Bd. 1: Der deutsche Landkrieg, Erster Teil:
Vom Kriegsbeginn bis zum Frühjahr 1915
Kapitel 6: Der Krieg auf der Westfront
von Mitte September 1914 bis Mitte April 1915
(Forts.)
Oberst Friedrich Immanuel
4. Die Schlacht an der Yser und bei Ypern,
Oktober bis November 1914.
[383] Yser - Ypern-Schlacht, Oktober/November 1914
|
Beiderseitige Erwägungen und Entschlüsse.
Waren auch die bisherigen Versuche, dem Gegner die Flanke abzugewinnen,
gescheitert, so gab die Deutsche Oberste Heeresleitung den Gedanken der
Umfassung nicht auf. Der Einsatz war der Opfer wert, wenn es gelang, dem
Feinde die Linie
Nieuport - Ypern - Lille zu entreißen, dann,
längs der Kanalküste mit dem rechten Flügel vorgehend,
links zu schwenken und eine Linie zu erkämpfen, die vom Meer an der
Somme-Mündung Somme-aufwärts und weiter von der unteren
Aisne bei Soissons nach Amiens zu denken war. Auf diese Weise hätte
sich die deutsche Oberste Heeresleitung den Besitz Belgiens und
Nordfrankreichs mit allen seinen gewerblichen und wirtschaftlichen
Schätzen gesichert,
und - was das erstrebenswerteste Ziel
war - den Engländern die Benutzung der Häfen
Dünkirchen, Calais und Boulogne gesperrt, zugleich aber den
deutschen leichten Seestreitkräften und Unterseebooten die
Möglichkeit gegeben, die genannten Häfen als
Stützpunkte für den Seekrieg gegen England zu verwerten.
Dazu trat die Überzeugung, daß der Generalissimus Joffre nicht
zögern würde, seinerseits längs der Seeküste
erneut zum Angriff nach Osten hin zu schreiten. Er hatte durch die
bisherigen Umfassungsversuche gezeigt, daß er den [382] Krieg durchaus im angriffsweisen Geiste
zu führen gedachte. Wollte er die Deutschen aus Nordfrankreich und
Belgien verdrängen, wozu der Weg über Lille auf Brüssel
der nächstliegende war, dann bot die Umfassung bessere Aussichten
als der reine Durchbruch, der an der Aisne gescheitert war. Gewann die
Entente in Richtung auf Brüssel durch diese Bewegung Raum, so
wurde nicht allein Belgien vom Feinde befreit, sondern auch das deutsche
rückwärtige Verbindungsnetz getroffen und der Verbleib der
Deutschen in den
Aisne-Stellungen unmöglich gemacht. Somit mußte man
deutscherseits damit rechnen, daß die Entente in der nächsten
Zeit den Schwerpunkt der Kriegführung an die Kanalküste
verlegen würde. Ihr hier zuvorzukommen, war der leitende Gedanke,
der um so schärfer und verlockender hervortrat, als der Fall von
Antwerpen den Deutschen neben den großen politischen und
moralischen Vorteilen die strategische Bewegungsfreiheit längs der
Kanalküste nach Westen hin gestattete. Aus allen diesen
Gründen schien es wohl begründet, daß die deutsche
Oberste Heeresleitung Anfang Oktober, als der Fall von Antwerpen in
greifbare Nähe gerückt war, alle Maßnahmen traf, um die
große Angriffsbewegung unter Einsatz sämtlicher
verfügbaren Kräfte ohne Säumen erneut einzuleiten.
Seitens der Entente war bereits bei der Verschiebung des englischen Heeres
von der Aisne nach der Gegend von St. Omer die Erwägung
maßgebend gewesen, die Aufgabe des englischen Heeres in einer
großen Angriffsbewegung auf
Lille - Ypern - Ostende zu suchen, um über diese
Linie hinaus nach Nordosten vorzustoßen und der bedrängten
Besatzung Antwerpens die Hand zur Befreiung zu reichen. Man
schätzte damals noch die Widerstandskraft dieser Festung wesentlich
höher ein, als sie es in Wirklichkeit war. Belgien mußte unter
allen Umständen kampfwillig und kampffähig erhalten, sein
Reichtum an Kohle und Eisen für die Entente gesichert werden.
Sonach lag es für den englischen Standpunkt schon mit
Rücksicht auf Belgien nahe, den Angriff gegen Brüssel zu
führen. Hinzu trat die Notwendigkeit, das Hinterland der
Häfen Dünkirchen, Calais, Boulogne für das englische
Heer als Ausgangsgebiet für die weitere Kriegführung zu
besitzen, denn die britischen Truppenfahrten mußten der Kürze
des Seeweges halber in den genannten Häfen an Land gehen. Kamen
die Deutschen in den Besitz dieser Küstenstrecke, so waren sie dem
englischen Bereich bedenklich nahe gerückt und machten es
unvermeidlich, daß England sehr umfassende Schutzmaßnahmen
zur Deckung der eigenen Küsten traf, während die
Führung des englischen
Blockade- und Aushungerungskrieges erschwert wurde.
Die französische Heeresleitung war auf die Unterstützung und
auf den guten Willen Englands durchaus angewiesen. Nur durch den
wachsenden Zuschuß an englischen Streitkräften war zu hoffen,
daß der Krieg, nachdem die ursprüngliche
zahlenmäßige Überlegenheit nicht den Erfolg gebracht
hatte, gegen das volkskräftige und waffenmächtige Deutschland
gewonnen werden konnte. Je [383=Karte] [384] stärker der Druck auf
die deutsche Flanke in Flandern wurde, desto mehr war zu erwarten,
daß ihre Angriffskraft auch auf der Front zwischen Oise und den
Vogesen nachließ.
Aus dieser Lage und aus diesen beiderseitigen Erwägungen ergab sich
die Tatsache, daß die Deutschen wie ihre Gegner die nächste
große Entscheidung auf der Westfront in die Nähe der
Küste verlegten. Es fragte sich, welche Seite am schnellsten bereit war
und am wuchtigsten zugriff.
Am 9. Oktober war Antwerpen der deutschen Führungskunst,
Angriffswucht und Technik erlegen. Durch die besonderen
Verhältnisse dieses eigenartigen Festungskampfes begünstigt,
hatten sich die Massen des belgischen Heeres und die drei englischen
Brigaden aus Antwerpen rechtzeitig gerettet und waren längs der
Küste nach Westen hin entkommen, um Aufnahme bei den von der
Yser her heranrückenden englischen und französischen
Streitkräfte zu suchen. Die deutsche Oberste Heeresleitung hatte die
Absicht, nachdem Lille am 12. Oktober in den Besitz der 6. Armee gefallen
war, zunächst den linken Flügel anzuhalten, bis der rechte
herangekommen war, um die Geschlossenheit der Front herzustellen. Daher
gab sie am 14. Oktober folgende Weisungen an die Armeen aus:
- die 6. Armee hat sich in der Linie
Menin - Armentières - La Bassée und
weiter südlich zunächst auf die Verteidigung zu
beschränken und den Gegner, wenn möglich, zum Angriff
gegen diese Front zu veranlassen und das Eingreifen der neuen 4. Armee
gegen die linke Flanke des Gegners abzuwarten. Sie wurde sogar
ermächtigt, den rechten Flügel vor überlegenem
feindlichen Angriff zurückzunehmen, um den Gegner dem um so
stärkeren Angriff der 4. Armee preiszugeben;
- die 4. Armee greift nach erfolgtem Aufmarsch so an, daß das ihr
nunmehr unterstellte III. Reservekorps auf dem rechten Flügel
längs der Küste vorwärts gestaffelt vorgeht,
während der linke Armeeflügel über Menin
vorbricht.
Somit bestand der deutsche Entschluß darin, den Feind südlich
der Lys zu binden und seinen Nordflügel durch starke
Vorwärtsstaffelung zu umfassen. Die Kavalleriekorps 1, 2, 4 waren als
Bindeglied zwischen den beiden deutschen Armeen gedacht.
Von der Entente war ebenfalls beabsichtigt, den Südflügel
vorerst festzuhalten und mit dem Nordflügel längs der
Küste und unter Vorwärtsstaffelung einen umfassenden Angriff
gegen den feindlichen Nordflügel auszuführen, den man bei
oder nahe Roulers annahm. Auf Grund der zwischen Joffre und French
getroffenen Vereinbarungen stellte sich die englische Armee in der Linie
Vermelles - Laventie - Messines -
Gheluvelt - Langemarck - Bixschote mit der Weisung bereit,
die Front südlich der Lys vorläufig zu verhalten und mit den
nördlich der Lys befindlichen Teilen durch Einschwenken gegen die
Linie
Menin - Courtrai den Angriff zu beginnen.
[385] Links der englischen Armee deckte eine
französische Gruppe, bestehend aus einer
Kavallerie-Division und einigen Territorialverbänden, den Raum
östlich Dixmude gegen
Roulers - Thourout hin. Nördlich davon schloß
das belgische Heer, unterstützt durch zwei französische
Territorial-Divisionen, den Raum bis zur Küste ab. Die See sollte
durch ein englisches Geschwader beherrscht werden, dessen Feuerwirkung
man auch im Landkampf einzusetzen gedachte. Die französische 10.
Armee erhielt die Bestimmung, südlich La Bassée, als rechts
des englischen Heeres, den Angriff wiederaufzunehmen, damit Lille durch
beiderseitige Umfassung in die Hände der Entente zurückkam.
Die französische 8. Armee sollte hinter dem englischen Heere
versammelt werden, um dem Angriff die erforderliche Wucht und Wirkung
nach der Tiefe zu geben.
Diese Pläne erlitten dadurch eine wesentliche Einschränkung,
daß durch die Gefangennahme einer starken deutschen
Radfahrerpatrouille bei Roulers am 18. Oktober der Anmarsch der deutschen
neuen 4. Armee erkannt wurde, deren Bildung der Entente zwar durch den
Kundschaftsdienst nicht unbekannt sein konnte, deren Aufmarsch und Ziele
ihr aber bisher verschleiert geblieben waren. French sah sich somit einem
sehr starken Feinde im Raume zwischen Lys und Seeküste
gegenüber, der selbst im vollen Vormarsch sich befand und ernste
Angriffsabsichten zu verfolgen schien. Unter dieser Erwägung
änderte French seinen Entschluß dahin um, daß das
englische Heer einstweilen in der Verteidigung verharren sollte, bis die
französische 8. Armee zur Hilfe herangekommen war, und die
französische 10. Armee den Feind durch erneuten Angriff so stark
gebunden hatte, daß dieser seine Kräfte nicht nach Norden hin
gegen die Engländer verschieben konnte. Die Belgier und die bei ihnen
befindlichen französischen Heeresteile wurden angewiesen, die
Yser-Stellung von Dixmude abwärts mit allen Mitteln zu
verstärken und aufs äußerste zu halten.
Die Versammlung der deutschen 6. Armee östlich
Lille.
Die aus vier Divisionen bestehende deutsche Heeresreiterei unter General v.
der Marwitz hatte sich aus den Kämpfen bei
Lens - La Bassée vor dem Druck einer
feindlichen Umfassung in die Linie
Tournai - Douai zurückgezogen. Auf den Bestand dreier
Kavalleriekorps (1., 2., 4.) ergänzt, gingen diese Reiterscharen am 4.
Oktober erneut zu einem großzügigen Unternehmen vor, um
über Hazebrouck die Gegend von St. Omer zu erreichen. Von hier aus
sollten sie gegen die linke Flanke der Franzosen bei Béthune wirken
und über die Verschiebung des englischen Heeres nach
Nordfrankreich Klarheit schaffen. Vielleicht konnte sie sogar die britischen
Ausladehäfen von Dünkirchen bis Boulogne bedrohen. Die
Festung Lille wurde beiderseits umgangen. Am 3. Oktober war die mit
außerordentlicher Kühnheit geführte
Aufklärungsschwadron des Fürsten Wrede durch die
mangelhaft bewachte Fortslinie bis in die Stadt gelangt und hatte
während des allerdings nur kurz bemessenen Aufenthaltes ermittelt,
daß die [386] ausgedehnte, aber veraltete Festung
schwach besetzt und schwerlich zur Verteidigung gegen größere
Kräfte befähigt war.
Am 8. Oktober erreichten die deutschen Reiter die Gegend von Bailleul und
warfen unterlegene französische Reiterei auf
Hazebrouck - Cassel zurück. Am 10. Oktober kam es bei
Merville - Hazebrouck zu großen Reiterkämpfen
zwischen den Divisionen des Generals v. der Marwitz und frischer
französischer Reiterei, welche die Armee Maudhuy zum Schutz ihres
linken Flügels herangeholt und nach französischer Kampfweise
durch einige
Territorial- und Radfahrer-Bataillone verstärkt hatte. Gleichwohl
vermochte sich die sehr gut geführte, unermüdlich
angriffsbereite deutsche Kavallerie, die überall die
französischen Reiter aus dem Felde geschlagen hatte, beim Walde von
Nieppe zwischen
Merville - Hazebrouck - Aire zu behaupten. Erst als
zwei englische
Reiter-Divisionen von St. Omer her eingriffen, französische und
englische Flieger sich durch Maschinengewehrfeuer sehr unbequem
fühlbar machten, auch englische Panzerwagen auf allen von der
Küste heranführenden Straßen, namentlich gegen Flanke
und Rücken der deutschen Reiterei auftraten, endlich die Spitzen der
englischen Infanterie bei St. Omer und Aire erschienen, sah sich General v.
der Marwitz genötigt, langsam vom Walde von Nieppe über
Estaires - Armentières im
Lys-Tale abwärts auf Menin zurückzugehen. Die deutsche
Reiterei hatte durch Verschleierung und Aufklärung
Vorzügliches geleistet, wenn sie auch schließlich vor dem Drucke
der feindlichen Überlegenheit das Feld räumen
mußte.
Unterdessen versammelte sich der rechte Flügel der neu
zusammengestellten deutschen 6. Armee. Durch das XIV. Armeekorps, das
nördlich Lens mit den Franzosen rang, gedeckt, wurde das XIX.
Armeekorps bei und östlich Valenciennes ausgeladen und in
Eilmärschen in die Gegend östlich und südöstlich
Lille herangezogen. Dem XIX. Armeekorps folgte das VII. mit der
Bestimmung, den Raum zwischen dem XIV. und XIX. Armeekorps zu
schließen. Die Masse der deutschen Heeresreiterei sicherte den
Abschnitt beiderseits der Lys westlich Menin und schützte die rechte
Flanke des XIX. Armeekorps. Zunächst aber wurde es nötig,
daß sich der rechte Flügel der deutschen 6. Armee der Festung
Lille bemächtigte, um eine Stütze für den großen
Angriff über die
Ypern- und Yser-Linie zu erhalten. Die Schlacht von Lille wurde die
Einleitung zur
Ypern- und Yser-Schlacht. Beide Teile eilten zur schnellen Entscheidung auf
Lille und suchten sich hierbei zuvorzukommen.
Die Schlacht bei Lille, 11. bis 19. Oktober.
Wennschon der Eigenschaft als Festung entkleidet, besaß Lille noch
einen weiten Gürtel alter Forts, die, durch behelfsmäßige
Neuanlagen und bewegliche Batterien ergänzt, der
industrie- und volkreichen Stadt, dem Mittelpunkte Nordfrankreichs, eine
entscheidende Bedeutung als Stützpunkt für die
Kriegführung im Norden geben mußten. Oberstleutnant de
Pardieu wurde von der
fran- [387] zösischen Heeresleitung beauftragt,
Lille unter allen Umständen so lange zu halten, bis der linke
Flügel des französischen oder der rechte Flügel des
englischen Heeres zum Entsatz herangekommen war, was dem Anschein
nach nur die Frage weniger Tage sein konnte. Dem französischen
Führer stand die
Territorial-Brigade Dünkirchen in Stärke von 8 Bataillonen
und 6 Feldbatterien zur Verfügung. Am 10. Oktober trafen 6
Schwadronen afrikanischer Reiter zur Verstärkung ein.
Pardieu konnte allerdings die Fortslinie wegen Mangels an Kräften und
an Artillerie nicht halten. Er beschränkte sich auf die Verteidigung
der östlichen Vorstädte, des Hauptbahnhofes und der Zitadelle.
Auf schnellen Entsatz hoffend, gedachte er auf diese Weise die Stadt unter
Ausnutzung einzelner anderer Werke, auch gegen große
Übermacht mindestens 48 Stunden verteidigen zu können.
Am 11. Oktober abends erschienen die Spitzen des XIX. Armeekorps vor der
Süd- und Südostfront von Lille und stellten fest, daß die
Stadt schwach besetzt und zur Verteidigung eingerichtet, die Forts verlassen
waren. Am folgenden Morgen eröffnete das II. Bataillon
Fußartillerie-Regiments 19 schweres Haubitzfeuer, unterstützt
durch die beiden
Feldartillerie-Brigaden. 3 Uhr nachmittags war die feindliche Stellung
sturmreif. Die Infanterie hatte sich unter dem Schutze des Artilleriefeuers so
herangeschoben, daß die 88.
Infanterie-Brigade gegen den Hauptbahnhof und das Tor von Douai, die 47.
Infanterie-Brigade gegen das Tor von Arras, die 89.
Infanterie-Brigade gegen das Tor von Béthune zum Sturm vorgehen
konnten. Der 48.
Infanterie-Brigade wurde der Angriff gegen die Zitadelle am Westausgang der
Stadt und die Verlegung der Straße nach Armentières
übertragen. So war die Stadt von allen Seiten umzingelt. Die
zahlenmäßige und taktische Überlegenheit der Deutschen
brach schnell jeden Widerstand. Die 88.
Infanterie-Brigade nahm Bahnhof und Douaier Tor und drang in das Innere
der Stadt vor, wobei ihr die 3. Batterie
Feldartillerie-Regiments 68 durch Niederlegen der Straßensperren die
Wege frei machte. Die anderen deutschen Sturmkolonnen erreichten
inzwischen ebenfalls ihre Ziele, der Ausweg nach Westen hin war dem
Feinde abgeschnitten. Pardieu nahm die ihm angebotene Übergabe an
und streckte mit 5 000 Mann die Waffen. Der Rest der Truppen war
entkommen. Sie hatten sich gegen Übermacht tapfer geschlagen. Die
Stadt litt erheblichen Brandschaden. Zahlreiche Bewohner waren gefallen
oder verwundet worden. Bewaffnete Banden hatten am Kampfe gegen die
Deutschen teilgenommen.
[392a] Schlacht bei Lille: Kirche von Aubers.
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Die französisch-englische Heeresleitung, Joffre und French, konnten
sich mit dem Verlust des wichtigen Lille nicht abfinden, sondern faßten
den Entschluß, den Platz sofort zurückzuerobern. Hierzu sollte
der rechte Flügel des englischen Heeres mit dem linken des
französischen zusammenwirken. Der Angriff war gleichzeitig in der
Front aus der Linie
La Bassée - Armentières, sowie im
Süden auf
Lens - Douai, im Norden über
Armentières - Menin gedacht. So wollte [388] man nicht allein wieder in den Besitz von
Lille gelangen, sondern hoffte auch, die Deutschen auf dem Nordflügel
zu schlagen, indem man durch die Gewinnung der Schelde beiderseits von
Tournai ihre Front nördlich der Lys abschnürte und ihre
Stellungen bei
Arras - Bapaume - Péronne und weiter
südwärts von Norden her umfaßte.
General French, durch Joffre beraten und unterstützt, setzte am 16.
Oktober abends die ihm unterstellten Kräfte auf der 50 Kilometer
breiten Front in folgender Weise zum Angriff an:
- französisches XXI. Armeekorps am Südflügel
beiderseits von Vermelles auf
Hulluch - La Bassée,
- englisches II. Armeekorps von Festubert - Laventie auf
Lille,
- englisches III. Armeekorps von Laventie - Messines auf
Armentières - Warneton,
- englisches IV. Armeekorps von Messines - Zonnebeke
gegen die
Lys-Übergänge bei Comines, Wervicq, Menin,
- englisches I. Armeekorps als Stoßmasse hinter dem linken
Flügel des IV. Armeekorps.
Der Nordflügel dieser Angriffsbewegung, der mit großer
Kühnheit als Stoß weit in die Tiefe zur Umfassung der deutschen
6. Armee durchgeführt werden sollte, wurde durch das englische
Kavalleriekorps und das französische Kavalleriekorps Conneau gedeckt,
die vom Walde von Houthulst her auf Roulers vorgehen sollten. Die Front des
Ypern-Kanals wurde durch französische
Territorial-Divisionen und das belgische Heer von Bixschote über
Dixmude bis Nieuport gedeckt.
Für die 6. Armee galt es, dem Stoße so lange standzuhalten, bis
die 4. Armee zum Angriff bereit war. Kronprinz Rupprecht suchte die
Abwehr im Gegenangriff, obwohl er dem Feinde an Truppenzahl erheblich
unterlegen war. Südlich des Kanals von La Bassée hielt das
XIV. Armeekorps auf den Höhen zwischen
Vermelles - Hulluch - Loos den Angriffen nicht nur
Stand, sondern warf sogar das französische XXI. Armeekorps
über die Ausgangsstellungen zurück, wo der Feind im ersten
Anlauf Fortschritte gemacht hatte. Den Angelpunkt La Bassée hielt
General v. der Marwitz mit dem durch einige Bataillone und starke Artillerie
unterstützten 1. und 2. Kavalleriekorps gegen Franzosen und
Engländer fest und ging, nur schrittweise weichend, im Raume
zwischen La Bassée und Armentières auf die Westfront von
Lille zurück. Die deutschen Reiter, die von Abschnitt zu Abschnitt mit
Karabiner und Maschinengewehr dem Feinde scharfe Gegenwehr leisteten,
um jede sich darbietende Gelegenheit zur Attacke auszunutzen,
erfüllten ihre schwere Aufgabe glänzend. Am 19. Oktober
wurden sie durch das VII. Armeekorps abgelöst, das inzwischen
über Lille und südlich dieser Stadt in Eilmärschen
herangekommen war, um sich mit den verfügbaren Teilen sofort
westlich der Stadt in die Schlacht zu werfen. Die
über- [389] legenen Kräfte des englischen II.
Armeekorps gelangten anfänglich bis auf die Höhen bei Aubers,
wurden dann aber im Gegenangriff durch die 14.
Infanterie-Division unter bedeutenden Verlusten wieder in die Ebene
zurückgeworfen. Lille blieb somit im sicheren Besitz der Deutschen.
Inzwischen hatte sich das englische III. Armeekorps auf die
Lys-Übergänge bei
Armentières - Warneton, das englische IV.
Armeekorps auf
Comines - Wervicq - Menin gestürzt. Hier traten
den Engländern die Sachsen vom XIX. Armeekorps gegenüber.
Sie hatten am rechten Flügel
Lys-abwärts Deckung durch das 4. Kavalleriekorps und erhielten Hilfe
seitens der Reiter, Bataillone, Batterien der beiden anderen deutschen
Kavalleriekorps, die auf der Liller Westfront durch das VII. Armeekorps
abgelöst und sofort zur Stärkung des von der Umfassung
bedrohten deutschen rechten Flügels eingesetzt wurden. Zwar konnten
die Engländer am 18. Oktober nach mühevollem Ringen bei
Armentières, Houplines, Frélinghien die
Lys-Übergänge nehmen und sich in den Besitz dieser am
Ostufer gelegenen Orte setzen, sie auch gegen deutsche Kräfte dauernd
behaupten. Allein ein weiteres Vordringen gegen Lille scheiterte am
Widerstande der Deutschen in der Linie
Pérenchies - Deûlemont.
An der Lys in Linie Deûlemont - Warneton -
Comines - Wervicq - Menin hielten sich die Sachsen und die
Reiterkorps auch weiterhin gegen alle englischen Angriffe, die auf die
Höhen von
Messines - Zandvoorde - Becelaere
zurückfluteten. Eine Umfassung des deutschen Ostflügels bei und
nördlich Menin durch die
französisch-englischen Reitermassen scheiterte am Widerstande des
deutschen 4. Kavalleriekorps.
Am Abend des 19. Oktober erstarb die Schlacht. Die deutsche 6. Armee hatte
Lille behauptet und den großangelegten Versuch des Gegners
abgewehrt, sich in den Besitz der
Lys-Strecke von Warneton bis Menin zu setzen, um hierdurch die deutschen
Armeen 4 und 6 zu trennen und sich zur beiderseitigen Umfassung zwischen
|
sie zu schieben. Die Deutschen verdankten ihren großen Erfolg der
Zähigkeit ihrer Armeekorps und Reiterkorps, die trotz Unterlegenheit
und zeitweisen Munitionsmangels der Artillerie und trotz ganz
außerordentlicher Inanspruchnahme der Kräfte von Mann und
Pferd den feindlichen Anprall nicht allein aufhielten, sondern auch, wo es die
Lage bot, durch Gegenangriff dem Feinde das Gesetz gaben. Die
Armeeführung des Kronprinzen Rupprecht verstand es, durch
rechtzeitige Verschiebung der Kräfte den Gegner über die
Schwäche der deutschen Kräfte im unklaren zu lassen. So war die
Schlacht bei Lille ein voller Sieg.
French, der im Gegensatz zur matten Führung in der
Marne-Schlachte bei Lille scharf und wuchtig zugriff, konnte sein Ziel, den
Deutschen Lille wieder zu entreißen, nicht erreichen. Das Ergebnis der
Schlacht war für ihn also ein sehr bescheidenes und beschränkte
sich auf die Besetzung von Armentières und eines schmalen
Geländestreifens zwischen diesem Orte und Givenchy westlich La
Bassée. [390] Es war verschwindend gering im
Verhältnis zum Kräfteeinsatz und den hohen Opfern des
Kampfes. Deutsche Führung und deutscher Kampfwert hatten sich der
englischen Kraft, trotz der anerkennenswerten Tapferkeit der Gegner und
trotz der Ungleichheit an Zahl der Kämpfer und der Masse der
Munition, weit überlegen gezeigt.
Die Schlacht an der Yser und bei Ypern.
Das Kampfgelände.
Das Schlachtfeld der Kämpfe an der Yser teilt sich in zwei scharf
voneinander geschiedene Teile: im Süden ein Kranz von Höhen,
der nach Norden gegen die Niederung von Ypern hin offen ist, und im
Norden ein Niederungsgebiet, welches nur wenig über dem Spiegel des
Meeres, an einigen Stellen sogar unter diesem liegt. Das
Höhengelände erreicht in der Kuppe des Kemmel mit 156
Meter die bedeutendste Erhebung, einen Punkt von entscheidender
Wichtigkeit, denn er bietet nach beiden Fronten hin ausgezeichnete
Beobachtung und Schußwirkung aus verdeckten Stellungen. So
mußte der Besitz der
Kemmel-Gruppe von geradezu ausschlaggebender Bedeutung für den
Kampf werden. Das Höhengelände dacht sich in östlicher
und dann nordöstlicher Richtung ab. Die Höhen 84 bei
Wytschaete, 66 dicht nördlich Messines, 58 und 50 zwischen St. Eloi
und Hollebeke sind die hervortretenden Stellen des Hügellandes, das
sich vom Kemmel nach der durch den
Ypern-Kanal zwischen Ypern und Comines gebildeten Tiefenlinie erstreckt.
Nordöstlich dieses Kanals steigt das Gelände wieder an und
bildet zwischen den Ortschaften
Zillebeke - Zandvoorde im Süden,
Passchendaele - Moorslede im Norden eine Hochfläche,
deren höchster Punkt 58 zwischen Zonnebeke und Becelaere liegt. Das
gesamte Höhengelände ist von Dörfern, Gehöften,
Schlössern, Häusergruppen, Wäldern, Parkanlagen dicht
besetzt und sehr unübersichtlich, also wie geschaffen für einen
hartnäckigen Kampf, der sich Schritt um Schritt an den Boden
krampft.
[408a] Stellungskrieg in Flandern. Beobachtungsposten an der Scarpe.
Eingraben unmöglich, da sumpfiges Gelände.
|
Den Mittelpunkt des Schlachtfeldes stellt die Stadt Ypern dar, einstens eine
reiche Fabrik- und Handelsstadt, bis zum Weltkriege, der sie in Trümmer
legte, ein Schmuckkästchen wunderbarer mittelalterlicher Gotik. Die
militärische Bedeutung beruhte in der Vereinigung aller
Straßenzüge der Gegend, die hier die Kanalniederung
überschreiten. Tatsächlich war Ypern der Schlüsselpunkt
des Marsches der Deutschen zum Meere bei Calais und westwärts,
für die Engländer die große Sperre der Zugänge zu
ihren Landungshäfen.
Der Nordteil des Kampfgebietes erhält von Ypern bis Noordschoote
durch den
Ypern-Kanal, von Dixmude bis zum Meere bei Nieuport durch die Yser das
Gepräge eines ganz außerordentlich starken, durch
Dämme abgeschlossenen Abschnitts. Werden die Schleusen an der
Mündung geöffnet, so dringt bei Flut das Meer in der Yser
aufwärts und setzt das ganze Land bis Bixschote hinauf unter Wasser,
so daß eine militärische Benutzung ausgeschlossen ist. Das
Gelände [391] östlich der Linie
Langemarck - Nieuport besteht aus Wiesen,
Waldstücken, niedrig gelegenen Feldern und ist von Gräben,
Hecken, Buschgruppen, kleineren Ortschaften und vielen Gehöften
übersät. Der Grundwasserstand ist selbst in trockener
Jahreszeit hoch, so daß nur auf 60 Zentimeter gegraben werden kann.
Zur Regenzeit verwandelt sich der Boden außerhalb der Wege in ein
sumpfartiges Gelände. An der Küste bieten die hohen
Dünen Schutz gegen das Feuer der Kriegsschiffe, die in den
Landkampf eingreifen wollen.
Alles in allem genommen, begünstigt das Gelände den von
Westen her kommenden Teil und verleiht der Verteidigung große
Vorteile, namentlich wenn die Überflutung der Niederung zu Hilfe
gerufen wird. Den Deutschen erwuchs schon aus der
Geländebeschaffenheit eine Reihe schwerer Hindernisse, die sie mit
den zur Verfügung stehenden Truppen und trotz deren hingebender
Tapferkeit nicht zu bewältigen vermochten.
Führung und Gliederung der deutschen 4. Armee. Die deutschen
Neuaufstellungen.
Die deutsche 4. Armee wurde völlig neu aufgestellt. Ihre
Führung lag in der Hand des Generalobersten Herzog Albrecht von
Württemberg, der bereits die ursprüngliche 4. Armee befehligt
hatte, um mit ihr die glänzenden Eingangssiege des Krieges in den
belgischen Ardennen und an der Maas bei Sedan zu erfechten. Herzog
Albrecht hatte sich dort als Führer gezeigt, der sich weit über
das Mittelmaß erhob, ein Heerführer, der wohl geeignet schien,
die schwere Aufgabe zu meistern, welche ihm die bei Ypern gestellte Lage
darbot. Als Chef des Stabes stand Generalmajor Ilse neben ihm.
Die der 4. Armee dauernd zugehörigen Truppen waren:
III. |
Reservekorps (5. und 6. Reserve-Division sowie 4.
Ersatz-Division), General der Infanterie v. Beseler; |
XXII. |
Reservekorps (43. und 44. Reserve-Division), General der
Kavallerie v. Falkenhayn; |
XXIII. |
Reservekorps (45. und 46. Reserve-Division), General der
Kavallerie v. Kleist; |
XXVI. |
Reservekorps (51. und 52. Reserve-Division), General der
Infanterie Freiherr v. Hügel; |
XXVII. |
Reservekorps (sächsische 53. und
württembergische 54.
Reserve-Division), Generalleutnant v. Carlowitz, vom 27. Oktober 1914 ab
General der Artillerie v. Schubert. |
Somit im ganzen 11 Infanterie-Divisionen, rund 120 000 Gewehre bei
voller Stärke. Zeitweise waren zugeteilt oder unterstellt: 9.
Reserve-Division, 6. bayerische Reserve-Division, Marine-Division v. Schroeder, 37. Landwehr-Brigade, 38.
Landwehr-Brigade, 2. Reserve-Ersatz-Brigade,
Garde-Kavallerie-Division.
Von den dauernd zur deutschen 4. Armee gehörigen Truppen war
bisher [392] nur das III. Reservekorps unter seinem
bewährten Führer General v. Beseler, dem Bezwinger
Antwerpens, in Kämpfen erprobt worden. Die vier anderen
Armeekorps waren Neuaufstellungen, die zum ersten Male in die Schlacht,
dazu in einen Entscheidungskampf schwerster Art, treten sollten; denn die
bevorstehende Unternehmung warf für die nächste Zukunft das
Los über den Ausgang des Krieges auf der Westfront. Daher war die
Überweisung der vier neuen Korps an den Herzog Albrecht ein
großes Wagnis. Wohl durfte man erwarten, daß die jungen
Truppen mit der gleichen Tapferkeit angreifen würden wie die alten
Divisionen. Ob sie aber den Leiden und zermürbenden
Einflüssen einer Dauerschlacht nach der sehr kurzen Ausbildungszeit
gewachsen sein würden, war nicht vorauszusehen. Zum Kampfe in
Flandern hätten vielleicht die alten aktiven oder die bereits
bewährten Reservekorps mit größerer Sicherheit
eingesetzt werden können. Wenn trotzdem die Oberste Heeresleitung
die Verschiebungen aus taktischen Gründen, wohl auch mit
Rücksicht auf die drängende Zeit verwarf, so ging sie von der
Annahme aus, daß der den allerjüngsten Truppen
innewohnende Schneid auch der schweren Lage Herr werden
würde - eine Erwartung, die sich leider nicht erfüllen
sollte, so ergreifend und wunderbar auch der Todesmut der
"Freiwilligenkorps" gewesen ist, wie man sie mit Recht genannt hat. Schon
bei der Mobilmachung hatte sich gezeigt, daß der Rahmen des
deutschen Friedensheeres viel zu klein war, um die wehrfähige
Mannschaft in vollem Umfange aufzunehmen. Die im Frieden vom Reichstag
und Reichsschatzamt dem Kriegsministerium aufgezwungene
übertriebene Sparsamkeit, welche die volle Ausnutzung des
Wehrgesetzes und der Volkskraft unterband, hat sich hier furchtbar an
Deutschlands Jugend gestraft. Nachdem bei der Mobilmachung die
planmäßigen Verbände aufgestellt waren, fand sich mehr
als eine Million Freiwilliger, die sich zum Eintritt meldeten. Leute vom 16.
bis 60. Lebensjahr und darüber, meistens aus gebildeten oder
höher stehenden Kreisen, vor allem aber die Jugend, die noch nicht an
die untere Grenze der Wehrpflicht gelangt war. Man konnte diese Scharen
nicht sofort einstellen, weil es an Waffen, an Ausrüstung, vornehmlich
aber an Führern fehlte. Erst nach vollständigem
Abschluß der Mobilmachung ging man an die Ausnutzung dieser
Kräfte, indem Preußen die Reservekorps XXII. bis XXVI.,
Sachsen-Württemberg das XXVII. Reservekorps und Bayern vier
Divisionen aufstellte. Fast drei Viertel dieser Truppen waren
Kriegsfreiwillige, während der Rest aus eingezogenen Landwehrleuten
und Landstürmern bestand. Die Mehrzahl der Offiziere setzte sich aus
Angehörigen des inaktiven Standes (außer Dienst und zur
Disposition) zusammen. Neben ihnen füllten nicht mehr
dienstpflichtige
Reserve- und Landwehroffiziere, Feldwebelleutnants und
Offizierstellvertreter die großen Lücken aus. Die jungen
Truppen - vom Volksmund als
"Kinder-Bataillone" bespöttelt - haben der Mehrzahl nach in
bezug auf Geist und Willen über ein vorzügliches
Mannschaftsmaterial verfügt. Allein die sehr kurze Ausbildungszeit
von [393] wenig mehr als sechs Wochen konnte
selbst bei hellster Begeisterung und bei größtem Opfersinn nicht
genügen, um dauerhafte Regimenter zu schaffen, die den
Stürmen und Schlachten gegen sorgfältig ausgebildete Gegner
gewachsen waren. Es mangelten die körperlichen Kräfte, die
gründliche Durchbildung, es fehlten die Offiziere und Unteroffiziere,
welche einer so zusammengesetzten Truppe erst den Halt verleihen konnten.
Die
Ypern-Schlacht hat bewiesen, daß die deutsche Heeresleitung den Wert
der jungen Korps überschätzt hat. Sie sah sich fortab
gezwungen, an die entscheidenden Stellen zunächst immer wieder die
alten Korps heranzuholen. Erst im Laufe des Krieges haben sich die neuen
Verbände durch Übung und Gewohnheit sowie durch die
Schaffung eines kampferfahrenen Führerpersonals auf die
Höhe der alten Truppen hinaufarbeiten können. Diese
Verhältnisse müssen bei Bewertung der deutschen Leistungen in
der
Ypern-Schlacht in Rechnung gestellt werden.
Die Kräfte der Entente.
Der englische General French war von Joffre mit der Aufgabe betraut
worden, den
Flandern-Angriff zu führen. French galt nächst Kitchener, dem
derzeitigen britischen Kriegsminister, als der befähigste Soldat, um
eine große strategische Lösung zu bewältigen. Er hatte in
Indien und auf allen Schlachtfeldern des britischen Weltreiches gefochten
und sich bei der Niederwerfung der Buren als Reiterführer durch
Unternehmungslust und Rücksichtslosigkeit dem Feinde
gegenüber hervorgetan. Er galt als der Vertreter des englischen
Offiziers im alten Sinne, der mit einfachen Formen die Söldner des
Friedensheeres zum Siege führen wollte, ohne allzu viel auf die
Kampftechnik der Neuzeit zu geben, wenn er auch nach den blutigen Lehren
des Burenkrieges manches Veraltete hatte abstreifen müssen. Im
ganzen neigte French mehr dem Kampfe in der Verteidigung als der
Beweglichkeit des Angriffs zu. Die englische Armee hatte die durch die
Eingangsschlachten bis einschließlich der
Marne-Schlacht erlittenen Verluste durch Nachschub vollständig
ausgeglichen. Für die 8
Infanterie-Divisionen der 4 Armeekorps waren aus neuaufgestellten
Divisionen des Mutterlandes und den indischen Truppen starke Reserven
gebildet worden, die im Laufe der bevorstehenden Schlacht eintreffen sollten.
Die britische Artillerie war durch schwere Geschütze bedeutend
vermehrt worden, auch Panzerwagen und Flugzeuge traten in erheblichem
Umfange in Wirksamkeit.
Das belgische Heer, 6 schwache Infanterie-Divisionen und 2
Reiter-Divisionen stark, kämpfte unter seinem König Albert
für den eigenen Waffenruhm und für die Rettung des Landes,
denn wenn es jetzt von der Yser verdrängt wurde, fiel der letzte
Landstreifen Belgiens in deutsche Gewalt. Die belgischen Truppen, deren
Mangelhaftigkeit sich aus der kurzen Friedensdienstzeit ergab, sollten durch
die Zuteilung französischer Verbände den richtigen Halt
bekommen. Daher wurde ein aus der 87. und 89.
Territorial-Division und der [394] Marine-Infanterie-Brigade (in einigen
Berichten als "Division" bezeichnet) Ronach zusammengesetztes Armeekorps
sowie das Reiterkorps Conneau zur Verstärkung der Belgier
bereitgehalten. Weitere französische Verbände, zunächst
das IX. Armeekorps und die 42.
Infanterie-Division, sollten nach Bedarf in den Bereich der
Flandern-Schlacht geworfen werden.
Einleitende Gefechte.
Am 15. Oktober besetzte das deutsche III. Reservekorps die Linie
Ostende - Thourout - Roulers und vermochte hier den
Aufmarsch der übrigen Korps der 4. Armee in vollkommener Weise
vor dem Gegner zu verschleiern, obwohl die
belgisch-französische Reiterei zwischen dem Walde von Houthulst und
der Meeresküste, die englische zwischen dem genannten Walde und
der Lys aufklärte. Durch den schnellen Vormarsch nach Antwerpens
Fall hatte das III. Reservekorps ein wertvolles Gebiet mit den Städten
Gent und Brügge in deutschen Besitz gebracht. Die Belgier hatten
nirgends nachhaltigen Widerstand geleistet, nur die am
Südflügel des Korps marschierende 6.
Reserve-Division mußte sich zu größeren
Kampfhandlungen entwickeln.
Die deutsche 4. Armee erreichte am 18. Oktober abends mit dem
- XXII. Reservekorps die Linie
Aertrycke - Thourout,
- XXIII. Reservekorps die Linie
Lichtervelde - Ardoye,
- XXVI. Reservekorps Iseghem,
- XXVII. Reservekorps die Linie
Lendelede - Courtrai.
Das III. Reservekorps, dem ursprünglichen Plane nach immer weit
vorwärts gestaffelt, sollte am 18. Oktober die untere Yser zwischen
Nieuport und Dixmude überschreiten und einen halben Tagemarsch
westlich des Flusses die Linie
Coxyde - Furnes - Oeren gewinnen. Allein es stieß
bereits östlich des Flusses auf sehr starken Widerstand, der die
Lösung der Tagesaufgabe ausschloß.
Das belgische Oberkommando hatte seine Truppen bereitgestellt:
- 2.
|
Infanterie-Division in Linie
Nieuport - Lombartzyde - St. Georges, |
- 1.
|
Infanterie-Division in Linie
Tervaete - Schoorbakke - Schoore, |
- 4.
|
Infanterie-Division in Linie
Keyem - Beerst, |
- französische
Marine-Infanterie-Brigade Dixmude,
|
- 5.
|
Infanterie-Division Abschnitt Drie
Grachten - Luyghem, |
- französisches Kavalleriekorps
Conneau in den Wald von Houthoulst vorgeschoben,
|
- 6.
|
Reserve-Division gegen
Leke - Keyem, |
- französische 87.
Territorial-Division Langemarck,
|
- 1.
|
Kavallerie-Division Poelkappelle, |
- 6.
|
Infanterie-Division |
|
in Reserve gruppenweise zwischen
Nieuport und Lampernisse |
- 2.
|
Kavallerie-Division |
- französische 89. Territorial-Division
|
Die Stellungen waren zu hartnäckiger Verteidigung ausgebaut.
[395] Auf deutscher Seite gingen vom III.
Reservekorps vor:
- 4. Ersatz-Division von Middelkerke auf Westende,
- 5. Reserve-Division gegen St. Georges - Schoore,
- 6. Reserve-Division gegen Leke - Keyem.
Es gelang den Brandenburgern zwar, die belgischen Vorhutstellungen bei
Westende, St. Pierre Cappelle, Leke, Keyem zu nehmen, allein es erwies sich
als unmöglich, die
Yser-Front in einem Anlauf zu bezwingen, die am 18. abends noch 1 bis 2
Kilometer vor den Deutschen lag. Englische Kriegsschiffe hatten gegen die 4.
Ersatz-Division gewirkt, aber wenig erreicht. Deutsche
10,5-cm-Kanonen waren gegen sie in wirksames Feuer getreten. In der Nacht
zum 19. und am 19. vormittag griffen im Gegenstoß die belgische 4.
Infanterie-Division, eine Brigade der belgischen 5.
Infanterie-Division und die französische
Marine-Brigade Ronach den linken Flügel der 6.
Reserve-Division in Keyem an, wurden aber nach hartem Kampfe unter
schwerem Verlust abgewiesen.
Am 19. Oktober entspannten sich nach und nach auf der Gesamtfront der
deutschen 4. Armee Kämpfe. Das XXII. Reservekorps drang bis
östlich Dixmude vor und nahm die Fühlung mit dem III.
Reservekorps auf. Das XXIII. Reservekorps nahm am Abend Handzaeme und
Gits, das XXVI. Roulers, das XXVII. Rolleghemcappelle halbwegs
Roulers - Menin. Den Deutschen waren französische,
belgische, englische
Reiter-Divisionen entgegengetreten, die das wuchtige Vorgehen der
Deutschen aber nirgends aufzuhalten vermochten.
Die einleitenden Kämpfe bis zum 19. Oktober abends stellten fest,
daß sehr starke englische, französische, belgische Kräfte an
der unteren Yser von Dixmude abwärts, sowie im
Niederungsgelände beim Houthulster Walde und bogenförmig
auf den Höhen östlich und südlich von Ypern standen.
Der Chef des Generalstabes des deutschen Heeres, der sich um diese Zeit im
Hauptquartier der 6. Armee befand, faßte den Entschluß,
zugleich mit der 4. Armee die Front
Nieuport - Ypern, mit der 6. von Südosten und
Süden her anzugreifen.
Die Kämpfe der deutschen 4. Armee vom 20. bis 31. Oktober. Das
Scheitern des deutschen Angriffs.
Am rechten Flügel der deutschen 4. Armee ging unter Einsatz der
gesamten Artillerie das III. Reservekorps am 20. Oktober vormittags mit
der
- 4. Ersatz-Division auf Lombartzyde,
- 5. Reserve-Division gegen Yser-Abschnitt St.
Georges - Schoorbakke,
- 6. Reserve-Division gegen den Yser-Abschnitt bei
Tervaete - Stuyvekenskerke - Kasteelhoek
vor, um die feindliche Stellung zu durchbrechen. Am 20. und 21. warfen die
Deutschen die belgischen Divisionen auf der Strecke
Mannekensvere - Tervaete bis an den Fluß zurück
und setzten sich vor dessen Ostufer fest. Die Belgier behaupteten sich jedoch
im Brückenkopf Lombartzyde am Ostufer, wiederum [396] durch das Feuer englischer Kriegsschiffe,
auch durch die französische 42.
Infanterie-Division, die in Nieuport eingetroffen war, unterstützt. In
der Morgenfrühe des 22. gelang es dem
Reserve-Infanterie-Regiment 26 der 6.
Reserve-Division, die Yser an der ostwärts ausspringenden Schleife
zwischen Schoore und Tervaete auf Schnellbrücken und Behelfsstegen
zu überschreiten, den Feind zu überraschen und sich am
Westufer festzusetzen. Am 24. früh war die gesamte Infanterie der 6.
Reserve-Division auf dem westlichen Ufer eingegraben, während
rechts von ihr die 5.
Reserve-Division hart am Ostufer, die 4.
Ersatz-Division, durch das Eingreifen der englischen Flotte aufgehalten, noch
immer vor Lombartzyde lag, obwohl das schwere deutsche Flachfeuer die
englischen Kriegsschiffe durch zwei Volltreffer beschädigte.
Für das III. Reservekorps galt es, die gewonnenen Stellungen bis zum
Eingreifen der übrigen Armeekorps der 4. Armee festzuhalten.
Das deutsche XXII. Reservekorps griff am 20. das im Winkel zwischen der
Yser und dem ihr von Osten her zufließenden
Handzaeme-Kanal gelegene Städtchen Dixmude an. Nach
wütendem Ringen in Angriff und Gegenstoß gelang es der 44.
Reserve-Division auf dem rechten, der 43.
Reserve-Division auf dem linken Flügel, die Orte Beerst, Vladsloo,
Eessen, Woumen zu nehmen und das brennende Dixmude am 23. abends auf
wenige hundert Meter halbkreisartig einzukesseln. Doch behaupteten sich
die Belgier der 4. und 5.
Infanterie-Division, sowie die französischen Marinefüsiliere der
Brigade Ronach in diesem Schlüsselpunkt der Ententestellung. Das
schwere deutsche Artilleriefeuer konnte das Städtchen in Flammen
setzen, vermochte aber nicht, den Widerstand der zähen Verteidiger
zu brechen.
Sehr blutige und ruhmreiche Kämpfe hatte das deutsche XXIII.
Reservekorps zu bestehen. Ihm war für den 20. Oktober der
Angriffsstreifen überwiesen worden, der über
Handzaeme - Staden durch den Houthulster Wald gegen den
Abschnitt
Noordschoote - Bixschote des Ypern-Kanals verlief, eine
besonders schwere Aufgabe, denn der Wald, von Unterholz und vielen
Wasserläufen durchzogen, eignete sich für den Feind zu
hartnäckiger Gegenwehr, während das Vorgehen der deutschen
Infanterie durch jene Geländehindernisse gestört, das
Nachziehen der Artillerie in Frage gestellt war. Die 45.
Reserve-Division rechts, die 46. Reserve-Division links, so erreichte das Korps
unter leichten Gefechten gegen abgesessen kämpfende
französische, englische, belgische Reiterei bis zum 20. abends Clercken
und den Ostraum des Waldes von Houthulst.
Am 21. Oktober kämpfte sich die 45.
Reserve-Division bis in die Linie
Woumen - Nordwestspitze des großen Waldes vor. Die
46.
Reserve-Division arbeitete sich trotz großer Schwierigkeiten durch den
Wald selbst hindurch und stand angesichts der französischen
Hauptstellung
Noordschoote - Bixschote, die am 22. durchbrochen werden
sollte. Die deutsche schwere Artillerie nahm während der Nacht vom
21. zum 22. Oktober im Westteil des Houthulster Waldes
Auf- [397] stellung, um mit Tagesgrauen des 22. das
Feuer gegen den Durchbruchsabschnitt zu eröffnen.
Für diesen Tag änderte ein Armeebefehl die Aufgabe des
XXIII. Reservekorps dahin, daß nur die 45.
Reserve-Division im bisherigen Angriffsstreifen zu verbleiben hatte, die 46.
Reserve-Division aber zur Unterstützung des linken Nebenkorps, des
XXVI. Reservekorps, das vor Langemarck festlag, gegen die Front
Bixschote - Langemarck vorgehen sollte.
Die 45. Reserve-Division stieß auf die vorderen Stellungen der
belgischen 5. und 6.
Infanterie-Division, der französischen 87.
Territorial-Division, des linken Flügels der englischen 1.
Infanterie-Division. Diese Verbände hielten die Ortschaften Luyghem,
Merckem, Mangelaare als vorgeschobene Punkte fest, dahinter lag das
Westufer der sumpfigen Bäche Kortebeek und Murtje Vaart als erste,
der Abschnitt
Noordschoote - Bixschote als zweite Hauptstellung.
Reserve-Infanterie-Regiment 210 nahm Luyghem und Merckem, die
Regimenter 209 und 212 stießen über den Murtje Vaart
durch.
Am rechten Flügel der 46. Infanterie-Division stürmte
Reserve-Infanterie-Regiment 216 Mangelaare, wobei der
Regimentsführer, Oberst v. Grothe, fiel, und drang über den
Kortebeek vor. Dagegen konnte das vom Feinde stark besetzte und
sorgfältig befestigte Langemarck von der Mitte und vom linken
Flügel der 46.
Reserve-Division nicht genommen werden. Die Engländer betrachteten
diesen Ort als die Zugangsstelle gegen Ypern und legten daher besonders
hohen Wert auf die Festhaltung des Dorfes.
Trotz heftigster Gegenwehr gelang es den Regimentern der 45.
Reserve-Division, am Abend Bixschote zu stürmen und den Gegner in
erbittertem Handgemenge aus dem Dorfe gegen das Kanalufer zu
drängen. Allein es war für die Deutschen nicht möglich,
den Ort zu halten. Die Truppen waren infolge ihrer, für eine deartige
schwierige Aufgabe ungenügende Ausbildung völlig
durcheinander geraten und zum Teil den Führern aus der Hand
gekommen, so daß es dem Feinde glückte, das infolge eines
Mißverständnisses bei einer Ablösung
vorübergehend von den Deutschen nicht besetzte Dorf wieder zu
nehmen. Die von den deutschen Truppen gebrachten Opfer waren vergeblich
gewesen. Gleichzeitig warf sich ein mit sehr bedeutenden Kräften
unternommener Gegenstoß auf die am Südufer des Kortebeek
befindlichen Teile der 46.
Reserve-Division. Unter den erschöpften, durch den
hartnäckigen Kampf in ihren Verbänden gelösten
Truppen traten an mehreren Stellen panikartige Erscheinungen auf, so
daß sie über den Kortebeek zurückfluteten. Am Nordufer
kam indessen die rückläufige Bewegung zum Stehen. Die
Deutschen hielten hier das Nachdrängen des Feindes auf. Am 23.
Oktober ging die 46.
Reserve-Division von neuem vor und gewann die Höhen am
Südufer des Kortebeek zurück. Es war den Engländern
nicht gelungen, die deutsche Front am Kortebeek zwischen Bixschote und
Langemarck zu durchstoßen.
[398] Das deutsche XXVI. Reservekorps ging am
Frühmorgen des 20. Oktober mit der 51.
Reserve-Division von Roulers, mit der 52.
Reserve-Division von Moorslede aus vor. Es traf auf Truppenteile des
französischen IX. und englischen I. Armeekorps, die den
Höhenrand
Westroosebeke - Passchendaele - Keilberg besetzt
hielten. Die 51.
Reserve-Division setzte sich in den Besitz von Westroosebeke und rang sich
bis zum Einbruch der Nacht in die Linie Bahnhof
Poelkappelle - Dorf Poelkappelle durch, wobei sich
Reserve-Jäger-Bataillon 23 besonders hervortat. Die 52.
Reserve-Division nahm Passchendaele und Keilberg. Erst mit Einbruch der
Nacht kam ihr Angriff vor der englischen Hauptstellung auf den bewaldeten
Höhen 56 und 58 zwischen Zonnebeke und Becelaere zum Stehen.
Links vom XXVI. Reservekorps bemächtigte sich das XXVII.
Reservekorps der vorgeschobenen englischen Stellungen bei
Becelaere - Terhand, diese Ortschaften eingeschlossen, und
nahm Verbindung mit der 3.
Kavallerie-Division auf, die am rechten Flügel der der 6. Armee
zugeteilten Heeresreiterei im Angriff zu Fuß bis halbwegs
Gheluve - Gheluvelt vorgedrungen war.
Das Ententeheer stand am 22. Oktober morgens in dem großen
Brückenkopf östlich des
Ypern-Kanals von Bixschote über
Langemarck - St. Julien - Zonnebeke bis Gheluvelt
hinter starken Hindernissen zur Abwehr des deutschen Angriffes bereit, mit
der Absicht, selbst zum Angriff zu schreiten, sobald der Stoß der
Deutschen sich erschöpft hatte. General French setzte auf dieser
Entscheidungsfront, deren Hauptstützpunkte das festungsartig
ausgebaute Dorf Langemarck und die flankierend wirkende Höhe 56
dicht östlich Zonnebeke bildeten, das französische IX. und das
englische I. und IV. Armeekorps, ausgesuchte und bereits
kampfgeübte Truppen, gegen die jungen Regimenter auf deutscher
Seite ein.
Nachdem die Schlacht am 21. Oktober sich im wesentlichen auf
Artilleriekämpfe und Heranfühlen der Infanterie
beschränkt hatte, schritt am 23. die 46.
Reserve-Division (XXIII. Reservekorps) zum entscheidenden Durchbruch
zwischen Bixschote und Langemarck. Das XXVI. Reservekorps erneuerte den
Angriff gegen die
Nord- und Ostfront von Langemarck selbst, das XXVII. Reservekorps suchte
gegen St. Julien und im waldigen Höhengelände bei
Zonnebeke - Becelaere Boden zu gewinnen. Gegen die
feuersprühenden Schützengräben um Langemarck
stürmten die angriffsfrohen und kampfbegeisterten deutschen
Bataillone, ohne sich lange mit Feuern aufzuhalten, zum Sturm in dichten
Schwärmen unter dem Gesang: "Deutschland, Deutschland
über Alles!" an, um, durch furchtbare Verluste zum Teil auf ein
Drittel des Bestandes gelichtet, trotz aller Tapferkeit vor den Hindernissen
niedergehalten zu werden. Am 23. abends mußte der deutsche
Durchbruchsversuch als zunächst undurchführbar angesehen
werden, auch der Einsatz der noch verfügbaren
Armeereserven - 37. Landwehr-Bataillon und 2.
Reserve-Ersatz-Bataillon - konnte einen Umschwung nicht
bringen.
[399] Jetzt brachen Franzosen und
Engländer gegen das XXVI. und gegen den rechten Flügel des
XXVII. Reservekorps zum Gegenstoß vor, um die deutsche Front zu
sprengen. Allein die Deutschen hielten sich in flüchtig ausgehobenen
Schützengräben gegen die mit voller Erbitterung und
Tapferkeit geführten Angriffe, während ein ununterbrochenes
Artilleriemassenfeuer den deutschen Kampfraum zudeckte. Für die 4.
Armee kam es darauf an, die Front zwischen Bixschote und Gheluvelt zu
sperren, bis an der Yser der Nordflügel und an der Lys die 6. Armee
die Entscheidung im Angriff bringen würden.
Inzwischen hatten bis zum 24. Oktober vormittags vom deutschen III.
Reservekorps die Fußtruppen der 5. und 6.
Reserve-Division, von der 44. Reserve-Division (XXII. Reservekorps) 5
Bataillone den Unterlauf der Yser überschritten und sich auf dem
Westufer in der Linie
St. Georges - Schoorbakke - Stuyvekenskerke festgesetzt,
ihnen dicht gegenüber 4 belgische Divisionen und eine
französische Division, welche Stellung hinter Stellung östlich
des hohen Eisenbahndammes ausgebaut hatten. Der Damm selbst war ihre
Hauptverteidigungslinie; westlich der Eisenbahn bildeten die großen
Dörfer Ramscappelle und Pervyse die Stützpunkte. Die
Deutschen konnte keine Artillerie über die Yser vorziehen, denn die
feindliche Artillerie war an Zahl und Wirkung überlegen. Dem
General v. Beseler standen nur zehn Steilfeuerbatterien zur
Verfügung, die ihre ganze Kraft daransetzen mußten, um das
gegnerische Artilleriefeuer von der vorderen Infanterielinie zum Teil
abzulenken, während die deutschen schweren Flachfeuerbatterien sich
mit der englischen Schiffsartillerie herumschossen. Da die Belgier und
Franzosen noch im sicheren Besitz von Nieuport und Dixmude waren, also
die westlich der Yser liegenden deutschen Truppen durch Flankenangriffe
fassen konnten, war die Lage eine überaus schwierige.
|
Nachdem die 44. Reserve-Division am 24. Oktober einen
französisch-belgischen Vorstoß aus Dixmude abgewehrt hatte,
und es unter unsäglichen Schwierigkeiten gelungen war, die
Feldartillerie der 5. und 6.
Reserve-Division über die Yser vorzuholen, machte der deutsche
Angriff am 25. langsame Fortschritte gegen den Bahndamm hin. Vor allem
kam es darauf an, dem Feinde seinen Hauptstützpunkt Dixmude zu
entreißen. Der Ort lag am 24. und 25. Oktober vormittags unter
schwerstem deutschen Artilleriefeuer, auch eine
42-cm-Batterie wurde eingesetzt. Als man die Wirkung für
ausreichend ansah, ging um die Mittagsstunde die 43.
Reserve-Division, durch das Feuer mehrerer Feldbatterien auf
allernächste Entfernung unterstützt, zum Sturm vor. Einzelne
Trupps drangen bis in den Ort, ja bis zur
Yser-Brücke an dessen Westausgang, konnten sich aber nicht halten.
Am Frühmorgen des 26. mußten die Sturmtruppen in die
Ausgangsstellungen zurückgezogen werden. Die Verteidiger waren
selbst durch das schwerste deutsche Feuer in den tief gebauten Deckungen
nicht erschüttert worden und warfen den Angriffen immer wieder
frische Kräfte entgegen, [400] die zu Gegenstößen schritten.
Nachdem das Ringen vom 26. bis 29. in einen hinhaltenden Kampf
übergegangen war, in welchen auch schwere deutsche Minenwerfer
eingriffen, ohne eine Wendung zu erzielen, gab die Armeeleitung den
frontalen Angriff gegen Dixmude auf und ordnete für den 30. an,
daß der Ort unter schwerstem Feuer gehalten und von Osten her nur
durch drei bis vier Bataillone abgeschlossen werden sollte. Die 43.
Reserve-Division wurde angewiesen, die Yser unterhalb Dixmude zu
überschreiten und den Ort von rückwärts her
anzugreifen.
Mittlerweise waren die 5. und 6.
Reserve-Division, sowie auf deren rechtem Flügel die halbe 4.
Ersatz-Division des III. Reservekorps und die 44.
Reserve-Division des XXII. Reservekorps unter schrittweisem
Herankämpfen bis auf etwa 300 Meter an den Bahndamm
Ramscappelle - Pervyse vorgedrungen. Das Generalkommando
III. Reservekorps setzte den allgemeinen Sturm auf den Vormittag des 30.
Oktober an. Nach schweren Kämpfen schien sich der Sieg auf die
deutsche Seite zu neigen: bis zum Abend war Ramscappelle ganz, Pervyse
zum Teil in deutscher Hand, während das XXII. Reservekorps gegen
Oostkerke und Caeskerke zur Umklammerung von Dixmude Boden gewann.
Die Franzosen und Belgier schickten sich auf der ganzen Front zum
Rückzuge an. Der deutsche Durchbruch schien gelungen. Allein er
scheiterte schließlich doch noch an einem Kampfmittel, gegen das die
deutsche Kunst und Kraft machtlos waren.
Seit der Mittagszeit des 30. machte sich ein sehr schnelles Steigen der
Wasserläufe, dann eine Versumpfung des ganzen Gebietes bemerkbar,
die man sich deutscherseits zuerst nicht erklären konnte. Nach
Einbruch der Nacht stand das Wasser bereits kniehoch, das Gelände
beiderseits der Yser wandelte sich in ein Meer, Truppen und Fahrzeuge
versanken in Wasser und
Schlamm - der Angriff konnte nicht mehr fortgesetzt werden, der
Nachschub wurde unmöglich.
Durch
den Druck der französischen und englischen Führung
beeinflußt, hatte König Albert am Morgen des 30. zur Flutzeit
die Schleusen und Staudämme der Yser bei Nieuport zerstören
lassen, um das Land bis über Dixmude aufwärts unter Wasser
zu setzen und hierdurch die Rettung des Nordflügels der Ententeheere
gegen die unaufhaltsamen Angriffe der Deutschen zu bewirken. Das
furchtbare Mittel half: nicht die Waffengewalt, sondern das Meer
entriß den Deutschen den Sieg. Um die Mitternachtsstunde zum 31.
Oktober gab General v. Beseler den Befehl zum Rückzug auf das
östliche Yserufer. Die Bewegung wurde, ohne daß der Feind
nachdrängte, in voller Ordnung und ohne Verlust ausgeführt.
Am Abend des 31. bezog der deutsche Nordflügel eine feste Stellung
von Westende über
Mannekensvere - Schoore bis Kasteelhoek,
Patrouillenkommandos auf einzelnen höher gelegenen Stellen an und
westlich der Yser. Das XXII. Reservekorps setzte die Umfassungsversuche bei
Oostkerke und Caeskerke gegen Dixmude bis zum 1. November fort, sah sich
aber durch das Steigen des Wassers gleichfalls genötigt, in der Nacht
zum 2. hinter die [401] Yser zurückzugehen. So war die
Schlacht auf dem Nordflügel einstweilen zuungunsten der Deutschen
verlaufen. Alle Kunst der Führung, alle Tapferkeit, aller Opferwille
der Truppen waren gegen die furchtbare Gewalt des Wassers machtlos.
General French hatte am 25. Oktober zur Entlastung der bedrohten Front
Nieuport - Dixmude einen allgemeinen Vorstoß des
englischen I. und IV. sowie des französischen IX. Armeekorps in
Richtung auf
Poelkappelle - Passchendaele - Zonnebeke -
Becelaere angeordnet. Gegen ihn hatten die durch die vorangegangenen
Kämpfe ermüdeten Reservekorps XXIII, XXVI, XXVII in den
Tagen vom 25. bis 28. Oktober einen harten Stand, weil die
englisch-französische Artillerie auf dem Höhengelände
vortreffliche Beobachtungsstellen gegen die tiefstehende deutsche Artillerie
besaß, die überdies an Zahl unterlegen war und unter
Munitionsknappheit litt. Das deutsche Armeeoberkommando mußte die
gesamten Reserven zur Abwehr des sehr gefährlichen Angriffs
einsetzen: 37.
Landwehr-Brigade, 2. Ersatz-Reserve-Brigade, Teile der
Marine-Division und 38. Landwehr-Brigade. In diesen Kämpfen fiel
am 26. Generalleutnant v. Meyer, Führer der 37.
Landwehr-Brigade. Aber durch das Eingreifen aller dieser Kräfte
gelang es dem Südflügel der 4. Armee, die aufs
äußerste bedrohten Stellungen
Poelkappelle - Passchendaele - Höhe 56
östlich
Zonnebeke - Reutel - Poezelhoek zu halten. Am 29.
Oktober erlahmte die Schlacht infolge beiderseitiger Erschöpfung. Die
6. bayerische
Reserve-Division stand noch als Reserve der 4. Armee am
Südflügel bei Dadizeele verfügbar.
Nach links hin hatte die deutsche 4. Armee in diesen Kampftagen
Anschluß an die unter dem Befehl des Generals v. der Marwitz
vereinigte, aus dem 1., 2., 3. Kavalleriekorps (zusammen 8
Kavallerie-Divisionen, mehrere Jäger-Bataillone, leichte und schwere
Artillerie) bestehende Heeresreiterei. Von dieser, allerdings auf einen
Bruchteil des ursprünglichen Standes zusammengeschrumpften
Reitermasse verteidigten sich das 1. und 2. Kavalleriekorps im Kampf zu
Fuß nordwestlich
Comines - Warneton gegen die von
Messines - Wytschaete - Hollebeke her angreifenden
Engländer und hielten den ihnen anvertrauten Boden vom 25. bis 29.
Oktober unverbrüchlich fest. Das 3. Kavalleriekorps (General v. Stetten
mit 3., 7., bayerischer
Kavallerie-Division, Jäger-Bataillone 4, 9, 10, sowie 5 Bataillone der 11.
Landwehr-Brigade) stieß von Wervicq her gegen
Kruiseike - Zandvoorde vor, um durch einen Druck gegen die
feindliche Flanke das bei
Reutel - Poezelhoek hart ringende XXVII. Reservekorps zu
entlasten und den Anmarsch des östlichen Flügels der 6. Armee
zu verschleiern. Zusammen mit dem bayerischen
Reserve-Infanterie-Regiment 16, das von der 6. bayerischen
Reserve-Division, die hinter dem XXVII. Reservekorps als Armeereserve
stand, nach links hin entsandt worden war, nahm das 3. Kavalleriekorps bei
Gheluvelt 650 Engländer gefangen und löste seine schwierige
Aufgabe mit bestem Erfolg.
[402] Der Durchbruchsversuch der
Armeegruppe Fabeck südlich Ypern.
Während die deutsche 4. Armee an der unteren Yser durch die
Überschwemmung zum Zurückgehen auf das Ostufer sich
gezwungen sah und auf dem Halbkreis
Bixschote - Passchendaele - Reutel den
englisch-französischen Vorstößen standhielt, führte
die 6. Armee von östlich Arras über
Lens - La Bassée bis östlich
Armentières einen hinhaltenden Kampf gegen
französisch-englische Kräfte. Beiderseits rang man sich frontal
ab und suchte sich zu binden, damit der Gegner keine Truppen nach Norden
hin an die kampfentscheidenden Stellen zwischen
Nieuport - Dixmude - östlich Ypern verschieben
konnte.
Da die deutsche Oberste Heeresleitung sich von dem hinhaltenden Gefecht
keinen Erfolg versprechen konnte, beschloß sie, zwischen der 4. und 6.
Armee aus ausgewählten, vorwiegend aktiven Truppen eine neue
Stoßmasse zu bilden, die am 30. Oktober aus Linie
Wervicq - Deûlemont nach Nordwesten hin gegen Ypern
vorbrechen und den Durchstoß auf kürzester Linie vollziehen
sollte. Die neue, dem Oberkommando der 6. Armee unterstellte
Armeegruppe Fabeck (Kommandierender General XIII. Armeekorps) setzte
sich zusammen aus:
- XV. Armeekorps (30. und 39.
Infanterie-Division) General v. Deimling,
- II. bayerische Armeekorps (3. bayerische und 4. bayerische
Infanterie-Division) General v. Martini (vom 5. November ab General v.
Stetten),
- 26. Infanterie-Division Generalleutnant Wilhelm Herzog v. Urach.
Zeitweise wurden unterstellt: Generalkommando XXIV. Reservekorps
(General v. Gerok), Höhere
Kavallerie-Kommandeure 1 und 2, 6. bayerische
Reserve-Division, 3. Infanterie-Division, 25.
Reserve-Division, 11. Landwehr-Brigade, 2.
Kavallerie-Division, bayerische Kavallerie-Division. Die 6. Armee hatte zu dem
Angriff alle nur irgend entbehrliche schwere Artillerie der Gruppe Fabeck
zu überweisen. Auf Anordnung der Obersten Heeresleitung begann der
Angriff am 30. Oktober. Die 4. und 6. Armee mußten gleichzeitig
angreifen, um den Feind auf der Gesamtfront zu binden und ihn zu hindern,
Reserven gegen den deutschen Stoßteil, die Armeegruppe Fabeck,
einzusetzen.
Das Eintreten der Yserüberflutung in der Nacht zum 31. Oktober hatte
die Lage auf dem nördlichen Schlachtflügel vollständig
geändert. Konnten die Deutschen den erfolgreich eingeleiteten
Stoß nicht fortsetzen, so waren anderseits auch die Ententeheere
außerstande, nach Osten hin über die Yser vorzudringen. Daher
zog das Oberkommando der deutschen 4. Armee die entbehrlichen
Kräfte von der unteren Yser fort. Der 4.
Ersatz-Division fiel fortab allein die Sicherung des
Überschwemmungsgebietes von Westende bis Tervaete zu. Das XXII.
Reservekorps mußte den feindlichen Brückenkopf Dixmude
umschlossen halten und die Betätigung der dort befindlichen starken
Feindeskräfte unterbinden. Das abgekämpfte III. Reservekorps
nahm zwischen Zarren und Staden Aufstellung, [403] um je nach Umständen beim XXIII.
oder XXVI. Reservekorps Verwendung zu finden.
Am 30. Oktober früh griff das XXIII. Reservekorps mit der 45.
Reserve-Division Bixschote, mit der 46.
Reserve-Division den Abschnitt des Steenbeek halbwegs
Bixschote - Langemarck an. Nach erbittertem Ringen nahm die
45.
Reserve-Division das zerschossene Dorf. Doch sah sie sich genötigt, am
Abend aus den Trümmern zurückzugehen und sich
halbkreisförmig um sie herumzulegen, da der Feind ein gewaltiges
Artilleriemassenfeuer gegen die in den Mauerresten aller Deckungen
beraubten deutschen Truppen niedergehen ließ. Sie mußte sich
begnügen, die Dorfstelle durch Patrouillen und
Maschinengewehrtrupps gegen feindliche Wiedereroberungsversuche zu
sichern.
Das deutsche XXVI. Reservekorps griff am 30. Oktober mit dem rechten
Flügel vergebens Langemarck an. Die feindliche Stellung erwies sich
als so stark, daß sie nicht bezwungen werden konnte. Daher
mußte es sich damit begnügen, eine kurze Strecke gegen die
Dorftrümmer hin gewonnen zu haben, und stellte am 31. abends den
Angriff ein. Die Mitte und der linke Flügel des XXVI. Reservekorps und
der rechte Flügel des XXVII. Reservekorps hielten am 30. und 31.
beiderseits Zonnebeke die sehr heftigen Vorstöße der Franzosen
auf. General Joffre hatte sich auf das Schlachtfeld begeben, um mit dem IX.
und dem dahinter soeben in Flandern eingetroffenen II. Armeekorps
durchzubrechen. Der Stoß scheiterte an der ungebeugten deutschen
Widerstandskraft.
Am 29. Oktober abends hatte die Armeegruppe Fabeck den Aufmarsch
beendet und die Reiterkorps abgelöst. Für den auf den 30.
festgesetzten Angriff waren als Gefechtsstreifen zugewiesen:
- XV. Armeekorps Gheluvelt - Zandvoorde,
- II. bayerische Armeekorps Zandvoorde
(ausschließlich) - Wambeke,
- 26. Infanterie-Division Wambeke
(ausschließlich) - Messines,
- 4. und Garde-Kavallerie-Division, dazu zwei Bataillone XIX.
Armeekorps, der
Ploegsteert-Wald westlich Deûlemont.
Links der unter General v. Richthofen stehenden Heeresreiterei griff das
außerhalb des Verbandes der Armeegruppe Fabeck eingesetzte XIX.
Armeekorps gegen Armentières hin an.
Als Reserve standen die 6. bayerische Reserve-Division bei Comines,
Höhere Kavalleriekommandeure 2 und 3 bei Wervicq. An schwerer
Artillerie hatten der Gruppe Fabeck zugeführt werden können:
8 Batterien Mörser, 20 Bataillone schwerer Feldhaubitzen zu je 3
Batterien, ein
30,5-cm-Küstenmörser.
Der Ententeführung war der An- und Aufmarsch der Gruppe Fabeck
nicht entgangen. French konnte ihr in stark befestigter Stellung das englische
IV. Armeekorps, Teile des englischen III. Armeekorps, das englische
Kavalleriekorps, das soeben eingetroffene französische XVI.
Armeekorps entgegenstellen. [404] Auch besaß er noch erhebliche
Reserven vom französischen II. und IX. Armeekorps, die zum
Durchbruch auf Zonnebeke bestimmt gewesen waren. Die schwere Artillerie
war der deutschen an Zahl und Kalibern mindestens gewachsen, an
Güte der Stellungen und Beobachtungspunkte überlegen.
Am 30. Oktober vormittags begann das deutsche
Artilleriewirkungsschießen, erschwert durch unsicheres Wetter.
Gleichwohl schien bereits um 9 Uhr vormittags der Erfolg hinreichend zu
sein, um den Sturm auf der ganzen Front zu wagen. Mit
unübertrefflichem Schneid ging die Infanterie, gefolgt von einzelnen
Feldartillerie-Abteilungen, gegen die zerflatterndem Hindernisse und
zerschossenen Gräben vor. Am rechten Flügel stürmten
die 54.
Reserve-Division (XXVII. Reservekorps) und die 30.
Reserve-Division (XV. Armeekorps) vergebens gegen Gheluvelt an. Dagegen
nahm die 39.
Infanterie-Division, dabei die der Heeresreiterei angehörigen
Jäger-Bataillone 4, 10, ein bayerisches, Zandvoorde, Höhe 40
nördlich des Dorfes und das Gelände bis zum Kanal
gegenüber Hollebeke. Links daneben drang das II. bayerische
Armeekorps in Hollebeke und Wambeke ein. Die 26.
Infanterie-Division kam bis nahe vor Messines, konnte aber das Dorf nicht
mehr nehmen, da es von den nördlich des Ortes emporsteigenden
Höhen aus durch die noch ungebrochene feindliche Artillerie
beherrscht wurde. Der Höhere Kavalleriekommandeur 1 sah sich vor St.
Yves, das XIX. Armeekorps vor
Ploegsteert - Armentières durch zähen
feindlichen Widerstand aufgehalten.
Der folgende Sonntag, der 31. Oktober, zeigte endlich
herbstlich-klaren, nahe der Küste seltenen Sonnenschein. Daher
konnte die deutsche Artillerie im Gegensatz zu dem nebelschweren Morgen
des Vortages mit großem Erfolg das Wirkungsfeuer
durchführen. Namentlich wurde Gheluvelt am rechten Flügel
des deutschen Angriffsstreifens unter schwerstes Feuer genommen. Am
Nachmittag fiel nach heftigem Nahkampfe das Dorf in die Gewalt der
Deutschen: die 30.
Infanterie-Division, 54. Reserve-Brigade, das 6. bayerische
Reserve-Infanterie-Regiment, dessen Kommandeur Oberst List den
Heldentod starb, wetteiferten um diesen Erfolg. Am Abend aber kam der
Angriff des ganzen XV. Armeekorps vor der stark ausgebauten zweiten
Stellung der Engländer
Veldhoek - Ostsaum des Herenthage-Waldes zum Stocken.
Das II. bayerische Armeekorps gelangte unter mühevollem Ringen bis
an die Waldränder westlich Hollebeke und den Ost Oosttaverne.
Die große Entscheidung des Tages lag an der Haupteinbruchsstelle
Messines - Wytschaete. Das Oberkommando hatte die nur drei
Regimenter starke 6. bayerische
Reserve-Division aus der Reserve vorgezogen und links vom II. bayerischen
Armeekorps so eingesetzt, daß sie zur Unterstützung der 26.
Infanterie-Division beim Kampfe um Messines gegen Wytschaete vorgehen
sollte. Bis zum Abend des 30. arbeiteten sich die Bayern auf
Sturmentfernung an das Dorf heran. In der Nacht zum 1. November
stürmte das bayerische
Reserve- [405] Infanterie-Regiment 17
überfallartig den Ort, mußte aber gegen Tagesanbruch wieder
an dessen Ostsaum zurückgenommen werden, da infolge
unterbrochener Verbindungen die deutsche Artillerie das Feuer auf den Ort
fortsetzte. Überdies kam es zu Verwechslungen zwischen
verschiedenen bayerischen Regimentern, die sich gegenseitig beschossen.
Mitten in diese Irrungen hinein stieß am Morgen des 1. November ein
groß angelegter Vorstoß des gerade mit erheblichen Teilen auf
dem Kampfplatz eingetroffenen französischen XVI. Armeekorps: die
Bayern mußten Wytschaete räumen und klammerten sich im
östlichen und südöstlichen Vorgelände des Ortes
fest.
Der Sturm der 26. Infanterie-Division auf Messines wurde für den 31.
Oktober vormittags angesetzt:
Füsilier-Regiment 122 gegen Höhe 66 nördlich Messines,
Infanterie-Regiment 125 gegen den Ostrand,
Grenadier-Regiment 119 gegen den Südostrand,
Infanterie-Regiment 121 in Reserve. Um die Mittagsstunde hatten die drei
Regimenter vorderer Linie in ungestümem Anlauf die
Dorfränder erreicht, um sich in den Ortsgassen unter wildem Ringen
von Haus zu Haus bis zum Abend der Osthälfte des Dorfes zu
bemächtigen. Die Pioniere mußten Mauern und
Straßensperren sprengen; einzelne Geschütze wurden zur
Niederlegung der Umfassungen ins Ortsinnere vorgeschleppt. Der
Straßenkampf dauerte während der ganzen Nacht, Feind und
Freund lagen sich mitten durch das Dorf Auge in Auge auf wenige Schritte
gegenüber.
Am 1. November flammte die Schlacht wegen des Nebels erst um die
Mittagsstunde wieder auf. Am rechten Flügel nahm das XXVII.
Reservekorps Poezelhoek. Das XV. Armeekorps drang bis dicht an den
Ostsaum des
Herenthage-Waldes vor und setzte sich im Wäldchen nördlich
Zandvoorde fest. Das II. bayerische Armeekorps schob sich unter
hartnäckigen Einzelkämpfen gegen englische und indische
Truppen beiderseits des Kanals sowie in den Waldgruppen westlich
Hollebeke und Oosttaverne vorwärts.
Die 6. bayerische Reserve-Division, die nach dem Rückschlage der
vorangegangenen Nacht sich östlich und südlich Wytschaete
gesammelt und geordnet hatte, ging um Mittag des 1. November von neuem
gegen das Dorf vor, drang am Abend in den Ostteil ein, um ihn von neuem
wieder räumen zu müssen, gezwungen durch das feindliche
Artilleriefeuer und durch den Gegenstoß sehr überlegener
französisch-englischer Massen. Die 26.
Infanterie-Division vollendete am 1. November die Eroberung von Messines
und warf die Engländer in den Bachgrund des Steenebeek westlich des
Dorfes zurück.
Am 2. November gewann auf dem äußersten östlichen
Schlachtflügel das XXVII. Reservekorps in den Waldungen westlich
Reutel, das XV. Armeekorps mit der 30.
Infanterie-Division beiderseits der Straße
Veldhoek - Schloß Hooge, mit der 39.
Infanterie-Division im Herenthage-Wald und gegen Klein Zillebeke einigen
Boden. Das II. bayerische Armeekorps lag in der Gegend
Hollebeke - Oosttaverne fest und erwehrte sich scharfer
feindlicher Gegenstöße.
[406] Da Wytschaete, der Brennpunkt der
Entscheidung, sich noch immer in Händen des Feindes befand, setzte
das Armeeoberkommando die ihm als Reserve zur Verfügung stehende
3. Infanterie-Division zum Entscheidungsstoß ein. Die 6. bayerische
Reserve-Division wurde zum Sturm auf Wytschaete bestimmt, der 3.
Infanterie-Division das Gelände südlich des Ortes als
Angriffsstreifen überwiesen. Die Bayern nahmen das Tal in
glänzendem Anlauf, sahen sich dann aber durch
englisch-französische Gegenstöße in erbitterte
Nahkämpfe um den Westteil, den vorgelegenen Park und um den
Besitz der Windmühlenhöhe nördlich des Ortes
verwickelt. Inzwischen hatte die 3.
Infanterie-Division im Gelände südwestlich Wytschaete Boden
gewonnen und warf das rechte Flügelregiment,
Grenadier-Regiment 2, zur Unterstützung der Bayern in das Dorf. So
gelang es, am Abend Wytschaete vollständig zu erobern, auch in der
Nacht zum 3. gegen heftige feindliche Vorstöße zu halten. Vom
3. ab bauten die Deutschen Wytschaete und Umgebung zum
Stützpunkt gegen
englisch-französische Unternehmungen von Kemmel und St. Eloi her
aus. Die Artillerie der Ententeheere hielt die von den Deutschen angelegten
Stellungen unter schwerem Dauerfeuer.
Links der 3. Infanterie-Division beschränkte sich die 26.
Infanterie-Division mit der Behauptung des
Steenebeek-Abschnittes westlich Messines. Aus der 3.
Infanterie-Division, der 52. Infanterie-Brigade, der 11.
Landwehr-Brigade wurde, um die Gefechtsleitung einheitlich zu gestalten,
die "Gruppe Urach" gebildet. Die 51.
Infanterie-Brigade trat als Armeereserve zurück. Im Anschluß an
Gruppe Urach hielt das Kavalleriekorps 1 das Gelände südlich
Messines beiderseits der Douve und bei Ploegsteert fest. Am 4. November
wurde Kavalleriekorps 1 durch Kavalleriekorps 2 abgelöst.
Zwar hatte der Angriff der Armeegruppe Fabeck bisher nur örtliche
Erfolge gehabt, aber den Feind in die Verteidigung gedrückt. Es lag
nicht in der Absicht der Obersten Heeresleitung, sich mit diesen Erfolgen zu
begnügen und den Angriff aufzugeben. Er sollte vielmehr von neuem
aufgenommen werden, um den Durchbruch auf Ypern nochmals zu
versuchen, mindestens aber den Gegner am ungestörten Ausbau
seiner Stellungen zu hindern. Dazu fand eine Umgruppierung zu dem Zweck
statt, bei
Gheluvelt - Zandvoorde den Einbruch zu erzwingen. Es
wurden außer beträchtlicher schwerer Artillerie und
bedeutenden Munitionsreserven überwiesen:
- bayerische Kavallerie-Division dem XV. Armeekorps,
|
- 3. Kavallerie-Division dem II. bayerischen
Armeekorps,
|
- zusammengesetzte Garde-Infanterie-Division
|
|
dem Gefechtsraum des XV. Armeekorps, |
(1. und 4. Garde-Infanterie-Brigade)
Winckler |
- 4. Infanterie-Division
|
- 25. Reserve-Division dem Generalkommando XIV.
Reservekorps,
unter das auch die 6. bayerische
Reserve-Division trat ("Gruppe Gerok"). |
[407] Bis diese Verstärkungen aus
anderen Fronten herausgelöst und hinter ihren neuen
Angriffsabschnitten bereitgestellt waren, vergingen mehrere Tage.
Inzwischen machte das XV. Armeekorps bedeutende Fortschritte und nahm,
unterstützt von der 54.
Reserve-Division, bis zum 8. November Teile von Veldhoek an der
Straße
Gheluvelt - Hoege, sowie Zwartelen an der Straße
Zandvoorde - Zillebeke. Die eroberten Ortsteile und das
waldige Zwischengelände wurden gegen
französisch-englische Gegenstöße in lange
hin- und herschwankenden Kämpfen festgehalten.
Links neben dem XV. Armeekorps kämpfte sich bis zum 10. November
das II. bayerische Armeekorps bis auf die Höhen 58 und 50
südöstlich St. Eloi vorwärts. Wenn es auch nicht gelang,
den Ort selbst, von einigen Häusergruppen abgesehen, zu nehmen, so
wurde von den genannten Höhen aus doch zum erstenmal die deutsche
Artilleriebeobachtung auf Ypern selbst möglich, das nur noch 4000
Meter vor der Front lag.
Die noch weiter links stehenden Teile der Armeegruppe Fabeck kamen bis
zum 10. November nicht über geringe Geländegewinne im Park
von Wytschaete, am Steenebeek-Bach westlich Messines und am Walde von
Ploegsteert hinaus. Im wesentlichen lagen hier die Gruppen Gerok und
Urach sowie das 2. Kavalleriekorps fest und mußten sich mit der
Abwehr feindlicher Vorstöße begnügen.
Die Kämpfe der deutschen 4. Armee vom 1. bis 9.
November.
Vom 1. bis 3. November fanden auf der Front der deutschen 4. Armee nur
Artilleriekämpfe und unter dem Schutze der Vortruppen
umfangreiche Umgruppierungen für neue Angriffe statt, die den
Zweck haben sollten, den Gegner aus der Front vor der Armeegruppe
Fabeck fortzuziehen. Dem Generalkommando XXII. Reservekorps wurde die
Deckung des Raumes
Seeküste - Dixmude übertragen, wozu ihm die 38.
Landwehr-Brigade, die 4. Ersatz-Division und Teile der 43.
Reserve-Division überwiesen wurden.
Die Masse der 4. Armee trat um die Mittagsstunde des 3. November mit
folgenden Zielen zum Angriff an:
- XXIII. Reservekorps Noordschoote - Bixschote,
- III. Reservekorps, dabei 44. Reserve-Division, Het
Sas - St. Julien,
- XXVI. Reservekorps St. Julien - Frezenberg,
- XXVII. Reservekorps Frezenberg bis Straße
Veldhoek - Schloß Hooge.
Bis zum 5. abends hatte das XXIII. Reservekorps bei Bixschote einiges
Gelände gewonnen, auch war die 5.
Reserve-Division am rechten Flügel des III. Reservekorps bis nahe an
Langemarck herangelangt. Hiermit waren aber auch für die folgenden
Tage die Angriffsmöglichkeiten auf diesem Flügel
erschöpft. Überwältigendes feindliches Artilleriefeuer,
sehr stark besetzte
Gräben- und Hindernislinien und heftige Gegenstöße
setzten den ermüdeten deutschen [408] Truppen unüberwindlichen
Widerstand entgegen. Dazu kamen regnerisches und nebliges Wetter und im
Niederungsgelände die Überschwemmung. Auch Mangel an
schwerer Artilleriemunition machte sich fühlbar. Die 4. Armee kam
nicht mehr vorwärts. Nur am äußersten Nordflügel
fiel ihr ein Erfolg zu. Nachdem am 4. November ein belgischer Vorstoß
über Lombartzyde gescheitert war, wiederholten am 7.
belgisch-französische Truppen den Angriff. Die 38.
Landwehr-Brigade, 33. Ersatz-Brigade und Teile der gerade eintreffenden
Marine-Division gingen zum Gegenstoß über und entrissen dem
Feinde das Dorf Lombartzyde.
Letzte Durchbruchsversuche der deutschen 4. und 6. Armee.
Der 10. November wurde durch die Oberkommandos der deutschen 4. und 6.
Armee zu einem großen Durchbruch in Aussicht genommen.
Bei der 4. Armee waren Kräfteverteilung und Angriffsstreifen die
gleichen wie bisher. Nur das am linken Flügel befindliche XXVII.
Reservekorps, dem das
Garde-Jäger-Bataillon und zwei
Maschinengewehr-Abteilungen überwiesen worden waren, nahm den
Südflügel näher heran und setzte ihn von Reutel auf den
Polygon-Wald an.
Am rechten Flügel der 4. Armee griff das XXII. Reservekorps Dixmude
an. Die Franzosen hatten den Ort auf das sorgsamste befestigt. Das
Vorgelände war an vielen Stellen versumpft; der hohe
Eisenbahndamm bot gegen Süden und Südosten einen
vortrefflichen Abschnitt; Bahnhofsbauten und Kirchhof stützten die
Ostfront. Nach gründlicher Vorbereitung durch Artilleriefeuer und
schwere Wurfminen begann am Morgen der Infanterieangriff, zu dem die 4.
Ersatz-Division von Norden, die 43.
Reserve-Division von Osten und Süden her vorgingen. Nach
mehrmaligen vergeblichen Versuchen, die sich bis in die ersten
Nachmittagsstunden hinzogen, gelang es der 43.
Reserve-Division, Bahnhof, Kirchhof und Bahndamm zu nehmen und bei
Einbruch der Nacht das ganze Dorf, das nur noch aus rauchenden
Trümmern bestand, in ihre Gewalt zu bringen. Mehr als 1400
Gefangene blieben in Händen der Sieger. Wie bei den Stürmen
auf Langemarck, so war auch hier das Lied "Deutschland, Deutschland
über Alles" der Schlachtgesang der in Tod oder Sieg
stürmenden jungen deutschen Truppen. Die Verfolgung kam an der
Yser zum Halten, da der Feind die Brücke sprengte und der
Fluß hoch angeschwollen war.
Auch dem XXIII. Reservekorps waren beträchtliche Erfolge
beschieden. Es erreichte die Kanalstellung von Drie Grachten bis Het Sas,
machte 1000 Gefangene und setzte sich am östlichen Kanalufer fest,
ohne indessen der Überschwemmung wegen auf dem jenseitigen Ufer
Boden gewinnen zu können.
Auf dem rechten Flügel des III. Reservekorps drangen die 44.
Reserve-Division bis in das Waldstück südöstlich, die 5.
Reserve-Division im Gelände westlich Langemarck, die 9.
Reserve-Division bis vor St. Julien vor. Dagegen konnte die 6.
Reserve-Division trotz allen Opfermutes das außerordentlich [409] widerstandsfähige, gleichsam zur
Festung ausgebaute Langemarck nicht nehmen. Zum zweitenmal scheiterte
die begeisterte Angriffsfreudigkeit der jungen deutschen Truppen unter sehr
schweren Verlusten an der Ungunst der Verhältnisse und der besseren
Kampfausbildung des überlegenen Gegners.
Das XXVI. und das XXVII. Reservekorps konnten nach geringen
Anfangserfolgen keine Fortschritte gegen die unerschütterten
feindlichen Stellungen bei Frenzenberg und am
Polygon-Wald machen.
Bei der 6. Armee verzögerte sich der Angriff auf den 11. November,
weil die Artilleriewirkung und das Eintreffen der letzten frischen Truppen
abgewartet werden mußten. Es griffen an:
Während die 4. Armee den Feind am 11. November auf der ganzen
Front durch Artilleriefeuer und Einzelinfanteriestöße festhielt,
griff die 6. Armee mit voller Wucht an. Die zusammengesetzte
Garde-Infanterie-Division Winckler trat 10 Uhr vormittags zum Sturm gegen
den von der englischen
Garde-Division besetzten Abschnitt
Polygon-Wald - Nonnenbusch -
Herenthage-Wald beiderseits der Straße
Gheluvelt - Schloß Hooge an. Die besten Truppen der
beiden gegnerischen Heere traten sich in einem Kampf von höchster
Erbitterung gegenüber. Das 3.
Garde-Regiment zu Fuß drang in den Polygon-Wald, das 1.
Garde-Regiment zu Fuß über Gehöft Verbeek in den
Nonnenbusch ein, wo das englische
Königs-Regiment Liverpool ihm im Vorstoß begegnete.
Regiment Franz stieß bis Schloß Veldhoek vor, sah sich aber
durch englische
Gegen- und Umfassungsstöße in den dichten Waldungen und
Parkanlagen festgehalten. Links neben ihm rang im
Herenthage-Wald Regiment Augusta. Der wechselvolle Kampf erlosch bei
Eintritt der Dunkelheit damit, daß die preußische Garde sich
zwar in den Wäldern behaupten, nicht aber bis an die
Westausgänge gegen Ypern hin durchstoßen konnte.
Die 4. Infanterie-Division lief sich im Südteil des
Herenthage-Waldes fest. Beim XV. Armeekorps waren die Fortschritte gegen
die mit breiten
Draht- [410] hindernissen verstärkten, noch nicht
hinreichend erschütterten feindlichen Stellungen unerheblich. Vom
Wert als Beobachtungspunkt gegen Ypern hin war aber die Besetzung der
Höhe 60 bei Zwartelen. Das II. bayerische Armeekorps sicherte den
Besitz des Dorfes Wytschaete mit nächster Umgebung. Bei Messines
und auf dem äußersten Südflügel des
weitgedehnten Schlachtfeldes machten die Deutschen keine Fortschritte, da
sie das überwältigende Artilleriefeuer vom Kanal her und die
vom
Ploegsteert-Walde ausgehende Flankierung in den
Schützengräben niederhielten.
Der 11. November war der letzte große Kampftag der
Yser- und Ypern-Schlacht. Die nächsten Tage brachten nur noch
Einzelkämpfe. Am 12. erweiterte
Reserve-Infanterie-Regiment 201 den Brückenkopf von Dixmude auf
dem westlichen
Yser-Ufer. Ein starker feindlicher Überfall auf Bixschote wurde am
14. abgewiesen, nachdem der Gegner einige Anfangserfolge errungen hatte.
Am gleichen Tage vervollständigte die 4.
Garde-Infanterie-Brigade den Erfolg vom 11. dadurch, daß sie sich
unter heftigem Kampf gegen englische Baumschützen in den Besitz des
ganzen
Herenthage-Waldes setzte. Am 13. nahmen die 6. bayerische
Reserve-Division und die 3. Infanterie-Division den Rest des Parkes von
Wytschaete und hielten ihn gegen französische
Wiedereroberungsversuche.
Das Abbrechen der Schlacht.
Am 17. November faßten die Oberkommandos der deutschen 4. und 6.
Armee den Entschluß, den Angriff einzustellen. Die Oberste
Heeresleitung billigte ihn. Was die deutschen neu ins Feld geführten
Truppen in diesen blutigen schweren Kämpfen leisteten,
würdigte der damalige Chef des Generalstabes des Feldheeres in
markingen Worten:
"Geschickt von den Belgiern angewandte
Überschwemmungen machten dem in gutem Fortschreiten
befindlichen Angriff des rechten deutschen Flügels, bei dem der
Hauptnachdruck lag, ein Ende. Die jungen Armeekorps fochten weiter
südlich mit unvergleichlicher Begeisterung und
unübertrefflichem Heldenmut. Die Nachteile ihrer notgedrungenen
überhasteten Aufstellung und Ausbildung, ihrer Besetzung mit
älteren, meist inaktiven Offizieren, da andere nicht zur
Verfügung gestanden hatten, machten sich naturgemäß
bemerkbar. Im besonderen traten bei der neu aufgestellten Feldartillerie
Mängel auf, was bei der Knappheit der Munition um so stärker
fühlbar wurde. Auch die Führung war nicht durchweg
glücklich. Anfang November durfte sich die Oberste Heeresleitung nicht
verhehlen, daß gegen den sich fortgesetzt verstärkenden Gegner
ein weiterer durchschlagender Erfolg hier, namentlich im
Überschwemmungsgebiet, nicht mehr zu erkämpfen
war."
Außer der Erschöpfung der Truppen zwang aber auch die
Gesamtkriegslage zur Einstellung der Kämpfe. Die Russen hatten ihre
gewaltigen Truppenmassen neu geordnet und setzten sie gegen Westpolen
und Westgalizien in [411] Marsch, um sich den Weg nach
Thorn - Posen - Breslau sowie nach Krakau und
über die Karpathen nach Ungarn zu öffnen. Mit den im Osten
stehenden Kräften die "Dampfwalze" aufzuhalten, war
unmöglich. Um sie mit Sicherheit abzuwehren, mußte die
deutsche Oberste Heeresleitung alle irgendwie verfügbaren Kräfte
aus der Westfront herausziehen und sie, ebenso wie die Masse der schweren
Artillerie mit großen Munitionsvorräten, dem Oberbefehlshaber
im Osten, Generaloberst
v. Hindenburg, überweisen. So wurden aus
der Front der
Yser- und Ypern-Schlacht Mitte November schleunigst nach dem
östlichen Kriegsschauplatz abbefördert: II., XIII. Armeekorps,
III. Reservekorps, 2. Kavalleriekorps, durchweg hochbewährte
Kampftruppen, dazu bedeutende Verbände schwerer Artillerie. Diese
durch den Zwang der Lage gebotenen Abgaben wurden aber nur dadurch
möglich, daß man sich in Belgien und Frankreich
vorläufig zur reinen Verteidigung unter sorgsamster Ausnutzung aller
technischen Hilfsmittel entschloß. So verschob sich der Schwerpunkt
des Krieges vom Westen nach dem Osten. In Belgien und Frankreich
entwickelte sich in steigendem Maße der "Schützengrabenkrieg"
mit allen seinen Lasten, Nöten, Schrecken. Er sollte, von Angriffen
geringeren Umfangs und dem zweiten
Ypern-Angriff im April 1915 abgesehen, den deutschen Angriffsgeist nach
Westen hin auf Jahre hinaus lähmen.
Das von der Obersten Heeresleitung erstrebte Ziel, der Besitz der
Kanalhäfen, war nicht erreicht worden. Allein trotz des zu
frühen Versagens der deutschen Angriffskraft war es anderseits dem
deutschen Angriff gelungen, Boden zu gewinnen und vor allem die Absichten
der Entente zu vereiteln. Die Umfassung und Niederlage des deutschen
rechten Heeresflügels, um von dort aus die deutsche Gesamtfront
aufzurollen, ist dem General French nicht gelungen. Seine Angriffe kamen
auf der ganzen Front in rückläufige Bewegung, ja es bedurfte
des Eingreifens sehr starker französischer Kräfte, um die bereits
schwankende belgische und englische Front zu stützen und Ypern zu
retten. Der große Gedanke der Ententeführung, der Stoß
über Brüssel, verschwand angesichts der Angriffswucht der
Deutschen während der Schlacht. Englischerseits war man allerdings
schon zufrieden, eine Verteidigungsschlacht geschlagen und den deutschen
Angriff zum Halten gebracht zu haben. Dieser Trost kam
äußerlich dadurch zum Ausdruck, daß dem General
French der Rang eines "Viscount of Ypres" verliehen wurde, in dem sich der
Gedanke der Abwehr, nicht aber des Angriffs ausspricht.
Die deutsche Front war im Verlauf der mehr als vierwöchigen Schlacht
überall vorgetragen worden. Sie hatte am Nordflügel
Lombartzyde fest in Besitz genommen, wodurch die Häfen Ostende
und Zeebrügge gedeckt wurden. Im Überschwemmungsgebiet
war Dixmude in deutscher Hand. Der "Bogen um Ypern" stützte sich
auf Bixschote, Poelkappelle, Passchendaele, das Waldgelände bei
Gheluvelt, die Höhen bei Zwartele, St. Eloi, Wytschaete, Messines,
einer eisernen Klammer vergleichbar.
[412] In dieser Linie gruben sich die Deutschen
ein und hielten, trotz der ungeheuren Erschwernis durch den hohen
Grundwasserstand, zäh in den nassen Gräben aus. Die
Wiederaufnahme des Kampfes mußte der Zukunft vorbehalten
bleiben. Sie erfolgte im April 1915 von deutscher Seite.
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