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Erlebnisberichte von den Verschlepptenzügen, Teil 2
![]() Unter Eid bekundete der Zeuge Fritz Kretschmer, Arbeiter in Alt-Boyen, folgendes: ... Den Tod des Herrn von Gersdorff habe ich selbst mitangesehen. Herr von Gersdorff war zurückgeblieben. Er phantasierte schon vor Erschöpfung. Als Soldaten auf ihn einstachen, um ihn zu schnellerem Gehen zu veranlassen, griff er nach dem Bajonett dieses Soldaten, um den Stich abzuwehren. Er wurde in den Graben gestoßen, und dann fiel ein Schuß. Herr von Gersdorff sank dann tot zusammen. Dieser Vorfall ereignete sich, als der alte Mann während einer ganz kurzen Rast Wasser aus einem alten Brunnen trinken wollte.
... Wenn ich gefragt werde, ob es sich bei diesem Dorf um Tarnowo handelt, so kann ich diese Frage nicht bejahen. Ich weiß nur, daß das Dorf im Kreise Turek und auf der Chaussee nach Kutno in der Gegend von K[r]osniewice liegt. Wir trafen hier mit einigen unserer Kameraden aus
Alt-Boyen zusammen. Auf der weiteren Wegstrecke machten mein Dienstherr Gernoth, der Herr aus Kuschen und ein weiterer mir unbekannter Mann schlapp. Sie blieben zurück, und wir hörten drei Schüsse fallen. Ich habe die drei Kameraden nicht mehr gesehen und nehme an, daß sie erschossen worden sind. Auch ich erhielt einen Schuß in das Knie, als ich aus dem Gliede heraustaumelte (linkes Knie). Mit dieser Verwundung lief ich noch vier Tage und kam bis K[r]osniewice, wo ich einen Tag liegenblieb. Am nächsten Tage gelang es mir, zu entweichen. Quelle: WR II
Unter Eid bekundete der Zeuge Kuhnert, Landwirt in Alt-Boyen, folgendes:
Aus einer Lache am Wege durften wir das schmutzige und stinkige Wasser trinken. Wir waren aber so ausgedürstet, daß wir uns gierig daraufstürzten. Auf dem Marktplatz dieses mir unbekannten Dorfes überließ uns die Polizei für eine Stunde der Zivilbevölkerung, die die Gelegenheit nun wahrnahm, um auf uns einzuschlagen und uns mit Steinen zu bewerfen. Ich war selbst Augenzeuge, wie ein Kamerad von uns von einem schweren Stein getroffen tot zusammensank. Quelle: WR II
![]() ![]() Unter Eid bekundete der Zeuge Max Hofmann aus Schokken, Kr. Wongrowitz, folgendes:
... Ich sah z. B. selbst, wie eine Frau aus der Bromberger Gruppe, die nicht mehr weiterkonnte und bereits geistesgestört war, von einem Wachmann mit dem Kolben totgeschlagen wurde. Auch den etwa 70 Jahre alten Kriegsinvaliden Ernst Kiok aus Jaroschau bei Wongrowitz, der bereits seit längerer Zeit nicht mehr laufen konnte und auf einem Wagen lag, zogen die Begleitmannschaften vom Wagen herunter, warfen ihn in einen Straßengraben und schlugen ihn dort mit dem Kolben tot. Auf unserem Wege nach Lowitsch lagen zahlreiche Leichen von internierten Volksdeutschen links und rechts der Straße und auch auf der Straße selbst, so daß wir fast über diese stolperten. Es war ein unglaublicher Leidensweg, der sich in Richtung Lowitsch bewegte. Auch das an unserem Zuge vorbeiziehende Militär beteiligte sich an den Mißhandlungen und dergleichen. Quelle: WR II
![]() ![]() Unter Eid bekundete der Zeuge Bruno Rauhudt, Landwirt in Kaczanowo, Kr. Wreschen, folgendes: [...] ... So kamen wir schließlich mit vielen Unterbrechungen über Konin nach Klodawa. ... Gegen Abend, es war schon völlig dunkel, ereignete sich folgender Fall: ... Hinter dem Zuge – etwa 100 Meter entfernt – stand eine Lokomotive. Diese wurde nun in Gang gesetzt, so daß sie auf die letzten Wagen auflief. Während der letzte Wagen, in dem ich mich nicht befand, zertrümmert und aus dem Gleise herausgetragen wurde, fuhr die Maschine auf den vorletzten Wagen in der Weise auf, daß die Maschine emporstieg und dann den hinteren Teil des Wagens zusammendrückte. Dabei [146] wurde eine Anzahl Deutscher getötet und schwer bzw. leicht verletzt. Unter den Getöteten befanden sich der Landwirt Pieper aus Guriczki, der Landwirt Mühlheim aus Wilhelmsau, der Landwirt Mikos aus Biechowo, der Landwirt Grawunder aus Sendschau und andere mehr. Ich habe gehört, daß insgesamt 15–20 Deutsche auf diese Weise getötet worden sind. Die Leichen wurden gleich in der Nähe des Bahnhofes Klodawa verscharrt. Wir Überlebenden wurden zusammengetrieben, die Verwundeten wurden auch zu uns gebracht. Wir wurden alle schließlich in einen Wagen zusammengepfercht. Der Zug fuhr weiter. Bei Hellwerden stellten wir fest, daß von den Schwerverletzten inzwischen zwei verstorben waren. Ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen, daß die Verwundeten von dem Sanitätspersonal nicht einmal verbunden worden waren. Die beiden Toten wurden gleich neben der Eisenbahnstrecke von Landsleuten von uns verscharrt, die dazu den Befehl von den Polen erhalten hatten. Gegen Abend wurden die Schwerverletzten in einen Kalkwagen verladen. Nachdem die Schwerverletzten in dem Kalkwagen drei Tage zugebracht hatten, gelang es uns endlich, ihre Überführung ins Lazarett zu veranlassen. Wir waren, nachdem die Lage brenzlig geworden war, aus unseren übrigens nun offenen Eisenbahnwagen ausgeladen worden und zu Fuß in ostwärtiger Richtung geführt worden. Der größte Teil unserer Landsleute lief barfuß, so wie sie aus dem Waggon gekommen waren.
Wenn auch bei diesem Auffahren der Lokomotive ein Wachmann getötet und ein anderer verletzt worden ist, so habe ich keinen Zweifel, daß die Lokomotive absichtlich auf unsere beiden Wagen aufgefahren ist, um hier Unheil unter uns Deutschen anzurichten. Dies ergibt sich auch klar aus den bereits vorher erwähnten Drohungen der polnischen Eisenbahnbeamten. Quelle: WR II
![]() ![]() Erlebnisbericht des Geschäftsführers Wilhelm Romann aus Wongrowitz Unter Eid bekundete Wilhelm Romann am 22. September 1939 folgendes: Am Freitag, dem 1. September 1939, wurde ich auf Grund eines vom Starosten unterschriebenen roten Zettels gegen 16 Uhr von einem Polizisten und einem Hilfspolizisten festgenommen und zur Polizeistation gebracht. Hier fragte ich den Polizeikommandanten Nowak, was mit mir geschehen sollte. Er konnte mir jedoch keine Auskunft geben. Der Starost von Wongrowitz hieß Zenkteller. Mit den Behörden stand ich in Wongrowitz sehr gut, auch mit den Behördenleitern, trotzdem hatten sie es fertiggebracht, mich auf die Schwarze Liste zu setzen. Von der Polizeistation wurde ich in das Gefängnis eingeliefert und kam mit dem deutschen Lehrer Heuchel in zwei unglaublich schmutzige Zellen. Durch die Wand konnten wir uns verständigen. Um Luft zu bekommen, schlug ich zunächst die Fenster ein.
Auf der Straße Wloclawek nach Kutno ging ein langer Zug von Internierten. Vor uns ging ein Zug von Internierten aus Argenau, dieser Zug hatte viel mehr Begleitmannschaften als wir, uns waren nur sechs Polizisten beigegeben. Auf dem Marsch nach Kutno erhielten wir durchweg alle schwere Schläge. Auf der Straße selbst sahen wir verschiedentlich Blutspuren, die von mißhandelten oder erschossenen Internierten herrühren mußten, die vor uns die Straße entlanggeführt wurden. In Wloclawek hatte
Bis Chodtz fanden bei unserer Gruppe keine Erschießungen oder sonstige Morde statt. Auf dem Nachtmarsch wurden wir jedoch verschiedentlich schwer mißhandelt. Kiok erhielt einen Ziegelstein an den Kopf geworfen, worauf er zu Boden stürzte und liegenblieb. Von der nächsten Gruppe wurde er jedoch aufgehoben und uns nachgeführt. Gegen ein Uhr nachts kamen wir in Chodtz an und mußten bis zum Morgen draußen [148] liegenbleiben. Am nächsten Tage wurden wir registriert und kamen in eine Halle der dortigen Zuckerfabrik. Hier trafen wir auf eine Gruppe von etwa 30 Internierten aus Hohensalza und auf Bromberger Internierte. Vor dem Abmarsch wurden wir in Gruppen von je tausend Mann eingeteilt. Später erzählte mir der unsere Gruppe führende Armeehauptmann, daß es nicht ganz sechstausend Internierte gewesen seien, die von Chodtz abmarschiert waren. Ich war in der dritten Gruppe. Unterwegs gab es wüste Schießereien auf Flüchtende oder
Wenn uns polnische Truppen begegneten, schlugen sie auf uns mit Spaten ein, in eine hinter uns gehende Gruppe haben sie auch mit Maschinengewehren geschossen, einmal fielen etwa fünfzig bis sechzig Schuß hintereinander. Vor Kutno lief ein aus der Marschkolonne auf das Feld laufender Internierter neben der Straße stehenden polnischen Truppen in die Hände. Ich sah, wie zwei Soldaten so lange mit Kolben auf ihn einschlugen, bis er tot war. Einem anderen wurde von polnischen Soldaten der Kopf buchstäblich zertreten. Hinter Kutno sah ich einen Internierten tot auf der Straße liegen, der war von polnischen Soldaten mit dem Kolben totgeschlagen worden. Wie ich hörte, sollte er um Wasser gebeten haben, seine Ermordung war die Antwort. Polnische Soldaten riefen unseren Begleitmannschaften wiederholt zu, macht eure Leute doch tot, die werden ja sowieso erschossen. Ich sah fernerhin, wie eine Frau mit einem Kind auf dem Arm von einem Polizisten mit dem Gummiknüppel geschlagen wurde. Später fand ich sie auf der Straße liegend, mit dem Gesicht auf dem Boden. Meines Erachtens war sie tot.
Wir waren alle, ich möchte das abschließend bemerken, seelisch völlig herunter, so daß wir Selbstmord begehen wollten. Etwa 20 bis 25 Prozent sind meines Erachtens irre geworden, viele kamen jedoch wieder zu sich, insbesondere nach der Befreiung durch deutsche Truppen. Ich habe den früheren Senator Dr. Busse gesehen, dieser war völlig zerschlagen, er liegt noch im Krankenhaus in Lodsch. Die Frau eines Güterverwalters aus der Gegend von Argenau lag im Lowitscher Krankenhaus irre, ich hörte sie kreischen und schreien, ob sie noch lebt, weiß ich nicht. Laut diktiert, genehmigt, unterschrieben
gez. Wilhelm Romann
Quelle: WR II
![]() ![]() Erlebnisbericht von Tierarzt Dr. Schulz in Lissa Unter Eid bekundete der Zeuge Tierarzt Dr. Schulz in Lissa folgendes:
Am Nachmittag des 1. September wurden die etwa 350 bis 400 festgenommenen Deutschen durch einen Feldwebelleutnant des polnischen Heeres nach Storchnest gebracht. Unter uns befand sich der 82jährige Professor Bonin in Unterhose und Schlafrock. Außer Prof. Bonin waren noch ein 82jähriger Greis, der Schneidermeister Tiller, sowie noch andere 70jährige Männer im Zuge. Auch Frauen befanden sich unter uns. Man hatte sich nicht gescheut, auch kleine Kinder mitzuschleppen. Der Weg bis Storchnest war einigermaßen erträglich, auch der, der sich bis nach Schrimm anschloß. In
Am Samstag, dem 9. September 1939, erreichten wir endlich die Gegend von Lowitsch. Dieses wurde gerade von deutschen Fliegern mit Bomben
An diesem Dorfe erfolgte unsere Befreiung durch deutsche Panzerwagen. Unsere Freude über die Rettung war unbeschreiblich. Quelle: WR II
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Untersuchungsstelle für
Gegenwärtig: Es erscheint der Pfarrer August Rauhut von Gnesen und erklärte auf Befragen: Zur Person: Ich heiße August Rauhut, geboren am 21. September 1888 in Dambitsch, Krs. Lissa, Seelsorger der deutschen Katholiken zu Gnesen, gewesener Direktor des Deutschen Privatgymnasiums, 2. Verbandsvorsitzender des Verbandes Deutscher Katholiken in Polen, wohnhaft in Gnesen, Poststraße 1a.
Nach mehreren Tagen Umherirrens in den Feldern und Wäldern von Stralkowo bis Powitz beschloß unsere Gruppe von 42 Mann, drei Mann nach Powitz zu senden, es war der 7. September 1939. Diese drei Männer sollten die Behörde von Powitz darum bitten, daß wir uns entweder in Powitz niederlassen oder nach Gnesen zurückkehren könnten. Es waren dies:
2. Herr Landwirt Derwanz aus Przybrodzin, Krs. Gnesen, 3. ich selbst, August Rauhut. Wir langten um 11 Uhr in Przybrodzin an und erhielten von der derweiligen Behörde die Erlaubnis, uns in Przybrodzin niederzulassen, und sogar einen Personalausweis. Während diese Formalitäten erledigt wurden, sahen Herr Wiedemeyer und ich, wie unser dritter Begleiter, Herr Derwanz, mit einem meiner früheren Schüler, Lyk, von Militär, wohl zum Erschießen, abgeführt wurden. Wir sahen jedenfalls Herrn Derwanz nachher nicht mehr wieder. Nachher erfuhr ich, daß Herr Derwanz auf dem evangelischen Friedhof in Powitz nackt bestattet sein soll. Herr Derwanz war beim Öffnen verschiedener Gräber von mir bekannten Personen gefunden und wiedererkannt worden. Um ½3 Uhr begaben Herr Wiedemeyer und ich mich mit unserem Personalausweis und mit Erlaubnis der Behörde in den Wald zurück zu unserer Gruppe, etwa 4 km, um sie in die Stadt zu holen. Wir waren kurz vor unserer Gruppe. Da wurden wir von jugendlichen bewaffneten Leuten mit großem Lärm eingeholt und unter Gewalt mit Todesandrohungen jeglicher Art zurückgeholt, indem man erklärte: "Sie müssen zurück, denn ihr Ausweis ist nicht mehr gültig, sie werden erschossen." Dieses Todesurteil wollte man unterwegs mehrfach an uns vollziehen. Wir mußten getrennt gehen [152] und durften nicht mehr sprechen. Herr Wiedemeyer raunte mir nur noch zu: "Wenn Sie mit dem Leben davonkommen, dann grüßen Sie meine Frau und Kinder." Wir erreichten die Stadt, die Öffentlichkeit nahm mehrfach unter Beschimpfungen und Schmähungen, vor allen Dingen meiner Person, eine sehr drohende Haltung gegen uns ein. Wir erreichten das Kommissariat um etwa ½5 Uhr. Während wir auf dem Kommissariat saßen, hörten wir aus dem Munde des Kommissars, eines polnischen Großgrundbesitzers, mehrfach schmerzliche Äußerungen über das Erschießen des Herrn Derwanz. Er verurteilte es sogar. Wir saßen etwa zwei Stunden im Wartezimmer, da wurden von uns noch einmal die Ausweispapiere verlangt. Kurze Zeit darauf erhielten wir sie zurück, und alsbald wurde ich von drei sehr schäbig angezogenen polnischen Soldaten zum Erschießen abgeholt. Unter ihnen befand sich auch ein lahmer bewaffneter Invalide, der sich mir gegenüber in besonderer Weise durch seine Roheit auszeichnete. Herr Wiedemeyer blieb zurück. Als ich im Flur war, hieß es, ich sollte noch einmal das Beratungszimmer betreten. Dort waren eine Reihe Jugendlicher, u. a. auch ein älterer Vorsitzender der sogenannten Erschießungskommission. Er warf mir vor, Bandenführer zu sein, Kurzwellenradio zu besitzen. Als ich dies alles entkräftigte, sagte er mir, daß geistige Beschäftigung mit Kurzwellenradiotechnik ein sehr "schwarzer Punkt" in meinem Leben sei. Ich sah, mein Los war entschieden. Da entsann ich mich, daß meine geistliche Behörde mir für meinen Bischof in Polesie ein Empfehlungsschreiben mitgegeben hatte. Dieses legte ich vor, man stutzte. Indessen trat der Ortsgeistliche in das Verhandlungszimmer ein und erklärte: "Ich habe keine Vollmacht über ihn, überweise ihn aber nach Gnesen an den Dekan Zableki, der an der Spitze des Bürgerkomitees in Gnesen stand." Ich mußte das Verhandlungszimmer verlassen und kehrte in das Wartezimmer zurück. Herr Wiedemeyer war nun nicht mehr dort. Ich wußte, was mit ihm indessen geschehen war, ich ahnte es jedenfalls, daß er inzwischen erschossen worden ist, weil mir das gleiche Los beschieden sein sollte. Nach kurzer Zeit holte mich der Ortspfarrer ab und erklärte mir, er habe die volle Verantwortung für mich übernommen, ich müßte auf der Pfarrei übernachten und würde am nächsten Tage (Freitag, den 8. September 1939) nach Gnesen meiner Behörde überführt werden. Das geschah auch am nächsten Tage. Zu meinem eigenen Schutze als Geistlicher wurde ein zufällig in Powitz weilender Geistlicher mit dem Ortsvorsitzenden des Bürgerkomitees mir beigegeben. Wir erreichten Gnesen, allerdings unter vielen Vorwürfen gegen meine Person unterwegs. Das Bürgerkomitee beschloß, mich im Spital der grauen Schwestern zu meinem Schutze unterzubringen. Das geschah, ich verblieb daselbst bis Montag, den 11. September 1939, ½12 Uhr, nachdem die Wehrmacht eingerückt war. Ich wurde von einem Hauptmann aus meiner Schutzhaft befreit. Ich bemerke, weil mir unterwegs aus Powitz nach Gnesen ständig Vorwürfe gemacht wurden, daß ich in dem oder in den Öfen meiner Wohnung eine Kurzwellenstation besitze, ließ ich von dem Vorsitzenden des Bürgerkomitees in Powitz auf die Haltlosigkeit der Vorwürfe untersuchen. Darauf erklärte er mir: "Ich will Ihnen sagen, daß Herr Wiedemeyer nicht mehr lebt." Er bat mich, Stillschweigen zu bewahren. Am Donnerstag, dem 14. September [153] 1939, wurden auf dem Friedhof in Powitz durch Zivilpersonen, die die Stadt Gnesen entsandt hat, die frischen Gräber aufgegraben, und man fand sowohl Herrn Derwanz als auch Wiedemeyer tot vor. Wiedemeyers Leiche war besonders verstümmelt und zeigte insbesondere blutende Wunden am Halse. Beide Herren sind von polnischem Militär umgebracht worden. Außer diesen beiden Herren sind noch sechs weitere Personen aus der Umgebung von Gnesen dicht bei ihren Höfen von bewaffneten Zivilpersonen bestialisch ermordet worden. Darunter befanden sich Kropf und sein Schwiegersohn Brettschneider. Einem Ermordeten hatten sie den Bauch geöffnet und den Kopf zermalmt. Man sprach von diesen Taten in Gnesen auch unter den Polen direkt mit einem Abscheu. Meines Erachtens sind diese Zivilpersonen behördlicherseits mit Waffen versehen worden. Dieses ist während meiner Abwesenheit von Gnesen geschehen. Über den Zustand der Toten könnte der Totengräber des evangelischen Friedhofes Aussagen machen. Ich komme zur Zeit nur nicht auf den Namen. Der Ausweisungsbefehl wurde mir am 1. September 1939 vom Starost erteilt, und am 3. September 1939 verließ ich Gnesen. Laut diktiert, genehmigt und unterschrieben
gez. August Rauhut
Der Zeuge wurde vereidigt.
Geschlossen: Quelle: WR II
![]() ![]() Unter Eid bekundete der Zeuge Ewald Tonn, Kaufmann und Gastwirt in Rogasen, Kr. Obornik, folgendes:
Etwa sieben Kilometer vor Gnesen trat der verwachsene Volksgenosse Puder aus der Marschkolonne heraus, da er völlig erschöpft war. Sofort erhielt er Kolbenschläge vor die Brust und blieb zurück. Da ich mich um ihn sorgte, schlängelte ich mich nach hinten an die Marschkolonne und sah ihn auf einem Wagen liegen, wo er bereits mit dem Tode rang und bald darauf starb. Quelle: WR II
![]() ![]() Unter Eid bekundete der 70jährige Zeuge Emil Lange, Landwirt in Slonsk, folgendes:
... Mir als 70jährigem Manne ist dieser Marsch1 sehr schwer gefallen, meine Füße waren völlig blutig, die Nägel hat man mir von den Zehen herunterreißen
Quelle: WR II
![]() ![]() Unter Eid bekundete der Zeuge Szczepan Siedlecki, Kolonialwarenhändler in Michelin, folgendes:
Am ersten Mittwoch im September dieses Jahres sah ich, daß etwa 150 Volksdeutsche von polnischen Polizeibeamten an meinem Laden vorbei in Richtung Kutno abgeführt wurden. Als ein etwa 80 Jahre alter Volksdeutscher nicht mehr weiterkonnte, bekam er von den Polizeibeamten Kolbenstöße, so daß er vollends zusammenbrach. Er wurde an der Straße liegengelassen. Zwei polnische Polizisten sagten noch zu einigen Zivilisten, die in der Nähe standen, daß sie ihn umbringen könnten. Dann sah ich, wie zwei mir unbekannte Männer die Taschen des alten Mannes durchsuchten. Sie schlugen den alten Mann mit einem Stein und stießen ihn mit ihren Füßen.... Quelle: Sd. Is. Bromberg 814/39.
![]() ![]() Unter Eid bekundete der Zeuge Kurt Seehagel, Friseur in Rogasen, z. Zt in Bukowice (beim polnischen Heere gedient vom 16. 4. 1931 bis 16. 3. 1933 bei der Infanterie), folgendes:
Ich wurde mit etwa 20 bis 25 anderen Einwohnern von Rogasen am 1. September 1939 in
Zwischen Kutno und Lowitsch wurde bei einem Halt unserer Gruppe in einem Stadtpark von unseren Begleitmannschaften, welche polnische Reservisten waren und Feldpolizeidienste
Unterwegs zogen die Begleitmannschaften wahllos Kameraden von mir aus der Kolonne heraus und
Quelle: WR II
![]() ![]() Erlebnisbericht von Landwirt Dr. Schubert Unter Eid bekundete Dr. Albrecht Schubert, Landwirt in Grune bei Lissa, folgendes:
Am 2. September 1939 wurde ich in meiner Wohnung ohne Begründung verhaftet und unter ständigen Todesdrohungen verschleppt. In Griewen wurden wir unserer Habseligkeiten durch einen Wachtmeister des 17. polnischen
Ulanen-Regiments, das in Lissa stand, gewaltsam beraubt. Einzelnen Gefangenen wurde auch ihr
Die volksdeutschen Zivilgefangenen bestanden aus Personen im Alter von 14 bis 75 Jahren, darunter auch Frauen. Den Anstrengungen des Marsches war kein Gefangener gewachsen, zumal der Marsch ohne jede Verpflegung und im wesentlichen ohne Unterkunft und in völlig unzureichender Bekleidung ausgeführt werden mußte. Die Leute waren meist nur mit Hemd und Hose bekleidet, teils nur in Holzpantoffeln, teils nur mit einem Schuh bekleidet, als sie verhaftet wurden. Man hatte ihnen nicht Zeit gelassen, sich vollständig anzuziehen. Im allgemeinen wurden Marschkranke, die nicht mehr weiter konnten, durch Erschlagen oder Erschießen beseitigt. Ich habe zwar [156] selbst Erschlagungen oder Erschießungen nicht gesehen, einmal weil dies in der Hauptsache nachts geschah und weil wir uns nicht umsehen durften. Ich habe jedoch sehr oft das Geräusch von schweren Schlägen, Schreie und Schüsse gehört, und die aus dem Gliede gezogenen Gefangenen kehrten nicht zu uns zurück. Ich sah mindestens sechs Tote – Volksdeutsche – an unserer Marschstraße liegen, die von vorausziehenden Truppenteilen erschlagen oder erschossen waren.
In Peisan, wo wir ausnahmsweise in einem Raume untergebracht worden waren und ohne Stroh auf das engste zusammengepfercht lagen, wurde der Lehrer Semenjuk aus Lissa infolge der erlittenen Mißhandlungen und Strapazen irrsinnig und schrie laut. Dieses veranlaßte den Posten, sofort in unseren Unterkunftsraum zu schießen. Nur durch das besonnene Verhalten der Gefangenen wurde ein Massenmord vermieden. Unsere Wachmannschaft ließ den Pöbel in unsere Unterkunft, der den Gefangenen ihre Habe, Uhren, Ringe und Geld, raubte. Am nächsten Morgen erschien ein Unteroffizier der 17. Ulanen und stahl den Rest der noch im Besitz der Gefangenen verbliebenen Habseligkeiten, insbesondere Geld, Uhren und Ringe.
Ich selbst erlitt schwere Mißhandlungen durch Kolbenstöße und bin nur deshalb noch am Leben, weil der auf mich schießende Soldat mich nicht getroffen hat. Die Kugel ging unmittelbar an meinem Kopfe vorbei. Dies alles geschah nur deshalb, weil ich einen zusammengebrochenen Mann von 70 Jahren auf einen Wagen legen wollte. Ich bin der festen Überzeugung – wie alle meine überlebenden
Mitgefangenen –, daß auf dem Marsche zahlreiche Volksdeutsche erschlagen und erschossen worden sind. Infolge der nächtlichen Dunkelheit konnten wir nur einen
Der Organist Wiener aus Griewen, Träger einer Beinprothese, brach nach 20 Kilometern zusammen, weil seine Prothese zerbrach und er deshalb einfach nicht mehr gehen konnte. Ich habe mit meinem ebenfalls gefangenen Eleven Wiener 15 Kilometer weit getragen, weil ich ihn nicht liegenlassen bzw. erschlagen lassen wollte. Weil ich den Mann trug, bekam ich wiederum schwere Kolbenstöße.
Ein Lissaer, dessen Namen ich noch feststellen werde, mußte mit einem Schuß in die Hoden bis nach Lowitsch marschieren. Sein Hodensack war völlig mit Blut gefüllt. Er hat unsagbare Schmerzen ausgestanden. Quelle: WR II
![]() [157] ![]() Erlebnisbericht von Pastor Paul Rakette aus Schokken Unter Eid bekundete der Zeuge Paul Rakette am 9. Oktober 1939: Ich bin seit Januar 1938 als Seelsorger der Gemeinde Schokken tätig.
Nachdem wir Sonntag über und die Nacht vom Sonntag zum Montag auf dem Bahnhof in Personenwagen gepfercht gestanden hatten, lud man uns in Viehwagen um. Ich kam mit 52 anderen Gemeindemitgliedern und Volksgenossen aus Wongrowitz in einen Viehwagen. Stundenlang ließ man uns in diesen Viehwagen fast ohne jede Luftzufuhr, so daß ein Mann
In Thorn und auf der Fahrt nach Wloclawek wurden wir wiederholt, auch von polnischen Eisenbahnern, neben wüsten Beschimpfungen, mit Flaschen und anderen Gegenständen beworfen. Auch Mißhandlungen fanden in zahlreicher Weise statt. Den geistesgestörten Kiok, den ich vorher erwähnte, schlug ein polnischer Polizeibeamter wüst mit dem Gummiknüppel. Eine Flasche zersplitterte in unserem Güterwagen, wodurch die Insassen erheblich demoralisiert wurden. In Wloclawek wurden wir ausgeladen und mußten zunächst scheinbar planlos, doch meines Erachtens absichtlich und gewollt, hin und her durch die Stadt ziehen. Dabei wurden wir mit Steinen beworfen, mit Knüppeln geschlagen usw. Ich erhielt z. B. zwei Schläge mit dem Kolben eines Armeerevolvers in das Gesicht. Durch einen Schlag wurde mir [158] das Nasenbein angebrochen, wie der Arzt später feststellte. Schließlich führte man unsere Gruppe in eine Zuckerfabrik, dem Sammelplatz für alle Interniertengruppen. Zwei Nächte und einen Tag blieben wir dort, teils auf dem Hof, teils in Räumen der Zuckerfabrik. Die Schar der Internierten war inzwischen auf 7000 Männer, Frauen und Kinder angewachsen.
Ich möchte nicht unerwähnt lassen, daß auf diesen beiden Gewaltmärschen Leute in ihrer Verzweiflung aus der Marschkolonne herausliefen und dann wie Hasen auf einer Treibjagd abgeschossen wurden. Ein Fall ist mir in besonderer Erinnerung. Ein solcher Volksgenosse war aus der Marschkolonne herausgelaufen und wurde mit Schüssen der Begleitmannschaften in einen Kessel getrieben. In diesem Augenblick kamen von einer Anhöhe herab, ausgeschwärmt, polnische Soldaten. Als sie den betreffenden Volksgenossen erreicht hatten, schossen sie ihn nicht tot, sondern bearbeiteten ihn mit ihren genagelten Stiefeln. Ich konnte nur noch sehen, wie er sich noch einmal aufrichtete, worauf man auf ihn mit Kolben einschlug, bis er tot zusammensackte. Auch mit Bajonetten stach man auf ihn schließlich noch ein. Die Roheiten der polnischen Soldaten und der Polizisten, die ich beobachten konnte, war geradezu bestialisch..... Quelle: WR II
![]() ![]() 1Es handelt sich um den Marsch von Ciechocinek über Nieschawa nach Wloclawek. ...zurück... |