Bd. 1: Der deutsche Landkrieg, Erster Teil:
Vom Kriegsbeginn bis zum Frühjahr 1915
Kapitel 6: Der Krieg auf der Westfront
von Mitte September 1914 bis Mitte April 1915
(Forts.)
Oberst Friedrich Immanuel
5. Die Ereignisse im Westen im Winter
1914/15.
Die Kräftegliederung der Deutschen Mitte
November.
Als die Schlacht an der Yser und bei Ypern Mitte November 1914 erlosch,
gliederte sich das deutsche Heer, von Norden nach Süden genommen,
in folgender Weise:
- 4. Armee Herzog Albrecht von Württemberg von der Seeküste bis zum Kanal
Comines - Ypern,
- 6. Armee Kronprinz Rupprecht von Bayern von diesem Kanal bis an die obere Ancre,
- 2. Armee v. Bülow von dort bis zur Oise,
- 1. Armee v. Kluck von der Oise bis zur Straße
Laon - Soissons,
- 7. Armee v. Heeringen von dort bis zur Straße
Rethel - Reims,
- 3. Armee v. Einem von dieser bis zur Aisne oberhalb Vouziers,
- 5. Armee Deutscher Kronprinz von der Aisne bis zur Straße
Metz - Verdun über Etain,
- Armeeabteilung v. Strantz von dort bis zur oberen Seille,
- Armeeabteilung v. Falkenhausen von dort bis zum Gebirge
südlich des Donon,
- Armeeabteilung Gaede vom Donon zur elsässischen
Südgrenze.
Die Erschöpfung der Kräfte und die Not im Osten zwangen zu
dem widerwilligen Entschluß, die Kampflinien zu festen Stellungen
auszubauen, um die Unterlegenheit an Zahl durch weitgehende Ausnutzung
der Technik auszugleichen. Nur mit äußerstem Widerstreben
fügte sich der Geist der deutschen Truppen in eine solche
Einschränkung des freien Willens. Die Worte des
Exerzier-Regiments für die Infanterie: "Nie darf die Anlage einer
Deckung die Freude am unaufhaltsamen Angriff lähmen oder gar zum
Grabe des Angriffsgedankens werden" lebte zu sehr im Gefühl der
Führer und Truppe, als daß es mit einem Schlage hätte
anders werden können. Nur ungern und sehr allmählich, durch
die blutigen Verluste in der
Yser- und Ypern-Schlacht belehrt, vielfach aber erst unter dem Eindruck
der Erfahrungen vom Winter 1914/15 lernte das deutsche Heer, dem Zwang
der Lage sich zu beugen, mit dem Spaten tief in den Boden zu gehen und
Drahthindernisse vor die Gräben zu legen. So wuchs sich der
Stellungskampf, das Ringen um den Besitz und um die Behauptung der
entscheidenden Punkte immer stärker aus und gab, wenn [413] auch in Einzelheiten der
Durchführung wechselnd und durch feindliche Großangriffe
unterbrochen, mit der Zeit der deutschen Kampfführung auf der
Westfront das Gepräge, das sie bis zum März 1918 behielt.
Lage und Absichten der Entente Mitte November.
Als die Deutschen Mitte November 1914 die Yser- und
Ypern-Schlacht abbrachen und den Schwerpunkt der Kriegführung
auf die russische Front verlegten, ergab sich für die Entente die
Notwendigkeit, die Russen dadurch zu entlasten, daß auf der Front in
Belgien und Frankreich dauernd und kräftig angegriffen wurde. Nur
auf diese Weise wurde es möglich, deutsche Kräfte im Westen zu
binden und von den Russen fernzuhalten. Joffre beschloß, diese
Aufgabe dadurch zu lösen, daß er von dem bisherigen
Verfahren, nämlich vom Durchbruchversuch an einer bestimmten,
örtlich begrenzten Front, abging und an dessen Stelle eine
allmähliche Zermürbung, eine Zerbröckelung der
deutschen Widerstandskraft setzte. Zu diesem Zweck gab er als allgemeine
Richtlinie die Weisung heraus, daß auf allen Fronten von der
Kanalküste bis zur Schweizer Grenze gleichzeitig der Angriff
vorzubereiten war. Er sollte je nach der Gunst der Lage entweder durch
einzelne Stöße durch das Vorgelände überfallartig
bis unmittelbar an die deutschen Stellungen herangeführt werden, sich
dort festsetzen oder sich des langsamen planmäßigen
Heranarbeitens mittels der Sappe bedienen. Die Stärke und
Widerstandskraft des Feindes, die Verhältnisse des Geländes an
Ort und Stelle, das Wetter wurden als die entscheidenden Gründe
bei Wahl des Kampfverfahrens bezeichnet. Nach der am 20. November 1914
in diesem Sinne ausgegebenen Weisung waren die Vorbereitungen so zu
treffen, daß Mitte Dezember 1914 der allgemeine Angriff auf allen
Frontteilen einsetzen konnte, um die deutschen Linien zu lockern,
auszuwuchten und zum Rückzug zu zwingen.
Das französische Heer hatte sich nach Joffres Urteil in der
Yser- und Ypern-Schlacht durchaus bewährt und den Deutschen als
ebenbürtig erwiesen. Es hatte an allen Brennpunkten des Kampfes das
Gleichgewicht hergestellt, die wankenden belgischen und englischen Fronten
gestützt, dem Feinde durch Gegenstoß Halt geboten. Durch
Einstellung des Jahrganges 1915, durch Heranziehung der älteren
Territorialjahrgänge, durch allmähliches Eintreffen farbiger
Truppen aus
Nord- und Westafrika war der bisherige Kriegsverlust ausgeglichen, die
Stärke vom 1. August 1914 wieder erreicht worden.
Für das englische Heer trafen Ende November nicht nur die
Ersatzmannschaften für die alten Korps I bis IV, sondern auch die
ersten neu aufgestellten Divisionen des "Kitchener-Heeres" und drei weitere indische Divisionen ein. Die
Yser- und Ypern-Schlacht hatte, obwohl der Angriffsgedanke im
großen gescheitert war, das Selbstgefühl des englischen Heeres
gehoben. Es begann, sich nicht mehr als ein Anhängsel der
französischen Armee zu betrachten, sondern [414] gewann das Bewußtsein, eine
ebenbürtige, selbständige, ja entscheidende Streitkraft zu
sein.
Das belgische Heer hatte die Prüfung an der Yser, freilich unter
Zuhilfenahme der Überschwemmungen, überstanden und
wurde nunmehr nach Zahl und Kampfwert ausgebaut.
Von großer Bedeutung war der von Woche zu Woche anwachsende
Zufluß an Waffen, Munition und Kampfmitteln aus Amerika. Er stellte
der Ententeführung neue schwere Geschütze zur
Verfügung, um das seither vorhandene Übergewicht der
Deutschen in dieser Hinsicht auszugleichen und mit der Zeit zugunsten der
Entente umzugestalten. Namentlich begann sie über eine
Artilleriemunitionsmenge zu verfügen, der die deutsche Herstellung
nicht gewachsen war.
Alles in allem genommen, sah die Entente den Kämpfen des Winters
1914/15 mit Vertrauen entgegen.
Die Angriffe der Entente bis Mitte Februar 1915.
An der Flandernküste.
Im Überschwemmungsgebiet von Dixmude bis zur Meeresküste
bei Nieuport dauerten nach dem Abbrechen der
Yser- und Ypern-Schlacht die Artilleriekämpfe und die
Vortruppenunternehmungen entscheidungslos fort. Erst Mitte Dezember
1914 unternahmen die Westmächte einen großangelegten
Angriff, der gegen die deutsche Front
St. Georges - Lombartzyde - Westende
vorbrechen und den Feind längs des Dünengeländes
über Middelkerke bis Ostende aufrollen sollte. General de Mitry
erhielt den Oberbefehl, die belgische 2. und 4.
Infanterie-Division, sowie eine französische
Marine-Infanterie-Brigade wurden ihm zugeteilt. Ein englisches Geschwader
sollte durch
Flanken- und Rückenfeuer gegen die deutschen Stellungen wirken, die
vom Marinekorps und der 4.
Ersatz-Division gehalten wurden. Der Ententeangriff scheiterte am 16.
Dezember vor Lombartzyde
nach geringem Anfangserfolg und flutete vor
dem schneidigen Gegenstoß der deutschen
Marine-Bataillone in die Ausgangsstellungen zurück, während
die britischen Kriegsschiffe durch die Strandbatterien verjagt wurden.
Dagegen hatte die Gruppe Mitry am 28. Dezember einen Erfolg bei St.
Georges, das sie nach blutigem Ringen einem deutschen
Marine-Bataillon entreißen konnten. Es gelang ihr jedoch nicht, die
Yser bei St. Georges zu überschreiten. Alle Versuche scheiterten an
deutschen Gegenstößen.
Bei Ypern.
French, der um Ypern den Befehl führte, setzte es sich zur Aufgabe,
den deutschen Ring zu sprengen und nachträglich durch Einzelangriffe
zu erreichen, was ihm in der großen
Ypern-Schlacht nicht gelungen war. Nach täglichen
Vorpostenunternehmungen, die am 27. und 29. November sowie am 3., 5.,
[415] 10. Dezember besonders heftig waren, griff
am 11. Dezember die
belgisch-französische Gruppe d'Urbal aus der Linie
St. Julien - Langemarck - Steenstraate die
deutschen Schützengräben bei
Poelkappelle - Bixschote - Merckem an, die von Teilen des deutschen XXII.
und XXIII. Reservekorps gehalten wurden. Die Franzosen drangen
stellenweise, der Überschwemmungen halber meist an Straßen
und Wege gebunden, in die deutschen Gräben ein, wurden aber bald
durch die zu Gegenstößen herangeführten Reserven
wieder zurückgeworfen.
Am 17. Dezember ging d'Urbal erneut gegen Bixschote und Poelkappelle,
auch gegen Passchendaele vor, ohne mehr als einige hunderte Meter Tiefe,
aber auch diese nur vorübergehend, zu gewinnen. Bis zum 20.
Dezember griffen die Engländer von
Polygon-Wald über den Herenthage-Wald nach Zwartelen hin, und
gleichzeitig Engländer und Franzosen bei
St. Eloi - Wytschaete - Messines an. Die
Deutschen behaupteten überall ihre Gräben und brachten
unbedeutende Geländeverluste durch Gegenstöße wieder
ein.
[416a] Schlacht bei Lille:
Brigadegefechtsstelle Oktober 1914 an der
Rue d'Enfers.
|
Westlich Lille.
Nach dem Abschluß der Ypern-Schlacht trat im Bogen westlich Lille,
wo das deutsche XIX., VII., XIV. Armeekorps auf der Front zwischen der
Douve bei Ploegsteert und dem Kanal von La Bassée fochten,
zunächst Ruhe ein. Den Deutschen gegenüber lagen hier die
englische 3. und 2. Armee, beide durch indische Divisionen verstärkt.
Bei Givenchy westlich La Bassée schloß sich die
französische 10. Armee Maudhuy an. Am 17. und 19. Dezember griffen
die Engländer bei
Fromelles - Richebourg - Festubert das VII.
Armeekorps an, wurden aber blutig abgewiesen. Am 19. ging das englische
II. Armeekorps, unterstützt durch das
Lahore-Korps, gegen die vom XIV. Armeekorps gehaltene Front auf den
Höhen bei
Festubert - Givenchy vor. Der Angriff wurde abgewiesen,
worauf die Deutschen am 20. zum Gegenstoß schritten und den
Engländern und Indern unter erbitterten Kämpfen, in welche
auch französische Unterstützungen eingriffen, die wichtigen
Ortschaften Festubert und Givenchy entrissen. In der Nacht zum 21., an
diesem Tage und in der folgenden Nacht rangen die Gegner mit
äußerster Hartnäckigkeit um den Besitz der beiden
Dörfer: jede Trümmerstätte der Gehöfte, jeder
Graben, jeder Keller wurde zum Gegenstand wütender
Kämpfe, die mit Handgranaten und blanker Waffe geführt
wurden. Festubert blieb im Besitz der Deutschen, welche am 23. unter der
vernichtenden Wirkung des
englisch-französischen Artilleriefeuers, gegen das die deutsche
Artillerie in starker Minderzahl war, die Reste von Givenchy räumten
und auf den Westrand von La Bassée zurückgingen. In den
Weihnachtstagen erloschen die Kämpfe, die zu den schwersten auf der
Westfront während des Winters 1914/15 gehörten.
Um Lens und Arras.
Seit den Kämpfen Anfang Oktober 1914 hielten die Deutschen die
Front zwischen dem Kanal von La Bassée und der Scarpe
östlich Arras mit dem linken [416] Flügel der 6. Armee besetzt, rechts
XIV. Armeekorps, in der Mitte II. bayerisches Reservekorps, links IV.
Armeekorps. Die Front verlief über
Vermelles - Loretto-Kapelle -
La Targette -
östlich Ecurie - östlich Roclincourt - St.
Laurent.
Ablain und Carency wechselten bei den unaufhörlichen
Unternehmungen anfänglich fast Tag um Tag den Besitzer.
Schließlich lagen sich die Parteien innerhalb der Trümmer
unmittelbar gegenüber.
Während der Yser- und Ypern-Schlacht wurde auf dieser ganzen
Linie im Schützengrabennahkampf hartnäckig gerungen, ohne
daß die
Gegner - auf französischer Seite der rechte Flügel der 10.
Armee
Maudhuy - Fortschritte machen konnten.
Ende November verdichteten sich die französischen Anstrengungen
gegen Vermelles, da Maudhuy hier in Richtung auf
Loos - Hulluch durchzustoßen gedachte. Im Besitze
dieser beherrschenden Höhen, konnte er nach Norden die deutsche
Stellung bei La Bassée, nach Süden bei Lens, den beiden
Hauptstützpunkten der Gegend, auswuchten. Am 1. Dezember hatten
sich die Franzosen in mühsamem Sappenangriff bis auf
Sturmentfernung an Vermelles herangeschoben. Sie drangen in das durch
tagelanges Artilleriefeuer zertrümmerte Dorf ein. Bis zum 6. Dezember
währte der Ortskampf zwischen den Angreifern und Teilen des
deutschen XIV. Armeekorps, die sich nach Preisgabe des westlichen
Dorfabschnittes am Ostrand im Schloßpark und im weitläufigen
Gelände der Brauerei Wattebled aufs tapferste verteidigten. Als das
feindliche
Artillerie- und Minenfeuer die Stützpunkte völlig zerschlagen
hatte, wurde die deutsche Besatzung auf die Höhe bei Loos in die
zweite Stellung zurückgenommen.
Joffres Befehl vom 17. Dezember beauftragte die 10. Armee mit dem zweiten
Durchbruchsversuch zwischen Lens und Arras, der sich zunächst in
den Besitz der Höhen zwischen Souchez und Roclincourt setzen sollte.
Das II. bayerische Reservekorps, und links neben ihm der rechte Flügel
des IV. Armeekorps, hielten die zum Schutz dieses Abschnittes vorgelagerte
Stellung
Loretto-Kapelle - St. Laurent, rechts an den linken
Flügel des XIV. Armeekorps gelehnt. Nach Entfesselung eines
gewaltigen Artilleriefeuers führte General Maudhuy am 20. Dezember
sieben französische Divisionen zum Stoß gegen diesen Abschnitt
heran. Bis zum 22. abends bemächtigten sich die Franzosen des
Nordhanges der
Loretto-Höhe, einiger Gräben bei Souchez und eines
Ortsabschnittes von Ablain. Jetzt aber setzte ein entschlossener Gegenangriff
des XIV. Armeekorps und des II. bayerischen Reservekorps ein, der sie
zurücktrieb. In den Weihnachtstagen wurden erneut im
Gelände zwischen
Loretto-Höhe, Ablain, Carency, Souchez und Loos gerungen, ohne
daß die Franzosen ihre zeitweiligen Erfolge festhalten konnten. Sie
mußten sich mit sehr geringem Geländegewinn beiderseits des
sumpfigen Grundes von Souchez begnügen, der Weg auf die
Höhen von Loos blieb ihnen gesperrt. Erst Mitte Januar 1915 erlahmte
die Schlacht, welche auch hier die Überlegenheit der deutschen
Widerstandskraft erwiesen hatte.
[417] Arras bot dem Südflügel der
Angriffsgruppe Maudhuy durch die ausgedehnten Kellereien und tiefen
Steinbrüche die Möglichkeit, große Infanteriemassen
bereitzustellen, obwohl schweres deutsches Artilleriefeuer auf Stadt und
Vororten lag. Der französische Angriff bemächtigte sich am 17.
Dezember des westlichen Abschnitts von St. Laurent, das von den Bayern
gehalten, dann aufgegeben und bis zum 16. Januar unter mühsamem,
wochenlangem
Straßen- und Häuserkampf zum größten Teil
wieder zurückgewonnen wurde. Die gleichzeitigen
französischen Vorstöße aus der
Süd- und Südostfront von Arras gegen die deutschen
Gräben bei Mercatel, Beauvains, Tilloy, Blangy, wurden vom
deutschen IV. Armeekorps aufgefangen.
Vom 20. Januar ab erlosch auch bei Arras die französische
Angriffslust. Ein Artilleriemassenfeuer von außerordentlicher
Stärke und tagelanger Dauer war der Beweis dafür, daß
man durch den Infanteriesturm die deutsche Linie nicht zu brechen vermocht
hatte.
Bei Albert - Chaulnes.
Südlich Arras erstreckte sich die deutsche Front über
Gommécourt, ihren westlichen Punkt, und Serre nach der Ancre
oberhalb Albert, überschritt die große Straße
Bapaume - Albert bei La Boisselle und verlief über
Mametz nach der Somme bei Frise. Am 17. Dezember griffen die Franzosen
die deutschen Stellungen bei
Thiepval - Orvillers - La Boisselle -
Fricourt - Mametz an, um sich der Hochfläche bei
Pozières (160) zu bemächtigen, die den Zugang zu den
Hauptpunkten Combles und Bapaume beherrschte. Sie drückten nach
blutigem Ringen die vorgeschobenen deutschen Abschnitte etwas
zurück, wurden aber von Teilen des XIII. und XXI. Armeekorps
aufgehalten. Die Kämpfe zogen sich bis zum 20. Januar hin und
endeten damit, daß der französische Angriff zwischen Ancre
und Somme nach sehr unbedeutendem Geländegewinn eingestellt
werden mußte.
[416a] Kämpfe bei Albert-Chaulnes: Beauvraignes 1914/15.
|
Nicht glücklicher waren die französischen Unternehmungen
zwischen Somme und Oise, wo die Deutschen mit dem XXI. Armeekorps und
IX. Reservekorps in den Weihnachtstagen die Linie
Chaulnes - Roye - Lassigny - Dreslincourt
erfolgreich verteidigten.
Bei Soissons, am Damenweg, nördlich Reims.
An der Aisne-Front hatten sich die Deutschen am 30. Oktober in den Besitz
des wichtigen Brückenkopfes Vailly gesetzt, den die Engländer
auf der Verfolgung nach der
Marne-Schlacht am 13. September gewonnen hatten. Dem III. Armeekorps
der 1. Armee wurde diese Aufgabe übertragen. Die
Brandenburger - die 6. Infanterie-Division und zwei Bataillone der 9.
Infanterie-Brigade - stürmten die Höhen 185
nordöstlich Vailly, 169 nördlich Celles und gewannen am
Abend das Städtchen Vailly, wodurch sie dem Feinde die
Übergänge über Aisne und Kanal sperrten und die
Sicherheit der Stellung auf den Höhen des Damenweges wesentlich
verbesserten. Das alte Fort Condé auf der Höhe 166 [418] nordwestlich des im
Aisne-Tal gelegenen gleichnamigen Ortes kam gleichfalls in den Besitz der
Deutschen, die hiermit eine vorzügliche Beobachtungsstelle gewannen.
Nördlich der Aisne stand im Umkreis des Gefechtsfeldes kein
Franzose mehr. 1500 Gefangene waren in die Gewalt der Sieger gefallen.
Nachdem am 17. Dezember Joffre den Befehl zum Angriff an allen
Frontabschnitten erteilt hatte, setzten sich die Armee Maunoury im Raum
von der Oise unterhalb Noyon bis zur Aisne oberhalb Soissons, Armee
Franchet d'Esperey von dort bis in die Ostchampagne bei Reims, Armee
Langle de Cary weiter ostwärts in Bewegung.
Die deutsche 1. Armee fing mit dem IX. Armeekorps und dem IV.
Reservekorps in den Weihnachtstagen den französischen Angriff in
den befestigten Stellungen zwischen Oise und Aisne bei Carlepont, Tracy le
Val, Tracy le Mont, Autrêches, Nouvron mit solcher Wucht auf,
daß die Franzosen den Versuch weiterer Angriffe bald aufgaben. Auch
der mit großen Mitteln und Kräften vorbereitete Stoß von
Soissons aus dem sehr günstigen Brückenkopf bei
Cuffies - Crouy - Bregny wurde am 18. Dezember durch
die Gefechtsbereitschaft des III. Armeekorps auf den Höhen
beiderseits der Straße
Laon - Soissons, namentlich aber durch das wirkungsvolle
Feuer der deutschen schweren Artillerie in die Niederung von Soissons,
verhindert.
Die Dezemberkämpfe am Damenweg waren von geringer Bedeutung,
die Franzosen kamen nicht über die Angriffseinleitung hinaus. Der
linke Flügel der deutschen 1., die 7. und der rechte Flügel der 3.
Armee hielten die feindlichen Stöße durch Artilleriewirkung
bereits in der Entwicklung nieder. Im einzelnen wiesen das XII. Armeekorps
bei Craonne, das X. Armeekorps bei Berry au Bac, das VI. Armeekorps bei
Witry - Beine, das XII. Reservekorps bei
Moronvilliers - Aubérive die Angriffe ohne besondere
Mühe ab.
General Maunoury, nebst Foch wohl der tätigste unter den
französischen Armeeführern, begnügte sich nicht mit den
geringen Erfolgen der Kämpfe bei Soissons Mitte September, sondern
wollte durch Sappenangriff die Stellungen auf den Hochflächen von
Cuffies und Bregny nehmen und dann den Zugang auf die Höhen des
Damenweges erzwingen. Seine Absicht ging dahin, nach Wegnahme der
Höhenlinie
Cuffies - Bregny mit den Massen aus dem von Soissons
heraufsteigenden Talgrund der Josienne vorzubrechen, die Höhen
zwischen Laffaux und Vauxaillon zu ersteigen, die Deutschen über die
Ailette gegen Laon zu werfen und auf diese Weise ihre ganze Front zwischen
Noyon und Reims nach beiden Seiten hin
aufzurollen - ein zweifellos groß gedachtes Unternehmen.
Das Gelände bot dem französischen Angriff
außerordentliche Schwierigkeiten. Auf dem nördlichen
Marne-Ufer war ein Entwicklungsraum von nur geringer Tiefe vorhanden.
Die Aisne führte Hochwasser und hatte die Niederung mithin unter
Wasser gesetzt. Außer den festen Brücken bei Missy und
[419] Venizel, sowie vier
Übergängen bei Soissons selbst, hatte Maunoury mehrere Stege
und Floßbrücken schlagen lassen. Zum Angriff wurden
bereitgestellt: eine zusammengesetzte
Jäger-Brigade, eine Zuaven-Brigade, die 55.
Reserve-Division, die marokkanische Division, alles auserlesene Truppen.
Auf deutscher Seite stand die 5. Infanterie-Division, General Wichura, des III.
Armeekorps dem Angriff gegenüber. Sie hielt mit der 9.
Infanterie-Brigade den Abschnitt gegen Soissons fest: am rechten Flügel
zwischen Cuffies und der Talsenke des
Josienne-Baches Grenadier-Regiment 8, am linken vor Crouy bis vor Bregny
Infanterie-Regiment 48 und Jäger-Bataillon 3. Höhe 132, die
sogenannte "Höhe mit dem Walde" zwischen Crouy und Cuffies, im
rechten Abschnitt war von entscheidender Bedeutung. Die sogenannte
"Sporenstellung" im linken Abschnitt stützte sich bei den
Gehöften Perrière auf eine Reihe tiefer Steinbrüche, in
deren Gängen und Löchern sich die Deutschen zum
äußersten Widerstande eingenistet hatten. Seit den ersten
Januartagen schlug das französische Artilleriefeuer Tag und Nacht
vom Südufer der Aisne her auf die deutsche Front und deckte den
ganzen rückwärtigen Raum bis auf den Anstieg zum Damenweg
mit
Sperr- und Störungsfeuer. Der Minenkrieg arbeitete sich gegen die
Höhe 132 und Umgebung sowie gegen die Steinbrüche heran;
die Deutschen trieben Gegenminen vor.
Die regnerische Nacht zum 8. Januar ersah Maunoury zum Sturm. Kurz vor
Tagesanbruch gingen die Minen hoch, dann erfolgte der Anlauf der
Sturmtruppen. Den ganzen 8. und 9. Januar wurde von der deutschen 9.
Infanterie-Brigade, die aus den vordersten Gräben hatte weichen
müssen, erbitterter Widerstand in den rückwärtigen
Abschnitten geleistet. Erst am 11. kamen die Franzosen unter sehr schweren
Opfern in den Besitz des Höhenrandes westlich und östlich
Crouy, der Ostflanke der "Sporenstellung", der Höhe 132, des
Eingangs in den Grund des
Josienne-Baches. Beiderseits hatte man sich mit höchster Erbitterung
geschlagen, der Gewinn der Franzosen stand aber nicht im Verhältnis
zu den Opfern an Blut und Zeit.
Generaloberst v. Kluck
entschloß sich, die drohende
Durchbruchsgefahr durch einen Gegenstoß im großen zu
brechen. Die ganze 5.
Infanterie-Division wurde hierzu bestimmt, die 6. wirkte bei und östlich
Bregny mit, das Oberkommando der 1. Armee stellte bedeutende
Verstärkung durch schwere Artillerie mit ausreichender Munition
und durch Abgabe von Truppenverbänden anderer Korps zur
Verfügung. Nach dem Befehl des Generals v. Lochow (III.
Armeekorps) sollte der Angriff auf dem Raum westlich von Cuffies nach
Osten hin bis zum Talgrund von Chivres erfolgen. Die Höhe 132 und
die Steinbrüche sollten in der Front, mit den Hauptkräften aber
auf beiden Flanken angegriffen werden, um den Feind zu umklammern und
vom Rückzuge über die überschwemmte
Aisne-Niederung abzuschneiden. Der Kaiser traf auf dem Schlachtfelde ein.
Am 12. Januar konnte der Stoß beginnen.
[420] Auch General Maunoury hatte diesen Tag
für den entscheidenden Angriff bestimmt. So trafen Stoß und
Gegenstoß aufeinander. Die Deutschen kamen jedoch dem Feinde an
Schnelligkeit und Wucht zuvor.
Am 12. Januar 11 Uhr vormittags brach die 9.
Infanterie-Brigade aus den Steinbrüchen vor und stürmte die
vordersten französischen Gräben und Beobachtungsstellen.
Sobald sich die deutschen Stoßtruppen an dieser Stelle eingebaut und
einige Batterien dorthin vorgeholt hatten, erfolgte mittags der zweite deutsche
Stoß auf dem westlichen Angriffsflügel gegen die Höhen
zwischen
Cuffies - Crouy, im besonderen gegen Kuppe 132. Bis 2 Uhr
nachmittags waren die französischen Gräben überrannt,
mehrere Gegenangriffe geworfen, eine Gesamttiefe von 1000 Metern
durchschritten. Nunmehr erfolgte der gemeinsame Angriff der deutschen 5.
Infanterie-Division gegen Höhe 132, den Kernpunkt des feindlichen
Widerstandes. Noch vor Einbruch der Dunkelheit wurden die Franzosen aus
den wenige Tage zuvor eroberten deutschen Stellungen, dann aus ihren
eigenen Gräben geworfen und trotz verschiedener
Gegenstöße von den Höhen gegen das
Aisne-Tal hinabgedrängt, bis sie sich zu Beginn der
Dämmerung auf halbem Hang wieder festsetzten. Die Nacht zum 13.
verging unter blutigen Nahkämpfen, die keine Entscheidung bringen
konnten.
Auf französischer Seite hatte man die Gefahr und Wucht des
deutschen Angriffes wohl erkannt und zog noch am Abend des 12. und bis
zum Morgen des 13. mittels Eisenbahn und Kraftwagen die
kampfbewährte 14.
Infanterie-Division, ein Territorial-Regiment, ein
Turko-Regiment, heran. Es galt wichtiges, nämlich die auf dem
rechten
Aisne-Ufer befindlichen Truppen zu retten und den mühsam
erkämpften Brückenkopf festzuhalten. Die französische
Führung rechnete damit, daß die Fortsetzung des deutschen
Angriffs vom westlichen Flügel aus erfolgen würde, und
häufte daher dort die Reserven.
General v. Lochow verfolgte indessen die gerade entgegengesetzte Absicht
und ordnete an, daß der entscheidende Angriff gegen den
östlichen Flügel der französischen Stellung geführt
werden sollte. Hier vertrauten die Franzosen auf die Stärke ihrer
Stellungen auf den Höhen zwischen
Bregny - Chivres - Buy le Long und hielten daher dort
weniger zahlreiche Reserven zur Abwehr wie zu Gegenstößen
bereit. Sie sahen sich aber vollkommen enttäuscht und erlagen der
deutscherseits sehr geschickt vorbereiteten und gewandt verschleierten
Überraschung.
Genau zur Mittagsstunde des 13. Januar stürzten sich die deutschen
Sturmtruppen, nachdem ein schlagartiges minutenlanges
Artilleriemassenfeuer vorangegangen war, aus der Mitte und auf dem
Ostflügel zum Einbruch vor. Schon nach drei Minuten war die erste,
nach weiteren zehn Minuten die zweite französische Grabenlinie
erobert. Vergebens griffen die schwachen französischen
Abschnittsreserven aus dem Wäldchen bei Bregny die deutsche
Ostflanke an: sie kamen zu spät, prallten auf die überlegenen
deutschen Reserven und wurden in die allgemeine
Rückwärtsbewegung hineingerissen. Als die Dunkelheit
herein- [421] brach, waren die Deutschen im Besitz der
gesamten Hochfläche bei und westlich Bregny. Die Franzosen, die in
aller Eile die letzten Truppen aus der Hauptreserve herausgezogen hatten,
hielten sich nur noch in zusammenhanglosen Befestigungsgruppen am
Fuß des Höhenrandes gegen die
Aisne-Niederung hin. Vereinzelte Vorstöße während der
Nacht zum 14. konnten die Lage nicht mehr zu ihren Gunsten wenden.
Durch das Zurückfluten der französischen Mitte bei
Perrière - Crouy und des östlichen Flügels
bei Bregny geriet am 14. Januar ihr westlicher Flügel in eine
verzweifelte Lage. Von Cuffies und beiderseits der Straße von
Terry-Sorny heran drang der deutsche rechte Flügel gegen die
französische Gefechtsgruppe vor, die sich auf den Höhen
zwischen Crouy und Cuffies festgesetzt hatte und sie noch immer festhielt.
Die deutsche Mitte aber schwenkte über Crouy nach Westen gegen
|
Höhe 132 zur Umfassung ein. So blieb dem französischen
Westflügel kein anderer Ausweg, als die Waffen zu strecken, da er von
allen Seiten umringt war, während die schwere deutsche Artillerie die
Rückzugslinien bestrich und die Übergänge über
das Überschwemmungsgebiet des
Aisne-Tales beherrschte. Gleichzeitig drangen die Deutschen am 14. auch im
Gefechtsraum östlich des
Josienne-Baches bis an den Fuß des Talrandes vor. Am Abend
gelangten eine Kompagnie des
Grenadier-Regiments 8 und mehrere starke Patrouillen des
Jäger-Bataillons 3 bis in die Vorstadt St. Médard von
Soissons, konnten aber die gesperrten
Aisne-Brücken nicht überschreiten und mußten bei
Tagesanbruch zurückgehen.
Das Ergebnis der Schlacht bei Soissons war, daß das deutsche III.
Armeekorps dem überlegenen Feind durch Gegenangriff seine
bisherigen Erfolge auf dem nördlichen
Aisne-Ufer bei Soissons entrissen, ihn überdies seiner
Brückenkopfstellung und damit jeder Angriffsmöglichkeit
beraubt hatten. Die deutsche Stellung war von jetzt ab gesichert, eine
Gefährdung zunächst ausgeschlossen. Die Franzosen hatten auf
einer Breite von 15 Kilometern eine Tiefe von fast 4000 Metern verloren und
hielten sich bei Soissons nur noch mit kleinen Abteilungen am Nordufer der
Aisne, denen wegen der Überschwemmung deutscherseits nicht
beizukommen war. Die französischen Verluste an Toten und
Verwundeten, die in deutschen Händen blieben, waren sehr erheblich.
Außerdem fielen 5000 unverwundete Gefangene, 35 Geschütze,
sehr beträchtliches Heeresgerät aller Art in die Gewalt der
Deutschen.
Die Schlacht vom 12. bis 14. Januar 1915 war eine Reihe von Ehrentagen des
III. Armeekorps, das nicht nur einen zähen und starken Gegner
geworfen, sondern auch außerordentliche Schwierigkeiten des
Geländes bei Regen und Sturm überwunden hatte.
Die öffentliche Meinung Frankreichs empfand sofort die ganze
Schwere des Mißerfolges, des fühlbarsten, den die
französischen Waffen seit den Eingangsschlachten des Krieges erlitten
hatten. Auf den Glanz der
Marne-Schlacht [422] war ein trüber Schatten gefallen.
Die Angriffskraft der Deutschen, die man bereits als erschöpft
angesehen hatte, war hier zu neuer Wucht emporgeflammt und mahnte zur
Vorsicht. Lag doch Soissons nur 85 Kilometer vor Paris! Daher machten sich
dort neue Beklemmungen bemerkbar. Joffre freilich forderte zur Wahrung
der Ruhe auf und suchte die Ängstlichkeit damit zu beschwichtigen,
daß er einen deutschen Durchbruch über die Aisne bei Soissons
wegen Mangels an jeglichen Reserven für ausgeschlossen hielt, da
diese in Polen gebunden wären. Immerhin förderte die
Niederlage von Soissons den Entschluß Joffres, beschleunigt zum
Großangriff in der Champagne zu schreiten, um den Angriffswillen
wieder auf französische Seite zu bringen. Zweifellos hat der Angriff
des III. Armeekorps vom 12. bis 14. Januar auch deutscherseits schwere
Opfer gekostet und an Ort und Stelle zwar taktische, aber keine
strategischen Erfolge errungen. Aber er brachte den ersten
französischen Angriff größeren Umfanges und an
gefährlicher Stelle zum Scheitern, lähmte zeitweise die
französische Unternehmungslust stark und gab vor allem dem Geiste
der deutschen Kriegführung einen machtvollen Auftrieb. Auf ihm
konnte sich, da die Oberste Heeresleitung sich von der Sorge um die Westfront
befreit sah, der Entschluß aufbauen, in Polen und Galizien den
Entscheidungsschlag gegen die Russen zu führen.
Der schöne Erfolg von Soissons legte aber der deutschen Obersten
Heeresleitung den Gedanken nahe, am Ostteil des Damenweges eine
Stellungsverbesserung herbeizuführen. Zugleich sollte der Entente
durch die Tat gezeigt werden, daß die Deutschen nicht gewillt waren,
sich vom Feinde das Gesetz des Handelns vorschreiben zu lassen, daß
sie selbst vielmehr stets angriffsbereit und wiederum angriffstüchtig
seien.
Der Damenweg verfolgt an vielen Stellen die hochragende Wasserscheide
zwischen der Aisne im Süden, der Ailette im Norden. Der
unbestrittene Besitz dieser Höhenlinie war für die Deutschen
erwünscht, wenn sie in dem Besitz des Geländes nördlich
Soissons - Reims sicher sein wollten.
Die französische 5. Armee Franchet d'Esperey hatte mit dem XVIII.
Armeekorps die Höhenkante oberseits Craonne besetzt und
stützte sich auf eine dreifache Kette von Schützengräben,
die in dem Aufstieg vom
Aisne-Tal her eingeschnitten worden war. Hier bot die große
Kalksteinhöhle La Creute, unmittelbar am Damenweg westlich des
Gehöftes Hurtebise, bekannt als Zufluchtsort der Bevölkerung
in der Schlacht bei Craonne am 6. und 7. März 1814, den Franzosen
einen geräumigen, für die deutsche Artilleriewirkung
unerreichbaren Unterschlupf zur Bereithaltung von Reserven und für
die Aufbewahrung von Munition, sonstigen Kampfmitteln und
Verpflegung.
Nachdem das deutsche XV. Armeekorps vom Damenweg nach Flandern
abberufen worden war, hatte das XII. Armeekorps, General d'Elsa, den
Abschnitt von Osten bis Juvincourt besetzt. Hauptstützpunkte waren
die Höhen bei Ailles, der Südrand des Waldes von Vauclerc und
der "Winterberg" bei [423] Craonne. Die Stellung hatte den Nachteil
einer sehr geringen Tiefe, denn der Abfall des Geländes von den
Höhen des Damenweges zum sumpfigen Talgrund der Ailette bot
keine günstigen Verteidigungsabschnitte, während die
französischen Beobachtungsstellen am Damenweg das Feuer in den
Aliettegrund regelten. Eine wirkungsvolle deutsche Feuerwirkung in das
Aisne-Tal aber war mangels geeigneter Beobachtungsstellen erschwert.
Daher sollte das der deutschen 7. Armee unterstellte XII. Armeekorps die
französischen Grabennetze bei
Craonne - Hurtebise nehmen und die Höhle La Creute
gewinnen.
Nach gründlicher mehrstündiger Bearbeitung der
französischen Stellungen durch
Artillerie- und Minenfeuer am 25. Januar schritten die Sachsen zum Sturm,
rechts die 23., links die 24.
Infanterie-Division. In wenigen Minuten war die vorderste französische
Stellung im Besitz der Deutschen, bis zum Abend auch die zweite und dritte
am Westflügel und in der Mitte genommen, während sich der
Ostflügel, einschließlich der Höhlenbesatzung, mit
großer Zähigkeit verteidigte und sogar zu mehrfachen
Gegenstößen ansetzte. Am frühen Morgen des 26. Januar
endeten die erbitterten nächtlichen Kämpfe. Die Besatzung der
Höhle, noch 300 Mann stark, ergab sich den Siegern. Die Deutschen
fanden hier neben anderen Vorräten ein sehr wertvolles
Schanzzeuglager vor. Im ganzen fielen 1100 Gefangene und 8
Maschinengewehre in deutsche Hand. Das deutsche XII. Armeekorps hatte
durch seinen überfallartigen Angriff einen schnellen und
glänzenden Erfolg errungen. Die Sachsen gewannen den
Höhenrand des Damenweges bei
Ailles - Hurtebise - Craonne. Die Franzosen wichen
auf
Craonne - Oulches - Paissy, die später
vielgenannte "Ebene von Kalifornien", zurück und bauten auf der
Sehne des verlorenen Stellungsbogens neue Grabenanlagen aus. Auch hier
waren sie aus dem Angriff in die Verteidigung gedrückt worden.
In der Champagne.
Die neuzusammengestellte deutsche 3. Armee hatte am 1. Dezember 1914 in
der Nordchampagne, in der Richtung von Westen nach Osten,
eingesetzt:
- XII. Reservekorps (23. und 24. Reserve-Division), General v. Kirchbach,
von Aubérive bis Ste. Marie à Py;
- VIII. Armeekorps (15. und 16. Infanterie-Division sowie 1. bayerische
Landwehr-Brigade), General Riemann, südlich Somme Py;
- VIII. Reservekorps (15. und 16. Reserve-Division), General Freiherr von
und zu Egloffstein, ab 2. Januar 1915 General Fleck, südlich
Tahure - Ripont - Rouvroy;
- XVIII. Reservekorps (21. und 25. Reserve-Division), General v. Steuben,
südlich Cernay en Dormois.
Die französische 4. Armee unter General Langle de Cary arbeitete sich
seit Mitte November im Sappenangriff an die deutsche Stellung heran,
gestützt auf [424] das Lager von Châlons, den
Mittelpunkt der großen Eisenbahnlinien Ostfrankreichs und
Sammelplatz erster Ordnung. Die beiderseitigen Kräfte hatten sich
gebunden. Sowohl deutsche wie französische
Einzelvorstöße fanden andauernd statt, durch die
unternehmungslustige Führer den Angriffsgeist ihrer Truppen
beleben wollten und wichtige Punkte des Vorgeländes durch
Überfall zu nehmen hofften. Am 25. November wurde ein
größerer französischer Angriff aus der Linie
St. Hilaire - Souain vom linken Flügel des XII.
Reservekorps und von der 15.
Infanterie-Division unter schwerem Verlust der Franzosen an Toten und
Gefangenen zurückgeworfen. Am 8. Dezember erfolgte nach starker
Artillerievorbereitung und Minensprengung ein ernster Angriff gegen das
III. Bataillon
Infanterie-Regiments 28, der nach dreitägigem, hartnäckigem
Ringen dazu führte, daß die Franzosen sich am
Südabhang der viel umkämpften "Höhe mit dem Baum"
(200) westlich Perthes festsetzten.
Am 17. Dezember ordnete General Joffre den planmäßigen
Angriff an allen Fronten an, der nach der Fassung, die in der Champagne
gefunden wurde, lautete:
"Die Stunde des Angriffs hat geschlagen.
Nachdem wir die deutschen Kräfte in Schach gehalten haben, handelt es
sich nunmehr darum, sie zu brechen und unser Land endgültig von
den Eindringlingen zu befreien. Soldaten, mehr als je rechnet Frankreich auf
Euren Mut, Eure Tatkraft, Euren Willen, um jeden Preis zu
siegen!"
Die Champagne bot durch ihr wellenförmiges, von Schluchten und
Wäldern durchzogenes Gelände nach französischer
Ansicht besonders vorteilhafte Angriffsaussichten. Die
Eisenbahnknotenpunkte Challerange und Vouziers hinter der deutschen
Front, weiter nördlich
Charleville - Mézières - Sedan winkten
als wichtige Ziele. Dem Führer der 4. französischen Armee
wurden als Stoßtruppen das XVII. Armeekorps, die 6.
Reserve-Division, 2 Kolonial-Divisionen zugeteilt. Die Ausstattung an
Artillerie aller Art und mit Munition war eine außerordentlich reiche.
Der erste Angriffsabschnitt dauerte vom 20. bis 28. Dezember, der zweite vom
8. bis 13. Januar, der dritte vom 1. bis 4. Februar, der sich mit dem deutschen
Gegenstoß gegen Höhe 191 nördlich Massiges traf. Alle
diese sehr ernsten Kämpfe waren die Einleitung zur "Winterschlacht
in der Champagne", von der Frankreich die große Entscheidung
erwartete.
Am 20. Dezember griffen die Franzosen die von den
Reserve-Infanterie-Regimentern 25 und 69 der 15.
Reserve-Division gehaltene vorgeschobene Stellung auf der Kuppe zwischen
den Höhen 191 und 199 nordwestlich Massiges an, die deutscherseits
planmäßig geräumt wurde, wodurch dem Gegner ein
wichtiger Artilleriebeobachtungspunkt in die Hand fiel. Französische
Angriffe östlich dieser Kuppe wurden in den nächsten Tagen
abgewiesen. Gleichzeitig unternahmen die Franzosen Vorstöße
gegen Höhe 171 nordöstlich Perthes, wo die Abschnittsgrenzen
des deutschen VIII. Armeekorps und VIII. Reservekorps [425] aneinanderstießen. Trotz
großer Opfer mußten sie sich am 23. damit begnügen, ein
schmales Grabenstück zu behaupten. Auf der "Höhe mit dem
Baum" (200) westlich Perthes errangen die Franzosen am 21. Dezember nach
erbittertem Ringen mit dem
Infanterie-Regiment 68 zwei Grabenabschnitte von je 100 Meter Breite. Die
Oberste Heeresleitung stellte hinter der bedrohten Front Reserven bereit: 1.
Reserve-Ersatz-Brigade, die bisher in die Vogesen abgegebene 31.
Infanterie-Brigade (16. Infanterie-Division), auch Teile der 7. und 5. Armee, die
nach Bedarf herangezogen werden konnten. Mit Hilfe dieser Truppen gelang
es, französische Angriffe am 2. und 5. Januar bereits in den
Anfängen zu ersticken.
Dem General Langle de Cary wurde nunmehr das I. Armeekorps, das als
"Elite" galt, zur Verfügung gestellt, das an der Haupteinbruchsstelle
östlich Perthes zum Einsatz gelangte. Der Ort selbst kam nach und
nach ganz in französischen Besitz; um die Höhen 171 und 200
beiderseits des Dorfes wurde vom 8. Januar ab entscheidungslos gefochten.
Der Stab der 2.
Garde-Infanterie-Division, Generalleutnant v. Winckler, und die 1.
Garde-Infanterie-Brigade, Prinz Eitel Friedrich von Preußen, wurden,
nach mehrwöchentlicher Ruhe von der Ypernfront kommend, hier
bereitgestellt. Am 20. und 25. Januar gelang es kühnen
Stoßtrupps des 1.
Garde-Infanterie-Regiments an der Höhe 200 wesentliche Fortschritte
zu machen und sich in den Besitz ausgedehnter Sappengänge zu
setzen. Der in der Art des Festungskrieges geführte Grabenkampf
kam hier zum erstenmal zur planmäßigen Anwendung, wobei
der Minenkrieg eine große Rolle spielte. Vom 1. bis 4. Februar leisteten
die Bataillone der 1.
Garde-Infanterie-Brigade bei Höhe 200 den immer sich erneuernden
französischen Angriffen zähen und erfolgreichen Widerstand,
bis sie durch die 39.
Reserve-Brigade des X. Reservekorps abgelöst wurde.
Aber auch auf deutscher Seite schritt man zu angriffsweisen
Unternehmungen. Nördlich Massiges besaßen die Franzosen in
der Kuppe 191 ("Ehrenberg") einen vortrefflichen Beobachtungspunkt, der
das
Aisne-Tal weithin beherrschte. Am 3. Februar sollte diese bedeutungsvolle
Stelle genommen werden. Um 12 Uhr mittags gingen die deutschen Minen
hoch, 4 Uhr nachmittags hatte
Reserve-Infanterie-Regiment 80 (21. Reserve-Division) die Kuppe
gestürmt, während die
Reserve-Infanterie-Regimenter 17 und 30 die nordwestlichen
Ausläufer nahmen.Gegenstöße der Franzosen
mißlangen, am 12. Februar waren sie endgültig auf den
Südwesthang des
Etang-Tales geworfen.
In den Argonnen.
Die Behauptung des Argonner Waldgebirges, welches durch die
ausgedehnten, durch Unterholz fast ungangbaren Forsten und
tiefeingeschnittenen Felsenschluchten den Truppen sehr bedeutende
Schwierigkeiten bot, war für beide Teile von größter
Bedeutung. Die Deutschen mußten das Gebirge möglichst weit
nach Süden hin vom Feinde freihalten, da es sonst
Sammel- und Aus- [426] gangspunkt feindlicher Massen werden
konnte, welche zum Angriff zwischen Champagne und Verdun vorbrechen
sollten, um die für Verschiebungen der Reserven wichtige deutsche
Verkehrsader
Diedenhofen - Charleville zu durchbrechen. Die
französische Heeresleitung durfte das Vordringen und Einnisten der
Deutschen in den Argonnen nicht dulden, weil hierdurch die Verbindung
zwischen
Verdun - Toul und Châlons - Paris im
höchsten Maße gefährdet worden wäre. So wurden
die Argonnen vom Spätherbst 1914 ab zum Schauplatz erbitterter
Wald- und Gebirgskämpfe, bei welchen der Minenkrieg in den
Vordergrund trat. Durchweg blieben die Deutschen im langsamen Vorgehen,
während ihnen die Franzosen Schritt um Schritt, Kuppe um Kuppe,
Schlucht um Schlucht streitig machten und immer neue Streitkräfte in
den für sie sehr opferreichen Kampf warfen.
Auf deutscher Seite focht in den Argonnen der rechte Flügel der 5.
Armee, im besonderen die 27.
Infanterie-Division (XIII. Armeekorps) und das XVI. Armeekorps, beide
unter General v. Mudra. Die französische 4. Armee setzte das II., dann
das V. Armeekorps ein, wozu später Teile des I. Armeekorps und des
Kolonial-Korps, Marine-Infanterie und "garibaldianische Legionäre"
traten. "Der Argonnenkrieg zehrte am Mark des französischen
Heeres", gestand ein französischer Bericht zu. Ende Oktober hatten
sich die Deutschen eine Linie erkämpft, die sich im Westen bei Servon
an die Aisne lehnte, nach Osten hin auf die Höhen zwischen Binarville
und Vienne le Château stützte und den Wald von Grurie im
Nordteil der Argonnen halbwegs zwischen diesen Orten traf. Sie drangen im
Gebirge selbst langsam und mühevoll bis zur Linie Hütte
(Pavillon)
Bagatelle - Hof. St. Hubert - Hütte
Barricade vor. Mitte Dezember war die deutsche Linie durch den
nördlichen Rand des
Biesme-Tales bei Vienne le Château und
La Harazée - Waldstück
Bolate - Kuppe "Totes Mädchen" (La Fille morte
285) - Südrand von Boureuilles im
Aire-Tal erkämpft. Die Entscheidung drängte sich um den
Besitz des Weilers Fourt de Paris, der, tief ins
|
Biesme-Tal gebettet, Straßenzüge und Schluchten der
Mittelargonnen beherrschte. Die Deutschen waren dem Gehöft auf 400
Meter nahe gekommen. Nur nach Norden hin sprang die französische
Front gegen St. Hubert weit in die Berge hinauf. Großangelegte
Vorstöße der Franzosen, um diesen Vorsprung zu erweitern,
schlugen am 21. und 27. Dezember fehl und führten sogar zu
Geländeverlust durch die deutschen Gegenstöße. Dagegen
sprengten die Franzosen am 5. Januar eine große Mine im Ostteil des
Grurie-Waldes und gewannen Boden, den ihnen unter heftigen
Kleinkämpfen bis zum 10. Januar die Deutschen wieder entrissen.
Ende Januar trat eine Kampfpause in den Argonnen ein: die Gegner hielten
sich gefesselt, Nebel, Regen, Schnee, tiefer Morast in den Gründen des
wegelosen Gebirges setzten dem Ringen ein Ziel. Die Deutschen hatten den
Feind nicht über den Talgrund der Biesme werfen können.
Four de Paris und die nordwärts davon gelegenen Höhen bis St.
Hubert blieben im Besitze der Franzosen.
[427]
Um Verdun.
Im Raum zwischen dem Ostabhang der Argonnen und der Mosel unterhalb
Pont à Mousson fanden im November und in der ersten
Dezemberhälfte nur
Artillerie- und örtliche Kleinkämpfe statt, die jedoch infolge des
Gegenüberstehens der Parteien auf allernächste Entfernungen
sehr verlustreich waren.
Die Franzosen waren durch die großen Erfolge der Deutschen, welche
Ende September den Brückenkopf von St. Mihiel erobert und hiermit
in die Sperrfortlinie zwischen Verdun und Toul eingebrochen waren, zu
großer Vorsicht veralaßt worden. General Sarrail legte die 3.
Armee in ihrem Abschnitt in stark befestigten Stellungen fest, die er immer
mehr ausbauen und durch schwere Artillerie bestücken ließ. Die
französische Front lief Mitte Dezember von Westen nach Osten, rings
um Verdun, das außerhalb der Reichweite der deutschen Artillerie
blieb, etwa in Linie: südlich Boureuilles an der
Aire - südlich Vauquois - Wälder
von Cheppy, Avocourt, Malancourt, Béthincourt, Forges nach der
Maas, dahinter die gewaltigen Befestigungsgruppen auf Höhe 304
nördlich Esnes und auf der Doppelkuppe des "Toten Mannes", eine
überaus starke Stellung, die für die Deutschen damals nicht
angreifbar war. Auf dem östlichen
Maas-Ufer lief die Front von Consenvoye nach Azannes in östlicher,
von dort nach Fresnes en Woëvre in südöstlicher
Richtung, um nördlich Combres den Steilrand der Côtes
Lorraines zu erreichen. Bei St. Mihiel hielten die Franzosen dem deutschen
Brückenkopf gegenüber am westlichen
Maas-Ufer die Riegelstellung von Les Paroches. Dann trat die
französische Front nahe oberhalb St. Mihiel auf das östliche
Maas-Ufer zurück, umspannte das von den Deutschen besetzte
Sperrfort "Römerlager" (Camp des Romains) und zog sich durch das Wald- und Höhengelände der südlichen
Woëvre-Ebene über die Gegend von
Apremont - Xivray - Seicheprey -
Flirey - Limey nach dem "Priester-Wald" (Bois le Prêtre) auf den Moselbergen nahe nordwestlich Pont à Mousson.
Auf deutscher Seite stand die 5. Armee von den Argonnen bis nach Etain, von
dort bis zur Mosel die Armeegruppe Strantz in befestigten Linien dem
Feinde gegenüber. Sie hielten durch die Umfassung von Norden, Osten
und Südosten die Festung Verdun unter starkem Druck.
Joffres Angriffsbefehl vom 17. Dezember rief auch die 3. Armee zum
allgemeinen Angriff auf. Am 20. Dezember griff sie den linken Flügel
des XVI. Armeekorps bei Boureuilles und Vauquois, den rechten
Flügel des V. Reservekorps am Walde von Malancourt, das VI.
Reservekorps bei
Béthincourt - Forges sehr kräftig an. Besonders
heftig wurde vom 21. bis 24. um den Besitz von Boureuilles gerungen, das
von den Franzosen genommen wurde, die aber schließlich dem
Gegenstoß des XVI. Armeekorps wichen. Die Gefechte in den
Wäldern und um die Kuppen zwischen Vauquois und Forges endeten
damit, daß die Franzosen sich mit sehr geringen Anfangserfolgen
be- [428] gnügen mußten, im
übrigen aber vor den Drahthindernissen der deutschen Linien stecken
blieben.
Gleichzeitige Angriffe der Besatzungstruppen von Verdun vom
östlichen
Maas-Ufer gegen den Wald von Consenvoye und gegen den "Ritterwald" (Bois
des Chevaliers) zwischen Les Eparges und Sperrfort Troyon wurden von den
Deutschen abgewiesen und blieben ergebnislos.
Sarrail strebte, die Hauptanstrengungen auf die Front zwischen Maas und
Mosel zu verlegen, um den rings umfaßten Bogen
Combres - St. Mihiel -
Priester-Wald abzuschnüren. Ein wuchtiger Vorstoß der
Franzosen von
Flirey - Limey gegen das Tal des Rupt de Mad bei und
oberhalb Thiaucourt wurde am 22. Oktober unter sehr schweren Verlusten
für sie zurückgeschlagen. Dann folgte während des
Novembers eine Zeit der Kleinkämpfe und
Artilleriefeuerüberfälle. Am 12. Dezember fand nach
24stündiger Vorbereitung durch Trommelfeuer ein Angriff
größeren Maßstabes statt. Er sollte beiderseits der
Straße
Flirey - Essey die Hochfläche des Bois de Mort Mare
ersteigen, um von dort über das Rupt de
Mad-Tal in den Rücken des deutschen V. Armeekorps zu kommen,
das auf dem Rücken der Côtes Lorraines zwischen Combres
und Hattonchâtel, Front nach Westen, sich festgebissen hatte.
Ununterbrochen folgten sich Angriffe aus den Waldungen von Les Eparges
und südlich davon. Das Korps hatte gegen das Massenfeuer der
schweren Batterien auf der Hochfläche der Côtes Lorraines
einen harten Stand. Diese Kämpfe stellten höchste
Anforderungen an die Widerstandsfähigkeit der deutschen Truppen,
die infolge des Munitionsmangels der feindlichen Artillerie nicht
wirkungsvoll entgegentreten konnten.
Dem großen Vorstoß gegen den Wald Mort Mare trat das III.
bayerische Armeekorps entgegen und warf bis zum 14. Dezember die
Franzosen so verlustreich auf ihre Ausgangsstellungen zurück,
daß der von Joffre befohlene große Angriff in erfolglose
Einzelunternehmungen zerflatterte. Die Franzosen beschränkten sich
darauf, die deutschen Stellungen in den Hochwäldern zwischen
Seicheprey - Regniéville en Haye mit Artilleriefeuer zu
überschütten und zum
Minen- und Sappenangriff überzugehen.
Während dieser Zeit setzten die Franzosen starke Kräfte unter
großen Opfern ein, um sich des östlichen Stützpunktes
der deutschen
Woëvre-Stellung, des Priester-Waldes, zu bemächtigen. Das tief
im
Mosel-Tal liegende Städtchen Pont à Mousson, durch die
gewaltige Stellung der Franzosen auf der Kuppe des Mousson am rechten
Mosel-Ufer gedeckt, blieb für die Deutschen unerreichbar, die den
stark befestigten Punkt von den vorgeschobenen Stellungen der Festung
Metz her wiederholt beschossen. Gegen den
Priester-Wald gingen die Franzosen von Anfang Dezember im
Sappen- und Minenangriff vor, der deutscherseits auf gleiche Art erwidert
wurde. Am 17. Januar schritten die Franzosen zum Sturm und setzten sich in
den Besitz eines Teiles des deutschen Grabennetzes, den ihnen jedoch ein
deutscher Gegenstoß bereits am 20. wieder entriß. Von da ab
bildete das Innere [429] dieses Waldes den Schauplatz erbitterter
Nahkämpfe, ohne daß die eine oder andere Partei entscheidende
Vorteile zu erringen vermochte. Am rechten
Mosel-Ufer setzten sich die Franzosen am 3. Dezember in den Besitz von Les
Menils, konnten aber die
Seille-Übergänge gegen Cheminot nicht bezwingen, wo ihnen
Vortruppen der Festung Metz erfolgreich entgegentraten.
|
In den Vogesen.
Die Vogesen, einschließlich ihrer nordwestlichen Ausläufer bis
zur Seille hin, bildeten zwar nur einen Nebenkriegsschauplatz, doch wurde
auch hier dauernd im hartnäckigen, schwierigen Nahkampf gefochten.
Die Deutschen machten den Franzosen jede Fußbreite Bodens streitig,
da sie ein feindliches Vordringen nach
Elsaß-Lothringen verhindern wollten, während die Franzosen
ihre "nationale Ehre" darin suchten, möglichst viel des von den
Deutschen 1871 angeblich geraubten Gebietes zurückzuerobern. Da
beiderseits nur verhältnismäßig geringe
Truppenstärken im Gebirgsland eingesetzt werden konnten, so kam es
nicht zu großen Kampfhandlungen, dafür aber zu um so
erbittertem Einzelringen um Kuppen, Schluchten, Pässe. Die
Franzosen zogen zu ihrer 1. Armee Dubail, welcher der Schutz der Vogesen
anvertraut war, nach und nach 30
Alpenjäger-Bataillone und Alpen-Batterien, für den
Gebirgskrieg besonders ausgebildete, hervorragend geeignete Truppen,
heran. Die Masse der Truppen stellten die Festungsgruppen von Epinal,
Besançon, Belfort. Deutscherseits mußten sich die Truppen erst
allmählich an die großen Schwierigkeiten des Gebirgskrieges im
Winter gewöhnen. Die meisten Teile der Armeegruppen Falkenhausen
und Gaede bestanden aus eines solchen Kriegsschauplatzes ungewohnten
und im Gebirgskrieg nicht geschulten Landwehrverbänden, zu deren
Stütze nur zeitweise von den Hauptkampffronten aktive oder
Reservetruppen abgegeben werden konnten. Galt doch der Kriegsschauplatz
in den Vogesen für die aus Flandern, dem Artois, der Champagne
zeitweise herausgezogenen deutschen Truppen als "stille" Front! Noch im
Winter 1914/15 erlernten die Deutschen die Eigenart des Gebirgskrieges und
wurden nach und nach ebenbürtige Gegner der Alpenjäger.
Im Landstrich von der Seille südlich Metz, im allgemeinen der Grenze
von Deutsch-Lothringen
folgend, zog sich im Winter die Gefechtslinie
südlich an
Château-Salins vorbei über die Höhen von Arracourt
und Réchicourt la Petite nach dem Einschnitt des
Rhein - Marne-Kanals bei Parroy. Auf dieser Strecke, auf
welcher sich die Parteien meistens in loser Fühlung
gegenüberstanden, kam es im Winter 1914/15 nur zu kleineren
Kämpfen. Lebhafter ging es südlich des Kanals im
Vorgelände der Vogesen zu. Hier lag der Frontabschnitt nach dem
Rückzug der Deutschen im September auf französischem Boden.
Der Wald von Parroy sowie die Gegend an der Vézouze und Blette
bei
Blâmont - Badonviller waren die hauptsächlichen
Schauplätze der beiderseitigen Kleinunternehmungen.
[430] In den Mittelvogesen war das beiderseitige
Ziel der Kämpfe die Sperrung der von Straßburg durch das
Breusch-Tal über
Schirmeck - Saales auf
St. Dié - Epinal führenden
Gebirgsstraßen, im besonderen die Täler der Plaine bei Celles,
des Rabodeau bei Senones, der Pave bei Provenchères, sowie der
Berge bei Ban de Sapt zwischen Rabodeau und Pave. Um diese Hauptpunkte
wurde fast ohne Unterbrechung gefochten. Vorstöße und
Gegenangriffe wechselten mit
Artillerie- und Minenkämpfen ab. Der beiderseitige Besitzstand
verschob sich nicht nennenswert. Weiter südlich, wo an der
Paßhöhe zwischen Markirch und Wissembach (Straße
Schlettstadt - St. Dié) die Kampflinie von
französischem auf deutschen Boden übertrat, machten die
Franzosen am 11. Dezember einen großen Vorstoß, um sich der
Stadt Markirch zu bemächtigen, die dauernd unter Feuer lag. Der
Stoß wurde von deutscher Seite rechtzeitig aufgefangen. Noch mehr
nach Süden waren die Franzosen über den Paß von
Diedolshausen (Col du Bonhomme) vorgedrungen und wollten den Fauxkopf
(Tête des Faux) nehmen, dessen 1219 Meter hohe Graskuppe ihnen
Kahler Wasen in den Vogesen, 1268 m (Kleiner Belchen). Die durch die Truppen angelegte Drahtseilschwebebahn war für den schwierigen Transport von Munition erforderlich, diente aber auch zur Beschaffung der notwendigen Verpflegung sowie für Abtransporte von Verwundeten. [Vergrößern]
Aus: Der Weltkrieg in seiner
rauhen Wirklichkeit, S. 321.
|
eine Beobachtungsstelle erster Ordnung bot: nach dem Elsaß hin in das
Talgebiet der Weiß bei Kaysersberg, nach Lothringen hin bis gegen St.
Dié und Géradmer. Nach vergeblichen Versuchen am 2.
Dezember nahmen die Alpenjäger am 3. die Kuppe. Vergraben im Schnee, lagen sich fortab die Gegner im Seengebiet am Lingekopf,
Barrenkopf, Schratzmännele, südlich des
Fecht-Tales am Reichsackerkopf nahe gegenüber. Im oberen
Fecht-Tal gehörten Münster und Mühlbach den
Deutschen, Sulzeren und Metzeral am Fuße des
Schlucht-Passes den Franzosen.
In den Südvogesen sprang die französische Front weit gegen die
Gebirgssenke nach der oberelsässischen Grenze hin vor. Die
Franzosen wollten in der Lage sein, die für die kriegstechnischen
Zwecke der Deutschen wichtige Großfabrikstadt
Mülhausen und die Bahnlinie
Mülhausen - Colmar unter Feuer nehmen zu
können und bedurften zu diesem Zweck der Beobachtungsstellen auf
den hohen Bergen zwischen Gebweiler und Thann. Ihnen galten die im
Januar 1915 einsetzenden großen Angriffe. Vom Molkenrain (1125), der
südöstlichen Vorstufe des Großen Belchen (1423), der
höchsten Erhebung der Vogesen, strahlt nach Osten und Süden
ein Kranz von Vorhöhen aus: der Hartmannsweilerkopf (956)
über dem gleichnamigen Dorf, der Hirzstein (571) nördlich
Wattweiler, die Herrnfluh auf dem Wolfskopf (786) nordwestlich
Steinbach.
Am Hartmannsweilerkopf
lagen sich die Gegner auf 50 Meter Entfernung gegenüber,
beide - da in dem harten Gestein ein Eingraben unmöglich
war - gedeckt hinter Steingeröll und Sandsackpackungen,
geschützt durch Stacheldraht, lauernd und auf den Erfolg des
Minenkrieges in den Felsen des Berges wartend. Die Deutschen wollten sich
in den Besitz der Kuppe setzen und griffen am 20. Januar, nachdem 24
Stunden lang das Massenfeuer der Artillerie und der schweren Minen
gewirkt hatte, die französische Stellung an, während
Nebenunternehmungen gegen den Sudelkopf im Norden, gegen den Hirzstein
im [431] Süden die anstoßenden
Frontstrecken des Feindes binden sollten. Der deutsche Angriff führte
nach blutigem Ringen zum vollen Erfolg. Es gelang, den Alpenjägern
die Steinwälle auf dem Gipfel zu entreißen und gegen alle
Gegenstöße zu halten. Am 22. fiel auch der Hirzstein in die
Gewalt der Deutschen.
Während sich der Kampf im verschneiten Gebirge immer nur um
begrenzte Ziele, hier um den Besitz von Beobachtungstellen, drehen konnte,
beabsichtigten die Franzosen in der sogenannten "Senke des Sundgaues", am
Ostausgang der "trouée de Belfort", zwischen Thann und
Dammerkirch einen großangelegten Angriff in Richtung auf
Altkirch - Mülhausen, wobei sich ihre Unternehmungen
bis in die unmittelbare Nähe der Schweizer Grenze nach Süden
hin ausdehnten.
Der erste Angriff erfolgte am 13. Dezember, nachdem vom 2. ab einleitende
Gefechte bei Largitzen an der Larg nahe der Schweizer Grenze, bei
Hirzbach an der Ill oberhalb Altkirch und bei
Balschweiler - Ammerzweiler zwischen
Rhein - Rhône-Kanal und Doller stattgefunden hatten,
um die Aufmerksamkeit der Armeeabteilung Gaede zu zersplittern.
Zum Hauptangriff am 13. griffen die Franzosen in der Morgenfrühe
die Höhe 425 bei Steinbach am Südfuß des Wolfskopfes
an und entrissen der württembergischen Landwehr Höhe und
Dorf. Sie vermochten aber nicht, gegen
Uffholz - Sennheim weiteren Raum zu gewinnen und die
deutsche Stellung bei Mülhausen von Nordwesten her zu umfassen.
Der französische Angriff scheiterte am Einsatz und Gegenstoß
der deutschen Reserven, die Steinbach und Höhe 425
zurückeroberten. Über die Weihnachtstage wurde im
Nahkampf im diese Punkte gerungen, welche die Franzosen nach
mehrfachem Schwanken zum zweiten Male nehmen konnten, ohne aber den
Stoß bis Sennheim vorzutragen.
Inzwischen kam es südlich Sennheim auf dem
"Ochsenfeld" - wohin der Schauplatz des großen Sieges
Cäsars über den deutschen Heerkönig Ariovist (58 vor
Christi) verlegt wird, und heute die wertvollen elsässischen Kalilager
aufgeschlossen
sind - östlich Ober- und Nieder-Aspach zu großen
Angriffen der Franzosen, welche am Südufer der Doller die deutsche
Stellung bei Sennheim von Süden her aufrollen und geraden Weges
auf Mülhausen vorstoßen wollten. Der Erfolg der Franzosen
blieb gering. Ein Entlastungsangriff bei Hirzbach brachte keine Ergebnisse,
auch die zur Täuschung der Deutschen an der oberen Larg bei
Largitzen angesetzten Angriffe konnten die deutsche Führung nicht zu
falscher oder verfrühter Verausgabung der Reserven verleiten. Diese
Kämpfe zogen sich bis zum 6. Januar hin. Sie brachten den Franzosen
empfindliche Verluste. Regen und Schnee, auch der tiefaufgeweichte
Lehmboden des Sundgaus bereiteten dem Angreifer große
Schwierigkeiten.
Am 7. Januar schritten die Deutschen zur Wiedereroberung von Steinbach
und der Höhe 425. Nach langem, sehr blutigem Ringen kamen Ort
und Kuppe, von Geschossen zerschlagen, in den Besitz der Deutschen
zurück. Nicht glücklicher fochten die Franzosen zu derselben
Zeit auf dem Ochsenfeld und südlich der [432] Doller, wo
Ober-Burnhaupt der Mittelpunkt äußerst hartnäckiger
Kämpfe wurde. Es gelang den Deutschen, auch diesen Abschnitt nach
wechselvollem Gefecht zu behaupten. Der groß angelegte
französische Angriff, bei welchem
Reserve- und Territorialtruppen mit den Alpenjägern gewetteifert
und sehr bedeutende Verluste erlitten hatten, scheiterte. Mülhausen
lag unerreichbar vor der französischen Front. Trotz
zahlenmäßiger Unterlegenheit hatten sich Zähigkeit und
Gefechtskraft der deutschen Landwehren dem Feinde überlegen
gezeigt. General Gaede verstand es, die dünne Front durch das
Heranführen der Reserven an die gefährdeten Stellen immer
wieder zu stützen und dem Gegner die kleinen örtlichen
Vorteile zu entreißen, die er sich durch Anfangserfolge verschafft
hatte. So blieb die deutsche Gesamtstellung in den Vogesen, von
unwesentlichen Verschiebungen zugunsten der Franzosen abgesehen,
unversehrt. Auf dem Hartmannsweilerkopf und dem Hirzstein waren den
Deutschen sogar wichtige Punkte zugefallen.
Rückblick auf die Stellungskämpfe im Winter
1914/15.
Die Angriffe der Ententeheere in der Zeit vom Ende der
Yser- und Ypern-Schlacht bis zum Beginn der Winterschlacht in der
Champagne waren durchweg gescheitert, die geringen
Geländegewinne an vereinzelten Stellen kamen nicht in Frage und
standen außer allem Verhältnis zu den sehr erheblichen
Blutopfern, die vorzugsweise das französische Heer trafen. Joffres
Plan, Mitte Dezember 1914 an allen Frontabschnitten von Flandern bis in die
Südvogesen gesonderte Angriffsstöße anzusetzen, die sich
zu einem Gesamtdruck auf die deutsche Westfront vereinigen sollten,
zersplitterte an der Abwehrkraft und Aufmerksamkeit der Deutschen. Sie
wiesen alle Angriffe, freilich nur unter höchster Abspannung der
beteiligten Verbände, siegreich ab und zeigten, daß sie trotz
zahlenmäßiger Unterlegenheit immer noch Reserven zur Hand
hatten und am rechten Platz einzusetzen verstanden. Die Kriegskunst Joffres
litt an zwei Fehlern. Erstens war England noch nicht stark genug, um den
Franzosen eine wirklich entscheidende Hilfe zu bringen. Daher war der
Angriffsplan Joffres in dieser Hinsicht verfrüht. Sodann sollte er die
Russen entlasten. In dieser Beziehung kam er zu spät. Gerade, als
Joffre unterm 17. Dezember die Angriffe auf allen Frontabschnitten befahl, ging
im Osten Großfürst Nikolai Nikolajewitsch von Lowicz hinter
die Rawka zurück, nachdem am 12. bei Limanowa in Galizien die
russische Angriffsabsicht gegen das
österreichisch-ungarische Heer bei Krakau gescheitert war.
Von einer Entlastung der Russen konnte keine Rede sein. Die Deutschen
zogen keine einzige Truppe von Osten nach Westen zurück. Sie sahen
sich vielmehr durch ihre erfolgreiche Widerstandskraft im Westen und
durch die Erfolge ihrer prächtigen Gegenangriffe bei Soissons und
Craonne im Januar 1915 gehoben und gewannen ein derartig volles
Vertrauen zum weiteren Widerstand auf der Westfront, daß sie sich
sogar in der Lage fühlten, erhebliche Teile [433] vom Westen nach Osten zu verschieben,
die in der
Masuren-Schlacht Februar 1915 und in den Karpathen zum Einsatz
gelangten.
Gleichwohl gab Joffre nach diesen unverkennbaren Mißerfolgen die
Angriffspläne nicht auf. Er hatte dem französischen Heere das
Bewußtsein beigebracht, daß Zähigkeit Alles bedeutet,
nachdem man die Deutschen festgebannt und zum Abwehrkrieg gezwungen
hatte. Er zog aus den Fehlschlägen des Winters 1914/15, so opfervoll
sie auch gewesen waren, seine Folgerungen für die
Weiterführung des Krieges. Er glaubte sie in ermüdenden,
zermürbenden Kleinangriffen zu finden, bis er zur vollen Entfaltung
aller Hilfsmittel der Kriegstechnik schreiten konnte, zu welcher Amerika die
Mittel lieferte und in denen die Mittelmächte zweifellos nicht Schritt
halten konnten. Sobald die erforderlichen Massen an Geschützen und
Munition bereitstanden, gedachte Joffre den Angriff nicht nochmals auf die
ganze Front zu zersplittern, sondern mit voller Wucht an der einzigen,
genügend breit bemessenen Stelle anzusetzen, wo er den Durchbruch
erzwingen wollte.
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