaften von den
aufgebrachten Schiffen abzugeben, verlegte dann den Handelskrieg nach dem
Stillen Ozean und strandete schließlich am 2. August 1917 im Sturm an der
Lord Howe-Insel, nördlich der Salomons-Inseln. Die Besatzung verteilte
sich auf einen Segler und ein Motorfahrzeug. Der Segler gelangte an die
Küste von Chile, wo die Besatzung interniert wurde, während das
Motorfahrzeug nach Neu-Seeland verschlagen wurde, wo die Besatzung
einschließlich des Kommandanten in Gefangenschaft geriet. Der
Hilfskreuzer versenkte folgende Schiffe: im Atlantischen Ozean die
französischen Segler "Charles Gounod", "Antonin", "Dupleix" und
"La Rochefoucauld", die englischen Dampfer
"Gladys-Royal", "Horngarth und "Lundy Island", die englischen Segler "British
Yeoman", "Pinmore" und "Perce", sowie den italienischen Segler "Buenos Aires";
im Stillen Ozean die amerikanischen Segler "C. Slade".
"A. B. Johnson" und "Manila", sowie den französischen
Segler "Lutece".
Die Kreuzerfahrten dieses "märchenhaften" Schiffes gewinnen dadurch an
Bedeutung, daß es sich nicht um ein
Dampf-, sondern um ein Segelschiff handelt, das unter hervorragender
Führung eine seemännisch-militärische Leistung ersten
Ranges zu verzeichnen hat. Wie aus der Reihe der versenkten Schiffe hervorgeht,
beschränkte sich der tollkühne Handelszerstörer nicht darauf,
Schiffe seinesgleichen anzuhalten und zu kapern, sondern scheute sich auch nicht,
auf Dampfer Jagd zu machen und diese durch den ehernen Mund seiner
Geschütze zum Stoppen zu bringen und zu beschlagnahmen. Romantisch
wie das Schicksal dieses Schiffes noch unter amerikanischer Flagge begonnen
hatte, endete es auch an fernen Gestaden.
Hiermit schließt das Kapitel der deutschen Kreuzerkriegführung im
Auslande. Wo und wann deutsche Schiffe auf den weiten Ozeanen auch auftraten,
überall haben sie ihr letztes hergegeben, wenn auch nicht immer mit dem
gewünschten Erfolg. Wo dieser aber gering war oder ausblieb, lag der
Grund ausnahmslos in dem bedauerlichen Umstande, daß der zur
Lebensfähigkeit des Schiffes notwendige Brennstoff nicht zu haben war
oder daß ein allzufrühes Zusammentreffen mit einem
überlegenen Gegner der Tätigkeit des betreffenden Schiffes ein
vorzeitiges Ziel setzte. In der Geschichte dieses Krieges werden die Ruhmestaten
deutscher Kreuzer immerdar den gebührenden Raum einnehmen.
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