SucheScriptoriumBuchversandArchiv IndexSponsor


Bd. 3: Der deutsche Landkrieg, Dritter Teil:
Vom Winter 1916/17 bis zum Kriegsende

Kapitel 6: Die Heeresgruppe Herzog Albrecht 1917/18   (Forts.)
Major Friedrich Wilhelm Frhr. v. Willisen

2. Das Jahr 1918.

Zur gleichen Zeit, als die Heeresgruppe Anfang Dezember jene Ansicht äußerte, gestaltete sich aber die Gesamtkriegslage von Grund aus um.

Rußland schied aus den Reihen der aktiven Gegner aus. Im Osten, Südosten und Süden schien die Lage gleichfalls derartig geklärt und gesichert, daß die Oberste Heeresleitung den Entschluß fassen konnte, zu einem Schlage an der Westfront auszuholen, um den Krieg in letzter Stunde vor dem Wirksamwerden der amerikanischen Hilfe siegreich zu beendigen.

[284] Die von der Obersten Heeresleitung Ende Dezember für die Weiterführung der Operation erteilten Weisungen2 gipfelten darin, daß auf allen Heeresgruppenfronten Angriffe vorzubereiten wären; die endgültige Wahl der Angriffsfront behalte sich die Oberste Heeresleitung vor.

Die Heeresgruppe Herzog Albrecht hatte einen Angriff aus dem Breusch-Tal heraus (unter dem Decknamen Straßburg) und einen zweiten im Zusammenwirken mit der Heeresgruppe Deutscher Kronprinz zur Abschnürung von Verdun (Deckname: Kastor und Pollux) vorzubereiten.

Durch die endgültige Entscheidung der Obersten Heeresleitung3 schied die Heeresgruppe Herzog Albrecht als Angriffsfront vorläufig aus; sie wurde aber an den Täuschungsoperationen beteiligt, die den Feind von der Hauptstoßrichtung ablenken sollten.

Die mit Rücksicht auf die große Offensive erforderliche Neugliederung der Befehlsverhältnisse an der Westfront ließ es zweckmäßig erscheinen, die die Festung Verdun umspannenden Frontteile unter einheitliches Kommando zu stellen. Durch Befehl vom 1. Februar 1918 wurde die 5. Armee und die Armee-Abteilung C zur Heeresgruppe Gallwitz zusammengefaßt, womit die Armee-Abteilung C aus der Heeresgruppe Herzog Albrecht ausschied.

Am gleichen Tage wurde das im Osten freigewordene Oberkommando der Südarmee als Armee-Oberkommando 19 der Heeresgruppe Herzog Albrecht zum Einsatz am rechten Flügel der Armee-Abteilung A überwiesen, so daß nunmehr die Heeresgruppenfront in die Abschnitte der 19. Armee und der Armee-Abteilungen A und B gegliedert war, wobei die Grenzen der letzteren in sich etwas verschoben wurden.

Die folgenden Wochen erzeugten beim Feinde eine dauernd wachsende Nervosität; durch zahlreiche Erkundungsvorstöße suchte er sich Klarheit über die deutschen Absichten zu verschaffen. Deutscherseits geschah alles, um ihn durch planmäßige Täuschungsoperationen am Erkennen der Richtung der geplanten großen Offensive zu verhindern. Im Rahmen dieser Täuschungsoperationen, die einen Hauptstoß in der zweiten Märzhälfte zwischen Reims und Varennes und gegen die Nordostfront von Verdun vorsahen, fiel der Heeresgruppe Herzog Albrecht die Aufgabe zu, einen Angriff an der Lothringer Front vorzubereiten. Die Batterien hatten sich hierzu einzuschießen, rückwärtige Truppenverbände wurden herangeführt und in ihren Gefechtsstreifen angewiesen, neue Befehlsstellen sollten auftreten und durch Draht und Funkentelegraphie ihre Weisungen erteilen, stärkeres Gasschießen sollte Teile der feindlichen Artillerie lahmlegen, und durch alle diese Maßnahmen beim Feind der Eindruck eines unmittelbar bevorstehenden Großangriffs auch an diesem Frontteil erzeugt werden.

Diese Täuschungsoperationen begannen vom 16. März an; die Feuertätigkeit steigerte sich in den Tagen vom 20. bis 22. zu besonderer Heftigkeit.

[285] Überall an den Täuschungsfronten nahm auch die Artillerie- und Fliegertätigkeit des Feindes zu; immer häufiger wurden seine Patrouillenvorstöße, durch die er Einblick in die Kräfteverteilung zu gewinnen suchte, und fieberhaft arbeitete er am Ausbau rückwärtiger Stellungen bis weit in das Innere des Landes hinein. Die Wirkung der Täuschungsoperationen war somit deutlich erkennbar.

Am 21. März brach die große Offensive los; sie erzeugte in Front und Heimat nochmals große Hoffnungen auf den Endsieg.

Sehr bald übte der Verlauf der Ereignisse an der Hauptangriffsfront seinen Einfluß auch auf die Lage an der Front der Heeresgruppe aus. Am 30. März hatte die Heeresgruppe den Eindruck, daß der Feind an der Lothringer Front wohl als Folge der Täuschungsoperation noch Reserven zurückhielt, während fast die gesamten bisherigen feindlichen Reserven im Sundgau zur Verwendung an der Somme und Aisne bereits abgerollt waren. Im Sundgau suchte sich der Feind durch Schwächung der Front neue Reserven zu schaffen. Auch in Lothringen schien der Abtransport von Artillerie und Luftstreitkräften wahrscheinlich, von Reserve-Divisionen möglich.

In den folgenden Monaten, während der Offensivstöße in Flandern und am Aisne-Abschnitt, schwächte die französische Heeresleitung ihre Verbände gegenüber der Heeresgruppe Herzog Albrecht dauernd weiter zugunsten der angegriffenen Hauptkampffronten. Der südliche Abschnitt der Westfront wurde in dieser Zeit sowohl auf deutscher als auch auf französischer Seite dazu benutzt, die abgekämpften Verbände an dieser ruhigen Front wieder aufzufrischen.

Das Bild veränderte sich vom Mai an allmählich durch das Auftreten amerikanischer Divisionen. Die ängstlichen Hilferufe der Entente hatten jenseits des Ozeans gewirkt. In fieberhafter Eile wurde die Absendung der Transporte beschleunigt. Während Anfang März die Heeresgruppe noch keine amerikanischen Truppen ihrer Front gegenüber festgestellt hatte, waren Mitte Juli bereits fünf amerikanische Divisionen in Front und zwei in Reserve ihr gegenüber erkannt.

Indessen beurteilte die Heeresgruppe trotz diesem amerikanischen Kräftezuwachs die Lage an ihrer Front dahin, daß vorläufig keine feindlichen Großangriffe zu erwarten wären.

Im Juli und August traten die verhängnisvollen Rückschläge ein. Für die Heeresgruppe Herzog Albrecht änderte sich hierdurch die Lage zunächst nicht. Nach wie vor schob der Feind seine abgekämpften Divisionen an die Vogesen-Front ab, um sie gegen ausgeruhte Kräfte auszutauschen. Erst gegen Mitte August, als die Franzosen immer mehr dazu übergingen, ihre Divisionen durch amerikanische abzulösen, so daß der Eindruck entstand, daß die lothringische Front allmählich ganz von amerikanischen Verbänden übernommen werde, glaubte die Heeresgruppe auch an ihrer Front in absehbarer Zeit mit Angriffen rechnen zu müssen, wenn auch tatsächliche Nachrichten dafür noch nicht vorlagen.

[286] Am 8. September wurde Oberst Heye, der bisherige Chef des Generalstabes der Heeresgruppe, zur Verwendung im Generalstabe des Chefs des Generalstabes des Feldheeres berufen und Generalmajor Hell, bisher Kommandeur der 28. Infanterie-Division, zum Chef des Generalstabes der Heeresgruppe Herzog Albrecht ernannt.

In den ersten Septembertagen nahm die Lage für den rechten Flügel der Heeresgruppe bedrohlichen Charakter an. Die Anzeichen mehrten sich, daß der Feind voraussichtlich unter Einsatz amerikanischer Kräfte zum Angriff gegen den St. Mihiel-Bogen schreiten würde. Wenn die Armee-Abteilung C, gegen die sich dieser Angriff in erster Linie wenden mußte, auch seit Anfang Februar zur Heeresgruppe Gallwitz gehörte, so war doch damit zu rechnen, daß auch der rechte Flügel der 19. Armee, der auf das westliche Mosel-Ufer übergriff, von diesem Angriff mitbetroffen würde.

Im Zusammenhang mit der von der Obersten Heeresleitung angeordneten Räumung des Mihiel-Bogens4 wurde dann aber befohlen, daß der rechte Flügeldivisionsabschnitt der 19. Armee unter den Befehl der Armee-Abteilung C zu treten hätte, so daß die Mosel die Trennungslinie zwischen den beiden Armeen und Heeresgruppen bildete und einheitliche Kampfverhältnisse geschaffen waren, falls der Feind nur auf dem westlichen Mosel-Ufer angriff. Da der beobachtete Verkehr hinter der feindlichen Front seit dem 8. September jedoch ein Übergreifen des Angriffs auch auf das östliche Mosel-Ufer möglich erscheinen ließ, wurden der Heeresgruppe Herzog Albrecht drei Divisionen zugeführt, die sie hinter ihrem rechten Flügel bereit zu halten hatte.

Der am 12. September losbrechende feindliche Angriff beschränkte sich auf die Front westlich der Mosel; er zwang zum Rückzug in die Sehnenstellung (Michael I-Stellung). Mit einer Fortsetzung des feindlichen Angriffs mußte gerechnet werden. Die Heeresgruppe Herzog Albrecht erwartete für diesen Fall eine Ausdehnung des Angriffs nach Osten, da der Feind bei weiterem Vordringen westlich der Mosel vom Ostufer stark flankiert würde. Es lag nahe, daß er nach Umgruppierung seiner Kräfte einen Gegenangriff gegen Mitte und linken Flügel der 19. Armee beabsichtigen würde, um auf diese Weise Metz von Osten her zu nehmen und in das Industriegebiet vorzustoßen. Auch feindliche Angriffe im Sundgau rückten wieder in den Bereich der Möglichkeit.

Allein die erwartete Fortsetzung der Offensive unterblieb. Gegen Ende September schien die Lage entspannt, um so mehr, als östlich der Mosel an Stelle der Amerikaner nicht-kampfkräftige französische Divisionen auftraten.

Die ungeheure Anspannung der deutschen Gesamtfront mit ihrem starken Verbrauch an Divisionen wirkte jedoch auch auf die Heeresgruppe zurück, so daß sie am 28. September meldete: "Bei der der Obersten Heeresleitung bekannten [287] Frontbesetzung und den immer geringer werdenden Reserven hinter der Front, die außerdem noch größtenteils abgekämpft sind, muß die Lage hier als durchaus unsicher bezeichnet werden."

Die Auffassung über die Bedrohlichkeit der Lage wechselte im Laufe des Oktober; zuverlässige Nachrichten ließen erkennen, daß der Franzose hinter seiner Front abgestellte kampfkräftige Reserven gegenüber 19. Armee und Armee-Abteilung A an andere Fronten abtransportierte; dementsprechend entspannte sich die Lage an der Front der Heeresgruppe.

So verging der Oktober und die ersten Tage des November; der Krieg neigte sich seinem Ende zu, ohne daß es zu einer Offensive des Feindes an dieser Stelle der Westfront, wo sie seit Jahren mit mehr oder minder größerer Wahrscheinlichkeit immer wieder erwartet worden war, kam.

In den Tagen des im Waffenstillstand geforderten Rückzuges bewährte sich noch einmal die durch die allgemeine Wehrpflicht seit Menschenaltern dem Deutschen anerzogene Manneszucht. In voller Ordnung gingen die Verbände der Heeresgruppe über den Rhein zurück.


2 [1/284]Siehe Seite 44 und 350. ...zurück...

3 [2/284]Siehe Seite 44, 45 und 360. ...zurück...

4 [1/286]Siehe Seite 62. ...zurück...


Der Weltkampf um Ehre und Recht.
Die Erforschung des Krieges in seiner wahren Begebenheit,
auf amtlichen Urkunden und Akten beruhend.
Hg. von Exzellenz Generalleutnant Max Schwarte