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Bd. 1: Der deutsche Landkrieg, Erster Teil:
Vom Kriegsbeginn bis zum Frühjahr 1915

Kapitel 6: Der Krieg auf der Westfront
von Mitte September 1914 bis Mitte April 1915
  (Forts.)

Oberst Friedrich Immanuel

4. Die Schlacht an der Yser und bei Ypern, Oktober bis November 1914.

Yser - Ypern-Schlacht, Oktober-November 1914

[383]
      Yser - Ypern-Schlacht, Oktober/November 1914
Beiderseitige Erwägungen und Entschlüsse.

Waren auch die bisherigen Versuche, dem Gegner die Flanke abzugewinnen, gescheitert, so gab die Deutsche Oberste Heeresleitung den Gedanken der Umfassung nicht auf. Der Einsatz war der Opfer wert, wenn es gelang, dem Feinde die Linie Nieuport - Ypern - Lille zu entreißen, dann, längs der Kanalküste mit dem rechten Flügel vorgehend, links zu schwenken und eine Linie zu erkämpfen, die vom Meer an der Somme-Mündung Somme-aufwärts und weiter von der unteren Aisne bei Soissons nach Amiens zu denken war. Auf diese Weise hätte sich die deutsche Oberste Heeresleitung den Besitz Belgiens und Nordfrankreichs mit allen seinen gewerblichen und wirtschaftlichen Schätzen gesichert, und - was das erstrebenswerteste Ziel war - den Engländern die Benutzung der Häfen Dünkirchen, Calais und Boulogne gesperrt, zugleich aber den deutschen leichten Seestreitkräften und Unterseebooten die Möglichkeit gegeben, die genannten Häfen als Stützpunkte für den Seekrieg gegen England zu verwerten.

Dazu trat die Überzeugung, daß der Generalissimus Joffre nicht zögern würde, seinerseits längs der Seeküste erneut zum Angriff nach Osten hin zu schreiten. Er hatte durch die bisherigen Umfassungsversuche gezeigt, daß er den [382] Krieg durchaus im angriffsweisen Geiste zu führen gedachte. Wollte er die Deutschen aus Nordfrankreich und Belgien verdrängen, wozu der Weg über Lille auf Brüssel der nächstliegende war, dann bot die Umfassung bessere Aussichten als der reine Durchbruch, der an der Aisne gescheitert war. Gewann die Entente in Richtung auf Brüssel durch diese Bewegung Raum, so wurde nicht allein Belgien vom Feinde befreit, sondern auch das deutsche rückwärtige Verbindungsnetz getroffen und der Verbleib der Deutschen in den Aisne-Stellungen unmöglich gemacht. Somit mußte man deutscherseits damit rechnen, daß die Entente in der nächsten Zeit den Schwerpunkt der Kriegführung an die Kanalküste verlegen würde. Ihr hier zuvorzukommen, war der leitende Gedanke, der um so schärfer und verlockender hervortrat, als der Fall von Antwerpen den Deutschen neben den großen politischen und moralischen Vorteilen die strategische Bewegungsfreiheit längs der Kanalküste nach Westen hin gestattete. Aus allen diesen Gründen schien es wohl begründet, daß die deutsche Oberste Heeresleitung Anfang Oktober, als der Fall von Antwerpen in greifbare Nähe gerückt war, alle Maßnahmen traf, um die große Angriffsbewegung unter Einsatz sämtlicher verfügbaren Kräfte ohne Säumen erneut einzuleiten.

Seitens der Entente war bereits bei der Verschiebung des englischen Heeres von der Aisne nach der Gegend von St. Omer die Erwägung maßgebend gewesen, die Aufgabe des englischen Heeres in einer großen Angriffsbewegung auf Lille - Ypern - Ostende zu suchen, um über diese Linie hinaus nach Nordosten vorzustoßen und der bedrängten Besatzung Antwerpens die Hand zur Befreiung zu reichen. Man schätzte damals noch die Widerstandskraft dieser Festung wesentlich höher ein, als sie es in Wirklichkeit war. Belgien mußte unter allen Umständen kampfwillig und kampffähig erhalten, sein Reichtum an Kohle und Eisen für die Entente gesichert werden. Sonach lag es für den englischen Standpunkt schon mit Rücksicht auf Belgien nahe, den Angriff gegen Brüssel zu führen. Hinzu trat die Notwendigkeit, das Hinterland der Häfen Dünkirchen, Calais, Boulogne für das englische Heer als Ausgangsgebiet für die weitere Kriegführung zu besitzen, denn die britischen Truppenfahrten mußten der Kürze des Seeweges halber in den genannten Häfen an Land gehen. Kamen die Deutschen in den Besitz dieser Küstenstrecke, so waren sie dem englischen Bereich bedenklich nahe gerückt und machten es unvermeidlich, daß England sehr umfassende Schutzmaßnahmen zur Deckung der eigenen Küsten traf, während die Führung des englischen Blockade- und Aushungerungskrieges erschwert wurde.

Die französische Heeresleitung war auf die Unterstützung und auf den guten Willen Englands durchaus angewiesen. Nur durch den wachsenden Zuschuß an englischen Streitkräften war zu hoffen, daß der Krieg, nachdem die ursprüngliche zahlenmäßige Überlegenheit nicht den Erfolg gebracht hatte, gegen das volkskräftige und waffenmächtige Deutschland gewonnen werden konnte. Je [383=Karte] [384] stärker der Druck auf die deutsche Flanke in Flandern wurde, desto mehr war zu erwarten, daß ihre Angriffskraft auch auf der Front zwischen Oise und den Vogesen nachließ.

Aus dieser Lage und aus diesen beiderseitigen Erwägungen ergab sich die Tatsache, daß die Deutschen wie ihre Gegner die nächste große Entscheidung auf der Westfront in die Nähe der Küste verlegten. Es fragte sich, welche Seite am schnellsten bereit war und am wuchtigsten zugriff.

Am 9. Oktober war Antwerpen der deutschen Führungskunst, Angriffswucht und Technik erlegen. Durch die besonderen Verhältnisse dieses eigenartigen Festungskampfes begünstigt, hatten sich die Massen des belgischen Heeres und die drei englischen Brigaden aus Antwerpen rechtzeitig gerettet und waren längs der Küste nach Westen hin entkommen, um Aufnahme bei den von der Yser her heranrückenden englischen und französischen Streitkräfte zu suchen. Die deutsche Oberste Heeresleitung hatte die Absicht, nachdem Lille am 12. Oktober in den Besitz der 6. Armee gefallen war, zunächst den linken Flügel anzuhalten, bis der rechte herangekommen war, um die Geschlossenheit der Front herzustellen. Daher gab sie am 14. Oktober folgende Weisungen an die Armeen aus:

  • die 6. Armee hat sich in der Linie Menin - Armentières - La Bassée und weiter südlich zunächst auf die Verteidigung zu beschränken und den Gegner, wenn möglich, zum Angriff gegen diese Front zu veranlassen und das Eingreifen der neuen 4. Armee gegen die linke Flanke des Gegners abzuwarten. Sie wurde sogar ermächtigt, den rechten Flügel vor überlegenem feindlichen Angriff zurückzunehmen, um den Gegner dem um so stärkeren Angriff der 4. Armee preiszugeben;
  • die 4. Armee greift nach erfolgtem Aufmarsch so an, daß das ihr nunmehr unterstellte III. Reservekorps auf dem rechten Flügel längs der Küste vorwärts gestaffelt vorgeht, während der linke Armeeflügel über Menin vorbricht.

Somit bestand der deutsche Entschluß darin, den Feind südlich der Lys zu binden und seinen Nordflügel durch starke Vorwärtsstaffelung zu umfassen. Die Kavalleriekorps 1, 2, 4 waren als Bindeglied zwischen den beiden deutschen Armeen gedacht.

Von der Entente war ebenfalls beabsichtigt, den Südflügel vorerst festzuhalten und mit dem Nordflügel längs der Küste und unter Vorwärtsstaffelung einen umfassenden Angriff gegen den feindlichen Nordflügel auszuführen, den man bei oder nahe Roulers annahm. Auf Grund der zwischen Joffre und French getroffenen Vereinbarungen stellte sich die englische Armee in der Linie Vermelles - Laventie - Messines - Gheluvelt - Langemarck - Bixschote mit der Weisung bereit, die Front südlich der Lys vorläufig zu verhalten und mit den nördlich der Lys befindlichen Teilen durch Einschwenken gegen die Linie Menin - Courtrai den Angriff zu beginnen.

[385] Links der englischen Armee deckte eine französische Gruppe, bestehend aus einer Kavallerie-Division und einigen Territorialverbänden, den Raum östlich Dixmude gegen Roulers - Thourout hin. Nördlich davon schloß das belgische Heer, unterstützt durch zwei französische Territorial-Divisionen, den Raum bis zur Küste ab. Die See sollte durch ein englisches Geschwader beherrscht werden, dessen Feuerwirkung man auch im Landkampf einzusetzen gedachte. Die französische 10. Armee erhielt die Bestimmung, südlich La Bassée, als rechts des englischen Heeres, den Angriff wiederaufzunehmen, damit Lille durch beiderseitige Umfassung in die Hände der Entente zurückkam. Die französische 8. Armee sollte hinter dem englischen Heere versammelt werden, um dem Angriff die erforderliche Wucht und Wirkung nach der Tiefe zu geben.

Diese Pläne erlitten dadurch eine wesentliche Einschränkung, daß durch die Gefangennahme einer starken deutschen Radfahrerpatrouille bei Roulers am 18. Oktober der Anmarsch der deutschen neuen 4. Armee erkannt wurde, deren Bildung der Entente zwar durch den Kundschaftsdienst nicht unbekannt sein konnte, deren Aufmarsch und Ziele ihr aber bisher verschleiert geblieben waren. French sah sich somit einem sehr starken Feinde im Raume zwischen Lys und Seeküste gegenüber, der selbst im vollen Vormarsch sich befand und ernste Angriffsabsichten zu verfolgen schien. Unter dieser Erwägung änderte French seinen Entschluß dahin um, daß das englische Heer einstweilen in der Verteidigung verharren sollte, bis die französische 8. Armee zur Hilfe herangekommen war, und die französische 10. Armee den Feind durch erneuten Angriff so stark gebunden hatte, daß dieser seine Kräfte nicht nach Norden hin gegen die Engländer verschieben konnte. Die Belgier und die bei ihnen befindlichen französischen Heeresteile wurden angewiesen, die Yser-Stellung von Dixmude abwärts mit allen Mitteln zu verstärken und aufs äußerste zu halten.


Die Versammlung der deutschen 6. Armee östlich Lille.

Die aus vier Divisionen bestehende deutsche Heeresreiterei unter General v. der Marwitz hatte sich aus den Kämpfen bei Lens - La Bassée vor dem Druck einer feindlichen Umfassung in die Linie Tournai - Douai zurückgezogen. Auf den Bestand dreier Kavalleriekorps (1., 2., 4.) ergänzt, gingen diese Reiterscharen am 4. Oktober erneut zu einem großzügigen Unternehmen vor, um über Hazebrouck die Gegend von St. Omer zu erreichen. Von hier aus sollten sie gegen die linke Flanke der Franzosen bei Béthune wirken und über die Verschiebung des englischen Heeres nach Nordfrankreich Klarheit schaffen. Vielleicht konnte sie sogar die britischen Ausladehäfen von Dünkirchen bis Boulogne bedrohen. Die Festung Lille wurde beiderseits umgangen. Am 3. Oktober war die mit außerordentlicher Kühnheit geführte Aufklärungsschwadron des Fürsten Wrede durch die mangelhaft bewachte Fortslinie bis in die Stadt gelangt und hatte während des allerdings nur kurz bemessenen Aufenthaltes ermittelt, daß die [386] ausgedehnte, aber veraltete Festung schwach besetzt und schwerlich zur Verteidigung gegen größere Kräfte befähigt war.

Am 8. Oktober erreichten die deutschen Reiter die Gegend von Bailleul und warfen unterlegene französische Reiterei auf Hazebrouck - Cassel zurück. Am 10. Oktober kam es bei Merville - Hazebrouck zu großen Reiterkämpfen zwischen den Divisionen des Generals v. der Marwitz und frischer französischer Reiterei, welche die Armee Maudhuy zum Schutz ihres linken Flügels herangeholt und nach französischer Kampfweise durch einige Territorial- und Radfahrer-Bataillone verstärkt hatte. Gleichwohl vermochte sich die sehr gut geführte, unermüdlich angriffsbereite deutsche Kavallerie, die überall die französischen Reiter aus dem Felde geschlagen hatte, beim Walde von Nieppe zwischen Merville - Hazebrouck - Aire zu behaupten. Erst als zwei englische Reiter-Divisionen von St. Omer her eingriffen, französische und englische Flieger sich durch Maschinengewehrfeuer sehr unbequem fühlbar machten, auch englische Panzerwagen auf allen von der Küste heranführenden Straßen, namentlich gegen Flanke und Rücken der deutschen Reiterei auftraten, endlich die Spitzen der englischen Infanterie bei St. Omer und Aire erschienen, sah sich General v. der Marwitz genötigt, langsam vom Walde von Nieppe über Estaires - Armentières im Lys-Tale abwärts auf Menin zurückzugehen. Die deutsche Reiterei hatte durch Verschleierung und Aufklärung Vorzügliches geleistet, wenn sie auch schließlich vor dem Drucke der feindlichen Überlegenheit das Feld räumen mußte.

Unterdessen versammelte sich der rechte Flügel der neu zusammengestellten deutschen 6. Armee. Durch das XIV. Armeekorps, das nördlich Lens mit den Franzosen rang, gedeckt, wurde das XIX. Armeekorps bei und östlich Valenciennes ausgeladen und in Eilmärschen in die Gegend östlich und südöstlich Lille herangezogen. Dem XIX. Armeekorps folgte das VII. mit der Bestimmung, den Raum zwischen dem XIV. und XIX. Armeekorps zu schließen. Die Masse der deutschen Heeresreiterei sicherte den Abschnitt beiderseits der Lys westlich Menin und schützte die rechte Flanke des XIX. Armeekorps. Zunächst aber wurde es nötig, daß sich der rechte Flügel der deutschen 6. Armee der Festung Lille bemächtigte, um eine Stütze für den großen Angriff über die Ypern- und Yser-Linie zu erhalten. Die Schlacht von Lille wurde die Einleitung zur Ypern- und Yser-Schlacht. Beide Teile eilten zur schnellen Entscheidung auf Lille und suchten sich hierbei zuvorzukommen.


Die Schlacht bei Lille, 11. bis 19. Oktober.

Wennschon der Eigenschaft als Festung entkleidet, besaß Lille noch einen weiten Gürtel alter Forts, die, durch behelfsmäßige Neuanlagen und bewegliche Batterien ergänzt, der industrie- und volkreichen Stadt, dem Mittelpunkte Nordfrankreichs, eine entscheidende Bedeutung als Stützpunkt für die Kriegführung im Norden geben mußten. Oberstleutnant de Pardieu wurde von der fran- [387] zösischen Heeresleitung beauftragt, Lille unter allen Umständen so lange zu halten, bis der linke Flügel des französischen oder der rechte Flügel des englischen Heeres zum Entsatz herangekommen war, was dem Anschein nach nur die Frage weniger Tage sein konnte. Dem französischen Führer stand die Territorial-Brigade Dünkirchen in Stärke von 8 Bataillonen und 6 Feldbatterien zur Verfügung. Am 10. Oktober trafen 6 Schwadronen afrikanischer Reiter zur Verstärkung ein.

Pardieu konnte allerdings die Fortslinie wegen Mangels an Kräften und an Artillerie nicht halten. Er beschränkte sich auf die Verteidigung der östlichen Vorstädte, des Hauptbahnhofes und der Zitadelle. Auf schnellen Entsatz hoffend, gedachte er auf diese Weise die Stadt unter Ausnutzung einzelner anderer Werke, auch gegen große Übermacht mindestens 48 Stunden verteidigen zu können.

Zerstörtes Stadtviertel von Lille.
Zerstörtes Stadtviertel von Lille. Die Stadt wurde
am 13. Oktober 1914 besetzt.      [Vergrößern]

Aus: Der Weltkrieg in seiner
rauhen Wirklichkeit
, S. 119.

Nach den Straßenkämpfen in Lille. 13. Oktober 1914.
Nach den Straßenkämpfen in Lille.
13. Oktober 1914.      [Vergrößern]

Aus: Der Weltkrieg in seiner
rauhen Wirklichkeit
, S. 120.
Am 11. Oktober abends erschienen die Spitzen des XIX. Armeekorps vor der Süd- und Südostfront von Lille und stellten fest, daß die Stadt schwach besetzt und zur Verteidigung eingerichtet, die Forts verlassen waren. Am folgenden Morgen eröffnete das II. Bataillon Fußartillerie-Regiments 19 schweres Haubitzfeuer, unterstützt durch die beiden Feldartillerie-Brigaden. 3 Uhr nachmittags war die feindliche Stellung sturmreif. Die Infanterie hatte sich unter dem Schutze des Artilleriefeuers so herangeschoben, daß die 88. Infanterie-Brigade gegen den Hauptbahnhof und das Tor von Douai, die 47. Infanterie-Brigade gegen das Tor von Arras, die 89. Infanterie-Brigade gegen das Tor von Béthune zum Sturm vorgehen konnten. Der 48. Infanterie-Brigade wurde der Angriff gegen die Zitadelle am Westausgang der Stadt und die Verlegung der Straße nach Armentières übertragen. So war die Stadt von allen Seiten umzingelt. Die zahlenmäßige und taktische Überlegenheit der Deutschen brach schnell jeden Widerstand. Die 88. Infanterie-Brigade nahm Bahnhof und Douaier Tor und drang in das Innere der Stadt vor, wobei ihr die 3. Batterie Feldartillerie-Regiments 68 durch Niederlegen der Straßensperren die Wege frei machte. Die anderen deutschen Sturmkolonnen erreichten inzwischen ebenfalls ihre Ziele, der Ausweg nach Westen hin war dem Feinde abgeschnitten. Pardieu nahm die ihm angebotene Übergabe an und streckte mit 5 000 Mann die Waffen. Der Rest der Truppen war entkommen. Sie hatten sich gegen Übermacht tapfer geschlagen. Die Stadt litt erheblichen Brandschaden. Zahlreiche Bewohner waren gefallen oder verwundet worden. Bewaffnete Banden hatten am Kampfe gegen die Deutschen teilgenommen.

Schlacht bei Lille: Kirche von Aubers

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      Schlacht bei Lille: Kirche von Aubers.

Die französisch-englische Heeresleitung, Joffre und French, konnten sich mit dem Verlust des wichtigen Lille nicht abfinden, sondern faßten den Entschluß, den Platz sofort zurückzuerobern. Hierzu sollte der rechte Flügel des englischen Heeres mit dem linken des französischen zusammenwirken. Der Angriff war gleichzeitig in der Front aus der Linie La Bassée - Armentières, sowie im Süden auf Lens - Douai, im Norden über Armentières - Menin gedacht. So wollte [388] man nicht allein wieder in den Besitz von Lille gelangen, sondern hoffte auch, die Deutschen auf dem Nordflügel zu schlagen, indem man durch die Gewinnung der Schelde beiderseits von Tournai ihre Front nördlich der Lys abschnürte und ihre Stellungen bei Arras - Bapaume - Péronne und weiter südwärts von Norden her umfaßte.

General French, durch Joffre beraten und unterstützt, setzte am 16. Oktober abends die ihm unterstellten Kräfte auf der 50 Kilometer breiten Front in folgender Weise zum Angriff an:

  • französisches XXI. Armeekorps am Südflügel beiderseits von Vermelles auf Hulluch - La Bassée,
  • englisches II. Armeekorps von Festubert - Laventie auf Lille,
  • englisches III. Armeekorps von Laventie - Messines auf Armentières - Warneton,
  • englisches IV. Armeekorps von Messines - Zonnebeke gegen die Lys-Übergänge bei Comines, Wervicq, Menin,
  • englisches I. Armeekorps als Stoßmasse hinter dem linken Flügel des IV. Armeekorps.

Der Nordflügel dieser Angriffsbewegung, der mit großer Kühnheit als Stoß weit in die Tiefe zur Umfassung der deutschen 6. Armee durchgeführt werden sollte, wurde durch das englische Kavalleriekorps und das französische Kavalleriekorps Conneau gedeckt, die vom Walde von Houthulst her auf Roulers vorgehen sollten. Die Front des Ypern-Kanals wurde durch französische Territorial-Divisionen und das belgische Heer von Bixschote über Dixmude bis Nieuport gedeckt.

Für die 6. Armee galt es, dem Stoße so lange standzuhalten, bis die 4. Armee zum Angriff bereit war. Kronprinz Rupprecht suchte die Abwehr im Gegenangriff, obwohl er dem Feinde an Truppenzahl erheblich unterlegen war. Südlich des Kanals von La Bassée hielt das XIV. Armeekorps auf den Höhen zwischen Vermelles - Hulluch - Loos den Angriffen nicht nur Stand, sondern warf sogar das französische XXI. Armeekorps über die Ausgangsstellungen zurück, wo der Feind im ersten Anlauf Fortschritte gemacht hatte. Den Angelpunkt La Bassée hielt General v. der Marwitz mit dem durch einige Bataillone und starke Artillerie unterstützten 1. und 2. Kavalleriekorps gegen Franzosen und Engländer fest und ging, nur schrittweise weichend, im Raume zwischen La Bassée und Armentières auf die Westfront von Lille zurück. Die deutschen Reiter, die von Abschnitt zu Abschnitt mit Karabiner und Maschinengewehr dem Feinde scharfe Gegenwehr leisteten, um jede sich darbietende Gelegenheit zur Attacke auszunutzen, erfüllten ihre schwere Aufgabe glänzend. Am 19. Oktober wurden sie durch das VII. Armeekorps abgelöst, das inzwischen über Lille und südlich dieser Stadt in Eilmärschen herangekommen war, um sich mit den verfügbaren Teilen sofort westlich der Stadt in die Schlacht zu werfen. Die über- [389] legenen Kräfte des englischen II. Armeekorps gelangten anfänglich bis auf die Höhen bei Aubers, wurden dann aber im Gegenangriff durch die 14. Infanterie-Division unter bedeutenden Verlusten wieder in die Ebene zurückgeworfen. Lille blieb somit im sicheren Besitz der Deutschen. Inzwischen hatte sich das englische III. Armeekorps auf die Lys-Übergänge bei Armentières - Warneton, das englische IV. Armeekorps auf Comines - Wervicq - Menin gestürzt. Hier traten den Engländern die Sachsen vom XIX. Armeekorps gegenüber. Sie hatten am rechten Flügel Lys-abwärts Deckung durch das 4. Kavalleriekorps und erhielten Hilfe seitens der Reiter, Bataillone, Batterien der beiden anderen deutschen Kavalleriekorps, die auf der Liller Westfront durch das VII. Armeekorps abgelöst und sofort zur Stärkung des von der Umfassung bedrohten deutschen rechten Flügels eingesetzt wurden. Zwar konnten die Engländer am 18. Oktober nach mühevollem Ringen bei Armentières, Houplines, Frélinghien die Lys-Übergänge nehmen und sich in den Besitz dieser am Ostufer gelegenen Orte setzen, sie auch gegen deutsche Kräfte dauernd behaupten. Allein ein weiteres Vordringen gegen Lille scheiterte am Widerstande der Deutschen in der Linie Pérenchies - Deûlemont.

An der Lys in Linie Deûlemont - Warneton - Comines - Wervicq - Menin hielten sich die Sachsen und die Reiterkorps auch weiterhin gegen alle englischen Angriffe, die auf die Höhen von Messines - Zandvoorde - Becelaere zurückfluteten. Eine Umfassung des deutschen Ostflügels bei und nördlich Menin durch die französisch-englischen Reitermassen scheiterte am Widerstande des deutschen 4. Kavalleriekorps.

Am Abend des 19. Oktober erstarb die Schlacht. Die deutsche 6. Armee hatte Lille behauptet und den großangelegten Versuch des Gegners abgewehrt, sich in den Besitz der Lys-Strecke von Warneton bis Menin zu setzen, um hierdurch die deutschen Armeen 4 und 6 zu trennen und sich zur beiderseitigen Umfassung zwischen

Der Befehlshaber der 6. Armee besichtigt Truppenverbände in Lille.
Kronprinz Rupprecht von Bayern, der Befehlshaber der 6. Armee, besichtigt die ihm unterstellten Truppenverbände in Lille.      [Vergrößern]
Aus: Der Weltkrieg in seiner
rauhen Wirklichkeit
, S. 121.
sie zu schieben. Die Deutschen verdankten ihren großen Erfolg der Zähigkeit ihrer Armeekorps und Reiterkorps, die trotz Unterlegenheit und zeitweisen Munitionsmangels der Artillerie und trotz ganz außerordentlicher Inanspruchnahme der Kräfte von Mann und Pferd den feindlichen Anprall nicht allein aufhielten, sondern auch, wo es die Lage bot, durch Gegenangriff dem Feinde das Gesetz gaben. Die Armeeführung des Kronprinzen Rupprecht verstand es, durch rechtzeitige Verschiebung der Kräfte den Gegner über die Schwäche der deutschen Kräfte im unklaren zu lassen. So war die Schlacht bei Lille ein voller Sieg.

French, der im Gegensatz zur matten Führung in der Marne-Schlachte bei Lille scharf und wuchtig zugriff, konnte sein Ziel, den Deutschen Lille wieder zu entreißen, nicht erreichen. Das Ergebnis der Schlacht war für ihn also ein sehr bescheidenes und beschränkte sich auf die Besetzung von Armentières und eines schmalen Geländestreifens zwischen diesem Orte und Givenchy westlich La Bassée. [390] Es war verschwindend gering im Verhältnis zum Kräfteeinsatz und den hohen Opfern des Kampfes. Deutsche Führung und deutscher Kampfwert hatten sich der englischen Kraft, trotz der anerkennenswerten Tapferkeit der Gegner und trotz der Ungleichheit an Zahl der Kämpfer und der Masse der Munition, weit überlegen gezeigt.


Die Schlacht an der Yser und bei Ypern.

Das Kampfgelände.

Das Schlachtfeld der Kämpfe an der Yser teilt sich in zwei scharf voneinander geschiedene Teile: im Süden ein Kranz von Höhen, der nach Norden gegen die Niederung von Ypern hin offen ist, und im Norden ein Niederungsgebiet, welches nur wenig über dem Spiegel des Meeres, an einigen Stellen sogar unter diesem liegt. Das Höhengelände erreicht in der Kuppe des Kemmel mit 156 Meter die bedeutendste Erhebung, einen Punkt von entscheidender Wichtigkeit, denn er bietet nach beiden Fronten hin ausgezeichnete Beobachtung und Schußwirkung aus verdeckten Stellungen. So mußte der Besitz der Kemmel-Gruppe von geradezu ausschlaggebender Bedeutung für den Kampf werden. Das Höhengelände dacht sich in östlicher und dann nordöstlicher Richtung ab. Die Höhen 84 bei Wytschaete, 66 dicht nördlich Messines, 58 und 50 zwischen St. Eloi und Hollebeke sind die hervortretenden Stellen des Hügellandes, das sich vom Kemmel nach der durch den Ypern-Kanal zwischen Ypern und Comines gebildeten Tiefenlinie erstreckt. Nordöstlich dieses Kanals steigt das Gelände wieder an und bildet zwischen den Ortschaften Zillebeke - Zandvoorde im Süden, Passchendaele - Moorslede im Norden eine Hochfläche, deren höchster Punkt 58 zwischen Zonnebeke und Becelaere liegt. Das gesamte Höhengelände ist von Dörfern, Gehöften, Schlössern, Häusergruppen, Wäldern, Parkanlagen dicht besetzt und sehr unübersichtlich, also wie geschaffen für einen hartnäckigen Kampf, der sich Schritt um Schritt an den Boden krampft.

Stellungskrieg in Flandern

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      Stellungskrieg in Flandern. Beobachtungsposten an der Scarpe.
Eingraben unmöglich, da sumpfiges Gelände.

Den Mittelpunkt des Schlachtfeldes stellt die Stadt Ypern dar, einstens eine reiche Fabrik- und Handelsstadt, bis zum Weltkriege, der sie in Trümmer legte, ein Schmuckkästchen wunderbarer mittelalterlicher Gotik. Die militärische Bedeutung beruhte in der Vereinigung aller Straßenzüge der Gegend, die hier die Kanalniederung überschreiten. Tatsächlich war Ypern der Schlüsselpunkt des Marsches der Deutschen zum Meere bei Calais und westwärts, für die Engländer die große Sperre der Zugänge zu ihren Landungshäfen.

Der Nordteil des Kampfgebietes erhält von Ypern bis Noordschoote durch den Ypern-Kanal, von Dixmude bis zum Meere bei Nieuport durch die Yser das Gepräge eines ganz außerordentlich starken, durch Dämme abgeschlossenen Abschnitts. Werden die Schleusen an der Mündung geöffnet, so dringt bei Flut das Meer in der Yser aufwärts und setzt das ganze Land bis Bixschote hinauf unter Wasser, so daß eine militärische Benutzung ausgeschlossen ist. Das Gelände [391] östlich der Linie Langemarck - Nieuport besteht aus Wiesen, Waldstücken, niedrig gelegenen Feldern und ist von Gräben, Hecken, Buschgruppen, kleineren Ortschaften und vielen Gehöften übersät. Der Grundwasserstand ist selbst in trockener Jahreszeit hoch, so daß nur auf 60 Zentimeter gegraben werden kann. Zur Regenzeit verwandelt sich der Boden außerhalb der Wege in ein sumpfartiges Gelände. An der Küste bieten die hohen Dünen Schutz gegen das Feuer der Kriegsschiffe, die in den Landkampf eingreifen wollen.

Alles in allem genommen, begünstigt das Gelände den von Westen her kommenden Teil und verleiht der Verteidigung große Vorteile, namentlich wenn die Überflutung der Niederung zu Hilfe gerufen wird. Den Deutschen erwuchs schon aus der Geländebeschaffenheit eine Reihe schwerer Hindernisse, die sie mit den zur Verfügung stehenden Truppen und trotz deren hingebender Tapferkeit nicht zu bewältigen vermochten.


Führung und Gliederung der deutschen 4. Armee. Die deutschen Neuaufstellungen.

Die deutsche 4. Armee wurde völlig neu aufgestellt. Ihre Führung lag in der Hand des Generalobersten Herzog Albrecht von Württemberg, der bereits die ursprüngliche 4. Armee befehligt hatte, um mit ihr die glänzenden Eingangssiege des Krieges in den belgischen Ardennen und an der Maas bei Sedan zu erfechten. Herzog Albrecht hatte sich dort als Führer gezeigt, der sich weit über das Mittelmaß erhob, ein Heerführer, der wohl geeignet schien, die schwere Aufgabe zu meistern, welche ihm die bei Ypern gestellte Lage darbot. Als Chef des Stabes stand Generalmajor Ilse neben ihm.

Die der 4. Armee dauernd zugehörigen Truppen waren:

    III. Reservekorps (5. und 6. Reserve-Division sowie 4. Ersatz-Division), General der Infanterie v. Beseler;
    XXII. Reservekorps (43. und 44. Reserve-Division), General der Kavallerie v. Falkenhayn;
    XXIII. Reservekorps (45. und 46. Reserve-Division), General der Kavallerie v. Kleist;
    XXVI. Reservekorps (51. und 52. Reserve-Division), General der Infanterie Freiherr v. Hügel;
    XXVII. Reservekorps (sächsische 53. und württembergische 54. Reserve-Division), Generalleutnant v. Carlowitz, vom 27. Oktober 1914 ab General der Artillerie v. Schubert.

Somit im ganzen 11 Infanterie-Divisionen, rund 120 000 Gewehre bei voller Stärke. Zeitweise waren zugeteilt oder unterstellt: 9. Reserve-Division, 6. bayerische Reserve-Division, Marine-Division v. Schroeder, 37. Landwehr-Brigade, 38. Landwehr-Brigade, 2. Reserve-Ersatz-Brigade, Garde-Kavallerie-Division.

Von den dauernd zur deutschen 4. Armee gehörigen Truppen war bisher [392] nur das III. Reservekorps unter seinem bewährten Führer General v. Beseler, dem Bezwinger Antwerpens, in Kämpfen erprobt worden. Die vier anderen Armeekorps waren Neuaufstellungen, die zum ersten Male in die Schlacht, dazu in einen Entscheidungskampf schwerster Art, treten sollten; denn die bevorstehende Unternehmung warf für die nächste Zukunft das Los über den Ausgang des Krieges auf der Westfront. Daher war die Überweisung der vier neuen Korps an den Herzog Albrecht ein großes Wagnis. Wohl durfte man erwarten, daß die jungen Truppen mit der gleichen Tapferkeit angreifen würden wie die alten Divisionen. Ob sie aber den Leiden und zermürbenden Einflüssen einer Dauerschlacht nach der sehr kurzen Ausbildungszeit gewachsen sein würden, war nicht vorauszusehen. Zum Kampfe in Flandern hätten vielleicht die alten aktiven oder die bereits bewährten Reservekorps mit größerer Sicherheit eingesetzt werden können. Wenn trotzdem die Oberste Heeresleitung die Verschiebungen aus taktischen Gründen, wohl auch mit Rücksicht auf die drängende Zeit verwarf, so ging sie von der Annahme aus, daß der den allerjüngsten Truppen innewohnende Schneid auch der schweren Lage Herr werden würde - eine Erwartung, die sich leider nicht erfüllen sollte, so ergreifend und wunderbar auch der Todesmut der "Freiwilligenkorps" gewesen ist, wie man sie mit Recht genannt hat. Schon bei der Mobilmachung hatte sich gezeigt, daß der Rahmen des deutschen Friedensheeres viel zu klein war, um die wehrfähige Mannschaft in vollem Umfange aufzunehmen. Die im Frieden vom Reichstag und Reichsschatzamt dem Kriegsministerium aufgezwungene übertriebene Sparsamkeit, welche die volle Ausnutzung des Wehrgesetzes und der Volkskraft unterband, hat sich hier furchtbar an Deutschlands Jugend gestraft. Nachdem bei der Mobilmachung die planmäßigen Verbände aufgestellt waren, fand sich mehr als eine Million Freiwilliger, die sich zum Eintritt meldeten. Leute vom 16. bis 60. Lebensjahr und darüber, meistens aus gebildeten oder höher stehenden Kreisen, vor allem aber die Jugend, die noch nicht an die untere Grenze der Wehrpflicht gelangt war. Man konnte diese Scharen nicht sofort einstellen, weil es an Waffen, an Ausrüstung, vornehmlich aber an Führern fehlte. Erst nach vollständigem Abschluß der Mobilmachung ging man an die Ausnutzung dieser Kräfte, indem Preußen die Reservekorps XXII. bis XXVI., Sachsen-Württemberg das XXVII. Reservekorps und Bayern vier Divisionen aufstellte. Fast drei Viertel dieser Truppen waren Kriegsfreiwillige, während der Rest aus eingezogenen Landwehrleuten und Landstürmern bestand. Die Mehrzahl der Offiziere setzte sich aus Angehörigen des inaktiven Standes (außer Dienst und zur Disposition) zusammen. Neben ihnen füllten nicht mehr dienstpflichtige Reserve- und Landwehroffiziere, Feldwebelleutnants und Offizierstellvertreter die großen Lücken aus. Die jungen Truppen - vom Volksmund als "Kinder-Bataillone" bespöttelt - haben der Mehrzahl nach in bezug auf Geist und Willen über ein vorzügliches Mannschaftsmaterial verfügt. Allein die sehr kurze Ausbildungszeit von [393] wenig mehr als sechs Wochen konnte selbst bei hellster Begeisterung und bei größtem Opfersinn nicht genügen, um dauerhafte Regimenter zu schaffen, die den Stürmen und Schlachten gegen sorgfältig ausgebildete Gegner gewachsen waren. Es mangelten die körperlichen Kräfte, die gründliche Durchbildung, es fehlten die Offiziere und Unteroffiziere, welche einer so zusammengesetzten Truppe erst den Halt verleihen konnten. Die Ypern-Schlacht hat bewiesen, daß die deutsche Heeresleitung den Wert der jungen Korps überschätzt hat. Sie sah sich fortab gezwungen, an die entscheidenden Stellen zunächst immer wieder die alten Korps heranzuholen. Erst im Laufe des Krieges haben sich die neuen Verbände durch Übung und Gewohnheit sowie durch die Schaffung eines kampferfahrenen Führerpersonals auf die Höhe der alten Truppen hinaufarbeiten können. Diese Verhältnisse müssen bei Bewertung der deutschen Leistungen in der Ypern-Schlacht in Rechnung gestellt werden.


Die Kräfte der Entente.

Der englische General French war von Joffre mit der Aufgabe betraut worden, den Flandern-Angriff zu führen. French galt nächst Kitchener, dem derzeitigen britischen Kriegsminister, als der befähigste Soldat, um eine große strategische Lösung zu bewältigen. Er hatte in Indien und auf allen Schlachtfeldern des britischen Weltreiches gefochten und sich bei der Niederwerfung der Buren als Reiterführer durch Unternehmungslust und Rücksichtslosigkeit dem Feinde gegenüber hervorgetan. Er galt als der Vertreter des englischen Offiziers im alten Sinne, der mit einfachen Formen die Söldner des Friedensheeres zum Siege führen wollte, ohne allzu viel auf die Kampftechnik der Neuzeit zu geben, wenn er auch nach den blutigen Lehren des Burenkrieges manches Veraltete hatte abstreifen müssen. Im ganzen neigte French mehr dem Kampfe in der Verteidigung als der Beweglichkeit des Angriffs zu. Die englische Armee hatte die durch die Eingangsschlachten bis einschließlich der Marne-Schlacht erlittenen Verluste durch Nachschub vollständig ausgeglichen. Für die 8 Infanterie-Divisionen der 4 Armeekorps waren aus neuaufgestellten Divisionen des Mutterlandes und den indischen Truppen starke Reserven gebildet worden, die im Laufe der bevorstehenden Schlacht eintreffen sollten. Die britische Artillerie war durch schwere Geschütze bedeutend vermehrt worden, auch Panzerwagen und Flugzeuge traten in erheblichem Umfange in Wirksamkeit.

Das belgische Heer, 6 schwache Infanterie-Divisionen und 2 Reiter-Divisionen stark, kämpfte unter seinem König Albert für den eigenen Waffenruhm und für die Rettung des Landes, denn wenn es jetzt von der Yser verdrängt wurde, fiel der letzte Landstreifen Belgiens in deutsche Gewalt. Die belgischen Truppen, deren Mangelhaftigkeit sich aus der kurzen Friedensdienstzeit ergab, sollten durch die Zuteilung französischer Verbände den richtigen Halt bekommen. Daher wurde ein aus der 87. und 89. Territorial-Division und der [394] Marine-Infanterie-Brigade (in einigen Berichten als "Division" bezeichnet) Ronach zusammengesetztes Armeekorps sowie das Reiterkorps Conneau zur Verstärkung der Belgier bereitgehalten. Weitere französische Verbände, zunächst das IX. Armeekorps und die 42. Infanterie-Division, sollten nach Bedarf in den Bereich der Flandern-Schlacht geworfen werden.


Einleitende Gefechte.

Am 15. Oktober besetzte das deutsche III. Reservekorps die Linie Ostende - Thourout - Roulers und vermochte hier den Aufmarsch der übrigen Korps der 4. Armee in vollkommener Weise vor dem Gegner zu verschleiern, obwohl die belgisch-französische Reiterei zwischen dem Walde von Houthulst und der Meeresküste, die englische zwischen dem genannten Walde und der Lys aufklärte. Durch den schnellen Vormarsch nach Antwerpens Fall hatte das III. Reservekorps ein wertvolles Gebiet mit den Städten Gent und Brügge in deutschen Besitz gebracht. Die Belgier hatten nirgends nachhaltigen Widerstand geleistet, nur die am Südflügel des Korps marschierende 6. Reserve-Division mußte sich zu größeren Kampfhandlungen entwickeln.

Die deutsche 4. Armee erreichte am 18. Oktober abends mit dem

  • XXII. Reservekorps die Linie Aertrycke - Thourout,
  • XXIII. Reservekorps die Linie Lichtervelde - Ardoye,
  • XXVI. Reservekorps Iseghem,
  • XXVII. Reservekorps die Linie Lendelede - Courtrai.

Das III. Reservekorps, dem ursprünglichen Plane nach immer weit vorwärts gestaffelt, sollte am 18. Oktober die untere Yser zwischen Nieuport und Dixmude überschreiten und einen halben Tagemarsch westlich des Flusses die Linie Coxyde - Furnes - Oeren gewinnen. Allein es stieß bereits östlich des Flusses auf sehr starken Widerstand, der die Lösung der Tagesaufgabe ausschloß.

Das belgische Oberkommando hatte seine Truppen bereitgestellt:

  • 2.
  • Infanterie-Division in Linie Nieuport - Lombartzyde - St. Georges,
  • 1.
  • Infanterie-Division in Linie Tervaete - Schoorbakke - Schoore,
  • 4.
  • Infanterie-Division in Linie Keyem - Beerst,
  • französische Marine-Infanterie-Brigade Dixmude,
  • 5.
  • Infanterie-Division Abschnitt Drie Grachten - Luyghem,
  • französisches Kavalleriekorps Conneau in den Wald von Houthoulst vorgeschoben,
  • 6.
  • Reserve-Division gegen Leke - Keyem,
  • französische 87. Territorial-Division Langemarck,
  • 1.
  • Kavallerie-Division Poelkappelle,
  • 6.
  • Infanterie-Division in Reserve gruppenweise zwischen
    Nieuport und Lampernisse
  • 2.
  • Kavallerie-Division
  • französische 89. Territorial-Division

Die Stellungen waren zu hartnäckiger Verteidigung ausgebaut.

[395] Auf deutscher Seite gingen vom III. Reservekorps vor:

  • 4. Ersatz-Division von Middelkerke auf Westende,
  • 5. Reserve-Division gegen St. Georges - Schoore,
  • 6. Reserve-Division gegen Leke - Keyem.

Es gelang den Brandenburgern zwar, die belgischen Vorhutstellungen bei Westende, St. Pierre Cappelle, Leke, Keyem zu nehmen, allein es erwies sich als unmöglich, die Yser-Front in einem Anlauf zu bezwingen, die am 18. abends noch 1 bis 2 Kilometer vor den Deutschen lag. Englische Kriegsschiffe hatten gegen die 4. Ersatz-Division gewirkt, aber wenig erreicht. Deutsche 10,5-cm-Kanonen waren gegen sie in wirksames Feuer getreten. In der Nacht zum 19. und am 19. vormittag griffen im Gegenstoß die belgische 4. Infanterie-Division, eine Brigade der belgischen 5. Infanterie-Division und die französische Marine-Brigade Ronach den linken Flügel der 6. Reserve-Division in Keyem an, wurden aber nach hartem Kampfe unter schwerem Verlust abgewiesen.

Am 19. Oktober entspannten sich nach und nach auf der Gesamtfront der deutschen 4. Armee Kämpfe. Das XXII. Reservekorps drang bis östlich Dixmude vor und nahm die Fühlung mit dem III. Reservekorps auf. Das XXIII. Reservekorps nahm am Abend Handzaeme und Gits, das XXVI. Roulers, das XXVII. Rolleghemcappelle halbwegs Roulers - Menin. Den Deutschen waren französische, belgische, englische Reiter-Divisionen entgegengetreten, die das wuchtige Vorgehen der Deutschen aber nirgends aufzuhalten vermochten.

Die einleitenden Kämpfe bis zum 19. Oktober abends stellten fest, daß sehr starke englische, französische, belgische Kräfte an der unteren Yser von Dixmude abwärts, sowie im Niederungsgelände beim Houthulster Walde und bogenförmig auf den Höhen östlich und südlich von Ypern standen. Der Chef des Generalstabes des deutschen Heeres, der sich um diese Zeit im Hauptquartier der 6. Armee befand, faßte den Entschluß, zugleich mit der 4. Armee die Front Nieuport - Ypern, mit der 6. von Südosten und Süden her anzugreifen.


Die Kämpfe der deutschen 4. Armee vom 20. bis 31. Oktober. Das Scheitern des deutschen Angriffs.

Am rechten Flügel der deutschen 4. Armee ging unter Einsatz der gesamten Artillerie das III. Reservekorps am 20. Oktober vormittags mit der

  • 4. Ersatz-Division auf Lombartzyde,
  • 5. Reserve-Division gegen Yser-Abschnitt St. Georges - Schoorbakke,
  • 6. Reserve-Division gegen den Yser-Abschnitt bei Tervaete - Stuyvekenskerke - Kasteelhoek
vor, um die feindliche Stellung zu durchbrechen. Am 20. und 21. warfen die Deutschen die belgischen Divisionen auf der Strecke Mannekensvere - Tervaete bis an den Fluß zurück und setzten sich vor dessen Ostufer fest. Die Belgier behaupteten sich jedoch im Brückenkopf Lombartzyde am Ostufer, wiederum [396] durch das Feuer englischer Kriegsschiffe, auch durch die französische 42. Infanterie-Division, die in Nieuport eingetroffen war, unterstützt. In der Morgenfrühe des 22. gelang es dem Reserve-Infanterie-Regiment 26 der 6. Reserve-Division, die Yser an der ostwärts ausspringenden Schleife zwischen Schoore und Tervaete auf Schnellbrücken und Behelfsstegen zu überschreiten, den Feind zu überraschen und sich am Westufer festzusetzen. Am 24. früh war die gesamte Infanterie der 6. Reserve-Division auf dem westlichen Ufer eingegraben, während rechts von ihr die 5. Reserve-Division hart am Ostufer, die 4. Ersatz-Division, durch das Eingreifen der englischen Flotte aufgehalten, noch immer vor Lombartzyde lag, obwohl das schwere deutsche Flachfeuer die englischen Kriegsschiffe durch zwei Volltreffer beschädigte. Für das III. Reservekorps galt es, die gewonnenen Stellungen bis zum Eingreifen der übrigen Armeekorps der 4. Armee festzuhalten.

Das deutsche XXII. Reservekorps griff am 20. das im Winkel zwischen der Yser und dem ihr von Osten her zufließenden Handzaeme-Kanal gelegene Städtchen Dixmude an. Nach wütendem Ringen in Angriff und Gegenstoß gelang es der 44. Reserve-Division auf dem rechten, der 43. Reserve-Division auf dem linken Flügel, die Orte Beerst, Vladsloo, Eessen, Woumen zu nehmen und das brennende Dixmude am 23. abends auf wenige hundert Meter halbkreisartig einzukesseln. Doch behaupteten sich die Belgier der 4. und 5. Infanterie-Division, sowie die französischen Marinefüsiliere der Brigade Ronach in diesem Schlüsselpunkt der Ententestellung. Das schwere deutsche Artilleriefeuer konnte das Städtchen in Flammen setzen, vermochte aber nicht, den Widerstand der zähen Verteidiger zu brechen.

Sehr blutige und ruhmreiche Kämpfe hatte das deutsche XXIII. Reservekorps zu bestehen. Ihm war für den 20. Oktober der Angriffsstreifen überwiesen worden, der über Handzaeme - Staden durch den Houthulster Wald gegen den Abschnitt Noordschoote - Bixschote des Ypern-Kanals verlief, eine besonders schwere Aufgabe, denn der Wald, von Unterholz und vielen Wasserläufen durchzogen, eignete sich für den Feind zu hartnäckiger Gegenwehr, während das Vorgehen der deutschen Infanterie durch jene Geländehindernisse gestört, das Nachziehen der Artillerie in Frage gestellt war. Die 45. Reserve-Division rechts, die 46. Reserve-Division links, so erreichte das Korps unter leichten Gefechten gegen abgesessen kämpfende französische, englische, belgische Reiterei bis zum 20. abends Clercken und den Ostraum des Waldes von Houthulst.

Am 21. Oktober kämpfte sich die 45. Reserve-Division bis in die Linie Woumen - Nordwestspitze des großen Waldes vor. Die 46. Reserve-Division arbeitete sich trotz großer Schwierigkeiten durch den Wald selbst hindurch und stand angesichts der französischen Hauptstellung Noordschoote - Bixschote, die am 22. durchbrochen werden sollte. Die deutsche schwere Artillerie nahm während der Nacht vom 21. zum 22. Oktober im Westteil des Houthulster Waldes Auf- [397] stellung, um mit Tagesgrauen des 22. das Feuer gegen den Durchbruchsabschnitt zu eröffnen.

Für diesen Tag änderte ein Armeebefehl die Aufgabe des XXIII. Reservekorps dahin, daß nur die 45. Reserve-Division im bisherigen Angriffsstreifen zu verbleiben hatte, die 46. Reserve-Division aber zur Unterstützung des linken Nebenkorps, des XXVI. Reservekorps, das vor Langemarck festlag, gegen die Front Bixschote - Langemarck vorgehen sollte.

Die 45. Reserve-Division stieß auf die vorderen Stellungen der belgischen 5. und 6. Infanterie-Division, der französischen 87. Territorial-Division, des linken Flügels der englischen 1. Infanterie-Division. Diese Verbände hielten die Ortschaften Luyghem, Merckem, Mangelaare als vorgeschobene Punkte fest, dahinter lag das Westufer der sumpfigen Bäche Kortebeek und Murtje Vaart als erste, der Abschnitt Noordschoote - Bixschote als zweite Hauptstellung. Reserve-Infanterie-Regiment 210 nahm Luyghem und Merckem, die Regimenter 209 und 212 stießen über den Murtje Vaart durch.

Am rechten Flügel der 46. Infanterie-Division stürmte Reserve-Infanterie-Regiment 216 Mangelaare, wobei der Regimentsführer, Oberst v. Grothe, fiel, und drang über den Kortebeek vor. Dagegen konnte das vom Feinde stark besetzte und sorgfältig befestigte Langemarck von der Mitte und vom linken Flügel der 46. Reserve-Division nicht genommen werden. Die Engländer betrachteten diesen Ort als die Zugangsstelle gegen Ypern und legten daher besonders hohen Wert auf die Festhaltung des Dorfes.

Trotz heftigster Gegenwehr gelang es den Regimentern der 45. Reserve-Division, am Abend Bixschote zu stürmen und den Gegner in erbittertem Handgemenge aus dem Dorfe gegen das Kanalufer zu drängen. Allein es war für die Deutschen nicht möglich, den Ort zu halten. Die Truppen waren infolge ihrer, für eine deartige schwierige Aufgabe ungenügende Ausbildung völlig durcheinander geraten und zum Teil den Führern aus der Hand gekommen, so daß es dem Feinde glückte, das infolge eines Mißverständnisses bei einer Ablösung vorübergehend von den Deutschen nicht besetzte Dorf wieder zu nehmen. Die von den deutschen Truppen gebrachten Opfer waren vergeblich gewesen. Gleichzeitig warf sich ein mit sehr bedeutenden Kräften unternommener Gegenstoß auf die am Südufer des Kortebeek befindlichen Teile der 46. Reserve-Division. Unter den erschöpften, durch den hartnäckigen Kampf in ihren Verbänden gelösten Truppen traten an mehreren Stellen panikartige Erscheinungen auf, so daß sie über den Kortebeek zurückfluteten. Am Nordufer kam indessen die rückläufige Bewegung zum Stehen. Die Deutschen hielten hier das Nachdrängen des Feindes auf. Am 23. Oktober ging die 46. Reserve-Division von neuem vor und gewann die Höhen am Südufer des Kortebeek zurück. Es war den Engländern nicht gelungen, die deutsche Front am Kortebeek zwischen Bixschote und Langemarck zu durchstoßen.

[398] Das deutsche XXVI. Reservekorps ging am Frühmorgen des 20. Oktober mit der 51. Reserve-Division von Roulers, mit der 52. Reserve-Division von Moorslede aus vor. Es traf auf Truppenteile des französischen IX. und englischen I. Armeekorps, die den Höhenrand Westroosebeke - Passchendaele - Keilberg besetzt hielten. Die 51. Reserve-Division setzte sich in den Besitz von Westroosebeke und rang sich bis zum Einbruch der Nacht in die Linie Bahnhof Poelkappelle - Dorf Poelkappelle durch, wobei sich Reserve-Jäger-Bataillon 23 besonders hervortat. Die 52. Reserve-Division nahm Passchendaele und Keilberg. Erst mit Einbruch der Nacht kam ihr Angriff vor der englischen Hauptstellung auf den bewaldeten Höhen 56 und 58 zwischen Zonnebeke und Becelaere zum Stehen.

Links vom XXVI. Reservekorps bemächtigte sich das XXVII. Reservekorps der vorgeschobenen englischen Stellungen bei Becelaere - Terhand, diese Ortschaften eingeschlossen, und nahm Verbindung mit der 3. Kavallerie-Division auf, die am rechten Flügel der der 6. Armee zugeteilten Heeresreiterei im Angriff zu Fuß bis halbwegs Gheluve - Gheluvelt vorgedrungen war.

Das Ententeheer stand am 22. Oktober morgens in dem großen Brückenkopf östlich des Ypern-Kanals von Bixschote über Langemarck - St. Julien - Zonnebeke bis Gheluvelt hinter starken Hindernissen zur Abwehr des deutschen Angriffes bereit, mit der Absicht, selbst zum Angriff zu schreiten, sobald der Stoß der Deutschen sich erschöpft hatte. General French setzte auf dieser Entscheidungsfront, deren Hauptstützpunkte das festungsartig ausgebaute Dorf Langemarck und die flankierend wirkende Höhe 56 dicht östlich Zonnebeke bildeten, das französische IX. und das englische I. und IV. Armeekorps, ausgesuchte und bereits kampfgeübte Truppen, gegen die jungen Regimenter auf deutscher Seite ein.

Nachdem die Schlacht am 21. Oktober sich im wesentlichen auf Artilleriekämpfe und Heranfühlen der Infanterie beschränkt hatte, schritt am 23. die 46. Reserve-Division (XXIII. Reservekorps) zum entscheidenden Durchbruch zwischen Bixschote und Langemarck. Das XXVI. Reservekorps erneuerte den Angriff gegen die Nord- und Ostfront von Langemarck selbst, das XXVII. Reservekorps suchte gegen St. Julien und im waldigen Höhengelände bei Zonnebeke - Becelaere Boden zu gewinnen. Gegen die feuersprühenden Schützengräben um Langemarck stürmten die angriffsfrohen und kampfbegeisterten deutschen Bataillone, ohne sich lange mit Feuern aufzuhalten, zum Sturm in dichten Schwärmen unter dem Gesang: "Deutschland, Deutschland über Alles!" an, um, durch furchtbare Verluste zum Teil auf ein Drittel des Bestandes gelichtet, trotz aller Tapferkeit vor den Hindernissen niedergehalten zu werden. Am 23. abends mußte der deutsche Durchbruchsversuch als zunächst undurchführbar angesehen werden, auch der Einsatz der noch verfügbaren Armeereserven - 37. Landwehr-Bataillon und 2. Reserve-Ersatz-Bataillon - konnte einen Umschwung nicht bringen.

[399] Jetzt brachen Franzosen und Engländer gegen das XXVI. und gegen den rechten Flügel des XXVII. Reservekorps zum Gegenstoß vor, um die deutsche Front zu sprengen. Allein die Deutschen hielten sich in flüchtig ausgehobenen Schützengräben gegen die mit voller Erbitterung und Tapferkeit geführten Angriffe, während ein ununterbrochenes Artilleriemassenfeuer den deutschen Kampfraum zudeckte. Für die 4. Armee kam es darauf an, die Front zwischen Bixschote und Gheluvelt zu sperren, bis an der Yser der Nordflügel und an der Lys die 6. Armee die Entscheidung im Angriff bringen würden.

Inzwischen hatten bis zum 24. Oktober vormittags vom deutschen III. Reservekorps die Fußtruppen der 5. und 6. Reserve-Division, von der 44. Reserve-Division (XXII. Reservekorps) 5 Bataillone den Unterlauf der Yser überschritten und sich auf dem Westufer in der Linie St. Georges - Schoorbakke - Stuyvekenskerke festgesetzt, ihnen dicht gegenüber 4 belgische Divisionen und eine französische Division, welche Stellung hinter Stellung östlich des hohen Eisenbahndammes ausgebaut hatten. Der Damm selbst war ihre Hauptverteidigungslinie; westlich der Eisenbahn bildeten die großen Dörfer Ramscappelle und Pervyse die Stützpunkte. Die Deutschen konnte keine Artillerie über die Yser vorziehen, denn die feindliche Artillerie war an Zahl und Wirkung überlegen. Dem General v. Beseler standen nur zehn Steilfeuerbatterien zur Verfügung, die ihre ganze Kraft daransetzen mußten, um das gegnerische Artilleriefeuer von der vorderen Infanterielinie zum Teil abzulenken, während die deutschen schweren Flachfeuerbatterien sich mit der englischen Schiffsartillerie herumschossen. Da die Belgier und Franzosen noch im sicheren Besitz von Nieuport und Dixmude waren, also die westlich der Yser liegenden deutschen Truppen durch Flankenangriffe fassen konnten, war die Lage eine überaus schwierige.

Der Marktplatz von Dixmuiden nach der Beschießung.
Der Marktplatz von Dixmude
nach der Beschießung.      [Vergrößern]

Aus: Der Weltkrieg in seiner
rauhen Wirklichkeit
, S. 40.
Nachdem die 44. Reserve-Division am 24. Oktober einen französisch-belgischen Vorstoß aus Dixmude abgewehrt hatte, und es unter unsäglichen Schwierigkeiten gelungen war, die Feldartillerie der 5. und 6. Reserve-Division über die Yser vorzuholen, machte der deutsche Angriff am 25. langsame Fortschritte gegen den Bahndamm hin. Vor allem kam es darauf an, dem Feinde seinen Hauptstützpunkt Dixmude zu entreißen. Der Ort lag am 24. und 25. Oktober vormittags unter schwerstem deutschen Artilleriefeuer, auch eine 42-cm-Batterie wurde eingesetzt. Als man die Wirkung für ausreichend ansah, ging um die Mittagsstunde die 43. Reserve-Division, durch das Feuer mehrerer Feldbatterien auf allernächste Entfernung unterstützt, zum Sturm vor. Einzelne Trupps drangen bis in den Ort, ja bis zur Yser-Brücke an dessen Westausgang, konnten sich aber nicht halten. Am Frühmorgen des 26. mußten die Sturmtruppen in die Ausgangsstellungen zurückgezogen werden. Die Verteidiger waren selbst durch das schwerste deutsche Feuer in den tief gebauten Deckungen nicht erschüttert worden und warfen den Angriffen immer wieder frische Kräfte entgegen, [400] die zu Gegenstößen schritten. Nachdem das Ringen vom 26. bis 29. in einen hinhaltenden Kampf übergegangen war, in welchen auch schwere deutsche Minenwerfer eingriffen, ohne eine Wendung zu erzielen, gab die Armeeleitung den frontalen Angriff gegen Dixmude auf und ordnete für den 30. an, daß der Ort unter schwerstem Feuer gehalten und von Osten her nur durch drei bis vier Bataillone abgeschlossen werden sollte. Die 43. Reserve-Division wurde angewiesen, die Yser unterhalb Dixmude zu überschreiten und den Ort von rückwärts her anzugreifen.

Mittlerweise waren die 5. und 6. Reserve-Division, sowie auf deren rechtem Flügel die halbe 4. Ersatz-Division des III. Reservekorps und die 44. Reserve-Division des XXII. Reservekorps unter schrittweisem Herankämpfen bis auf etwa 300 Meter an den Bahndamm Ramscappelle - Pervyse vorgedrungen. Das Generalkommando III. Reservekorps setzte den allgemeinen Sturm auf den Vormittag des 30. Oktober an. Nach schweren Kämpfen schien sich der Sieg auf die deutsche Seite zu neigen: bis zum Abend war Ramscappelle ganz, Pervyse zum Teil in deutscher Hand, während das XXII. Reservekorps gegen Oostkerke und Caeskerke zur Umklammerung von Dixmude Boden gewann. Die Franzosen und Belgier schickten sich auf der ganzen Front zum Rückzuge an. Der deutsche Durchbruch schien gelungen. Allein er scheiterte schließlich doch noch an einem Kampfmittel, gegen das die deutsche Kunst und Kraft machtlos waren.

Seit der Mittagszeit des 30. machte sich ein sehr schnelles Steigen der Wasserläufe, dann eine Versumpfung des ganzen Gebietes bemerkbar, die man sich deutscherseits zuerst nicht erklären konnte. Nach Einbruch der Nacht stand das Wasser bereits kniehoch, das Gelände beiderseits der Yser wandelte sich in ein Meer, Truppen und Fahrzeuge versanken in Wasser und Schlamm - der Angriff konnte nicht mehr fortgesetzt werden, der Nachschub wurde unmöglich.

Durch den Druck der französischen und englischen Führung beeinflußt, hatte König Albert am Morgen des 30. zur Flutzeit die Schleusen und Staudämme der Yser bei Nieuport zerstören lassen, um das Land bis über Dixmude aufwärts unter Wasser zu setzen und hierdurch die Rettung des Nordflügels der Ententeheere gegen die unaufhaltsamen Angriffe der Deutschen zu bewirken. Das furchtbare Mittel half: nicht die Waffengewalt, sondern das Meer entriß den Deutschen den Sieg. Um die Mitternachtsstunde zum 31. Oktober gab General v. Beseler den Befehl zum Rückzug auf das östliche Yserufer. Die Bewegung wurde, ohne daß der Feind nachdrängte, in voller Ordnung und ohne Verlust ausgeführt. Am Abend des 31. bezog der deutsche Nordflügel eine feste Stellung von Westende über Mannekensvere - Schoore bis Kasteelhoek, Patrouillenkommandos auf einzelnen höher gelegenen Stellen an und westlich der Yser. Das XXII. Reservekorps setzte die Umfassungsversuche bei Oostkerke und Caeskerke gegen Dixmude bis zum 1. November fort, sah sich aber durch das Steigen des Wassers gleichfalls genötigt, in der Nacht zum 2. hinter die [401] Yser zurückzugehen. So war die Schlacht auf dem Nordflügel einstweilen zuungunsten der Deutschen verlaufen. Alle Kunst der Führung, alle Tapferkeit, aller Opferwille der Truppen waren gegen die furchtbare Gewalt des Wassers machtlos.

General French hatte am 25. Oktober zur Entlastung der bedrohten Front Nieuport - Dixmude einen allgemeinen Vorstoß des englischen I. und IV. sowie des französischen IX. Armeekorps in Richtung auf Poelkappelle - Passchendaele - Zonnebeke - Becelaere angeordnet. Gegen ihn hatten die durch die vorangegangenen Kämpfe ermüdeten Reservekorps XXIII, XXVI, XXVII in den Tagen vom 25. bis 28. Oktober einen harten Stand, weil die englisch-französische Artillerie auf dem Höhengelände vortreffliche Beobachtungsstellen gegen die tiefstehende deutsche Artillerie besaß, die überdies an Zahl unterlegen war und unter Munitionsknappheit litt. Das deutsche Armeeoberkommando mußte die gesamten Reserven zur Abwehr des sehr gefährlichen Angriffs einsetzen: 37. Landwehr-Brigade, 2. Ersatz-Reserve-Brigade, Teile der Marine-Division und 38. Landwehr-Brigade. In diesen Kämpfen fiel am 26. Generalleutnant v. Meyer, Führer der 37. Landwehr-Brigade. Aber durch das Eingreifen aller dieser Kräfte gelang es dem Südflügel der 4. Armee, die aufs äußerste bedrohten Stellungen Poelkappelle - Passchendaele - Höhe 56 östlich Zonnebeke - Reutel - Poezelhoek zu halten. Am 29. Oktober erlahmte die Schlacht infolge beiderseitiger Erschöpfung. Die 6. bayerische Reserve-Division stand noch als Reserve der 4. Armee am Südflügel bei Dadizeele verfügbar.

Nach links hin hatte die deutsche 4. Armee in diesen Kampftagen Anschluß an die unter dem Befehl des Generals v. der Marwitz vereinigte, aus dem 1., 2., 3. Kavalleriekorps (zusammen 8 Kavallerie-Divisionen, mehrere Jäger-Bataillone, leichte und schwere Artillerie) bestehende Heeresreiterei. Von dieser, allerdings auf einen Bruchteil des ursprünglichen Standes zusammengeschrumpften Reitermasse verteidigten sich das 1. und 2. Kavalleriekorps im Kampf zu Fuß nordwestlich Comines - Warneton gegen die von Messines - Wytschaete - Hollebeke her angreifenden Engländer und hielten den ihnen anvertrauten Boden vom 25. bis 29. Oktober unverbrüchlich fest. Das 3. Kavalleriekorps (General v. Stetten mit 3., 7., bayerischer Kavallerie-Division, Jäger-Bataillone 4, 9, 10, sowie 5 Bataillone der 11. Landwehr-Brigade) stieß von Wervicq her gegen Kruiseike - Zandvoorde vor, um durch einen Druck gegen die feindliche Flanke das bei Reutel - Poezelhoek hart ringende XXVII. Reservekorps zu entlasten und den Anmarsch des östlichen Flügels der 6. Armee zu verschleiern. Zusammen mit dem bayerischen Reserve-Infanterie-Regiment 16, das von der 6. bayerischen Reserve-Division, die hinter dem XXVII. Reservekorps als Armeereserve stand, nach links hin entsandt worden war, nahm das 3. Kavalleriekorps bei Gheluvelt 650 Engländer gefangen und löste seine schwierige Aufgabe mit bestem Erfolg.


[402] Der Durchbruchsversuch der Armeegruppe Fabeck südlich Ypern.

Während die deutsche 4. Armee an der unteren Yser durch die Überschwemmung zum Zurückgehen auf das Ostufer sich gezwungen sah und auf dem Halbkreis Bixschote - Passchendaele - Reutel den englisch-französischen Vorstößen standhielt, führte die 6. Armee von östlich Arras über Lens - La Bassée bis östlich Armentières einen hinhaltenden Kampf gegen französisch-englische Kräfte. Beiderseits rang man sich frontal ab und suchte sich zu binden, damit der Gegner keine Truppen nach Norden hin an die kampfentscheidenden Stellen zwischen Nieuport - Dixmude - östlich Ypern verschieben konnte.

Da die deutsche Oberste Heeresleitung sich von dem hinhaltenden Gefecht keinen Erfolg versprechen konnte, beschloß sie, zwischen der 4. und 6. Armee aus ausgewählten, vorwiegend aktiven Truppen eine neue Stoßmasse zu bilden, die am 30. Oktober aus Linie Wervicq - Deûlemont nach Nordwesten hin gegen Ypern vorbrechen und den Durchstoß auf kürzester Linie vollziehen sollte. Die neue, dem Oberkommando der 6. Armee unterstellte Armeegruppe Fabeck (Kommandierender General XIII. Armeekorps) setzte sich zusammen aus:

  • XV. Armeekorps (30. und 39. Infanterie-Division) General v. Deimling,
  • II. bayerische Armeekorps (3. bayerische und 4. bayerische Infanterie-Division) General v. Martini (vom 5. November ab General v. Stetten),
  • 26. Infanterie-Division Generalleutnant Wilhelm Herzog v. Urach.

Zeitweise wurden unterstellt: Generalkommando XXIV. Reservekorps (General v. Gerok), Höhere Kavallerie-Kommandeure 1 und 2, 6. bayerische Reserve-Division, 3. Infanterie-Division, 25. Reserve-Division, 11. Landwehr-Brigade, 2. Kavallerie-Division, bayerische Kavallerie-Division. Die 6. Armee hatte zu dem Angriff alle nur irgend entbehrliche schwere Artillerie der Gruppe Fabeck zu überweisen. Auf Anordnung der Obersten Heeresleitung begann der Angriff am 30. Oktober. Die 4. und 6. Armee mußten gleichzeitig angreifen, um den Feind auf der Gesamtfront zu binden und ihn zu hindern, Reserven gegen den deutschen Stoßteil, die Armeegruppe Fabeck, einzusetzen.

Das Eintreten der Yserüberflutung in der Nacht zum 31. Oktober hatte die Lage auf dem nördlichen Schlachtflügel vollständig geändert. Konnten die Deutschen den erfolgreich eingeleiteten Stoß nicht fortsetzen, so waren anderseits auch die Ententeheere außerstande, nach Osten hin über die Yser vorzudringen. Daher zog das Oberkommando der deutschen 4. Armee die entbehrlichen Kräfte von der unteren Yser fort. Der 4. Ersatz-Division fiel fortab allein die Sicherung des Überschwemmungsgebietes von Westende bis Tervaete zu. Das XXII. Reservekorps mußte den feindlichen Brückenkopf Dixmude umschlossen halten und die Betätigung der dort befindlichen starken Feindeskräfte unterbinden. Das abgekämpfte III. Reservekorps nahm zwischen Zarren und Staden Aufstellung, [403] um je nach Umständen beim XXIII. oder XXVI. Reservekorps Verwendung zu finden.

Am 30. Oktober früh griff das XXIII. Reservekorps mit der 45. Reserve-Division Bixschote, mit der 46. Reserve-Division den Abschnitt des Steenbeek halbwegs Bixschote - Langemarck an. Nach erbittertem Ringen nahm die 45. Reserve-Division das zerschossene Dorf. Doch sah sie sich genötigt, am Abend aus den Trümmern zurückzugehen und sich halbkreisförmig um sie herumzulegen, da der Feind ein gewaltiges Artilleriemassenfeuer gegen die in den Mauerresten aller Deckungen beraubten deutschen Truppen niedergehen ließ. Sie mußte sich begnügen, die Dorfstelle durch Patrouillen und Maschinengewehrtrupps gegen feindliche Wiedereroberungsversuche zu sichern.

Das deutsche XXVI. Reservekorps griff am 30. Oktober mit dem rechten Flügel vergebens Langemarck an. Die feindliche Stellung erwies sich als so stark, daß sie nicht bezwungen werden konnte. Daher mußte es sich damit begnügen, eine kurze Strecke gegen die Dorftrümmer hin gewonnen zu haben, und stellte am 31. abends den Angriff ein. Die Mitte und der linke Flügel des XXVI. Reservekorps und der rechte Flügel des XXVII. Reservekorps hielten am 30. und 31. beiderseits Zonnebeke die sehr heftigen Vorstöße der Franzosen auf. General Joffre hatte sich auf das Schlachtfeld begeben, um mit dem IX. und dem dahinter soeben in Flandern eingetroffenen II. Armeekorps durchzubrechen. Der Stoß scheiterte an der ungebeugten deutschen Widerstandskraft.

Am 29. Oktober abends hatte die Armeegruppe Fabeck den Aufmarsch beendet und die Reiterkorps abgelöst. Für den auf den 30. festgesetzten Angriff waren als Gefechtsstreifen zugewiesen:

  • XV. Armeekorps Gheluvelt - Zandvoorde,
  • II. bayerische Armeekorps Zandvoorde (ausschließlich) - Wambeke,
  • 26. Infanterie-Division Wambeke (ausschließlich) - Messines,
  • 4. und Garde-Kavallerie-Division, dazu zwei Bataillone XIX. Armeekorps, der Ploegsteert-Wald westlich Deûlemont.

Links der unter General v. Richthofen stehenden Heeresreiterei griff das außerhalb des Verbandes der Armeegruppe Fabeck eingesetzte XIX. Armeekorps gegen Armentières hin an.

Als Reserve standen die 6. bayerische Reserve-Division bei Comines, Höhere Kavalleriekommandeure 2 und 3 bei Wervicq. An schwerer Artillerie hatten der Gruppe Fabeck zugeführt werden können: 8 Batterien Mörser, 20 Bataillone schwerer Feldhaubitzen zu je 3 Batterien, ein 30,5-cm-Küstenmörser.

Der Ententeführung war der An- und Aufmarsch der Gruppe Fabeck nicht entgangen. French konnte ihr in stark befestigter Stellung das englische IV. Armeekorps, Teile des englischen III. Armeekorps, das englische Kavalleriekorps, das soeben eingetroffene französische XVI. Armeekorps entgegenstellen. [404] Auch besaß er noch erhebliche Reserven vom französischen II. und IX. Armeekorps, die zum Durchbruch auf Zonnebeke bestimmt gewesen waren. Die schwere Artillerie war der deutschen an Zahl und Kalibern mindestens gewachsen, an Güte der Stellungen und Beobachtungspunkte überlegen.

Am 30. Oktober vormittags begann das deutsche Artilleriewirkungsschießen, erschwert durch unsicheres Wetter. Gleichwohl schien bereits um 9 Uhr vormittags der Erfolg hinreichend zu sein, um den Sturm auf der ganzen Front zu wagen. Mit unübertrefflichem Schneid ging die Infanterie, gefolgt von einzelnen Feldartillerie-Abteilungen, gegen die zerflatterndem Hindernisse und zerschossenen Gräben vor. Am rechten Flügel stürmten die 54. Reserve-Division (XXVII. Reservekorps) und die 30. Reserve-Division (XV. Armeekorps) vergebens gegen Gheluvelt an. Dagegen nahm die 39. Infanterie-Division, dabei die der Heeresreiterei angehörigen Jäger-Bataillone 4, 10, ein bayerisches, Zandvoorde, Höhe 40 nördlich des Dorfes und das Gelände bis zum Kanal gegenüber Hollebeke. Links daneben drang das II. bayerische Armeekorps in Hollebeke und Wambeke ein. Die 26. Infanterie-Division kam bis nahe vor Messines, konnte aber das Dorf nicht mehr nehmen, da es von den nördlich des Ortes emporsteigenden Höhen aus durch die noch ungebrochene feindliche Artillerie beherrscht wurde. Der Höhere Kavalleriekommandeur 1 sah sich vor St. Yves, das XIX. Armeekorps vor Ploegsteert - Armentières durch zähen feindlichen Widerstand aufgehalten.

Der folgende Sonntag, der 31. Oktober, zeigte endlich herbstlich-klaren, nahe der Küste seltenen Sonnenschein. Daher konnte die deutsche Artillerie im Gegensatz zu dem nebelschweren Morgen des Vortages mit großem Erfolg das Wirkungsfeuer durchführen. Namentlich wurde Gheluvelt am rechten Flügel des deutschen Angriffsstreifens unter schwerstes Feuer genommen. Am Nachmittag fiel nach heftigem Nahkampfe das Dorf in die Gewalt der Deutschen: die 30. Infanterie-Division, 54. Reserve-Brigade, das 6. bayerische Reserve-Infanterie-Regiment, dessen Kommandeur Oberst List den Heldentod starb, wetteiferten um diesen Erfolg. Am Abend aber kam der Angriff des ganzen XV. Armeekorps vor der stark ausgebauten zweiten Stellung der Engländer Veldhoek - Ostsaum des Herenthage-Waldes zum Stocken.

Das II. bayerische Armeekorps gelangte unter mühevollem Ringen bis an die Waldränder westlich Hollebeke und den Ost Oosttaverne.

Die große Entscheidung des Tages lag an der Haupteinbruchsstelle Messines - Wytschaete. Das Oberkommando hatte die nur drei Regimenter starke 6. bayerische Reserve-Division aus der Reserve vorgezogen und links vom II. bayerischen Armeekorps so eingesetzt, daß sie zur Unterstützung der 26. Infanterie-Division beim Kampfe um Messines gegen Wytschaete vorgehen sollte. Bis zum Abend des 30. arbeiteten sich die Bayern auf Sturmentfernung an das Dorf heran. In der Nacht zum 1. November stürmte das bayerische Reserve- [405] Infanterie-Regiment 17 überfallartig den Ort, mußte aber gegen Tagesanbruch wieder an dessen Ostsaum zurückgenommen werden, da infolge unterbrochener Verbindungen die deutsche Artillerie das Feuer auf den Ort fortsetzte. Überdies kam es zu Verwechslungen zwischen verschiedenen bayerischen Regimentern, die sich gegenseitig beschossen. Mitten in diese Irrungen hinein stieß am Morgen des 1. November ein groß angelegter Vorstoß des gerade mit erheblichen Teilen auf dem Kampfplatz eingetroffenen französischen XVI. Armeekorps: die Bayern mußten Wytschaete räumen und klammerten sich im östlichen und südöstlichen Vorgelände des Ortes fest.

Der Sturm der 26. Infanterie-Division auf Messines wurde für den 31. Oktober vormittags angesetzt: Füsilier-Regiment 122 gegen Höhe 66 nördlich Messines, Infanterie-Regiment 125 gegen den Ostrand, Grenadier-Regiment 119 gegen den Südostrand, Infanterie-Regiment 121 in Reserve. Um die Mittagsstunde hatten die drei Regimenter vorderer Linie in ungestümem Anlauf die Dorfränder erreicht, um sich in den Ortsgassen unter wildem Ringen von Haus zu Haus bis zum Abend der Osthälfte des Dorfes zu bemächtigen. Die Pioniere mußten Mauern und Straßensperren sprengen; einzelne Geschütze wurden zur Niederlegung der Umfassungen ins Ortsinnere vorgeschleppt. Der Straßenkampf dauerte während der ganzen Nacht, Feind und Freund lagen sich mitten durch das Dorf Auge in Auge auf wenige Schritte gegenüber.

Am 1. November flammte die Schlacht wegen des Nebels erst um die Mittagsstunde wieder auf. Am rechten Flügel nahm das XXVII. Reservekorps Poezelhoek. Das XV. Armeekorps drang bis dicht an den Ostsaum des Herenthage-Waldes vor und setzte sich im Wäldchen nördlich Zandvoorde fest. Das II. bayerische Armeekorps schob sich unter hartnäckigen Einzelkämpfen gegen englische und indische Truppen beiderseits des Kanals sowie in den Waldgruppen westlich Hollebeke und Oosttaverne vorwärts.

Die 6. bayerische Reserve-Division, die nach dem Rückschlage der vorangegangenen Nacht sich östlich und südlich Wytschaete gesammelt und geordnet hatte, ging um Mittag des 1. November von neuem gegen das Dorf vor, drang am Abend in den Ostteil ein, um ihn von neuem wieder räumen zu müssen, gezwungen durch das feindliche Artilleriefeuer und durch den Gegenstoß sehr überlegener französisch-englischer Massen. Die 26. Infanterie-Division vollendete am 1. November die Eroberung von Messines und warf die Engländer in den Bachgrund des Steenebeek westlich des Dorfes zurück.

Am 2. November gewann auf dem äußersten östlichen Schlachtflügel das XXVII. Reservekorps in den Waldungen westlich Reutel, das XV. Armeekorps mit der 30. Infanterie-Division beiderseits der Straße Veldhoek - Schloß Hooge, mit der 39. Infanterie-Division im Herenthage-Wald und gegen Klein Zillebeke einigen Boden. Das II. bayerische Armeekorps lag in der Gegend Hollebeke - Oosttaverne fest und erwehrte sich scharfer feindlicher Gegenstöße.

[406] Da Wytschaete, der Brennpunkt der Entscheidung, sich noch immer in Händen des Feindes befand, setzte das Armeeoberkommando die ihm als Reserve zur Verfügung stehende 3. Infanterie-Division zum Entscheidungsstoß ein. Die 6. bayerische Reserve-Division wurde zum Sturm auf Wytschaete bestimmt, der 3. Infanterie-Division das Gelände südlich des Ortes als Angriffsstreifen überwiesen. Die Bayern nahmen das Tal in glänzendem Anlauf, sahen sich dann aber durch englisch-französische Gegenstöße in erbitterte Nahkämpfe um den Westteil, den vorgelegenen Park und um den Besitz der Windmühlenhöhe nördlich des Ortes verwickelt. Inzwischen hatte die 3. Infanterie-Division im Gelände südwestlich Wytschaete Boden gewonnen und warf das rechte Flügelregiment, Grenadier-Regiment 2, zur Unterstützung der Bayern in das Dorf. So gelang es, am Abend Wytschaete vollständig zu erobern, auch in der Nacht zum 3. gegen heftige feindliche Vorstöße zu halten. Vom 3. ab bauten die Deutschen Wytschaete und Umgebung zum Stützpunkt gegen englisch-französische Unternehmungen von Kemmel und St. Eloi her aus. Die Artillerie der Ententeheere hielt die von den Deutschen angelegten Stellungen unter schwerem Dauerfeuer.

Links der 3. Infanterie-Division beschränkte sich die 26. Infanterie-Division mit der Behauptung des Steenebeek-Abschnittes westlich Messines. Aus der 3. Infanterie-Division, der 52. Infanterie-Brigade, der 11. Landwehr-Brigade wurde, um die Gefechtsleitung einheitlich zu gestalten, die "Gruppe Urach" gebildet. Die 51. Infanterie-Brigade trat als Armeereserve zurück. Im Anschluß an Gruppe Urach hielt das Kavalleriekorps 1 das Gelände südlich Messines beiderseits der Douve und bei Ploegsteert fest. Am 4. November wurde Kavalleriekorps 1 durch Kavalleriekorps 2 abgelöst.

Zwar hatte der Angriff der Armeegruppe Fabeck bisher nur örtliche Erfolge gehabt, aber den Feind in die Verteidigung gedrückt. Es lag nicht in der Absicht der Obersten Heeresleitung, sich mit diesen Erfolgen zu begnügen und den Angriff aufzugeben. Er sollte vielmehr von neuem aufgenommen werden, um den Durchbruch auf Ypern nochmals zu versuchen, mindestens aber den Gegner am ungestörten Ausbau seiner Stellungen zu hindern. Dazu fand eine Umgruppierung zu dem Zweck statt, bei Gheluvelt - Zandvoorde den Einbruch zu erzwingen. Es wurden außer beträchtlicher schwerer Artillerie und bedeutenden Munitionsreserven überwiesen:

  • bayerische Kavallerie-Division dem XV. Armeekorps,
  • 3. Kavallerie-Division dem II. bayerischen Armeekorps,
  • zusammengesetzte Garde-Infanterie-Division
  • dem Gefechtsraum des XV. Armeekorps,
       (1. und 4. Garde-Infanterie-Brigade) Winckler
  • 4. Infanterie-Division
  • 25. Reserve-Division dem Generalkommando XIV. Reservekorps,
       unter das auch die 6. bayerische Reserve-Division trat ("Gruppe Gerok").

[407] Bis diese Verstärkungen aus anderen Fronten herausgelöst und hinter ihren neuen Angriffsabschnitten bereitgestellt waren, vergingen mehrere Tage. Inzwischen machte das XV. Armeekorps bedeutende Fortschritte und nahm, unterstützt von der 54. Reserve-Division, bis zum 8. November Teile von Veldhoek an der Straße Gheluvelt - Hoege, sowie Zwartelen an der Straße Zandvoorde - Zillebeke. Die eroberten Ortsteile und das waldige Zwischengelände wurden gegen französisch-englische Gegenstöße in lange hin- und herschwankenden Kämpfen festgehalten.

Links neben dem XV. Armeekorps kämpfte sich bis zum 10. November das II. bayerische Armeekorps bis auf die Höhen 58 und 50 südöstlich St. Eloi vorwärts. Wenn es auch nicht gelang, den Ort selbst, von einigen Häusergruppen abgesehen, zu nehmen, so wurde von den genannten Höhen aus doch zum erstenmal die deutsche Artilleriebeobachtung auf Ypern selbst möglich, das nur noch 4000 Meter vor der Front lag.

Die noch weiter links stehenden Teile der Armeegruppe Fabeck kamen bis zum 10. November nicht über geringe Geländegewinne im Park von Wytschaete, am Steenebeek-Bach westlich Messines und am Walde von Ploegsteert hinaus. Im wesentlichen lagen hier die Gruppen Gerok und Urach sowie das 2. Kavalleriekorps fest und mußten sich mit der Abwehr feindlicher Vorstöße begnügen.


Die Kämpfe der deutschen 4. Armee vom 1. bis 9. November.

Vom 1. bis 3. November fanden auf der Front der deutschen 4. Armee nur Artilleriekämpfe und unter dem Schutze der Vortruppen umfangreiche Umgruppierungen für neue Angriffe statt, die den Zweck haben sollten, den Gegner aus der Front vor der Armeegruppe Fabeck fortzuziehen. Dem Generalkommando XXII. Reservekorps wurde die Deckung des Raumes Seeküste - Dixmude übertragen, wozu ihm die 38. Landwehr-Brigade, die 4. Ersatz-Division und Teile der 43. Reserve-Division überwiesen wurden.

Die Masse der 4. Armee trat um die Mittagsstunde des 3. November mit folgenden Zielen zum Angriff an:

  • XXIII. Reservekorps Noordschoote - Bixschote,
  • III. Reservekorps, dabei 44. Reserve-Division, Het Sas - St. Julien,
  • XXVI. Reservekorps St. Julien - Frezenberg,
  • XXVII. Reservekorps Frezenberg bis Straße Veldhoek - Schloß Hooge.

Bis zum 5. abends hatte das XXIII. Reservekorps bei Bixschote einiges Gelände gewonnen, auch war die 5. Reserve-Division am rechten Flügel des III. Reservekorps bis nahe an Langemarck herangelangt. Hiermit waren aber auch für die folgenden Tage die Angriffsmöglichkeiten auf diesem Flügel erschöpft. Überwältigendes feindliches Artilleriefeuer, sehr stark besetzte Gräben- und Hindernislinien und heftige Gegenstöße setzten den ermüdeten deutschen [408] Truppen unüberwindlichen Widerstand entgegen. Dazu kamen regnerisches und nebliges Wetter und im Niederungsgelände die Überschwemmung. Auch Mangel an schwerer Artilleriemunition machte sich fühlbar. Die 4. Armee kam nicht mehr vorwärts. Nur am äußersten Nordflügel fiel ihr ein Erfolg zu. Nachdem am 4. November ein belgischer Vorstoß über Lombartzyde gescheitert war, wiederholten am 7. belgisch-französische Truppen den Angriff. Die 38. Landwehr-Brigade, 33. Ersatz-Brigade und Teile der gerade eintreffenden Marine-Division gingen zum Gegenstoß über und entrissen dem Feinde das Dorf Lombartzyde.


Letzte Durchbruchsversuche der deutschen 4. und 6. Armee.

Der 10. November wurde durch die Oberkommandos der deutschen 4. und 6. Armee zu einem großen Durchbruch in Aussicht genommen.

Bei der 4. Armee waren Kräfteverteilung und Angriffsstreifen die gleichen wie bisher. Nur das am linken Flügel befindliche XXVII. Reservekorps, dem das Garde-Jäger-Bataillon und zwei Maschinengewehr-Abteilungen überwiesen worden waren, nahm den Südflügel näher heran und setzte ihn von Reutel auf den Polygon-Wald an.

Am rechten Flügel der 4. Armee griff das XXII. Reservekorps Dixmude an. Die Franzosen hatten den Ort auf das sorgsamste befestigt. Das Vorgelände war an vielen Stellen versumpft; der hohe Eisenbahndamm bot gegen Süden und Südosten einen vortrefflichen Abschnitt; Bahnhofsbauten und Kirchhof stützten die Ostfront. Nach gründlicher Vorbereitung durch Artilleriefeuer und schwere Wurfminen begann am Morgen der Infanterieangriff, zu dem die 4. Ersatz-Division von Norden, die 43. Reserve-Division von Osten und Süden her vorgingen. Nach mehrmaligen vergeblichen Versuchen, die sich bis in die ersten Nachmittagsstunden hinzogen, gelang es der 43. Reserve-Division, Bahnhof, Kirchhof und Bahndamm zu nehmen und bei Einbruch der Nacht das ganze Dorf, das nur noch aus rauchenden Trümmern bestand, in ihre Gewalt zu bringen. Mehr als 1400 Gefangene blieben in Händen der Sieger. Wie bei den Stürmen auf Langemarck, so war auch hier das Lied "Deutschland, Deutschland über Alles" der Schlachtgesang der in Tod oder Sieg stürmenden jungen deutschen Truppen. Die Verfolgung kam an der Yser zum Halten, da der Feind die Brücke sprengte und der Fluß hoch angeschwollen war.

Auch dem XXIII. Reservekorps waren beträchtliche Erfolge beschieden. Es erreichte die Kanalstellung von Drie Grachten bis Het Sas, machte 1000 Gefangene und setzte sich am östlichen Kanalufer fest, ohne indessen der Überschwemmung wegen auf dem jenseitigen Ufer Boden gewinnen zu können.

Auf dem rechten Flügel des III. Reservekorps drangen die 44. Reserve-Division bis in das Waldstück südöstlich, die 5. Reserve-Division im Gelände westlich Langemarck, die 9. Reserve-Division bis vor St. Julien vor. Dagegen konnte die 6. Reserve-Division trotz allen Opfermutes das außerordentlich [409] widerstandsfähige, gleichsam zur Festung ausgebaute Langemarck nicht nehmen. Zum zweitenmal scheiterte die begeisterte Angriffsfreudigkeit der jungen deutschen Truppen unter sehr schweren Verlusten an der Ungunst der Verhältnisse und der besseren Kampfausbildung des überlegenen Gegners.

Das XXVI. und das XXVII. Reservekorps konnten nach geringen Anfangserfolgen keine Fortschritte gegen die unerschütterten feindlichen Stellungen bei Frenzenberg und am Polygon-Wald machen.

Bei der 6. Armee verzögerte sich der Angriff auf den 11. November, weil die Artilleriewirkung und das Eintreffen der letzten frischen Truppen abgewartet werden mußten. Es griffen an:

           Zusammengesetzte Garde-Infanterie-
                     Division Winckler
    Korps
    Plettenberg
     
    Armeegruppe
    Linsingen
              4. Infanterie- Division
           XV. Armeekorps
    zwischen Straße Gheluvelt - Schloß Hooge und Kanal Comines - Ypern,

          II. bayerisches Armeekorps auf Hollebeke Armeegruppe
    Fabeck
           6. bayerische Reserve-Division Gruppe
    Gerok
         25. Reserve-Division
           3. Infanterie-Division Gruppe
    Urach
         26. Infanterie-Division
         11. Landwehr-Brigade
    zwischen Kanal Comines - Ypern und dem Flüßchen Douve.

Während die 4. Armee den Feind am 11. November auf der ganzen Front durch Artilleriefeuer und Einzelinfanteriestöße festhielt, griff die 6. Armee mit voller Wucht an. Die zusammengesetzte Garde-Infanterie-Division Winckler trat 10 Uhr vormittags zum Sturm gegen den von der englischen Garde-Division besetzten Abschnitt Polygon-Wald - Nonnenbusch - Herenthage-Wald beiderseits der Straße Gheluvelt - Schloß Hooge an. Die besten Truppen der beiden gegnerischen Heere traten sich in einem Kampf von höchster Erbitterung gegenüber. Das 3. Garde-Regiment zu Fuß drang in den Polygon-Wald, das 1. Garde-Regiment zu Fuß über Gehöft Verbeek in den Nonnenbusch ein, wo das englische Königs-Regiment Liverpool ihm im Vorstoß begegnete. Regiment Franz stieß bis Schloß Veldhoek vor, sah sich aber durch englische Gegen- und Umfassungsstöße in den dichten Waldungen und Parkanlagen festgehalten. Links neben ihm rang im Herenthage-Wald Regiment Augusta. Der wechselvolle Kampf erlosch bei Eintritt der Dunkelheit damit, daß die preußische Garde sich zwar in den Wäldern behaupten, nicht aber bis an die Westausgänge gegen Ypern hin durchstoßen konnte.

Die 4. Infanterie-Division lief sich im Südteil des Herenthage-Waldes fest. Beim XV. Armeekorps waren die Fortschritte gegen die mit breiten Draht- [410] hindernissen verstärkten, noch nicht hinreichend erschütterten feindlichen Stellungen unerheblich. Vom Wert als Beobachtungspunkt gegen Ypern hin war aber die Besetzung der Höhe 60 bei Zwartelen. Das II. bayerische Armeekorps sicherte den Besitz des Dorfes Wytschaete mit nächster Umgebung. Bei Messines und auf dem äußersten Südflügel des weitgedehnten Schlachtfeldes machten die Deutschen keine Fortschritte, da sie das überwältigende Artilleriefeuer vom Kanal her und die vom Ploegsteert-Walde ausgehende Flankierung in den Schützengräben niederhielten.

Der 11. November war der letzte große Kampftag der Yser- und Ypern-Schlacht. Die nächsten Tage brachten nur noch Einzelkämpfe. Am 12. erweiterte Reserve-Infanterie-Regiment 201 den Brückenkopf von Dixmude auf dem westlichen Yser-Ufer. Ein starker feindlicher Überfall auf Bixschote wurde am 14. abgewiesen, nachdem der Gegner einige Anfangserfolge errungen hatte. Am gleichen Tage vervollständigte die 4. Garde-Infanterie-Brigade den Erfolg vom 11. dadurch, daß sie sich unter heftigem Kampf gegen englische Baumschützen in den Besitz des ganzen Herenthage-Waldes setzte. Am 13. nahmen die 6. bayerische Reserve-Division und die 3. Infanterie-Division den Rest des Parkes von Wytschaete und hielten ihn gegen französische Wiedereroberungsversuche.


Das Abbrechen der Schlacht.

Am 17. November faßten die Oberkommandos der deutschen 4. und 6. Armee den Entschluß, den Angriff einzustellen. Die Oberste Heeresleitung billigte ihn. Was die deutschen neu ins Feld geführten Truppen in diesen blutigen schweren Kämpfen leisteten, würdigte der damalige Chef des Generalstabes des Feldheeres in markingen Worten:

      "Geschickt von den Belgiern angewandte Überschwemmungen machten dem in gutem Fortschreiten befindlichen Angriff des rechten deutschen Flügels, bei dem der Hauptnachdruck lag, ein Ende. Die jungen Armeekorps fochten weiter südlich mit unvergleichlicher Begeisterung und unübertrefflichem Heldenmut. Die Nachteile ihrer notgedrungenen überhasteten Aufstellung und Ausbildung, ihrer Besetzung mit älteren, meist inaktiven Offizieren, da andere nicht zur Verfügung gestanden hatten, machten sich naturgemäß bemerkbar. Im besonderen traten bei der neu aufgestellten Feldartillerie Mängel auf, was bei der Knappheit der Munition um so stärker fühlbar wurde. Auch die Führung war nicht durchweg glücklich. Anfang November durfte sich die Oberste Heeresleitung nicht verhehlen, daß gegen den sich fortgesetzt verstärkenden Gegner ein weiterer durchschlagender Erfolg hier, namentlich im Überschwemmungsgebiet, nicht mehr zu erkämpfen war."

Außer der Erschöpfung der Truppen zwang aber auch die Gesamtkriegslage zur Einstellung der Kämpfe. Die Russen hatten ihre gewaltigen Truppenmassen neu geordnet und setzten sie gegen Westpolen und Westgalizien in [411] Marsch, um sich den Weg nach Thorn - Posen - Breslau sowie nach Krakau und über die Karpathen nach Ungarn zu öffnen. Mit den im Osten stehenden Kräften die "Dampfwalze" aufzuhalten, war unmöglich. Um sie mit Sicherheit abzuwehren, mußte die deutsche Oberste Heeresleitung alle irgendwie verfügbaren Kräfte aus der Westfront herausziehen und sie, ebenso wie die Masse der schweren Artillerie mit großen Munitionsvorräten, dem Oberbefehlshaber im Osten, Generaloberst v. Hindenburg, überweisen. So wurden aus der Front der Yser- und Ypern-Schlacht Mitte November schleunigst nach dem östlichen Kriegsschauplatz abbefördert: II., XIII. Armeekorps, III. Reservekorps, 2. Kavalleriekorps, durchweg hochbewährte Kampftruppen, dazu bedeutende Verbände schwerer Artillerie. Diese durch den Zwang der Lage gebotenen Abgaben wurden aber nur dadurch möglich, daß man sich in Belgien und Frankreich vorläufig zur reinen Verteidigung unter sorgsamster Ausnutzung aller technischen Hilfsmittel entschloß. So verschob sich der Schwerpunkt des Krieges vom Westen nach dem Osten. In Belgien und Frankreich entwickelte sich in steigendem Maße der "Schützengrabenkrieg" mit allen seinen Lasten, Nöten, Schrecken. Er sollte, von Angriffen geringeren Umfangs und dem zweiten Ypern-Angriff im April 1915 abgesehen, den deutschen Angriffsgeist nach Westen hin auf Jahre hinaus lähmen.

Das von der Obersten Heeresleitung erstrebte Ziel, der Besitz der Kanalhäfen, war nicht erreicht worden. Allein trotz des zu frühen Versagens der deutschen Angriffskraft war es anderseits dem deutschen Angriff gelungen, Boden zu gewinnen und vor allem die Absichten der Entente zu vereiteln. Die Umfassung und Niederlage des deutschen rechten Heeresflügels, um von dort aus die deutsche Gesamtfront aufzurollen, ist dem General French nicht gelungen. Seine Angriffe kamen auf der ganzen Front in rückläufige Bewegung, ja es bedurfte des Eingreifens sehr starker französischer Kräfte, um die bereits schwankende belgische und englische Front zu stützen und Ypern zu retten. Der große Gedanke der Ententeführung, der Stoß über Brüssel, verschwand angesichts der Angriffswucht der Deutschen während der Schlacht. Englischerseits war man allerdings schon zufrieden, eine Verteidigungsschlacht geschlagen und den deutschen Angriff zum Halten gebracht zu haben. Dieser Trost kam äußerlich dadurch zum Ausdruck, daß dem General French der Rang eines "Viscount of Ypres" verliehen wurde, in dem sich der Gedanke der Abwehr, nicht aber des Angriffs ausspricht.

Die deutsche Front war im Verlauf der mehr als vierwöchigen Schlacht überall vorgetragen worden. Sie hatte am Nordflügel Lombartzyde fest in Besitz genommen, wodurch die Häfen Ostende und Zeebrügge gedeckt wurden. Im Überschwemmungsgebiet war Dixmude in deutscher Hand. Der "Bogen um Ypern" stützte sich auf Bixschote, Poelkappelle, Passchendaele, das Waldgelände bei Gheluvelt, die Höhen bei Zwartele, St. Eloi, Wytschaete, Messines, einer eisernen Klammer vergleichbar.

[412] In dieser Linie gruben sich die Deutschen ein und hielten, trotz der ungeheuren Erschwernis durch den hohen Grundwasserstand, zäh in den nassen Gräben aus. Die Wiederaufnahme des Kampfes mußte der Zukunft vorbehalten bleiben. Sie erfolgte im April 1915 von deutscher Seite.

Der Weltkampf um Ehre und Recht.
Die Erforschung des Krieges in seiner wahren Begebenheit,
auf amtlichen Urkunden und Akten beruhend.
Hg. von Exzellenz Generalleutnant Max Schwarte