Bd. 1: Der deutsche Landkrieg, Erster Teil:
Vom Kriegsbeginn bis zum Frühjahr 1915
Kapitel 6: Der Krieg auf der Westfront
von Mitte September 1914 bis Mitte April 1915
(Forts.)
Oberst Friedrich Immanuel
6. Die Winterschlacht in der
Champagne.
Das Kampfgelände.
Das Gelände, in dem Joffre
die Entscheidung suchen wollte, ist die
"Champagne pouilleuse", die "Lausechampagne", einer der ärmsten
Landstriche Frankreichs, der mit dem verlockenden Namen der
weingesegneten Hänge der eigentlichen Champagne nichts gemein hat.
Sie wird durch die Suippes im Westen, die Aisne im Osten abgegrenzt. Aus
dem
Suippes-Tale der Aubérive steigt ostwärts eine breite Kuppe,
die Epine de Védégrange, bis 170 Meter empor, die sich nach
Osten hin als Wasserscheide zwischen der Tourbe im Süden, der Py
und der Dormoise im Norden bis zur Aisne in der Gegend von Servon
gegenüber dem Westfuße der Argonnen fortsetzt. Der für
die Winterschlacht in Betracht kommende Rücken trägt, von
Westen nach Osten hin, die vielumstrittene "Höhe mit dem Baum"
(200) nahe westlich Perthes, und die Kuppe 171 nordöstlich dieses
Dorfes. Dann folgt Höhe 196, weiter nach Nordosten die
mächtige Höhe Butte du Mesnil (199), hierauf die Senke 185 bei
den "Champagnehäusern", von wo der Höhenzug sich nach
Südosten biegt, um im "Kanonenberg" (199) und in der Kuppe 191
nördlich Massiges entscheidungswichtige Punkte zu erreichen. Auf der
Südseite des Rückens liegen die Ortschaften Hurlus, Le Mesnil,
Minaucourt, Massiges, Virginy, Ville sur Tourbe, zwischen Le Mesnil und
Massiges der in tiefer Schlucht gelegene Hof Beauséjour, auf der
Nordseite Tahure, die Mühle von Ripont, die Dörfer Ripont,
Rouvroy, Cernay. Der Boden ist ganz unfruchtbar, nur mit mageren
Kiefernwäldchen bedeckt, die über die Hochebene zerstreut
sind und das Zurechtfinden erschweren. Der bröckelnde Kalkstein ist
sehr undurchlässig für Wasser, weshalb sich zur Regenzeit in
den Mulden ein dicker, [434] zäher, weißgrauer
Kreideschlamm bildet, der den Truppen unsagbare Schwierigkeiten
bereitete. Die Ortschaften sind klein und höchst ärmlich, sie
bieten schlechte Unterkunftsmöglichkeiten für die Bedingungen
des Stellungskrieges. Besonders peinlich ist der allerorten herrschende
Wassermangel. Gut war, wie allenthalben in Frankreich, das
Straßen- und Wegenetz, solange nicht der ungeheure Verkehr der
Kriegsfahrzeuge die Straßendecken zerstörte. Auf deutscher
Seite bildete die Eisenbahn
Challerange - Bezancourt, auf französischer die Linie
Ste. Menehould - Châlons die Grundlinien
für den Nachschub hinter den
Champagne-Stellungen. Den Franzosen bot das nahe Übungslager von
Châlons eine ausgezeichnete Stütze als
Sammel- und Lagerplatz für die zu dem beabsichtigten
Großangriff bereitzustellenden starken Truppenmassen und
Munitionsmengen.
Der französische Plan zur Schlacht.
Joffre griff auf den alten Plan der Herbsttage von 1914 zurück, von
Châlons - Ste. Menehould her die deutsche
Champagne-Front in Richtung auf Vouziers zu durchstoßen. War dies
gelungen, so wurde die deutsche Front vor
Reims - Soissons in der Flanke bedroht, ihr Abbau erzwungen,
der deutsche Widerstand im Westen gebrochen. Diesmal sollte nach
gewaltiger Artillerievorbereitung mit tiefgestaffelten Infanteriemassen auf
breiter Front durchgestoßen werden. Dem Führer der 4. Armee,
General Langle de Cary, wurden die Armeekorps I, II, IV, XVIII, dazu das
Kolonialkorps, nur kampferprobte Truppen, zur Verfügung gestellt.
Die Feldartillerie wurde durch Eingliederung neuer Batterien
verstärkt, schwere und schwerste Artillerie amerikanischer Fertigung
mit überreicher Munitionsausstattung in außerordentlichem
Umfang, angeblich 500 Stück, herangezogen. Als Angriffsstreifen
wurde der nur 22 Kilometer breite Raum
Souain - Servon gewählt. Ganz Frankreich hoffte
diesmal auf das Gelingen. Am 14. Februar fand ein allgemeines Gebet in
Frankreich um den Sieg statt. Eine Entscheidung hob an, die das Ergebnis
der Marne-Schlacht vervollständigen sollte.
Die Kämpfe nordwestlich Perthes.
Westlich Perthes erstreckte sich die deutsche Stellung einige hundert Meter
nördlich der Straße
Souain - Perthes durch die zerschmetterten Waldungen.
Höhe 200 ("Mit dem Baum") westlich des Dorfes befand sich im Besitz
der Deutschen, während der Ort den Franzosen gehörte.
Höhe 171 nordöstlich Perthes lag innerhalb der deutschen
Grabenlinien. Die 1.
Garde-Infanterie-Brigade Prinz Eitel Friedrich war in den ersten
Februartagen durch die frische 39.
Reserve-Infanterie-Brigade, zugeteilt dem VIII. Armeekorps, der Stab der 2.
Garde-Infanterie-Division durch den Stab der 19.
Reserve-Division Generalleutnant v. Bahrfeldt abgelöst worden. Die
Truppen arbeiteten fleißig an der Verbesserung der nur
unvollkommen ausgebauten Stellungen, sowie an der [435] Schaffung rückwärtiger
Linien. Den rechten Flügel der deutschen Front bildete das VIII.
Armeekorps, die Mitte das VIII. Reservekorps, den linken Flügel die 21.
Reserve-Division.
Am 16. Februar begann der französische Angriff. Von 8,30 Uhr bis
10,30 Uhr vormittags währte mit geringen Pausen das Trommelfeuer
gegen die Höhe 200. Dann gingen westlich dieser Höhe zwei
mächtige französische Minensprengungen hoch, welche Teile
des III. Bataillons
Reserve-Infanterie-Regiment 74 zerschmetterten und es den Franzosen
ermöglichten, sich auf einem Teil der Höhe in den
Sprengtrichtern einzunisten. Allein es gelang den trotz des starken
Sperrfeuers herangeführten Reserven des
Reserve-Infanterie-Regiments 74, links neben ihnen dem
Reserve-Infanterie-Regiment 92 und einigen Kompagnien des zur
Unterstützung herbeigeholten
Infanterie-Regiments 29, den Fortschritten des Feindes Halt zu gebieten und
im wesentlichen die Höhe zu behaupten. Am 17. und 18. wurde
erbittert weiter ohne Entscheidung um den Besitz der Kuppe gerungen. In
der Nacht zum 19. wurde die 39.
Reserve-Infanterie-Brigade, die mehr als 1600 Mann verloren hatte, durch
die 37.
Reserve-Infanterie-Brigade abgelöst. Am 19. erneuerten die Franzosen
nach Trommelfeuer den Angriff mit der frischen 8.
Infanterie-Division, abermals ohne Boden gewinnen zu können. Der
Kampf ging wieder in den
Minen- und Sappenkrieg über, die Gegner lagen sich Auge in Auge
gegenüber. Deutscherseits wurden
Infanterie-Regiment 68 und Reserve-Infanterie-Regiment 101 zur
Unterstützung und Ablösung beigezogen, so daß es der 19.
Reserve-Division, welche Anfang März die 37.
Reserve-Infanterie-Brigade durch die 39.
Reserve-Infanterie-Brigade ersetzen ließ, gelang, die Höhe zu
halten, obwohl die Franzosen immer neue Minen springen ließen und
keine Opfer bei den sich Tag um Tag erneuernden Angriffen scheuten. Die
deutschen Mineure, unter welchen sich die 3. Kompagnie
Pionier-Regiments 23 besonders hervortat, arbeiteten dem Feinde erfolgreich
entgegen und sprengten in der Nacht vom 11. zum 12. einen Trichter, dessen
Besetzung der deutschen Infanterie wesentlichen Vorteil brachte. Am 13.
März gaben die Franzosen die Angriffe gegen Höhe 200 und ihre
Anschlußabschnitte endgültig auf: sie hatten trotz geradezu
ungeheurer Opfer keine Fortschritte machen können. Die deutsche
Infanterie hatte sich glänzend gehalten, die deutsche schwere Artillerie
sich trotz zahlenmäßiger Unterlegenheit der
französischen gewachsen gezeigt. Den beiden
Mörser-Batterien des III. Bataillons
Reserve-Fußartillerie-Regiments 14 gebührte ein voller Anteil
am siegreichen Verlauf des Kampfes um die Höhe von Perthes.
Die Kämpfe nördlich Le Mesnil.
Während des Ringens um die Höhe 200 westlich Perthes griffen
die Franzosen aus der Schlucht von Beauséjour die Stellungen der
16. Reserve-Division in der Linie Höhe 171 nordöstlich
Perthes - südöstlich Butte du Mesnil an. [436] Diese Stellungen hatten erhebliche
taktisch-technische Nachteile. Während die deutsche Artillerie hinter
dem Höhenkamm beiderseits der Butte du Mesnil gute Stellungen
besaß, war die Infanterielinie auf das nahe Süden hin abfallende
Gelände vorgeschoben, so daß Grabennetze und
Annäherungswege von französischer Seite aus der Schlucht von
Beauséjour sehr empfindlich beschossen werden konnten. Daher
hatte die 16.
Reserve-Division einen sehr schweren Stand. Am 15. Februar war diese
Stellung von Westen nach Osten besetzt von
Reserve-Infanterie-Regiment 65 (VIII. Reservekorps),
Infanterie-Regiment 157 (VI. Armeekorps),
Reserve-Infanterie-Regiment 68 (VIII. Reservekorps),
Reserve-Infanterie-Regiment 107 (XII. Reservekorps), also durch Teile vier
verschiedener Armeekorps, da man die Lücken durch Abgabe von
Regimentern nicht angegriffener Fronten zu schließen sich gezwungen
sah.
Am 16. Februar griff das französische I. Armeekorps nach
mehrstündigem Trommelfeuer die Stellung der 16.
Reserve-Division, im besonderen die Abschnitte des
Infanterie-Regiments 157 und Reserve-Infanterie-Regiments 107 an. Nach
erbittertem Ringen setzten sich die Franzosen am 17. abends in den Besitz
eines Teiles des vom
Infanterie-Regiment 157 gehaltenen Abschnittes. Auch
Reserve-Infanterie-Regiment 30, das aus dem Abschnitt der 15.
Reserve-Division herangezogen wurde, konnte die zeitweise schwierige Lage
im Abschnitt des
Infanterie-Regiments 157 nicht wiederherstellen, auch der entlastende Angriff
des
Reserve-Infanterie-Regiments 68 gelang nicht.
Reserve-Infanterie-Regiment 107 mußte gleichzeitig den sogenannten
"Flankierungsgraben" unter sehr schweren Opfern nach tapferster
Gegenwehr aufgeben, da dieser Frontteil von der französischen
Artillerie aus der Schlucht von Beauséjour und aus der Gegend von
Massiges in geradezu vernichtender Weise mit Massenfeuer
überschüttet wurde. So bildete sich hier aus dem Zwang der
Verhältnisse das Verfahren heraus, unhaltbare Grabenstücke
aufzugeben, dafür aber weiter rückwärts
Stoßtrupps bereitzuhalten, die dazu bestimmt waren, dem Gegner das
Festsetzen in den geräumten Stellungsteilen durch
Gegenstöße zu erschweren und seine seitliche Ausbreitung durch
Abdämmungen zu verhindern. Es gelang den
Reserve-Infanterie-Regimentern 68 und 107, ein weiteres Vorstoßen
der Franzosen aus dem Flankierungsgraben und die beabsichtigte
Aufrollung der vorderen deutschen Front zu vereiteln.
Nachdem vom 19. Februar ab infolge großer Verluste eine Pause der
französischen Angriffe eingetreten war, entbrannte die Schlacht am
22. nachmittags mit erneuter Wucht. Der Angriff traf zunächst das
Reserve-Infanterie-Regiment 65, das trotz sehr schwerer Opfer seine
Stellung tapfer hielt. Es gelang dem Feinde nicht, näher als auf 150
Meter heranzukommen, wo er sich hinter Stahlblenden und
Sandsackpackungen einbaute. Die Lage der 16.
Reserve-Division, gegen welche sich der außerordentlich starke Druck
des französischen Infanterieangriffs und des Trommelfeuers richtete,
wurde immer schwieriger. Sie hatte seit zwei Monaten [437] 6000 Mann, darunter 600 Offiziere,
verloren und bedurfte jetzt dringend der Unterstützung.
Zunächst konnten ihrem Abschnitt drei leichte
Feldhaubitz-Batterien des Gardekorps und eine schwere
Feldhaubitz-Batterie des Fußartillerie-Regiments 5 zugeführt
werden. Die Infanteriestellung wurde durch Truppen besetzt, die aus
anderen Abschnitten, wo sie augenblicklich entbehrlich schienen,
herangeführt wurden. Der Frontstreifen wurde (von Westen nach
Osten) mit folgenden Verbänden belegt:
Reserve-Infanterie-Regiment 65 - Infanterie-Regiment 63 -
Reserve-Infanterie-Regiment 29 - Reserve-Infanterie-Regiment 104.
Außerdem wurde die 1.
Garde-Infanterie-Division nach Attigny (zwischen Rethel und Vouziers)
herangeholt, das 2.
Garde-Regiment zu Fuß in Ardeuilt, dem Stabsquartier der 16.
Reserve-Division, zum Einsatz bereitgehalten.
In dieser Neugliederung traf die 16. Reserve-Division am 27. Februar ein
neuer Angriff, zu dem das französische II. Armeekorps angesetzt
wurde. Er drängte
Reserve-Infanterie-Regiment 65 aus der ersten Stellung und setzte sich trotz
Eingreifens des 2.
Garde-Regiments zu Fuß und von Teilen des
Infanterie-Regiments 68 in den Besitz der deutschen Gräben am
Südhang der Höhe 196 zwischen Perthes und der Butte du
Mesnil, des sogenannten
"Brigade"- und "Hindenburgweges" sowie der "Zwischenstellung". Ein
Gegenangriff des
Infanterie-Regiments 63, dessen Führer, Oberst v. Grävenitz, fiel,
mißlang. Das 4.
Garde-Regiment zu Fuß mußte an Stelle des erschöpften
Regiments vorgezogen werden.
Der auf den 1. März festgesetzte Gegenangriff zur Wiedereroberung
der Höhe 196 kam nicht zur Durchführung, da wegen der
Schwierigkeiten des Munitionsersatzes in dem aufgeweichten Boden die
deutsche schwere Artillerie die Feuervorbereitung nicht hatte
durchführen können. Erst am 3. März nahm das 4.
Garde-Regiment zu Fuß die Zwischenstellung wieder, doch konnte das
Regiment, trotz Unterstützung durch
Reserve-Infanterie-Regiment 30, weitere Fortschritte gegen Höhe 196
nicht machen.
Am 9. März erfolgte von Höhe 196 aus ein neuer, mit
größtem Ungestüm geführter Vorstoß der
Franzosen, den das 2.
Garde-Regiment zu Fuß und Infanterie-Regiment 63 mit vieler
Mühe auffingen. Gleichzeitig wies der linke Brigadeabschnitt der 16.
Reserve-Division französische Angriffe unter blutigem Ringen um
jeden Fuß Bodens im Grabennetz südöstlich der Butte du
Mesnil zurück. Die Gesamtlage blieb eine hochernste: nur unter
treuester Aufopferung und äußerster Anspannung der
Kräfte vermocht sich die immer dünner werdende Linie der
tapferen Verteidiger im Abschnitt der 16.
Reserve-Division dem von Tag zu Tag stärker werdenden Druck der
Franzosen entgegenzustemmen. Die Gräben, Verbindungswege,
rückwärtigen Stellungen zerfielen unter dem
unablässigen Trommelfeuer. Die Spannung stieg aufs höchste.
In dieser Lage wurden frische Truppen herangezogen: 1.
Garde-Infanterie-Brigade zur
Ab- [438] lösung der 2.
Garde-Infanterie-Brigade, östlich davon
Reserve-Infanterie-Regiment 133 (XII. Reservekorps) und
Grenadier-Regiment 11 (VI. Armeekorps).
Joffre glaubte sich angesichts der auch für ihn wohl erkennbaren
Abnahme der deutschen Kampfkraft nahe vor dem Ziele und setzte nochmals
frische
Kräfte - das VII. und XXI.
Armeekorps - ein, um endlich den Durchbruch zu erzwingen. Am 12.
März erfolgte nach stärkster Artilleriewirkung der große
Angriff. Es gelang den Franzosen, das Waldstück
südöstlich der Butte du Mesnil, das sogenannte
"Hiepe-Wäldchen", zu nehmen, allein am 15. fiel das Gehölz in
den Besitz der preußischen Garde zurück.
Am 16. März brach ein neuer, mit sehr starken Kräften
angesetzter, tiefgegliederter Angriff der Franzosen gegen den linken
Flügel des VII. Armeekorps vor, dem es in der Tat gelang, sich der
Höhenkante 171 bis 190 am Wege
Perthes - Butte du Mesnil zu bemächtigen. Nachdem am
17. und 18. französische Angriffe gegen die deutschen
Artilleriestellungen in den Schluchten nördlich dieser
Höhenkante durch
Reserve-Infanterie-Regiment 73 (X. Reservekorps),
Grenadier-Regiment 101 (XII. Armeekorps) und
Reserve-Infanterie-Regiment 133 (XII. Reservekorps) abgewehrt worden
waren, erloschen infolge furchtbarer Verluste und angesichts der
Aussichtslosigkeit weiterer Angriffe allmählich die
französischen Anstürme.
"Gerade während der letzten
Kampftage auf der sturmumtobten Höhe 196", sagt Prinz Oskar in
seiner Schrift »Die Winterschlacht in der Champagne«, "hatte man
häufig große Ansammlungen der Franzosen in ihren
Gräben beobachtet, ohne daß der sicher beabsichtigte Angriff
erfolgt wäre. Wohl nicht mit Unrecht folgerte man daraus, daß
der Gegner seine Regimenter nicht mehr vorwärts bekam, daß
unser Artilleriefeuer sie in den Gräben zurückhielt. So hatte
man auch für den 18. März keinen ernsthaften Angriff mehr
erwartet. Aber ohne einen letzten verzweifelten Versuch wollten die
Franzosen den Kampf nicht aufgeben. Plötzlich griffen sie am
Nachmittag des 18. in großen Massen die Höhe 196 und
östlich davon an. Garde,
Reserve-Infanterie-Regiment 133 und andere Truppen der vordersten Linie,
gegen die sich der Hauptstoß richtete, hielten unerschütterlich
stand. Das 4.
Turko-Regiment u. a. griff in fünf Wellen, Mann an Mann
vorgehend, die Kompagnieführer zum Teil beritten vor der Front, an.
Mit einem Hagel von Handgranaten wurden sie empfangen, der Hunderte
zerriß und die beiden vorderen Linien buchstäblich in die Luft
schleuderte, den hinteren ging es nicht besser. Was von den Handgranaten
verschont blieb, fiel unter Kolben und Beilpicken der wütenden
Grabenbesatzung. Trotz allem Elan, trotz großem Schneid und
anerkennenswerter Todesverachtung mußten die Franzosen
zurück. Und in die dichten, ungeordnet zurückflutenden
Massen schlug nun unser schweres Artilleriefeuer von
21-cm-Mörsern, schweren Feldhaubitzen,
10-cm-Kanonen frontal und flankierend hinein. Die Verluste der Franzosen
waren ganz unmenschlich."
[439] Am 20. März war das Ringen zu
Ende, da den Franzosen die Kräfte versagten und selbst Joffres Wille
nicht erzwingen konnte, was gegen den deutschen Widerstand
undurchführbar war.
Das Ergebnis der Schlacht.
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Die Franzosen hatten im ganzen 145 aufgefüllte, ausgeruhte Bataillone
gegen etwa die Hälfte deutscher, schon seit Wochen in Stellung
befindlicher Bataillone zum Sturm auf die deutschen Fronten in der
Champagne angesetzt. Ihre Verluste betrugen 45 000 Mann.
2 800 Gefangene fielen in die Hände der Deutschen. Der
deutsche Verlust wurde auf 33 000 Mann angegeben. Die Franzosen
wollten 2 300 Gefangene gemacht haben. Das französische
Angriffsverfahren entsprach ihrem Gefechtsmuster für den
Durchbruch: gewaltiges Trommelfeuer gegen die Angriffsfront, dann
plötzlich Emporschnellen und Vorbrechen mehrerer
Schützenwellen Mann an Mann mit ganz geringen
Tiefenabständen, einige hundert Meter dahinter
Kompagnie- und Bataillonskolonnen. Natürlich brachte ein solches
Angriffsverfahren ganz ungeheuere Verluste, oft 40 bis 50 vom Hundert des
Bestandes. Daher war es nicht möglich, die gleiche Truppe mehrmals
zum Sturm über die Leichenfelder vorzubringen. Es muß den
Franzosen zugestanden werden, daß sie den
Champagne-Angriff mit bewunderungswürdiger Todesverachtung
und ohne Rücksicht auf die Opfer unternommen haben. Und doch
hatten sie keinen Erfolg, weil sie sich gegenüber eben noch besseren,
noch entschlosseneren Kämpfern befanden, welche bereit waren,
jeden Schritt Bodens nur gegen Ströme von Blut zu verkaufen und
den etwa unter Wirkung des Trommelfeuers oder der Überraschung
verlorenen Boden ungesäumt durch Gegenstoß
zurückzuerobern.
Joffre zog immer frische Sturmtruppen, die besten Verbände des
Heeres, zum Stoß heran. Auf deutscher Seite, wo durch die Abgaben
nach dem Osten Heeresreserven nicht zur Verfügung standen,
verstand man es, sich aus den abkömmlichen Teilen anderer Fronten
(Gardekorps, VI. Armeekorps, XII. Armeekorps, XII. Reservekorps, 37. und
39.
Reserve-Infanterie-Brigade vom X. Reservekorps) stets kampftüchtige
Truppen zu sichern, um die gelichteten und erschöpften
Verbände der 3. Armee zu stützen. Dieses Verfahren hat sich
glänzend gelohnt. Die
Winter-Champagne-Schlacht ist eine Reihe glänzender Ruhmestage
für das deutsche Heer, die zu den schönsten Leistungen des
ganzen Krieges gehörten. Weder das Massenfeuer einer an Zahl und
Munitionsausstattung um die Hälfte stärkeren schweren
Artillerie, weder die Stürme überlegener Infanterie, noch auch
die Unbilden des winterlichen Wetters, des Schlammes, die Knappheit an
Verpflegung konnten die Haltung der deutschen Truppen
erschüttern.
Die französische Führung wollte Angriff und Durchbruch, die
deutsche die Verteidigung. Die Franzosen gewannen nur einige
verschüttete Gräben, auf deren Zurückeroberung die
Deutschen verzichteten, da sich das Blut nicht gelohnt [440] hätte. Auf der 7000 Meter breiten
Hauptangriffsfront von der Höhe 200 westlich Perthes bis auf die
Höhen nördlich Beauséjour erzwang der
französische Einbruch nur an der Höhe 196 500 Meter Tiefe.
Die eigentliche deutsche Stellung war nicht erreicht.
Joffres großer Angriffsplan war mißlungen. Die deutsche
Westfront stand fest und hatte sich bewährt. Die deutsche Oberste
Heeresleitung konnte mit Ruhe der weiteren Entwicklung entgegensehen und
dazu schreiten, weitere starke Verbände nach dem Osten zu senden,
wo anfangs Mai der Durchbruch der Russenfront in Westgalizien geplant
war. Daß sie einen solchen Entschluß auf sich nehmen konnte,
verdankte die Oberste Heeresleitung den
Champagne-Kämpfern. Joffre verlor indessen die Hoffnung auf den
Erfolg nicht. Der Winterangriff in der Champagne gab ihm gewichtige
Lehren für die Erneuerung des Stoßes unter verbesserten
Aussichten. Fürs erste aber bedeutete die Winterschlacht in der
Champagne einen vollen Erfolg der deutschen Waffen und damit eine gewisse
Ruhe auf diesem Teil der Kampffront.
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