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Bd. 3: Der deutsche Landkrieg, Dritter Teil:
Vom Winter 1916/17 bis zum Kriegsende

Kapitel 3: Die Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht von Bayern
im Jahre 1917
  (Forts.)

Generalmajor Rudolf v. Borries

10. Sonstige Ereignisse bei der Heeresgruppe während der Flandernschlacht.

Als sich der erste Flandernsturm vom 31. Juli festgelaufen hatte und schlechtes Wetter eintrat, entschloß sich die englische Führung, die Stöße gegen die deutsche Front nach sorgfältiger Vorbereitung so oft zu wiederholen, bis der Durchbruch [143] zur Tatsache wurde. Brachte ein Stoß Geländegewinn, so folgte die mühselige Arbeit des Vorwärtsschiebens der Artillerie; hieraus und aus den Witterungsverhältnissen ergaben sich lange Pausen, die selbstverständlich auch den Deutschen zugute kamen. Waren die Stöße im wesentlichen erfolglos, so führte man die weiteren Angriffe nach kurzer Unterbrechung. So kam das Bild ungleichmäßiger Kampfbetätigung zustande, die bald langsam, bald hastig erschien.

Der englische Führer erkannte, daß sich die Hoffnungen auf den Durchbruch bei der unerwartet kräftigen und geschickten Abwehr mit der vorrückenden Jahreszeit mehr und mehr verflüchtigten. Trotzdem hielt er am Angriff fest, um angesichts der allgemein wenig günstigen Lage der Entente den Deutschen die Möglichkeit einer Gegenoffensive mit den im Osten freigewordenen Truppen zu verwehren. Er wußte nicht, daß diese Kräfte nur sehr allmählich und keineswegs in dem für große Schläge erforderlichen Umfange der deutschen Westfront zuflossen. Als er endlich Mitte November seine Anstrengungen wesentlich herabsetzte, hatte er für den ihn leitenden Gedanken ungeheuerliche Opfer an blutigen Verlusten gebracht.

Über die Geringfügigkeit des Geländegewinns konnte die englische Führung nicht im Zweifel sein, wenn sie es auch als Erfolg ansah, daß sie sich des größten Teiles des Höhengeländes östlich Ypern und der Erhebungen im Wytschaetebogen bemächtigt hatte. Sie rechnete mit außerordentlich schweren Einbußen auf deutscher Seite, unter denen angeblich 35 000 Gefangene waren. Und doch kann diese Ziffer angesichts der langen Kampfdauer nicht als so erheblich angesehen werden, namentlich nicht im Vergleich mit den Gefangenenzahlen, die die Ententetruppen bei den Offensiven des Jahres 1918 in sehr viel kürzeren Zeiträumen einbüßten.

Als während der Flandernschlacht den Franzosen Ende August bei Verdun und Ende Oktober an der Laffaux-Ecke Erfolge beschränkten Umfanges beschieden waren, suchte die englische Führung nach einer Stelle, wo ihr ein ähnlicher Sieg zufallen könne. Sie fand sie in der Gegend von Cambrai und bereitete die Ausführung in der zweiten Hälfte des November vor, um damit dem bedrängten italienischen Bundesgenossen ein Zeichen tatkräftiger Teilnahme zu geben und um den Deutschen, die zugunsten Flanderns ihre anderen Fronten geschwächt hatten, einen neuen empfindlichen Schlag zu versetzen.

Bei der Heeresgruppe blieb die Aufmerksamkeit besonders auf die Küste gerichtet. Im August hatte die 4. Armee in dem schmalen Dünengebiet bei Nieuport fünf englische Divisionen, davon drei in der Front, sich gegenüber, die ihre Angriffslust durch gelegentliche Teilvorstöße bei Lombartzyde betätigten, aber mit größeren Unternehmungen zurückhielten. Die erkannten Angriffsvorbereitungen pflanzten sich durch Mehrung der Batterien, Eisenbahnanlagen und Truppenlager in Richtung auf Dixmude fort. Die Ungewißheit über diese zur Entscheidung drängende Lage blieb vom September bis November die [144] gleiche: Steigerungen des Artilleriefeuers schienen mehrfach englische Großangriffe anzudeuten, aber die Stürme blieben aus.

Neben ungewöhnlich lebhafter Fliegertätigkeit schufen auch die feindlichen leichten Seestreitkräfte Unruhe. Monitore näherten sich wiederholt Ostende und gaben Schüsse ab, wurden aber meist durch Küstenbatterien schnell vertrieben. Zusammenstöße mit den deutschen leichten Seestreitkräften ereigneten sich wiederholt. Die für den U-Bootkrieg wichtigen Anlagen von Zeebrügge wurden häufig von Bombenwürfen betroffen, die aber ebensowenig wie die dort festgestellte Netzsperre mit dem dahinter liegenden Minenfelde das Auslaufen der U-Boote wesentlich beschränkten.16 Mehrfaches Auftauchen feindlicher Flottenteile an den Küsten und im Ostteil des Kanals ließ immer wieder den Gedanken beabsichtigter Landungen aufkommen. Mit der zunehmenden schlechten Jahreszeit traten aber auch diese Äußerungen der Seekriegführung zurück.

Von der 6. Armee griff der rechte Flügel, Gruppe Aubers, mit ihrer Artillerie wiederholt in die Flandernkämpfe ein; sonst kam es nördlich des La Bassee-Kanals nicht zu häufigen infanteristischen Kampfhandlungen. Hervorzuheben ist ein deutsches Stoßtruppenunternehmen bei Neuve Chapelle gegen die Portugiesen am 13. August, das 60 Gefangene erbrachte. Hier lebte auch der Minenkrieg wieder auf. Im Oktober und November betätigte sich der Gegner vielfach in Feuer- und Gasminenüberfällen. Am 5. November trat die Gruppe Lille von der 4. zur 6. Armee zurück;17 die Grenze zwischen beiden verlief nun über Werwicq bis nördlich Warneton.

Ein beredtes Bild von dem furchtbaren, blutigen Ringen um La Bassée am Kanal.
Ein beredtes Bild von dem furchtbaren, blutigen Ringen um La Bassée am Kanal.      [Vergrößern]
Aus: Der Weltkrieg in seiner
rauhen Wirklichkeit
, S. 72.

Großangriff der Engländer im April/Mai 1917 auf Lens.
Großangriff der Engländer im April/Mai 1917 auf
die französische Stadt Lens.      [Vergrößern]

Aus: Der Weltkrieg in seiner
rauhen Wirklichkeit
, S. 135.

Die Zerstörung der Ortschaft Loos bei Lens durch englisches Artilleriefeuer.
Die Zerstörung der Ortschaft Loos bei Lens
durch englisches Artilleriefeuer.
April/Mai 1918.      [Vergrößern]

Aus: Der Weltkrieg in seiner
rauhen Wirklichkeit
, S. 140.
Südlich des La Bassee-Kanals herrschte im Gebiet von Lens nach wie vor lebhafteste feindliche Angriffstätigkeit, die fast zu einer Nebenhandlung zur Flandernschlacht wurde. Im August steigerte sich das englische Zerstörungsfeuer zwischen Hulluch und Lens zu größter Stärke. Nachdem am 9. August ein einheitlicher Fliegervorstoß auf die deutschen Fesselballone erfolgt war, griffen am 15. August vier kanadische Divisionen nach heftigem Trommelfeuer zwischen Loos und Lens an. Der Einbruch gelang; doch drängten Gegenstöße den Feind wieder ein Stück zurück; ihm blieb eine wichtige Höhe östlich Loos und der Nordwestrand von Lens. Neue Anstürme, die sich immer entschiedener auf diese Stadt und besonders ihren Nordrand richteten, füllten die nächste Zeit aus. Besonders starke Stöße führte er am 21., 23. und weniger kräftig am 24. August, ohne größere Erfolge zu erringen.

Die Masse der englischen Artillerie blieb um Lens aufmarschiert. Unter ihrem Schutze erfolgten Teilangriffe, die am 26., 27., 30. August und am 6. September harte Kämpfe ergaben, aber den Engländern keine Vorteile brachten. Damit war das Ringen um Lens im wesentlichen abgeschlossen.

Nördlich dieses Kampfgebiets kam es im September wiederholt bei Hulluch [145] und weiter südlich bis zur Scarpe bei Gavrelle zu Patrouillenzusammenstößen. Südlich der Scarpe scheiterte am 9. August nördlich der Straße Cambrai - Arras ein größerer englischer Angriff; im September mußten mehrfach bei Chérisy und Quéant kleine Anläufe abgewehrt werden.

Je länger der Kampf in Flandern dauerte, um so mehr füllten sich die Divisionsräume drüben und hüben mit abgenutzten Truppen. Große Unternehmungen kamen im Oktober und November nicht mehr zustande, dagegen blieben die Feuer- und die Streiftätigkeit von beiden Seiten lebhaft. Am 8. November erwuchs daraus bei Acheville ein Gefecht, das den Engländern hohe Verluste brachte. Im letzten Drittel des Novembers ließ der englische Patrouillengang auffallend nach.

Am 5. November trat die Südgruppe der 6. Armee - Arras -, die auch die bisherige Gruppe Quéant in sich einschloß, mit drei Frontdivisionen zur 2. Armee über, nachdem jene auf dem rechten Flügel die Gruppe Lille von der 4. Armee überwiesen erhalten hatte. Die Armeegrenze verlief nunmehr von Beaury-Notre Dame nach Guémappe.

Auch gegen die 2. Armee setzten die Engländer im August nördlich St. Quentin eine Art von Nebenhandlung zur Flandernschlacht in Szene. Nachdem sich die Kampftätigkeit allgemein gesteigert hatte, griffen sie am 19. August nach Trommelfeuer, von zahlreichen Fliegern unterstützt, Vendhuille und die Höhen südlich an, setzten sich an zwei Punkten in den Stellungen fest, wurden aber im übrigen geworfen. Daran schlossen sich weitere Kämpfe bei Honnecourt, Ossus, Bellicourt und Bellenglise, die sich bis zum 26. August hinzogen. Den Engländern verblieb schließlich nur ein geringer Gewinn südlich Vendhuille, der aber im September zurückerobert wurde.

Beschießung von St. Quentin durch französische Artillerie.
Beginn der Beschießung von St. Quentin
durch französische Artillerie. Die ersten Einschläge
vor der Kathedrale.      [Vergrößern]

Aus: Der Weltkrieg in seiner
rauhen Wirklichkeit
, S. 151.

Auf dem Trümmerfeld des abgebrannten Daches der Kathedrale von St. Quentin.
Auf dem Trümmerfeld des abgebrannten Daches
der Kathedrale von St. Quentin.
Am 19. August 1917.      [Vergrößern]

Aus: Der Weltkrieg in seiner
rauhen Wirklichkeit
, S. 152.
Im September wurde wiederholt zwischen Havrincourt und Gonnelieu gefochten; ein stärkerer englischer Angriff am 25. September bei Gonnelieu blieb erfolglos. Westlich Bellicourt, bei Hargicourt, lebten am 3. und 9. September Kämpfe auf, in denen deutscherseits die Lage durch Gegenstöße wiederhergestellt werden mußte. Dann wurde es bei starker Feuer- und Streiftätigkeit ruhiger, da auch hier abgekämpfte Divisionen einander gegenüber traten. Im November steigerten die Engländer ihren Munitionseinsatz zwischen Cambrai und St. Quentin zu bedeutender Höhe.

Bei und südlich St. Quentin kam es im August mehrfach zu örtlichen Kämpfen mit den Franzosen. Am 9. August drangen die Deutschen bei Fayet in stürmischem Siegeslauf in der Breite von 2½ km 800 m tief in die französischen Stellungen ein und wehrten am 10. und 11. August mit gutem Erfolg zahlreiche Gegenangriffe ab. Anscheinend als Rächung dieser Niederlage beschossen die feindlichen Batterien vom 15. August an die Kathedrale von St. Quentin und legten das herrliche Bauwerk und das Pfarrhaus in Trümmer; nur der Turm blieb erhalten. Unter dem steten starken Feuer sank die Stadt rasch in Ruinen. [146] Am 24. August griffen die Franzosen zwischen St. Quentin und Itancourt an, wurden aber abgewiesen. Dann wurde es auch auf diesem Frontteile stiller; erst am 5. und 10. November schufen französische Patrouillenvorstöße gegen den Südrand von St. Quentin neues kriegerisches Leben. Immer noch schien es, als sei die Eroberung von St. Quentin das Ziel des Gegners; man wußte, daß er hier jederzeit einen großen Schlag zu führen in der Lage war.


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17 [2/144]Seite 120 und 140. ...zurück...


Der Weltkampf um Ehre und Recht.
Die Erforschung des Krieges in seiner wahren Begebenheit,
auf amtlichen Urkunden und Akten beruhend.
Hg. von Exzellenz Generalleutnant Max Schwarte