Bd. 4: Der Seekrieg - Der Krieg um die
Kolonien
Die Kampfhandlungen in der Türkei
Der Gaskrieg - Der Luftkrieg
Abschnitt: Der
Luftkrieg (Forts.)
Major Hans Arndt
2. Entwicklung der Luftstreitkräfte im
Frieden.
Die einzelnen Waffengattungen in Deutschland.
Luftschiffer. Die Erfahrungen des Krieges 1870/71 hatten das
Preußische Kriegsministerium von der Zweckmäßigkeit einer
Verwendung von Ballonen im Truppendienst überzeugt. Das führte
im Mai 1884 zur Gründung eines Ballon- [531] detachements von 4
Offizieren, 29 Mann. Dem Kriegsministerium unmittelbar unterstellt, sollte es
Unterlagen für die Bildung von Feldluftschifferformationen sammeln. Die
Teilnahme an Übungen im Rahmen gemischter Truppenkörper, an
Belagerungs- und Schießübungen brachte bald gute Ergebnisse.
Auf Grund dieser Erfolge wandelte die Allerhöchste Kabinettsorder vom
11. März 1887 das Ballondetachement in eine "Luftschifferabteilung" mit
einem Etat von 5 Offizieren, 50 Unteroffizieren und Mannschaften um und
unterstellte es durch Angliederung an das
Eisenbahn-Regiment dem Generalstabe unmittelbar. Unter Heranziehung der
Privatindustrie begann man jetzt die größeren Festungen mit
Luftschiffergerät auszurüsten. Nach einer 1893 erfolgten
Etatserhöhung auf 140 Mann wurden auch Lehrkurse für Offiziere
der anderen Waffengattungen
eingerichtet. - Besonders wichtig war die Erfindung des
600-cbm-Drachenfesselballons, der, im Manöver 1894 erstmalig erprobt,
sofort seine volle Brauchbarkeit erwies. Jetzt wurde die Beteiligung an allen
Friedensübungen, besonders an den Kaisermanövern, lebhafter.
Weitere technische und taktische Erfahrungen führten 1901 zur
Umwandlung der Abteilung in ein Luftschifferbataillon von zwei Kompagnien
und einer Bespannungsabteilung.
Tatkräftig unterstützten die Luftschiffer die Wissenschaft bei der
Erforschung der höheren atmosphärischen Schichten. Photographie
und die zum Brieftaubenwesen gehörige Mikrophotographie fanden
sorgsame Pflege, ebenso wie die in ihren Anfängen stehende
Funkentelegraphie.
Mit ebenso regem Eifer verfolgte man die Neuerungen auf dem Gebiete der
Lenkluftschiffahrt. Trotz vieler Mißerfolge war das Problem als solches
gelöst. Meist war man an der zu geringen Motorenstärke gescheitert.
Auch die von Graf Zeppelin mit
Luftschiffen starren Typs auf dem Bodensee
unternommenen Versuche, an denen sich Offiziere der Luftschiffertruppen
beteiligten, litten zu Beginn unter der ungenügenden Eigenkraft. Erst die
weitere Entwicklung des Benzinmotors durch Daimler und Benz führte zu
glänzenden Erfolgen. Die anfangs nicht befriedigenden Zeppelinschen
Fahrten veranlaßten das Kriegsministerium, das Luftschifferbataillon mit
dem Bau eines halbstarren Schiffes zu beauftragen. Neben dem starren ("Z"),
halbstarren ("M") entstand gleichzeitig ein neuer unstarrer Typ, von dem
damaligen Kommandeur des Luftschifferbataillons, Major v. Parseval,
konstruiert. Alle drei Arten entwickelten sich im scharfen Wettstreit bis 1914 zu
etwa gleicher Leistungsfähigkeit; vielleicht besaßen die
"Z"-Schiffe hinsichtlich Aktionsradius und Steigfähigkeit eine geringe
Überlegenheit.
Die sich ständig erweiternden Arbeitsgebiete führten 1911 zur
Vergrößerung des Luftschifferbataillons von zwei auf vier
Kompagnien. Bald darauf erfolgte die Gründung der Luftschifferbataillone
2 und 3, 1913 der Bataillone 4 und 5.
Flieger. Als um 1908 die Lenkluftschiffahrt schon hohe Leistungen
aufwies, lag die Entwicklung des Flugzeugs in Deutschland noch in den ersten
An- [532] fängen. Der
scharfe Wettkampf zwischen den "Luftfahrzeugen leichter oder schwerer als Luft"
wandte sich indes bald zugunsten der Letzteren.
Das Problem des Drachenfliegers ist wohl so alt wie die Weltgeschichte. Sage und
Chronik führen von Dädalus und Ikarus über Leonardo
da Vinci bis in die heutige Zeit. Bekannte und unbekannte Konstrukteure
aller Völker stellten ihr Wissen in den Dienst dieses Gedankens. Mit Otto
Lilienthal dürfen um 1890 die Grundzüge des Gleitfluges als
gelöst betrachtet werden. Aber erst die Durchkonstruktion des
Benzinmotors ermöglichte, wie beim Luftschiff, Flugversuche mit einem
Fahrzeug schwerer als Luft vollständig. Mit den erstaunlichen Flügen
der Brüder Wright wird endlich ein jahrtausendealter Traum der
Menschheit verwirklicht. 1908 erschienen sie mit ihrem Flugzeug in Europa und
fanden bald in dem Franzosen Henry Farman einen ebenbürtigen
Nachfolger.
In Deutschland stand man diesen ersten Flugversuchen zurückhaltend
gegenüber. Die ungeahnten Erfolge der deutschen Lenkluftschiffe
mögen der Grund gewesen sein. Selbst namhafte Fachleute der
Luftschiffertruppe, wie Major v. Parseval, beurteilen das Flugzeug noch
recht ungünstig. Einen Flug von länger als 10 Minuten Dauer
hielt man nicht für wahrscheinlich. Fünf Monate später flog
indes Wright ununterbrochen über 1½ Stunde. Auch andere
militärische Stellen verhielten sich ablehnend, im starken Gegensatz zu
Frankreich. Selbst private Bestrebungen einiger Offiziere fanden Widerstand. Die
erste Förderung deutschen Flugwesens blieb dem Sportsinn und
Unternehmungsgeist von Privatmännern überlassen. 1910 und 1911
wirkten hohe Preisstiftungen für kleinere und größere
Überlandwettbewerbe befruchtend auf den deutschen Flugsport. Der
Vorsprung des westlichen Nachbars aber blieb.
Langsam griff auf Grund dringender Berichte aus der Front (Leutnant Mackentun
in Straßburg) die Militärverwaltung ein. 1909 hatte sie 36 000
Mark für fliegerische Ausbildungszwecke zur Verfügung gestellt.
1910 folgte die Gründung einer provisorischen Fliegerschule in
Döberitz. Eigene Heeresflugzeuge beschaffte man zwar noch nicht; aber die
Ausbildung von acht Flugzeugführern gelang. Eine frische Schar
wagemutiger Offiziere war bald zusammen, das begonnene Werk begeistert zu
fördern. Gegen Jahresende wandelte sich dieses "Provisorium" in ein
"Fliegerkommando" der "Luftschifferabteilung" der "Verkehrstruppen" um.
Längst hatte Frankreich eine selbständige Inspektion für die
Militärluftfahrt gegründet!
1911 entstand die "Lehr- und Versuchsabteilung für
Militärflugwesen". Aber noch immer waren es meist ausländische
Fabrikate, die zur Einführung kamen, da die eigene Flugzeugindustrie
infolge Geldmangels sich nicht recht entwickeln konnte. Erst die unter dem
Protektorat des Prinzen Heinrich ins Leben gerufene
National-Flugspende brachte der deutschen Flugzeugindustrie die Mittel, eine
drohende Gefahr abwenden zu helfen.
1913 ordnete endlich das Kriegsministerium die langersehnte Gründung der
[533] "Fliegertruppe" an; der
1. Oktober wurde der Gründungstag ihrer eigenen Inspektion. Mit
zunehmender Erstarkung der Luftfahrt hatte man eine neue "Inspektion für
Militär-Luft- und Kraftfahrwesen" geschaffen und diese der
"Generalinspektion des Militär-Verkehrswesens" unterstellt. Wohl zerlegte
man zweckmäßig die Luftfahrt jetzt in ihre beiden Hauptbestandteile,
Flieger und Luftschiffer. Aber die folgerichtige Trennung von der Inspektion des
Luft- und Kraftfahrwesens, überhaupt von den Verkehrstruppen, erfolgte
nicht. Die zum Vorstoß weit über die Front bestimmte
Aufklärungswaffe blieb an Verbände gekettet, die als
Nachrichten- und Versorgungsorgane im
Operations- und Etappengebiet eingesetzt, grundverschiedene
Entwicklungs- und Lebensbedingungen haben mußten.
Selbst Beweisführungen eines Mannes wie Ludendorff, der auf einen
sachgemäßen Ausbau der neuen wichtigen Waffe drängte und
schon 1912 die Trennung des Luftfahrt- vom Verkehrswesen auf schärfste
forderte, blieben erfolglos; ebenso die gleichen Bemühungen des
neuernannten Inspekteurs v. Eberhardt.
Beim Ausbau der Fliegertruppe, um den sich Oberst Ludendorff besonders
verdient machte, traten sich früh entgegengesetzte Ansichten des
Generalstabs und des Kriegsministeriums gegenüber. Praktische Versuche
und theoretische Überlegungen hatten den Generalstab überzeugt,
daß das Flugzeug mit allen Mitteln, selbst auf Kosten der bisher so
erfolgreichen Lenkluftschiffe, zu fördern sei. Dagegen vertrat das
Kriegsministerium die Ansicht, das Lenkluftschiff könne in der
strategischen Aufklärung nie durch das Flugzeug verdrängt werden.
Darunter litt der Ausbau der Truppe, zumal die vom Generalstab und der
Inspektion der Fliegertruppen geforderten Gelder vom Kriegsministerium dem
Reichstage gegenüber nicht überzeugt genug vertreten wurden. Bis
Anfang 1912 waren nur die Stationen Döberitz, Metz und Straßburg
ausgebaut, zwei weitere wurden gegen Jahresende in Köln und Darmstadt
errichtet. Die Forderung des Generalstabs, beide Stationen an die
gefährdete Westgrenze zu legen, blieb unberücksichtigt.
Unklarheit über den militärischen Wert des Flugzeuges hatte einen
festen Organisationsplan noch nicht reifen lassen. So ist es auch zu
erklären, daß die neuen Stationen aus Sparsamkeit nicht auf eigene
Flughäfen, sondern auf Truppenübungsplätze gelegt wurden.
Gegensätzliche Anschauungen wirkten dort auf die Entwicklung der jungen
Waffe hemmend. Erst Unfälle und hohe Kosten durch Bruchschäden
überwanden solche Kurzsicht. Durch stetig steigende
Übungs- und Überlandflüge wurden die wenigen Besatzungen
bald so geschult, daß ihre erfolgreiche Teilnahme an
Truppenübungen gewährleistet schien. Des Prinzen Heinrich sei als
besonderen Förderers des Flugwesens dankbar gedacht. 1911 beteiligte sich
die junge Fliegertruppe zum ersten Male an dem Kaisermanöver. Der
Erfolg war, durch ein glänzendes Wetter begünstigt, geradezu
überwältigend. Auch die Überlegenheit über das
Luftschiff für die strategische Aufklärung hatte sich angedeutet. So
erfreulich diese Ergebnisse auch waren, haben sie doch geschadet. Denn [534] die
Leistungsfähigkeit wurde gefährlich überschätzt,
obgleich die Fliegeroffiziere selbst davor warnten.
Mit der Nationalflugspende, der neuen Wehrvorlage und der Trennung von den
Luftschiffern und Kraftfahrern ging es in den nächsten beiden Jahren mit
dem Ausbau und der Entwicklung der Fliegertruppe rasch vorwärts. Bis
Ende 1913 waren 11 Stationen - jetzt auch im Osten und der Mitte des
Reichs - nahezu fertiggestellt. Aber die Zahl entsprach den
Wünschen des Generalstabs nicht. Nach der Wehrvorlage wollte man
zunächst jedem Armeekorps so bald wie möglich eine Fliegerstation
geben; später sollte die Zuteilung je einer an jede Division, also der Ausbau
von 44 (und einschließlich besonderer Versuchsstationen rund 50) Stationen
erfolgen. Die Zahl ist aber selbst während des Krieges nie erreicht
worden.
Flugabwehr. Die Entwicklung der Flugabwehr steht zu der der Luftfahrt
in engster Wechselwirkung. Trotzdem fand der Gedanke der Zusammenlegung
dieser Organe im Frieden keinen Glauben. Ende 1905 wurde bekannt, daß
Frankreich eine Verwendung von Lenkluftschiffen im Ernstfalle plane. Die Frage
der Bekämpfung von Luftfahrzeugen gewann daher erhöhte
Bedeutung. Schon die ersten theoretischen Erwägungen erschlossen
völliges Neuland. Klar schien von vornherein, daß artilleristische
Bekämpfung wirksamer bleiben müßte, als solche durch
Infanteriefeuer; besonders geeignet erschien die
10-cm-Kanone 04 und die leichte Feldhaubitze, da beide ohne weitere
Vorbereitungen die notwendige Erhöhung zum Schuß nehmen
konnten. Die im Durchschnitt bis 1914 von den Luftschiffen erreichte Höhe
überschritt 1200 m kaum. So erklärt sich, daß die leichte
Feldhaubitze trotz unzureichender ballistischer Leistungen als Flugabwehrmittel
beibehalten wurde.
Im übrigen konnten nur praktische Versuche neue Wege weisen. Die
knappen Mittel des Heeresetats blieben ein starker Hemmschuh;
Schießversuche stellten sich als besonders schwierig heraus; sie
mußten der kleinen Landschießplätze wegen an der Küste
abgehalten werden. - Frühzeitig griff die Privatindustrie
fördernd ein. Krupp und die Rheinische
Metallwaren- und Maschinenfabrik (Rheinmetall) stellten 1910 bereits gut
durchkonstruierte Spezialgeschütze, "Ballonabwehrkanonen", leihweise mit
bestem Erfolge zur Verfügung. Im Hinblick auf die rasch fortschreitende
Entwicklung des Flugzeugwesens war das dankbar zu
begrüßen. 1911 konnte bei beiden Firmen je eine
7,7-cm-Ballonabwehrkanone auf Kraftwagen in Auftrag gegeben werden; 1912
gelang es, sie auf Räderlafette zu setzen. Nebenher liefen Versuche mit
Schußwaffen der Infanterie und Kavallerie. Man erhoffte durch
Massengewehrfeuer und durch Maschinengewehre Wirkung besonders gegen die
damals noch verhältnismäßig tief fliegenden Flugzeuge.
Auch bei der Marine fanden die Flugabwehrwaffen bald Verwendung. Da hier nur
ortsfester Einbau in Frage kam, konnte man das Hauptgewicht auf große
ballistische Leistung und größeres Kaliber legen. Die
8,8-cm-Schiffs- [535] kanone in Pivotlafette
trat in den Vordergrund. Sie bewährte sich durch ihre große
Anfangsgeschwindigkeit und 70 Grad Erhöhungsmöglichkeit
auch im Kriege besonders als Ballonabwehrkanone.
Außerordentliche Schwierigkeiten bot die auch heute noch nicht
gelöste Zieldarstellung. Wünschenswert ist und bleibt ein mit eigener
Kraft freifliegendes unbemanntes Flugzeugmodell. Da es fehlte, litt das
Scharfschießen unter falschen Schlüssen und erweckte Hoffnungen,
die die rauhe Wirklichkeit des Krieges zerstörte. Die hohen Kosten und die
geringe Zahl verfügbarer Flugzeuge ließen damals deren Einsatz
für Ziel- und Richtübungen nur sehr selten zu. Die Vereinigung
beider Waffen in einer Hand hätte diese Schwierigkeit sicherlich behoben.
Allmählich entstanden besondere Schießverfahren, Sondergeschosse,
neue Meßgeräte, aber bei der Ungeklärtheit aller
Verhältnisse blieben sie ohne Erfolg.
Zum Schutze der Heimat gegen Angriffe aus der Luft standen besondere
Mittel bis Kriegsbeginn nicht zur Verfügung. Gegen nächtliche
Angriffe erhoffte man mittel- und unmittelbare Abwehrwirkung durch starke
Scheinwerfer.
Wetterdienst. Mit der Erstarkung des Luftfahrwesens wuchs die
Bedeutung der Wetterdienstorganisation zwangsläufig. Bisher war man auf
die Nachrichten der öffentlichen Wetterstellen angewiesen. Trotz ihrer
Gründlichkeit genügten sie der Luftfahrt nicht, weil sie meist zu
spät eintrafen. Besonderes Verdienst um ihren zweckentsprechenden
Ausbau hatten sich die Deutsche Luftschiffahrtsaktiengesellschaft (Delag) und der
Luftschiffbau Zeppelin erworben.
An deren Organisation schloß sich das
Luftschifferbataillon Nr. 3 in Köln im Sommer 1912 an.
Ergänzt wurden die Nachrichten der Wetterstellen durch den mit staatlicher
Unterstützung organisierten privaten "Warnungsdienst für
Luftfahrer", dessen Zentralen in Lindenberg und Frankfurt a. M.
eingerichtet waren. Von ihren über ganz Deutschland verteilten
Unterstellen erhielten sie telegraphisch und funkentelegraphisch
Windmeßergebnisse. Außerdem liefen von 600 Postämtern des
Reiches Gewitterwarnungen ein. So konnte man die Luftfahrer vor und zum Teil
auch funkentelegraphisch während ihrer Fahrten über Ausdehnung,
Geschwindigkeit, Richtung von Unwettern aller Art und über
Windverhältnisse rechtzeitig unterrichten. Ende 1912 entschloß sich
die Generalinspektion des Militärverkehrswesens, einen eigenen
militärischen Wetterdienst zu organisieren und die meteorologische
Ausbildung der Offiziere und Mannschaften durch besonders verpflichtete
Fachleute selbst in die Hand zu nehmen.
1913 wurden drei Zentralstellen eingerichtet. Berlin für das Heer,
Johannisthal für die Marine, Frankfurt für Westdeutschland. Bei der
Heereszentralstelle Berlin liefen die Nachrichten aller als
Militär-Wetterstationen eingerichteten Luftschiffhäfen (bis 1913
Berlin, Metz, Straßburg, Köln, Königsberg), Fliegerstationen
(Darmstadt, Köln, Metz, Straßburg, Döberitz, Posen) und
besonderen Übungskommandos, wie z. B.
Baden-Oos und Gotha, zusammen. Die Marinezentrale [536] in Johannisthal
stützte sich auf die Hamburger Seewarte, das Observatorium Lindenberg
sowie eine Reihe von Windmeßstationen, die Zentrale für
Westdeutschland, Frankfurt a. M., auf die bisherigen Unterstellen
der Delag. Durch eine außerordentlich sorgfältige Regelung des
Betriebs, dessen Ergebnis zur Aufstellung einer sogenannten Wetterkarte
verwertet wurde, und Übermittlung durch telegraphischen Schlüssel
befanden sich alle militärischen und zivilen Wetterstellen gegen
9 Uhr Vorm. im Besitz einer allgemeinen Wetterkarte für das Reich,
die für Fernfahrten der Luftschiffe die notwendigen Unterlagen bot.
Die Luftkampfwaffen im Ausland.
Frankreich. Die Feindstaaten waren Deutschland in der
Gesamtentwicklung aller die Luftfahrt betreffenden Dienstzweige zunächst
stark überlegen. Bereits 1792 wurde von Frankreich in
Chalais-Meudun eine (später verschwundene) "Ecole nationale
aérostatique" gegründet und zwei Luftschifferkompagnien
aufgestellt. 1870 organisierte es einen regelmäßigen Postverkehr aus
dem belagerten Paris nach der Außenwelt. Etwa 65 Ballone
beförderten über 170 Personen mit reichlicher Post
(10 000 kg) und viele Brieftauben aus der Festung.
Fesselballone fehlten noch. Erst dem Kapitän Renard gelang in den
siebziger Jahren die Konstruktion brauchbaren Luftschiffergeräts und 1884
die Erbauung des ersten Lenkluftschiffes "La France". 1886 folgte die
Gründung des Zentraletablissements für Militärluftschiffahrt
und die Aufstellung von vier Luftschifferkompagnien mit Parks, sowie die
Ausrüstung der Grenzfestungen mit entsprechendem Gerät.
Angegliedert wurden die Formationen zunächst den
Genie-Regimentern. Die Weiterentwicklung der Lenkluftschiffe vollzog sich
rasch. 1912 befanden sich 10 Prall-Schiffe im Dienst, wenn auch
beschränkten Wertes.
Die Genie-Direktion des Kriegsministeriums nahm sich auch rechtzeitig der
Ausbildung des Flugwesens an. Die letzten Zweifel zerstreuten die Erfolge der
Flugwoche von Reims im Jahre 1909, die zum Ankauf der ersten
Militärflugzeuge führten.
Der durch den Autosport hochentwickelte Motorenbau, die Erfolge der Wrights,
Farman und Delagrange hatten Industrie und Hochfinanz schnell für den
neuen Sport gewonnen. So fand die Heeresverwaltung tatkräftige
Unterstützung bei den Flugzeugfabriken, die sich verpflichteten, für
jedes abgenommene Flugzeug mindestens einen Flugzeugführer
auszubilden.
Die Organisation des Flugwesens zeigt eine erstaunlich schnelle Entfaltung. 1910
erfolgte die Gründung des "Service militaire de l'aviation", die
Errichtung einer militärischen Fliegerschule, die Trennung vom
Genie-Wesen und die Gründung einer selbständigen Inspektion
für Militär-Luftfahrt unter dem General Rocques, Flieger und
Luftschiffer zusammenfassend. Im gleichen Jahr gelang der erste
größere Versuch, Flugzeuge im Truppendienst zu verwenden. Schon
bald nahmen die Flieger an allen Truppen- und Schießübungen teil.
Von [537] stärkster
Bedeutung war das Schießen mit Fliegerbeobachtung am 20. April 1911
von der Cote de froide terre bei Verdun gegen verdeckte Ziele mit
Steilfeuerbatterien. Die Ergebnisse müssen erstaunlich gewesen sein. Der
die Übungen leitende Kommandierende General des I. Armeekorps
kennzeichnete das Ergebnis:
"Meine Herren, denken Sie an diesen
Tag! Er bezeichnet den größten Fortschritt, der seit langem in der
Feuertechnik der Artillerie vorgekommen ist."
|
Und sie haben 1914 daran gedacht, indes in Deutschland noch am Kriegsende
dieser Gedanke nicht Allgemeingut der Artillerie geworden war. Man plante
bereits 1911 Zuteilung besonderer Artillerieflieger-Abteilungen an die Artillerie;
im deutschen Heere gelang es erst 1916 mühsam.
In großzügiger Weise beeinflußte General Hirschauer nach
Übernahme der Inspektion die Ausbildungs-,
Ergänzungs- und Einsatzfragen der Fliegertruppe. Ihm, der den Kampf von
Flugzeug gegen Flugzeug voraussah, fallen die entscheidenden Maßnahmen
zu, das Flugzeug hierfür ausgerüstet zu haben. 1911 wurden bereits
die ersten Maschinengewehre in einem Farman-Flugzeug erprobt. Gleichzeitig
machte man Versuche mit funkentelegraphischem Gerät und erzielte
Reichweiten bis zu 30 km. Und bei den großen
Schießübungen vor Verdun brachte Kapitän Lebon,
Beobachter und Erfinder eines Photogeräts, schon einwandfreie senkrechte
Bildaufnahmen verdeckt stehender feuernder Batterien. Zahlreiche
Artillerieoffiziere wurden als Beobachter ausgebildet, und Generalstäbler
hatten bei Anwesenheit größerer Truppenkörper besondere
Lufterkundungsaufgaben zu lösen. 1912 leitete der Inspekteur der
Feldartillerie, General Schabelein, selbst ein Schießen vom Flugzeug aus.
Diese persönliche Teilnahme auch der höchsten Offiziere kam dem
Verständnis für die neue "fünfte Waffe" und damit dem
Zusammenwirken zwischen Flieger und Truppe zugute.
Ein Nachlassen der französischen Anstrengungen, den überlegenen
Vorrang zu halten, machte sich aus verschiedenen Gründen seit Anfang
1914 fühlbar. Indes zeigt die umseitig folgende Übersicht
eine wesentliche Überlegenheit des französischen Flugwesens
über das deutsche der Vorkriegszeit. [Scriptorium
merkt an: der besseren Übersicht halber fügen wir diese Tabelle
hier gleich nachfolgend ein:]
[Tabelle
von S. 538:]
Übersicht über die Entwicklung des Flugwesens in Frankreich und
Deutschland. |
Frankreich |
|
Deutschland |
Jahr |
Geld-
mittel in
Millionen |
Flug-
zeuge |
Flug-
zeug-
führer |
Beob-
achter |
Sta-
tionen |
Geld-
mittel in
Millionen |
Flug-
zeuge |
Flug-
zeug-
führer |
Beob-
achter |
Sta-
tionen |
|
1909 |
0,24 |
5 |
10 |
? |
— |
0,036 |
— |
— |
— |
— |
|
19106 |
2,6 |
60 |
40 |
? |
— |
0,3 |
5
Jahresende |
8 |
0 |
— |
|
1911 |
9,7 |
170 |
100 |
? |
— |
1,3
?
0,5 |
30 |
25 |
18 |
3
Jahresende |
|
1912 |
12,0
mit Nach-
tragsetat
von 13 |
334 |
240 |
210 |
— |
4,8 |
72 |
501 |
76 |
7 |
|
1913 |
? |
600 |
2603
dazu 200
Schüler |
? |
244
Europa
4
Afrika |
? |
122
|
150 |
166 |
9 |
|
1. IV.
1914 |
? |
über
600 |
300 |
? |
— |
? |
über
2002 |
254 |
250 |
125 |
|
1Darunter zehn
Zivil-Piloten
2Außerdem etwa die gleiche Zahl als
"Übungsgarnitur". Jedoch wurde die für die 41 mobilen
Formationen erforderliche Zahl von 230 Flugzeugen August 1914 nicht erreicht.
Die Parks
konnten erst im Laufe des Monats August teilweise bedacht werden.
3100 Zivil-Piloten.
4Zusammengefaßt in drei Militärbezirke.
5Davon eine erst Ende 1914 fertig; dazu trat eine bayrische
Station.
6Fabriken 1910: in Frankreich: 8 größere, 12 kleinere
Flugzeugfabriken, 13 Motorenfabriken; in
Deutschland: Flugzeugfabriken: 7, davon 4 kleinere, Motorenfabriken 3 (Benz,
Daimler, Argus). |
|
Rußland. Weniger zu fürchten waren die
Luftrüstungen der anderen voraussichtlichen Feinde. Die in Rußland
bestehenden Drachenballonabteilungen waren nach deutschem Muster aufgestellt.
Auch einige Lenkluftschiffe waren vorhanden. Zumeist waren es
ausländische Fabrikate, zum Teil deutsche
Parseval-Lenkluftschiffe. Indes war ihr militärischer Wert nur bedingt.
Besser war es um das Flugwesen bestellt. Allerdings wurde der Flugdienst bis
zum Kriegsbeginn mehr sportlich als im Sinne eines militärischen
Dienstzweiges betrieben. Im Flugzeug- und Motorenbau hing man fast
völlig vom Auslande ab. Französische Erzeugnisse wurden
bevorzugt. Die eigene Luftfahrtindustrie war nur ganz schwach entwickelt. Erst
mit den Erfolgen Sikorskis trat eine Besserung ein. Ob man im russischen
Generalstabe dem Flugzeug im [538] Truppendienst und der
höheren Führung die rechte Bedeutung zumaß, scheint
ungewiß. Doch tauchte schon 1913 der Gedanke auf,
Spezial-Abteilungen für die Artillerie und die Heereskavalleriekörper
aufzustellen.
England. Ernster waren die englischen Versuche. 1903 verfügte
die Heimattruppe über eine mit Kugelballonen ausgerüstete
Luftschifferabteilung; später erfolgte ihr Ersatz durch Drachenballone, die
bereits in der Kolonialtruppe in beschränktem Umfange erfolgreiche
Verwendung gefunden hatten (350 cbm Fassung, Goldschlägerhaut,
200 bis 300 m Steighöhe). Auch mit Kastendrachen
beschäftigte man sich eifrig. Ein Umschwung trat ein, als die Erfolge des
deutschen Lenkluftschiffbaues, namentlich der Zeppelin-Werke,
die Invasionsfurcht reifen ließen. [539] Das Parlament begann
jetzt scharf auf die Regierung zu drücken. Wachsende Besorgnis
führte 1909 zur Bestellung des ersten Lenkluftschiffes in Frankreich. Die
weitere Entwicklung brachte den Bau kleiner, leicht transportabler Lenkluftschiffe
für das Landheer und größerer, starren Systems für die
Marine.
|
Nach Einführung der ersten Wright-Maschinen nahm der Flugsport
zunächst einen schnellen Aufschwung. Die Militärverwaltung
errichtete 1912 ein Luftdepartement im Kriegsministerium. Es entstand die erste
staatliche Luftwerft in Farnborough. Nach ihrer Gründung trat auch die
englische Industrie mit guten Erfolgen in den allgemeinen Konkurrenzkampf ein.
Bristol und Sopwith brachten bald sehr brauchbare Konstruktionen heraus, die die
Grundlage zu ihren Erfolgen im Kriege wurden. 1913 ging die Regierung zur
Bildung des "Royal Flying Corps" über. Am Manöver 1912 nahmen
bereits 10, 1913 schon 39 Flugzeuge teil. Auf Wind, Wetter und Tageszeit wurde,
im Gegensatz zu den Manövern in Frankreich und Deutschland, keine
Rücksicht genommen. Die strategische Aufklärung war gut, die
taktische versagte. - Der Etat für 1913/14 belief sich auf
24 Millionen Mark (wie Frankreich im Jahre 1912/13). Das Royal Flying
Corps war schon 1913/14 an Stärke, Ausrüstung und Leistung den
Fliegerwaffen der anderen Großmächte gleichwertig. Englischer
Sportsgeist zog eine prächtige, zähe Kämpferschar
groß.
Belgien. Auch Belgien stand nicht wesentlich hinter den anderen Staaten
zurück. 1912 bestanden militärische Fliegerstationen in Antwerpen
(Brasschaet), Mons, Namur und Brüssel. Trotz Anfängen einer
eigenen Flugzeugindustrie herrschten französische
Fabrikate - besonders Farman-Doppeldecker - vor. In einer
Fliegerkompagnie waren zusammengefaßt 6 Geschwader zu je 4
Flugzeugen, so daß jede der 6 Friedensdivisionen über ein
Geschwader verfügte. Das Flugwesen war fest organisiert und gut
entwickelt.
Vereinigte Staaten. Die Nachrichten über das amerikanische
Luftfahrwesen sind gering. Man kann annehmen, daß es auf gleicher
Höhe mit den anderen Staaten war, namentlich im Flugwesen. Lag doch die
eigentliche Wiege des mit Motor ausgerüsteten Flugzeugs in Amerika.
Schon 1911 leistete das Fliegerkorps in den mexikanischen Wirren gute Dienste
in Erkundungsflügen. Der Luftschiffahrt gegenüber verhielt man sich
sehr zurückhaltend.
Die Bundesgenossen. In den zum Dreibund gehörigen Staaten
hatte Italien einen Vorsprung durch seine Kriegserfahrungen. Am tripolitanischen
Kriege hatten 20 bis 30 Flugzeuge teilgenommen. Die Reiterei war weder
hinsichtlich Zahl noch Ausrüstung dem schweren Wüstendienst
gewachsen. So bot sich den Fliegern ein weites Tätigkeitsfeld. Trotz
schwacher, meist nur 50pferdiger Motore wurde auch bei ungünstigem
Wetter und bei Nacht geflogen. Die Erfolge waren indes unbedeutend, da dem
Einsitzer der Beobachter fehlte, und deshalb die Erkundung nicht voll befriedigen
konnte. Batteriestellungen waren im Oasengelände besonders schwer zu
finden. Bombenwurf hatte wohl nur [540] moralischen Erfolg.
Gewehrfeuer zwang bald, von der anfänglich 300 m üblichen
Höhe auf 800 und 1000 m Höhe zu steigen. Schon nach
diesem ersten Kriegsversuch plante man die Panzerung von Flugzeugen. Es
erscheint seltsam, daß man aus diesen Kriegserfahrungen an anderen Stellen
nicht die notwendigen Folgerungen zog. Italien erkannte jedenfalls
frühzeitig die Notwendigkeit dieser jüngsten Waffe und schuf
für jedes der zwölf Armeekorps bis Frühjahr 1913 ein
Geschwader zu 7 Flugzeugen. Trotzdem gelangte die italienische
Flugzeugindustrie erst durch die Nationalflugspende 1912 zu einem gewissen
Aufschwung. An Stelle ausländischer Fabrikate begann man jetzt mit dem
Bau eigener Konstruktionen, unter denen Caproni bald eine führende Stelle
einnahm.
In Österreich entstand 1911 aus den vier Offizierpiloten, darunter
General Schleger, der Stamm der künftigen Fliegertruppe. Frühzeitig
verfügte die Doppelmonarchie über eigene Erzeugnisse.
Bemerkenswert bleibt, daß in der österreichischen Fliegertruppe die
Beobachter schon vom Jahre 1913 ab hinter dem Führer saßen;
Beobachtungs- und Kampftätigkeit waren dadurch wesentlich erleichtert.
Diese Umstellung - als dringendes Bedürfnis erkannt und von der
Truppe gefordert - gelangte erst Anfang 1915 bei der deutschen
Fliegertruppe zur Durchführung.
Die bei Kriegsbeginn bestehenden acht Fliegerabteilungen sollten "Flugparks" zu
6 Flugzeugen aufstellen, die vielleicht mit den späteren
k. u. k. Fliegerkompagnien identisch sind. Sie entsprachen etwa der
deutschen Feldfliegerabteilung. Da Anfang 1914 erst 60 bis 70 Flugzeuge
vorhanden waren, genügte die Zahl der aufzustellenden Formationen nicht
den dringendsten Bedürfnissen. Hoher Wert wurde bei dem Charakter des
Landes und der fraglichen Kriegsschauplätze auf die Entwicklung eines
Gebirgsflugzeuges gelegt. In einem Lohner-Pfeildoppeldecker bei nur 30 m
Start scheint das gelungen zu sein. Die Flugzeugindustrie kam indes zu keiner
vollen Entfaltung; Österreich-Ungarn war auch während des Krieges
in steigendem Maße auf deutsche Lieferungen angewiesen.
In Bulgarien und der Türkei fehlte eine
planmäßige Organisation des Luftfahrtwesens vollkommen. Seine
Bedeutung hatte man zwar in den Balkankriegen von 1912/13 kennen gelernt. Auf
türkischer wie bulgarischer Seite waren einzelne Flieger für hohe
Summen verpflichtet worden, meist Russen, Franzosen und Schweizer. Mangel an
geschulten Beobachtern und gutem Kartenmaterial sowie die
Unmöglichkeit, Reparaturen auszuführen, waren die Ursache
völlig unzureichender Ergebnisse. - Nach jenem Kriege planten die
Bulgaren die Errichtung einer eigenen Fliegerschule. Die Finanznot mag sie
verhindert haben. Freiwillige Offiziere und Zivilisten, in Paris in geringem
Umfange ausgebildet, bildeten den Stamm der 1915/16 aufgestellten bulgarischen
Flieger-Abteilungen. Flugzeug- und Motorenindustrie fehlte völlig.
Ähnlich lagen die Verhältnisse in der Türkei.
[541] Deutsches und
feindliches Marineflugwesen und feindliche Flugabwehr.
Deutschland. Alle Staaten, die über eine Kriegsmarine
verfügten, waren sich über die Bedeutung der Luftaufklärung
zur See völlig klar. Mit den ersten Flugversuchen des Landheeres setzten
daher auch die der deutschen Marine ein. Man war anfänglich von der
überragenden Bedeutung der Luftschiffe so überzeugt, daß die
Fliegerei, mit Personal, Material und Geld nur ungenügend
unterstützt, zunächst mehr als ein rein sportliches Unternehmen galt.
Erst Erfolge des Auslandes führten in Deutschland zu ernsteren
Anstrengungen.
Hinderlich war, daß eine einheitliche, unparteiisch die Interessen des
Landheeres und der Marine abwägende Zentralstelle fehlte. Ferner,
daß die heimische Flugzeugindustrie, durch ihre Lage im Binnenlande dem
Seewesen fremd, das Seeflugzeug erst aus dem Landflugzeug heraus entwickelte.
Das Reichs-Marine-Amt faßte 1911 das gesamte Marineflugwesen in einer
Marineflieger-Abteilung in Putzig bei Danzig zusammen. Weitere
Seeflugstationen entstanden in Kiel, Helgoland und Wilhelmshaven.
Die wesentlichste Frage war die der Seefähigkeit, da bei großen
Aufklärungsflügen in der Nordsee mit Notlandungen auf bewegter
See zu rechnen war. Flugboot oder Doppelschwimmerrumpfflugzeug standen sich
gegenüber. Das Flugboot herrschte im Auslande, namentlich dem
führenden England, vor. Von dort hatte man, ebenso wie in Amerika,
Seeflugzeuge gekauft, um über die ersten Mißerfolge des eigenen
Baues schneller hinwegzukommen. Mehrere dieser Typen sind für die
Entwicklung des deutschen Seeflugzeugbaues grundlegend gewesen.
Die Werke Friedrichshafen, wohl weil sie den Bodensee zu ihren Versuchen zur
Verfügung hatten, waren und blieben bahnbrechend. Die Frage, Flugboot
oder Doppelschwimmer, wurde in Übereinstimmung mit dem gesamten
jungen Seefliegerkorps zugunsten des Doppelschwimmers entschieden. Auch die
Motorenfrage wurde bald gelöst. Gegenüber dem zuerst bevorzugten
leichteren Rotationsmotor trat der Standmotor in den Vordergrund. Seiner
Zuverlässigkeit, namentlich dem bewährten 120pferdigen Mercedes,
ist es nach Ansicht der Marineflieger zu danken, "daß nicht schon in den
ersten Kriegswochen das schwache Seefliegeroffizierskorps ausgerottet
wurde".1 Mit 20 fertig ausgebildeten
Flugzeugführern trat die Marineflieger-Abteilung, völlig
unzureichend an Zahl, in den Krieg. Beobachter fehlten. Für die
Zusammenarbeit mit der Hochseeflotte standen in Helgoland nur 6, für die
Überwachung der Ostseestraßen zunächst nur 3
kriegsbrauchbare Flugzeuge zur Verfügung. Alles war noch in erster
Entwicklung.
Die Gegner standen günstiger. Hauptfeind blieb auch im
Seefliegerkrieg England. Rußland hing ab. Frankreich hatte bis 1910 keine
wesentlichen Erfolge [542] im Seeflugwesen zu
verzeichnen. Aber unter Einsatz erheblicher Geldmittel überflügelte
man Deutschland - ohne daß während des Krieges das
französische Seeflugwesen ernstlich in Erscheinung getreten ist.
Dagegen hatte England einen großen Vorsprung, den es großenteils
dem als Flugzeugführer ausgebildeten Marineminister Winston Churchill
dankt. Anderseits beruhte die günstige Entwicklung des Seeflugwesens auf
der einheitlichen Zusammenfassung des gesamten Luftfahrtwesens im Royal
Flying Corps. Das in Farnborough stationierte Hauptquartier mit der Inspektion
vereinigte in sich die Armee- und Marine-Abteilung. Diese verfügte Ende
1913 bereits über 4 Flugzeuggeschwader. Außerdem waren zum
Schutze der Küste weitere 11 Wasserflugzeugstationen mit je 10
Flugzeugen errichtet. Über 100 ausgebildete Führer standen den
Küstenstationen zur Verfügung. 1913 verfügte die
Marine-Abteilung über 184 fertige Seeflugzeugführer, 114 waren in
Ausbildung. Andere Formationen waren der Kriegsflotte unmittelbar angegliedert,
die bereits 1913 zwei besondere Flugzeugmutterschiffe besaß. Wie in
Frankreich bei Landflugzeugen, war man in England frühzeitig zu einer
starken Bewaffnung der Seeflugzeuge gelangt und hatte schon 1913 erfolgreiche
Versuche mit eingebauten Lewis-Maschinengewehren zu verzeichnen.
Feindliche Flugabwehr. Mit der wachsenden Bedeutung der Luftfahrt
waren in allen Staaten Versuche mit Abwehrmaßnahmen Hand in Hand
gegangen. Italien und Rußland griffen zum Teil auf deutsche Erzeugnisse
zurück (Krupp - Rheinmetall). Frankreich führte. Das
75-mm-Feldgeschütz schien besonders geeignet. Durch Aufbau seines
Geschützrohres auf Kraftwagen schuf man, ähnlich wie in
Deutschland, ein besonderes Geschütz zur Bekämpfung von
Luftfahrzeugen. Nach dem 1914 angenommenen Heeresergänzungsetat
sollten ein oder mehrere Kraftwagengeschützzüge einigen
Feldartillerie-Regimentern zugeteilt werden. Aus anderen Staaten liegen Berichte
nicht vor. Allgemein aber dürfte in der Flugabwehr kaum an einer Stelle
eine nennenswerte Überlegenheit bestanden haben.
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