Bd. 3: Der deutsche Landkrieg, Dritter Teil:
Vom Winter 1916/17 bis zum Kriegsende
Kapitel 7: Der Krieg im
Osten 1917/18 (Forts.)
Oberstleutnant Hans Garcke
11. Die Kämpfe in
Finnland.15
In Finnland, das schon am 8. Dezember 1917 seine Selbständigkeit
erklärt hatte, war infolge der von Petersburg ständig
unterstützten bolschewistischen Treibereien Ende Januar ein blutiger
Bürgerkrieg ausgebrochen. Während der Süden in die
Hände der roten Garden kam, bildete sich im Norden eine weiße
Armee unter Führung des Generals v. Mannerheim, eines
Finnländers aus schwedischer Familie, der im russischen Heeresdienst
gestanden hatte.
Deutschland, von der rechtmäßigen finnischen Regierung wiederholt
dringend um Hilfe gebeten, sagte zu, zumal es darauf bedacht sein mußte,
seine Stellung im Osten weiter zu stärken und zu sichern. Im Februar hatte
es zunächst [338] das aus finnischen
Freiwilligen gebildete 27. Jäger-Bataillon, das bei Riga eingesetzt gewesen
war, mit Eisbrechern über den zugefrorenen Bottnischen Meerbusen nach
Vasa geschickt. Als Stützpunkt für die künftigen deutschen
Unternehmungen waren die Aalands-Inseln ausersehen. Nach diplomatischen
Verhandlungen mit Schweden, das zum Schutze seiner Staatsangehörigen
gegen den bolschewistischen Terror eine kleine Truppenabteilung dorthin gesandt
hatte, wurde Anfang März das verstärkte
Jäger-Bataillon 14 auf Eckerö gelandet.
Inzwischen sammelte sich in Danzig die "Ostsee-Division" unter General Graf
v. d. Goltz. Sie wurde aus einzelnen Stäben und Truppenteilen
zusammengesetzt, wie sie die Oberste Heeresleitung eben zur Verfügung
hatte und wie sie sich für den in Finnland zu erwartenden Kleinkrieg gegen
die freischärlerischen roten Truppen besonders eigneten. Divisionsstab war
der Stab der 12. Landwehr-Division. Als 95.
Reserve-Infanterie-Brigade wurden zwei
Jäger-Bataillone, Maschinengewehr-, Minenwerfer- und
Radfahr-Formationen, als 2. Garde-Kavallerie-Brigade drei
Kavallerie-Schützen-Regimenter mit Maschinengewehren und
Minenwerfern zusammengefaßt. Die Artillerie bestand aus einer
bayerischen Gebirgsabteilung und zwei schweren Batterien. Die
Gesamtstärke einschl. der Aalands-Truppen betrug Ende März 368
Offiziere, 9077 Mann, 3432 Pferde, 18 Geschütze, 10 Minenwerfer, 97
schwere und 68 leichte Maschinengewehre.
Als Ausladehäfen waren ursprünglich Raumo und Mäntyluoto,
an der Westküste Finnlands, in Aussicht genommen. Mit Rücksicht
auf die Eis- und Minenverhältnisse entschied man sich aber später
für Hangö.
Hier wurde, nachdem die Minensucher, durch Eisgang, Nebel und Sturm immer
wider behindert, in langwierigem, mühevollem Wirken die
Fahrstraße genügend freigelegt hatten, am 3. April 1918 gelandet. Die
feindlichen Batterien leisteten keinen Widerstand. Die Stadt wurde nach kurzem
Gefecht vom Feinde gesäubert. Wie in den baltischen Provinzen, so
begrüßte auch hier die Bevölkerung die deutschen
Befreiungstruppen freudig, überschüttete sie mit Blumen und feierte
die Landung durch Dankgottesdienst.
Die Absicht der Ostsee-Division war ursprünglich gewesen, zuerst mit den
feindlichen Hauptkräften abzurechnen, die um
Tavastehus - Tammerfors gemeldet waren und gegen die
Mannerheims Truppen von Norden her in breiter Front vorgingen. Mit
Rücksicht auf die bedrohlichen Nachrichten aus Helsingfors aber, wo
zahlreiche Weißgardisten gefangengehalten wurden und wo täglich
Waffen und Munition für die Roten aus Petersburg eintrafen, hatte die
Oberste Heeresleitung die Befreiung der finnländischen Hauptstadt als erste
Aufgabe gestellt.
Gemischte Aufklärungsabteilungen traten sofort nach der Landung den
Vormarsch von Hangö nach Nordosten an. Schon am Abend des 3. April
war Ekenäs in deutscher Hand, der Austritt der Division aus der dortigen
Landenge gesichert.
[339] Nach einem
siegreichen Gefecht an dem Knotenpunkt Karis, wo die Roten von drei Seiten her
mit den Bahnen Verstärkungen zusammengezogen hatten und wo auch ein
roter Panzerzug eingriff, marschierte die Division unbekümmert um den
mit der Masse auf Salo ausgewichenen Feind, über Kyrkslätt auf
Helsingfors. Schwache Sicherungsabteilungen, die durch weiße Garde
aufgefüllt wurden, behielten Karis und Ekenäs besetzt. Das
Jäger-Bataillon 14 wurde, nachdem die
Aalands-Inseln als Stützpunkt aufgegeben waren, nach Ekenäs
herangezogen und bildete nun eine Reserve im
Flanken- und Rückenschutz.
[339]
Skizze 20: Zu den Kämpfen in Finnland.
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Nach Kämpfen gegen feindliche Sperrtruppen und Panzerzüge an
den Seenengen gelangte die Division am 10. April nach Esbö und trat am
folgenden Morgen gegen die stark ausgebauten Stellungen von Helsingfors an.
Kurz vor Abschluß der Angriffsvorbereitungen erschienen feindliche
Parlamentäre. Graf v. d. Goltz forderte bedingungslose
Übergabe, sicherte den roten Führern für diesen Fall das Leben
zu und gab bis 4 Uhr nachmittags Bedenkzeit. Unmittelbar nach Ablauf der Frist
gingen Teile der Kavallerie-Brigade selbständig vor und fanden die erste
Hauptverteidigungsstellung frei vom Feinde, der, wie sich später
herausstellte, großenteils zur Volksversammlung abmarschiert war. Erst in
den Vorstädten von Helsingfors stieß die Division auf nachhaltigen
Widerstand. Am 12. April wurde der Feind in schweren
Fels- und Waldkämpfen bis an und in die eigentliche Stadt
zurückgedrängt. Verzweifelt suchte er sich jetzt zu wehren.
Maschinengewehre schossen von Dächern und aus Kellern. Frauen
nahmen, mit [340] Gewehren bewaffnet,
am Kampf teil. Die im Hafen eingefrorene russische Flotte verhielt sich auf Grund
eines Vertrages, der mit ihren Unterhändlern in Hangö abgeschlossen
war, neutral. Unter Mitwirkung des deutschen Geschwaders kamen bis zum
Abend des 13. April Stadt und Festung vollständig in deutschen Besitz.
Ersatztruppen, die der Feind von Norden herangeführt hatte, wurden
verlustreich abgewiesen.
Nachdem am folgenden Tage feierlicher Einzug und Empfang durch die
Behörden stattgefunden hatte, wurde Helsingfors als Stützpunkt
für die weiteren Operationen eingerichtet; die bisherige Etappenlinie
über Hangö - Ekenäs ging ein.
Etwa gleichzeitig mit diesen Ereignissen errangen auch die finnischen
Regierungstruppen wichtige Erfolge. Im Südwesten des Landes nahmen sie
Abo, und von Norden her rückte Mannerheim in Björneburg und
Tammerfors ein.
Das nächste Ziel war nunmehr die Vernichtung der feindlichen
Hauptkräfte, die jetzt nordwestlich Riihimäki angenommen wurden.
Die verstärkte 95. Brigade unter General Wolf trat am 19. April den
Vormarsch nach Norden an und nahm nach heftigen Gefechten am 21. und 22. die
wichtigen Eisenbahnknotenpunkte Hyvinkää und
Riihimäki.
Inzwischen war eine von der 8. Armee entsandte gemischte Brigade unter Oberst
v. Brandenstein bei Lowisa gelandet, war nach Norden vorgestoßen,
hatte die für den Feind lebenswichtige Bahn
Lahti - Wiborg bei Uusikylä unterbrochen, war aber durch
überlegene feindliche Angriffe gezwungen worden, die Sprengstelle wieder
freizugeben. Der Ostsee-Division unterstellt und von dieser unterstützt,
ging die Brigade von neuem gegen die Bahn vor und nahm am 20. April Lahti im
Sturm.
Graf v. d. Goltz hatte beabsichtigt, vor weiteren Operationen zunächst die
Vereinigung der Brigaden Wolf und Brandenstein sicherzustellen. Am 23. April
traf aber die Mitteilung ein, daß schon am folgenden Tage die finnischen
Truppen aus der Linie
Tuulos - Hauho - Lempäolä zum Angriff in
südlicher Richtung vorgehen wollten; Mannerheim bat um
Unterstützung in Richtung Tavastehus. General Wolf wurde nun alsbald
dorthin vorgeschickt, Oberst v. Brandenstein wurde angewiesen, durch
Angriff den Anschluß an ihn zu suchen. Tavastehus wurde am 27. April
nach mehreren siegreichen Gefechten von der Brigade Wolf genommen. Die
Deutschen folgten dem fluchartig nach Norden zurückgehenden Feinde und
stellten in Tuulos die Verbindung mit Mannerheim her. Es kam dann aber zu
harten, wechselvollen Kämpfen mit einem zahlenmäßig
vielfach überlegenen Gegner, der aus der Gegend von
Lempäolä nach Osten abmarschiert war. Ein Durchbruch nach
Süden wurde ihm verwehrt, doch gelang es ihm, sich den Weg über
Lammi zu bahnen. Die der Brigade Brandenstein bei Lahti
gegenüberstehenden Kräfte, die in Richtung Wiborg durchbrechen
wollten, wurden blutig abgewiesen.
[341] Zur Einkreisung des
Feindes wurden jetzt alle irgend verfügbaren Kräfte herangezogen.
Brigade Brandenstein, unterstützt durch eine mit der Bahn nach
Orimatlä herangeführte Abteilung unter Major Graf Hamilton sowie
durch weiße Garde, ging am 30. April in nordwestlicher Richtung vor.
Mehrere Bataillone und Batterien, teils von Tavastehus, teils von Helsingfors mit
der Bahn nach Järvelä befördert, wurden unter Major Helling
über Kärkolä nach Norden angesetzt. Die aus der Gegend
Lammi - Tuulos nach Südosten und Süden
führenden Straßen wurden durch Truppen der Brigade Wolf gesperrt.
Von Norden her stießen allenthalben die Mannerheimschen
Streitkräfte gegen die zurückgehenden roten Truppen vor. Die
geplante Einkreisung gelang. Nachdem die Finnen am 2. Mai Koski genommen
hatten, streckte der Feind die Waffen. Die Gesamtbeute während der
Einschließungskämpfe belief sich auf 20 000 Gefangene, 50
Geschütze, 200 Maschinengewehre und zahlreiches Kriegsgerät.
Westfinnland war von dem roten Schrecken befreit. Im Osten des Landes war
General v. Mannerheim inzwischen ebenfalls erfolgreich gewesen. Er hatte
Wiborg genommen und das ganze Land bis zur russischen Grenze in seinen Besitz
gebracht.
Die deutschen Truppen hatten sich durch ihre Leistungen die Anerkennung und
Zuneigung der ganzen Bevölkerung erworben. In Hangö errichteten
die Finnländer einen Gedenkstein, der das Relief eines deutschen Soldaten
und folgende Inschrift trägt: "Deutsche Truppen landeten am 3. April 1918
in Hangö und halfen unserem Lande in seinem Kampfe um die Freiheit.
Möge dieser Stein der späteren Nachwelt ein Zeuge unserer
Dankbarkeit sein."
Auf Bitten der finnischen Regierung und des Generals v. Mannerheim wurde ein
Teil der Ostsee-Division noch bis zum November im Lande gelassen. Unter
diesem Schutze konnte Finnland seine erste staatliche Entwicklung festigen, trotz
Bedrohung von außen, d. h. durch
Sowjet-Rußland, mit dem noch kein Friede zustande kam, und durch
England, das sich an der Murman-Bahn festgesetzt hatte.
Die finnische Armee wurde mit Hilfe deutscher Lehrmeister organisiert.
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