Bd. 3: Der deutsche Landkrieg, Dritter Teil:
Vom Winter 1916/17 bis zum Kriegsende
Kapitel 3: Die Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht von
Bayern
im Jahre 1917 (Forts.)
Generalmajor Rudolf v. Borries
7. Ereignisse nördlich und südlich
Arras im April und Mai 1917. Neue Pläne der Entente. Auftakt der
englisch-französischen Flandernoffensive.
Der englische Teilangriff auf den Wytschaetebogen bei der 4. Armee am 7.
April8 hatte die Aufmerksamkeit der
Heeresgruppe verschärft auf die dortigen Angriffsmöglichkeiten
gelenkt. Verstärkungen der englischen Kräfte wurden nicht nur an
dieser Stelle, sondern auch weiter nördlich im Ypernbogen festgestellt; man
erkannte auch Verdichtungen des Bahnnetzes, Neuanlage und Erweiterung von
Lagern und Flughäfen. Da aber die Gefechtstätigkeit bei der 4. Armee
[120] mit Ausnahme
gelegentlicher Teilvorstöße von beiden Seiten und der sehr regen
Flugtätigkeit gering blieb, so schien während der ersten
Stürme der Arrasschlacht keine dringliche Gefahr eines neuen englischen
Angriffs zu bestehen.
Ende April belebte sich die Gefechtstätigkeit im Ypern- und
Wytschaetebogen; die Infanterien hielten sich zwar zurück, aber die
Artillerien erhöhten ihren Munitionsaufwand; besonders die deutschen
Batterien nahmen die Bekämpfung der feindlichen
Geschützstände und Angriffsanlagen kräftig auf. Die
Sturmgefahr war im Wachsen, verhieß baldige Entladung, da festgestellt
wurde, daß der Gegner nördlich und westlich des Wytschaetebogens
in engster Zusammenfassung stand; sie dehnte sich auch auf den rechten
Flügel der 6. Armee - Gruppe Lille - aus. Eine
zuverlässig erscheinende Nachricht aus dem Auslande besagte, daß
die Engländer binnen 14 Tagen einen Stoß an der Yser führen
würden, wenn sie bei Arras nicht durchkämen. Am 28. April fand
eine Besprechung der Heeresgruppe mit dem Oberkommando der 4. Armee statt,
in der der Generalstabschef der ersteren, General v. Kuhl, nahelegte, den
doppelt umfaßten Wytschaetebogen rechtzeitig zu räumen und in eine
Sehnenstellung zurückzugehen. Das Oberkommando glaubte aber
genügend Verteidigungskraft zu besitzen, um sich vorn zu halten; es
mußte auch zugegeben werden, daß die Sehnenstellung sehr
ungünstig war. Am 2. Mai wurde die aus drei Divisionen bestehende
Besatzung des Wytschaetebogens - XIX.
Armeekorps - um eine vierte Division und artilleristisch verstärkt;
zwei Divisionen schoben sich als Reserven dahinter. Die Einheitlichkeit der
Führung wurde dadurch gesichert, daß die Nordgruppe der 6.
Armee - Lille, II. bayerisches Armeekorps - mit zwei Divisionen zur
4. Armee trat, während ihre linke Flügeldivision der Gruppe Aubers
unterstellt wurde. Die Grenze zwischen der 4. und 6. Armee verlief nunmehr vom
Nordrande von Lille auf Armentières. Man glaubte jetzt als
Ausgangsstellung des erwarteten Angriffs die Strecke von Boesinghe bis zum
Ploegsteerter Walde zu erkennen; das waren die äußersten Grenzen.
Am wahrscheinlichsten war ein schmalerer Angriff auf den Wytschaetebogen als
Nebenhandlung zur Arraaschlacht.
Etwa bis zum 20. Mai blieb es bei der 4. Armee, von Artilleriekampf abgesehen,
verhältnismäßig ruhig; nur wurde die feindliche Luftsperre
stark, vermochte aber nicht die Einsicht zu hindern, daß die
Angriffsvorbereitungen vor den Gruppen Ypern, Wytschaete und Lille im Ausbau
von Bahnanlagen und Lagern weitergingen. Inzwischen legten ein heftiger
Vorstoß feindlicher Monitore gegen Zeebrügge am 12. Mai und die
zunehmenden Erfolge des unbeschränkten deutschen U-Bootkrieges den
Gedanken nahe, daß die Engländer das Interesse haben
müßten, die flandrische Basis dieser gefährlichen
Kampfbetätigung in Besitz zu nehmen. Die Heeresgruppe erwartete daher
nicht nur den Angriff bei Wytschaete, sondern auch englische Landungsversuche
an der belgischen Küste. Hiergegen wurden besondere
Truppen - zwei bis drei Divi- [121] sionen mit
artilleristischen Verstärkungen - unter dem Generalkommando XIV.
Reservekorps, das bisher die Gruppe Quéant der 6. Armee kommandiert
hatte, in Gent bereitgestellt.
Vom 20. Mai an steigerte sich das englische Artilleriefeuer auf der
voraussichtlichen Angriffsfront bei Wytschaete bedeutend und wurde am 27. Mai
zu schwerem Zerstörungsfeuer auf die deutsche Stellung zwischen der
Bahn Comines - Ypern und dem Ploegsteerter Wald. Gleichzeitig
schoß der Feind sehr lebhaft auf das Dünengelände unmittelbar
an der Küste. Diese beiden Stellen schienen die Brennpunkte großer
Kampfereignisse werden zu sollen; das zwischen ihnen liegende
Überschwemmungsgebiet der Yser kam vorläufig nicht in Betracht.
Indessen brachte die nächste Zeit am Meere nur ein kleines Seegefecht
nördlich Zeebrügge und eine zweistündige Beschießung
von Ostende am 5. Juni; dagegen schwoll die Artillerieschlacht bei Wytschaete
am 3. Juni zu höchster Stärke an; der feindliche Zugriff auf den
vorspringenden Bogen der deutschen Stellung stand bevor.
Bei den Gruppen Lille und Aubers der 6. Armee, die an den Arraskämpfen
unbeteiligt waren, herrschte im April ziemliche Ruhe; doch waren vor der Gruppe
Lille, besonders an der Bahn Hazebrouck - Armentières,
englische Angriffsvorbereitungen unverkennbar im Gange, so daß dieser
Frontteil (ohne den südlichen Divisionsabschnitt) am 2. Mai an die 4.
Armee abgetreten wurde. Lebhafter wurde die Gruppe Loos durch die Arrasschlacht
in Mitleidenschaft gezogen. Im April ereigneten sich zahlreiche
Feuerüberfälle und Einzelvorstöße; vom 26. bis zum
28. April erstreckte sich das Vorbereitungsfeuer des Gegners für seinen
dritten großen Angriff9 auch auf die Südhälfte der
Gruppe Loos, die sich bis zum 2. Mai gegen eine Reihe von englischen
Anläufen zu verteidigen hatte. Der Mai verlief bei den Gruppen Aubers und
Loos ohne bedeutende Kampfhandlungen; nur am 24. Mai war ein heftiger
englischer Vorstoß südlich Loos abzuwehren, der einen schmalen,
aber bald wieder ausgeglichenen Einbruch bewirkte. Der Juni begann für
diese Gruppe mit verstärkter Gefechtstätigkeit, während es bei
der Gruppe Aubers ruhig blieb.
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Südlich des Schlachtfeldes von Arras suchten sich Engländer und
Franzosen vor der Front der 2. Armee im Laufe des April dicht an die
Siegfriedstellung heranzuarbeiten. Erst gegen Ende April gelang es den
Engländern nördlich von St. Quentin so nahe
heranzukommen, daß die Nachhuten zurückgezogen und durch
Außenposten ersetzt wurden. Dauernd lag schweres Artilleriefeuer auf der
Siegfriedstellung und ihrem Hintergelände. Im Mai schufen sich die
Engländer vor der deutschen Linie ein Stellungssystem; nach manchen
Schiebungen legten sie ihren rechten Flügel bei Pontruet fest, wo die
Franzosen angrenzten.
Die Franzosen erstrebten den Besitz von St. Quentin. Am 13. April griffen sie
beiderseits der Somme die deutschen Stellungen nahe der Stadt an,
stürmten [122] zweimal, wurden aber
blutig abgewiesen. Nach dieser Lehre begannen sie gleichfalls an ihren Stellungen
zu bauen und ihre Batterien zu vermehren. Das Feuer auf St. Quentin und
die deutschen Linien bis La Fère war im April sehr stark,
schwächte sich aber im Mai bedeutend ab.
Deutscherseits wurde dem Streben des Gegners, sich vor der Siegfriedstellung
niederzulassen, mit kräftigem Feuer entgegengewirkt. Gelegentliche
Streifvorstöße der Feinde wurden abgewehrt; von eigenen
Unternehmungen war ein Einbruch in die französische Stellung am 29. Mai
südwestlich von St. Quentin am wichtigsten. Anfang Juni nahm die
Gefechtstätigkeit bei den Engländern nordwestlich
St. Quentin, besonders Cambrai gegenüber, artilleristisch und
infanteristisch einigermaßen zu, während sich die Franzosen weiter
südlich zurückhielten. Das häufige Feuer auf die Stadt
St. Quentin deutete aber darauf hin, daß die Absicht noch nicht
aufgegeben war, sich dieses wichtigen Punktes zu bemächtigen.
Als die Arrasschlacht begonnen hatte, war bei den Engländern unter dem
Eindruck des ersten Erfolges, die von Kanadiern auf den
Vimy-Höhen errungen wurden, das Vertrauen auf den endgültigen
Erfolg gewaltig befestigt worden und auch auf die Franzosen für ihren
Angriff gegen den Chemin des Dames übergegangen. Indes hatten die
britischen Truppen schon in der nächsten Zeit bei schlechtem Wetter
schwere Mühe, ihre Artillerie nachzuziehen, und der deutsche Widerstand
erstarkte nach dem freiwilligen Ausweichen am 13. April zusehends, setzte sich
auch in Gegenangriffe um. Noch wollte man sich nicht eingestehen, daß es
nutzlos war, auf die hart gewordene Stelle bei Arras weiterzuhämmern, und
versäumte daher, die Kräfte für einen
neuen - weiter nördlich gedachten - Angriff umzugruppieren.
Als sich nun aber auch das am 16. April begonnene mächtige Unternehmen
der Franzosen an der Aisne und in der Champagne gegen die Heeresgruppe
Deutscher Kronprinz festlief, konnte die Entente nicht mehr im Zweifel sein,
daß der Plan Nivelles, die Siegfriedstellung rechts und links durchbrechend
zu umfassen, gescheitert war. Was half es, daß man auf 50 000
gefangene Deutsche, 450 eroberte Kanonen und 1000 Maschinengewehre
hinwies? Die eigenen Einbußen bei Arras und an der Aisne waren
entsetzlich und durch keine durchschlagenden Erfolge aufgewogen. Alle
Hoffnung entschwand, den Krieg im Jahre 1917 glorreich zu beenden.
In Frankreich herrschte stärkste Verstimmung, die sich bei zahlreichen
Armeekorps zu Meutereien gestaltete. Die dadurch schwer gefährdete Lage
wurde von den Engländern gerettet. Am 4. Mai fand eine Konferenz in
Paris statt, auf der von den Engländern der Ministerpräsident Lloyd
George und der Oberbefehlshaber Haig, von den Franzosen General Nivelle und
der Chef des Generalstabes Pétain die wichtigsten Vertreter waren.
General Haig sprach sich für die Fortführung der Offensiven, wenn
auch mit beschränkten Aufgaben [123] aus, damit die schon
stark verbrauchten Deutschen nicht wieder zu Atem kämen. Lloyd George
ging noch weiter, verhieß den Einsatz der gesamten englischen Kraft, um
den Feind zu schlagen, und forderte die gleiche Anstrengung auch von Frankreich.
Die französischen Vertreter stimmten zu, ohne indes zunächst die
für einen solchen Entschluß erforderliche Energie aufbringen zu
können.
Die französische Regierung hatte das Vertrauen zu der Führung des
Generals Nivelle verloren. Am 15. Mai mußte er gegen seinen Willen
zurücktreten und wurde durch Pétain ersetzt, an dessen Stelle
General Foch Chef des Generalstabes der Armee wurde.
Der neue französische Oberbefehlshaber mußte angesichts der
Verhältnisse im Heere von großen Kriegshandlungen absehen, bis die
Krisis überwunden und die Hilfe der Amerikaner näher
gerückt war. Bis dahin wollte er sich auf örtliche Operationen mit
kurz gesteckten Zielen unter Aufwand stärkster artilleristischer
Bezwingungsmittel beschränken.
Die Engländer aber beschlossen, entsprechend der Verheißungen
Lloyd Georges, ihre Offensive mit voller Wucht fortzusetzen, nicht auf dem
Schlachtfeld von Arras, wo eine große Entscheidung nicht mehr zu
erwarten war, sondern in Flandern, wohin sie schon längst ihr
Augenmerk gerichtet hatten. Dort sollten die deutschen Linien
zurückgedrückt werden, um die dauernde Gefährdung der
für England wichtigen Städte Calais, Dünkirchen, Boulogne
zu mindern und bei günstigem Erfolg die flandrische Küste, die
Basis des bedrohlich wirkenden deutschen U-Bootkrieges, in die Hand zu
bekommen.
Nach Abrede mit den Franzosen sollte an diesem Angriff die französische
1. Armee teilnehmen, die durch die Frontverkürzung infolge der deutschen
Siegfriedbewegung frei geworden war.10 Da ihr
Eintreffen aber auf sich warten ließ, beschloß General Haig, sich
zunächst mit einem vorausgehenden Einzelschlage in den Besitz des
Wytschaetebogens zu setzen.
Dieser vorspringende deutsche Stellungsteil setzte in der Gegend östlich
Zillebeke an, schnitt südlich dieser Stadt bei St. Eloi die Straße
Ypern - Armentières und wölbte sich, indem er
Wytschaete und Messines umfaßte, gegen den Kemmel vor, um
südwestlich Messines wieder zurückzubiegen und südlich des
Ortes die Straße Ypern - Armentières zum zweiten
Male zu treffen. Von dieser Straße lief die deutsche Stellung nach
Südosten weiter. Nördlich grenzte der zurückspringende
Ypernbogen, südlich die bisher zur 6. Armee gehörige Gruppe Lille
an.
Innerhalb des Bogens waren die Höhen bei Wytschaete und Messines als
Beobachtungsstellen in die Stellungen des Feindes von großer Bedeutung,
der seinerseits vom Kemmelberge vorzügliche und von der
Le Rossignol-Höhe am Ploegsteerter Walde eine der deutschen
mindestens gleichwertige Übersicht besaß. [124] Das flachere
Gelände weiter östlich bot keinen Ersatz für die hohen Punkte
innerhalb des Bogens; deshalb konnte man sich nicht entschließen, die
Stellung vor dem feindlichen Angriff zu räumen.11
Um die erste deutsche Linie wurde hier seit 1914 mit dem schweren Mittel der
Minen gekämpft. Nur mit größter Mühe und Hingabe
gelang es den deutschen Pionieren, die wiederholten englischen
Unterminierungsversuche, wenigstens zum großen Teil, unschädlich
zu machen. Der Gegner war gewohnt, mit gelegentlichen Anläufen
Sprengungen zu verbinden, die nicht immer wirksam waren und das
Gelände mit großen Trichtern durchsetzten.
Den äußeren Rand des Wytschaetebogens hielt das XIX.
Armeekorps - General v. Laffert - mit vier Divisionen besetzt,
hinter denen nunmehr vier weitere Divisionen bereit standen. Nördlich
davon wurde der Ypernbogen damals vom XII.
Reservekorps - General v. Kirchbach - mit drei Divisionen
verteidigt, für deren Unterstützung gleichfalls drei Divisionen
vorgesehen waren. Südlich waren die Divisionen der Gruppe
Lille - II. bayerisches Armeekorps; General
v. Stetten - von zwei auf drei erhöht. Außer diesen
Verstärkungen war von der Heeresgruppe dafür gesorgt worden,
daß von der 6. Armee, die als entlastet gelten konnte, Artillerie,
Maschinengewehre, Luftstreitkräfte, Nachrichteninformationen, Pioniere
und Kolonnen bereitgestellt wurden. Auch bei der 4. Armee wurde an einer
großen rückwärtigen Stellung gearbeitet, der sogenannten
Flandernstellung. Sie konnte von ähnlicher Bedeutung werden, wie die
Wotanstellung hinter der Arrasfront; denn die Heeresgruppe war sich klar
darüber, daß der Feind sich nicht auf den Wytschaetebogen
beschränken, sondern seinen Angriffen nach dem ersten Auftakt weitere
Ausdehnung geben würde. Von der 2. und der 6. Armee zogen die
Engländer seit Anfang Juni Kräfte nach Norden ab. Es wurde also
mit einem Durchbruchsversuch großen Stils gerechnet, der bei einem Erfolg
weiter rückwärts endgültig aufgefangen werden
mußte.
Das gewaltige Artilleriefeuer seit dem 3. Juni12 zeigte, daß der Gegner den
Wytschaetebogen mit einer überwältigenden Masse von Batterien
umspannt hielt, die mit stärkstem Munitionsaufwand in den
beschränkten Innenraum der deutschen Stellung wirkten. Dabei sicherte
sich der Feind die Überlegenheit in der Luft durch den Einsatz von
zahlenmäßig weit überlegenen Fliegergeschwadern. Die
deutsche Artillerie war äußerst bedrängt, vermochte sich aber
durch wiederholtes Gasschießen Luft zu schaffen und damit auch die
Infanterie zu befähigen, gehäufte Streifunternehmungen der
Engländer erfolgreich abzuwehren, so besonders in der Nacht vom 5. zum
6. Juni.
Vom 6. Juni mittags an ließ der Gegner von der Bahn
Comines - Ypern bis über den
Douve-Grund südlich von Messines hinaus (Wytschaetebogen und
nächst angrenzende Front der Gruppe Lille) sein Zerstörungsfeuer
mit Trommel- [125] feuer wechseln. Am 7.
Juni, 3 Uhr früh, trommelte er mit stärkster Kraft, ließ
beiderseits der Bahn Comines - Ypern, bei St. Eloi und
westlich Messines Minen mit 500 000 kg Sprengstoff springen, etwa
10 bis 20 an der Zahl, die aber nur teilweise die vorderste Linie faßten, und
stürmte um 4 Uhr auf der ganzen Front des Wytschaetebogens und auf
beiden Douveufern an. Die moralische Wirkung des Schlachtbeginns auf die
Verteidiger war sehr groß. Trotzdem vermochte sich der rechte Flügel
des XIX. Armeekorps nordöstlich des Dorfes St. Eloi zu halten;
dagegen nahm der Feind die Höhen bei Wytschaete und von Messines. Am
Nachmittag machten zwei deutsche Eingreifdivisionen auf dem linken
Flügel gegen Messines einen kraftvollen Gegenangriff, stießen mit
einem englischen Tankangriff zusammen und konnten trotz anfänglicher
Erfolge die Lage nicht wiederherstellen. Die Verteidigung mußte in die
Sehnenstellung zurückgenommen werden, die von westlich Hollebeke nach
westlich Warneton verlief. Dahinter baute sich die deutsche Artillerie neu auf.
Südlich der Douve hatte die rechte Flügeldivision der Gruppe Lille
nur wenig Raum verloren.
Der Gegner hatte auf 16 km Frontbreite mit 10 bis 11 Divisionen angegriffen. In
der Nacht zum 8. Juni setzte er seine Angriffe, wenn auch nur streckenweise fort,
wurde aber abgewiesen. Am 8. Juni mittags verstärkte er wieder sein Feuer
und lief bis in die Nacht hinein gegen verschiedene Teile der neuen Front an, ohne
Gelände zu gewinnen. Am 9. Juni beschränkte er sich auf
Artilleriefeuer und ließ erst in der Nacht zum 10. Juni seine Infanterie
wieder gegen die deutsche Stellung vorfühlen. Offenbar hatte er
Schwierigkeiten in der Truppenbewegung durch das von den Sprengungen
aufgewühlte Gelände.
Der Schwung des feindlichen Angriffs war also sehr bald gebrochen. Trotzdem
wurde die Lage, namentlich im Hinblick auf die vorausgesetzte Verbreiterung des
Sturms nach Norden, keineswegs als günstig angesehen. Die
Sehnenstellung war unhaltbar, wenn der Feind ihr mit verstärkter Artillerie
näher rückte; sie hatte für die eigenen Batterien keine
Beobachtung. Wenn man nicht bis in die Flandernstellung und ihre Riegel auf der
Strecke Zanvoorde - westlich Werwicq - westlich
Linselles - Verlinghem - Pérenchies
zurückgehen wollte - was aber noch viele Vorbereitungen
erfordert hätte - mußte man vorwärts von ihr die
sogenannte Kanal - Lys-Stellung von Hooge östlich Ypern bis
Frélinghien besetzen. Die Stellung hatte streckenweise den Kanal
Comines - Ypern und die Lys vor sich, besaß aber ebenfalls
keine günstigen artilleristischen Kampfbedingungen.
Der Feind unternahm fürs erste keine großen Schläge. Bis zum
14. Juni beschränkte er sich auf Artilleriefeuer und Teilangriffe, unter
denen ein Kavallerievorstoß östlich Messines am 12. am
bemerkenswertesten war. Am 14. Juni abends trommelte er auf der ganzen Front
von Zillebeke bis Deulemont und griff zwischen Hollebeke und Warneton an,
vermochte aber nur die Vorposten [126] stellenweise etwas
zurückzudrücken. Schon am nächsten Tage waren diese
Geländeeinbußen größtenteils ausgeglichen. Am 16. Juni
ging er wieder zum Artilleriekampf mit kleinen Teilvorstößen
über und schwächte weiterhin seine Gefechtstätigkeit immer
mehr ab. In der Nacht zum 17. Juni wurde die
Kanal - Lys-Stellung von Hooge bis Frélinghien von den
deutschen Kräften endgültig bezogen.
Die nunmehrige Ruhe täuschte nicht darüber, daß der Gegner
in eifrigster Vorarbeitung zu einem neuen ausgedehnteren Angriff von Bixschote
bis Frélinghien begriffen war. Deutsche Artillerie und Flieger waren mit
größtem Nachdruck tätig, um die erkannten Batterien, Lager,
Munitionsniederlagen und Fesselballone zu bekämpfen. In der Erwiderung
des Artilleriefeuers hielt sich der Feind zurück.
Im Wytschaetebogen traf die mehr als doppelte englische Übermacht die
deutsche Verteidigung in höchst ungünstiger Lage. Beiderseits von
Artillerie umfaßt und von Sturmtruppen umschlossen mußte sie, auf
engem Raume zusammengedrängt, tagelang das stärkste Feuer
über sich ergehen lassen und wurde durch die elementare Gewalt der
mächtigen, seit zwölf Monaten vorbereiteten Sprengungen auf das
schwerste erschüttert. Trotz übermenschlicher Leistungen der
niedergekämpften Artillerie und der sich zähe anklammernden, stark
gelichteten Infanterie war keine Hoffnung, den Bogen zu halten; die
Gegenangriffe bei Messines führten in eine aussichtslose Lage hinein. Das
vergebliche Streben, sich nichts vom besetzten Gelände nehmen zu lassen,
wurde mit hohen Verlusten und nach feindlichen Angaben mit 7500 Gefangenen
und 50 verlorenen Geschützen teuer erkauft.
Zweifellos wäre es bei der großen Ungunst der Verhältnisse
und im Sinne der Grundsätze für die Führung der
Abwehrschlacht richtig gewesen, den Bogen frühzeitig zu räumen
und in die rückwärtige Stellung auszuweichen, die nunmehr trotz
ihrer Mängel nach hohen Einbußen bezogen werden mußte.
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