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I. Das österreichisch-ungarische Erbe

1. Der tschechoslowakische Anteil an Bodenfläche und Bevölkerung

b) Der nationale Besitzstand und die Bevölkerung in den Sudetenländern

Der Sudetenraum war schon frühzeitig besiedelt. Diese Tatsache erklärt sich einerseits aus den klimatischen und pflanzengeographischen Verhältnissen, anderseits aus seiner geographischen Lage als Durchzugsland. Die zahlreichen Gräber- und Urnenfunde zeigen, daß Böhmen vorwiegend durch die über das Elbe- und Odergebiet ausstrahlende nordische Kultur, Mähren dagegen durch die Donaukultur beeinflußt wurde. Da sich in ganz Nordwestböhmen, im Egerland mit seinen Randgebirgen, im Böhmerwald und in einem breiten, zu deren südlichen böhmisch-mährischen Grenzhöhen ansteigenden Gürtel im Luv der Regenwinde, wie überhaupt im ganzen südlichen Moldauland, ferner in den Sudeten mit Ausnahme der Paßzone des Glatzer Kessels bis zur mährischen Pforte und jenseits derselben im Waldgebirgsrand der Weißen Karpathen und Beskiden keine Funde aus dieser Zeitepoche ergeben, waren diese Gebiete offenbar von geschlossenem Wald bedeckt und daher siedlungsleer.

Eine beträchtliche Erweiterung der Besiedlung erfuhr der Sudetenraum in der Bronzezeit. Abermals von zwei Seiten drangen Kulturwellen ein, von Nordwesten aus dem nordischen Kulturkreis an der Nord- und Ostsee und von Südosten aus Ungarn, woraus die Doppelstellung Böhmens zwischen den deutschen Meeren und dem Pontus bereits in vorgeschichtlicher Zeit sichtbar wird. Mähren verbleibt auch weiterhin im Donaukulturkreis, wenn es auch durch die mährische Pforte vom Norden her von dem nordischen Kulturkreis beeinflußt wird. In dieser Zeit bestand, wie Siedlungsstätten im Adler- und Zwittawatal beweisen, bereits zwischen Böhmen und Mähren Verbindung.

Diese Siedlungs- und Kulturschicht wird in der jüngeren Bronzezeit abgelöst von zwei neuen, in Böhmen räumlich getrennten Kulturelementen. Während sich in West- und Südböhmen auch in den bisher nicht besiedelten Gebieten Hügelgräber finden, werden in Nordost- und Ostböhmen, in ganz Mähren und in der Slowakei, in Schlesien und in der Lausitz Urnenfriedhöfe aufgedeckt. Die verschiedene Bestattungsform zeigt also, daß die Träger dieser Kulturen zwei verschiedene Völker waren, die voneinander räumlich getrennt siedelten.8

[23] Man nennt die Kultur der Brandgräber die lausitzische Kultur und sieht heute als ihre Träger allgemein die Illyrier an. Es ist eine geschichtliche Tatsache, daß die indogermanischen Stämme, seitdem ihre Wanderzüge historisch verfolgt werden können, mit Vorliebe in südlicher Richtung zogen. Noch um 100 n. Chr. werden in der Slowakei die Osen genannt und als pannonisch bezeichnet,9 d. h. im weiteren Sinne als illyrisch, die als die letzten Reste der Illyrier gelten, deren Hauptmasse sich schon Jahrhunderte vorher in Nordostitalien, im östlichen Alpengebiet und auf dem Balkan niedergelassen hatte. Die Richtigkeit der Auffassung, daß die Träger der lausitzischen Kultur Illyrier waren, wird durch die Feststellung illyrischer Fluß- und Ortsnamen erhärtet.

In der tschechischen wissenschaftlichen und politischen Literatur begegnet man öfters den Behauptungen, daß all' die prähistorischen Funde in den Sudetenländern und die für dieses Gebiet bezeugten Orts- und Flußnamen slawischen, d. h. tschechischen Ursprunges seien und somit auf eine autochthone slawische Bevölkerung schließen lassen. So hat z. B. der Professor der tschechischen Universität in Prag J. Matiegka in einer angeblich "wissenschaftlichen" Information10 der Smithsonian Report in Washington behauptet, daß während der Dauer der La Tène-Kultur neben keltischen auch slawische Stämme in Böhmen siedelten, aus denen die Tschechen hervorgegangen sind. Die germanischen Markomannen, die fast ein halbes Jahrtausend geschlossen in Böhmen siedelten, verschwinden bei Matiegka vollkommen. Die nicht wegzuleugnenden Germanengräber werden als Begräbnisstätten durchreisender Kaufleute bezeichnet. Und so ließen sich hunderte Fälschungen anführen, mit denen bewiesen werden soll, daß die Tschechen schon 900 Jahre vor Christus in Böhmen und Mähren siedelten.

Ähnliche Versuche, "dem Geburtsschein des tschechischen Volkes in Böhmen ein möglichst hohes Alter zu geben", um dessen politisches Erstgeburtsrecht zu unterstreichen und in den Köpfen ausländischer Gelehrter das Bild von der uralten Kultur des "tschechoslowakischen Volkes" zu erzeugen, wiederholen sich, wie gesagt, in der tschechischen Literatur immer wieder.11 Sie sind durch die wissenschaftlichen Forschungen widerlegt und werden selbst von ernsten tschechischen [24] Wissenschaftlern abgelehnt.12 Mögen über die rassische und volkliche Zugehörigkeit der Träger der prähistorischen Kulturen, die sich im Sudetenraum durch Gräberfunde und Namensforschungen nachweisen lassen, wissenschaftliche Meinungsverschiedenheiten bestehen, das eine ist sicher, daß es keine Slawen und erst recht nicht Tschechen waren. Die erste geschichtlich einwandfrei nachweisbare Bevölkerung in Böhmen bildeten die Kelten.

Die Einwanderung der Kelten in die Sudetenländer wird in das 4. Jahrhundert v. Chr. verlegt. Sie stießen dabei auf die Reste einer illyrischen Bevölkerung, wie das Fortleben illyrischer Orts- und Flußnamen zur Keltenzeit beweist. In Böhmen wohnten die Bojer, aber auch in Mähren und in der Slowakei siedelten keltische Stämme. Die Ausgrabungen von Stradonitz an der Beraun und an anderen Orten Böhmens und Mährens beweisen, daß die ptolomäischen Städte keltische Burgwallanlagen und Handelsplätze waren, an denen auch Bronze-, Eisen- und Glasgegenstände in Werkstätten hergestellt wurden.13

Überall an der Nordgrenze des Sudetenraumes von der Elbe bis zur Weichsel siedelten im ersten vorchristlichen Jahrhundert Germanen, die sich allmählich in Böhmen einschoben und hier neben den Kelten im Raume wohnten, was u. a. die Funde keltischer Körper- und nordischer Brandgräber bezeugen. Sie haben die Kelten immer mehr zur Aufgabe ihrer Wohnsitze gedrängt. Daß sie vernichtet wurden, ist unwahrscheinlich, es ist vielmehr anzunehmen, daß Reste im Lande verblieben sind und von den germanischen Stämmen aufgenommen wurden.

Die eigentliche germanische Bevölkerung des Sudetenraumes erfolgte mit der Landnahme durch den kriegerischen Stamm der suevischen Markomannen, die mit den anderen germanischen Stämmen zugleich den Grund der deutschen Bevölkerung im Sudetenraum bildeten.

Bereits 58 v. Chr. hatten die Markomannen die keltischen Bojer aus dem Lande vertrieben.14 Die eigentliche Landnahme aber erfolgte erst knapp vor Beginn unserer Zeitrechnung, als sie immer mehr von den Römern bedrängt wurden. Da sie aus dem Westen kamen, ist die Annahme naheliegend, daß die Markomannen zwischen Böhmerwald und Fichtelgebirge in das obere Egertal einbrachen und hier das bisher unbewohnte Gebiet zu besiedeln begannen. Allerdings waren die Hauptsiedlungsgebiete der Markomannen und der ihnen stammverwandten Quaden, die gleichzeitig in den Sudetenraum gekommen waren, die [25] fruchtbaren Gebiete der nördlichen Hälfte Böhmens, in Mittel- und Südmähren und die Täler und das Tiefland der Slowakei, also die Gebiete, die vor ihnen schon von den Bojern besiedelt waren.

Zu Beginn der Völkerwanderung besetzten die Markomannen und Quaden die nördlichen Teile Pannoniens und bereiteten hier der römischen Herrschaft für immer ein Ende.15 Nach dem Zusammenbruch des Markomannenreiches nahmen die Hermunduren, deren Reich in Thüringen lag, auf Böhmen entscheidenden Einfluß. Es ist nicht ausgeschlossen, daß durch die Verbindung mit den Hermunduren oder Thuringi ein Teil der Markomannen in die alte Mainheimat zurückwanderte. Die Abwanderung der Markomannen aus Böhmen wird mit dem Heereszuge Attilas im Anfang des Jahres 451 in Verbindung gebracht, der sich von Ungarn bis Belgien hinein erstreckte.16 Als sicher gilt, daß mit dem Beginn des 6. Jahrhunderts die Markomannen Böhmen verlassen und als Bajuwarii Baiern, das Donauland zwischen Lech und Enns, besiedelten.

Nach den Forschungsergebnissen der Archäologen steht fest, daß die Longobarden auf ihrem Zuge nach Rugiland auch nach Böhmen gekommen sind, und Reste von ihnen zurückgeblieben waren. Um die Wende des 6. und 7. Jahrhunderts findet in den böhmischen Ländern die germanische Kolonisation ihren Abschluß.

Die tschechischen Behauptungen von der Erstbesiedelung des Sudetenraumes durch die Slawen haben durch die Ergebnisse der Forschungsarbeiten der Archäologen und Sprachwissenschaftler ihre Widerlegung erfahren. Lange bevor die Slawen den Sudetenraum betreten hatten, hatte sich hier, wie in den vorhergegangenen Abschnitten gezeigt worden ist, eine keltische und germanische Bevölkerung niedergelassen. Die Gräber-, Urnen- und Schmuckfunde aus den ersten nachchristlichen Jahrhunderten, die fast im ganzen Sudetenraum gemacht wurden, lassen über ihre germanische Herkunft keinen Zweifel. Und wie die Bodenfunde, so lassen die überlieferten Orts- und Flurbezeichnungen keinen Zweifel über die germanische Vergangenheit der Sudetenländer. Allein schon der Name "Böhmen" hat den Vorzug, rund 1000 Jahre älter zu sein, als die slawische Landesbenennung.

Die Überlieferung der keltischen und germanischen Namen beweist aber auch, daß zwischen der germanischen und slawischen Besiedlung keine Unterbrechung eingetreten ist und daß die slawischen Stämme noch auf die germanische Bevöl- [26] kerung des Landes gestoßen sind. Sie besetzten also das Land, als die Germanen in ihre neuen Siedlungsgebiete abwanderten.

Durch die Aufzeichnungen des Vibilus Sequester in seiner Schrift "De fluminibus" sind für das 6. Jahrhundert n. Chr. die Slawen an der mittleren Elbe zwischen Magdeburg und der Lausitz bezeugt. Es ist daher wahrscheinlich, daß sie bereits vor diesem Zeitpunkte nach Böhmen gekommen waren. Ihre Urheimat lag nördlich von den Karpathen, von wo sie in der Zeit, in der die germanischen Stämme den östlichen Teil ihres Siedlungsraumes allmählich verließen, aus dem Weichselland über die Oder nach Mähren und Böhmen vordrangen.

Der Bestand des Deutschtums in den Sudetenländern zwischen dem 7. und 11. Jahrhundert ist heute nicht mehr zu bestreiten. Mit dem Zuzug, den es von diesem Zeitpunkt an im Zuge der großen ostdeutschen Kolonisation erhielt, erwachten jene völkischen Kräfte, die das Deutschtum zu jener Blüte kommen ließen, die es im 13. und 14. Jahrhundert entfaltete. Aus der eigenen Kraft des bodenständigen Deutschtums, verstärkt durch das all- [27] mähliche Zuströmen von deutschen Kolonisten, die im Lande gerne gesehen waren und von dem böhmischen König gerufen wurden, entstand nicht nur jener deutsche Siedlungsgürtel, der sich weit hinein in das Innere des Sudetenraumes zog, sondern auch jener Kranz von Städten, die wie aufgeblühte Rosen über das Siedlungsgebiet verbreitet waren. Aber auch jene Städte, die vorwiegend von Tschechen besiedelt waren, trugen deutschen Charakter, in ihnen wurde nach deutschem Recht gelebt, und sie waren an die rechtlichen Entscheidungen deutscher Oberhöfe gebunden. Es war kein Zufall, daß Kaiser Karl IV. in Prag als der Hauptstadt der vorwiegend deutschen Sudetenländer seine Residenz aufgeschlagen hat und hier im Jahre 1348 die erste deutsche Universität gründete.

Die Gründungsurkunde der ersten deutschen Universität 1348.

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      Die Gründungsurkunde der ersten deutschen Universität 1348.
Karl IV. der Luxemburger, Kurfürst von Böhmen, gewählter Deutscher Kaiser von 1346-1378, rief 1348 in Prag die erste deutsche Reichsuniversität ins Leben. Kunst und Wissenschaft förderte er ebenso wie das wirtschaftliche Aufblühen Böhmens, das er zum Mittelpunkt des Hl. Röm. Reiches Deutscher Nation zu machen gedachte. Das Sudetendeutschtum nahm damals einen ungeheueren wirtschaftlichen Aufschwung.

Burg Karlstein, südwestlich von Prag an der Beraun.

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      Burg Karlstein, südwestlich von Prag an der Beraun, wurde von Karl IV. zum Schatzhaus der Kleinodien des Römischen Reiches deutscher Nation bestimmt. Matthias von Arras und Peter Parler erbauten die Burg zwischen 1348 - 1357.
Die Tschechen haben in der Nachkriegszeit versucht, die Bodenständigkeit der Sudetendeutschen zu bestreiten und ihnen als "Emigranten und Kolonisten"17 [28] die Gleichberechtigung der Sudetenländer abgestritten. Selbst wenn das Sudetendeutschtum eine Bodenständigkeit nicht nachweisen könnte, ist einzig und allein seine Kulturleistung für sein Heimatrecht in dem Sudetenraum entscheidend. Sie ist es, die dem Sudetendeutschtum für alle Zeit Heimatrecht auf dem Boden verliehen hat, den es seit Jahrhunderten besiedelt.

Durch die Stürme der Hussitenkriege haben viel Deutsche Haus und Hof, Hab und Gut verloren, das Deutschtum in den Städten Innerböhmens wurde vernichtet. Aber auch viele Bauernsiedlungen wurden in Nordböhmen dem Erdboden gleichgemacht, so daß der deutsche Siedlungsraum in den Sudetenländern eine gewaltige Einschrumpfung erfuhr. Die Verluste konnten im 16. und 17. Jahrhundert nur zu einem geringen Teile wieder wettgemacht werden. Im 17. Jahrhundert erscheint das heutige Bild der Sprachgrenze im großen und ganzen erreicht.18

Mit Recht verweist der Prager Universitätsprofessor Dr. Rauchberg in seiner Abhandlung über den nationalen Besitzstand in den Sudetenländern darauf,19 daß die deutsche Sprachgrenze den tschechischen Kern des Landes scharf umzieht und in der Regel rein tschechisches Gebiet an rein deutsches Gebiet stößt, ohne daß ein Streifen von gemischtsprachigen Siedlungen den Übergang bildete.[29] Im großen gesehen bildet die Sprachgrenze eine zumeist ungebrochene Linie und nur ausnahmsweise greifen deutsche und tschechische Gebiete durch Sprachzungen ineinander. Die Zahl der Sprachinseln ist gering. Diese Grenzverhältnisse zeigen, daß sich die Tschechen dadurch im Vorteil befinden, daß ihr Sprachgebiet in sich vollkommen abgerundet ist, so daß sie von allen Seiten einen starken Druck auf das deutsche Gebiet ausüben können.

In der folgenden Übersicht über die sudetendeutschen Landschaftsgebiete folgen wir im wesentlichen der Einteilung und den Angaben Dr. Oberschalls. Danach zerfällt das sudetendeutsche Sprachgebiet in folgende Teile:



Denkmal Adalbert Stifters.

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      Zu Ober-Plan im Böhmerwald, unweit der Dreiländerecke, ragt das Denkmal Adalbert Stifters (1805-1868) über den rauschenden Hochwald. Trennt hier nicht eine willkürliche Grenze Menschen gleichen Blutes, ob aus Oberösterreich, aus Bayern oder aus Böhmen?
1) Der Böhmerwald

Dichtung und Sage haben um das wald- und seenreiche Gebirge, das sich aus dem welligen Moldauland erhebt, in südöstlicher Richtung streicht und steil zur Bayerischen Ostmark abfällt, einen eigenartigen Mythos gesponnen. Der Böhmerwald ist dank seiner einzigartigen Schönheit, seiner lieblichen und düsteren Täler, seiner träumerischen Bergseen und tiefdunklen Wälder zum Traumland deutscher Romantik geworden. Durch die dunklen böhmischen Wälder führte Mozarts romantische Reise nach Prag; die böhmischen Wälder sind der Schauplatz von Schillers "Räuber", hier im Schatten der Hochwälder träumte Adalbert Stifter den Traum seines Lebens, hier finden sich die markanten deutschen Bauerngestalten und wälderdurchrauschten Landgebiete, die Hans Watzlik in [30] unübertrefflicher Weise schildert und der sudetendeutsche Kunstmaler Ferdinand Staeger naturgetreu zeichnet und malt. Und doch ist es ein Gebiet, auf dem sich trotz allem Übermaß von landschaftlicher Schönheit und Waldreichtum das Leben der Menschen unter harten und nüchternen Gesetzen abspielt, die von dem Charakter der Wald- und Berglandschaft vorgeschrieben sind. Der Ackerboden und die Viehzucht allein vermögen die bajuwarische Bevölkerung nicht zu ernähren. Und so entstanden in den Taldörfern neben den Weilern und Einzelhöfen, die zerstreut im Waldland liegen, Glashütten, Sägewerke und Papierfabriken und nützen die Schätze des Waldes und des harten Bodens. Einst war auch der Bergbau ein guter Holzverbraucher. Hier gab es noch nie Reichtümer zu erwerben. Der kernige Menschenschlag aber, der an seinem Glauben hängt und fest verwurzelt ist mit seinem Heimatboden, ist trotz seiner bodenbedingten Armut heiter und lebensbejahend. Unter den viehzüchtenden Kleinbauern, "Zinsgründlern" und Waldarbeitern, unter den Glas- und Industriearbeitern, Waldhofbauern und "künischen Freibauern", die auf alte Tradition zurückblicken, gibt es manch fröhlichen Gesellen, den der Übermut in die weite Welt trieb und die Sehnsucht nach der Waldheimat alles andere Erdenglück preisgeben und in die waldliche Bescheidenheit zurückkehren ließ.

Brauch und Volkstum, Tracht und Siedlung sind die gleichen wie in der Bayerischen Ostmark, ist es doch ein Menschenschlag, den die Staatsgrenze zu Bürgern zweier Staaten macht. Ein Kranz kleiner altertümlicher Städte, wie Budweis, Prachatitz, Krumau, Schüttenhofen, Bischofteinitz usw. säumen den Rand des Böhmerwaldes.

Die Bevölkerungsentwicklung in diesen Bezirken im Zeitraum von 1880 bis 1920 zeigt folgende Übersicht:



Jahr
Bezirksgruppe a Bezirksgruppe b Bezirksgruppe c
Bevölkerungsanteil nach Volksgruppen
1880   152.686   2.494   155.180   67.420   113.298   180.718    131.322   72.509   203.831
1910   154.870  1.572  156.422  73.506  108.654  182.160   133.490  73.489  206.979
1921   150.444  5.002  155.446  66.422  153.766  220.188*  121.327  75.939  197.266
        *ohne Neugedein

[31] Zum Böhmerwald und seinem Vorland gehören folgende Bezirke:

  1. Plan, Weseritz, Tachau, Pfraumberg, Mies, Hostau, Rosenberg, Neuern und Hartmanitz.
  2. Manetin, Tuschkau, Staab, Dobrzan, Bischofteinitz, Taus, Neugedein, Klattau, Schüttenhofen und Bergreichenstein.
  3. Winterberg, Wallern, Prachatitz, Kalsching, Oberplan, Krummau, Hohenfurt, Kaplitz, Netolitz, Schweinitz und Gratzen.

Die Bevölkerungsentwicklung zeigt also eine Rückwärtsbewegung und diese auf Kosten des Deutschtums. Die Nähe Pilsens macht sich für das Deutschtum nachteilig bemerkbar. In der Berichtszeit sind eine ganze Reihe von deutschen Dörfern durch Abwanderung der deutschen Bevölkerung in Industriegebiete, die größere Verdienstmöglichkeiten boten, und durch den Übergang von Grund und Boden in tschechischen Besitz dem Deutschtum verlorengegangen. In einer Anzahl von Orten an der Sprachgrenze hatte die deutsche Bevölkerung vor dem Kriege nur eine knappe Mehrheit, man ist jetzt in die Minderheit gedrängt worden. Längs der Bahnlinie Pilsen - Furth ist das tschechische Element bis fast an die Reichsgrenze vorgestoßen.



2) Das Egerland

Der geographische Begriff des Egerlandes ist weiter als der des historischen Egerlandes, das im XIV. Jahrhundert an die Könige Böhmens verpfändet worden und noch heute ein Stück uneingelöstes deutsches Reichsgebiet ist. Heute versteht man unter Egerland das fruchtbare deutsche Siedlungsgebiet, das von den nordwestlichen Ausläufern des Böhmerwaldes, dem Fichtelgebirge, Elster- und Erzgebirge bis etwa zum Keilberg und zum Egerdurchbruch in das Komotau-Saazerland reicht.

Es ist ein gottgesegnetes Stück deutsches Land! In seinem nördlichen Teil liegen das Mineralmoor und die Heilquellen des von Frauen und Herzkranken viel besuchten Franzensbad. Durch eine niedrige Bodenwelle getrennt, ganz im äußersten Zipfel des Landes liegt das Ascher Ländchen. Die rauhen klimatischen Verhältnisse haben die Bildung von Industrien und Heimindustrien gefördert.

Im Süden des Egerlandes erhebt sich der Kaiserwald, ein vom Fremdenverkehr noch nicht erschlossener stiller Erdenwinkel. Wald und Wiesenlandschaft wechseln in bunter Folge und ziehen über das Tepler Hochland. Hier liegt das Tepler Kloster, das über eine vielhundertjährige Geschichte zurückblickt und manchen Sturm überdauert hat. An diese Hochfläche lehnt sich der weltberühmte Kurort Marienbad.

[32] Die Eger, die im Bruchland der Gebirge ihren Lauf nimmt, durchströmt nicht nur ein fruchtbares, sondern vor allem auch ein bäder- und mineralschatzreiches Gebiet. Dort, wo sie stromabwärts das Wiesen- und Moorland verläßt, ragen die Fördertürme des Falkenauer Braunkohlereviers auf. An der Mündung der Tepl aber liegt das weltberühmte Karlsbad mit seinen
Das Stöckl in Eger.

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      Das Stöckl in Eger im Flutlicht.
Rings um den Marktplatz der früheren Reichsstadt Eger (rund 28.000 deutsche Einwohner) stehen die alten Bürgerhäuser einer stolzen Vergangenheit. Doch sind die Egerländer auch heute unermüdliche Kämpfer für die Deutscherhaltung der bedrohten Heimat.
heißen Quellen. Und wieder engt sich das Flußtal ein, links steigen die Abhänge des Erzgebirges empor, rechts ragen die Basaltwände und -kegel des Duppauer Gebirges in die Höhe. In diesem engen Tal liegen die Säuerlinge Krondorf, Gießhübl, Klösterle und am Fuße des Erzgebirges das alte Bergstädtchen St. Joachimsthal mit seinen Radiumfunden.

Der Mittelpunkt dieses Landes aber ist die alte Staufenstadt Eger. Hier in stiller Abgeschiedenheit und landschaftlicher Schönheit hatte Friedrich Rotbart eine Kaiserpfalz errichtet. Hier entwickelte sich deutsches Reichs- und Burgleben, hier vollzog sich Wallensteins tragisches Geschick. Noch heute führt die Stadt den deutschen Adler, aber hinter einem Gitter, mahnend an das Schicksal der Stadt und des Landes - uneingelöstes Reichsland zu sein. Bis in das 18. Jahrhundert besaß Eger und Egerland das Sonderrecht eines eigenen Landtages!

Junge Egerländerin

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      Junge Egerländerin. Überall in den sudetendeutschen Gauen beginnt wieder die Jugend mit Stolz die Tracht zu tragen. Was keine Trachtenvereine vermochten, das bewirkt die Liebe und der Stolz zur angestammten Heimat.
[33=Foto] [34] Im Egerland lebt und schafft ein urwüchsiger fränkischer Menschenschlag. Die hochgiebeligen Fachwerkbauten und die breiten Scheunen zeugen von bäuerlichem Hochstand. Trachten und Volkslieder, Tänze und Brauchtum haben sich seit Jahrhunderten erhalten. Und schaffen sie nicht alle im strahlenden Sonnenlicht auf Feldern und Wiesen und müssen auch viele untertags als Kumpel in schwerer Arbeit ihr Brot verdienen oder sich in kleinen Gebirgshäusern in mühevoller Heimarbeit ihren Lebensunterhalt schaffen - ihre Musikliebe hilft ihnen über die Nöte des Alltags hinweg.

Das Egerland umfaßt folgende Bezirke: Asch, Eger, Wildstein, Königswart, Marienbad-Tepl, Petschau, Graslitz, Falkenau, Elbogen, Neudek, Platten, Joachimsthal, Preßnitz samt Weipert, Karlsbad, Duppau, Kaaden, Buchau, Luditz, Podersam, Rakonitz und Jechnitz. Von Asch bis zur Sprachgrenze bei Jechnitz sind in der Luftlinie rund 90 Kilometer. Die Größe dieses Gebietes sowie die geringe Länge der Sprachgrenze (nur Jechnitz, Luditz) sind die Hauptursachen dafür, daß sich dieses Gebiet bis heute am reinsten deutsch erhalten hat. Im Jahre 1880 zählte es unter 484.933 Einwohnern 446.338 Deutsche und 31.349 Tschechen. Ohne Jechnitz und Rakonitz zählt das Gebiet 440.963 Einwohner, darunter 431.048 Deutsche und 2.697 Tschechen, die 0.6% der Gesamtbevölkerung ausmachen. Die Deutschen waren vor 40 Jahren im Egerlande, ohne Rakonitz und Jechnitz, also 160mal stärker als die Tschechen.

Die Bevölkerungsbewegung von 1880 bis 1921 zeigt folgende Übersicht:

      Jahr     Deutsche     Tschechen     insgesamt  
    1880 446.338 31.349 477.687
    1910 570.679 35.871 606.550
    1921 530.880 64.693 595.573

Die beiden Sprachgrenzbezirke Jechnitz und Luditz, die offen gegen den tschechischen Siedlungsraum hin liegen, boten in den Vorkriegsjahren leichte Möglichkeit, in das deutsche Gebiet einzudringen. Auch in den Bergbau- und Industriegebieten konnten sich merkliche tschechische Keimzellen entwickeln, die mit dem Anwachsen der deutschen Industrie ein weiteres Anwachsen erwarten ließen. Trotzdem war die Zahl der tschechischen Zuwanderer in den Jahrzehnten vor dem Kriege etwas mehr als 4000, während das Deutschtum eine Bevölkerungszunahme von rund 130.000 aufwies. Der Rückschlag erfolgte in dem Weltkriegsjahrzehnt, in dem sich die tschechische Bevölkerung beinahe verdoppelte, während die deutsche Bevölkerung um 40.000 zurückgegangen ist, denn die Egerländer haben wohl von allen Grenz- und Auslanddeutschen während des Krieges die schwersten Verluste aufzuweisen.


Dorf Moldau im Erzgebirge

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      Dorf Moldau im Erzgebirge. Auch das sudetendeutsche Dorf, ob im Gebirge oder in der Ebene, ist immer wieder die Keimzelle des Sudetendeutschtums. Die Städte verzehren die Menschen, lassen die Widerstandskraft erlahmen, der deutsche Bauer aber hängt mit ganzer Liebe und Härte an seinem Väterboden.
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3) Erzgebirge und Vorland

Fehlt auch dem Erzgebirge mit seinen langgestreckten Bergrücken, den grünen Bergwiesen und weithin ausgedehnten Wäldern die Romantik des Böhmerwaldes, so ist es in seiner Geschlossenheit doch nicht minder reich an landschaft- [36=Fotos] [37] lichen Schönheiten. Lange allerdings erglänzen seine Berge im matten Schein der Schneedecken und spät hält der Sommer seinen Einzug. Aber zu jeder Jahreszeit zeigt es sich in einer Schönheit von eigenartigem Reiz. Moor- und Wiesenlandschaften wechseln mit dichten Laub- und Nadelwäldern und dazwischen leuchten die hübschen und sauberen Häuschen seiner genügsamen Bevölkerung auf. Das dichte Netz von Siedlungen ist noch Erbe aus jener Zeit, in der der Silber- und Erzbergbau in Blüte stand. Heute bringt das Schürfen nach Erzen wohl wenig Gewinn. Die arbeitsame und fleißige Bevölkerung des Erzgebirges mußte sich einen neuen Erwerbszweig suchen, da der Boden allein sie nicht ernähren kann. So werden Spitzen geklöppelt, Handschuhe angefertigt, Wollkleidungsstücke gestrickt und Spielwaren erzeugt. In Graslitz, der größten Siedlung des Erzgebirges, in Schönbach und anderen Orten hat die Musikinstrumentenerzeugung Weltberühmtheit erlangt. Hoch oben am Kamme des Erzgebirges über der 1000-Meter-Grenze liegt das Städtchen Gottesgab, die höchstgelegene Stadt Mitteleuropas schlechthin. Auch die maschinell betriebene Industrie hat frühzeitig hier oben in den Bergen und Tälern des Gebirges Eingang gefunden. Aber weder die Fabriken, noch die Heimbetriebe, noch die Heimindustrie allein waren ausreichend, die kargen
Böhmisches Bauernhaus.

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      Böhmische Bauernhäuser.

Böhmisches Bauernhaus.
Erzgebirgler zu ernähren. Als sangesfroher und musikliebender Menschenschlag nahmen sie Gitarren und Violinen von der Wand und zogen hinaus in die weite Welt, um ihr Brot durch Musizieren zu verdienen. Und was sie sich da draußen in fremdem Lande als "Böhmische Musikanten" ersangen und erspielten, das teilten sie mit ihren Angehörigen, die daheimblieben, den kargen Acker zu bestellen, Spitzen klöppelten und sich mit schlecht bezahlter Heimarbeit mühten.

Unten im flachen Vorland aber, wo die Eger den Talkessel verläßt und ihren Lauf durch das fruchtbare Saazer Getreideland nimmt, das durch seine Hopfengärten weit über die Grenze seines Landes bekannt geworden ist, und die Biela ihren schmalen Lauf am Fuße des Gebirges entlang zur Elbe nimmt, da surren in hurtigem Lauf die Räder der Förderstühle der Braunkohlenbergwerke, da pochen die Hämmer der Eisenwerke, da summen die Spindeln in den Textilfabriken ein frohes Lied der Arbeit und zwischen die bevölkerten Dörfer und Städtchen schieben sich fruchtbare Wiesen und Felder einer fleißigen und betriebsamen bäuerlichen Bevölkerung.

Komotau, Saaz, Görkau, Brüx, Dux, Teplitz im fruchtbaren Vorland, Weipert, Katharinaberg, Graupen sind Stätten industrieller Regsamkeit und Mittelpunkte wirtschaftlichen Lebens in diesem Gebiet bis jenseits der Elbe.

Verwaltungspolitisch gehören zu diesem fruchtbaren und an Bodenschätzen so reichen Gebiet die Bezirke: B.-Kamnitz, Bensen, Tetschen, Auscha, Lobositz, Leitmeritz, Karbitz, Aussig, Teplitz, Bilin, Katharinaberg, Brüx samt Oberleutensdorf und Dux, Sebastiansberg, Görkau, Komotau, Postelberg und Saaz.

Erzgebirgischer Bauer.

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      Das harte Waldland, ähnlich dem der Bayerischen Ostmark, fordert harte, arbeitsame Menschen. Der erzgebirgische Bauer kann zumeist nur leben, wenn er durch Heimarbeit ersetzt, was der Acker nicht trägt.
[38=Foto] [39] Die Bevölkerungsbewegung von 1880 bis 1921 zeigt folgende Übersicht:

  Jahr     Deutsche     Tschechen     insgesamt  
1880 425.364 29.945 455.309
1910 636.583 90.617 727.200
1921 555.128 165.420 720.548

Die Bezirke Leitmeritz, Lobositz und Postelberg enthalten auch Gemeinden, die zum tschechischen Sprachgebiet gehören. In diesem Gebiet ist das Anwachsen der Tschechen besonders auffallend. Besonders in dem Brüx-Dux-Teplitzer Becken, das die ausgedehnten Kohlenlager enthält, konnte sich das tschechische Element festsetzen, so daß z. B. der Ort Tschausch schon vor dem Kriege eine tschechische Mehrheit hatte. Der Einbruch des tschechischen Elementes, der in der Richtung der Bahnlinie Prag-Obernitz-Moldau erfolgte und sich von hier nicht nur nach Nordwesten, sondern auch nach Nordosten in der Richtung Komotau - Aussig verbreitete, suchte auch hinauf in das Gebirge bis an die deutsche Reichsgrenze vorzustoßen, um damit einen lebenden Keil in das geschlossene Siedlungsgebiet zu treiben, das sich von den nördlichen Ausläufern des Böhmerwaldes, dem Erzgebirge entlang bis nach Ostböhmen ausbreitet. Besonders die Bezirke Brüx und Dux sind stark bedroht, da hier das Nationalitätenverhältnis fast 1 : 1 steht. In der Nachkriegszeit entstanden auch in den Grenzorten kleine tschechische Ansiedlungen.

Von den 494 politischen Gemeinden dieses Gebietes waren in der Vorkriegszeit nur 15 rein tschechisch, 80% der übrigen sind rein deutsch, der Rest weist eine gemischtsprachige Bevölkerung auf.



Schloß und Herrschaft Friedland.

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      Nach Schloß und Herrschaft Friedland am Nordrand des Isergebirges führt der kaiserliche Feldmarschall Albrecht von Wallenstein seinen Herzogstitel (1623). In seiner Herrschaft, zu der auch Reichenberg gehörte, blühte Handel und Gewerbe auf. Die Tuchmacherei in Nordböhmen, die später tausenden deutschen Menschen Brot und Arbeit gab, wurde durch Wallenstein begründet.


Marktplatz der Stadt Friedland.

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      Marktplatz der Stadt Friedland.


Rathausplatz von Reichenberg.

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      Rathausplatz von Reichenberg. Diese schöne Stadt liegt im Talkessel zwischen dem Iser- und Jeschkengebirge und hat einschließlich seiner Vororte rund 39.000 deutsche Einwohner. Deutsche Tatkraft und deutscher Fleiß schufen hier in unermüdlicher Arbeit eine prächtige Industriestadt. Die alljährlich stattfindende Reichenberger Messe ist die einzige deutsche Warenschau außerhalb des Reiches und Österreichs. Der Kampf der Tschechen gegen die sudetendeutsche Industrie hat auch hier tiefe Wunden geschlagen.
4) Nordböhmen

Jenseits der Elbeniederung geht das deutsche Sprachgebiet in das nordböhmische Industrieland über, dessen Mittelpunkt Reichenberg die sudetendeutsche Metropole ist. Auch hier sehen wir ähnlich wie im nordwestböhmischen Industriegebiet und im Egerlande das Ineinandergreifen industrieller und bäuerlicher Tätigkeit. In den trockenen südlichen Landschaften kommt der Wein noch zum Reifen und in den ausgedehnten Obstgärten gedeiht ein köstliches Obst. Aus der fruchtbaren Getreide- und Wiesenlandschaft erhebt sich ein hügeliges Vorland, das zum Iser- und Lausitzer Gebirge ansteigt. Und dazwischen ragen die Schlote der Industrieunternehmen, Dorf reiht sich an Dorf, Stadt an Stadt und ziehen sich in einem dichten Netz bis an den Fuß des Riesengebirges. Eine hochentwickelte Glas- und Textilindustrie bieten der arbeitsamen Bevölkerung Verdienstmöglichkeiten. Dem Schlesier-Volk, das hier zäh und genügsam, arbeits- [40] freudig und unternehmend, sauber und sparsam, erfüllt von Heimatstolz sein Leben führt, konnte seine natürliche Lebenskraft weder vom Wohlstand des wirtschaftlichen Aufstieges, noch von der Not des wirtschaftlichen Verfalles gebrochen werden.

Ist Reichenberg, die Hauptstadt Nordböhmens, der Mittelpunkt der Baumwollfabrikation, das auf seinen jährlichen Messen vom Fleiß der regsamen nordböhmischen Bevölkerung zeugt, so bilden Gablonz und Stein-Schönau, Haida und Böhm.-Leipa die Mittelpunkte der Glaserzeugung und der Gablonzer Diamanten. Die Glasindustrie brachte den Bewohnern dieses Gebietes ungeheuren Reichtum, lebten doch in Gablonz fast 40 Millionäre.

Dieses wirtschaftliche Gebiet übte auf die Tschechen eine ungeheuere Anziehungskraft aus. In den rein deutschen Gebieten waren in der Zeit von 1880 bis 1910 die Tschechen um 156%, die Deutschen aber nur um 17,7% gestiegen. Der Rückgang bei den Deutschen war so stark, besonders nach dem Weltkriege, daß nur die vier Bezirke: Warnsdorf, Hainspach, Reichenberg und Gablonz mehr Deutsche zählen als vor 40 Jahren. In den drei Bezirken: Tannwald, Niemes und Weißwasser z. B. sind die Deutschen jetzt um 21,8% zurückgegangen, während die Tschechen um 30% gestiegen sind. Die Verluste der Deutschen und [41=Fotos] [42] die Gewinne der Tschechen im nordböhmischen Industriegebiet bis 1920 kommen in der tieferstehenden Übersicht zum Ausdruck:

  Jahr     Deutsche     Tschechen     insgesamt  
1880 436.217 16.597 452.814
1910 508.711 30.884 539.595
1921 430.412 56.601 487.013

Während die Deutschen in den Bezirken Tannwald, Niemes und Weißwasser nur noch zweimal stärker sind als die Tschechen, sind sie auch im deutschen Gebiet nur noch elfmal stärker als die Tschechen gegen 63mal i. J. 1880. Ja, der Bezirk Tannwald hat bereits eine tschechische Minderheit von über 20%. Dadurch droht der schmale Strich, der die Deutschen Nordböhmens von denen Ostböhmens bei Harrachsdorf trennt, in Bälde verbreitert zu werden. Im Bezirke Tannwald sind die Deutschen am stärksten zurückgewichen (um 31%). Die Tschechen haben in sechs Bezirken um über 300% zugenommen, nämlich: Friedland (338%), Schluckenau (424%), Rumburg (692%), Dauba (832%), Deutschgabel (692%) und Hainspach gar um 6516%.



5) Ostböhmen

Der Sieldungsraum in Ostböhmen wird an zwei Stellen von den übrigen deutschen Gebieten durch tschechisches Siedlungsgebiet getrennt. Im Norden schiebt sich zwischen die Bezirke Rochlitz und Tannwald ein schmaler tschechischer Streifen und die tschechischen Bezirke Politz und Nachob trennen im Süden das deutsche Gebiet von den deutschen Gebieten des Adlergebirges. Im Westen haben wir es hier mit dem Gebiet des Riesengebirges und seines Vorlandes zu tun, und damit ist zugleich die Landschaft charakterisiert. Allmählich steigt aus dem flachen Wiesen- und Getreideland das Gelände zu einem wald- und wasserreichen Gebirgsvorland an, von dem sich die waldreichen und noch so stark zerklüfteten Höhen des Riesengebirges erheben. Wie eine mächtige Wand schützt der Gebirgswall dieses Vorland. Überall in den schmalen Tälern oder auf den breiten Flächen des Hochlandes haben sich die Menschen niedergelassen und eine hochentwickelte Papier-, Holz- und Textilindustrie bietet der sparsamen, freundlichen Bevölkerung Arbeit und Brot. In den höheren Teilen des Gebirges sind die Deutschen auf die spärlichen Erträgnisse des Bodens und die geringen Verdienste ihrer Heimarbeit angewiesen. Und hat die Landschaft ihre Bewohner zu verschlossenen und ernsten Charaktern gemacht, in Lied und Brauchtum spiegelt sich ihre Lebensfreude und Lebensbejahung wieder. Die schmucken Häuschen verraten nichts von der Not, die in ihnen oft herrscht, und oben auf den Bauden [43] des Riesengebirges, wo bis in den Mai hinein hoher Schnee liegt und im Oktober der Winter bereits seinen Einzug hält, ist echte deutsche Gastfreundschaft daheim.

Ostböhmen umfaßt folgende Gerichtsbezirke: Rochlitz, Starkenbach, Hohenelbe, Neupaka, Arnau, Trautenau, Marschendorf, Schatzlar, Königinhof, Jaromer, Wekelsdorf und Braunau. Die Bezirke Starkenbach, Neupaka und Jaromer gehören größtenteils zum tschechischen Sprachgebiet und weisen nur einige wenige deutsche Dörfer auf. Auch vom Bezirke Königinhof gehört ein Teil zum tschechischen Sprachgebiet. Alle übrigen oben genannten Bezirke sind rein deutsch, d. h. haben mehr als 80% Deutsche.

Nach 30 Jahren, im Jahre 1910, sehen wir folgendes Bild: In den Bezirken Rochlitz, Marschendorf, Neupaka, Starkenbach, Königinhof, Jaromer und Wekelsdorf, d. i. in allen zum tschechischen Sprachgebiet gehörenden und in den gleichzeitig mehr landwirtschaftlichen Gebieten, ist die Zahl der Deutschen zurückgegangen, in den übrigen durchaus deutschen und gleichzeitig mehr industriellen Bezirken dagegen hat sie zugenommen. Die Zahl der Tschechen hatte in den Bezirken Arnau, Trautenau, Marschendorf, Wekelsdorf und Braunau abgenommen, während sie in den übrigen Bezirken gestiegen war.

Das Jahrzehnt während des Weltkrieges hat dem Deutschtum in diesem Gebiet große Verluste gebracht.

Die Deutschen sind gegenüber dem Jahre 1910 in allen Bezirken zurückgegangen, die Tschechen haben in allen Bezirken mit Ausnahme der vier tschechischen zugenommen. Die Abnahme war bei den Deutschen eine so große, daß sie in allen Bezirken bis auf Braunau i. J. 1920 (15. 2. 1921) sogar weniger zählen als i. J. 1880, die Zunahme der Tschechen dagegen eine so große, daß sie jetzt in allen Bezirken bis auf Starkenbach mehr zählen als im Jahre 1880, was das Natürliche ist und auch bei den Deutschen hätte sein sollen, wenn sie nicht die riesigen Kriegsverluste gehabt hätten.

Die Bevölkerungsbewegung von 1880 bis 1921 zeigt folgende Übersicht:

  Jahr     Deutsche     Tschechen     insgesamt  
1880 173.704 98.489 272.193
1910 181.753 112.368 294.121
1921 153.646 111.292 264.938



Altvatergebirge.

[44]
      Im Altvatergebirge (Altvater 1492 m). Im Norden und Süden des sagenumwobenen Altvatergebirges uralte deutsche Siedlungen, Märkte und Städte. Und überall hat der deutsche Bauer, der deutsche Bürger in schwerer Arbeit seit Jahrhunderten Unendliches geschaffen, immer wieder neu aufgebaut, wenn Krieg mit Feuer und Mord übers Land kamen. Die Dorf- und Städtechroniken geben ein treffendes Bild der harten Zeiten.
6) Nordmähren und Schlesien

Die letzten Glieder des Walles der Sudeten, das mit prächtigen Forsten und Hochwäldern überzogene Altvater-Gebirge und das Niedere Gesenke, werden [44] von dem nordmährisch-schlesischen Landschaftsgebiet eingeschlossen, das vielleicht weniger geographisch als wirtschaftlich eine Einheit bildet. Auf Flachsbau und Schafzucht war die einst blühende Weberei des Altvater-Gebirges begründet, Brettsägen und Papierfabriken, Granit- und Marmorbrüche boten reiche Verdienstmöglichkeiten, und zwischen den Stätten industrieller Betriebsamkeit blühten in einem landschaftlich schönen Gebiet die Kurorte Gräfenberg, Niederlindewiese und Karlsbrunn auf. Edelmetalle und Eisenbergbau im Gesenke förderten das Entstehen nüchterner Städtchen wie Freudenthal. Dort, wo Acker- und Wiesenflächen das rauhe Hochland bedecken, ist es mit Waldhufendörfern und kleinen Siedlungen überstreut. In den Randstädten Sternberg, Jägerndorf, Troppau konnte sich eine blühende Baumwoll- und Leinenindustrie entwickeln, aber auch Zuckerfabriken entstanden hier. Das Hügelland aber, das sich an das Gesenke anschließt, birgt in seinem Innern Kohle und Erze. Durch die breite und wiesengrüne, teichreiche Mulde des Odertales führt der Weg nach Prerau. Stattliche Bauernhöfe und eine hochentwickelte Viehzucht zeugen hier von einer hochstehenden landwirtschaftlichen Kultur. Das "Kuhländchen", wie das Gebiet genannt wird, hat aber auch Verbindung zu den deutschen Industriegebieten wie: Fulnek, Wigstadtl, Friedeck, Mistek. [45-46=Fotos] [47] Der Hauptort dieses Gebietes, Neutitschein, ist bekannt durch seine Hut- und Filzerzeugung. Hier wohnt und schafft ein sehr eigenwilliges Volkstum, fleißig und strebsam, aber mit einem Hang zur Eigenbrödelei.

Teßthalerin.
[46]      Teßthalerin.
Junger Bauer aus dem Schönhengstgau.
[45]      Junger Bauer
aus dem Schönhengstgau in Nordmähren.
Am Südabhange der Sudeten (Altvater 1492 m)
entspringt die wilde rauschende Teß. Das Theßtal
mit seinem Schwefelbad Groß Ullersdorf gehört zu den schönsten sudetendeutschen Tälern.

Zu Nordmähren gehören auch die Bezirke Neustadt a. d. M., Rokitnitz und Grulich aus Böhmen. Den Hauptteil der Bezirke jedoch stellt Mähren, nämlich: Schildberg, Schönberg, Altstadt, Wiesenberg, Neustadtl, Römerstadt, Sternberg, Hof, Liebau, M.-Weißkirchen und Leipnik. Es ist das Gebiet des Adlergebirges in Böhmen und der Westseite des Altvater-Gebirges.

Zwittau.

[48]
      Zwittau im Schönhengst,
vor einigen Jahren ein arbeitsfroher Industrieort wie so viele andere im Sudetenland; heute herrschen überall in den alten Laubenhäusern nur Sorgen, Hunger und Elend. Die Fabriken veröden.
Im Jahre 1880 zählte es 330.740 Einwohner, von denen 227.780 Deutsche und 92.080 Tschechen waren. Im rein deutschen Gebiete (Bezirke: Rokitnitz, Grulich, Altstadt, Wiesenberg, Hof, Römerstadt und Liebau) standen den 126.525 Deutschen bloß 1684 Tschechen gegenüber, die 1,3% der Bevölkerung (128.954) dieses Gebietes ausmachten. Die Deutschen waren hier also 75mal stärker als die Tschechen. Im zweiten Teil waren die Deutschen nur etwas zahlreicher als die Tschechen. Nach dreißig Jahren stellen wir fest, daß die Deutschen nur in fünf von obigen 14 Bezirken gestiegen sind, nämlich: Schönberg, Neustadtl, Sternberg, Liebau und Leipnik. Da diese Bezirke alle beisammen liegen, ist ein gesetzmäßiger Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Lage dieser Bezirke nicht zu leugnen. Die Tschechen sind in den folgenden Bezirken zurückgegangen: Rokitnitz, Grulich, Schildberg, Wiesenberg, Neustadtl und Römerstadt. In fünf Fällen sind es auch die gleichen Bezirke, in denen auch die Deutschen zurückgegangen sind. Nach dem Kriege ist das Deutschtum unter den Stand von 1880 gesunken! Die Bevölkerungsentwicklung in Nordostmähren zeigt die folgende Übersicht:

  Jahr     Deutsche     Tschechen     insgesamt  
1880 227.780 92.080 319.860
1910 228.430 96.821 325.251
1921 196.621 106.271 302.892

Das schlesische Siedlungsgebiet zerfällt in zwei Teile: der deutsche Teil umfaßt die Bezirke: Jauernig, Weidenau, Freiwaldau, Zuckmantel, Hennersdorf, Hotzenplotz, Olbersdorf, Würbenthal, Freudenthal, Jägerndorf, Bennisch, Odrau und Fulnek, letzterer Bezirk aus Mähren; der gemischtsprachige Teil: Troppau, Wigstadtl, Wagstadt und Königsberg aus Schlesien und Neutitschein und Freiberg aus Mähren.

Das ganze Gebiet zählte 1880 insgesamt 270.992 Deutsche und 83.467 Tschechen. Hier sind die deutschen Verluste ebenfalls groß: Die Deutschen sind in allen Bezirken so zurückgegangen, daß alle bis auf Freiwaldau, Jägerndorf sowie Troppau (Stadt und Land) unter den Stand des Jahres 1880 gesunken [48] sind, während die Tschechen in allen Bezirken beträchtliche Zunahmen aufzuweisen haben. Die Verlustbilanz wird aus der nachstehenden Übersicht klar erkennbar:

  Jahr     Deutsche     Tschechen     insgesamt  
1880 270.992 83.467 354.459
1910 293.420 104.298 397.718
1921 257.905 122.938 380.843



7) Südmähren und das inseldeutsche Sprachgebiet in Mittelmähren

Nach Süden fällt die waldreiche Berglandschaft Nordmährens zu den fruchtbaren Talebenen der mittleren und unteren March und ihrer Nebenflüsse ab. Mähren öffnet sich breit nach Süden zum Wiener Donaubecken. Diesen Gesamteindruck können die niederen Hügelzüge, die sich zwischen den einzelnen Talebenen einschieben, nicht verwischen. Mit dem Nordosten, durch die Mährische Pforte, die das Odergebirge von den Gebirgszügen der Westbeskiden trennt, verbunden, wurde so Mittel- und Südmähren schon vor Jahrtausenden zum Durchgangsland zwischen dem Norden und Süden.

[49] Dieses geo- und verkehrspolitisch für das gesamte Deutschland so bedeutungsvolle Gebiet ist kulturell und wirtschaftlich bis zum Umsturzjahre deutschbestimmt gewesen. Schon 1029 wird Olmütz als deutsche Stadt erwähnt, später entstehen, zum Teil auf früher von Kelten und Quaden besiedeltem Boden, eine Reihe von Städten und Dörfern. Ende des 12. und Anfang des 13. Jahrhunderts finden wir neben Olmütz, Brünn und Znaim eine Unzahl von Städten und Siedlungen in machtvollem Aufstieg. Und ausschließlich Deutsche waren es, die ins Land gerufen, Sümpfe trockenlegten, Wälder rodeten, feste Städte errichteten. Wie großzügig die Besiedlung des brachen Landes in Angriff genommen wurde, läßt die vorbildliche Tätigkeit des Bischofs Bruno von Olmütz, Graf von Schaumburg-Holstein, Reichskanzler des Böhmenkönigs Ottokar II. (gestorben 1281), erkennen. Über 200 deutsche Dörfer gründete er, ließ die Städte mit Mauern umgeben, wehrte mit deutschen Rittern die Tartareneinfälle nach 1241 ab und waltete in seinem Bistum nach seinem heimischen deutschen Recht.

In den Mauern dieser Städte galt das Magdeburger Stadtrecht, bei Streitigkeiten wurden alle Fälle den Schöffen von Magdeburg zur Entscheidung als Oberhof vorgelegt. Über die Wechselfälle des Mittelalters, über die schwere Zeit der Hussitenstürme, der Religionskriege und der Gegenreformation behauptete sich machtvoll das Deutschtum. Erst die zögernde und schwächliche Politik der Habsburger nach 1848 und vor allem nach 1866 schlug dem Deutschtum vor allem Mittelmährens schwere Wunden. Die Tschechen versuchten in den Städten durch Unterwanderung Macht und Einfluß zu erhalten. Die schweren Kriegsverluste im Weltkriege schwächten das Deutschtum neuerlich. Als Ende 1918 tschechische Legionäre das von Männern entblößte Land besetzten, das sich am 21. Oktober 1918 für den Anschluß an Deutschösterreich ausgesprochen hatte, begann die Verfolgungszeit des Deutschtums in Südmähren und im inseldeutschen Sprachgebiet.

Die Olmützer Sprachinsel: Kaum 10 km in der Luftlinie vom geschlossenen nordmährischen Sprachgebiet entfernt, liegt die Stadt Olmütz mit einer Reihe bäuerlicher Siedlungen. Die starke tschechische Militärbesatzung und Zuwanderung hat zahlenmäßig in der Stadt selbst die deutsche Bevölkerung auf 22,9 v. H. herabgedrückt. (Der politische Bezirk Olmütz weist über 24.000 Deutsche auf.)

Die Wischauer Sprachinsel: Zwischen Olmütz und Brünn liegen die bäuerlichen sieben Siedlungen der Wischauer Sprachinsel, berühmt durch die Tüchtigkeit, den Fleiß und die Volkstreue ihrer Bewohner. Die Tracht der Sprachinsel hat sich durch Jahrhunderte unverändert erhalten. (Nach der Volkszählung 1930 3100 Deutsche.)

Brünn, die Hauptstadt von Mähren.

[50]
      Brünn, die Hauptstadt von Mähren (285.000 Einwohner.)
Über 800 Jahre - bis zum Oktober 1918 -
besaß Brünn eine rein deutsche Verwaltung.
[50] Die Brünner Sprachinsel: Bis zum Umsturz hatte Brünn eine deutsche Mehrheit. Die rein deutsche Verwaltung der Stadt läßt sich von 1918 bis auf das 12. Jahrhundert zurückverfolgen. Durch Zuzug tschechischer Beamtenfamilien, einer starken Garnison, die aus den tschechischen Gebieten ergänzt wird, während der Deutsche hunderte Kilometer von der Heimat entfernt, irgendwo in Karpathenrußland, seiner Militärpflicht nachkommen muß, Eingemeindung tschechischer Arbeitervororte wurden die Deutschen nach 1918 in die Minderheit gedrängt. Heute leben in der Stadt und den Sprachinselorten rund 55.000 Deutsche (Volkszählung 1930). Brünn, als Industriestadt weit über Europas Grenzen bekannt, ist der Sitz einer Reihe großer Tuchfabriken, die vor dem Umsturze über dreißigtausend Menschen beschäftigten. Die Maschinenindustrie führte ihre Spezialerzeugnisse in die ganze Welt aus, im Turbinen- und Dampfkesselbau wurden hier bekannte Neukonstruktionen geschaffen. Die Deutsche Technische Hochschule ist auch heute noch der Mittelpunkt technischer Forschungsarbeit.

Landschaftlich ist Brünn außerordentlich schön gelegen. Im Süden die weite südmährische Ebene mit den bekannten Weinbauernorten, im Norden die bewaldeten Hügelketten mit dem Schwarza- und Zwittatal, inmitten der Stadt der Spielberg mit der alten Festung und ihren tiefen Kasematten, und die Stadt [51] selbst in ihrem Kerne mit alten Kirchen, Toren und Türmen, im Süden die unzähligen Schornsteine der Fabriken.

Die Sprachinsel ist vom geschlossenen deutschen Sprachgebiet im Süden, das sich bis an die niederösterreichische Grenze zieht, nur durch einen schmalen Streifen tschechischen Sprachgebietes getrennt. Knapp 13 km trennen den deutschen Sprachinselort Mödritz und Schöllschitz von den deutschen Weinbauerorten Südmährens.

Das eigentliche Südmährenland ist ausgezeichnet durch eine außerordentliche Fruchtbarkeit und ein mildes den Weinbau ermöglichendes Klima. Das Wahrzeichen Südmährens sind die jäh und schroff aus der Ebene herausragenden Polauer Berge (550 m) mit der im Jahre 1170 erbauten Maiden- und Rosenburg. Unweit der Rosenburg errichteten deutsche Turner den Gedenkstein für die im Kriege gefallenen Volksgenossen.

Znaim, Anfang des 16. Jahrhunderts.

[51]
      Znaim, Anfang des 16. Jahrhunderts. (Aus dem Kodex des Znaimer Deutschen Stadtrechtes.) Schon in vorgeschichtlicher Zeit befand sich an der Stelle der heutigen Altstadt auf der Hochfläche über der Thaya ein wichtiger befestigter Handelsplatz. Im 1. Jahrhundert besteht bereits eine germanische Ansiedlung. 1048 wird Znaim zum erstenmal urkundlich genannt, 1260 entstanden die Stadtmauern, Znaim wird die wichtigste Stadt im südlichen Mähren. Die rein deutsche Bürgerschaft verwaltet sich nach Deutschen Recht. Am 3. November 1918 beschließen die Vertreter von 192 deutschen Gemeinden Südmährens in Znaim den Anschluß an Deutsch-Österreich, bis im Dezember 1918 die Tschechen die Stadt besetzen. 4000 tschechische Soldaten erhielten das Wahlrecht, wodurch 1920 die deutsche Bevölkerung bei den Gemeindewahlen um ihre Rechte gebracht wurde. Die Stadt zählt heute rund 23.000 Einwohner, davon 10.510 Deutsche.
Auf einer Fläche von 1840 qkm lebten nach der Volkszählung von 1910 in 120 deutschen Gemeinden und Städten 160.000 Sudetendeutsche. Nach der Volkszählung vom Jahre 1930, ergänzt durch private Ermittlungen, zählt dieses Gebiet einschließlich von Znaim 135.000 Deutsche. Die meisten Orte gehen bis auf das 12. und 13. Jahrhundert zurück. Der Hauptort Südmährens ist Znaim an der Thaya, hoch oben über dem tiefeingeschnittenen Flußtal gelegen, [52] mit dem alten Fürstensitz, Kirchen, Türmen und Bürgerhäusern. Trotzdem das Deutschtum der Stadt 1918 in überwiegender Zahl war, wurde mit Hilfe stimmberechtigter tschechischer Soldaten ebenso wie in anderen Städten eine neue tschechisch geführte Verwaltung eingesetzt. Außer Znaim sind Mittelpunkte des Weinhandels Nikolsburg, Feldsberg und Auspitz, alte Städtchen, die durch eine unsinnige Grenzführung vom jetzigen Österreich abgeschnitten wurden und dadurch ihre wirtschaftliche Bedeutung verloren.

Mit dem eigentlichen Südmähren in unmittelbarem Zusammenhang steht das Zlabingser Ländchen und die bereits in Böhmen liegenden deutschen Orte im Neubistritzer und Neuhauser Bezirk. Auf rund 920 qkm leben hier in 112 deutschen Orten nach der Zählung 1930 33.510 Deutsche.

Das Klima ist hier rauher, prächtiger Wald umsäumt das tiefeingeschnittene Tal der oberen Thaya, alte verfallene Burgen, kleine Städtchen und Landsitze geben dem Landschaftsbild das Gepräge.

Marktplatz von Iglau.

[53]
      Marktplatz von Iglau.
Die Iglauer Sprachinsel: Im mittleren Teil des böhmisch-mährischen Höhenzuges, vom Zlabingser Ländchen getrennt durch einen 25 km breiten slawisierten Streifen, breitet sich die Iglauer Sprachinsel mit rund 35.000 Deutschen auf über 400 qkm Siedlungsfläche und in 45 Gemeinden aus. Schon im Jahre 1174 wird der Mittelpunkt der Sprachinsel, die Bergstadt Iglau, urkundlich genannt.

Ergiebiges Silbererzvorkommen führte ein rasches Aufblühen der Stadt herbei, der bereits 1249 das Deutsche Stadt- und Bergrecht von Wenzel I. feierlich bestätigt wird. Die anderen kleinen Bergstädte anerkennen Iglau als Oberhof für ihre Streitigkeiten und nehmen das Iglauer Bergrecht an. Erst nach 1620 kommt der Bergbau durch Wassereinbrüche, Krieg und Rückgang der Ergiebigkeit zum Erliegen. Die tüchtige Bürgerschaft nimmt die Tucherzeugung auf, die noch heute in der Stadt zu Hause ist. Bis zum Jahre 1919 wurde die Stadt von deutschen Ratsherren verwaltet, mit brutalen Mitteln setzte der Kampf der Tschechen gegen dieses prächtige deutsche Stadtwesen ein. Die umliegenden Ortschaften sind zumeist bäuerlicher Art.

Neben diesem geschlossenen und inseldeutschen Sprachgebiet in Mittel- und Südmähren sind in fast allen übrigen Städten deutsche Minderheiten vorhanden. Schon zu Nordmähren zählt die rührige Deutsch-Brodeker-Wachtler-Sprachinsel, die einmal in Zusammenhang mit dem Schönhengstgau gestanden hat. Die slawische Bevölkerung in Mittelmähren setzt sich ebenso wie in Westmähren aus verschiedenen Stämmen zusammen, die in vielen Orten nordische Züge zeigen. Es ist sehr wahrscheinlich, daß im frühen Mittelalter Deutsche in großer Zahl slawisiert wurden. Auch nach 1848 sind durch die Kurzsichtigkeit der österreichischen Regierung in den kleinen Sprachgrenzorten tausende deutsche [53] Menschen im Slawentum aufgegangen. Der mährische Slawe der bäuerlichen Siedlungen hat wenig Gemeinsames mit den aus der böhmischen Tiefebene stammenden Tschechen. Das Deutschtum in Mähren ist wohl durch seine verzahnten Sprachgrenzen und die Sprachinselorte gefährdeter als in Böhmen, vergessen wir aber ebenso nicht, daß hier das slawische Sprachgebiet an seiner engsten Stelle kaum 60 Kilometer breit ist, ja wieder selbst volkspolitisch nicht einheitlich erscheint und durch deutsche Sprachinseln und Orte mit deutschen Minderheiten, die zusammen über 120.000 Deutsche zählen, aufgelockert wird. Darum hat auch heute noch Mähren trotz aller Anstrengungen der Tschechen kulturpolitisch deutsches Gepräge. Als Durchgangsland zwischen dem deutschen Norden und Süden bleibt seine Bedeutung trotz der widersinnigen Grenzziehung für die Zukunft bedeutungsvoll.



Die Hohe Tatra.

[55]
      An die Meeraugenspitze (2503) reihen sich im weiten Bogen, scharf und steil über der Zipser Hochebene die höchsten Gipfel der Hohen Tatra. Wie wenige von uns kennen wohl die Heimat der 55.000 Zipser Sachsen, die heute einen schweren Kampf um Schule und Scholle führen.


Der Tschirmersee im Zipser Ländchen.

[215]
      Der Tschirmersee im Zipser Ländchen. In den herrlichen Berglandschaften der Hohen Tatra siedeln seit über 800 Jahren die Zipser Sachsen. Der Sachsenspiegel im Leutschauer Museum kündet uns von ihrem uralten Recht auf Selbstverwaltung. Schon 1271 gestand ihnen Stephan V. das Privileg zu, sich durch ihren Sachsengrafen und den hundertgliedrigen Ständerat frei verwalten zu lassen.
8) Das Karpathendeutschtum

Durch das Friedensdiktat von Trianon im Jahre 1919 wurde das Gebiet der heutigen Slowakei und Karpathenrußlands nach tausendjähriger Zugehörigkeit zu Ungarn an die Tschechoslowakei angegliedert. Damit erhielt der neue [54] Staat seine unnatürliche Ausdehnung nach Osten. Westbeskiden, Weiße und Kleine Karpathen riegeln die Slowakei vom westlichen Teil der Tschechoslowakei ab. Die Slowakei und Karpathenrußland weisen mit Ausnahme des südlichen und südöstlichen Teiles, der bestimmt ist durch den Anteil an dem Marchbecken, der Kleinen und Großen Ungarischen Donau-Tiefebene, ausgesprochenen Gebirgscharakter auf. In weitem Bogen ziehen im äußersten Norden als Grenzberge gegen Altpolen und Galizien Beskiden, Hohe Tatra und Waldkarpathen von Westen nach Südosten, mit den vorgelagerten Gebirgszügen der Großen und Kleinen Tatra, der Niederen Tatra, des Leutschau-Lublauer Gebirges und dem Slowakischen Erzgebirge. Mit Ausnahme des zum Weichselgebiet gehörenden Popperflusses und dem Dunajez an der Nordseite der Zips, sind die unteren Flußtäler der Donauzuflüsse Waag, Gran, Neutra, Eipel, Hernad und der anderen Quellflüsse der oberen Theiß südwärts gerichtet. So ist erklärlich, daß durch das Friedensdiktat sämtliche Verkehrswege nach dem Süden zerschnitten wurden und es in der Tschechoslowakei vor allem in der mittleren Slowakei nur mit großen Kosten gelang, über die quer gelagerten Gebirgszüge Verkehrswege zu schaffen und die bestehende Oderberg-Kaschauer Bahn im oberen Waag- und Hernadtal bis nach Marmaros Sziget an die rumänische Grenze auszubauen.

Burg Arwa.

[99]
      Burg Arwa (Slowakei), eine der heißumkämpftesten Grenzburgen im Osten. Auf altem Quadenboden gelegen, dürfte Arwa eine Gründung der Deutschen Tempelritter sein. Die Burg wurde nach dem Umsturz von der tschechischen Regierung mit vielen anderen wertvollen Schlössern und Herrschaften fast ohne Gegenwert enteignet.
Das Schwergewicht des Deutschtums liegt, wie bereits ausgeführt wurde, schon zahlenmäßig im wesentlichsten Teil der Tschechoslowakei, den eigentlichen Sudetenländern. Von den dreieinhalb Millionen Deutschen im ganzen Staate entfallen auf die Karpathenländer der Slowakei und Karpathenrußland nach der Volkszählung im Jahre 1930, ergänzt durch private Ermittlungen und die Wahlergebnisse im Jahre 1935, 195.000 Deutsche, davon 180.000 auf die eigentliche Slowakei und 15.000 auf die Siedlungen in Karpathenrußland. Die Zahl der Deutschen ist demnach in der östlichen Hälfte des Staates im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung von 3,963.318 Menschen (nach den Volkszählungsangaben aus dem Jahre 1930) klein, doch hat kulturpolitisch und wirtschaftlich auch hier das Deutschtum eine viel größere Bedeutung. Kennzeichnend in volkspolitischer Hinsicht ist es wohl, daß die Karpathenländer auf einer Fläche von 61.536 qkm (davon wieder in Karpathenrußland 12.556 qkm) von 6 Nationen bewohnt sind. Zahlenmäßig an erster Stelle stehen die Slowaken mit 2.2 Millionen, dann folgen 0.71 Millionen Madjaren (die Zahl dürfte in Wirklichkeit noch höher sein), 0.5 Millionen Karpathenrussen oder Ruthenen, vor allem in Karpathen-Rußland, schließlich 0.195 Millionen Deutsche, 0.18 Millionen Juden und in geringfügiger Anzahl Rumänen und Polen in einigen Grenzbezirken. Dazu kommen als "7. Nation" seit 1919 die Tschechen, die zur größten Erbitterung der Slowaken als Staats- [55] beamte und Unternehmer in die Slowakei einwandern, die besten Stellen besetzen und mit der Zahl von 210.000 Volksangehörigen nicht zu hoch geschätzt sind.

Das Deutschtum in den Karpathenländern dürfte zum Teil in den unwegsamen Gebirgstälern der Mittelslowakei bis auf die germanische Besiedlung zurückgehen, wie bereits Matthias Bell 1735, dann Korabinsky und Kachelmann20 nachzuweisen suchten. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang jedenfalls die Tatsache, daß im Turzland, im Neutragau und in Hont, die Kremnitz-Probener Deutschen vom slowakischen Volksmund "loctobrati" genannt werden. Der Ausdruck ist auf "lonctobrati" - "langobarti" zurückzuführen, demnach auf die Langobarden der Völkerwanderungszeit.21

Preßburg nach einem alten Kupferstich im 18. Jahrhundert

[27]
      Preßburg nach einem alten Kupferstich im 18. Jahrhundert.
Deutsch ist die ganze Geschichte dieser Donaustadt unweit Wiens. Schon um Christi Geburt lebten hier germanische Stämme. Nach der Völkerwanderung setzte in der Zeit Karls des Großen eine erneute deutsche Besiedlung ein, bis die einbrechenden Madjaren fast alles vernichteten. Doch schon um 1200 ist unter der Burg Stephans des Heiligen eine rein deutsche Stadt im Werden, die während der Türkenstürme Hauptstadt von Ungarn wird. Trotz der Entdeutschungsbestrebungen des Vorkriegsungarn behauptete Preßburg sein deutsches Gepräge. In der Neujahrsnacht 1919 besetzten die Tschechen die Stadt. Durch Masseneinwanderung von Tschechen und Slowaken soll Preßburg, das heute über 100.000 Einwohner zählt, mit Gewalt slawisiert werden.
Genaueres wissen wir aus den unruhigen Zeiten der Völkerwanderung nicht. Jedenfalls wohnten im Gebiete der heutigen Zips und in den Flußtälern zu Beginn unserer Zeitrechnung Quaden, denen dann Vandalen, Goten, Langobarden und Gepiden folgten. Ende des 6. Jahrhunderts bestätigen Funde Slawen- [56=Foto] [57] siedlungen, die jedoch in den Gebirgstälern keine größeren Ausmaße erreichten. Urkundlich beweisbar ist zuerst das Deutschtum der Stadt Preßburg.22 Das Deutschtum vieler Orte der Zips geht nachweisbar bis ins 11. Jahrhundert zurück.23

Nach den Tartareneinfällen war das Gebiet der Karpathenländer größtenteils verwüstet. Da riefen die ungarischen Könige deutsche Siedler ins Land. Im 13. Jahrhundert erfolgten zahlreiche Neugründungen, die alten zum Teil verwüsteten Siedlungen und Städte wurden neu aufgebaut, mit Mauern und Wehranlagen umgeben, Tochtersiedlungen angelegt, neues Siedlungsgebiet durch Rodungen geschaffen. Bis 1350 dauerte die Gründungszeit. Das Deutschtum blühte mächtig auf, die heutigen Städte gehen fast alle, die bäuerlichen Siedlungen fast zur Hälfte auf deutsche Gründungen zurück. Damals gab das Deutschtum in diesen mächtigen geschlossenen Siedlungsgebieten, die mit dem Deutschtum in Mähren und Galizien in Verbindung standen, den Karpathenländern das Gepräge. Das Deutschtum dürfte die slawische und madjarische Bevölkerung zahlenmäßig übertroffen haben. Das Erzvorkommen verhalf vielen Orten im ungarisch-slowakischen Erzgebirge zu großem Reichtum.

Im 15. Jahrhundert beginnt der Abstieg des Karpathen-Deutschtums. Die Hussiteneinfälle, die madjarischen Entdeutschungsbestrebungen des madjarischen Adels im 17. Jahrhundert, die Türkenkriege und Fürstenstreitigkeiten vernichteten den einstigen Wohlstand, entdeutschten zahlreiche Städte und bäuerliche Siedlungen. Die Städte wurden zum Teil madjarisiert, die bäuerlichen Ansiedlungen durch Slowaken unterwandert. Erst die Verdrängung der Türken aus der ungarischen Tiefebene, die Ansiedlungsaktion der Habsburger im 18. Jahrhundert brachten eine neue deutsche Siedlerwelle aus der Ostmark und Süddeutschland ins Land, bis nach 1867, dem Jahre des sogenannten Ausgleiches zwischen Österreich und Ungarn, die madjarische Entdeutschungspolitik mit Billigung des Kaisers einsetzt, die bis 1918 einen Großteil der deutschen Siedlungen entdeutschte. Es ist wohl keine Übertreibung, wenn man die Feststellung macht, daß die Mehrheit der heutigen städtischen Bevölkerung, ob Slowaken oder Madjaren, in den Karpathenländern deutscher Abstammung ist.

Am Donauufer der Stadt Preßburg.

[58]
      Am Donauufer der Stadt Preßburg.
Wir unterscheiden nachfolgende deutsche Siedlungsgebiete in den Karpathenländern:

1. Das Preßburger deutsche Sprachgebiet. In unmittelbarem Zusammenhang mit dem geschlossenen Sprachgebiet von Österreich steht das Weinbauernland um Preßburg. Die Stadt Preßburg selbst mit 28,06 v. H. deutschem Bevölkerungsanteil ist heute Landeshauptstadt der Slowakei. Das Deutschtum des Preßburger deutschen Sprachgebietes ist mit 40.000 nicht zu hoch angenommen, 1910 wurden in Preßburg-Stadt und -Land 53.822 Deutsche gezählt.

Zipser Tracht.

[56]
      Zipser Tracht.
[58] 2. Das Zipser Sprachinselgebiet umfaßt die deutschen Siedlungen der Oberzips, des Göllnitztales (Gründner Boden) und des Hernadtales. Der Hauptort ist Käsmark. Die Mehrheit besitzen die Zipser in 31 Ortschaften, in anderen 18 Orten sind sie beachtliche Minderheiten. Die heutige Zahl der Zipser Deutschen wird auf 48.000 bis 55.000 geschätzt. Die Volkszählung 1930 ist nicht einwandfrei durchgeführt worden.

3. In der Mittelslowakei erhielt sich die Deutschprobener und Kremnitzer Sprachinsel, die Sprachinsel der Krickerhauer und Hochwiesener Gegend und die erst um 1858 von Niedersachsen gegründete Tschermender Siedlung mit deutschen Minderheiten um Neutra. Die Gesamtzahl der Deutschen beträgt auf 620 qkm Siedlungsboden über 48.000.

4. In Karpathenrußland leben um Munkatsch in geschlossenen deutschen Siedlungen auf etwa 100 qkm Siedlungsfläche 10.000 Deutsche. Der Rest der in Karpathenrußland lebenden Deutschen lebt als Minderheit in den Städten. Auch in fast sämtlichen größeren Städten der Slowakei sind kleine deutsche Minderheiten, die sich aus Beamten, Unternehmern und Facharbeitern zusammensetzen, vorhanden. Über 60.000 Karpathendeutsche leben als Auswanderer in der Fremde. Vor allem der Zipser ist sehr wanderlustig.

Trotz der industriellen Struktur des Sudetendeutschtums wohnt seine Hauptmasse in einer überwiegenden Mehrheit auf dem Lande, in Landgemeinden, [59] Klein- und Mittelstädten. Großstädte im Sinne einer reichsdeutschen Großstadt besitzt das Sudetendeutschtum überhaupt nicht. Nach einer Untersuchung in der Zeitschrift für sudetendeutsche Kommunalpolitik24 wohnen von den Sudetendeutschen nur 124.420, d. s. 4,1 v. H., in Gemeinden mit über 100.000 Einwohnern, 448.955, d. s. 14,6 v. H., in Gemeinden von 20.000 bis 100.000, 897.762, d. s. 29,2 v. H., in Gemeinden von 2000 bis 20.000 und 1,599.797, d. s. 52,1 v. H., in Gemeinden bis 2000 Einwohner. Das ist ein durchaus erfreuliches Verhältnis, denn über 80 v. H. der Sudetendeutschen wohnen in Landgemeinden, beziehungsweise kleinen Stadtgemeinden und nur 4,1 v. H. in den Städten über 100.000 Einwohner. Drei davon waren allerdings vor dem Umsturz unter
Brünn - Rathaustor.

[60]
      Brünn - Rathaustor. - Schon 1091 wurde die Hauptstadt von Mähren (280 000 Einwohner) als blühende Ansiedlung genannt. 1243 erhielt die Stadt deutsches Stadtrecht und blieb bis 1918 unter rein deutscher Verwaltung, Kriege und Seuchen überdauernd. 1918 zählte die Stadt 45 große Industriebetriebe (Textil und Maschinenbau). Mit allen Kräften versuchen die Tschechen die Stadt zu entdeutschen.
deutscher Verwaltung. Die Deutschen bilden daher auch recht beachtliche Minderheiten in diesen Großstädten, ja die größte deutsche Siedlung ist auch heute noch Brünn mit seinen 52.165 Deutschen, dann folgt Prag mit 41.701 Deutschen und dann erst reiht sich Aussig an, die größte sudetendeutsche Stadt mit 32.878 Deutschen. Auf dem Fuße folgte Preßburg mit 32.801 Deutschen, daran reihen sich Reichenberg mit 30.032, Komotau mit 27.609, Gablonz mit 27.017, Eger mit 25.120, Teplitz-Schönau mit 23.127, Troppau mit 21.987 Deutschen. Und dann folgt Mährisch-Ostrau mit 21.753 Deutschen, Asch mit 20.885, Karlsbad mit 20.856, Jägerndorf mit 20.400, Warnsdorf mit 19.963, Brüx mit 17.549, Bodenbach mit 17.404, Olmütz mit 15.017, Saaz mit 14.422, Graslitz mit 13.404, Iglau mit 12.095, Trautenau mit 11.619, Mährisch-Schönberg mit 11.585, Turn mit 11.349, Sternberg mit 11.178, Weipert mit 11.103, Leitmeritz mit 10.878, Böhmisch-Leipa mit 10.851, Znaim mit 10.510, Fischern mit 10.348, Tetschen mit 9944, Falkenau a. E. mit 9825, Rumburg mit 9286, Neutitschein mit 9159, Zwittau mit 9090, Freudenthal mit 9031, Neudek mit 8575, Schreckenstein mit 8412, Kaaden mit 7629, Georgswalde mit 7469, Altrohlau mit 7392, Oberleutensdorf mit 7279, Sankt Joachimsthal mit 6790, das tschechische Pilsen mit 6782, Görkau mit 6711, Budweis mit 6681, Freiwaldau mit 6674, Mährisch-Trübau mit 6643, das hart bedrängte nur mehr zu 52 v. H. deutsche Dux mit 6504, Tachau mit 6495 Deutschen. Das sind 50 Gemeinden, gereiht nach der Zahl der in ihnen wohnenden Deutschen. Davon sind Brünn, Prag, Preßburg, Mährisch-Ostrau und Pilsen Städte mit über 100.000 Einwohnern; es sind die gemischtsprachigen Großstädte, in denen die Deutschen in einer so großen Zahl siedeln, daß sie mit Ausnahme von Pilsen durchweg deutsche Mittelstädte bilden könnten. Und doch machen die Deutschen im einst deutschen Brünn nur mehr 20,3 v. H. aus, in Prag 5,8 v. H., in Preßburg aller- [60] dings noch 26 v. H., in Mährisch-Ostrau aber nur mehr 18,6 v. H., in Olmütz hingegen noch 22,9 v. H., in Iglau 39,7 v. H., in Znaim 33,3 v. H., in Pilsen 6 v. H. und in Budweis 15,5 v. H. Dementsprechend ist es um die Rechte bestellt. Die 42.000 Deutschen im tschechischen Prag z. B. haben gar keine Sprachrechte, während wenige Tschechen in deutschen Gemeinden, insbesondere, wenn sie eine Minderheit von über 20 v. H. der Bevölkerung bilden, ihre Sprachenrechte im weitestgehenden Ausmaße gesichert haben.

Damit ist der Landschafts- und Bevölkerungscharakter der sudetendeutschen Kerngebiete im wesentlichen geschildert.

Die Größenverhältnisse des deutschen und tschechischen Siedlungsraumes betragen:

geschlossenes deutsches Siedlungsgebiet 2,485.171 ha
deutsche Sprachinseln 170.693 ha
geschlossenes tschechisches Siedlungsgebiet   5,036.126 ha
tschechische Sprachinseln 11.288 ha

Es zeigt sich also, daß das sudetendeutsche Gebiet halb [61] so groß ist wie das tschechische und, um einen Vergleich anzuführen, um die Hälfte größer ist als Lothringen.

Die Verteilung des Siedlungsbodens.

[61]
      Die Verteilung des Siedlungsbodens.

Die seit dem Jahre 1880 gepflogenen statistischen Erhebungen ermöglichen ein interessantes Bild über die Bevölkerungsbewegungen in den Sudetenländern. Ganz allgemein ergibt sich, wie aus der Anhangtabelle I ersichtlich wird, daß die Tschechen in den letzten 50 Jahren sich um rund 2,2 Millionen vermehrt haben, während die Sudetendeutschen in dieser Zeit insgesamt nur einen Zuwachs von kaum 140.000 zu verzeichnen haben, in Prozenten ausgedrückt bedeutet das, daß der tschechische Bevölkerungsanteil in dieser Zeit von 62,95 v. H. auf 69,50 angestiegen ist, während die Sudetendeutschen von 36,04 auf 29,19 gesunken sind. Zu diesen Zahlen ist zu bemerken, daß die Statistiken zwar Fehlerquellen enthalten; so wurde z. B. im alten Österreich die Umgangssprache erhoben, während die tschechische Volkszählung die Nationalität erhebt. Außerdem wurde bei den tschechischen Volkszählungen auf die Bevölkerung ein starker Druck ausgeübt, so daß viele deutsche Bekenntnisse verlorengegangen sind. Eine entscheidende Rolle spielen auch Kriegsverluste, auch die nicht unmittelbar militärischen, die bei den Sudetendeutschen bis 1917 35 Tausendteile, bei den Tschechen aber nur 11 Tausendteile ausmachen, so daß bis Ende 1918 die Sudetendeutschen rund 85.000 wehrfähige Männer mehr verloren haben als die Tschechen, dazu kommt, daß in den Jahren 1917 / 18 / 19 in den grenzdeutschen Gebieten infolge der Verelendung durch Hunger und Seuchen die Sterblichkeit bedeutend höher war als bei den Tschechen. Ferner wurde eine große Anzahl von Sudetendeutschen, die für österreichische oder reichsdeutsche Staatsbürgerschaft optiert hatten, nicht mehr als tschechische Staatsbürger [62=Karte] [63] gezählt. Nicht unwesentlich ist auch die Tatsache, daß vor dem Kriege ungefähr 84.000 Juden sich als Deutsche ausgaben, die nach dem 28. Oktober 1918 sich als Tschechen bekannten. Aber auch alle diese Tatsachen zusammen können das Gesamtbild nicht wesentlich verändern.25

Die Kriegsverluste des Deutschtums des alten Österreichs.
Die Kriegsverluste des Deutschtums des alten Österreichs.
[62]      Im Westen, im Süden und im Osten weit nach Rußland hinein, mahnen uns viele hunderttausende Totenkreuze an die toten Helden des deutschen Volkes im Weltkriege. Der Blutzoll der Sudetendeutschen für ihre Heimat und dafür für das ganze Deutsche Volk war ungeheuer. Von je 1000 kriegsfähigen Männern fielen 500, in manchen Bezirken bis zu 650.

Das Vordringen der Tschechen im deutschen Sprachgebiet
von 1920 bis 1930.

[63]
      Das Vordringen der Tschechen im deutschen Sprachgebiet
von 1920 bis 1930.      [Vergrößern]
Die Volkszählung des Jahres 1930 zeigt, daß in diesem Jahrzehnt tschechoslowakischer Herrschaft über die sudetendeutschen Gebiete die Einschiebung des tschechischen Elementes in das geschlossene deutsche Siedlungsgebiet weitere Fortschritte gemacht hat. In den folgenden Ziffern spiegeln sich die tschechischen Erfolge, die durch die Verdrängung der Deutschen von ihren Arbeitsplätzen und durch die Bodenreform erzielt worden sind. Das sprungartige Ansteigen der tschechischen Bevölkerung in den sudetendeutschen Gebieten erklärt sich nur aus der Tatsache, daß es sich hier um die Einwanderung von tschechischen Arbeitern und Beamten handelt, die die deutschen Arbeitsplätze einnahmen. Bei der Besetzung ehemals deutscher Arbeitsplätze wurden besonders kinderreiche Tschechen bevorzugt, ja Kinderreichtum war in den meisten Fällen überhaupt die Voraussetzung für die Stellenbesetzung.

[64] Die nationale Kräfteverschiebung zeigt sich besonders in den deutschen Städten:

       Einwohnerzahl        Deutsche in Prag   
    1930 1921 1930 1921
    Aussig 43.793   39.830   78.5      81.2     
    Reichenberg    38.568   34.985   81.9      84.6     
    Gablonz 33.958   26.929   82.5      84.5     
    Komotau 33.279   21.123   85.2      89.8     
    Eger 31.546   27.524   87.4      94.1     
    Teplitz 30.799   28.892   79.6      82.3     
    Brüx 28.212   27.239   63.8      64.8     
    Karlsbad 23.901   19.480   92.3      94.3     
    Asch 22.930   19.525   98.5      99.2     
    Bodenbach 22.658   15.103   81.7      87.6     
    Warnsdorf 22.621   20.328   92.3      93.9     
    Leitmeritz 18.498   16.988   60.1      66.8     
    Saaz 18.100   16.211   81.3      88.2     
    Turn 16.551   15.485   72.1      71.7     
    Trautenau 15.923   14.584   74.5      79.9     
    Leipa 14.338   11.737   77.4      87.7     
    Graslitz 13.936   12.526   98.1      99.7     
    Dux 13.040   12.619   50.7      51.2     
    Tetschen 12.855   11.244   82.1      88.5     
    Fischern 11.769   9.977   90.8      96.4     
    Weipert 11.751   10.422   97.9      99.0     
    Falkenau 11.381   10.151   88.3      96.4     
    Bilin 10.688   9.669   58.4      66.0     

Die Hauptmasse des Sudetendeutschtums aber lebt noch immer im geschlossenen deutschen Siedlungsraum, wie die Tabelle II des Anhangs beweist.

Von den 122 Bezirken, in denen die Deutschen mehr als 50% der Gesamtbevölkerung ausmachen, beträgt der deutsche Bevölkerungsanteil in

    71 Bezirken     90% bis 100%
    23 Bezirken 80% bis   90%
    28 Bezirken 50% bis   80%

[65] Dazu kommen noch jene Bezirke, in denen die Sudetendeutschen bis zur Hälfte geschlossen siedeln.

Um diesen Besitzstand wird der Kampf mit stets zunehmender Heftigkeit geführt. Die behauptete Position selbst darf nicht über die erlittenen Verluste hinwegtäuschen. Die Tschechen sind auf allen Linien im Angriff und haben in der durch den tschechischen Wirtschaftskrieg in den sudetendeutschen Gebieten entstandenen Not einen starken Bundesgenossen erhalten.26

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8Wahle, E.: Vorgeschichte des deutschen Volkes. Leipzig 1924. - Hassinger, H.: a. a. O. ...zurück...

9Tacitus, Germania, Kap. 43 und Kap. 28. ...zurück...

10Matiegka, J.: "The Origin and Beginning of the Czechoslovak People," Washington 1921. ...zurück...

11Vgl. zunächst Hassinger: a. a. O., S. 187/188. - Pič, F. L.: Die Urnengräber Böhmens, Leipzig 1907. - Machat, J.: "Die böhmische Literatur," in der Sammlung Hinneberg, Die Kultur der Gegenwart (IX. 1908). - Palacky, E.: Geschichte Böhmens, Prag 1836-67. - Ferner die Werke der tschechischen Historiker Sembera, Perwolf, Sasinek, Šicha, Brandl, Sedlaček, Papaček und Slavik. - Papanek, J.: La Tchechoslovaquie. Histoire politique et juridique de la création, Prag 1924. - Wijk, N.: The Czechoslovak Republic, Prag 1923. - Rosling, H.: Protection des Minorités par la Société des Nations, Genf 1928. U. a. m. ...zurück...

12Niederle, L.: Die slawische Welt, Prag 1900. - Er bestreitet die tschechischen Behauptungen und erklärt, "daß sie keine historische Stütze haben und den archäologischen Tatsachen widersprechen." ...zurück...

13Schranil, J.: Die Vorgeschichte Böhmens und Mährens, Berlin 1928. ...zurück...

14Tacitus, Germania, Kap. 28. ...zurück...

15Menghin, O.: Einführung in die Urgeschichte Böhmens und Mährens, Reichenberg 1926, S. 110. - Schwarz, Ernst: Die Ortsnamen der Sudetenländer als Geschichtsquelle, München 1934, S. 7-16. - Vgl. ferner die Forschungsarbeiten Erich Gierachs, München. ...zurück...

16Helmut Preidel: Germanen in Böhmen im Spiegel der Bodenfunde. Reichenberg 1928. ...zurück...

17So bezeichnete Staatspräsident Masaryk die Sudetendeutschen in seiner Neujahrsbotschaft am 1. 1. 1919. ...zurück...

18W. Wostry: Das Kolonisationsproblem, Prag 1923. - B. Bretholz: Geschichte Böhmens und Mährens, Band 1-4. - Bachmann: Geschichte Böhmens, 2 Bände. - Hassinger a. a. O., S. 181-255. - F. Leppa: Ringendes Volkstum, Karlsbad-Drachowitz, 1927. - F. Friedrich: Die historische Geographie Böhmens. ...zurück...

19Dr. Heinrich Rauchberg: Der nationale Besitzstand in Böhmen. Leipzig 1905. ...zurück...

20Matthias Bell: Notitia Hungariae Novae Historico-Geographica 1735 und 1736, in Preßburg und Wien erschienen. Dann Kachelmann in seiner Geschichte der ungarischen Bergstädte und ihrer Umgebung, Budapest 1870, ebenso Korabinsky 1786 im Geog.-Hist. Lexikon von Ungarn. ...zurück...

211930 machte Dr. Hans Kaser, wie er in seinem Buch Der Volks- und Kulturboden des Slowakeideutschtums Breslau 1934 ausführt, diese Beobachtung.. ...zurück...

22Ernst Schwarz: a. a. O. ...zurück...

23Kaser: a. a. O, S. 26. ...zurück...

24Sudetendeutsche Selbstverwaltung, Folge 16. ...zurück...

25Schreiter-Schwarzenfeld: Die Sudetendeutschen in ihrer gesellschaftlichen Schichtung. Prag, 1932. - Margarete Janitschek: Neueste Bevölkerungsentwicklung der Deutschen und Tschechen innerhalb der Sudetenländer. Böhmerlandverlag, Eger, 1923. ...zurück...

26Die angeführten Zahlen über die Bevölkerungsentwicklung entstammen dem amtlichen Ergebnis der österreichisch-ungarischen und tschechoslowakischen Volkszählung. Bei der österreichischen Zählung wurde, wie bereits erwähnt, die Umgangssprache erhoben, bei der tschechoslowakischen die Nationalität. Die Angabe der Umgangssprache läßt nicht immer auf das Bekenntnis zur gleichen Nationalität schließen, andererseits war in der Tschechoslowakei das Bekenntnis zum angestammten Volkstum oft mit Existenzverlust verbunden und unterblieb daher. Auch ist es vorgekommen, daß die Tschechen in deutsche Gebiete tschechisches Militär legten, Arbeiter beriefen usw., um das Zählungsergebnis zu beeinflussen. Es ergeben sich also in den amtlichen Ziffern Unrichtigkeiten. Es sei hier nur auf die amtlichen Volkszählungs-Ergebnisse im Hultschiner Ländchen hingewiesen. Die geheime Wahl im Mai 1935 ergab 80% deutsche Stimmen. - Rauchberg, a. a. O. - Hassinger, a. a. O. - Oberschall: Die Deutschen der Sudetenländer 1880-1920. - Der politische Besitzstand der Deutschen in den Sudetenländern. - Hans Krebs: Kampf um die Autonomie! Aussig, a. E. 1932. ...zurück...

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200 000 Sudetendeutsche zuviel!
Der tschechische Vernichtungskampf
gegen 3,5 Millionen Sudetendeutsche
und seine volkspolitischen Auswirkungen.
Kurt Vorbach