Teil 5: Die Achtundvierziger m September 1852 trifft der Lehrersohn Carl Schurz mit seiner jungen Frau im Hafen von New York ein. Er hatte in der Heimat als liberaler Burschenschaftler am Badischen Aufstand teilgenommen. Von Philadelphia aus geht er zunächst als Farmer nach Wisconsin. Schon hier wird er durch seine in Sprache und Ausdruck perfekten Reden bekannt, so daß Lincoln eifersüchtig auf den Deutschen gewesen sein soll. Schurz wird später als "der größte Einwanderer, den Deutschland je stellte," oder "ein Geschenk Deutschlands an Amerika" gelobt. Als Deutscher, der wie die meisten seiner Landsleute für die Befreiung der Sklaven eintritt, schließt Schurz sich den Republikanern an. Er wird von Lincoln mit den schmeichelhaften Worten begrüßt: "In den Grenzen unserer kurzen Bekanntschaft darf ich Ihnen sagen, daß mir kein Mann näher am Herzen liegt als Sie." Lincoln verficht zwar offiziell die Sache der Abolisten. Wenig bekannt sind jedoch seine Worte, die er 1858 während seiner berühmten Debatten mit Stephen A. Douglas äußert: "Ich trete nicht für eine soziale und politische Gleichheit zwischen der weißen und schwarzen Rasse ein... Ich trete nicht dafür ein, daß Neger Ämter besetzen können, daß sie Weiße heiraten dürfen... Ich habe immer die Meinung vertreten, daß die höchste Stelle den Weißen gebührt." Präsident Lincoln, dessen Stiefmutter Sarah Bush deutscher Abstammung war, schickt Schurz als Gesandten nach Madrid. Während des Bürgerkrieges übernimmt Schurz eine vorwiegend aus Deutschen bestehende Division der Unionsarmee. Nach Beendigung des Krieges wird Schurz Senator von Missouri und 1877 Innenminister unter Präsident Hayes. Als Journalist und Politiker hatte er sich für eine schnelle Aussöhnung mit den Südstaaten eingesetzt. Daneben liegt ihm, wieder gegen erhebliche Widerstände, die Verbesserung der Lebensbedingungen von Negern und Indianern am Herzen. Zu diesen und seinen Bemühungen zur Reform des Beamtenwesens schreibt Joachim Fernau ironisch: "Nach alledem kann man sich vorstellen, wie unbeliebt sich Schurz schnell machte... Seine Säuberung in den hohen Ämtern wurde als äußerst unverschämt empfunden. Schurz führte Prüfungen ein, siebte die Kandidaten nach Fachkenntnissen und Unbescholtenheit und brachte jede Verfehlung unnachgiebig vor den Richter. Als besonders stinkendes Nest erwies sich die New Yorker Zollbehörde. Als er da hineinstach, fiel die ganze Republikanische Partei von ihm ab.... Was waren das für herrliche Zeiten unter Grant gewesen! Als Vanderbilt für jeden Kilometer Schienenstrang rechts und links zehn Meilen Land geschenkt bekam! Als Philip Armour bei seinen Fleischlieferungen an die Armee in drei Monaten eine Million Dollar verdiente, wobei aus den Tonnen schon die Maden krochen..." Der tragische innere Konflikt des deutschen Amerika-Einwanderers spiegelt sich selten verdichtet in Schurzens berühmtem Ausspruch wider: "Ich liebe Deutschland wie meine Mutter und Amerika wie meine Braut. Wenn man sich entscheiden muß, hält man zur Ehefrau, aber der Mutter gehört die Liebe ein Leben lang." Bismarck gestand: "Als Deutscher bin ich stolz auf Schurz." Aber wie würden die Amerikadeutschen sich nach obigen Worten von Schurz im Falle eines Krieges gegen ihr Heimatland verhalten? Die bereitwillige Angleichung und letztlich das Aufgehen in die vorgeformte englisch-puritanische Gesellschaft hat dem Deutschtum fast nur Nachteile gebracht. Die Tonangebenden unter den Deutschen waren gottesfürchtige Christen. Was ihnen im praktischen Leben fehlte, war das politische Durchsetzungsvermögen! Ein weiterer engagierter Vorkämpfer der Sklavenbefreiung wird der Mannheimer Anwalt Friedrich Hecker, der sich nebenbei das Verdienst erwirbt, den ersten deutschen Turnverein in Cincinnati zu gründen. 1896 startet Adolph Ochs (der Vater stammt aus Fürth) die New York Times. Heinrich Engelhard Steinweg aus Wolfshagen gründet mit seinem Sohn Henry 1853 in Manhattan die Firma Steinway & Sons, deren Konzertflügel bald weltberühmt werden. Dr. Abraham Jacobi, der aus dem Mindener Gefängnis geflohen war, eröffnet in New York eine Arztpraxis, wird zum Pionier der Kinderheilkunde in den USA und durch seine Publikationen in der ganzen Welt bekannt. Der Uhrmacher und Optiker Heinrich Göbel, eingewandert aus Springe am Deister, erfand 1854 die Glühbirne mit verkohlter Bambusfaser in luftleerem Glaskolben, 25 Jahre bevor Edison die Erfindung aufgriff. Heinrich Gustav Hilgard macht sich als Henry Villard beim Bau der Northern Pacific Railroad einen Namen. Er kann sie zum Teil mit Krediten aus Deutschland finanzieren, wofür die heutige Hauptstadt von North Dakota den Namen Bismarck erhält. Zusammen mit Edison gründet Villard-Hilgard die Edison General Electric. Er erwirbt ferner den Hauptanteil der Evening Post, einer der größten Zeitungen New Yorks und ernennt Carl Schurz zu deren Chefredakteur. Joachim Fernau ist in seinem Buch Halleluja von Villards Arbeitsweise weniger eingenommen. Er beschreibt Villard als Hauptakteur der Methode, durch europäische Werbeagenturen billige Arbeitskräfte nach Übersee zu lotsen. "Sie stiegen in den Arme-Leute-Viertel treppauf, treppab, bis nach Neapel und Sizilien hinunter und bis tief nach Rußland hinein." So waren z.B. im rauchverseuchten Pittsburger Bezirk von 25,000 Stahlarbeitern 15,000 Einwanderer. Zwischen 1852 und 1854 treffen rund eine halbe Million Einwanderer aus dem deutschsprachigen Raum in Amerika ein. Diese starken Wellen erzeugen bei den Nativisten, die die neue Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt fürchten, erhebliche Ressentiments. Die Einwanderer sind gewöhnlich beruflich besser qualifiziert, dominieren in speziellen Berufszweigen und verfügen allgemein über eine überlegene Arbeitsmoral, weit entfernt von der landläufigen Mentalität, mit gleich welchen Mitteln zum "schnellen Geld" zu kommen. Was die alteingesessenen Puritaner den Deutschen jedoch besonders verübeln, ist deren Gewohnheit, den Sonntag nicht nur zum frommen Bibellesen zu nutzen, sondern sich auf ihre Art durch Musik und Tanz beim Bier von den Mühen der Woche zu erholen. Hunderte von Vereinigungen der Nativisten, Ostküsten-Puritaner, Abstinenzler oder messianische Templerenzer, das weibliche Element gewöhnlich besonders stark vertreten, ziehen gegen dieses "deutsche Laster", das das Seelenheil der Nation zu gefährden droht, zu Felde. Präsident Kennedy erklärte einmal, daß es besonders dem Einfluß der deutschen Einwanderer zu verdanken sei, "daß unser tägliches Leben von dem strengen und bigotten puritanischen Gepräge befreit wurde." Thomas Paine, amerikanischer Freiheitsheld und erster Außenminister der USA, schrieb 1793 in Das Zeitalter der Vernunft über seine Landsleute: "Wäre der Geschmack eines Quäkers bei der Erschaffung der Welt zu Rate gezogen worden, was für eine stumme und langweilige Welt wäre es geworden! Keine Blume hätte uns mit ihrer Schönheit erfreut, kein Vogel hätte singen dürfen!" Die die amerikanische Sittenreinheit beleidigenden Deutschen werden von fanatischem Pöbel angegriffen, gesteinigt, sogar ermordet. Das deutsche Theater in New Orleans wird ein Meer der Flammen. In Chicago entbrennt 1855 ein regelrechter Kleinkrieg, als man die deutschen Bierlokale an Sonntagen schließen will. Dieses extreme Vorgehen der Puritaner bewirkt jedoch einmal das Gegenteil. Die versuchte Diskriminierung der Deutschen - Druck erzeugt Gegendruck! - wird eher zu einem Auftrieb für das Deutschtum. Leider bleibt diese Chance ungenützt. Hätte man eine eigene Partei gegründet, so hätte dieses erwachende Selbstbewußtsein von Dauer sein können! Anläßlich des 100. Geburtstages Schillers werden 1859 im ganzen Land überwältigende Schillerfeste gefeiert. Friedrich Kapp sieht die Deutschen um diese Zeit "auf dem Höhepunkt ihrer Entwicklung und geistigen Bedeutung für die USA". Doch als im Schillerjahr ein Deutscher erstmals zum Sheriff von Chicago gewählt wird, gibt es bei den Anglos einen Aufschrei: "Wie schändlich wird es sein," schreibt die Times, "wenn im vorkommenden Falle ein Deutscher einen Amerikaner hängen wird!"
Der Karikaturist Thomas Nast, von dem auch die politischen Symbolfiguren "Esel" und "Elefant" der beiden Parteien stammen, begleitet den Krieg als Vorläufer der heutigen Bildjournalisten. In der Tradition Nasts steht der Wiener Joseph Keppler, der 1876 Mitbegründer der Illustrierten Puck wird, der auflagenstärksten humoristischen Zeitschrift der USA. Auch nach der Kriegszeit besteht in der Politik die deutsche Uneinigkeit fort. Bezeichnend ist wieder, daß die deutschen Kirchen der Anglisierung kaum Widerstand entgegensetzen. Verhängnisvoll für die Deutschen ist ferner, daß im Bürgerkriege, der insgesamt 600,000 Opfer forderte, viele führende Köpfe der Deutschen gefallen sind. So bleiben die Deutschen Amerikas ohne eine fähige Elite. Außer in Schulfragen treten sie nie als Block auf, sondern bleiben gespalten in Partikularinteressen. Die geistlichen Führer stellen durchweg ihre Sonderprinzipien über ihr Volkstum. Statt sich zu einem selbständigen Bund zu formen, splittern sich die Deutschen in die bestehenden Parteien der Demokraten und Republikaner auf.1 Dieser wegen Mangels von politischem Instinkt fehlende politische Ehrgeiz soll in späteren Zeiten noch verheerende Folgen haben. Obwohl Deutsche in den Weltkriegen in großer Zahl gegen ihre Heimat für Amerika kämpfen, haben sie - im Gegensatz zu Polen und Tschechen - bei den Diktaten von Versailles und St. Germain keinerlei Einfluß auf die von den Alliierten bzw. ihren östlichen Satelliten geforderten Grenzziehungen! Das Fehlen einer eigenen Partei allein ist schon Grund für die Schwäche des Deutschtums. Nicht minder verheerend wirkt sich die Verkennung der Bedeutung der eigenen Sprache aus. Während andere Minoritäten oft in den Nachfolgegenerationen ihre Muttersprache noch kennen, ist der deutsche Einwanderer fast immer bereit, möglichst schnell die englische Sprache zu übernehmen, seine eigene Sprache entweder ganz abzulegen oder sie zu einem heillosen "Pidgin English" verkommen zu lassen. Die Beherrschung der englischen Sprache ist zwar in der Regel eine wesentliche Voraussetzung zum wirtschaftlichen Erfolg. Die Aufgabe der eigenen Sprache im Familien- und Freundeskreis dagegen ist mehr die Folge von Bequemlich- und Gedankenlosigkeit, wobei erschwerend hinzukommt, daß den neuangelandeten Arbeitern und Bauern der handfeste Rückhalt einer vorhandenen deutschen Führungsschicht fehlt. So stellt der Historiker Kapp betrüblich fest: "Was wir das deutsche Element in den Vereinigten Staaten nennen, ist kaum mehr als die gerade lebende eingewanderte Generation, welche in sich abstirbt." Zu einem neuen Höhepunkt für das Deutschtum in den USA wird die Reichsgründung durch Bismarck nach dem deutsch-französischen Krieg 1871. Die Glorie des Sieges und die Anlehnung an ein nun mächtiges einiges Kaiserreich führen zu gewaltigen Aufmärschen der deutschen Turner, Sänger und Schützen. Mit diesem neuen Deutschland im Rücken regt sich endlich auch ein Stolz auf das Land der Väter. Der neue Geist findet 1888 in Cincinnati Ausdruck in einer Festrede Wilhelm Kaufmanns bei der Eröffnung der Germania-Halle, in der auch einige ungeschickte Töne angeschlagen werden, die von zuhörenden Yankees nicht gerade wohlwollend aufgenommen werden: "Wir können unserem Vaterlande keinen besseren Dienst leisten, daß wir den tausendmal bewährten, die ganze Welt durchdringenden Kulturgeist des deutschen Volkes auch hier pflegen. Es ist das Genie der Deutschen, der frisch sprudelnde Born des deutschen Idealismus, gepaart mit Arbeitskraft, Ausdauer und Tapferkeit, der es zu dem führenden Volk macht, das jetzt die ganze Welt erobert." Obwohl letzteres keineswegs wörtlich gemeint war, wären einem Engländer oder Amerikaner vielleicht wohl solche Pläne, aber nie solche Worte eingefallen! Nach dem Siege Preußens über die Österreicher bei Königgrätz 1866 hatte sich die Einwanderung aus Österreich-Ungarn verstärkt. Bis 1919 landen 1,500,000 Bürger der Doppelmonarchie an der Ostküste der USA, knapp 140,000 allein 1907. 300,000 Rußlanddeutsche siedeln im amerikanischen Mittelwesten, Schwarzmeerdeutsche in den Dakotas, Wolgadeutsche in Nebraska. Diese volksdeutschen Gruppen bringen in der Regel ein stärkeres Bewußtsein ihres Deutschtums mit als die Reichsdeutschen. So haben gerade die Rußlanddeutschen, die sich ihr Volkstum in zähem Ringen mit einer fremden Umwelt zu erhalten wußten, Amerika und seinem Deutschtum vielleicht mehr gegeben als manche andere Einwanderergruppe. Die Rußlanddeutschen bringen nebenbei auch "Kubanka" mit, jenen härtesten Weizen der Welt, der dem Rost und der Dürre trotzt und der die Prairien zu einer der größten Kornkammern der Welt macht. Die Hutterer unter den Rußlanddeutschen schaffen es auch - ähnlich wie die Mennoniten und Amische - durch gesellschaftliche Absonderung, sittenstrenge Lebensführung und die besondere Form ihres Glaubens, ihre Eigenständigkeit als reine Volkstumsgruppe bis auf den heutigen Tag zu bewahren. Es sind dies die einzigen echten, wegen ihrer Ehrlichkeit und Tüchtigkeit hochangesehenen und vielbesuchten Sprachinseln Nordamerikas.
Zu einem zentralen Anliegen wird das Turnwesen unter den Amerikadeutschen, dessen soziale Funktionen in den diversen Vereinen das Turnen allerdings weit überragen. Turnvereine tragen für lange Zeit zu einem wenn auch losen Zusammenhalt der deutschen Einwanderer bei, obwohl es an einem Dachverband mangelt. Einem anderen Vereinszusammenschluß, dem Deutsch-Nationalen Bund, gehören bis zum Ausbruch des Weltkrieges rund 10,000 Vereine in 45 Staaten mit zusammen rund 2,6 Millionen Mitgliedern an. Der Bund ist damit die größte ethnische Organisation Amerikas. Die geistige Hochburg des Lebens in Amerika gegen Ende des 19. Jahrhunderts ist dank seiner intellektuellen Elite Cincinnati. 1890 werden hier 57% der rund 300,000 Einwohner als Deutsche registriert. Stark deutsch geprägt sind ebenfalls die Städte St. Louis, Milwaukee sowie das sprunghaft wachsende Chicago, das die London Times "Amerikas deutsches Wunder" nennt. Um 1900 liegt hier der deutsche Anteil am Wirtschaftsleben bei einem Drittel. Im Umfeld von Chicago finden sich mehr als 100 Ortschaften mit Namen wie Straßburg, Wien, Baden usw. Weniger bekannt dürfte sein, daß die größte "deutsche" Stadt jedoch New York ist, wo s.Zt. mehr Deutsche lebten als in München. Um 1900 gibt es deutsche Inseln in praktisch allen Staaten der Union. Eine Umfrage ergibt wieder einmal, daß der deutsche Einwanderer weiterhin zu den begehrtesten neuen Bürgern zählt! In Kalifornien ist San Franzisco bis zum Ersten Weltkrieg der geistige Mittelpunkt des Deutschtums. 1901 wird im Golden Gate Park eine Kopie des Goethe-Schiller-Denkmals vor dem Weimarer Nationaltheater errichtet. Zu seiner Enthüllung schreibt Charles Bundschuh: "Stolz und hehr steht das herrlichste Denkmal Deutschlands an der Küste des Stillen Meeres, als die sinnigste Verherrlichung des germanischen Geistes, jenes Geistes, dem diese werdende amerikanische Nation so unendlich viel verdankt." Noch 1911 schenkt der amerikanische Kongreß dem deutschen Kaiser und deutschen Volk einen Abguß des Washingtoner Steubendenkmals - "als Symbol der ununterbrochenen Freundschaft" zwischen zwei Völkern! 1913 findet in New York eine große Wagnerfeier mit über 1,000 Sängern statt. Kurz vor dem Krieg ist für den Amerikaner Deutschland noch gleichbedeutend mit Goethe, Beethoven, Mozart und Bach. Er geht zum Studium nach Göttingen oder Heidelberg, und "alle Jünglinge und Mädchen lasen die deutschen Dichter und Denker." Der deutsche Einwanderer prägt die Neue Welt in allen Lebensbereichen mit. "Er baut, ackert, forstet, fechtet, entdeckt, sammelt, entwirft, lehrt, pflanzt und heilt. Er macht Deutsch zu einem Symbol für ganze Berufszweige. Er ringt weite Regionen der Wildnis ab, führt ganze Industrien ein, gründet die größten Bank- und Warenhäuser, spielt eine enorme Rolle im akademischen Unterricht und in der Medizin. In seinen Reihen finden sich Giganten des Geschäftslebens, Wirtschaftsführer und Gründer von Dynastien wie Studebaker, Wurlitzer, Heinz, Steinway, Villard, Guggenheim oder Strauß, wie Spreckels (der 'Zuckerkönig'), Weyerhäuser (der 'Holzkönig') oder Kreiser (der 'Rinderkönig' der USA)." Die New Yorker Brooklyn-Brücke von Johann Augustus Roebling (Röbling) und seinem Sohn kann als Kultursymbol und Sinnbild deutschen in die Neue Welt verpflanzten Geistes gelten. Auch Gustav Lindenthal und Ottmar Amman sind wichtige Brückenbaupioniere. Ottmar Mergenthaler erfindet die Zellengußmaschine Linotype, durch welche der kostengünstige Massensatz von Zeitungen und Büchern möglich wird - ein Wunderwerk der Drucktechnik. Charles Proteus Steinmetz wird im Dienst von "General Electric" durch seine Erfindungen zum "modernen Jupiter, der Blitze schleudert". Cyrus Eidlitz baute das New York-Times-Gebäude, Henry Hardenbergh das alte Waldorf Astoria, Henry Koch das Rathaus von Milwaukee. Die Eisenkuppel des Kapitols in Washington ist ein Entwurf von Thomas U. Walter. Von Rudolph Dirks stammen die ersten amerikanischen Comics ("The Katzenjammer Kids" nach dem Vorbild von Max und Moritz"), Charles Schultz machte die "Peanuts" weltberühmt. Oscar Hammerstein I. gründete sechs Opernhäuser, Oscar Hammerstein II. schrieb die Musicals "The King and I", "South Pacific" und "Oklahoma". Man darf aus allem schließen, daß die Deutschen vorwiegend kulturell und in der schöpferischen Wirtschaft tätig waren, während die von der Hochfinanz beherrschte Politik und Presse (wie heute fast die gesamten Medien) von Juden und Angelsachsen bestimmt sind. Den Deutschen spricht man die Begabung zu, eine Sache "zum Laufen zu bringen", neue Wege und Lösungen von Problemen zu finden, sich einer gegebenen Situation schnell anpassen zu können. Diese ungewollte Bewunderung ist andererseits oft von einer beachtlichen Portion Neid begleitet. Obwohl als Bauern und Handwerker besonders geschätzt, werden die Deutschen in den überwiegend angelsächsischen Teilen des Landes abgelehnt, oft offen angefeindet. Die oft plumpe Hilflosigkeit, der Komplex des aus einem unbedeutenden Fürstentum stammenden Neulings, der als braver Michel es nicht fertig bringt, selbstbewußt wie ein Engländer aufzutreten, vermehren eher seine Ablehnung, statt sie zu mildern - dem Angelsachsen hat immer nur Stärke imponiert! Der schon erwähnte Franz Lieber gewann Generationen von amerikanischen Studenten für deutsches Geistesleben. Er gibt auch die erste Enzyklopädie der Neuen Welt heraus. Die eindrucksvollen Bilder von Albert Bierstadt aus Solingen bringen den "Wilden Westen" zum Leben, und Emanuel Gottlieb Leutzes "Washingtons Übergang über den Delaware" wird zum bekanntesten Geschichtsgemälde Amerikas.
Den bei weitem größten Einfluß jedoch gewinnen die Deutschen Amerikas auf dem Gebiet der Musik. Das Kunstverständnis deutscher Musiker wird zum Grundstein für die Bildung zahlreicher Chöre und Orchester. Dieses Musikschaffen muß sich gegen den hysterischen, auch die Musik bannenden Puritanismus durchsetzen. Doch dann werden die jährlichen Bachfeste in Pennsylvania zum musikalischen Ereignis für die ganze Nation. 1783 war die erste Musikkapelle des Landes in Philadelphia entstanden. Ein Jahrhundert später ist der überragende Einfluß deutscher Komponisten auf das amerikanische Musikleben unbestreitbar. 1890 sind von den 94 Musikern der New Yorker Philharmoniker 89 Deutsche. Ein Jahr darauf wird von Theodor Thomas das Chicago Symphony Orchester gegründet. 1903 übernimmt Heinrich Conried aus Bielitz die Leitung der Metropolitan Opera in New York, an die er 1907 Gustav Mahler beruft.
All diese großartigen Kulturleistungen sollen nur für kurze Zeit das Selbstvertrauen
des
deutschen Amerikaners fördern. Mit dem Eintritt Amerikas in den Weltkrieg auf Seiten
der
Alliierten tritt schon sehr bald und in unheimlicher Schnelle ein alles zerstörender
Rückschlag ein. Selbst die glanzvollsten Namen wie Steuben, Astor oder Steinway
werden bald
nur noch mit Macht oder Reichtum, nicht mit deutscher Leistung gleichgesetzt.
1Ähnlich ging es nach dem 2.
Weltkrieg den aus dem deutschen Osten Heimatvertriebenen. Der Anpassungsdruck, hier durch
alliierte/neudeutsche Umerziehung, außerdem durch Verfolgung der politisch
Beständigen, war ebenso mit den Verhältnissen in Amerika vergleichbar wie das
Ergebnis: Die Vertriebenen haben gearbeitet und aufgebaut und unter zahmer Führung
sich
mehr um Kultur als um Politik gekümmert. Nach 50 Jahren "Vertrauen" in die Bonner
Politiker
vollendet sich das Schicksal wie in
Amerika: verkauft - verraten - vergessen. ...zurück...
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