[193=Trennseite] [194=leer] Denkschrift der gerichtsärztlichen Gutachter
[195]Z. Zt. Bromberg und Berlin, den 20. 11. 1939.
Die gerichtsärztlichen Gutachter des Ober- kommandos der Wehrmacht für Bromberg: Dr. med. habil. Panning, Oberstabsarzt und Leiter der gerichtlich-medizinischen Abteilung der Militärärztlichen Akademie.
Für Posen: Dr. med. habil. Hallermann, Denkschrift
über die bislang greifbaren Ergebnisse des Einsatzes der
gerichtlich-medizinischen Abteilung der Militärärztlichen Akademie zur Aufklärung polnischer Mordtaten im Raume Posen und Bromberg.1 I. Aufgaben der gerichtsärztlichen Gutachter Durch Befehl des Oberkommandos der Wehrmacht, Heeressanitäts-Inspektion, sind mit dem 20. September 1939 in den wohl am stärksten von polnischen Mordtaten betroffenen Gebieten, vor allem in Bromberg, daneben in Posen, gerichtsärztliche Sachverständige eingesetzt worden. In der Folgezeit wurden zahlreiche gerichtsärztliche Leichenöffnungen vorgenommen, die zur Zeit noch fortgeführt werden. Die Bearbeitung der Mordfälle geschah in engem Zusammenwirken mit Sonderkommissionen des Reichskriminalpolizeiamtes, d. h. mit den Beamten und nach den Methoden des aktiven Berliner Mordaufklärungsdienstes.
Entsprechend dem erhaltenen Auftrag wurden die Sektionsbefunde an den Ermordeten bis in alle Einzelheiten hinein protokollarisch festgehalten und durch eine an Umfang immer noch zunehmende Sammlung von Lichtbildern und Präparaten für die
Mit- und Nachwelt beweiskräftig belegt. Mehreren Kommissionen von Ärzten, Offizieren und Journalisten des
In- und Auslandes wurden die Belege bereits während der Bearbeitung an Ort und Stelle in Bromberg und in Posen demonstriert. II. Kreis der Untersuchungen Die Untersuchungen erstrecken sich bislang auf 131 Sektionen und 11 Fälle der Leichenschau in und bei Bromberg, auf 51 Sektionen und 53 Fälle der Leichenschau in Posen und weiterer Umgebung. Es sind also bislang etwa 250 Leichen gerichtsärztlich erfaßt, ohne daß damit auch nur ein erheblicher Bruchteil der von hier aus gar nicht zu übersehenden übergroßen Zahl der Mordfälle bearbeitet wäre. Es kann jedoch gar nicht daran gedacht werden, sämtliche Ermordeten zu sezieren. Handelt es sich ja doch z. B. für Bromberg allein um mindestens etwa 1000 Leichen. Das Vorschreiten der Leichenfäulnis und das Einfrieren der Gräber werden demnächst die Sektionstätigkeit beenden.
Die gewonnenen Untersuchungsergebnisse können hiernach nur als ein zufälliger Ausschnitt von geringem Umfang gelten. Eine statistische Auswertung soll dementsprechend bei der Berichterstattung unterlassen werden, da prozentuale Feststellungen [196] zu dieser oder jener Befundtatsache bei der uferlosen Zahl der nichtsezierten Mordopfer sichere Geltung doch nicht beanspruchen können. Nur für einige geschlossene Mordgruppen, innerhalb deren jeder oder doch fast jeder Fall durch Sektion geklärt ist, wird eine statistische Betrachtung zu bestimmten Gesichtspunkten möglich sein. III. Ergebnisse der Untersuchungen Schwierigkeiten der Befundauswertung:
Der Beurteilung der erhobenen Befunde standen große Schwierigkeiten im Wege. Bei der hohen Zahl der plötzlich auf engen Räumen angehäuften menschlichen Leichen hatte allerwärts eine provisorische Bestattung in Massengräbern zu 60 und noch mehr Leichen stattfinden müssen. Aus diesen Gräbern heraus wurden die Ermordeten gelegentlich ihrer Überführung zur würdigen Bestattung auf Ehrenfriedhöfen mit Kenntnis und voller Billigung der hart geprüften deutschen Bevölkerung seziert. Dabei fanden sich selbstverständlich die Befunde vielfach durch Fäulniserscheinungen stark beeinträchtigt. Ihre stets nach den Grundsätzen der exakten gerichtlichen Medizin vorgenommene Beurteilung gestattete aber dennoch, für sämtliche Fälle in allen wesentlichen Punkten klare gutachtliche Schlußfolgerungen zu ziehen. Natürlich konnte dabei das Feststellungsergebnis der Leichenöffnung jeweils nur als das Minimum dessen gelten, was das einzelne Opfer an Einwirkungen von seiten der Mörder erlitten hatte. Insbesondere waren Gewebsblutungen, wie sie sonst als Mißhandlungsspuren an der Leiche dienen, bei dem vorgeschrittenen Fäulniszustand gewöhnlich durch die Sektion nicht mehr nachzuweisen, so daß mancherlei Formen roher Mißhandlung, Verstümmelung usw. nur unter besonderen Umständen noch dargestellt werden konnten. Stumpfe Gewalteinwirkungen, Kolbenschläge usw.: Beispielsweise waren Schläge mit Gewehrkolben, Knüppeln, Zaunlatten und dergleichen, wie sie nach Zeugenaussagen in einer unendlichen Häufigkeit stattgefunden haben, nur dann objektiv festzustellen, wenn sie Knochenbeschädigungen verursacht hatten. In dieser Hinsicht sind vielfach sehr eindrucksvolle und schwerwiegende Befunde erhoben worden, so:
ferner in einer ganzen Anzahl von anderen Fällen.
[197] Vielfach konnte, wie jeweils im Sektionsgutachten ausgeführt wurde, lediglich die Vermutung auf stumpfe Gewalteinwirkungen ausgesprochen werden, wenn nämlich das Opfer nach den Befunden alle ihm zugefügten Verletzungen, Schüsse oder Stiche, im Liegen erhalten hatte und erklärt werden mußte, wie es denn zuvor zu Boden gestreckt worden war. Verstümmelungen: Auch für gewisse allerroheste Körperverletzungen war die exakte Sachverständigentätigkeit durch Leichenveränderungen vielfach behindert. So konnte die in einer großen Zahl von Fällen durch Laien, meist durch die Hinterbliebenen der Ermordeten, an den frischen Leichen getroffene Feststellung der Entmannung oder des Abschneidens der Ohren und der Nase sowie des Ausstechens der Augen nicht immer mehr zum Range gerichtlich-medizinischer Befunde erhoben werden, weil inzwischen die betreffenden Teile durch Fäulniserweichung und Madenfraß weitgehend verändert waren. Immerhin haben sich in einer ganzen Anzahl von Fällen gerade Stichverletzungen des Auges, zuweilen unter Mitverletzung der Lider noch eindeutig an gut erhaltenen, weil frühzeitig bestatteten Leichen nachweisen lassen. Als eindrucksvoller Beleg dafür diene das Lichtbild S. 285 zum Fall Br. 17, unbekannter Mann von etwa 20 Jahren, ermordet in Bromberg-Klein-Bartelsee, ferner Lichtbild S. 286 zum Fall Sekt.-Nr.-P. 1, Grieger, Paul, 32 Jahre, ermordet in Posen. Ein Fall der Augenöffnung, die wegen vorgeschrittenen Madenfraßes nicht mit ausreichender Sicherheit den Augenstichverletzungen zugerechnet werden kann, ist in Lichtbild S. 288 Leichenschau-Nr. Br. 4, unbekannter Mann von etwa 45 Jahren, ermordet in den Wäldern bei Hopfengarten, Kreis Bromberg, dargestellt. Weiter ist durch Bilder belegt, daß auch alle Fälle der Schußverletzung des Auges bei der Betrachtung der Augenstichverletzungen sorgfältig ausgeschieden wurden.
Ähnliches gilt hinsichtlich der anderen Formen der Verstümmelung. Man wird hiernach in gewissen Fällen genötigt sein, sich mit klaren Zeugenbekundungen über eine frühzeitig an der Leiche festgestellte Entmannung oder sonstige Verstümmelung zu begnügen und anzunehmen, daß die objektive Feststellung durch die inzwischen vorgeschrittenen Leichenveränderungen unmöglich geworden war. Es muß hier auf die ganz bekannte Tatsache hingewiesen werden, daß Madenfraß und auch andere Leichenveränderungen verletzte Teile weitgehend bevorzugen. Dementsprechend kann es nicht Wunder nehmen, daß in dieser Hinsicht die Expertise hinter dem Zeugenbeweis zurückbleibt. Stichverletzungen:
Eine besondere Gruppe zusätzlicher, von der tötenden Verletzung unabhängiger Einwirkungen von rein sadistischer Prägung hat sich recht häufig nachweisen lassen, nämlich Stichverletzungen, wie sie für sich allein oder neben tödlichen Schüssen vorgefunden wurden. In der Hauptsache ist hier gedacht an bestimmte seichte und flache Stiche der Rumpfwände oder der Gliedmaßen, wie sie nach Zeugenaussagen den Opfern häufig durch Begleitsoldaten oder Pöbel auf dem Wege zur Ermordung
ge- [198] wissermaßen "zur Ermunterung" verabreicht wurden. Das trifft unter vielen anderen beispielsweise für
Sekt.-Nr.-Br. 56, Eduard Schülemann, einen 72jährigen Greis, zu, der nachher durch Schädelschuß und einen tiefen Bajonettstich vom Rücken aus getötet wurde. Bajonettstiche an Sterbenden sind mehrfach ausgeübt worden, so
Sekt.-Nr.-Br. 27, unbekannter Mann von 30 bis 40 Jahren mit einem Bajonettstich des Bauches, ebenso
Sekt.-Nr.-Br. 110, Herbert Gollnik, 38 Jahre. Auf einen ganz besonders bestialischen Fall der Anwendung einer Stichwaffe, Ermordung eines angeschossenen Mannes mit 33 Stichen durch einen polnischen Soldaten innerhalb eines geschlossenen Truppenverbandes, wird unten noch in anderem Zusammenhange einzugehen sein. Verletzungen mit langem Todeskampf: Eine ganz unvorstellbare Roheit der jeweiligen Täter ergibt sich weiterhin aus einer Betrachtung der Todesursachen und der daraus ableitbaren Sterbedauer. Es hat sich klar feststellen lassen, daß in zahlreichen Fällen die Verletzungen keineswegs unmittelbar tödlich wirken konnten, sondern die Opfer z. B. an einem gewöhnlichen, der Heilung ohne weiteres zugänglichen Lungendurchschuß im Laufe längerer Zeit gestorben sind. Ähnliches gilt für mehrere Fälle, bei denen lediglich Gliedmaßenverletzungen mit Zerreißung von mehr oder minder unbedeutenden Schlagaderästen vorlagen. In dieser Hinsicht wird auf das Lichtbild S. 281, Sekt.-Nr.-Br. 46, Artur Radler, 42 Jahre, hingewiesen; hier lag ein Halsschuß vor, der durchaus nicht absolut lebensgefährlich war. Die endgültige Tötung erfolgte mehr als sieben Stunden später durch einen Kopfschuß, nachdem man inzwischen die Angehörigen an der Hilfeleistung verhindert hatte. Ganz Ähnliches gilt für die Lichtbilder S. 300–301, Sekt.-Nr.-Br. 100, Kurt Beyer, 10 Jahre, der mit zwei unbedeutenden Lungendurchschüssen und zertrümmertem Arm die ganze Nacht auf freiem Felde bis zum anderen Morgen, insgesamt mindestens 12 Stunden, überlebt hat, ähnlich Sekt.-Nr.-Br. 110, Wilhelm Gollnik, 38 Jahre, dessen Tötung in mehreren Abschnitten vor den Augen der Ehefrau sich über mehr als 9 Stunden hinzog.
Auf eine ganze Gruppe von Opfern, die von ihren Mördern einem mehr oder minder langen Todeskampf ausgesetzt wurden, wird unten in anderem Zusammenhange noch einzugehen sein. "Fangschüsse":
In zahlreichen anderen Fällen haben die Täter "Fangschüsse" auf den zu Boden gestreckten Körper des Opfers abgegeben, wie sich jeweils aus dem stark
auf- oder absteigenden Verlauf der betreffenden Schußkanäle ergab. Ganz grundsätzlich zeigte sich dabei, daß der "Fangschuß" hier nicht seinem aus dem Weidwerk hergeleiteten Begriff entsprach, d. h. auf eine rasche und unmittelbare Tötung abzielte, wie sie der Jäger einem angeschossenen Wild zuteil werden läßt. Vielmehr ist es ganz unverkennbar, daß die dem hingestreckten Opfer zugefügten Schüsse zur Befriedigung quälsüchtiger Instinkte gedient haben, indem sie nicht auf Herz oder Hirn, sondern wahllos auf irgendwelche Stellen des Rumpfes gerichtet waren. Bemerkenswert sind hier häufig [199] gefundene Schußverletzungen, die von der Gesäßgegend unweit des Afters ausgingen und den Rumpf weit hinaus durchschlugen. Setzt man einige Schießkunde der Täter, die in den fraglichen Fällen polnische Soldaten waren, voraus, so kann man sich bei der Häufung dieser Befunde des Eindruckes nicht erwehren, daß hier planmäßig auf das Gesäß des sterbenden "hitlerowiec" gezielt wurde. Zwei Fälle aus einer gemeinsamen Tatgruppe mit eben dieser Schußverletzung sind in Lichtbild S. 294,
Sekt.-Nr.-Br. 95, Gärtner Erich Schmiede, 43 Jahre, und
Sekt.-Nr.-Br. 101, Berthold Rabisch, 64 Jahre, zur Darstellung gebracht, zahlreiche andere in den Sektionsprotokollen festgehalten. Fesselungen: Eine bedeutungsvolle und oft verwirklichte Rolle haben Fesselungen des Opfers gespielt, so bei drei Personen aus einer insgesamt sieben Menschen umfassenden Mordgruppe aus dem Pfarrhaus Kutzer im Vorort Bromberg-Jägerhof, Lichtbild S. 279, Sekt.-Nr.-Br. 115, Richard Kutzer, 73 Jahre; Lichtbild S. 304, Sekt.-Nr.-Br. 118, Herbert Schollenberg, 14 Jahre, und Sekt.-Nr.-Br. 119, Hermann Tetzlaff, 51 Jahre. In diesen Fällen handelte es sich um einfache, primitiv durch Schleife und Knoten geschlossene Handfesseln aus dünnen Schnüren. In mehreren anderen Fällen, so Lichtbild S. 280, Sekt.-Nr.-Br. 67, Albrecht Schmidt, etwa 45 Jahre, sind die Fesseln mit langen, zum Fortzerren des Opfers benutzten Abführstricken versehen. In der unten noch zu besprechenden Massenmordgruppe Jesuitersee waren nicht weniger als 12 Opfer mittels Kälberstricken und anderen Fesselwerkzeugen zu einer langen Kette aneinandergebunden.
Hatten die bis jetzt besprochenen Fesselungen überwiegend die Bedeutung einer besonderen psychischen Roheit, zumal in der Anwendung auf Greise und Kinder, so bietet sich in einem erst in den letzten Tagen aufgedeckten Falle, Sekt.-Nr.-Br. 124, Wilhelm Sieg, 43 Jahre, Landarbeiter aus Feyerland, eine sadistisch ausgeklügelte Fesselung als Bestandteil des physischen Mordvorganges selbst dar. Dieser Unglückliche war mit einem Pferdezügel dergestalt gefesselt, daß die Hände auf dem Rücken zusammengebunden und die Schlinge mit kürzester möglicher Entfernung darüber um den Hals geknüpft war. Nach den kriminalpolizeilichen und gerichtsärztlichen Feststellungen ist Sieg an dem Strangwerkzeug über eine längere Strecke Weges am Boden liegend geschleift und dann liegend mit Gewehr erschossen worden. Altersschichtung der Opfer. Ermordung von Krüppeln und Kranken: Einer besonderen Betrachtung bedarf der Kreis der Mordopfer noch hinsichtlich der Schichtung nach Alter und Gesundheitsgrad. Es sind durch Leichenöffnung sichergestellt worden Morde an Kindern von 4 Monaten an bis zu Greisen von 82 Jahren. Wenn auch eine statistische Auswertung des Berichtmaterials aus den oben angegebenen Gründen nicht ohne weiteres möglich ist, so bedarf es hier doch einer zahlenmäßigen Angabe, um nicht etwa den Gedanken aufkommen zu lassen, daß die Tötung von Kindern bedauerliche Einzelfälle dargestellt habe. [200] Unter den sezierten Fällen sind folgende Kinder:
Es folgen 15-, 16-, 17- und 18jährige. Daß auch, um einen biblisch zur Bezeichnung des höchsten Roheitsgrades geläufigen Ausdruck zu verwenden, "das Kind im Mutterleibe nicht verschont" wurde, zeigen die mit Lichtbildern eingehend belegten Fälle Sekt.-Nr.-Br. 112, Frau Sonnenberg, Lichtbild S. 306, sowie Sekt.-Nr. 127, Frau Kempf, Lichtbild S. 308, die beide am Schwangerschaftsende standen, als sie, und zwar in beiden Fällen durch polnische Soldaten, ermordet wurden. – Für die Sekt.-Nr.-Br. 127, Frau Kempf, besteht guter Grund zu der Annahme, daß die Geburt noch an der Sterbenden in Gang gekommen ist. Daß Krüppel, Kranke und Greise gleichfalls der Ermordung nicht entgingen, läßt sich vielfältig zeigen. So sind in Posen unter sechs Personen, die gemeinsam auf einem der Interniertenzüge bei Rózepole ermordet wurden (Familie Schmolke und Nachbarn, Sekt.-Nr.-P. 28–33), zwei Männer mit Kunstgliedern gewesen, der eine mit einem Oberschenkelkunstbein, der andere mit zwei Kunstbeinen (Lichtbild S. 296, Sekt.-Nr.-P. 32). Auch in und bei Bromberg sind mehrere Beinamputierte und anderweit körperbehinderte Personen ermordet worden, so Sekt.-Nr.-Br. 85, Gustav Schubert, 65 Jahre, der an hochgradiger Wirbelsäulenverkrümmung litt; Sekt.-Nr.-Br. 104, Paul Piotrowski, 55 Jahre, mit einem Schienenfederapparat am rechten Bein, Lichtbild S. 295, Sekt.-Nr.-Br. 126, Paul Lepczynski, etwa 50 Jahre, mit einem hohen Kunstbein; Sekt.-Nr.-Br. 110, Wilhelm Gollnik, 38 Jahre, durch Axthiebe auf den Kopf bei einem 10 Jahre lang zurückliegenden polnischen Mordversuch schwer hirngeschädigt, ferner Sekt.-Nr.-Br. 78, Emanuel Hemmerling, 35 Jahre, an schwerer doppelseitiger Lungentuberkulose leidend und deshalb sogar vorher polnischerseits von Hilfsdienstleistungen zurückgestellt. Was die höchsten Lebensaltersstufen anlangt, so ist die Begrenzung mit 82 Jahren unter den sezierten Mordopfern (Gustav Behnke, Sekt.-Nr.-Br. 65, aus der Mordgruppe Eichdorf-Netzheim) ein Zufall; wie bekannt, haben andere mit den Ermittlungen befaßte Dienststellen an anderen Orten die Ermordung noch älterer Personen festgestellt. Die verwendeten Tatwaffen: Als weitaus wichtigstes Gesamtergebnis der gerichtsärztlichen Untersuchungen erscheinen letzten Endes im übrigen nicht einmal so sehr die unmenschlichen Roheiten physischer und psychischer Art, wie sie aus den Leichenbefunden eindeutig hervorgehen. Vielmehr muß die größte Bedeutung der Tatsache zugesprochen werden, daß für die weitaus größte Zahl der zur Sektion gelangten Fälle Militärwaffen als Mordmittel einwandfrei nachgewiesen worden sind. Dabei handelte es sich in der Mehrzahl der Fälle um Militärgewehre, gelegentlich um Pistolen, selten um Handgranaten. Diese Feststellungen sind unter anderem durch zahlreiche Steckgeschosse und Geschoßsplitter eindeutig belegt, wie sie in etwa 50 Fällen geborgen werden konnten. Was speziell die Gewehrschüsse angeht, so ergibt sich der Beweis für Militärgewehr im übrigen auch ohne Steckgeschoß aus dem hohen Wirkungsgrade der Geschosse auf das Knochensystem und im besonderen Maße aus dem hydrodynamischen Effekt der Schädelsprengung bei Gehirndurchschüssen. Die souveräne Mordwaffe bei dem Versuch zur Ausrottung des deutschen Volkstums in Polen und ganz besonders am Bromberger Blutsonntag ist hiernach das polnische Militärgewehr gewesen. Der Gerichtsarzt muß diese an den Leichen zu treffende Feststellung mit Nachdruck hervorheben, da sie den zur Prüfung der Zusammenhänge berufenen Stellen bei der Feststellung und dem Beweise der Organisation des Massenmordens nützlich sein dürfte. Morde mit Behelfswaffen, Knüppeln und Messern, stellen die Ausnahme dar. Hier ist nicht mit Zufallswaffen gemordet worden, wie sie jeder Gartenzaun einem affektgeladenen Täter liefern konnte, sondern mit hochwirksamen Schußwaffen. Was die Pistolen anlangt, so lassen sich im Einzelfall selbst aus dem Steckgeschoß keine so verbindlichen Schlüsse ziehen, wie das hinsichtlich der Militärgewehre möglich war. Immerhin konnte man schon auf Grund der bloßen Besichtigung der Steckgeschosse für drei Fälle, Sekt.-Nr.-Br. 48, Fritz Radler, Sekt.-Nr.-Br. 98 und Sekt.-Nr.-Br. 99, Heinz und Friedrich Beyer, den Naganrevolver mit seiner besonderen Geschoßform als Tatwaffe feststellen. Der Naganrevolver war aber eine freie Handelsware, so daß hiermit der sichere Nachweis einer bestimmten Gruppe von Tätern oder Organisatoren nicht zu führen ist. Jedoch muß ein Umstand als höchst auffällig bezeichnet werden: Sämtliche in dem großen Bromberger Material geborgenen Geschosse kurzer Handfeuerwaffen, insgesamt 10 an der Zahl, sind Mantelgeschosse, entsprechen also modernen hochwirksamen Faustfeuerwaffen, nämlich in 3 Fällen dem Naganrevolver, sonst Selbstladepistolen. Bleigeschosse, wie sie zu allen Trommelrevolvern gehören, fehlen hier gänzlich. Die Annahme, daß zufällig die etwa verwendeten Revolverbleigeschosse alle Durchschläge erzielt hätten, würde fehlgehen; erfahrungsgemäß machen gerade die alten Trommelrevolver fast ausnahmslos Steckschüsse. Man steht also der Tatsache gegenüber, daß die verwendeten Faustfeuerwaffen durchweg hochwirksam und modern waren, und das in einem Lande, dessen Bevölkerung auf allen anderen Gebieten moderne Einrichtungen kaum dem Namen nach kennt. Auch dieses Ergebnis der gerichtsärztlichen Feststellungen dürfte für die Prüfung der Organisationsfrage von Belang sein. Handelt es sich bei den Tötungen der Volksdeutschen um Hinrichtungen? Eine besonders bedeutungsvolle Aufgabe der gerichtsärztlichen Begutachtung lag darin, für jeden Einzelfall und für die einzelnen Mordgruppen nachzuprüfen, ob etwa die Befunde eine standrechtliche Erschießung, eine Exekution annehmen ließen. Es soll hierbei ganz unerwogen bleiben, worin denn jene todeswürdigen Verbrechen Tausender von Menschen, darunter Kinder von vier Monaten an, gelegen haben sollten, die zur Hinrichtung Grund gegeben hätten. Die objektive Betrachtung der Fälle lehrt nun folgendes: Verletzungen im Sinne einer Hinrichtung, d. h. Schüsse, die den stehenden Körper vom stehenden Schützen aus in typischer Weise, sei es von Vorder- oder Rückseite des Kopfes oder Rumpfes, getroffen haben, sind wohl vorgekommen. Sie beziehen sich regelmäßig auf jene Fälle, in denen jeweils Einzelpersonen oder kleine Gruppen von Opfern aus den Häusern herausgeholt und "an die Wand gestellt" wurden. In besonderer Häufung kommen derartige Schüsse vor in dem von der Kriminalpolizei sehr eingehend bearbeiteten Massenmordfall der Gemeinde Eichdorff-Netzheim mit Ermordung von 38 volksdeutschen Menschen, von denen 36 seziert wurden. Mögen hier die Schußverletzungen dem Bild der Exekution durch Schuß gleichkommen, so kann von standrechtlichen Erschießungen doch nicht die Rede sein, wenn man die personelle Gliederung dieser Gruppe von Mordopfern ansieht. Befanden sich doch in dieser Gruppe nicht weniger als sieben Kinder im Alter von 3 bis 13 Jahren, ferner 12 Frauen von 16 bis 80 Jahren, unter den Männern nur wenige im wehrfähigen Alter, mehrere Kranke und Greise. Eine andere umfangreiche Massenmordgruppe, die gleichfalls von der Kriminalpolizei sehr eingehend bearbeitet worden ist, Ermordung von 39 Volksdeutschen am Jesuitersee bei Bromberg, davon seziert 38, könnte nach der Schichtung des Personenkreises schon eher erwarten lassen, daß man hier standrechtliche Erschießungen vorgenommen hätte. Es handelt sich hier ausschließlich um Männer, und zwar, soweit die Personenfeststellung gelungen ist, zwischen 17 und 58 Jahren. Der Gedanke an standrechtliche Erschießung könnte hier um so mehr auftreten, als die bezeichnete Personengruppe durch Zivil- und Militärpersonen einem geschlossenen polnischen Truppenverband zugeführt und von diesem getötet worden ist. Eine Betrachtung der Leichenbefunde lehrt aber folgendes: Hier ist nicht exekutiert worden. Hier hat ein wüstes und ungeregeltes Hinschlachten an wehrlosen Menschen stattgefunden, von denen noch überdies 12 durch Fesselung mit Kälberstricken aneinandergebunden waren. Außer Schußwaffen sind auch Stichwaffen angewendet, vier Männer überhaupt nur mit Stichwaffen umgebracht worden, 13 Männer mit Stichwaffen neben Schußwaffen. In einem Falle ist ein durch seichten Pistolenstreifschuß am Schädel zu Boden gestreckter Mann mit 33 Stichen mittels Seitengewehr oder Dolch bearbeitet worden (Lichtbild S. 278, Sekt.-Nr.-Br. 23, Willi Heller, 19 Jahre). Mehrfach haben Sterbende Bajonettstiche erhalten, so Sekt.-Nr.-Br. 27, ein unbekannter Mann von etwa 30 Jahren, der durch einen Lungenschuß zu Boden gestreckt war. Die oben erwähnten "Ermunterungsstiche", unernste seichte Stichverletzungen, sind in drei [203] Fällen festgestellt worden. – Zweimal, bei Sekt.-Nr.-Br. 18, Max Probul, 35 Jahre, und bei Sekt.-Nr.-Br. 27, unbekannter Mann von etwa 35 Jahren, lagen Augenstichverletzungen vor. Die Gesamtzahl der Stichverletzungen an allen 38 untersuchten Leichen betrug nicht weniger als 69. Auch die Schußverletzungen bedürfen noch einer näheren Betrachtung. Insgesamt sind auf die 34 Fälle, die nach Abzug der nur mittels Stich Getöteten verbleiben, 98 Schüsse gefallen. Die höchste Zahl direkter Schußverletzungen an einem Fall betrug fünf. In einer ganzen Anzahl von Fällen haben die Opfer ihre Schüsse sämtlich im Liegen erhalten, so daß also gar nicht etwa der Gedanke aufkommen kann, der eine oder der andere Schuß könne als Fangschuß gemeint gewesen sein. Für die häufigen Fälle, in denen die Opfer sowohl liegend als auch stehend von Schüssen getroffen worden sind, gilt die oben gemachte Angabe, daß es sich nicht um wahre Fangschüsse, d. h. Tötungsschüsse, sondern um Quälereien handelte. Die oben schon besonders hervorgehobene Gemeinheit, in die Gesäßgegend des Sterbenden zu schießen, hat sich in der vorliegenden Gruppe nicht weniger als viermal verwirklicht. Eine besondere Bedeutung muß noch der Tatsache zugesprochen werden, daß häufig sog. Aufschlägerverletzungen zustande gekommen sind, d. h. Verletzungen durch Teile von Geschossen, die durch Aufschlagen an irgendeinem Gegenstand, vielfach wahrscheinlich im Körper des Nebenmannes, zerlegt waren. Bei 10 Opfern haben sich solche Verletzungen durch Geschoßteile gefunden. Einer der Ermordeten, Sekt.-Nr.-Br. 31, Ernst Kolander, 27 Jahre, hat ausschließlich derartige Aufschlägerverletzungen an 15 verschiedenen Stellen des Körpers dargeboten und ist von keinem einzigen gezielten Schuß getroffen worden. Diese Verletzungen sind die stummen Zeugnisse einer wüsten Massenschießerei in den zusammengetriebenen Haufen der Mordopfer hinein. Allein dieser Umstand schon würde vollkommen ausreichen, um auch nur die entfernteste Möglichkeit einer standrechtlichen Erschießung abzulehnen. Man muß hier weiter noch darauf aufmerksam machen, daß unter den insgesamt 98 Schüssen es sich nicht weniger als 15mal um Pistolenschüsse handelte. Es sind zwar auch bei anderen Mordgruppen, wie oben erwähnt, nicht selten Pistolenschützen tätig gewesen. Im vorliegenden Falle aber kann man auf Grund der Tatsache, daß die Tätergruppe ein geschlossener polnischer Truppenverband war, unwiderleglich folgern, daß Offiziere oder Chargierte unter den Mordschützen gewesen sein müssen, da sie allein mit Pistole ausgerüstet sind, ein zur Frage nach der Organisation der Taten gewiß bemerkenswerter Umstand. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, daß bei dem Blutbad am Jesuitersee nicht nur Schuß- und Stichwaffen zur Anwendung kamen, sondern auch stumpfe Gewalteinwirkungen, offenbar in der Form von Kolbenschlägen, aus den Befunden hervorgehen, dreimal ausgedrückt in Schädelbrüchen, einmal ausgedrückt in Rippenbrüchen, einmal durch einen Bruch des Oberarmknochens. Eine geradezu erschütternde Feststellung ergibt sich, wenn man in der vorliegenden Massenmordgruppe die Frage der Tödlichkeit der Verletzungen und der Sterbedauer der einzelnen Ermordeten betrachtet. Nur in 21 Fällen unter den 38 Ermordeten haben Verletzungen vorgelegen, die den sofortigen Todeseintritt annehmen lassen, Schädelschüsse mit Zertrümmerungswirkung, Schüsse oder Stiche mit Eröffnung des Herzens [204] oder der großen herznahen Schlagadern. In den restlichen 17 Fällen lagen Lungendurchschüsse, Gliedmaßenverletzungen, Rückenmarksdurchschüsse oder minder umfangreiche Schädelschußverletzungen vor, so daß für keinen dieser Fälle ein sofortiger Tod und für einige von ihnen ein stundenlanges Überleben anzunehmen ist. Nach den Ermittlungen der kriminalpolizeilichen Sonderkommission ist es nun wahrscheinlich, daß die Täter die Mordopfer vom Seesteg aus ins seichte Wasser geworfen und auf die noch Lebenszeichen gebenden Personen dann erneut geschossen haben. Es ist also möglich, daß der eine oder der andere jener Gruppe von Unglücklichen durch Ertrinken eine Abkürzung seiner Qualen erfahren hat. Andererseits muß dieser Umstand auch zur Frage, ob hier Exekution stattfand, noch beachtet werden. Ertränken gehört zweifellos ebensowenig wie Bajonettstiche und wie Erstechen überhaupt zu den Mitteln einer vom Recht getragenen Exekution. Eine zusammenfassende Erwägung der im Massenmordfall Jesuitersee erhobenen gerichtsärztlichen Befunde berechtigt hiernach zu der Feststellung, daß hier nicht hingerichtet worden ist, wozu auch nach den Ermittlungen der kriminalpolizeilichen Sonderkommission keinerlei Veranlassung und Berechtigung bestanden haben würde. Hier ist vielmehr in der gemeinsten Art und Weise gemordet worden, mit einer Täterroheit, wie man sie selbst in der Geschichte der gewöhnlichen Kapitalverbrechen nicht häufig antrifft.
Zur Prüfung der Organisationsfrage dürfte aus den gerichtsärztlichen Feststellungen am wichtigsten diejenige sein, daß die Mitwirkung und damit die leitende Verantwortung der Truppenvorgesetzten durch den vielfältigen Nachweis von Pistolenschüssen verbürgt ist. IV. Zusammenfassung Die gerichtsärztlichen Feststellungen bei der Sektion von etwa 250 volksdeutschen Opfern des polnischen Mordterrors, also eines kleinen Teiles der gesamten Opferzahl, haben ergeben, daß in wahlloser Vollständigkeit Personen aller Lebensalterstufen von vier Monaten bis zu 82 Jahren ermordet worden sind, daß auch Hochschwangere nicht verschont wurden. Es hat sich gezeigt, daß die Ermordungen mit größter Brutalität durchgeführt worden sind und daß in zahlreichen Fällen Einwirkungen rein sadistischer Prägung auf die Opfer stattgefunden haben, daß insbesondere Augenstichverletzungen nachweisbar waren und sonstige Verstümmelungen mit Beziehungnahme auf die Zeugenaussagen als durchaus glaublich bezeichnet werden mußten. Die Anlage der Mordtaten im einzelnen läßt vielfach ausgeklügelte physische und psychische Quälereien der Opfer erkennen, wobei insbesondere mehrere Fälle der über Stunden hingezogenen Tötung und des langsamen Sterbenlassens hervorzuheben waren. Als weitaus wichtigste Feststellung erscheint der Nachweis, daß nur ganz ausnahmsweise mit Behelfswaffen, Knüppeln, Messern und dergleichen, gemordet worden ist, daß vielmehr den Tätern ganz im allgemeinen moderne und hochwirksame Waffen, Militärgewehre und Pistolen, zur Verfügung gestanden haben. Hervorhebenswert ist ferner, daß sich der Ausschluß ordnungsmäßiger Exekutionen der Opfer bis in Einzelheiten hinein führen ließ.
[205] Bromberg, den 13. November 1939.
Br. 1183Sarg bezeichnet: Herbert Schollenberg, 14 Jahre.
A. Äußere Besichtigung
1. Leiche eines 148 cm langen, schmächtig gebauten Knaben.
2. Hände auf dem Rücken durch eine einfach umgreifende Schlinge mit Doppelknotenschleife zusammengebunden, gewöhnlicher Bindfaden von etwa 0,4 cm Dicke, durch Quellung etwas verdickt (Phot.).
3. Vorgeschrittener Fäulniszustand. Oberhaut abgängig bis auf Handschuhreste an den Fingern. Da und dort Oberflächenerweichung der Lederhaut mit unebenem Grunde (offenbar Madenfraß), so in mehreren handflächengroßen Bezirken der Kopfschwarte, ferner über dem Kinn und hie und da an den Gliedmaßen. Sonst Lederhaut schmutziggrau bis grünlichgrau, streckenweise bräunlich vertrocknet.
4. Haupthaare bis 4 cm, mittelblond.
5. Kopfschwarte unversehrt, soweit sie nicht durch Madenfraß der Beurteilung entzogen ist, ebenso Haut des Gesichtes und Halses.
6. Augäpfel zurückgesunken und zusammengefallen.
7. An der Oberbrust rechts, unmittelbar unter dem seitlichen Drittel des Schlüsselbeines, 124 cm über Sohle, 8 cm rechts von der Mitte, ein rundliches Weichteilloch von 0,6 cm Durchmesser zwischen Brustwarzen- und vorderer Achsellinie (Phot.).
8. Senkrecht unter dem vorerwähnten Loch über der 4. Rippe, 112 cm über Sohle, 8 cm rechts von der Mitte, ein ähnliches rundes Loch von gleichfalls 0,6 cm Durchmesser (Phot.).
9. Bauch mit unversehrter Oberfläche, ebenso Geschlechtsteile und Gliedmaßen, soweit an letzteren nicht wegen Madenfraß die Beurteilung unmöglich ist.
10. Am Rücken links über der Gegend der Schulterblattkante, 117 cm über Sohle, 7 cm links von der Mitte, eine unregelmäßig ovale Weichteillücke von 3 zu 2 cm, längerer Durchmesser senkrecht. Ränder lappig; ihre Aneinanderlegung verkleinert das Loch und teilt es andeutungsweise in eine untere und obere Hälfte (Phot.).
11. An der rechten Rückenseite in der Schulterblattlinie über der oberen Schulterblatthälfte, 120 cm über Sohle, 8 cm rechts von der Mitte, ein unregelmäßig rundliches Loch von 0,8 cm Durchmesser (Phot.).
B. Innere Besichtigung I. Schädelhöhle
12. Weiche und knöcherne Wandungen unversehrt.
13. Gehirn breiig erweicht, schmutzig grünlich. II. Brust- und Bauchhöhle
14. Von dem Weichteilloch unter dem rechten Schlüsselbein aus ergibt sich ein bleistiftstarker Kanal durch den großen Brustmuskel und das Gewebe der inneren Abschnitte der rechten Achselhöhle nach hinten zur Unterschulterblattmuskulatur, dann durch das Schulterblatt mit einem runden Loch von etwa 0,8 cm Durchmesser, weiter zu dem kleinen Weichteilloch am Rücken rechts. Achselgefäße unversehrt. Von dem Schulterblattloch, das etwa l cm von der Innenkante entfernt ist und 1,5 cm unter der Gräte liegt, gehen nach rechts unten und oben mehrere Sprunglinien aus; die von den Sprunglinien eingefaßten Knochenstücke sind teilweise nach hinten hin ein wenig aus der Ebene gerückt.
15. Ein weiterer Kanal wird nachgewiesen zwischen dem unteren Loch der vorderen Brustseite rechts und dem großen Loch an der Rückenseite links. Er führt zunächst in reichlich Bleistiftstärke durch die vorderen Brustweichteile, dann in den rechten Brustfellspalt, und zwar durch den 3. Zwischenrippenraum in der Brustwarzenlinie hindurch. Die 4. Rippe ist an ihrem Oberrande berührt und hat eine Absprengung von etwa 2 cm Länge an der Hinterseite der Oberkante erfahren.
16. Nicht erwähnte Organe der Brusthöhle und Bauchorgane unversehrt.
17. Krankhafte Veränderungen an den Organen bei leidlichem Erhaltungszustand nach Größe und Saftgehalt nicht festzustellen.
18. Zur Altersbestimmung: reichlich 2 mm breite erhaltene Knorpelfuge im Oberarm. Innen und außen deutliche Schädelnähte. Noch nicht ganz vollständiges, bleibendes Gebiß (es fehlen die beiden rechten zweiten Mahlzähne).
Bromberg, den 13. November 1939.
Br. 118Sarg bezeichnet: Herbert Schollenberg, 14 Jahre.
Vorläufiges Gutachten
I. Die Leichenöffnung hat 2 Schußverletzungen ergeben:
a) Durchschuß von der rechten Unterschlüsselbeingrube durch das Gewebe der Achselhöhle zum Rücken rechts, durch das Schulterblatt hindurch. Geringe Zertrümmerungswirkung auf den Knochen; wenig absteigender Verlauf.
b) Durchschuß von der rechten mittleren Brustgegend zur linken Schulterblattgegend, mit Wirbelsäulenstreifschuß und mit Zerreißung der Brustschlagader; mäßig aufsteigender Verlauf.
II. Absolut und schnell tödlich war der Brustkorbdurchschuß mit Zerreißung der Brustschlagader.
III. Der Achselschulterdurchschuß rechts ist nach dem Wirkungsgrad offenbar auf Pistole zu beziehen. Für den Brustkorbdurchschuß von rechts nach links hinten deutet der Wirkungsgrad mit Wahrscheinlichkeit auf Militärgewehrschuß hin. Das gilt insbesondere nach dem Grade der Brustschlagaderzerreißung, während die Wirkungen am Knochen für Militärgewehr auffällig gering sind. In dieser Hinsicht ist auf erst an der Bromberger Mordserie gewonnene Erfahrungen über die Wirkung von Gewehrschüssen auf Kinderknochen zu verweisen, nach denen die angegebenen Differenzen des Wirkungsgrades typisch zu sein scheinen.
[207] IV. Der Pistolendurchschuß von der rechten Unterschlüsselbeingrube zur rechten Rückenseite kann den stehenden Körper getroffen haben, und zwar nur bei jener Stellung des Schultergürtels, wie sie sich durch die an der Leiche festgestellte Fesselung der Hände auf dem Rücken ergibt. Der Brustkorbdurchschuß kann mit seiner mäßig aufsteigenden Richtung, zumal der Auftreffpunkt 112 cm über Sohle gelegen war, nur auf den Liegenden abgegeben worden sein, wenn man nicht einen knienden Gewehrschützen annehmen will.
V. Auf die an der Leiche noch vorgefundene und auch durch den Schußverlauf zu Ia bewiesene Fesselung des 14jährigen Opfers wird besonders hingewiesen. Gleichartige Fesselung fand sich bei 2 weiteren Personen derselben Mordgruppe.
VI. Aufgehoben:
a) Streifschußverletzung der 4. Rippe rechts,
b) mäßig zertrümmernder Streifschuß des 5. und 6. Brustwirbelkörpers und der zugehörigen linken Rippen,
c) Pistolendurchschußverletzung des rechten Schulterblattes,
d) Gewehrstreifschußverletzung des linken Schulterblattes,
e) Zerreißung der Brustschlagader infolge Gewehrstreifschuß.
Panning
1Die in der Denkschrift aufgeführten Sektions- und Leichenschaufälle sind alle durch Bildberichte belegt; aus Raumgründen ist hier nur eine Auswahl wiedergegeben worden. ...zurück... 2Zwischen Gewehr und Pistole ist für die Kinderfälle nicht immer eindeutig zu entscheiden gewesen, da bislang in der zivilisierten Welt Erfahrungen über die Wirkungen von Militärgewehrschüssen auf Kinder, insbesondere die Wirkungen am Knochensystem, nicht vorliegen. Es scheinen in dieser Hinsicht Abweichungen vom gewöhnlichen Verhalten gegeben zu sein, die auf Grund des traurigen neuen Erfahrungsmaterials noch wissenschaftlich zu bearbeiten sein werden. ...zurück...
3Als Beispiel für die detaillierte Sorgfalt, mit der die gerichtsärztlichen Gutachter ihre Feststellungen getroffen haben, sei die Anlage zum
Sekt.-Bef.-Br. 118 (OKW. H. S. In.) hier abgedruckt (hierzu Lichtbild S. 304). ...zurück... |