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III. Die deutsche koloniale Forderung

Es ist S. 46 ff. dargelegt, daß im Versailler Diktat Deutschland der Verzicht auf seine sämtlichen überseeischen Besitzungen aufgezwungen wurde unter Bruch des Vorfriedensvertrages, nach dem auf Grund der 14 Punkte des Präsidenten Wilson "eine freie, weitherzige und unbedingt unparteiische Schlichtung aller kolonialen Ansprüche" hätte erfolgen sollen, und daß dieses rechtswidrige Vorgehen durch die koloniale Schuldlüge bemäntelt wurde. Selbst bei der Verteilung der Mandate auf Grund der Völkerbundssatzung war Deutschland, das zunächst noch nicht dem Völkerbund angehörte, kein Mandat zugeteilt worden.

In der seit dem Kriegsende vergangenen Zeit schien es einen Augenblick, als ob Deutschland wieder in den Besitz von Kolonien in Gestalt von Kolonialmandaten kommen würde. Als von 1924 ab die Frage des Eintritts Deutschlands in den Völkerbund erörtert wurde, trat auch die Kolonialfrage in den Vordergrund. In dem Memorandum, das der damalige deutsche Außenminister Dr. Stresemann an die Ratsmächte des Völkerbundes richtete und in dem er die Voraussetzungen für einen etwaigen Eintritt in den Völkerbund darlegte, ist unter Nummer 4 gesagt: "Im Artikel 22 der Völkerbundssatzung heißt es, daß die Vormundschaft über unselbständige Völker denjenigen fortgeschrittenen Nationen übertragen werden solle, die sich auf Grund ihrer Hilfsmittel und ihrer Erfahrungen am besten dazu eignen. Seitdem verlorenen Krieg von jeder kolonialen Betätigung ausgeschlossen, erwartet Deutschland zu gegebener Zeit aktiv an dem Mandatssystem beteiligt zu werden."

Im Jahre 1925 kam es zu den Verhandlungen in Locarno, an denen auf deutscher Seite der Reichskanzler Dr. Luther und Reichsaußenminister Dr. Stresemann, auf englischer Seite Sir Austen Chamberlain, auf französischer Briand teilnahmen. Dabei brachte der deutsche Außenminister Dr. Stresemann wiederum Deutschlands Forderung auf aktive Beteiligung an dem Mandatssystem vor. Diese Frage wurde lediglich mündlich behandelt und nicht in das schriftlich geschlossene Locarnoabkommen aufgenommen. Immerhin enthält das englische Protokoll der Sitzung vom 8. November 1925 darüber folgenden Passus: "She (Germany) had mentioned the question of colonies. Her attitude was absolutely legitimate" (Es [Deutschland] hatte die Frage betr. Kolonien erwähnt. Seine Haltung sei durchaus legitim.)

[155] Die beiden deutschen Staatsmänner hatten Locarno in der Überzeugung verlassen, daß Deutschland auf Grund dieser mündlichen Verhandlungen Kolonialmandate erhalten würde. Der damalige Reichskanzler Dr. Luther wies in seiner Rede vom 23. November 1925 darauf hin, daß der Anspruch Deutschlands auf Kolonialmandate bei den Locarnoverhandlungen ausdrücklich anerkannt worden sei und sprach die Erwartung aus, daß diesem Anspruch auch praktisch Rechnung getragen werde. Vom englischen Auswärtigen Amt wurde dieser Auffassung widersprochen und erklärt, daß Chamberlain und Briand keine Zusage gegeben, sondern nur erklärt hätten, daß dies Sache des Völkerbundes sei und erst nach Deutschlands Eintritt in den Völkerbund spruchreif werden könne. Später hat dann der englische Minister Baldwin, als am 6. Juli 1926 die Frage im englischen Unterhaus erneut angeschnitten wurde, erklärt: "Es sei der deutschen Abordnung in Locarno mündlich mitgeteilt worden, daß Deutschland als Mitglied des Völkerbundes ebenso bei der Übertragung von Kolonialmandaten Anspruch erheben könne, wie jedes andere Völkerbundsmitglied. Es sei nicht richtig, wenn man annähme, daß der deutschen Regierung irgendein Versprechen oder eine Zusage gemacht worden sei." In noch schärferer Weise stellte Sir Austen Chamberlain im Jahre 1929 aus Anlaß von Anfragen im Unterhaus es in Abrede, daß der deutschen Abordnung in Locarno irgendwelche Zusagen gemacht seien und stellte die Sache so dar, daß die Übertragung von Kolonialmandaten über deutsche Kolonien an Deutschland praktisch nie in Frage gekommen sei und nicht kommen würde. Er gab am 22. April 1929 auf eine Anfrage des Abgeordneten Kenworthy im Unterhaus folgende Erklärung ab: "Die Mandate über die früheren deutschen Kolonialgebiete (welche vom Versailler Vertrag her stammen und nicht vom Völkerbund) wurden endgültig den gegenwärtigen Mandatsinhabern übertragen und es ist niemals, so viel ich weiß, irgendeine Anregung (Suggestion) gegeben worden, daß irgendeiner der gegenwärtigen Mandatare von seinen Verantwortlichkeiten befreit zu werden wünschte. Unsere Stellungnahme wurde Deutschland zur Zeit der Locarnokonferenz auseinandergesetzt und ist diese Darlegung seitdem mehr als einmal wiederholt worden. Wenn ein neues Mandat eingerichtet werden würde oder in dem unwahrscheinlichen Fall, daß ein bestehendes Mandat frei werden würde, würden wir bereit sein, den Anspruch Deutschlands ebenso wie einer jeden anderen Großmacht, die Mitglied des Völkerbundes [156] ist, zu berücksichtigen. Aber wir können hinsichtlich einer so hypothetischen Möglichkeit keine Verpflichtung im voraus übernehmen." Chamberlain fügte auf eine weitere Anfrage Kenworthys hinzu: "Die Sache hat tatsächlich nicht zur Erörterung gestanden seit, ich denke, den Locarnoverhandlungen und zweifellos haben seitdem Bezugnahmen darauf stattgefunden."

Diese Ausführungen englischer Staatsmänner fanden im deutschen Reichstag und in der deutschen Presse jeweils scharfe Kritik. Von deutscher amtlicher Seite (dem Reichsaußenminister Dr. Stresemann und später seinem Nachfolger Dr. Curtius) wurde der deutsche Anspruch auf aktive Beteiligung an dem Mandatssystem in Beantwortung von Anregungen und Anfragen, wie sie insbesondere der Verfasser dieses Buches in seiner Eigenschaft als Reichstagsabgeordneter bei der Behandlung des Etats des Auswärtigen Amtes im Reichstag regelmäßig vorbrachte, aufrecht erhalten. Zu amtlichen Verhandlungen zwischen deutschen Staatsmännern einerseits, den Mandatarmächten und dem Völkerbund andererseits auf Überlassung bestimmter Kolonialmandate an Deutschland ist es, soweit bekannt geworden ist, nicht gekommen.

Deutschland hat sieben Jahre, vom 10. September 1926 bis zum 14. Oktober 1933, dem Völkerbund angehört. Es waren in jeder Beziehung sieben magere Jahre. Wie in anderer, so war auch in kolonialer Hinsicht das Ergebnis dieser Zugehörigkeit sehr gering. Ein deutsches Mitglied wurde in den Ständigen Mandatsausschuß des Völkerbundes berufen, der ein gewisses Maß von Mitwirkung bei der Aufsichtführung über die Mandatverwaltung in den Kolonien hatte. Aber die Hauptwirkung, die Deutschland mit Recht von seiner Zugehörigkeit zum Völkerbund hatte erwarten müssen, blieb aus. Deutschland erhielt kein Kolonialmandat. Damit wurde die Diskriminierung Deutschlands auch in kolonialer Beziehung aufrecht erhalten.

Am 14. Oktober 1933 erklärte der Reichskanzler Adolf Hitler den Austritt Deutschlands aus dem Völkerbund, weil Deutschland die Gleichberechtigung in der Wehrfrage versagt wurde. Genau das gleiche galt auch in bezug auf die Kolonialfrage, wenn diese auch nach der gesamtpolitischen Lage nicht im Vordergrunde stand. Auch auf kolonialem Gebiet wurde Deutschland die Gleichberechtigung verweigert und nicht nur das, sondern durch den Ausschluß von der Beteiligung an der Mandatsverwaltung, welche nach Artikel 22 der Völkerbundssatzung den "fortgeschrittenen Nationen", die dafür am besten geeignet sind, übertragen werden sollten, wurde [157] Deutschland als minderwertig abgestempelt. Es liegt auf der Hand, daß eine große Kulturnation, die zudem auf kolonialem Gebiet bedeutendes geleistet hat, es nicht dulden kann, aus dem Kreise der kolonisierenden Nationen ausgeschlossen zu sein. Der Reichskanzler Adolf Hitler hat mit seiner Forderung nach Gleichberechtigung Deutschlands die einmütige Zustimmung des deutschen Volkes gefunden. Diese Forderung gilt genau so für das Kolonialgebiet wie für andere das Leben des deutschen Volkes berührende Fragen. Sie wird nicht verstummen bis sie Erfüllung gefunden hat.

Bei dem Anspruch Deutschlands auf Rückgabe seiner Kolonien handelt es sich um eine Forderung der deutschen Ehre. Die Wegnahme der deutschen Kolonien und Unterstellung unter fremde Mandatsverwaltung ist mit jenen S. 47 ff. charakterisierten Verleumdungen deutschen kolonialen Wirkens begründet worden. Es geht nicht an, daß das große deutsche Kulturvolk dauernd mit dem Makel behaftet bleibt, daß es als unfähig und unwürdig zum Kolonisieren aus dem Kreise der Kolonialmächte ausgeschlossen wird. Nur die Rückübertragung eigenen Kolonialbesitzes vermag Abhilfe zu schaffen.

Es handelt sich dabei weiter um eine Forderung des Rechts. Es ist S. 46 dargelegt worden, daß die Wegnahme der deutschen Kolonien einen Bruch des Vorfriedensvertrages darstellte. Bei Ausführung des letzteren müßte eine Regelung erfolgen, bei der Deutschland den ihm gebührenden Anteil an den Kolonialgebieten erhält.

Aber bei der deutschen kolonialen Forderung handelt es sich gleichzeitig um eine Lebensnotwendigkeit für das deutsche Volk. Der deutsche Bodenraum ist zu klein, als daß eine gedeihliche Entwicklung unseres Volkes gewährleistet wäre. Besonders für die deutsche Jugend ist ein weiteres Feld der Betätigung erforderlich, als es der zu enge heimische Boden zu bieten vermag. Wir müssen nicht nur unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten Kolonien haben; wir bedürfen ihrer, damit junge deutsche Menschen hinausgehen können, um ihren Gesichtskreis zu erweitern, um sich in fremdartigen Verhältnissen zu betätigen, um die Anschauungen anderer Völker richtig beurteilen zu lernen und Erfahrung in ihrer Behandlung zu erlangen. Draußen in den Kolonialgebieten kommt der junge Mann, besonders in den Kolonien mit großer Eingeborenenbevölkerung, schon frühzeitig in verantwortliche Stellungen. Das gilt nicht nur für diejenigen, die nach ihrer wissenschaftlichen und sonstigen Vorbildung auch in der Heimat ein größeres Arbeitsfeld finden würden, nicht nur für die geistigen, sondern auch für die [158] Handarbeiter. Dort, wo mit Eingeborenen gearbeitet wird, kommt ein jeder Deutsche[r] in eine solche verantwortliche Stellung. Er hat Farbige zur Arbeit anzuleiten oder bei dieser zu beaufsichtigen und wird damit für die Tätigkeit anderer verantwortlich. In den weiten Verhältnissen draußen ist der einzelne zudem meist viel mehr auf sich gestellt als in der Heimat. Das Wirken in den Kolonien stählt den Willen, entwickelt den Charakter. Diese koloniale Tätigkeit kommt in ihrer Wirkung auf die Entwicklung der draußen tätigen Deutschen auch dem gesamten Volk zugute, sowohl in bezug auf Willen und Charakter, wie in bezug auf politisches Denken. Selbst wenn es gar keine anderen Gründe gäbe dafür, daß Deutschland wieder Kolonien haben muß, so würde allein dies die Notwendigkeit überseeischen Besitzes beweisen, daß für die deutsche Jugend die Möglichkeit vorhanden sein muß, aus der heimischen Enge heraus zu kommen und sich in den Kolonien unter fremden Völkern und anders gearteten Verhältnissen zu entwickeln und zu stählen.

Es soll in diesem Zusammenhang auch hingewiesen werden auf die ungemein große Bedeutung, welche eigener Kolonialbesitz für die deutsche Wissenschaft und allgemein für die deutsche Kultur besitzt. So sind die deutsche Medizin und Heilmittelkunde durch die deutsche koloniale Tätigkeit in höchstem Maße befruchtet worden. Epochemachende Erfindungen von Heilmitteln gegen tödliche Seuchen und Krankheiten sind selbst noch nach der Wegnahme der deutschen Kolonien, aber ganz überwiegend auf Grund und in Verfolg unserer früheren ärztlichen und bakteriologischen Arbeiten und Errungenschaften in den Kolonien gemacht worden. Es sei hier verwiesen auf das Heilmittel gegen die Schlafkrankheit, das Germanin (Bayer 205), das die früher unheilbare Krankheit endgültig zu heilen vermag. Es sei weiter genannt Yatren 105, das wirksame Mittel gegen die furchtbare Amöbendysenterie, durch die früher viele den Tod gefunden haben, während andere sich in jahrelangem Siechtum hinquälen mußten, ohne der Krankheit Herr werden zu können. Das Mittel hilft gerade auch in solchen Fällen, in welchen das schon in den letzten Jahren vor dem Kriege erfundene Dysenteriemittel Emetin nicht wirkt. Endlich seien angeführt die beiden neuen Mittel gegen die Malaria, das Plasmochin und das Atebrin, die gerade in den Fällen wirksame Heilung ermöglichen, in denen das seit langem bekannte Chinin versagt oder aus besonderen Gründen nicht angewendet werden kann. Noch weitere Heilmittel für andere schwere Tropenkrankheiten [159] sind erfunden worden. Wer etwa das Institut für Tropenkrankheiten in Hamburg besucht, in dem manche der Mittel entwickelt und wohl alle ausprobiert sind, oder das Institut für ärztliche Mission in Tübingen, der wird erstaunen über die ungeheuren Fortschritte, die gerade deutsche Medizin im Bunde mit deutscher Chemie auf dem Gebiete der Bekämpfung tropischer Krankheiten erzielt hat. Sonstige Zweige der Wissenschaft haben die stärkste Bereicherung aus deutschem kolonialen Wirken gewonnen. Es mag hier nur hingewiesen werden auf Geographie, Geologie, Botanik, Zoologie, Anthropologie, Sprachwissenschaft. Die ohnehin aus finanziellen Gründen allzu spärlichen Reisen deutscher Gelehrter in fremde Kolonialgebiete vermögen keineswegs Ersatz zu bieten für die dauernde Tätigkeit von Gelehrten in eigenen Kolonien und für die sonst aus der Verwaltung großer Kolonien für die Forschung und Wissenschaft sich ergebender Möglichkeiten. Die Bedeutung eigenen Kolonialbesitzes erstreckt sich keineswegs nur auf die einzelnen Wissenschaftszweige, sondern auf die ganze deutsche Kultur. Wir haben den Eingeborenen unserer Kolonien die Segnungen deutscher Kultur, nicht zuletzt im Unterrichtswesen, sowie in der Krankheitsbekämpfung und Gesundheitspflege gebracht. Wie es im Interesse der Eingeborenen liegt, daß wir diese Tätigkeit wieder aufnehmen können, so bedürfen auch wir für die volle Entfaltung unserer deutschen Kultur einer Erweiterung unserer zu engen Bodengrundlage durch überseeische Besitzungen.

Bei dem Kolonialproblem handelt es sich aber auch um eine unbedingte wirtschaftliche Notwendigkeit. Unser Boden vermag nicht alle die Rohstoffe zu erzeugen, deren wir zur Erhaltung unseres Volkes bedürfen. Wir führen jährlich gewaltige Mengen von Rohstoffen und Nahrungsmitteln aus dem Auslande ein, und zwar zum großen Teil solche kolonialer Art aus überseeischen Ländern. Wir müssen eigene Gebiete in Übersee als Rohstofflieferanten haben, aus denen wir im Austausch mit der heimischen Volkswirtschaft und im Bereich der eigenen Währung Rohstoffe einführen können. Wie nach der Rohstoffseite ist nach der Absatzseite die Wiedererlangung eigenen Kolonialbesitzes für Deutschland notwendig. Die Lage hat sich gegenüber der Vorkriegszeit, in der wir uns in einem wirtschaftlichen Ausstieg befanden und gewissermaßen als Reserve ein großes, noch in den Anfängen der Entwicklung stehendes, Kolonialreich hinter uns hatten, außerordentlich verschlechtert. Der Weltkrieg und die darauf folgenden Zeiten haben zu einer Änderung [160] in der Struktur der gesamten Weltwirtschaft geführt. Die Absatzmöglichkeiten sind nicht nur durch die Weltkrise, sondern auch durch die Entstehung von Industrien in Ländern, die früher nur oder doch hauptsächlich Rohstofflieferanten waren, durch Zollmauern und Zollvergünstigungen (britische Ottawakonferenz vom August 1932), durch Konkurrenz von Ländern mit billigeren Arbeitskräften (Japan), durch Währungsschwankungen und Absinken der Währung in einer Reihe von Ländern außerordentlich beeinträchtigt. Der Besitz von Kolonien als sicheren Absatzgebieten hat angesichts dieser Entwicklung eine weit größere Bedeutung als früher.

Schließlich sind eigene Kolonien notwendig zur Erweiterung des deutschen Bodenraums für die Ansiedelung deutscher Volksgenossen. Daß in erster Linie die Siedlung im geschlossenen mitteleuropäischen Raum den Bedürfnissen der deutschen Volksentwickelung entspricht, liegt auf der Hand. Aber auch wenn alle Möglichkeiten der Binnensiedelung und der Ostsiedelung ausgenutzt werden, so besteht doch darüber hinaus Bedarf an Siedelungsland für Deutsche. Es hat seit jeher eine deutsche Auswanderung in überseeische Länder gegeben, die in manchen Zeiten eine außerordentliche Höhe erreichte. Es wird angesichts der Tatsache, daß nur beschränkter Raum in der Heimat für das an Zahl beständig zunehmende deutsche Volk zur Verfügung steht, auch weiterhin eine solche Auswanderung geben. Da ist es von größter Bedeutung für unser Vaterland, daß für solche Auswanderer die Möglichkeit der Niederlassung in deutschen Kolonien vorhanden ist. Nur in eigenen Kolonien ist die sichere Gewähr der dauernden Erhaltung des Deutschtums gegeben. Die Kolonialdeutschen stellen einen festen Bestandteil des deutschen Volkes dar, der deutsche Sitten, Sprache, Kultur, deutsche Einrichtungen auf überseeische Gebiete überträgt. So sind Ansiedelungsgebiete in deutschen Kolonien eine Verstärkung des Deutschtums in der Welt und eine Erweiterung der Lebensbasis für das deutsche Volk.

Daß für Ansiedlung von Deutschen geeignete große Flachen in den uns entrissenen Kolonien vorhanden sind, ist über jeden Zweifel erhaben. Es liegt die Tatsache vor, daß sowohl im subtropischen Südwestafrika, wie auf den Hochflächen von Deutsch-Ostafrika eine Anzahl von Tausenden von Deutschen leben und arbeiten, daß dort deutsche Familien vorhanden sind, deren Kinder gedeihen, und daß überhaupt die Voraussetzungen für dauernde Siedlung dort gegeben sind. Das gilt für den größten Teil von Südwestafrika, das gilt für die ausgedehnten Höhengebiete Deutsch-Ost- [161] afrikas, ebenso trifft das zu für die Höhengebiete Kameruns, wenngleich dort noch nicht in dem Maße praktische Erfahrungen mit deutschen Siedlern vorliegen wie in den erstgenannten beiden Kolonien. Die klimatischen und gesundheitlichen Verhältnisse sind in jenen Kolonialgebieten solche, daß der Europäer dort dauernd leben und arbeiten kann. Sie bieten Raum für sehr beträchtliche Zahlen deutscher Volksgenossen.

Es ist dargelegt worden, daß die Wiedergewinnung ausgedehnter Kolonien eine Lebensnotwendigkeit für das deutsche Volk ist. Gerade hierin liegt die Gewähr dafür, daß die kolonialen Forderungen Deutschlands einmal Erfüllung finden werden. Für die Verbreitung dieser Erkenntnis im deutschen Volk und für die Pflege und Ausbreitung des kolonialen Gedankens überhaupt, sowie für die Erhaltung des Deutschtums in den unter fremder Mandatsverwaltung stehenden Kolonien wirken die kolonialen Verbände, welche seit 1933 im Reichskolonialbund (Präsident Dr. Schnee) zusammengefaßt sind. Es sind dies außer der Deutschen Kolonialgesellschaft (s. S. 9) hauptsächlich der Kolonialkriegerbund (Präsident Reichsstatthalter General Ritter von Epp), der Frauenbund der Deutschen Kolonialgesellschaft (Vorsitzende Frau von Boemcken), der Frauenverein für Deutsche über See (Rotes Kreuz, Vorsitzende Ihre Hoheit die Herzogin Adolf Friedrich zu Mecklenburg), der Kolonialkriegerdank (Vorsitzender Se. Hoheit Herzog Adolf Friedrich zu Mecklenburg). In der Reichsleitung der NSDAP., deren Programm unter Nr. 3 lautet: "Wir fordern Land und Boden (Kolonien) zur Ernährung unseres Volkes und Ansiedlung unseres Bevölkerungsüberschusses" ist für die Behandlung aller kolonialpolitischen und kolonialwirtschaftlichen Fragen innerhalb der nationalsozialistischen Bewegung und ihrer Presse als entscheidende Stelle das Kolonialpolitische Amt unter Leitung des Reichsstatthalters General Ritter von Epp errichtet worden.

Die kolonialen Lebensnotwendigkeiten des großen deutschen Volkes werden allmählich auch von den anderen Nationen als solche erkannt und anerkannt.

Bei Kriegsende ging die Absicht unserer damaligen Kriegsgegner dahin, die Deutschen überhaupt auszuschließen aus den Kolonialgebieten, nicht nur aus den eigenen Kolonien jener Mächte, sondern auch aus den deutschen ihrer Mandatsverwaltung unterstellten Schutzgebieten. Diese Absicht ist nur wenige Jahre hindurch verwirklicht worden. Es zeigte sich bald, daß die fortdauernde Fern- [162] haltung unserer Volksgenossen weder den Interessen der Kolonien, noch den Interessen der Kolonialmächte selbst entsprach. Man hat die Deutschen schließlich überall wieder zugelassen, sowohl in den fremden Kolonien wie in den Mandatsgebieten.

Wie in der Frage der Zulassung von Deutschen in den Kolonien und Mandatsgebieten die Meinung in den beteiligten Ländern sich seit Kriegsende geändert hat, so ist auch die Meinung in bezug auf die Ausschließung Deutschlands aus der Kolonisation überseeischer Länder in Änderung begriffen. Während es im Anfang mit Verbrämung durch die koloniale Schuldlüge hieß: Deutschland darf niemals wieder Kolonien haben, sind derartige Rufe, wenigstens in den Äußerungen von Staatsmännern und in den Presseorganen von Bedeutung verstummt. Dagegen sind immer mehr Stimmen hervorgetreten, welche die Weisheit der Ausschließung Deutschlands bezweifeln und unter Berufung auf die Interessen des eigenen Landes oder des gesamten Europa einer Wiederbeteiligung Deutschlands an überseeischer Kolonisation das Wort reden. Es soll hier auf Einzelheiten nicht eingegangen werden, wenngleich manche gewichtige Stimmen und besondere in solchen Äußerungen zutage tretende Gesichtspunkte angeführt werden könnten. Jedenfalls läßt es sich nicht bezweifeln, daß auch in den meisten Ländern, welche mit Deutschland im Kriege waren, in immer weiteren Kreisen die Meinung im Wachsen ist, daß ein dauernder Ausschluß des deutschen Volkes von überseeischer Kolonisation keineswegs durch die Interessen der anderen Nationen erfordert wird, sondern daß eine Wiederbeteiligung im Gegenteil im Gesamtinteresse der Kulturnationen liegt.

Man darf die Augen nicht davor schließen, daß eine gewisse Abschwächung dieser Stimmen neuerdings gerade in solchen Kreisen mancher Länder stattgefunden hat, die besonders geneigt erschienen, auch in kolonialer Hinsicht einer Revision des Versailler Diktats das Wort zu reden. Es hat bei der deutschen Revolution eine neue Hetze in verschiedenen Ländern eingesetzt, die sich auf Vorgänge und Entwicklungen in Deutschland bezieht, über die man im Ausland vielfach nicht ausreichend unterrichtet ist oder gegen die aus grundsätzlich anderer Weltanschauung heraus bei vielen Ausländern Bedenken bestehen. So sind insbesondere in England gerade diejenigen Kreise, welche seither den deutschen Ansprüchen am günstigsten gegenüberstanden, in solche andere Auffassung hineingezogen worden. Hierbei handelt es sich aber großenteils um [163] Stimmungen, die vorübergehend sein dürften. Man wird sich allmählich in allen Ländern darüber klarwerden, daß Frieden und Verständigung die Ziele des deutschen Volkes sind, allerdings auf der Grundlage der Gleichberechtigung, die einem großen Volk auf die Dauer nicht versagt werden kann. Zu dieser Gleichberechtigung gehört auch die Gleichberechtigung auf kolonialem Gebiet. Auch diese Forderung wird sich durchsetzen.






Die deutschen Kolonien vor, in und nach dem Weltkrieg
Dr. Heinrich Schnee, Gouverneur i. R.