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Bd. 3: Der deutsche Landkrieg, Dritter Teil:
Vom Winter 1916/17 bis zum Kriegsende

Kapitel 7: Der Krieg im Osten 1917/18   (Forts.)
Oberstleutnant Hans Garcke

10. Die Besetzung der Ukraine und der baltischen Provinzen.13

In der Ukraine hatte sich eine bolschewistische Gegenregierung gebildet, die Verhandlungen mit den Mittelmächten anstrebte. Da diese mit der Zentral-Rada Frieden geschlossen hatten und mit ihr verbündet waren, wurde nicht darauf eingegangen. Der Vormarsch wurde über Kiew hinaus fortgesetzt; die Rada konnte am 7. März dorthin übersiedeln.

Österreichisch-ungarische, durch deutsche Bataillone verstärkte Truppen gingen von Zmerinka längs der Bahn gegen Odessa vor. Es kam zu harten Kämpfen mit Streitkräften des Generals Murawiew, der die bolschewistischen Truppen in Bessarabien und in der Ukraine zusammengefaßt hatte und gleichzeitig gegen die Mittelmächte, gegen die Rada und gegen die Rumänen Krieg führte.

Zur Unterstützung der Operationen auf Odessa wurde es notwendig, Truppen der 9. Armee durch die Moldau rücken zu lassen. Als die Verhandlungen hierüber von den Rumänen verschleppt zu werden drohten, wurde ihnen der Waffen- [335] stillstand gekündigt, und sofort wurde der Zweck erreicht. Am 5. März wurde der vorläufige Vertrag von Buftea unterzeichnet und der Waffenstillstand dadurch verlängert. Dem Vertrage gemäß begann am 8. März die Durchfahrt deutscher Truppen unter Oberst Vogel auf Kraftwagen durch die Moldau über Bendery in Richtung Odessa, sowie gleichzeitig die Räumung der noch von den Rumänen besetzten Teile Österreich-Ungarns. In Bessarabien wurde demnächst eine Demarkationslinie bestimmt, die durch Mohilew am Dniester ging und die rumänischen von den k. u. k. Truppen trennen sollte.

Die Streitkräfte Murawiews wurden in harten Kämpfen geworfen. Am 13. März rückte Oberst Vogel von Westen, bald darauf die Verbündeten von Nordwesten her in Odessa ein. Die Bolschewisten flüchteten auf Kriegsschiffen nach Sewastopol.

In der zweiten Hälfte des März wurden die Hafenstädte Nikolajew und Cherson genommen. In Nikolajew wurde ein Aufstand schnell und entschlossen unterdrückt. Cherson ging zeitweise an die Bolschewisten verloren, wurde aber am 5. April wiedergenommen.

Die Ereignisse der letzten Wochen machten eine Änderung der Befehlsverhältnisse an der gesamten Ostfront notwendig. Die Heeresgruppe Eichhorn wurde aufgelöst; die 8. Armee, Armee-Abteilung D und 10. Armee wurden unmittelbar dem Oberbefehlshabers Ost unterstellt.

Die ehemalige Heeresgruppe Linsingen wurde vom Feldmarschall v. Eichhorn übernommen, der sein Hauptquartier in Kiew nahm. Ihr fiel die militärische Verwaltung des größeren, nördlichen Teils der Ukraine und der Gouvernements Taurien und Krim zu.

Südlich an die Heeresgruppe Linsingen hatte zuletzt die selbständige k. u. k. 2. Armee angeschlossen und weiter südlich die Heeresgruppe Koeweß mit der k. u. k. 7. und 1. Armee. Diese Verbände wurden aufgelöst. Das 2. Armee-Kommando wurde nach Odessa verlegt und übernahm das Österreich-Ungarn zugesprochene Verwaltungsgebiet, das den südwestlichen Teil von Wolhynien und die Gouvernements Podolien, Cherson und Jekaterinoslaw umfaßte. Bessarabien, das sich von der Ukraine losgesagt hatte, fiel auf seinen Wunsch an Rumänien. Inmitten des österreichisch-ungarischen Gebiets stand Stadt und Hafen Nikolajew unter deutschem Oberbefehl.

Die Heeresgruppe Mackensen blieb bestehen. Zu ihr gehörten nach wie vor die 9. deutsche und die 3. bulgarische Armee. Außerdem unterstand ihr das Generalkommando 52 in Nikolajew.

Im Bereich der nunmehrigen Heeresgruppe Eichhorn wurden außer den beiden Verwaltungsgruppen Wolhynien und Kiew vier Gruppen für die Fortführung der Operationen gebildet: Das Generalkommando XXXXI. Reservekorps (General v. Gronau) übernahm die Sicherung nach Norden, während das Generalkommando I (General Gröner, später General Mengelbier) und die [336] Gruppe Knörzer nach Osten, das Generalkommando 52 (General Kosch) gegen Taurien und die Krim angesetzt wurden.

General Kosch sammelte seine Streitkräfte, die zum Teil von Constanza auf dem Wasserwege heranbefördert wurden, bei Borislaw und ging von dort über die Enge von Perekop vor, wo der Eingang in die Krim am 19. April erzwungen wurde. Am Tage vorher war auch Melitopol besetzt worden. Von hier aus wurde in südwestlicher Richtung über die Siwasch-Enge vorgegangen. Am 22. April fiel Simferopol in deutsche Hand. Heftiger Widerstand wurde nun aber noch geleistet von roten Truppen, die von Feodosia aus teils zu Fuß, teils auf Panzerzügen herankamen und die durch Matrosen der russischen Schwarzen-Meer-Flotte verstärkt waren. Nach deren Überwindung ging der deutsche Vormarsch planmäßig weiter. Am 1. Mai wurde Sewastopol und Jalta besetzt und im Hafen von Sewastopol der größte Teil der russischen Flotte genommen; nur zwei Großkampfschiffen und einigen Torpedoboten gelang es, nach Noworossijsk zu entkommen. Am 2. Mai fiel auch Kertsch in deutsche Hand; der Besitz der Krim war damit gesichert.

Korps Knörzer und I. Korps waren inzwischen weiter gegen die Ostgrenze der Ukraine vorgedrungen, um die Kohlenlager des Donez-Gebietes zu gewinnen. Am 1. Mai erreichte Knörzer Taganrog, eine Woche später Rostow am Don; das I. Korps hatte inzwischen Millerowo, nördlich davon, besetzt. Mit dem bei Nowo-Tscherkask im Kampfe mit Bolschewiken stehenden Kosaken-General Popow wurden freundschaftliche Beziehungen aufgenommen. Die Operationen im Osten waren damit im wesentlichen abgeschlossen; eine Demarkationslinie wurde verabredet. Im Norden hatte das XXXXI. Reservekorps schon vorher haltgemacht. Seine vordere Linie verlief über Bjelgorod - Sudza - Rylsk.

In der Ukraine hatten bisher auch polnische Verbände auf der Seite der Mittelmächte gestanden. Sie erwiesen sich als unzuverlässig und wurden daher entwaffnet. - Aus gefangenen russischen Soldaten ukrainischer Herkunft hatte man in Deutschland zwei Divisionen aufgestellt. Leider bewährten sich auch diese nicht. Sobald sie in ihre Heimat kamen, verfielen sie politisch radikalen Strömungen und mußten schließlich aufgelöst werden.

Die Leiter des ukrainischen Staatswesens hatten gleichfalls die Hoffnungen, die von deutscher Seite auf sie gesetzt waren, nicht gerechtfertigt. Sie waren weder imstande, geordnete Zustände im Lande zu schaffen noch die den Mittelmächten vertraglich zustehenden Getreidevorräte zu liefern. Eine Besserung trat ein, als am 29. April der energische Kosaken-Hetman Skoropadski die Regierung übernahm, aber auch er hatte nicht den genügenden Rückhalt im Volke.

Zur wirklichen Ruhe kam es bei der Heeresgruppe Eichhorn auch nach durchgeführter Besetzung der Ukraine und nach Schaffen von Demarkationslinien nicht. Im Verlaufe des Sommers waren noch heftige Kämpfe zu bestehen. Sie hatten ihren Ursprung darin, daß die Friedensverhandlungen zwischen der Ukraine und [337] Groß-Rußland sich ergebnislos hinschleppten und daß infolgedessen Unklarheiten über die Grenzen bestanden, ferner in der Unsicherheit, die durch die Reste der russischen Flotte im und am Asowschen Meere entstand und die zum Übersetzen deutscher Truppen von Kertsch nach der Taman-Halbinsel und zum Vorgehen auf Noworossijsk zwang, und schließlich in Aufständen im Innern des Landes, durch die Erfassung und Abbeförderung der für die Mittelmächte unentbehrlichen Getreidemengen erschwert wurden.14 Durch energische Maßnahmen wurde die Stellung Deutschlands in der Ukraine allmählich befestigt.

Südlich des Schwarzen Meeres hatten nach Kündigung des Waffenstillstands auch die Türken den Vormarsch begonnen. Bis Ende März hatten sie ihr Land von den Russen gesäubert, und im Lauf des April besetzten sie die Gebiete von Batum und Kars, die ihnen im Friedensvertrag zuerkannt waren. Von hier aus waren sie bemüht, weiteren Einfluß im Kaukasus zu gewinnen. Ihr Streben nach gewinnbringender Ausnutzung der dortigen Rohstoffe ging aber gegen das Interesse der deutschen Kriegswirtschaft und rief daher deutsche Gegenmaßnahmen hervor.

In Estland besetzten am Tage nach der Unterzeichnung des Friedens von Brest-Litowsk, also am 4. März, deutsche Truppen noch Narwa und einige Tage später die Insel Nargön bei Reval. Die baltischen Provinzen, die dem Deutschtum ihre Blüte verdankten, waren damit völlig in deutscher Hand.

Den deutschen Generalkommandos und Divisionen der 8. und 10. Armee und der Armee-Abteilung D wurden bestimmte Bezirke unterstellt, in denen die Besiedelung des Landes, die Herstellung geordneter Verhältnisse und die wirtschaftliche Ausnutzung durchgeführt wurden. Gegen Groß-Rußland wurde ein Grenzschutz gebildet. Kämpfe waren nur noch mit einzelnen in Estland und Livland zurückgebliebenen Bolschewisten-Banden zu bestehen.


13 [1/334]Hierzu ebenfalls Skizze Seite 290. ...zurück...

14 [1/337]Über Ausnutzung der besetzten Gebiete siehe Band [7], "Organisationen," Teil 2, Seite 41. ...zurück...


Der Weltkampf um Ehre und Recht.
Die Erforschung des Krieges in seiner wahren Begebenheit,
auf amtlichen Urkunden und Akten beruhend.
Hg. von Exzellenz Generalleutnant Max Schwarte