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Lage von Deutsch-Ostafrika.
Lage von Deutsch-Ostafrika.
II. Die einzelnen Kolonien
     vor und nach dem Kriege

1. Deutsch-Ostafrika

a. Geschichte, Erforschung, Erwerbung

Die ostafrikanische Küste, an der sich Deutschland vor 50 Jahren festsetzte, liegt in dem Teile des tropischen Afrikas, der eine verhältnismäßig bedeutende historische Vergangenheit aufzuweisen und starke Fremdeinflüsse erfahren hat. Im 16. Jahrhundert ließen sich die Portugiesen vorübergehend an der Küste nieder, wovon noch heute Ruinen ihrer Forts zeugen. Sie stießen auf arabischen und indischen Einfluß, der nach der kurzen portugiesischen Periode weiterwirkte. Besonders die politische Stellung der Araber festigte sich zu Beginn des vorigen Jahrhunderts und erhielt auch ihren äußeren Ausdruck durch die Verlegung der Residenz des Sultans von Oman nach Sansibar. Arabische Händler und Sklavenjäger zogen weit ins Innere Ostafrikas, ja bis ins Kongobecken, Elend und Schrecken um sich verbreitend. Im Handel Sansibars spielte der deutsche Kaufmann seit der Mitte des 19. Jahrhunderts die bedeutendste Rolle, auch hier, ohne staatlichen Schutz zu genießen, während deutsche Missionare im Lande wirkten. Zwei von ihnen, Krapf und Rebmann, entdeckten 1848 die Schneegipfel des Kilimandscharo. Das spätere Deutsch-Ost wurde von verschiedenen Afrikaforschern gequert oder berührt, die meist an der Lösung des Nilproblems arbeiteten, wie Livingstone, Burton, Speke, Stanley. Auch begegnen wir hier bereits Hermann Wissmann, der seine erste Durchquerung Afrikas 1882 in Bagamojo beendete.

In die Kolonialgeschichte tritt das Gebiet erst durch die Erwerbungen des genialen Dr. Karl Peters, dessen Name mit Deutsch-Ostafrika unlöslich verknüpft ist. Als Gründer der Gesellschaft für deutsche Kolonisation führte er zusammen mit Graf Pfeil und Dr. Jühlke 1884 seine folgenreiche Expedition nach Ostafrika aus, deren Ergebnis die vertragliche Erwerbung der Landschaften Useguha, Ukami, Usagara und Nguru war, für die ihm im Februar 1885 der kaiserliche Schutzbrief ausgestellt wurde. Der Sultan von Sansibar, der anfänglich Einspruch gegen die getroffenen Abmachungen erhob, mußte sich schließlich fügen. Gelegentlich der internationalen Verhandlungen von 1886, bei denen man die Ab- [67] grenzung der Kolonie in großen Zügen festlegte, wurde der von Peters inzwischen gegründeten Deutsch-ostafrikanischen Gesellschaft durch Überlassung von Pangani und Daressalam ein Zugang zur Küste gesichert. Als die Gesellschaft jedoch versuchte, ihre rechtliche Stellung auch wirtschaftlich und politisch geltend zu machen und zahlreiche Stationen gründete, brach der blutige Araberaufstand unter dem Arabermischling Buschiri aus (1888). Der starken Hand Hermann Wissmanns gelang es, im Zusammenwirken mit der Marine innerhalb eines Jahres die Aufständischen zu besiegen und das Land zu befrieden, das nunmehr 1890 in die Hand des Deutschen Reiches als Kolonie überging (s. oben S. 14/15). Deutschlands Stellung in Ostafrika wurde durch den Sansibarvertrag von 1890 eingeengt, indem alle die inzwischen erworbenen Besitzrechte auf Wituland (Gebrüder Denhardt) und Uganda (Karl Peters), sowie die Ansprüche auf Sansibar zugunsten Englands aufgegeben wurden gegen das unscheinbare Helgoland. Erst der Weltkrieg hat gezeigt, was uns dieses Felseneiland vor der Deutschen Bucht wert war. Die folgenden Jahre brachten dann ein schnelles Vordringen der deutschen Flagge bis an die großen Seen, und die Errichtung von Militärstationen, jedoch nicht ohne kriegerische Maßnahmen und Expeditionen, die manches Opfer forderten, so die Züge gegen die Massai, Wadschagga, Wahehe und Wangoni. An der Sicherung und Befestigung des Landes haben außer Peters und Wissmann Männer wie v. Ramsay, v. Schele, R. Schmidt, v. Zelewski, Prince und Langheld mitgewirkt.

War auch der Aufbau unseres Schutzgebietes infolge der früheren Reisen in großen Zügen bekannt, so bedurfte es doch intensiver Forschungsarbeit, um Land und Volk genauer kennenzulernen. An dieser großen Aufgabe haben hier wie sonst Offiziere, Beamte, Gelehrte und Missionare gearbeitet und hervorragende Leistungen vollbracht. Einige sind bereits erwähnt, genannt mögen ferner werden: Dr. Stuhlmann, Dr. Baumann, Herzog Adolf Friedrich zu Mecklenburg, v. Prittwitz und Weiß, die Geologen Borchardt und Dantz, wie der Engländer Thomson, die Meteorologen Maurer und Uhlig, der Botaniker Mildbread, die Zoologen Neumann, Fülleborn (zugleich Tropenmediziner, später Leiter des Instituts für Schiffs- und Tropenkrankheiten in Hamburg) und Schillings, die Geographen H. Meyer, Uhlig, Jäger, Obst, der Ethnologe Weule. Studien über die wirtschaftlichen Möglichkeiten und Versuche zu ihrer Ausnutzung verdanken wir u. a. Dr. Stuhlmann, Fuchs, Hin- [68] dorf, Busse. Schließlich müssen auch die Tropenärzte erwähnt werden, die der Forschung und der Organisation der Seuchenbekämpfung ihre Arbeit gewidmet haben, wie Steuber, Steudel, Fülleborn, Meixner, Kleine, Taute.

 
b. Das Land

Deutsch-Ostafrika war Deutschlands größtes und volkreichstes Schutzgebiet. Es wies mit einer Fläche von 995 000 qkm fast die doppelte Größe des alten Deutschen Reiches auf. Das zwischen dem 1. und 11° südlicher Breite und dem 30. und 40° östlicher Länge gelegene Land grenzte im O an den Indischen Ozean, im N und NO an britisches Gebiet, im W an Belgisch-Kongo, im SW an das britische Südafrika und im S an Portugiesisch-Ostafrika. Vor der 1000 km langen Küste liegen die in englischem Besitz befindlichen Inseln Sansibar und Pemba; nur Mafia war in deutscher Hand.

Die landschaftliche Gliederung ist verhältnismäßig einfach: der größte Teil des Schutzgebietes wird von einem mächtigen Hochlande eingenommen, das im N ziemlich nahe an die Küste herantritt, aber nach S weiter ins Innere zurückweicht. Mit steilem, stark zerschnittenem Rande, der von einzelnen höheren Gebirgsinseln durchsetzt ist, bricht das Binnenhochland ab gegen das im N schmale, im S sich verbreiternde Küstentiefland. Der Küste vorgelagert ist eine Zone von Korallenriffen. Das Binnenhochland, aus Gneisen, Graniten und Schiefern aufgebaut, weist eine durchschnittliche Meereshöhe von 1000 m auf. Es ist eine eintönige, wellige Rumpffläche von mächtiger Ausdehnung, z. T. ohne jeden Abfluß. Die Oberfläche bildet eine Decke von grauem oder rötlichem laterischem Lehm, der wasserdurchlässig und nährstoffarm ist und den Pflanzenwuchs wenig begünstigt. Nach N senkt sich das Land allmählich zu einem großen, flachen Hochbecken, dem Victoriasee (70 000 qkm und 1134 m Seehöhe). Nach W wird das Hochland durch eine tiefe Senke begrenzt, den zentralafrikanischen Graben, das Kernstück der ostafrikanischen Bruch- und Grabengebiete. Er verläuft in nordsüdlicher Richtung und wird streckenweise von Seen erfüllt, deren wichtigster und größter der Tanganjikasee, deren landschaftlich schönster der Kiwusee ist. Der Tanganjikasee, 650 km lang, bis 70 km breit, hat eine Oberfläche von 32 000 qkm und trägt die Grenze gegen Belgisch-Kongo. Die Ränder des Grabens sind sehr steil und besonders im N von Vulkanen begleitet. Während der zentrale Graben mit dem S-Ufer des Tanganjikasees endet, findet das Grabensystem eine Fortsetzung nach S in der östlich sich [69] anschließenden Njassasenke, die den See gleichen Namens enthält und ebenfalls von heute erloschenen Vulkanen umrahmt ist. Ein nördliches Gegenstück hierzu ist der wesentlich kleinere "ostafrikanische Graben", in dem u. a. der Natronsee sowie der Njarasasee liegen. Diese geologische Störungszone ist wieder durch eine Vulkangruppe gekennzeichnet, die sogenannten Niesenkrater, an die sich östlich der Meru (4730 m) und der schneebedeckte Kilimandscharo (6010 m), der höchste Berg Afrikas, anschließen. Das die innere Hochfläche vom Küstentiefland trennende Randgebirge erhebt sich bis zu 2000 m und darüber; es ist in einzelne nach O vorspringende Berggruppen aufgelöst, die verschiedene Namen tragen: im nördlichsten Teile finden wir die Berge von Usambara und Pare, das Ulugurugebirge, die Gebirgszüge von Uhehe und das Livingstonegebirge (bis 3400 m). Starke Zertalung, durch reiche Niederschläge bedingte dichte Vegetation und angenehmes Klima machen diese Landschaften zu den reizvollsten und bevorzugtesten der Kolonie.

Das Küstentiefland, das bei Tanga im N des Schutzgebietes nur etwa 30 km Breite besitzt, reicht auf der Breite von Kilwa über 400 km landeinwärts, um sich dann etwas zu verschmälern. Es ist ein flaches, langsam bis 500 m ansteigendes Tafelland, dessen Küstenzone samt den vorgelagerten Inseln Korallenkalke aufbauen, die nach dem Inneren von Tonschiefern, Sandsteinen und älteren Kalkschichten abgelöst werden.

 
c. Klima

Das Klima ist der Breitenlage entsprechend rein tropisch und durch Wechsel von Regen- und Trockenzeiten bestimmt. Während aber der N des Schutzgebietes etwa nördlich der Zentralbahn noch zwei Regenzeiten (Mitte März bis Ende Mai, Mitte Oktober bis Mitte Dezember) aufweist, fallen südlich die Niederschläge nur in einer Regenperiode, im Südsommer, die sich allmählich von fünf auf vier Monate verkürzt. Die Regenhöhe bleibt, von lokalen Ausnahmen abgesehen, weithin unter 1000 mm und ist damit wesentlich niedriger als es die geographische Lage vermuten lassen sollte. Die weite Erstreckung des Schutzgebietes sowie die unterschiedlichen Höhenlagen lassen es verständlich erscheinen, daß die Regenmengen recht ungleich verteilt sind. Die Küste und die Randgebirge, in denen der Wechsel von Monsun und Passat sehr ausgeprägt ist, haben 1200–3000 mm Regenhöhe, wohingegen die im Regenschatten liegenden Hochflächen und Gräben mit weniger als [70] 750 mm, vereinzelt sogar mit 300 mm, sehr trocken sind. Die Temperaturen sind ebenfalls echt tropisch und bewegen sich mit geringer jährlicher Schwankung um 25°. Wegen seiner Schwüle besonders schwer erträglich ist das Klima der Küstenzone, während das Hochland, in erster Linie die Randgebirge, mit trockener Wärme und belebender Nachtkühle auch Europäern zuträglich ist.

 
d. Das Pflanzenkleid

Das Pflanzenkleid ist bestimmt durch Höhenlage und Klima, und demzufolge sehr mannigfaltig. Üppiger Urwald gedeiht in den regenreichen Usambarabergen und im Ulugurugebirge. In höheren feuchten Lagen findet sich Nebelwald, der in einer Höhe von über 1800 m Hochweiden Platz macht. Die Küste säumt ein Mangrovegürtel, die Tieflandflüsse begleiten Galeriewälder. Aber diese Formationen sind örtlich beschränkt, weitaus den größten Teil des Landes nehmen Steppe und Savanne ein, die je nach der Feuchtigkeit als reine Grassteppe, als Baumgrassteppe (Savanne) oder als Trockenwald (Miombo) auftreten. Besondere Erwähnung verdient die wegen ihrer Wasserarmut schwer durchgängige Massaisteppe.

 
e. Gewässernetz

Am Gewässernetz ist bemerkenswert, daß das Schutzgebiet selbst gemäß den geringen Niederschlägen keine großen Flüsse aufweist. Die wichtigsten sind der streckenweise schiffbare Rufidji, der Wami, der Pangani und der südliche Grenzfluß Rowuma. Andererseits umschließt Deutsch-Ostafrika die Wasserscheide zwischen dem Atlantischen Ozean, dem Mittelmeer und dem Indischen Ozean, und es hat Anteil an den größten Seen des Kontinents. Schließlich verfügt es auch über große abflußlose Gebiete im Inneren. Unausgeglichener Lauf, Sandbänke, Schnellen und stark schwankender Wasserstand setzen die Bedeutung der Flüsse als Wasserstraßen sehr herab.

 
f. Tierwelt

Das Land hat eine reiche tropische Tierwelt, die infolge von Schutzmaßnahmen hier besser erhalten ist, als in den meisten anderen Gebieten Afrikas. Der Wildreichtum der ostafrikanischen Steppen ist berühmt: an Raubtieren kommen vor Löwen, Leoparden, Schakale, Hyänen; in großen Rudeln treten Büffel und Antilopen auf, die in zahlreichen Arten vertreten sind. Im Buschwald begegnet man Elefanten und Nashörnern, in Flüssen und Seen finden sich [71] Flußpferde und Krokodile. Der dichtere Wald beherbergt Affen, Meerkatzen und eine reiche Vogelwelt.

 
g. Bevölkerung

Die Eingeborenenbevölkerung Ostafrikas wurde 1913 auf etwa 8 Millionen Köpfe geschätzt. Abgesehen von der engsten Küstenzone und dem Hinterland der Häfen ist das Küstentiefland nur schwach besiedelt; der überwiegende Teil der Bevölkerung bewohnt die Randgebirge und Hochebenen. Eine ungewöhnlich hohe Dichte besitzt die NW-Ecke, die die Sultanate Ruanda und Urundi umfaßt, nämlich Ruanda bei einer geschätzten Kopfzahl von 2 Millionen Einwohnern etwa 70 pro qkm, Urundi bei einer geschätzten Kopfzahl von 1½ Millionen etwa 52 pro qkm. Ostafrika ist ethnographisch ein Übergangs- und Durchgangsland, das viele Völkerbewegungen erlebt hat, was sich in seiner heutigen Bevölkerungszusammensetzung deutlich ausprägt. Die Eingeborenen sind zum überwiegenden Teile Bantuneger, daneben kommen Völkerstämme hamitischer Abkunft vor, die von N und NW eingewandert sind (Niloto-Hamiten). Zu ihnen gehören die einstmals als wilde Räuber gefürchteten Massai, die sich zwischen die Bantu der Küste und des inneren Hochlandes eingedrängt haben. Das Küstenland ist größtenteils von Suaheli bewohnt, Bantunegern, die eine starke Beimischung arabischen Blutes in sich aufgenommen haben. Ihre Sprache, das Kisuaheli, hat als allgemeine Verkehrssprache für Ostafrika große Bedeutung und ihre Kenntnis ist weit verbreitet. Trotz der Verwandtschaft der einzelnen Sprachen ist eine Verständigung doch nur mit Hilfe einer gemeinsamen Verkehrssprache möglich.

Das bedeutendste Bantuvolk im Inneren sind die Wanjamwesi, die das Hochland südlich des Victoriasees bewohnen. Sie hatten stark unter den Raubzügen der arabischen Sklavenhändler zu leiden, ebenso wie ihre kleineren Nachbarstämme, bis es einem eingeborenen Häuptling, Mirambo, gelang, die arabische Macht zu brechen und ein eigenes Reich zu gründen, das erst nach seinem Tode 1886 zerfiel. Die Wanjamwesi gehören zu den wertvollsten Bevölkerungselementen des ganzen Gebietes und waren als Träger, Askari und Arbeiter unentbehrlich. Bedeutung erlangten auch die Wahehe im SW der Kolonie, die, von Zulukaffern von S bedrängt, nach N auswichen und lange auch der Errichtung der deutschen Oberhoheit blutigen Widerstand leisteten (Vernichtung der v. Zelewskischen Expedition 1891). Eine eigenartige Erschei- [72] nung sind die Staatengründungen der hamitischen Watussi und Wahuma, die die Sultanate Ruanda und Urundi im Zwischenseenbezirk sowie Sultanate am Victoriasee gründeten und auch auf Unjamwesi einwirkten. Die von NW kommenden kriegerischen Eindringlinge haben sich als viehzüchtende Herrenschicht über die unterworfene ackerbautreibende Bantubevölkerung (in Ruanda Wahutu) gesetzt und sich ziemlich rein erhalten. Die Sonderstellung dieser Sultane, die über mehr oder weniger organisierte Staatswesen herrschten, hat die deutsche Regierung anerkannt, von der Aufrichtung einer deutschen Verwaltung abgesehen und nur Residenten eingesetzt.

Von fremdländischer Bevölkerung sind noch zu nennen die Araber (Maskat und Schihiriaraber, mehr als 4000 Köpfe stark), die, obwohl sie ihre politische Stellung eingebüßt haben, wirtschaftlich von Bedeutung sind, aber mit der Aufrichtung der deutschen Herrschaft ihre politische Rolle ausgespielt haben. Dazu treten in ständig wachsender Zahl Inder (1912: 8800), die als Händler und Handwerker eine Mittlerstellung zwischen Europäern und Eingeborenen einnehmen, ohne jedoch im Lande ansässig zu werden; ferner Perser, Türken, Goanesen, Syrer und Ägypter, insgesamt fremde Farbige etwa 15 000 (1913).

Die weiße Bevölkerung hat bis zur Jahrhundertwende langsam zugenommen, zeigte dann aber mit der Befriedung und Erschließung des Landes ein bedeutendes Wachstum. Jedoch entsprach es dem noch immer jugendlichen Stadium der Kolonisation, daß der Anteil der nichterwerbstätigen Bevölkerung, wie Schutztruppenangehörige, Beamte, Missionare, noch immer beträchtlich war. Während aber die Gesamtbevölkerung von 1900 bis 1913 von 1131 auf 5536 zugenommen hat, war die Zahl der obengenannten Gruppen nur etwa auf das Doppelte gestiegen. Einen besonders starken Zuwachs zeigten die Berufsgruppen der Pflanzer und Farmer von 90 auf 882, sowie der Techniker und Handwerker von 73 auf 707. Der Staatsangehörigkeit nach waren etwa vier Fünftel der Weißen Reichsdeutsche, es folgten Kolonialengländer, meist Buren, dann Griechen und Italiener. Der Rest verteilte sich auf verschiedene Nationen. Während sich die Einwanderer in der ersten Zeit überwiegend in den Küstenlandschaften aufhielten, hat später eine bemerkenswerte Verschiebung nach dem Innern stattgefunden unter besonderer Bevorzugung der Hochländer des N. (Hierüber Näheres im Kapitel Besiedelung.)

[73]
h. Die Wirtschaft

(i) Handel

Schon einleitend war die Rede davon, daß Deutsch-Ostafrika vor seiner Erklärung zum Schutzgebiet ein einträgliches Betätigungsfeld arabischer, hier und dort auch indischer Händler und Sklavenhalter war, denen erst durch Wißmann das Handwerk gelegt wurde. Als somit der Sklavenhandel aufhörte, blieb neben dem Elfenbein kaum ein Ausfuhrgut von Bedeutung übrig. Denn der landesübliche Karawanenverkehr mit Trägern konnte nur hochwertige Güter befördern, bei denen Transportkosten und Reisedauer von untergeordneter Bedeutung waren. Dann brachten die Anlage von Plantagen und die Eröffnung des Hinterlandes neues Leben, und zuerst langsam, gelegentlich von Rückschlägen unterbrochen, dann seit 1903 rasch steigend haben Einfuhr und Ausfuhr zugenommen. Hierfür mag die folgende Übersicht zeugen:

    1891     1903     1907     1910     1912     1913

Gesamthandel 16,5 18,2 36,3 59,5 81,7 88,9
Einfuhr 9,0 11,2 23,8 38,7 50,3 53,4
Ausfuhr 7,5 7,0 12,5 20,8 31,4 35,3

In der Zusammensetzung der Ausfuhr ging allmählich ein Wandel vor sich, der den Fortschritt der Wirtschaft deutlich erkennen läßt. Noch um die Jahrhundertwende machten die von Wildgewächsen gewonnenen Erzeugnisse ⅔ der Ausfuhr aus, während die landwirtschaftliche Produktion ⅓ bestritt. Bereits 1910 war, abgesehen von der beträchtlichen Steigerung der Handelswerte, eine Umkehr der Verhältnisse eingetreten. Zugleich bedeutete das aber auch, daß die Plantagenerzeugnisse wie Sisal und Kautschuk nunmehr den Vorrang auch in der Produktion, soweit sie zur Ausfuhr gelangten, einnahmen. Die wichtigsten Ausfuhrartikel waren 1913, in Klammern 1912, dem Werte nach in Millionen Mark: Sisalhanf 10,71 (7,36); Plantagenkautschuk 6,16 (7,23); Wildkautschuk 0,48 (1,19); Häute und Felle 5,49 (4,06); Baumwolle 2,41 (2,11); Kopra 2,34 (1,53); Erdnüsse 1,92 (1,27); Wachs 1,41 (2,83); Kaffee 0,93 (1,09); Gold 0,67 (0,53); Elfenbein 0,23 (0,36). Hiervon entstammten europäischen Unternehmungen Sisal, Plantagenkautschuk und Gold, gemischten Ursprungs waren Kaffee, Baumwolle, Kopra. Die Eingeborenenwirtschaft lieferte Wildkautschuk, Häute und Felle, Erdnüsse, Wachs und Elfenbein.

[74] Während der Handel des Landes sich ursprünglich nur über die Küstenplätze bewegte, hat seit der Fertigstellung der britischen Ugandabahn der Handelsverkehr der Binnenplätze am Victoriasee, wie Muansa und Bukoba einen starken Aufschwung genommen und betrug in Aus- und Einfuhr je ⅙ des Gesamthandels. Auf diesem Wege gingen überwiegend die Erzeugnisse des viehreichen Zwischenseengebietes über die Grenze wie Häute und Felle und lebendes Vieh, der sogenannte Bukobakaffee und Reis. Alle diese Güter entstammte zum größten Teil der Wirtschaft der Negerbevölkerung. Die aufsteigende Einfuhrkurve war nicht nur durch den bedeutenden Import von Bau- und Ausrüstungsmaterial für Eisenbahnen, Pflanzungen und industrielle Anlagen beeinflußt, sondern vor allem kam in ihr die ständig wachsende Kaufkraft der farbigen Bevölkerung zum Ausdruck. Den Hauptposten stellten Baumwollwaren und Gewebe aller Art dar, hinter denen die sonstigen Bedarfsartikel an Wert weit zurückblieben; immerhin war noch eine bedeutende Reiseinfuhr zu verzeichnen. Der Handel lag meist in deutscher Hand, doch waren auch englische und indische Handelshäuser tätig. An der Ein- und Ausfuhr war das Deutsche Reich mit je über 50% beteiligt. Die wichtigsten Handelsplätze waren Daressalam (vorwiegend Einfuhr) und Tanga (vorwiegend Ausfuhr), in weitem Abstande folgten Bukoba und Muansa im Seengebiet und Lindi an der südlichen Küste. Die früher wichtigen Orte wie Bagamojo, Pangani, Kilwa hatten sehr an Bedeutung verloren. Der früher übliche Tauschhandel ist im Lauf der Entwicklung mehr und mehr von Barverkehr abgelöst worden. Den Kleinhandel mit den Eingeborenen besorgten meist die Inder. Ob ihre wirtschaftliche Funktion für das Land von Segen ist, ist umstritten. Vermöge ihrer Bedürfnislosigkeit machen sie den Weißen einen gewinnbringenden Handel unmöglich, während die Eingeborenen über wucherische Ausbeutung Klage führen.

 
(ii) Eingeborenenproduktion

Aus der reichen Produktion der Eingeborenen gelangte zunächst mangels Transportmöglichkeiten verhältnismäßig wenig in die Ausfuhr. Ihre wirtschaftliche Tätigkeit richtete sich erst langsam neben der Versorgung des Eigenverbrauches auf die Gewinnung von Ausfuhrgütern. Die erste Stufe hierbei ist die Ausnutzung wildwachsender Gewächse oder frei lebender Tierbestände, die zweite die Erzeugung von landwirtschaftlichem Überschuß oder der Anbau [75] reiner Ausfuhrgewächse. Zu den Wildprodukten gehörte der Kautschuk, der von einer Lianenart (Landolphia) gewonnen wurde. Infolge des herrschenden Raubbaus, bei dem die Lianen meist vernichtet wurden, waren die Waldbestände des N bald erschöpft, so daß die Produktion unter ständigem Rückgang sich nur noch im S des Landes halten konnte. Eine Ersetzung des Ausfalles hat indessen durch die Plantagen des N stattgefunden. Hier und dort haben die Neger schon Anpflanzungen nach europäischem Muster vorgenommen. Ähnlich war es mit dem Elfenbein. Die früher im Lande vorhandenen Vorräte haben infolge des intensiven Handels der Araber eine erhebliche Herabminderung erfahren. Der Bestand an Jagdelefanten hat sich infolge der dauernden Verfolgungen durch Eingeborene und Europäer stark verringert. Der Ausrottung wurde jedoch durch allgemeine Jagdschutzverordnungen und Schaffung von Wildreservaten vorgebeugt. Jedenfalls ist das Elfenbein aus der Reihe der wichtigen Exportgüter ausgeschieden. Das gleiche gilt für andere Jagderzeugnisse, wie Hörner, Zähne, Felle. Weitere wichtige Sammelprodukte sind Kopalharz, ein fossiles Harz, das gegraben und in der Lackherstellung verwendet wird, und Bienenwachs, z. T. aus wilden Beständen, z. T. aus der Bienenzucht der Eingeborenen. Hauptmarkt war Tabora.

Von erheblich größerer Wichtigkeit wurde jedoch die Eigenerzeugung, sobald ausreichende Verkehrsmittel den Absatz ermöglichten. Der Ugandabahn wurde bereits gedacht, die die Produktion der Randgebiete des Victoriasees belebt hat. In gleicher Weise wirkte die Zentralbahn Daressalam – Tabora – Kigoma (1250 km) für die küstennahen Bezirke, während für die entfernter gelegenen Gegenden wegen ihrer späten Fertigstellung 1914 die Vorteile für den Außenhandel noch nicht entsprechend stark hervortraten.

Der Eingeborenenlandwirtschaft entstammten die Erdnüsse und Reis im Zwischenseengebiet, sowie die Kopra, die getrockneten, ölhaltigen Früchte der Kokospalme, aus der Küstenzone. Weitere Produkte waren Weizen, Mais, Negerhirse, Hülsenfrüchte, Bananen, Zuckerrohr, Sesam, Süßkartoffeln, Ölfrüchte. Auch einige nichteinheimische Exportkulturen hatten schöne Erfolge aufzuweisen, vor allem die Baumwolle, um deren Einführung sich das Gouvernement und das kolonialwirtschaftliche Komitee große Verdienste erworben haben, und um deren Produktion sie sich weiter sehr bemühten mit dem Ergebnis, daß eine hochwertige Baumwolle erzeugt wurde, deren Anbaufläche 1912/13 15 600 ha betrug. So [76] konnte sie als aussichtsreiche Volkskultur angesehen werden. Auch die Kaffeekulturen der Eingeborenen (sogenannte Bukobasorte) zeigten erfreuliche Fortschritte; die erste Ausfuhr fand 1904 statt und 1912 konnten bereits 672 t exportiert werden. Neben den durch Bodenanbau erzeugten Gütern spielten die Produkte der Viehhaltung eine große Rolle. Der Viehbestand, der durch die Rinderpest 1892/3 stark geschädigt worden war, hatte nach Schätzungen mit 2 Millionen Stück Rindern, 5 Millionen Stück Kleinvieh den früheren Stand wieder überschritten. Die Viehhaltung ist durch die Tsetsekrankheit auf gewisse Teile des Landes beschränkt. Die nordwestlichen Gebiete haben durch die bereits erwähnte Ugandabahn eine Absatzmöglichkeit erhalten, während für die übrigen die geeigneten Verkehrswege gerade fertiggestellt, bzw. im Bau waren.

 
(iii) Europäische Unternehmungen

Schon die Ausfuhrziffern zeigten uns, in wie großem Maße der wirtschaftliche Aufschwung europäischem Unternehmungsgeist zu verdanken ist, der mit Hilfe bedeutender Kapitalien die Pflanzungen ins Leben rief. Aber wir müssen uns doch auch noch einmal vor Augen halten, daß bei der Gründung der Kolonie Dr. Carl Peters unter anderem der Gedanke leitete, Land für deutsche Auswanderer zu erwerben und Deutsch-Ostafrika zu einer Siedlungskolonie zu machen. Das ist nur in bescheidenem Umfange möglich gewesen. Im folgenden soll zunächst die Plantagenwirtschaft und ihre Nebenbetriebe behandelt werden, ein weiterer Abschnitt wird der europäischen Besiedlung gewidmet sein.

 
(iv) Plantagen

Für den Plantagenbau kommt hauptsächlich das tiefergelegene, eigentlich tropische Gebiet in Frage, das sich in Deutsch-Ostafrika in ausreichendem Maße befindet. Da die fraglichen Flächen in der Nähe der Küste schwach besiedelt waren, boten sich Ausdehnungsmöglichkeiten, ohne daß Konflikte wegen des Landbesitzes mit der eingesessenen Bevölkerung eintraten; andererseits rührt hierher die Notwendigkeit, fremde Arbeiter für die Pflanzungen heranzuziehen.

Bald nach der Erwerbung des Gebietes begannen einige Gesell- [77] schaften mit Plantagenbau, wobei zunächst Kaffee und Tabak gepflanzt wurden. Im Panganital wurde der Versuch gemacht, von Arabern angelegte Rohrzuckerpflanzungen zu erweitern. Fehlschläge blieben nicht aus, und Ostafrikas Gesellschaften haben teures Lehrgeld zahlen müssen. Als vorteilhaft hatte sich die Einführung der Sisalagave erwiesen, die seit 1892 versuchsweise angepflanzt wurde, seit 1902 die erste nennenswerte Ausfuhr lieferte, und, wie erwähnt, schließlich an der Spitze aller Produkte stand. Infolge der schwierigen Aufbereitung des Produktes, dessen Gewinnung nur bei Massenverarbeitung rentabel ist, waren die Sisalpflanzungen ausgesprochene Großbetriebe mit industriellem Charakter. Die Standorte der Sisalpflanzungen lagen an den Usambarabergen, am Rufidji, sowie im Hinterlande des Hafens Lindi. In den gleichen Gebieten lagen, ebenso transportorientiert, die Baumwollpflanzungen, die seit der Jahrhundertwende angelegt worden waren und z. T. beste technische Ausrüstung wie Dampfpflüge usw. besaßen. Die nach langen Versuchen ausgewählten Sorten erzielten hohe Preise. An Anbaufläche standen die Plantagen noch hinter den Volkskulturen zurück. Jedoch waren die Aussichten auch für europäische Pflanzungen durchaus gut. Der Kaffee, auf den man anfangs große Hoffnungen setzte, hatte nicht alle Erwartungen erfüllt. Abgesehen von den Schwankungen des Weltmarktpreises, die eine Unsicherheit für die Pflanzungen mit sich brachten, führten mangelnde Erfahrung und zu kostspielige Betriebsführung manchen Fehlschlag herbei. Die letzten Vorkriegsjahre sahen jedoch eine erfreuliche Entwicklung des Kaffeebaus, der seinen Hauptsitz im Usambarabergland hatte. – Dem Plantagenkautschuk war es dank intensiver Auspflanzung von Bäumen der Art Mannihot glaziovii ziemlich gut gelungen, den Ausfall des Wildkautschuks wettzumachen. Die Küstenbezirke wiesen ständig wachsende Anbauflächen auf, von denen ein großer Teil noch nicht zapfreif war, als der Zusammenbruch des Weltkautschukmarktes, hervorgerufen durch die Ausdehnung der Kautschukkultur in Ostasien (Malakka und Ceylon) und im Malaiischen Archipel, auch die ostafrikanischen Pflanzungen schwer traf. Weitere Anbauversuche waren mit Tabak, Tee, Kakao und Vanille gemacht worden. Große Verdienste hat sich das Biologische Institut in Amani (gegründet 1902) um die landwirtschaftliche Produktion erworben. Hier wurde von einem Stabe von Fachleuten unter der Leitung von Stuhlmann, dem berühmten Afrikareisenden, [78] später von Zimmermann, eine Versuchs- und Forschungsarbeit geleistet, die den Ruf der Anstalt in alle Tropenländer trug.

Eine Schwierigkeit für die weitere Ausdehnung der Pflanzungen brachten die Arbeiterverhältnisse mit sich. Das schwach besiedelte Usambaraland hatte schließlich einen Arbeiterbedarf von 50 000 Mann, während 20 000 in den übrigen Pflanzungsgebieten benötigt wurden. 20 000 Mann arbeiteten im Eisenbahnbau und Eisenbahnbetrieb, etwa ebensoviel als ständige Träger. Unter Einrechnung der in der Verwaltung, bei Behörden und Firmen stehenden Eingeborenen sowie der Askari kommt man auf eine Zahl von 140–150 000 Eingeborenen im europäischen Dienst. Es war daher in den letzten Jahren schwierig, Arbeiter in genügender Zahl zu bekommen, um so mehr als das Gouvernement die Vorschriften über Anwerbung, Dienstzeit und Sorge für die eingeborenen Arbeiter verschärfte.

 
i. Europäische Besiedelung

Während das feucht-tropische Küstengebiet mit häufig vorkommenden tropischen Krankheiten für die europäische Daueransiedelung ungeeignet ist, liegen die Verhältnisse günstiger in den Hochebenen des Inneren sowie in den höheren Randgebirgen. Die größeren Temperaturschwankungen mit angenehmer Nachtkühle und die größere Lufttrockenheit, die auch die Tagsshitze erträglich macht, gestatten den Europäern dauernden Aufenthalt und körperliche Arbeit auch im Freien. Voraussetzung für die Besiedelung ist jedoch, daß die in Frage stehenden Landstriche frei sind von tropischen Krankheiten wie Malaria. Im großen gesehen decken sich klimatisch günstige und fieberfreie Gebiete. Über die Größe des besiedelungsfähigen Landes gehen die Schätzungen weit auseinander, von 35 0000–100 000 qkm, wobei die erste Zahl die für Europäer geeigneten, jedoch von den Eingeborenen bereits dicht besetzten Zwischenseenlandschaften einschließt. Wichtig für die Dauerbesiedelung ist ferner, daß die wirtschaftliche Grundlage gesichert ist; und diese dürfte im gegenwärtigen Entwicklungszustand des Landes nur eine auf Export gerichtete Produktion sein, während außerdem der Eigenbedarf an Lebensmitteln durch eigenen Anbau gesichert werden müßte. In Usambara und anderen hochgelegenen Gegenden kommt Getreide wie Weizen, Hafer, Gerste gut fort, und können Hülsenfrüchte, Gemüse und Obst gezogen werden. Auch für Viehzucht sind jene Landesteile sehr geeignet. Wegen der Abfuhr der Exportprodukte waren die Siedler in erster Linie auf [79] die Gebiete angewiesen, die durch Eisenbahnen bedient wurden. Das Hauptsiedelungsgebiet lag an der Nordgrenze der Kolonie am Kilimandscharo und Meru in den Bezirken Moschi und Aruscha sowie in den Usambarabergen (Bezirk Tanga). Neben deutschen Auswanderern saßen dort auch Buren, Deutschrussen, Palästinadeutsche, Griechen und Italiener. Nicht alle sind geblieben, so ein Teil der Buren und der Auslanddeutschen, die sich in die Verhältnisse nicht einpassen konnten. Weitere Ansiedler saßen in den Bezirken Muansa, Iringa und Neulangenburg. Ihre Gesamtzahl betrug 1913 etwa 700 Köpfe.

Der Bergbau war ein weiteres Betätigungsfeld für europäische Unternehmer. Er lieferte als wichtigstes Erzeugnis das Gold aus dem Bergwerk Sekenke, 150 km südöstlich von Tabora. Von Bedeutung war ferner die Gewinnung von Glimmer in den Bergländern von Usambara und Uluguru. Zu nennen ist weiter die Saline Gottorp im Bezirk Udjidji, deren Salz ein begehrtes, wichtiges Handelsgut darstellte, das bis weit in die Kongokolonie ausgeführt wurde. Die Holzwirtschaft hatte ihr Zentrum im Hinterland von Tanga.

 
j. Verkehr

Die Erschließung der Kolonie war undenkbar ohne Schaffung und Ausgestaltung eines leistungsfähigen Eisenbahnsystems, war sie doch vorher auf das teuerste Verkehrsmittel, den Träger, angewiesen. Die Bahnbauten nahmen ihren Anfang in Tanga, dem Hafen des Plantagengebietes mit der Nord- oder Usambarabahn. Der Ausbau dieser Linie hatte mit starken finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen und stockte daher, so daß das Reich die als Privatunternehmen begonnene Eisenbahn 1899 übernahm und schließlich bis Neumoschi fertigstellte (352 km). Die Weiterführung nach Aruscha (100 km) am Meruberg war in Aussicht genommen. Von ihr zweigte die Sigibahn ab, eine Privatbahn von 22 km Länge, die der Holzausfuhr diente. Wichtiger noch war die Zentralbahn in 1-m-Spur von Daressalam über Dodoma–Tabora nach Kigoma am Tanganjikasee, die nach 10jähriger Bauzeit 1914 fertiggestellt wurde und 1250 km lang ist. Ihre Ausführung war ein Werk weitausschauender Verkehrspolitik, das trotz aller entgegenstehenden Hindernisse finanzieller und technischer Art kurz vor Kriegsausbruch vollendet wurde. Mit ihr konnte die Kolonie in 2 Tagen durchquert werden, während der Karawanenverkehr 6–8 Wochen benötigte. Auch diese Eisenbahn wurde von einer Privatgesellschaft begonnen, von ihr mehr als 200 km fertiggestellt (1907) und kam [80] dann unter die Aufsicht des Reiches. Die Finanzierung dieser Eisenbahnbauten erfolgte im Wege einer Kolonialanleihe unter Reichsgarantie und unter Solidarhaftung der Schutzgebiete Togo und Kamerun, wo unter gleichen Bedingungen Eisenbahnen gebaut wurden. Um dem S der Kolonie ebenfalls eine Verbindung zur Küste zu verschaffen, wurden verschiedene Pläne erwogen, von denen der einer Zweigbahn von der Zentralbahn in den Südwesten der Kolonie die meisten Aussichten hatte. Während diese Linie vorläufig noch zurückgestellt wurde, waren die Vorarbeiten für eine Verbindungsstrecke von Tabora an der Tanganjikabahn zum Kageraknie zur Erschließung der volkreichen Sultanate Ruanda und Urundi schon weiter gediehen. Als der Krieg ausbrach, waren die Mittel für diese Bahn bereits bewilligt und auf einer Teilstrecke von Tabora aus die Schienen gelegt.

 
k. Verwaltung

Der Sitz der Zentralverwaltung war Daressalam. Für die Gesetzgebung stand dem Gouverneur ein Gouverneursrat zur Seite mit 3 amtlichen und 12 außeramtlichen Mitgliedern. Für die Lokalverwaltung war das Schutzgebiet in 19 Bezirke eingeteilt unter Bezirksamtmännern, und in den Sultanaten im Zwischenseengebiet 3 Residenturen. Zuerst stand ein größerer Teil des Landes unter Militärverwaltung, schließlich gab es nur noch eine Militärstation mit Verwaltungsgeschäften in Mahenge. Während in den küstennahen Teilen des Landes, wo schon zur Zeit der arabischen Verwaltung die eingeborenen Machthaber in den Hintergrund getreten waren, die Zivilverwaltung von den deutschen Beamten unmittelbar mit Hilfe farbiger Unterbeamter, der Walis und Akiden, geführt wurde, ging im übrigen das Bestreben dahin, die vorhandenen eingeborenen Sultane und Häuptlinge unter Leitung der deutschen Beamten und unter Übertragung entsprechender Befugnisse für die Verwaltung nutzbar zu machen. Den Residenten fiel die Aufgabe zu, die deutschen Interessen zu wa[h]ren, und den eingeborenen Sultanen kontrollierend und beratend zur Seite zu stehen. Während anfänglich die Ausbreitung der deutschen Herrschaft vielfach auf Widerstand der kriegerischen Eingeborenenstämme gestoßen war (s. oben S. 67) gelang es allmählich, eine vollständige Befriedung und willige Einordnung der Eingeborenen in den neuen Zustand der Ruhe und Ordnung herbeizuführen. Ein letzter großer Eingeborenenaufstand brach 1905 im Süden aus, [81] durch Zauberer hervorgerufen. Nach dessen Niederwerfung wurde der Frieden nicht mehr gestört.

Die Schutztruppe zählte 2500 Askari (eingeborene Soldaten) unter 260 weißen Offizieren und Unteroffizieren (einschl. Sanitätspersonal). Daneben bestand eine Polizeitruppe von 2140 Mann unter 4 weißen Offizieren und 61 Unteroffizieren.

Als Gouverneur wirkte 1890-92 Frhr. v. Soden, 1892-95 Frhr. v. Schele, 1895/96 v. Wissmann, 1896-1900 v. Liebert, 1900-1906 Graf v. Götzen, 1906-1912 Frhr. v. Rechenberg, 1912-1919 Dr. Schnee.

 
l. Gesundheitsfürsorge und Medizinalwesen

Als das Deutsche Reich an der ostafrikanischen Küste Fuß faßte und dann langsam ins Innere vordrang, da fanden seine Beamten und Offiziere ein Land vor, in dem die Bevölkerung nicht nur durch Kriegszüge beunruhigt und dezimiert wurde; gleichfalls Opfer forderten die furchtbaren Volksseuchen, die in dem weiten tropischen Gebiet immer wieder auftraten, Tausende dahinrafften und noch mehr zu dauerndem Siechtum verurteilten. Da war die Malaria, die am weitesten verbreitete Krankheit, deren Parasiten von mehreren Stechmückenarten (Anopheles) übertragen werden. In schweren Seuchenzügen brachen die Pocken ins Land ein. Mehrere Gebiete waren von der Schlafkrankheit verseucht, deren Erreger durch den Stich einer infizierten Fliege (Glossina) auf den Menschen übertragen wird. Rückfallfieber, Framboesie, Hakenwurmkrankheiten plagen weiter die Bevölkerung und dazu fast alle Krankheiten unserer Breiten. Die deutschen Tropenmediziner, die mit der Verwaltung ins Land kamen, sahen eine gewaltige Aufgabe vor sich, aber von dem Gedanken durchdrungen, daß die Befreiung des Landes von diesen schrecklichen Seuchen Menschenpflicht sei und dazu überhaupt eine der Grundvoraussetzungen jeder kolonialen Entwicklung, gingen sie unentwegt ans Werk, und ihre stille Arbeit ist ein Ruhmesblatt in der deutschen Kolonialgeschichte. 1912/13 waren 55 Ärzte in Deutsch-Ostafrika tätig unter der Leitung des Medizinalreferenten des Gouvernements, zuletzt Generalarzt Dr. Meixner. Als der Krieg ausbrach, war durch Chininbehandlung die Malaria zurückgedrängt, umfangreiche Schutzpockenimpfungen hatten den Rückgang der Pocken zur Folge. Am langwierigsten und schwierigsten war die Unterdrückung der Schlafkrankheit, deren Erforschung besonders Robert Koch und [82] weiterhin auch Prof. Dr. Kleine und Prof. Dr. Taute zu danken ist. Durch Isolierung der Befallenen in besonderen Lagern, Abholzung der Ufergebüsche, in denen die Fliege vorzugsweise lebt, und durch Behandlung der Kranken mit Atoxyl, das heute dem wesentlich wirksameren Germanin (Bayer 205) Platz gemacht hat, war es gelungen, in Deutsch-Ostafrika die Schlafkrankheit teils ganz zum Erlöschen zu bringen, oder wenigstens ihre weitere Ausdehnung aufzuhalten. Das galt sowohl für die verseuchten Gebiete am Viktoriasee, wohin sie von Uganda eingeschleppt wurde, wie von dem Herd am Tanganjikasee, den man erst 1907 entdeckte. Die sichtbaren Erfolge der deutschen Ärzte besiegten allmählich das Mißtrauen der Bevölkerung, die schließlich auch von selbst in die zahlreichen Krankenstationen und größeren Krankenhäuser kam. Besonderer Aufsicht unterstanden die Pflanzungsarbeiter und Bauarbeiter im Eisenbahn- und Straßenbau, die durch ihre massenhafte Ansammlung besonders gefährdet waren. Für die Europäer, die anfangs unter den klimatisch bedingten Erkrankungen besonders zu leiden hatten, sorgten ebenfalls moderne Krankenhäuser, von denen die wichtigsten in Tanga und Daressalam standen. Durch sanitäre Maßnahmen gelang es, den Gesundheitsstand der Europäer ständig zu verbessern und die Sterblichkeit auf ein normales Maß herabzudrücken.

 
m. Mission und Schule

Seit dem 6. Jahrzehnt des vorigen Jahrhunderts sind im Lande christliche Missionen tätig, und zwar zunächst protestantische englischer Nationalität und katholische französischer Herkunft. Ihnen folgten deutsche Missionare erst nach der Besitzergreifung durch das Deutsche Reich. Zähe Ausdauer und verständnisvolle Behandlung der farbigen Bevölkerung hat trotz der Erschwerung, die die weite Verbreitung des Islam mit sich brachte, zu beachtenswerten Erfolgen geführt. Vor Ausbruch des Krieges war Deutsch-Ostafrika von einem Netz von Missionsstationen überzogen. Von 108 protestantischen Niederlassungen aus arbeiteten 260 weiße und zahlreiche farbige Missionare. Der katholischen Konfession gehörten mehr als 500 Glaubensboten an, die sich auf fast 100 Stationen stützen konnten. Im einzelnen gab es 9 evangelische Gesellschaften, darunter 3 nichtdeutsche, und mehrere katholische Orden. Kennzeichnend für die Arbeiten beider Konfessionen ist die Verknüpfung missionarischer Tätigkeit mit praktischer Erziehungsarbeit (Gartenbau, Handwerksunterricht usw.). Auch im Schulunterricht wurde [83] Bedeutendes geleistet. 1914 gab es etwa je 1000 evangelische und katholische Missionsschulen. Auch bestanden einige Missionsschulen für weiße Kinder, darunter 1 mit höherem Unterricht. Das Gouvernement unterhielt 20 Regierungsschulen und 6 Handwerkerschulen mit besonders für diese Aufgaben vorgebildeten europäischem Lehrpersonal, ferner eine größere Zahl von Nebenschulen oder Außenschulen. Die Unterrichssprache war, mit Ausnahme der Oberstufe der gehobenen Schulen mit deutscher Sprache (etwa 35), das weitverbreitete Suaheli.

 
n. Deutsch-Ostafrika unter Mandatsherrschaft

Das Ende des Weltkrieges sah Deutsch-Ostafrika trotz der heroischen Verteidigung (s. S. 40 ff.) von Engländern und Belgiern besetzt. Der Nordwesten bis nach Tabora befand sich in der Hand der Belgier, während das übrige Deutsch-Ostafrika unter englischer Besetzung und Verwaltung stand. In Verfolg der Bestimmungen des Diktates von Versailles wurde dann das Land in zwei Mandate zerlegt, wobei Belgien unter wesentlicher Beschränkung des im Kriege von seinen Truppen besetzten Gebietes die ehemaligen Residenturen Ruanda und Urundi übergeben wurden, während England die übrigen flächenmäßig weit bedeutenderen Teile der Kolonie erhielt. Lediglich ein kleiner Zipfel an der Rowumagrenze im Süden, das sogenannte Kiongadreieck, wurde rechtswidrig unter Zustimmung Englands von Portugal annektiert und seinem Kolonialbesitz angegliedert.

 
o. Das britische Mandat Tanganyika Territory

(i) Bevölkerung

Durch die Aufteilung Deutsch-Ostafrikas wurde bei weitem der größere Teil der Kolonie englisches Mandat, der allerdings überwiegend schwach bevölkert ist. Von der auf 8 Millionen geschätzten Gesamtbevölkerung 1915 sind heute nur etwa 5 Millionen unter englischer Oberhoheit. Die Zahl der Weißen, die vor dem Kriege in beiden Zonen zusammen nicht ganz 6000 Köpfe zählten, ist jetzt im britischen Mandatsgebiet auf 8200 angewachsen, nachdem sie bei Kriegsende durch die Ausweisung der Deutschen auf wenig mehr als 2000 gefallen war. Seit 1926 machte sich auch eine starke deutsche Einwanderung fühlbar, mit dem erfreulichen Ergebnis, daß ihre Zahl in den wenigen Jahren seit der Zulassung auf etwa 2500 Köpfe angewachsen ist. Der Nationalität nach an erster Stelle stehen die britischen Staatsangehörigen (ein- [84] schließlich der Buren), deren Zahl vor allem durch die von ihnen besetzten Verwaltungsstellen so hoch ist; an dritter Stelle stehen die Griechen. Stärker als die Zahl der Weißen hat die der nichteingeborenen Farbigen von 15 000 auf 34 000 zugenommen; der Hauptanteil entfällt auf die Inder, für die Tanganjika ein willkommenes Arbeits- und Ausbeutungsgebiet darstellt, so daß man schon zeitweise von Tanganjika als indischer Kolonie hatte sprechen hören. Etwa 8800 Indern im Jahre 19l2 und 9400 im Jahre 1921 standen 1931 bereits etwa 24 000 gegenüber, während die Zahl der Araber sich knapp verdoppelt hat (4000 1912 und 1921, 7000 1931).

 
(ii) Die wirtschaftliche Entwicklung

Die Folgen des Weltkrieges lasteten schwer auf dem einst blühenden Lande. Die Deutschen wurden restlos vertrieben, ihr Eigentum beschlagnahmt; die Pflanzungen verkamen und verwilderten. Viele Tausende von Eingeborenen waren Opfer des Krieges und seiner Nebenerscheinungen geworden. Mühsam bekämpfte Seuchen brachen von neuem aus und forderten Tribute. Das Verkehrswesen lag darnieder. Selbst unter Einsetzung eines gewaltigen kostspieligen Beamtenapparates gelang es dem Mandatar vorerst nicht, die Krise zu bannen. Nur langsam besserten sich die Verhältnisse.

1925 begann eine neue Aufbauperiode für das Land, das zu dieser Zeit erst wieder die Handelsumsätze der Vorkriegszeit erreichte. Seit 1926 wurden wieder Deutsche zugelassen, die hier und dort auch wieder ihre früheren Besitzungen zurückkaufen konnten; der gesamte deutsche Besitz war inzwischen vom Liquidator verschleudert worden und brachte kaum 10% seines Wertes. Inder und Griechen vor allem, weniger Engländer, erwarben zu Spottpreisen die ehemaligen deutschen Anlagen. Der Strom der deutschen Farmer, der seitdem ins Land kam, hat nicht nur in den alten Ansiedlungsgebieten Fuß gefaßt, sondern auch wagemutig die Erschließung neuer Ländereien in Angriff genommen. Heute ist das deutsche Element schon wieder wirtschaftlich das bedeutendste und stellt mit etwa 2500 Köpfen 50% der produktiven weißen Bevölkerung.

Der Handel des Mandatsgebiets nahm seit 1925 bis zur Weltwirtschaftskrise zu. Seit 1929 litt er dann unter den gesunkenen Rohstoffpreisen, die Folge war eine Schrumpfung des Außenhandels, obwohl die Ausfuhrmengen selbst keinen entsprechenden Rückgang zeigten. Hieraus ergab sich ein beträchtlicher Einfuhrüberschuß; nach stärkster Anspannung der Produktion brachten die [85] Jahre 1932 und 1933 trotz wenig gestiegener Preise wieder eine aktive Handelsbilanz, sowie eine Steigerung des Gesamtumsatzes.

Der Gesamthandel betrug in 1000 (£):
    1929     1930     1931     1932     1933

Gesamteinfuhr   4286 3983 2496 1872 1947
Gesamtausfuhr 3988 2898 1891 2357 2726
Gesamthandel 8274 6881 4386 4229 4673
Saldo - 289 - 1085 - 605 + 485 + 779

Das wichtigste Ausfuhrgut ist Sisal (⅓ des Ausfuhrwertes), es folgen Kaffee, Baumwolle, Gold, Erdnüsse, Häute und Felle. Unter den Einfuhrgütern spielen, wie früher, Baumwollwaren die wichtigste Rolle (⅕ des Einfuhrwertes). In weitem Abstande folgen dann Lebensmittel, Eisenwaren und Maschinen, Motortreibstoffe und Baumaterialien. Die wichtigsten Lieferanten sind das Britische Reich, Japan und Deutschland.

Die Zahl der Produkte aus der Eingeborenenerzeugung hat sich gegen die Vorkriegszeit kaum verändert, nur die Kautschukproduktion ist völlig verschwunden. Beachtliche Ausfuhrüberschüsse ergeben sich beim Anbau der Erdnuß, des Sesams, bei Getreide und Reis. Andere Produkte wie der Kaffee, Kopra und Baumwolle entstammen teils der Eingeborenenwirtschaft, teils dem Plantagenbau. Während Kopra und Baumwolle nur einen mäßigen Zuwachs seit 1913 zeigen, hat die Kaffeekultur eine beträchtliche Ausdehnung erfahren und liefert heute durchschnittlich 11 000 t für die Ausfuhr gegenüber wenig mehr als 1000 vor dem Kriege. Infolge seiner guten Qualität findet der ostafrikanische Kaffee ständig guten Absatz. Reines Plantagenprodukt ist der Sisal, der in der Ausfuhr eine beherrschende Stelle einnimmt. Seine Erzeugung ist seit 1913 auf mehr als das dreifache gestiegen (1933: 65 000 t). Ein Teil der Pflanzungen ist nach 1927 wieder in deutsche Hände gelangt. Erwähnenswert sind ferner Weizen, Zucker, Tee und Kakao, ohne daß diesen jedoch in der Ausfuhr bisher eine wesentliche Rolle zukam. Aus den Viehbeständen der Eingeborenen stammen vor allen Dingen Häute und Felle, die einen beachtlichen Ausfuhrposten darstellen, während die Viehwirtschaft der Europäer vor allem auf den inneren Verbrauch zugeschnitten ist und Fleisch, Milch und Butter liefert. Die Stellung der Bergbauprodukte in der Gesamtausfuhr ist durch die Ausbeutung neuentdeckter Goldlager im Lupadistrikt im Südwesten des Landes erheblich ver- [86] stärkt worden. Weiter werden im Lande Diamanten, Glimmer, Zinn und Salz gewonnen.

Auf dem Gebiet der europäischen Besiedelung sind gegen die Vorkriegszeit insofern bedeutsame Veränderungen eingetreten, als an mehreren Stellen im Innern neue Siedlungszentren entstanden sind, die fast überall auf deutsche Siedler und Pflanzer zurückgehen. Diese neuerschlossenen Gebiete finden sich fast überall an der regenreichen Inlandschwelle oder an höheren regenreicheren Erhebungen. Eines dieser Gebiete liegt in der Region der Riesenkrater im Nordwesten der Kolonie, Hauptort Oldeani; das zweite findet sich im Südwesten im Iringahochland und konzentriert sich um die Orte Iringa, Dabaga, Mufindi und Lupembe. Es handelt sich hierbei eigentlich nicht um Bauernwirtschaften, sondern überwiegend um Kleinpflanzungen, deren wirtschaftliches Rückgrat der Kaffeebau darstellt; Anbauversuche mit Tee und Tabak sowie Obst gehen hier und dort nebenher. Auch gemischte Betriebe mit Viehwirtschaft sind vorhanden. Ähnlich ist die Lage in den alten Siedelungsgebieten am Kilimandscharo und Meru. Der Neuaufbau aller dieser Pflanzungen hatte unter der Wirtschaftskrise schwer zu leiden und der verhältnismäßig geringe Erlös, der jetzt nach langjähriger Wartezeit erzielt wird, hält die Pflanzer kaum über Wasser. Die Abgelegenheit der neuen Siedelungsgebiete, die über keine Bahnverbindung verfügen, sondern nur auf wenige Autostraßen angewiesen sind, erschwert außerdem die wirtschaftliche Entwicklung.

Im ganzen gesehen hat das Straßennetz des Landes zwar einen Ausbau erfahren, jedoch läßt sich eine Erweiterung der Eisenbahnlinien kaum umgehen. Der Eisenbahnverkehr beruht noch immer vorwiegend auf den beiden großen von der deutschen Regierung geschaffenen Überlandbahnen. Die Nordbahn hat die bereits in deutscher Zeit vorgesehene Verlängerung nach Aruscha erfahren und durch die sogenannte Voibahn Verbindung mit der britischen Ugandabahn erhalten. Den Vorteil davon hat jedoch die Nachbarkolonie, deren Hafen Mombassa nunmehr Tanga erhebliche Konkurrenz macht. Die an der Zentralbahn ausgeführten Erweiterungsbauten haben sich als wirtschaftlich wenig erfolgreich erwiesen, wie überhaupt die Zentralbahn heute an Bedeutung dadurch verloren hat, daß die Durchfuhren von Belgisch-Kongo ganz ausbleiben.

Die mangelnde Rentabilität und ein ungewöhnlich kostspieliger Beamtenapparat haben die Eisenbahnen zu einem Zuschußbetrieb gemacht, der die Finanzen des Mandatsgebietes stark belastet.

[87]
(iii) Verwaltung

Das Tanganjika-Territorium umfaßt rund 940 000 qkm von einer Gesamtfläche von Deutsch-Ostafrika von 995 000 qkm. Die Verwaltungsgeschäfte leitet ein vom König von England berufener Gouverneur mit dem Amtssitz in Daressalam. Ein Ausführender und ein Gesetzgebender Rat stehen ihm zur Seite. Eine Neuerung gegenüber der deutschen Verwaltung stellt die Einrichtung einer Provinzialverwaltung dar, die zwischen der Zentrale und den Bezirksämtern steht. So gibt es jetzt 11 Provinzen mit 39 Bezirken gegenüber 23 deutschen Bezirken. Hieraus ergibt sich eine Vermehrung der Beamten auf fast die doppelte Zahl und infolge der hohen Gehälter des britischen Kolonialdienstes eine Steigerung der Personalausgaben auf das 4–5fache gegenüber der deutschen Zeit. Auch der Stab von farbigen Unterbeamten überwiegend indischer Herkunft ist erheblich größer als früher, trotz der geringeren Fläche des heutigen Mandates. Die hierdurch erfolgte sehr starke Belastung des Etats hat endlich 1931 Sparmaßnahmen notwendig gemacht, von denen vorerst noch die Eisenbahnverwaltung verschont blieb. Neben dieser kostspieligen englischen Mandatsverwaltung ist nach und nach ein Ausbau der eingeborenen Selbstverwaltungskörper getreten, die auch ihrerseits die Wirtschaftskraft der Bevölkerung stark in Anspruch nehmen. Dementsprechend ist die Finanzlage des Tanganjika-Territoriums sehr ungünstig und erfordert ständige starke Zuschüsse, die sich auch durch unpopuläre Steuermaßnahmen nicht abgleichen ließen. Besonders unrentabel arbeiten die Eisenbahnen, da abgesehen von allen Mängeln der Verwaltung die Nachbarkolonien die verschiedensten Maßnahmen ergriffen haben, um den Verkehr über ihre eigenen Linien abzulenken. So greift heute der Einzugsbereich der Benguellabahn (Angola) weit nach Tanganjika hinein. Die Nordbahn hat unter der Konkurrenz der Ugandabahn schwer zu leiden.

 
p. Gesundheitswesen und ärztliche Versorgung

Die durch den Krieg bereits stark mitgenommene Bevölkerung Deutsch-Ostafrikas wurde nach dem Abzug der deutschen Ärzte von neuem von schweren Seuchen heimgesucht, die viele Opfer erforderten. Besonders bedenklich war die neuerliche Ausbreitung der Schlafkrankheit, welche in bisher seuchenfreien Gebieten auftrat. Energisch aufgenommene Bekämpfungsmaßnahmen haben schließlich auch unter Mitwirkung deutscher Ärzte die schwersten Gefahren abgewendet.

[88]
q. Schule und Mission

Wie auf allen anderen Gebieten, so hatte der Krieg für das Schulwesen und die Missionen verheerende Folgen für die letzteren, besonders infolge Vertreibung der deutschen Missionare. Die Regierungsschulen verfielen, und auch nur wenige Missionsschulen konnten sich durch die Notjahre hindurchretten. Auf dem Gebiet der Missionstätigkeit wurden die Störungen der Kriegs- und Nachkriegsjahre mit der Wiederzulassung der deutschen Missionare allmählich überwunden. Von ihren farbigen Gemeinden freudig begrüßt, haben die deutschen Missionare fast überall ihre Stationen wieder übernehmen können. Heute sind wieder 13 evangelische Gesellschaften im Lande, darunter die bekannten Berliner und Leipziger Missionen und die Herrenhuter. Von den 5 katholischen Orden, deren Personal in den letzten Jahren in beträchtlichem Steigen begriffen ist, sind besonders die deutschen Benediktiner zu nennen. Wie den Schulbetrieb so haben die Missionare auch in verstärktem Umfange die ärztliche Hilfeleistung wieder aufgenommen, die ein besonders dankbares Arbeitsfeld darstellt.

Die größte Zahl der Schulkinder wird von eingeborenen Lehrern und Missionaren in Dorfschulen unterrichtet, deren Zahl für beide Konfessionen auf 3000 geschätzt wird. Neben diesen Schulen bestehen etwa 130 von der Regierung unterstützte Missionsschulen. Eine neue Schulart stellen die 39 (1933) Schulen der eingeborenen Selbstverwaltung dar, die ebenfalls Zuschüsse erhalten. Die Zahl der von der Verwaltung unterhaltenen Regierungsschulen beträgt heute 49, einschließlich der Handwerker- und Fachschulen. Einem Lehrerseminar in Mpapua ist die Heranbildung von farbigen Lehrern überantwortet, mehrere Missionsseminare stehen ihm zur Seite.

Das Schulwesen für Weiße zeigt insofern ein anderes Gesicht, als nicht nur die Zahl der Schulen überhaupt gestiegen ist, sondern es bestehen jetzt Schulen für verschiedene Nationalitäten, so Schulen mit englischer, deutscher, griechischer und südafrikanischer Unterrichtssprache, von denen besonders interessiert, daß heute bereits 5 deutsche Schulen bestehen, die unter großen Mühen aufgebaut wurden und, bis auf eine, auch Zuschüsse der Mandatsverwaltung erhalten. Mehr als 150 deutsche Kinder werden in den Schulen in Lwandai, Sunga, Oldeani, Lupembe und Daressalam von 16 Lehrkräften unterrichtet. Daneben bestehen noch deutsche Kindergärten in Daressalam und im Bezirk Moschi.

[89]
r. Die politische Entwicklung

Hatte England das Ziel der Annexion Deutsch-Ostafrikas auch durch den Frieden nicht erreicht, so war doch in das in London abgefaßte und dann vom Völkerbundsrat genehmigte Mandatsstatut eine Bestimmung hineingesetzt worden, die eine Handhabe zu bieten schien, um auf kaltem Wege eine Vereinigung des Tanganyikaterritoriums mit den benachbarten englischen Kronkolonien zu erzielen und auf diese Weise die im einzelnen in ihrer Wirtschaft stark voneinander abweichenden Gebiete derartig fest miteinander zu verknüpfen, daß eine spätere Herauslösung Tanganjikas unmöglich werden würde. Es war dies der Paragraph 10, der dem Mandatar das Recht zuerkennt, eine Zoll-, Verwaltungs- und Finanzunion mit seinen Nachbarbesitzungen vorzunehmen. Diese unter dem Schlagwort "Closer Union in East-Africa" verfolgten Pläne wurden vom Kolonialamt in London eingehend geprüft, wobei es sich auf die stark voneinander abweichenden Berichte dreier Kommissionen stützen konnte, die in den Jahren 1924 (Ormsby-Gore), 1927 (Hilton Young) und 1929 (Samuel Wilson) die Verhältnisse an Ort und Stelle studiert hatten. Während der erste Bericht nur gemeinsame Beratungen der Gouverneure vorschlug, trat der zweite unumwunden für volle Vereinigung unter einem Oberkommissar, später Generalgouverneur, ein, und begründete diesen Plan mit der Notwendigkeit einer einheitlichen Wirtschaft und Eingeborenenpolitik auf lange Sicht. Dieser Vorschlag stieß nicht nur auf starken Widerstand in Deutschland, das den Mandatscharakter Tanganjikas hierdurch mit Recht gefährdet sah, auch die weißen Farmer Kenyas protestierten heftig. Auch der Vorschlag Wilsons, der die Vereinigung empfahl unter Belassung der Eingeborenenpolitik bei den drei Einzelgebieten, verfiel der Ablehnung. Der Plan der politischen Vereinigung der drei ostafrikanischen Gebiete wurde von der britischen Regierung entsprechend dem 1931 gefaßten Beschluß eines aus Mitgliedern des Ober- und Unterhauses bestehenden Ausschusses aufgegeben, da die Zeit dafür noch nicht gekommen sei. Aber dessen ungeachtet und trotz dagegen gerichteter Entschließungen der Mandatskommission des Völkerbundes und des Völkerbundsrates gehen die englischen Bestrebungen auf engeren Zusammenschluß des Mandatsgebiets mit den angrenzenden englischen Kolonien Kenya und Uganda immer weiter (s. oben S. 57/58).

[90]
s. Sultanate Ruanda und Urundi

Das belgische Mandat umfaßt die beiden Sultanate (54 000 qkm) und bildet seit 1925 eine von einem Vizegouverneur verwaltete Provinz des Belgischen Kongo, in dessen Zollverband es eingegliedert ist. Das Gebiet hat jedoch seine eigene Finanzverwaltung behalten. Während das deutsche Gouvernement die hochentwickelte Selbstverwaltung der Eingeborenen bestehen ließ, hat Belgien in den beiden Residenturen eine eigene kostspielige Lokalverwaltung mit 18 Stationen geschaffen und den angestammten Häuptlingen und Königen fast nur noch eine repräsentative Stellung gelassen. Die beiden Sultanate sind dicht bevölkert. Sie werden von etwa (nach Schätzung) 2¾ Millionen Menschen bewohnt. Die Zahl der weißen wird auf 800 angegeben.

Die Wirtschaft des belgischen Mandatsgebietes Ruanda-Urundi stützt sich auf die Produktion der Eingeborenen, die Lebensmittel und Vieh für die Nachbargebiete, vor allem das belgische Kongogebiet, erzeugen. Die Mandatsverwaltung bemüht sich, unter der Bevölkerung den Anbau tropischer Nutzpflanzen wie Kaffee, Tabak und Baumwolle einzuführen und die Ölpalmbestände einer rentablen Nutzung zuzuführen. In europäischer Hand ist die Gewinnung bergbaulicher Produkte, vor allem des Zinn. Die Einfuhr überwiegt wertmäßig bei weitem noch die Ausfuhr, bedingt durch den hohen Bedarf an Baumaterialien, Maschinen, Geräten usw., die für Erschließungsarbeiten, Grubenanlagen und Wegebauten teils von den großen Gesellschaften, teils von der Regierung selbst benötigt werden. Die Finanzlage ist nach den Angaben der Mandatsverwaltung günstig.






Die deutschen Kolonien vor, in und nach dem Weltkrieg
Dr. Heinrich Schnee, Gouverneur i. R.