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[Bd. 5 S. 275]
Fritz Reuter, 1810-1874, von Gerhard Ringeling

Fritz Reuter.
[272b]      Fritz Reuter.
Es gibt kaum einen Dichter, von dem wir dank einer eindringlichen wissenschaftlichen Forschung so viel wissen, wie von Fritz Reuter, und der uns doch das Tiefste seines Lebens so keusch verhüllt. Wie so oft beim Humoristen, hat man den Schöpfer mit seiner Schöpfung verwechselt. Die Welt, die der Dichter schafft, wird durchleuchtet von der Sonne des Humors: sein eigenes Leben aber war nicht humorvoll, sondern tragisch. Die meisten Mitlebenden kannten ihn in einer bestimmten Umwelt, wenn er sich entspannte im fröhlichen Kreise, kannten den geistreichen Gesellschafter, der das sprühende Feuerwerk des Witzes liebte und den Rausch, der in solchen Stunden aus den Bechern steigt und das Leben glühender, leuchtender macht. So entstand die Reuterlegende von dem biederen, behaglichen Stammtischerzähler. Aber unser Volk hat ein Sprichwort: Hausteufel – Wirtschaftsengel. Die Freunde, die auch um die andere Seite seines Lebens wußten, schwiegen, voll Mitleid und Trauer, denn sie hatten ihn lieb. Sie wußten, daß Reuter, der Mensch, nicht jovial und gemütlich war, sondern eine im tiefsten Grunde dämonische Persönlichkeit, bei aller inneren Güte voller Härten und Brüchigkeiten. Ein Mensch, der sein Leben in unerhörten Spannungen durchlebte und schwer mit dem Dämon in der eigenen Brust rang.

Die weit verbreitete Vorstellung von dem jovialen Stammtisch-Reuter ist unwürdig des größten Dichters unserer mecklenburgischen Landschaft, eine kränkende Herabziehung des genialen Schilderers unseres Volkstums auf die Ebene des Kleinbürgers. Wir wollen ihn ohne diese Maske sehen. Der Mensch, der hinter ihr steckt und seine wirkliche Lebensleistung erscheinen nur um so größer und ehrwürdiger.

Reuter wurde am 7. November 1810 in dem mecklenburgischen Landstädtchen Stavenhagen geboren, das damals 1200 Einwohner zählte. In seiner Skizze "Meine Vaterstadt Stavenhagen" erscheint die Kindheit, mit den Augen der Erinnerung gesehen, als eine Idylle. Aber das Leben dieses kleinen Ortes nach den furchtbaren Zeiten der französischen Invasion und der Befreiungskriege war alles andere als idyllisch. Es war ein unerbittlich harter Kampf um die nackte Existenz, um so schwerer, als zu Beginn der zwanziger Jahre die englische

Der Vater Fritz Reuters.
[277]      Der Vater Fritz Reuters.
Nach einer Zeichnung seines Sohnes.

[Bildquelle: Gerda Becker, Berlin.]
Zollpolitik fast mit einem Schlage die Kornpreise auf ein Nichts zusammenschrumpfen ließ. Seit dem Jahre 1808 war "Triebfeder und Unruh in der Uhr des städtischen Lebens und – was mehr sagen will – auch ihr Pendel und Regulator" der Vater des Dichters Johann Georg Reuter, der Sohn eines Predigers aus Dehmen bei [276] Sternberg. Er soll aus einer um ihres Glaubens willen vertriebenen Salzburger Familie stammen. Wir besitzen sein Bildnis von der Hand des Sohnes. Auf ihm wirkt er wie ein friderizianischer Offizier oder Minister. Man spürt etwas von der Gesammeltheit, von der Gehaltenheit, kurzum, von dem Lebensstil dieses Mannes. Und wie ein kleiner, aufgeklärter Despot führte er das Ruder des Gemeinwesens. Er war nicht beliebt. Dazu war er zu schroff, eigenmächtig und halsstarrig, wie selbst seine Freunde von ihm bekennen. Wohl aber geachtet ob seiner Energie, seiner unermüdlichen Arbeitskraft und seiner Pflichttreue. Klug und beharrlich führte er das richtig Erkannte in zäher Arbeit und auf weite Sicht hin durch und wies neue Wege, wo andere in dumpfer Verzweiflung die Dinge laufen ließen. Neben seinem Bürgermeisteramt betrieb er eine ausgedehnte Ackerwirtschaft und unternahm das damals unerhörte Wagnis, diese auf den Anbau von Krapp, Waid, Gewürz und Färbepflanzen umzustellen und, als seine Versuche gelangen, auch die nötigen Fabrikanlagen für die Ausnutzung seiner Wirtschaft zu errichten. Ein Mann, dessen ganzes Streben auf Erwerb gerichtet ist. In stetem Kampf mit seiner leidenschaftlichen Natur. Mißtrauisch, aufbrausend und doch wieder sachlicher Darlegung zugänglich. Nach außen hin hart, kalt und streng und doch ganz tief innen von einer Güte, die seltsam rührt, weil sie so scheu und versteckt ist. Sein Leben ist trotz aller Erfolge glücklos, melancholisch. Das Schicksal gab ihm viel und versagte ihm den heißesten Wunsch seines Herzens. Er wurde reich, seine Einnahmen schätzte man in späteren Jahren auf 8000 Taler, sein Vermögen bei seinem Tode auf 100 000 Mark nach unserem Gelde; aber seine Ehe war ohne Glück. Nach der Geburt eines zweiten Sohnes, der bald wieder starb, blieb die Mutter gelähmt. Vom Lehnstuhl oder vom Bett aus leitete sie mit Hilfe ihrer Schwester den weitläufigen Haushalt, selber unermüdlich mit Handarbeit tätig. Eine natürliche Tochter brachte der Bürgermeister mit in die Ehe, eine zweite wurde später geboren. Beide wurden mit dem Bruder und dessen beiden verwaisten Vettern im Hause erzogen. Seine Frau konnte das tragen, denn sie hat ihren Mann sehr lieb gehabt. Ihre letzten Worte an den Gatten lauteten: "Ja, ja, mein Reuter, du mein Mann, mein Herz und meine Liebe, Dein!" Auch der Bürgermeister war seiner Frau gegenüber stets freundlich und rücksichtsvoll. Aber eine Ehe war es trotz alledem nicht, die er führte.

Einer hat diesen Mann geliebt wie kein anderer und hat ihm doch den tiefsten Schmerz bereitet: das ist der Sohn. Und der Vater wiederum liebte den Knaben als den Erben seines Werkes. Welche unerbittliche Tragik offenbart der Briefwechsel zwischen den Beiden. Ein verzweifelter Kampf zweier Menschen, die sich lieb haben und doch nicht zueinander können. Mißtrauen, Verständnislosigkeit bei aller Langmut, Härte und schließlich ein stummes Sichabwenden auf seiten des Vaters; Ausweichen vor der Forderung des anderen, Verstellung, Unwahrhaftigkeit bis zu grausigem Zynismus auf seiten des Sohnes, für den doch [277] Johann Georg Reuter, dieser ernste, schmallippige Mann, fordernd wie richtend, Maßstab seines oft irren Lebens blieb.

Das ist das tiefste Erlebnis des Dichters. Und seltsam, wie der reife Reuter seinem Vater nachartet! Von der Mutter stammen seine musischen Züge. Sie führt schon den Knaben in die Welt unserer Dichter ein. Vor allem aber dankt er ihr jenes lebendige Christentum, von dem wenig gesprochen wird, das man aber vorlebt.

Der Kampf zwischen Vater und Sohn beginnt in dem Augenblick, wo der Knabe nach mancherlei Unterrichtsversuchen bei allerhand Dilettanten auf die höhere Schule kommt. Berücksichtigt man den verworrenen Bildungsgang, so hat Fritz eigentlich mehr geleistet, als der Vater billigerweise von ihm verlangen konnte. Schließlich bestand er doch, wenn auch dürftig, ein halbes Jahr früher, als erwartet, seine Abgangsprüfung. Auf der Schule schon, in Friedland und dann in Parchim, erkennt man eins: der Knabe drängt in die Welt künstlerischen Gestaltens. Maler will er werden; er schreibt den besten Aufsatz – vielleicht spukt in ihm schon die Idee des Dichters –; sonst möchte er Baumeister werden. Bei allem aber stößt er auf schroffe Ablehnung des Vaters. Und das ist nicht einfach Engstirnigkeit; hier spricht ein Tieferes, eine Grundeinstellung des ostelbischen Menschen überhaupt. Unser Land bringt Staatsmänner, Soldaten und Männer der Wirtschaft hervor. Diese Berufe – besser Stände – werden gewertet. Und wiederum ist es merkwürdig zu sehen, wie auch beim Dichter diese Züge hervortreten. Ut mine Stromtid, Reuters Hauptwerk, schildert ein wirtschaftliches Thema: den Kampf um Grund und Boden, um die Scholle. Als Reuter, der Dichter, berühmt wird, entwickelt sich bei ihm eine naive Freude am Geldverdienen. In seiner Vermögensverwaltung zeigt er sich als zählederner, nüchterner Geschäftsmann, der um sein Honorar handelt und feilscht wie ein Hansekaufmann. Damals aber als Schüler, und bald darauf als Student, beginnt jene Periode des Spielens mit dem Leben: von außen gesehen ein Hang zum Bummeln und frühzeitig – mindestens seit seinem Studium in Rostock – eine Neigung zum Trunk. Bei tieferer Schau erkennen wir, daß das Streben, das bei seinem Vater in den Erwerb und die Gestaltung des kleinen Gemeinwesens hineinschlägt, ihn in das Abenteuer drängt. Der Dämon in seiner Brust hetzt ihn, so viele Menschenschicksale in sich [278] aufzunehmen wie möglich, weil dann sein Ich, von dieser Lebensmelodie angerührt, zu tönen beginnt. Er spielt, weil er nicht imstande ist, das, was ihn erfüllt, zu gestalten.

Es kann nicht anders sein: der Vater sieht in diesem Bummeln nur das Ausweichen vor der Pflicht, vor der Arbeit. Mißtrauisch setzt er dem Sohn Wächter und Aufpasser. Der leidet unter dem Argwohn. Ganz dumpf spürt er, daß er bei allem Fehl doch auch wohl recht hat, spürt aber zugleich, wie der Vater im Recht ist. Denn viel zu tief ist er ja dessen Sohn, als daß er – wie es die Romantiker damals so gerne taten – die Welt des Bürgers verachten kann. Er ahnt nicht, daß das Schicksal ihm sehr bald die furchtbare Wirklichkeit der großen Lebensmächte Staat und Geld in ihrer gnadenlosen Härte zeigen wird.

Die Semester in Rostock waren verspielt und vertan. Davon mußte sich der Vater bei der Heimkehr des Sohnes überzeugen. Schulden, die er verschwiegen hatte und nun beichten mußte, führten zu heftigen Auftritten. Endlich willigte der Vater ein, daß Fritz studieren könne, wo er wolle, nur müsse er mit jährlich 300 Talern auskommen und in drei Jahren das Examen machen. – Wenn man sich die Langmut vor Augen führt, mit welcher der Vater hier und auch später immer wieder dem Sohne verzeiht und die Möglichkeit eines neuen Anfangens gibt, so ahnt man, daß dem leidenschaftlichen Manne doch wohl ein tieferes Wissen eignete um die dämonische Triebnatur seines Sohnes. Auch er erscheint nach der spärlichen Kunde, die wir von ihm haben, als ein Getriebener. Er hatte den Dämon in seiner Brust gebändigt, abgeleitet in die Arbeit. – Arbeit ist es, die er immer wieder dem Sohne empfiehlt. Über eins nur ist er sich nicht klar: daß für diesen gar kein Feld fruchtbarer Tätigkeit besteht. Seine, des Vaters, rastlose Tätigkeit trug ihren Sinn in sich: das Regiment der kleinen Stadt, die er langsam aus dem Elend emporhob, seine Tätigkeit in der Wirtschaft. Fritz aber wollte nicht Jurist werden; und dieser sein Wille war ebenso stark wie der äußere Zwang des Vaters, der ihn in diese Bahn drängte. So blieb das Studium für ihn nur ein verhaßtes Sichbeladen mit ödem, formalem Wissen. Und abseits lockte das Leben mit seinen bunten, gefährlichen Weiten.

Die deutschen Hochschulen waren damals erfüllt von gärender Unruhe. Die große Idee der Einheit der Nation ließ die Herzen erglühen. Man war revolutionär, Republikaner aus Überzeugung, weil man nur auf diesem Wege das Reich schaffen zu können glaubte. Man verkannte die große Realität der Macht; man verkannte vor allem, daß die Frage der deutschen Einheit keine deutsche, sondern eine europäische sei. Erst der große Realist Bismarck war berufen, Traum und Sehnsucht jener Generation in schwerem Kampf mit den starken, politischen Gegebenheiten in die Wirklichkeit umzusetzen. Daß Reuter der schwärmerischen Sehnsucht seiner Zeit verfiel, wen will das wundern? Es waren die Besten unserer Jugend, die damals diesen Weg gingen. Aber der dereinstige Dichter war kein Politiker. Er hat wirklich – wie er später vor dem Richter aussagte – sich im [279] eigentlichen Sinne nicht politisch betätigt. Er schwamm mit in dem bewegten, freien Burschenleben, war beteiligt an einer Anzahl von im Grunde genommen harmlosen Studentenstreichen. Schon damals führte er den Namen "Bierreuter". Die Kollegs blieben ungehört, und schließlich kam er nur eben um eine Relegation herum. Wieder rief ihn der Vater nach Hause. Und noch einmal gestattet er ihm, diesmal auf die Universität Berlin überzusiedeln.

Inzwischen aber hat die politische Lage sich jählings verändert. Der törichte Anschlag der Studenten auf die Frankfurter Stadtwache im April 1833, hatte den Staat gegen die Burschenschaft mobil gemacht. Die Immatrikulation wird ihm verweigert; die ersten Verhaftungen waren erfolgt. Um ihnen zu entgehen, war Reuter nach Leipzig geflüchtet. Von dort ruft ihn ein angstvoll dringendes Schreiben seines Vaters zurück. Und nun ist's, als ob der Dämon ihn seinem Schicksal entgegentriebe. Er wählt den Rückweg über Berlin, verweilt dort, trotzdem er um die Gefahr weiß, und wird am 31. Oktober 1833 verhaftet. Und damit gerät er in die furchtbare Maschinerie der staatlichen Macht. Sein Spiel mit dem Leben endet mit einem "Verspielt". Er wird zum Tode verurteilt, dann zu dreißigjähriger Festungshaft, die späterhin auf acht Jahre abgekürzt wird, begnadigt. Was er dort erlebt und erlitten hat, steht nicht in der Festungstid. Man muß es lesen in den Briefen an den Vater. Und man muß es verstehen, zwischen den Zeilen zu lesen. Denn selbst hier bleibt Tiefstes verschwiegen: daß er dem Trunk verfällt, die grausige Zerrissenheit zwischen dem Bewußtsein des Abgleitens, wildem Taumel und verzweifeltem Sichtreibenlassen. Als er nach zuletzt milder Haft in Dömitz in das väterliche Haus zurückkehrt, ist er ein Zerbrochener: krank, dem Trunke ergeben, belastet mit dem Bewußtsein, die sieben besten Jahre seines Lebens verschüttet zu haben. Der Versuch des Vaters, ihn noch einmal auf die Universität zu schicken, endet mit der Katastrophe von Heidelberg, von wo er den Sohn zwangsweise zurückholen lassen muß mit der Drohung, ihn in eine Anstalt zu bringen. Schon in Dömitz hat ihn der Vater zu einem Verzicht auf sein Erbe veranlaßt. Als dieser im Jahre 1845 am Krebs stirbt, erklärt er ihn in seinem Testament für einen Trinker und bestimmt, daß er von dem Pflichtteil von 4750 Talern nur die Zinsen beziehen und deren verlustig gehen soll im Falle einer Heirat. Der Vater hat den Schlußstrich gezogen unter das – wie er glaubt – verfehlte Leben seines geliebten Sohnes.

Neun Jahre weilt Reuter von nun an auf dem Lande, zuerst bei seinem Onkel, dem Pastor in Jabel, wo er seelisch langsam gesundet in der friedevollen Atmosphäre eines evangelischen Pfarrhauses. Dann lernt er bei dem trefflichen Gutspächter Rust Landwirtschaft. Doch zu einer Pachtung fehlt ihm das Vermögen und auch die stetige, wirtschaftliche Haltung, die der Landmann nun einmal braucht. So hat es den Anschein, als ob er den Rest seines Lebens als einer jener schrulligen alten Onkel bei Verwandten und Freunden zuzubringen habe, wie sie damals auf so vielen mecklenburgischen Gütern zu finden waren: Lebenswracks, die man mit durchschleppte.

Zeichnung von Fritz Reuter.
[281]      Zeichnung von Fritz Reuter: Die Familie des Pastors Augustin auf Reisen.

Luise Reuter.
Luise Reuter.
Kreidezeichnung von Fritz Reuter, ca. 1850.
[Nach wikipedia.org.]
[280] Da begegnet er den beiden Menschen, deren Glaube und tätige Hilfe das allgemeine Urteil "ut em ward nicks" Lügen strafen sollten: Fritz Peters, dem Schwager seines Lehrherrn, und der Pastorentochter Luise Kuntze. Der Dichter steht an der Wende seines Lebens. Kein Zweifel – die Frau, zu der er sich jetzt flüchtet, hat dem deutschen Volke den Dichter gerettet. Von jetzt an beginnt bei Reuter der heroische Kampf, aus seinem Leben, so, wie es nun einmal geworden ist, das Beste zu machen. Für Luise Kuntze war der Entschluß, sich diesem Manne anzuvertrauen, ein Stück Heldentum der Liebe. Nicht blind ging sie ihrem Schicksal entgegen; nicht leicht erhörte sie sein Werben. Daß diese beiden Menschen zueinander fanden, daß die Ehe nicht gleich zu Beginn in Scherben ging, ist das Verdienst des treuen Fritz Peters. Er wagte es, vor der Hochzeit die Braut an des Dichters Krankenbett zu führen, unmittelbar nachdem dieser eine seiner furchtbaren Attacken überstanden hatte. Und die waren grauenvoll.

Hier muß einmal über das Wesen von "Fritz Reuters Trunksucht" gesprochen werden. Der Dichter war in dem damals trunkfreudigen Alt-Mecklenburg ein gewaltiger Zecher. Das waren andere auch und wurden trotzdem nicht aus der Bahn geworfen. Bei ihm kam aber ein Zweites hinzu: Von Zeit zu Zeit überfiel ihn der Trunk in der Form einer Süchtigkeit. Beides muß man auseinanderhalten. Diese letztere Erscheinung beginnt mit einer krankhaften Reizbarkeit und Verdüsterung seines gesamten Seelenlebens. Er trinkt nicht aus Freude am Trinken, sondern um sich zu betäuben, aus einem Gejagtwerden, ohne daß der Alkohol seine eigentliche Wirkung tut. Dieser letztere Zustand entwickelt sich oft aus dem gewöhnlichen Zechen, tritt aber vielfach auch nach Wochen und Monaten völliger Abstinenz ein. "Wenn in solchem Anfall endlich die Natur reagierte", – berichtet Fritz Peters – "so marterte furchtbare Todesangst den Gequälten; er war jedesmal des sicheren Glaubens zu sterben, und wer ihn sah, glaubte, er habe recht. Kam er dann zu sich, so war sein Gemüt verwüstet, sein Magen krank; er nahm nichts an als Sodawasser, gekochtes Backobst, etwas schleimige Nahrung. Plötzlich entwickelte sich dann aber die ganze Heilkraft seiner riesigen Natur. Mit ungeheurer Eßlust stellte er sich wieder her. Sein Geist lebte wunderbar auf; seine höchsten Gaben entfalteten sich."

An immer wiederkehrenden, inneren Verstimmungen hat Reuter schon als Schüler gelitten. In Jena haben sie ihn zu ausschweifendem Zechen verführt. Der letztere, pathologische Zustand ist das Ergebnis seelischer und physischer Qualen während der Festungszeit. Schuld und Schicksal erscheinen hier untrennbar verschlungen. Jedenfalls hat der Dichter sein Tun stets als Schuld empfunden. Er ist auch seinen Dämon in der Ehe nicht losgeworden. Dieser wich von ihm erst nach jenem, von rastloser Tätigkeit erfüllten Jahrzehnt, in dem er seine Meisterwerke schuf, mit dem Erlöschen seiner Schöpferkraft: damit andeutend, daß er schicksalhaft, dunkel irgendwie mit dem Genius in Verbindung stand, daß er mehr war als ein Laster oder eine Krankheit.

[281] In die Zeit seiner landwirtschaftlichen Lehrjahre gehen nun die ersten literarischen Entwürfe zurück, so eine hochdeutsche Vorstufe zur Stromtid, zur Festungstid, zur Reis' nah Belligen und zur Franzosentid neben kleineren Arbeiten. Daneben regt der Genius seine Schwingen in den Briefen, die aus dieser Zeit stammen. Sie sind in ihrer Durchgeformtheit, ihrer plastischen Anschauungskraft eigentlich schon halbe Kunstwerke, Vorstudien, in denen der künftige Poet zum erstenmal die Umwelt zu gestalten versucht. Was all diesen Fragmenten fehlt, ist die epische Gelassenheit. Das Ich des Dichters hat noch keinen Abstand gewonnen zu den Zuständen und Persönlichkeiten, die er schildert; der Humor geht noch auf Stelzen und entbehrt der schelmischen Trockenheit; er quillt nicht aus aus jener inneren Weltschau, die dem Niederdeutschen nun einmal eigentümlich ist.

Überhaupt – als Grundlage einer Existenz kommt schriftstellerische Tätigkeit nicht in Betracht, wenn sie auch nebenher ins Auge gefaßt wird. Darum handelt es sich jetzt, wo der Dichter ein Heim schaffen will für die geliebte Frau. Er muß ganz von vorne anfangen. Der große Vergeuder muß lernen, wie schwer es ist, nur den Lebensunterhalt zu erwerben. Alle hochgespannten Pläne wirft er über Bord; nur der enge, geflickte Rock des Schulmeisters ist das, was ihm bleibt. In dem kleinen pommerschen Städtchen Treptow läßt er sich als Privatlehrer nieder.

Im Jahre 1851 wurde Reuter getraut, und die beiden nächsten Jahre waren der Gründung und dem Ausbau einer Lebensstellung gewidmet. Sie war bescheiden und mußte in harter Arbeit verdient werden. Dann aber erfolgt jene [282] schicksalhafte Wendung im Leben, die wir bezeichnen können als die Begegnung Reuters mit der Sprache der Heimat.

Gewiß ist er zu seinen Läuschen un Rimels angeregt worden durch Claus Groths Quickborn. Gewiß handelte es sich für ihn zunächst wirklich nur darum, sich eine Einnahme zu verschaffen, als er jenes Büchlein mit plattdeutschen Schnurren herausgab. Aber es war wie bei einem Rutengänger, der über eine verborgene Quellader hinschreitet. Vielleicht, daß er selber erschrickt über den jähen Ausschlag der Rute. Der Quell in der Tiefe ruft, ohne daß er ahnt, was ans Tageslicht treten wird.

Der Erfolg des Büchleins war wunderbar. Schon nach sechs Wochen wurde eine Neuausgabe erforderlich. Rasch folgen Polterabendgedichte in hoch- und niederdeutscher Mundart und der erste tastende Versuch zu epischer Darstellung in De Reis' nah Belligen. Der Dichter hat das Feld seiner Arbeit gefunden, die ihn nach des Vaters Glauben erlösen würde. Und er begreift: seine Stunde ist gekommen; noch einmal bietet ihm das Schicksal eine letzte Chance. So wird er der fleißigste Schriftsteller, den es gibt. Vielleicht ahnt er, daß seine Zeit bemessen ist. Jahr für Jahr in unerschöpflicher Fülle, aber gleichzeitig in steigender Vollendung, türmt er Werk auf Werk: 1855/56 Meine Vaterstadt Stavenhagen neben den meist hochdeutschen Beiträgen in dem Unterhaltungsblatt für beide Mecklenburg und Pommern, das er kurze Zeit herausgibt, 1857 Kein Hüsung, die Tragödie eines mecklenburgischen Tagelöhners. Mit seinem Werk Ut de Franzosentid vom Jahre 1859 erreicht er zum erstenmal den Gipfel der Vollendung. In der reizenden Vogel- und Menschengeschichte Hanne Nüte un de lütte Pudel wird ein Stück altmecklenburgischen Handwerkertums geschildert. Dann zieht er mit der Festungstid eine Brandmauer vor der dunklen Tiefe, durch die sein Lebensweg lief, und gewinnt so die Kraft, in seinem großen Epos Ut mine Stromtid die Welt des mecklenburgischen Gutes aufzubauen. Mit Dörchläuchting kehrt er noch einmal zur geschichtlichen Dichtung zurück. Die sinkende Gestaltungskraft kündet sich an in einem Humor mit leise grotesken Zügen. Noch zwei Werke folgen: De Reis' nah Konstantinopel und De Urgeschicht von Meckelborg. Damit ist der Kreislauf seines Schaffens erfüllt. Der Dichter schweigt. Lieber will er aufhören, "als seinen Lesern Birnen vorsetzen, die teigig geworden sind".

Entscheidend ist für Reuter die Hinwendung zum Niederdeutschen. Alle bisherigen dichterischen Ansätze waren mehr oder minder steckengeblieben. In dem Augenblick, wo er beginnt, plattdeutsch zu schreiben, ist es, als ob die Sprache ihn trägt. Er gewinnt jene große Gelassenheit des Erzählers von Gottes Gnaden. Erst der sinnliche Reichtum des Plattdeutschen, dem für das Abstrakte überhaupt weitgehendst der Ausdruck fehlt, gibt seiner Schilderung jene Plastik und Schärfe, hinter der das Ich des Erzählenden verschwindet, so daß es ist, als ob wir unmittelbar mit den Augen des Dichters selbst schauten. Daher die unendliche Lebendigkeit [283] dieser Dichtungen. Was hier geschildert wird, ist Blut von unserem Blut. Denn wer ist der Held in Reuters Dichtungen? Kein einzelner: das mecklenburgische Land und der mecklenburgische Mensch, unser Volk! Er schafft die Welt der heimatlichen Landschaft mit dem weiten Wolkenhimmel über ihr; er bevölkert sie mit seinen Gestalten; er läßt sie weinen und lachen und ihr Schicksal erfüllen. Aber es ist seine Welt, von ihm geschaffen.

Hier gilt es, einem weit verbreiteten Irrtum entgegenzutreten. Man hat vielfach geglaubt, Reuter habe gewissermaßen vom Leben abgeschrieben, d. h. jene vielen Originale und Käuze, an denen Alt-Mecklenburg so reich ist, seien so, wie sie sind, in sein Werk hineinspaziert. Die fleißige Forschung hat scheinbar für jede Persönlichkeit, für jedes Motiv aus den Büchern des Dichters eine Entsprechung im Leben festgestellt. Nur eins hat man übersehen: nicht eine einzige Gestalt ist in Reuters Werk eingegangen, so wie sie ist. Des Dichters Phantasie ist gesättigt mit exakt aufgenommener Wirklichkeit, aber er schaltet souverän mit diesen Bildern. Er haucht ihnen erst ihr innerstes Leben ein, daß sie den Schein der Wirklichkeit von sich ausstrahlen. Und doch sind es Dichtungen! Es wirkt wie ungewollte Ironie, wenn es in den wissenschaftlichen Einleitungen immer heißt: Eigentlich war die Person so und so. – Als ob überhaupt Wirklichkeit und Dichtung auf einer Ebene lägen! Nein, etwas anderes ist es, was heimatliches Volkstum Reuters Dichtung gibt: Bei aller Fülle bunten und persönlichen Lebens seiner Personen, bei aller tiefen und echten Menschlichkeit, die ihnen eignet, scheint doch durch sie hindurch die Umrißlinie ihres Typus, die Gebundenheit an Stand und Gewerbe. Das ist die Art, wie der Landmensch schaut, der in jeder Gestalt die ewige Daseinsform gewachsenen Lebens hindurchschimmern sieht. Darum findet er sich in den Gestalten des Dichters wieder. Sie sind zeitlos und allgegenwärtig. So sprechen sie unmittelbar zum Herzen des Volkes. Bismarck hat das entscheidende Wort geprägt, wenn er Reuter schon im Jahre 1866 den "berufenen Volksdichter" nennt. Denn das ist ja das besondere an Reuters Werk: Alle verfallen sie seinem Zauber, der Gebildete wie der einfache Mann. So geschieht das Staunenswerte, daß der Plattdeutsche weit über die Grenzen des Niederdeutschen hinweg gelesen wird, aber eben plattdeutsch, nicht in Übersetzung, denn diese Dichtungen lassen sich nicht übersetzen. Es hat Zeiten gegeben, wo der Absatz von Reuters Dichtungen nach Mittel- und Süddeutschland, vor allem nach der Schweiz, größer war als nach dem niederdeutschen Sprachgebiet. Waggonweise sind seine Werke nach Amerika gegangen zu den Deutschen ins Ausland.

Aber zu diesem beispiellosen Erfolg des Dichters trug wohl noch etwas bei: Die Zeit des alten, agrarischen Deutschland ging ihrem Ende entgegen; die Stadt und die Maschine begannen in steigendem Maße das Leben zu beherrschen. So entstand etwas wie Heimweh nach dem Lande und nach dem landgebundenen Menschen. Im Werk des Dichters erscheint noch einmal das alte Deutschland, mit dem es nunmehr zu Ende geht.

Illustration zu ‘Ut mine Stromtid'.
[285]      Bräsig bei Madame Nüßlern und Jochen.
Illustration zu "Ut mine Stromtid"
von Ludwig Pietsch.
[284] Und doch haben wir an das Tiefste noch nicht gerührt: Das ist die christliche Grundhaltung, die ihm eignet, unaufdringlich, aber doch eindringlich. Dieser Dichter sieht das gesamte Leben als auf Gott bezogen an. Gott ist die alles bewegende Macht in dieser Welt. Man denke an das wundervolle Bild aus der Stromtid, wo jeder einzelne Mensch an einem unsichtbaren Faden hängt, dessen Ende in Gottes Hand liegt. Wo ist die christliche Atmosphäre eines evangelischen Pfarrhauses schöner geschildert als in der Stromtid? Oder der Zauber der Weihnacht, die Weihe einer Konfirmation? Die christliche Grundhaltung hat Reuter von seinen Eltern ererbt und in seinem Leben erprobt. Sie ist ohne jede Engherzigkeit gegenüber konfessionellen oder dogmatischen Meinungsverschiedenheiten. Jene klare, milde Religiosität, in der sich lutherische Glaubensinnigkeit paart mit Lessingscher weitherziger Duldung. Man spürt den frohen, optimistischen Glauben der Aufklärungszeit: Diese gottgeschaffene Welt ist trotz allen Leides gut. Das Böse ist nur der dunkle Schatten, auf dessen Hintergrund Tüchtigkeit und Güte der Menschennatur aufleuchten. Wohl findet sich manch hartes Wort gegen Unduldsamkeit, Engherzigkeit und Pfaffentum. Denn das sind die Grundsünden, weil in ihnen der ewige Gott verkleinert und auf menschliches Niveau herabgezogen wird. Aber – und auch das muß betont werden – wie bei Shakespeare sind alle Personen auf das Ewig-Menschliche von Gut und Böse ausgerichtet. Auch der böse Mensch steht in seiner ganzen Abgründigkeit in Reuters Werk. Der Dichter war tapfer genug, die Welt zu sehen so, wie sie ist. Und darum, weil diese Grundsubstanz des Christentums ihren lebendigen Ausdruck fand, ward er der große Liebling seines Volkes. Denn so wie er, sieht der schlichte Mann die Welt. Er ist nüchtern genug, um darum zu wissen, daß die Menschen keine Engel sind. Aber er weiß auch, daß sie mehr sind als kluge Raubtiere, die sich gegenseitig fressen oder in Schranken halten. Die Welt ist für ihn ein Wunder voller ehrfürchtiger Tiefe, weil beides da ist in wundersamer Verflechtung: Menschliches und Ewiges!

Und weil er um beides weiß, ist er fähig zu jener großen Gelassenheit des niederdeutschen Humors, jener Haltung, in der auch das Schwerste und Bitterste plötzlich leicht und schwebend wird und sich in einem Lächeln löst. Es ist ja nicht wahr, daß der Humor an sich ein eigentümlicher Ausdruck des Niederdeutschen ist. Bei Storm findet er sich nicht, bei Hebbel kaum. Humor – wohl zu scheiden von der bloßen Komik, die noch vorwiegend in Reuters Erstlingswerken, vor allem in den Läuschen un Rimels waltet – ist weltanschaulich bedingt. Er beruht auf der Fähigkeit, das Heroische und Tragisch-Pathetische in seiner Fragwürdigkeit zu sehen, in seiner Winzigkeit gegenüber dem Ewigen; aber andererseits das, was wir belachen oder für belanglos erachten, doch verbunden zu wissen mit all dem Schmerzlichen und Mühebeladenen, das nun einmal in jedem Menschentun und Werk steckt. Erst das Wissen um beides läßt jenes Lächeln aufkommen, in dem sich das Mitgefühl des Herzens an beiden Strebungen befreit: Niederdeutscher Humor hat etwas zu tun mit tapferer Gelassenheit.

[285] Der Gehalt ist es, der dieses Dichters Werk unsterblich gemacht hat, sein Herzschlag – nicht ästhetische Vollendung. Mit leisem Lächeln liest der Leser in den Einleitungen die Beanstandungen der Literarhistoriker. Wirklich vollendet ist vielleicht nur die Franzosentid. Vielleicht aber ist es so, daß das Volk nicht falsche, sondern andere Maßstäbe an die Dichtung legt. Die Geschichte der deutschen Dichtung vom Leser aus ist ja noch immer nicht geschrieben. Welche Dichter werden denn eigentlich von unserem Volk gelesen, immer und immer wieder gelesen? Wir wissen es nicht, auch nicht, warum es dieser oder jener ist. Eins aber wissen wir: daß in der Wertschätzung des deutschen Volkes Fritz Reuter mit obenan steht.

Fritz Reuter.
Fritz Reuter.
Gemälde von Paul Spangenberg, 1876.
[Die Großen Deutschen im Bild, S. 356.]
Von dem Leben des Dichters ist nun nicht mehr viel zu erzählen. Nachdem er in Carl Hinstorff einen Verleger gefunden hatte, der bis an das Ende seines Lebens und darüber hinaus seine Schöpfungen betreute, konnte er es wagen, [286] die bisherige Grundlage seiner Existenz, die Privatschule, aufzugeben und als freier Schriftsteller zu leben. Im Jahre 1856 zog er nach Neubrandenburg, um seinem Freundeskreis näher zu sein und gleichzeitig das Anregende einer größeren Stadt zu haben. Dort ist im wesentlichen die Hauptreihe seiner Schöpfungen entstanden. Der immer steigende Umsatz seiner Werke gestattet ihm eine breitere und behaglichere Lebensführung. Er kann reisen, besucht verschiedene Bäder – immer im Kampf gegen seinen Dämon, ohne ihn jedoch ganz zu überwinden. Der Anerkennung durch die Leserschaft folgt die der literarischen Kritik. Führende Männer des deutschen Geisteslebens zollen ihm Beifall. Die Stirn des langsam Alternden kränzt der Ruhm. Es ist doch noch etwas aus ihm geworden! Und nur eins überschattet ihn mit melancholischer Trauer: Der Mann, den er zutiefst geliebt hat, sein Vater, hat seinen staunenswerten Aufstieg nicht mehr erleben dürfen.

Der Stammtisch in Neubrandenburg.
"Der Stammtisch in Neubrandenburg."
Aquarell von Johann Bahr, 1907.
[Bildarchiv Scriptorium.]
Der Wunsch seiner Frau, die wohl nicht zu unrecht die Gefahr fürchtete, die die Geselligkeit in dem trinkfreudigen Kreise seiner mecklenburgischen Freunde für den Dichter blieb,brachte ihn dazu, 1863 nach Eisenach überzusiedeln. Der Reichtum, der ihm zuströmte, erlaubte ihm, sich hier eine behagliche Heimstätte zu schaffen. Reisen in die Heimat und Besuche bei alten Freunden, wiederholter Aufenthalt in Heilbädern und Kurorten unterbrachen seine rastlose Tätigkeit, die sich bis in das Jahr 1871 fortsetzte. Er erlebte die Genugtuung, daß die Ideale seiner Jugend, für die er gelitten, durch Bismarcks starke Hand zur Wirklichkeit wurden. Und früh schon hat er, der alte Achtundvierziger, den Weg zu dem politischen Genius seines Volkes gefunden. Dann schließt sich der Ring seines Lebens.

Das schöne Haus am Hang des Wartburgberges steht vollendet. Im Garten, den der ehemalige "Strom" sich mit großer Liebe eingerichtet hat, wachsen die Sträucher und Blumen, die er sich aus der Heimat kommen ließ. Für ihn selber aber gilt es, Abschied zu nehmen. Ein Herzleiden, das seit 1871 in steigender Heftigkeit auftrat, raffte ihn am 12. Juli 1874 dahin. Ein unendlicher Trauerzug zeigte die Teilnahme der Nation am Heimgang ihres Dichters. Die Grabschrift, die er in schlummerloser Nacht sich dichtete, steht nicht auf seinem Grabe, aber über seinem Leben:

      Der Anfang, das Ende, o Herr, sie sind Dein.
      Die Spanne dazwischen, das Leben, war mein.
      Und irrt' ich im Dunklen und fand mich nicht aus,
      Bei dir, Herr, ist Klarheit, und licht ist Dein Haus.




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Die großen Deutschen: Neue Deutsche Biographie.
Hg. von Willy Andreas & Wilhelm von Scholz