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[127] Erlebnisberichte von den Verschlepptenzügen, Teil 1
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Erlebnisbericht von Gotthold Starke, Hauptschriftleiter der "Deutschen Rundschau" in Bromberg.
Gegenwärtig: Z. P.: Ich heiße Gotthold Starke, bin 43 Jahre alt, evangelischen Glaubens, Hauptschriftleiter der "Deutschen Rundschau" in Bromberg, verheiratet, vier Kinder.
Z. S.: Am 1. Sept. 1939, abends ½8 Uhr, wurde ich in meiner Wohnung durch einen polnischen Polizeibeamten verhaftet. Er sprach die Verhaftung sofort aus, als er die Wohnung betreten hatte, und führte dann eine Haussuchung durch, die ergebnislos verlief. Er überreichte mir darauf einen roten Verhaftungsbescheid, auf dem ich zu quittieren hatte, daß eine Haussuchung bei mir durchgeführt worden sei und
Es gab drei Kategorien von Verhafteten rechtlich gesehen, die aber alle die gleiche Behandlung erfuhren: erstens die Arrestanten mit dem roten Zettel, zu denen ich gehörte; zweitens die Internierten mit einem rosa Zettel, zu denen vornehmlich die Reichsdeutschen gehörten, aber auch einige Volksdeutsche, während auch einige Reichsdeutsche rote Zettel hatten; drittens die Evakuierten mit gelben Zetteln. Auf diesen gelben Zetteln stand die Order, daß sich die betreffenden Personen – hier handelte es sich wohl durchweg nur um Volksdeutsche – auf eigene Kosten für vier Wochen an einen Ort Ostpolens zu begeben hätten, wo sie unter Polizeiaufsicht leben sollten. Die Kategorie der gelben Zettel war die weitaus kleinste, es handelte sich um eine gewisse Bevorzugung gegenüber den Arrestanten, die in einem mir bekannten Fall dadurch bedingt sein sollte, daß der betroffene Gutsbesitzer von seiner polnischen Einquartierung einen guten Leumund erhalten hat. Da die Evakuierten am 1. September nicht mehr die Möglichkeit hatten, mit der Bahn nach Ostpolen zu fahren, wurden sie den Arrestanten gleich geachtet, wie auch die Internierten keine andere Behandlung erfuhren. Zu diesen Internierten gehörten übrigens der Leiter der Deutschen Paßstelle in Bromberg, Konsul Wenger, und seine Sekretärin, Frl. Müller, beide Beamte des Deutschen General- [128] konsulats in Thorn. Konsul Wenger habe ich zuletzt in Lodsch gesehen, er ist noch nicht nach Bromberg zurückgekehrt.1
Offenbar hatte man die Absicht, uns alle in ein Lager zu verschleppen, in dem wir auch verpflegt werden sollten. Einem Teil von uns wurde bei der Verhaftung gesagt, daß wir uns für vier Tage zu verpflegen hätten, aber nur die wenigstens konnten diese Lebensmittel noch beschaffen. Am 2. September wurden noch weitere Verhaftete zu uns gebracht, darunter der Vorsitzende der Deutschen Vereinigung, Dr. Hans Kohnert, gleichfalls mit rotem Zettel. Als wir vom Fenster aus Einschläge deutscher Fliegerbomben beobachteten und ebenso Zeuge waren, wie deutsche Bauern so stark geschlagen wurden, daß ein Kolben zersplitterte (Zeugin Frl. Müller von der Deutschen Paßstelle, noch in Lodsch), machte man die erste Einschüchterungsmethode. Unsere Wächter, die sich aus Polizisten, Hilfspolizisten und Mitgliedern halbmilitärischer Verbände zusammensetzten, zwangen uns mit aufgepflanztem Bajonett zum Niederlegen auf den Boden und drohten jedem mit Erschießen, der sich erheben wollte. Am 2. September, nachmittags gegen 5 Uhr, wurden wir in zwei Reihen aufgestellt und auf den Hof geführt. Vorher wurden durch einen
Haller-Soldaten einige Paare herausgesucht, deren Hände aneinandergefesselt wurden. Dann bildeten wir auf dem Hof ein großes Karree, man lud in unserer Gegenwart
In Thorn wurden wir nachts in einem schmutzigen Saal eines Vororts untergebracht. Die ersten Geisteserkrankungen machten sich bemerkbar.
Am anderen Morgen wurden wir weitergetrieben. Ein Teil der alten Leute, die nicht mehr weiterkonnten, und auch einige Frauen wurden auf Wagen geladen. Als die beiden über 70jährigen Bromberger, Superintendent Aßmann und Dr. von Behrens, das gleiche Verlangen stellten, wurden sie als "besonders gefährliche politische Banditen" zurückgewiesen. Junge Kameraden nahmen sie wieder auf ihre Arme
Von Starawies marschierten wir mittags weiter, wieder eine Nacht hindurch, taumelnd, schlafend, durch unsere Geisteskranken ständig beunruhigt, durch die Schüsse in unserem Zuge erschüttert – einer meiner Kameraden hat allein 44 erschossene Deutsche in dieser Nacht gezählt – und belästigt durch die vielen zurückflutenden Militärkolonnen. Wer nicht in Reih und Glied marschierte, wurde von der Begleitmannschaft, die besser ernährt war als wir, die teilweise auf Rädern fahren konnte, teilweise auch schon abgelöst war, mit Keulenschlägen und Bajonettstichen wieder ins Glied zurückgetrieben. Selbst unser Arzt Dr. Staemmler wurde davon nicht verschont, wenn er in der endlosen Kolonne vor- oder zurückblieb, um einem Unglücklichen mit irgendeinem Stärkungsmittel zu helfen. Sein Instrumentarium hat er nicht mitnehmen dürfen. In dieser Nacht fing er selbst an zu phantasieren. Dr. Kohnert und zwei neben ihm marschierende Kameraden wurden von vorbeimarschierenden Soldaten geschlagen. Immer wieder mußten wir aufrücken, weil die Reihen sich lichteten. Ein 70jähriger Bauer Körner, der es vor Durst nicht aushalten konnte, sprang von einer sieben Meter hohen Brücke in die Bzura, wo er beschossen, aber nicht verletzt wurde. Er trank dort aus seinem Hut Wasser und konnte sich dann wieder dem Schluß des Zuges anordnen.
Pastor Krusche als Führer der kongreßpolnischen Deutschen und wir Bromberger beratschlagten, was nun zu tun sei. Dr. Kohnert und Dr. Staemmler wurden beauftragt, mit dem letzten uns noch begleitenden Bromberger Polizisten zu verhandeln. Er sollte seine Kameraden herbeiziehen, damit uns die zurückflutende Soldateska und auch die jungen Strzelce, die offenkundig in einen Hinterhalt gegangen waren, nicht abknallten. Dafür wollten wir den Begleitmannschaften Leben und Stellung garantieren, falls wir in deutsche Hand fielen. Als sich Dr. Kohnert und Dr. Staemmler dem Polizisten näherten, verstand er dies falsch und wurde aggressiv. Dr. Staemmler versuchte ihm die Waffe zu entwinden, der Polizist trat einige Schritte zurück und erschoß ihn. Mit lauten Rufen nach Rache und nach Polizei verschwand er im oberen Dorf. Wir nahmen jetzt an, daß man auf die wehrlosen 800 von allen Seiten schießen würde. Überall wurden regulär und irregulär bewaffnete Polen sichtbar. Da erschien am Fuß des Berges plötzlich ein Tank. Allgemein herrschte die Annahme, daß er unseren Fluchtweg nach Lowitsch abriegeln sollte. Mit einem weißen Taschentuch an einem Stock ging ihm Dr. Kohnert und Pastor Krusche entgegen. Wir hofften, durch die Unterwerfung unter polnisches Militär gegen die Heimtücke der Polizei und der Strzelce gesichert zu sein. Die 800 strömten den beiden Parlamentären nach. Auf halbem Wege entdeckten wir, daß es sich um einen deutschen Tank handelte, der uns befreite. Ein junger deutscher Offizier fuhr durch unsere Mitte auf diesem Tank, der den Namen "Ziethen" trug, bis in das obere Dorf den ganzen Gromada-Hügel hinauf. Dort fielen die polnischen Bauern auf die Knie und küßten dem Offizier Hand und Uniform. Uns aber gab er die Marschrichtung nach Lowitsch zurück. Wir nahmen die Leiche von Dr. Staemmler und zogen unter Seitensicherung durch Kartoffel- und Stoppelfelder in die von deutschen Truppen eroberte Stadt. Der Marsch nach Lowitsch, der mit Umwegen etwa 240 Kilometer lang gewesen war, hatte ein Ende. Die Verfassung der Teilnehmer war zum größten Teil erschütternd elend. Als ich auf der Kommandantur, wo der blau geschlagene Landarzt Dr. Studzinski (ein Deutscher) aus Waldau, Kr. Schwetz, bis zum Umfallen die zum großen Teil eiternden Fußwunden verband, die Schwerkranken besuchte, entdeckte ich auf einem Strohlager u. a. den 68jährigen Senator Dr. Busse-Tupadly. Er rief mich an und umarmte mich weinend. Trotzdem er der Patenonkel meines Sohnes ist, hätte ich ihn nie wiedererkannt. Durch Steinwürfe und Kolbenschläge war sein Kopf eine blauschwarze unförmige Masse geworden, aus der nur die bluttriefenden roten Lippen hervortraten. Dr. Busse ist einer der ersten europäischen Viehzüchter. Er war auch bei den Polen [132] besonders geachtet und auf allen internationalen Viehbewertungen als Preisrichter bekannt. Neben ihm lag im Zustand völliger Erschöpfung der 82jährige Gärtnereibesitzer Bohrmann aus Schönsee. Im Hof der Kommandantur aber häuften sich die Leichen derjenigen Kameraden, die jetzt noch an Erschöpfung gestorben waren, und der anderen, die von der Hauptkolonne vor Lowitsch abgesprengt und von der zurückflutenden Soldateska ermordet worden waren. Allein in der Nähe des Gromada-Hügels hatte man 26 gezählt. Die meisten von ihnen waren mit dem Gewehrkolben erschlagen. Bewegt dankten wir unseren Befreiern. An der Bzura, wo wir unser erstes Bad nahmen, sangen wir die deutschen Hymnen und brachten ein Siegheil auf den Führer und die deutsche Armee aus. In der Nacht wurden wir im Gefängnis verpflegt, und zwar durch Landsleute aus Pommerellen, die unter Spionageverdacht bis in das Lowitscher Gefängnis verschleppt und jetzt auch von den deutschen Truppen befreit worden waren. Mit Rücksicht auf die Kampfhandlungen wurden die geretteten Zweitausend einen Tag später, am Sonntag, dem 10. September, nachmittags, auf 800 requirierten Fahrrädern und auf Panjewagen über Glowno, wo es noch eine nächtliche Rast im Freien gab, nach Lodsch gebracht. Selbst diktiert, genehmigt und unterschrieben
gez. Gotthold Starke
Der Zeuge wurde beeidigt.
Geschlossen:
Dr. Waltzog Charlotte Janz Quelle: WR I
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[Scriptorium merkt an: mehr von Pater Breitinger finden Sie hier
Untersuchungsstelle für Verletzungen des Völkerrechts
Gegenwärtig: Aufgesucht erscheint der Pater Breitinger und erklärte auf Befragen nach entsprechender Eidesbelehrung: Zur Person: Ich heiße Lorenz Breitinger, Ordensname Pater Hilarius, geboren am 7. Juni 1907 in Glattbach bei Aschaffenburg, Seelsorger der deutschen Katholiken in Posen, wohnhaft im Franziskanerkloster in Posen. Zur Sache: Am 1. September 1939, gegen 18 Uhr, erschien an der Klosterpforte ein Polizeibeamter und erklärte mich für verhaftet. Auf meine Bitte, etwas Wäsche und Lebensmittel mitnehmen zu dürfen, erwiderte er, daß das nicht notwendig sei, da ich nach einem kurzen Verhör bereits in einer halben Stunde wieder zu Hause sein würde. Vor dem Kloster wartete ein weiterer Polizeibeamter mit aufgepflanzter Seitenwaffe und beide Polizisten führten mich mit drei anderen Verhafteten wie einen Schwerverbrecher zum Polizeipräsidium. Dort drückte mir der mich verhaftende Polizeibeamte gegen eine Empfangsquittung einen Internierungsschein in die Hand, woraus ich ersah, daß ich regelrecht interniert sei. Auf dem Polizeihof traf ich etwa [133] 20 Bekannte an, und mit ihnen zusammen verbrachte ich die Nacht unter freiem Himmel. In der Nacht trafen weitere Transporte von Leidensgenossen aus anderen Stadtteilen ein. Der Obere meines Klosters versuchte, meiner Verhaftung wegen bei dem Oberkommissar der Polizeiverwaltung zu intervenieren. Nach meiner Rückkehr hörte ich von ihm, daß seine Intervention mit folgenden Worten abgetan wurde: "Was, Sie wagen es, für einen solchen Mann einzutreten?" "Sie halten also mit Spionen zusammen, und da verdienen Sie genau solch eine Kugel durch den Kopf wie der andere." Als der Obere darauf bat, mir einen Koffer mit Kleidungsstücken und Lebensmittel übergeben zu dürfen, wurde er dahin beschieden, daß den die Läuse fressen sollen. Mein Oberer war darüber so entrüstet, daß er mir später sagte, sich in jenem Augenblick zum erstenmal geschämt zu haben, Pole zu sein. Weiterhin hörte ich von meinem Oberen, daß er sich meinetwegen auch zum Polizeikommandanten von Posen bei der Woiwodschaft begeben habe, der ein guter Bekannter von ihm und mir war. Dieser erwiderte jedoch, daß er leider nichts tun könne, da die gesamte Gewalt in Händen des Militärs läge.
Am 2. September 1939 mußten wir uns in zwei Gliedern aufstellen. Ein Polizeibeamter in Zivil sprach uns dann im Namen des Woiwoden alle Ehrenrechte ab und bemerkte weiterhin, daß wir jetzt in ein Lager marschieren müßten und daß derjenige, der nicht ordentlich auf der Straße marschiere, sofort erschossen werden würde. Die Polizisten luden sodann ihre Gewehre, pflanzten die Seitenwaffen auf, und nunmehr wurden wir durch die Straßen Posens nach Glowno geführt. Der links und rechts der Straßen harrenden Menschenmenge riefen die Polizisten immer wieder zu: "Dies sind alles Deutsche" und die Antwort der Menge war dann regelmäßig ein unglaubliches Schreien und Toben sowie entsetzliches Fluchen. Am alten Markt wurde die Menge bereits
Am späten Nachmittag wurden wir dann auf eine große Wiese geführt, die von einer großen Menschenmenge umlagert wurde. Es kamen weitere Gruppen Internierter hinzu, darunter Frauen und Kinder, zwei Krüppel, die kaum laufen konnten, es waren Kriegsinvaliden mit Holzbeinen, und eine große Menge mit verbundenen Köpfen, deren Kleider mit Blut besudelt waren. Auf der Wiese mußten wir uns in Reihen zu vieren aufstellen und wurden abgezählt. Darauf mußten wir auf Geheiß des Anführers unserer Wachmannschaft, die aus einigen Polizisten und verschiedenen Gymnasiasten in der Uniform der militärischen Jugendorganisation bestand, exerzieren und einen Haßgesang auf Deutschland anstimmen. Sodann ließ er mich unter dem Gejohle der Menge in meiner Ordenstracht allein vortreten und exerzierte mit mir allein. Schließlich stellte er mich dann in die erste Reihe, gleichsam als Anführer der Aufständischen, als die wir stets bezeichnet wurden. Darauf ging es zu Fuß nach [134] Schwersenz durch ein Spalier verhetzter Menschen, die uns bespuckten, mit Pferdemist bewarfen und mit Stöcken, Steinwürfen und Fußtritten mißhandelten. Die Begleitmannschaft tat nichts, uns vor diesen Mißhandlungen zu schützen, bzw. war sie, falls ein Schutzwille vorhanden war,
Nach tagelangem Hin- und Hermarschieren, die Front rückte immer näher an uns heran, wurden wir dann am 17. September 1939 von deutschen Truppen befreit. Über Breslau wurden wir durch die deutsche Wehrmacht wieder in die Heimat zurückbefördert. Laut diktiert, genehmigt und unterschrieben
gez. Lorenz Breitinger (P. Hilarius)
Der Zeuge leistete folgenden Eid: Ich schwöre bei Gott dem Allmächtigen und Allwissenden, daß ich die reine Wahrheil gesagt und nichts verschwiegen habe, so wahr mir Gott helfe.
Geschlossen: gez. Hurtig gez. Pitsch Nachträglich bemerke ich noch folgendes: Ich war mit sämtlichen Posener Internierten zusammen. Unter ihnen befanden sich in meiner Gruppe auch der Direktor Hugo Böhmer, der Pastor Stefani, der Direktor des Deutschen Gymnasiums, Dr. Swart, Dr. Robert Weise und andere führende deutsche Persönlichkeiten. Ich nehme dies ebenfalls noch auf meinen Eid.
gez. Lorenz Breitinger (P. Hilarius)
Geschlossen: Quelle: WR II2
![]() ![]() Erlebnisbericht von Dr. med. Robert Weise, Direktor im Diakonissenkrankenhaus in Posen [Scriptorium merkt an: mehr von Dr. Weise finden Sie hier.]
Untersuchungsstelle
Gegenwärtig:
Aufgesucht im Krankenhaus der evangelischen Diakonissen-Anstalt in Posen wurde dessen Direktor Dr. med. Robert Weise vernommen. Der Zeuge wurde aufmerksam gemacht, daß er seine Aussage beeiden müsse und daß er dementsprechend gehalten wäre, die reine Wahrheit zu sagen. Er erklärte sodann: Z. P.: Ich heiße Robert Weise, geboren am 2. Oktober 1893 zu Birnbaum. Ich bin evangelisch, bisher polnischer Staatsangehöriger, deutscher Volkszugehöriger. Ich bin verheiratet und habe zwei Kinder im Alter von 6 und 3 Jahren. [136] Z. S.: Ich bin am 1. Sept 1939 von meiner Wohnung aus durch Polizei verhaftet worden. Ich nahm an, daß ich interniert würde, und hatte daher schon einen Rucksack mit Sachen vorbereitet. Von den Polizisten wurde mir gesagt, daß ich nichts mitnehmen brauchte, da ich sofort freigelassen werden würde. Ich sollte nur eine Unterschrift leisten. Meiner Festnahme war eine Haussuchung vorausgegangen. Es wurde nach Waffen gesucht. Nachdem ich zunächst auf das Polizeirevier gebracht worden war, wurde ich dann zum Polizeipräsidium geschafft, wo ein Sammeltransport zusammengestellt wurde. Es waren viele Deutsche, die dort zusammengetrieben worden waren. Die genaue Anzahl kann ich nicht angeben. Meine Gruppe kann etwa 60 bis 80 Mann stark gewesen sein.
Nach dem mir vorgelegten Photo erkenne ich die beiden Invaliden und die 16jährige Tochter Schmolke wieder. Wer die vierte Person auf dem Bilde ist, weiß ich nicht.
Es ging dann nach Brzewienna Krotkie weiter. Dort übernachteten wir unter freiem Himmel und mußten am nächsten Morgen beim Abmarsch als nicht marschfähig folgende Volksgenossen zurücklassen: den Landwirt von Treskow, Fräulein Dr. Hanna Bochnik, Fräulein Molzahn, Vincenz Gierczynski, den Juden Goldschmied und noch andere Personen. Außerdem blieb der Student Hermann Pirscher zurück, der sich erbot, die Zurückgelassenen zu betreuen. Das
Der Weg, den wir zurückgelegt haben, mag schätzungsweise 320 Kilometer betragen haben.
Laut diktiert, genehmigt, unterschrieben.
gez. Dr. Robert Weise
Der Zeuge leistete folgenden Eid: Ich schwöre bei Gott dem Allmächtigen und Allwissenden, daß ich nach bestem Wissen die reine Wahrheit gesagt und nichts verschwiegen habe, so wahr mir Gott helfe.
Geschlossen:
gez. Dr. Reger gez. Bachmann Quelle: WR II
![]() [138] ![]() Erlebnisbericht des Landwirts Georg Drescher aus Czempin, Kr. Kosten Unter Eid bekundete der Zeuge Landwirt Georg Drescher aus Czempin folgendes:
Schließlich wurden wir auf einen Kirchplatz geführt und mußten uns dort auf den Bauch mit vorgestreckten Händen legen. Wir warteten auf unseren Tod. Die Soldaten benutzten jedoch unsere Stellung dazu, uns bis zum letzten auszuplündern. Mir nahmen sie z. B. 175 Zloty und alle sonstigen bei mir befindlichen Gegenstände ab. Einigen Kameraden wurden sogar die Stiefel ausgezogen, so daß sie barfuß laufen mußten. Dieses Ausplündern dauerte ungefähr zwei Stunden. Darauf wurden wir wieder in Marsch gesetzt und sollten auf einem deutschen Kirchhof erschossen werden. Der Marsch dorthin ging über Ackerland, dabei verlor ein Kamerad die Ruhe und wollte davonlaufen. Einige ihm nachgesandte Schüsse machten seinem Leben ein Ende. Als wir ein Kirchdorf erreichten, glaubten wir, daß unser Ende gekommen sei. Wir wurden auf einen Bauernhof geführt und nochmals untersucht. Alles, was vor einigen Stunden uns noch nicht abgenommen worden war, wurde uns nun abgenommen. Weiter ging es dann durch den Ort, in dem zahlreiches polnisches Militär lag. Die polnischen Soldaten heulten und schrien und fluchten. In eine andere Gruppe, die an uns vorbeizog, schossen diese Soldaten mit Gewehren und Maschinengewehren hinein. Von dieser Gruppe stießen nach dem Feuerüberfall noch etwa sieben bis acht Mann zu uns.
Inzwischen kam nach halbstündigem Lagern unser Polizist, den wir vorher getroffen hatten, zurück und wurde von einem Kameraden angesprochen. Dr. Staemmler aus Bromberg trat hinzu, streckte die Hand aus und wollte den aufgeregten, angetrunkenen Polizisten beruhigen. Darauf sprang dieser zurück und erschoß den Bromberger Arzt mit einem Karabinerschuß, der seine Brust durchbohrte. Dr. Staemmler war sofort tot, ich stand etwa 10 Meter daneben. Der Polizist wollte weiterschießen, erst auf das Schreien der Kameraden, nicht weiterzuschießen, ließ er davon ab und sprang in das Dorf zurück. Nach einigen Minuten sahen wir ein Panzerauto mit Maschinengewehren aus dem rechten Dorf heraus den Landweg heraufkommen, und wir erwarteten das Schlimmste. Das Auto fuhr um unsere Gruppe herum und baute sich dann vor uns auf. Wir schrien, wollten Deckung nehmen. Andere hoben die Hände hoch, darauf stellten wir jedoch fest, daß es sich um einen deutschen Panzerwagen handelte. Inzwischen kam auch noch ein zweiter deutscher Panzerwagen zu unserem Schutze heran, und nun ging es über Felder und Landweg nach Lowitsch hinein. Unterwegs sangen wir das Lied: "Ein feste Burg ist unser Gott" und schauten nach Kameraden um, von denen wir überzeugt waren, daß sie noch in den letzten Stunden ermordet worden waren. Ich habe viele Leichen von Internierten vor Lowitsch liegen sehen. Nachdem wir warmes Essen von der Wehrmacht erhalten hatten, wurden wir schließlich über Breslau in die Heimat zurücktransportiert. Laut diktiert, genehmigt und unterschrieben
gez. Georg Drescher
Der Zeuge leistete folgenden Eid: Ich schwöre bei Gott dem Allmächtigen und Allwissenden, daß ich die reine Wahrheit gesagt, nichts verschwiegen und nichts hinzugesetzt habe, so wahr mir Gott helfe. Quelle: WR II
![]() ![]() Prothesenträger erschlagen und entmannt
Untersuchungsstelle für Verletzungen des
Gegenwärtig:
Ich erkläre hiermit an Eides Statt, die Pflicht eines Protokollführers getreulich und gewissenhaft zu erfüllen und Stillschweigen zu bewahren. In dem Gutshaus in Ciolkowo wurde die Wirtschafterin Frl. Sophie Wiese aufgesucht. Ihr wurde eröffnet, daß sie ihre Aussage zu beschwören hätte und daß jede Eidesverletzung schwere Strafen nach sich zöge. [141] Sie erklärte sodann: Zur Person: Ich heiße Sophie Wiese, bin am 19. 8. 1890 in Marlewo, Krs. Wongrowitz, geboren, bin Wirtschafterin im Hause Kirchhoff in Ciolkowo, bin deutsch-katholisch, polnischer Staatsangehörigkeit, aber deutscher Volkszugehörigkeit, ledig. Zur Sache: Am Sonntag, dem 3. 9. 1939, kamen morgens gegen 6.30 Uhr zwei polnische Soldaten mit einem Kraftwagen auf den Hof. Der Wagen wurde von einem Chauffeur in Zivil gelenkt. Truppengattung und Truppenteil der Soldaten vermag ich nicht anzugeben. Der Chauffeur allerdings soll in Rawitsch oder in Sarne bekannt sein. Einer der Soldaten ging in den Stall und nahm den Inspektor in Empfang. Er übergab Schulz dem anderen Soldaten, der ein aufgepflanztes Bajonett bei sich führte, zur Bewachung. Der erste Soldat betrat dann das Haus, und zwar von hinten. Im Hause traf der Soldat schon auf Dr. Kirchhoff, der, durch den Lärm aufmerksam gemacht, das Schlafzimmer verlassen hatte. Dr. Kirchhoff war nur mit Hemd, Hose und Schuhen notdürftig bekleidet. Auf polnisch rief der Soldat Dr. Kirchhoff an, daß er die Hände hochnehmen solle. In der Aufregung verstand Dr. Kirchhoff zunächst nicht, was der Soldat von ihm verlangte. Ich machte ihn dann darauf aufmerksam, die Hände hochzunehmen. Mit vorgehaltenem Revolver wurde Dr. Kirchhoff untersucht. Unser Stubenmädchen, Martha Vogel, übergab Dr. Kirchhoff noch eine Tasche mit einigen Kleidungsstücken, die bereits vorbereitet war, da Dr. Kirchhoff ohnehin damit gerechnet hatte, interniert zu werden. Dr. Kirchhoff, der schwer kriegsverletzt ist und rechtsseitig eine Beinprothese trägt, bat noch um einen Stock. Als der Soldat den Stock verbot, wies Dr. Kirchhoff darauf hin, daß er, was den Tatsachen entspricht, ohne Stock nicht gehen könne. Der Soldat meinte darauf, daß er dann gefahren würde. Von dem Schicksal von Dr. Kirchhoff haben wir seit seiner Verschleppung mit Inspektor Schulz nichts mehr gehört, bis am Sonntag, dem 10. 9. 1939, Albert und Fritz Vogt aus Krähen kamen und mitteilten, daß in Malachowo Leichen gefunden wären, von denen eine eine Prothese hätte. Es könne sich bei dieser Leiche um die des Dr. Kirchhoff handeln. Von der Mutter des Dr. Kirchhoff, die auch hier als 71jährige Dame im Hause lebt, erhielten Martha Vogel und ich den Auftrag, nach Malachowo zu fahren, um die Leiche zu identifizieren. Am Tage darauf fuhren wir nach dem etwa 20 bis 25 km entfernten Dorf Malachowo. Dort, etwa 30 Meter von der Schule entfernt, lagen vier Leichen. Die Leichen waren am Tage vorher schon ausgegraben gewesen, waren aber notdürftig wieder zugedeckt worden. Dr. Kirchhoff erkannten meine Begleiterin und ich an der Prothese, an dem Hemd und an der Krawatte wieder. Dr. Kirchhoff war noch mit seinem Hemd bekleidet, jedoch fehlte die Hose. Der Leichnam war fürchterlich zugerichtet: die Arme waren beide gebrochen, die Zunge war aus dem Munde herausgerissen, der Schädel war eingeschlagen und der Nacken wies schwere Kolbenschläge auf. Auch war Dr. Kirchhoff entmannt worden. Inspektor Schulz hatte im Becken einen Bajonettstich, ebenfalls war auch ihm die Zunge herausgerissen, der Kopf war auch eingeschlagen und wies wie der Körper Spuren von Kolbenschlägen auf. [142] Durch die Wirtschafterin Gertrud Hensel aus Smirowo wurden die beiden übrigen Leichen identifiziert, die auch erheblich zugerichtet waren. Dem Landwirt Walter Ehmann aus Smirowo war der Kopf eingeschlagen, der Körper trug Spuren von Kolbenschlägen, die Zunge war herausgerissen, und ein Auge war aus dem Kopf getreten. Seinem Beamten Stelzer, einem 65jährigen Mann, war der Kopf völlig eingeschlagen, die Zunge aus dem Munde gerissen und der Körper mit Spuren von Kolbenschlägen bedeckt. Die übrigen fünf Leichen waren auch furchtbar zugerichtet, ähnlich wie eben geschildert. Soviel ich gehört habe, handelt es sich bei den Leichen um die eines gewissen Brambar aus Göstyn, dessen 16jährigen Lehrling, von dem ich nur den Vornamen Joachim weiß, ferner um die des Vogtes Lange aus Osawo und schließlich um die zwei mir unbekannten Männer. Mit Ausnahme des sechzehnjährigen Lehrlings wies keine der Leichen eine Schußverletzung auf, die Männer sind alle totgeschlagen worden. Gegenüber anders lautenden Nachrichten möchte ich ausdrücklich bemerken, daß Dr. Kirchhoff die Prothese nicht zersplittert und das andere gesunde Bein nicht abgehackt war. Die Leiche war aber ohnehin grauenhaft genug verstümmelt. Ich bin bereit, diese Aussage zu beschwören. Laut diktiert, genehmigt, unterschrieben
gez. Sophie Wiese
Die Zeugin leistete sodann folgenden Eid: Ich schwöre bei Gott dem Allmächtigen und Allwissenden, daß ich nach bestem Wissen die reine Wahrheit gesagt und nichts verschwiegen habe. So wahr mir Gott helfe.
Die Zeugin wurde darauf aufmerksam gemacht, daß sie ihre Aussage beschwören müsse und wie die Vorzeugin entsprechend belehrt. Sie erklärte sodann: Zur Person: Ich heiße Martha Vogel, bin am 14. 1. 1907 in Ciolkowo geboren, evangelisch, ledig, polnischer Staatsangehörigkeit, deutscher Volkszugehörigkeit. Ich bin Stubenmädchen im Hause Kirchhoff in Ciolkowo. Zur Sache erklärte die Zeugin dasselbe wie die Zeugin Sophie Wiese. Nachdem ihr die Aussage der Zeugin Wiese bekanntgegeben worden war, erklärte sie: Diese Aussage ist in allen Punkten richtig, und ich mache sie voll inhaltlich zum Gegenstand meiner eigenen richterlichen Vernehmung. Ich bin bereit, diese Aussage zu beschwören. Vorgelesen, genehmigt, unterschrieben
gez. Martha Vogel
Die Zeugin leistete sodann folgenden Eid: Ich schwöre bei Gott dem Allmächtigen und Allwissenden, daß ich nach bestem Wissen die reine Wahrheit gesagt und nichts verschwiegen habe. So wahr mir Gott helfe.
Geschlossen:
gez. Dr. Reger gez. Drescher Quelle: WR I
![]() [143] ![]() Unter Eid bekundete der Zeuge Karl Hirt, Metzgermeister in Opalenitza, folgendes: [....]
Im Polizeigefängnis Schwersenz waren bereits andere Volksgenossen, und mit etwa 20 anderen wurde ich noch am selben Abend aneinandergefesselt und auf einen Leiterwagen verladen. Zwei Ulanen des polnischen Heeres gaben dem Wagen das Geleit. Zunächst ging es bis Iwno, wo wir eine Stunde lang warteten, darauf ging es weiter in Richtung Gnesen. Hinter Iwno trafen wir am frühen Morgen auf einem Gutshof ein. Auf diesem Gutshof lag polnisches Militär (Kavallerie). M. E. sind es Ulanen aus der Gegend von Lemberg gewesen. Als wir weiter in den Wald hineinfuhren, zog man zwei junge Burschen vom Wagen mit der Behauptung herunter, daß man sie zum Kesselscheuern benötige. Kaum wurden diese in eine Schonung geführt, als hinter ihnen drei Schüsse knallten. Später stellte ich bei der Ausgrabung der Leichen fest, daß sie Brustschüsse hatten und außerdem mit Gewehrkolben zerschlagen waren. Unser Wagen fuhr dann nach der Erschießung der beiden Kameraden, die Kelm und Düsterhöft hießen,
Quelle: WR II
![]() ![]() Unter Eid bekundete der Zeuge Herbert Leitlauf, Landwirt in Czempin, Kr. Kosten, folgendes:
Auf dem Marsche von Schrimm nach Schroda erhielt unser Pastor Kienitz derart schwere Kolbenschläge, daß er auf der Straße zusammenbrach und,
Quelle: WR II
![]() [144] ![]() Mord an der vierköpfigen Familie Schmolke Unter Eid bekundete der Zeuge Dr. med. Robert Weise im Diakonissenhaus in Posen folgendes:
[...] Da kein Wagen mehr zur Verfügung stand, wurde ein gewisser Schmolke aus der Nähe von Wollstein, der Prothesenträger vom Weltkriege her ist, mit seiner Ehefrau, seiner etwa 16jähngen Tochter und seinem 1½jährigen Söhnchen, ferner ein weiterer Prothesenträger, dessen Namen ich aber nicht angeben kann, und eine Frau Blank aus Ketsch bei Posen zurückgelassen. Angeblich sollten diese Deutschen in einem Wagen nachgefahren werden. Gelegentlich einer Mittagsrast am gleichen Tage in Babiak erfuhr ich aber von einem Begleitmann, der Knecht auf dem Rittergut Turkowo, Kreis Neutomischel. war, daß diese Deutschen erschossen worden seien. Quelle: WR II
![]() 1Konsul Wenger ist gerettet. ...zurück...
2Die Schlußseite des Protokolls wird im Original wiedergegeben (siehe Bilddokumente S. 274). ...zurück... |