Der ekle Wurm der deutschen Zwietracht Politische Probleme rund um den 20. Juli 1944 Friedrich Lenz 9. Zehn Prominente zur Kriegsschuld (Teil 2) Wir wollen aber auch einige prominente "Neutrale" über ihre Auffassungen zu Worte kommen lassen und zwar zunächst keinen geringeren als den berühmten schwedischen Forscher
"Als aber die große Wendung im deutschen Schicksal eingetreten war, fielen die Demokraten wieder über Deutschland her; sie sahen nicht ein, daß sie selbst durch ihre Kurzsichtigkeit die Wendung erst heraufbeschworen hatten. Sie hatten Versprechungen nicht gehalten und beschuldigten die neue deutsche Staatsführung des Vertragsbruches, weil es ja immer leichter ist, eine Schuld auf andere abzuwälzen, als sie selbst zuzugeben. Alle Vorschläge zur Sicherung des Friedens, die Deutschland machte, wurden abgelehnt oder blieben unbeachtet, bis Deutschland müde wurde, eine vertrauensvolle Arbeit mit den anderen Mächten zu suchen. Es begann selbst, die Fesseln abzuschütteln und sich eine Rüstung zu schaffen, die der gleichkam, die seine Nachbarn längst besaßen, die niemals ihrer Abrüstungsverpflichtungen nachgekommen waren. Allen feierlichen Versicherungen des Führers, daß er trotz der Wiedererstarkung den Frieden wolle, glaubte man nicht. Adolf Hitler hat am 21. Mai 1935 im Reichstag gesagt: 'Jeder Krieg verzehrt zunächst die Auslese der Besten... Eine gesunde Sozialpolitik kann bei einer Steigerung der Geburtenfreudigkeit einer Nation in wenigen Jahren mehr Kinder des eigenen Volkes schenken, als durch einen Krieg an fremden Menschen erobert und damit unterworfen werden könnten. Nein! Das nationalsozialistische Deutschland will den Frieden aus tiefstinnerlicher weltanschaulicher Überzeugung.' Niemand kann leugnen, daß dies ein wirkliches und überzeugendes Friedensprogramm ist. Hätten die Sieger des Weltkrieges damals, 1935, Adolf Hitlers Vorschläge und seine in öffentlichen Reden verkündeten Angebote ernst genommen oder sich wenigstens herbeigelassen, mit ihm darüber zu verhandeln, dann hätte sich der neue Weltkrieg vermeiden lassen. Eine Generation von Männern im besten Alter, unzählige unschuldige Zivilisten hätten gerettet und Hunderte von Millionen in der Welt hätten zu einem besseren Zweck verwendet werden können, als zu dem Versuch, die abendländische Kultur auf unabsehbare Zeit hinaus zu zerstören. Aber man wollte Friedensstimmen, die von dieser Stelle her ertönten, kein Gehör schenken, man zog die Totenglocken vor, deren unheilvoller Klang den großen Völkern wieder und wieder ein hoffnungsloses 'Zu spät' verkündete, denselben Völkern, die auch jetzt wie im ersten Weltkrieg - als ob sie von bösen Mächten verhext wären - gern alles für das eine Ziel opferten: Deutschlands Vernichtung, Germaniam esse delendam. Die eigentliche Ursache für diese unglückliche Entwicklung liegt darin, daß die Erben des Vertrages von Versailles nie erkannt haben, daß die Machtergreifung durch Adolf Hitler und die NSDAP etwas grundlegend anderes war als eine der gewohnten Regierungswechsel. Nicht eine starke Partei löste eine schwächere ab, sondern eine revolutionäre Bewegung mit totalem Machtanspruch trat an. Geboren aus den Erfahrungen, daß Deutschland zum Wiedergesunden niemals auf Hilfe von außen, sondern nur auf seinen eigenen Willen rechnen könne, trat die Regierung Adolf Hitlers an die Stelle eines schwachen, innerlich uneinigen, in 32 Parteien zerissenen Parlaments und einer ebenso schwachen Regierung, die von diesem wankelmütigen Parlament abhängig und im Volke selbst wurzellos war. Hätte man dieses umwälzend Neue erkannt und sich bemüht, mit der nationalsozialistischen Regierung in Verhandlungen zu kommen, dann wäre sie gewiß dazu bereit gewesen; die verschiedenen Angebote Adolf Hitlers beweisen das. Er hatte in diesen Jahren soviel mit der Durchsetzung seiner Gedanken auf innerpolitischem Gebiet, mit der Einigung des ganzen Volkes zu tun, daß er gewiß bereit gewesen wäre, eine auch von den anderen erstrebte Aussöhnung mit dem deutschen Volk zur Grundlage seiner Außenpolitik zu machen. Alle Angebote Adolf Hitlers wurden hochmütig zurückgewiesen und von vornherein als unehrlich angesehen. Man betrachtete sie immer als eine Drohung gegen sich selbst, nie als den Versuch eines lange gedemütigten Volkes, wieder als gleichberechtigt in den Kreis der anderen großen Nationen einzutreten. Man nahm Anstoß an manchen Maßnahmen der deutschen Regierung und übersah die Absicht, das Große und Gute im neuen Deutschland. Statt nur unfruchtbare Kritik zu üben, die niemand nützte, hätte man lieber eine Aussöhnung versuchen sollen, die Deutschland selbst anstrebte, dann hätte sich vieles auch im inneren Leben Deutschlands gelöst.
Noch weniger hatte der zweite Weltkrieg am 1. September 1939 in dem Augenblick begonnen,
in
dem deutsche Truppen die polnische Grenze überschritten. Er ist aus dem ersten Weltkrieg
geboren, zum mindesten in der Stunde, da die Vertreter von zweiunddreißig Nationen im
Spiegelsaal von Versailles ihre Unterschrift unter ein Dokument setzten, das als Friedensvertrag
bezeichnet wurde, ohne es zu sein.
2. Das Gebiet des sogenannten Korridors... wird über seine Zugehörigkeit zu Deutschland oder zu Polen entscheiden. 3. Zu diesem Zweck wird dieses Gebiet eine Abstimmung vornehmen. Abstimmungsberechtigt sind alle Deutschen, die am 1. Januar 1918 in diesem Gebiet wohnhaft waren oder bis zu diesem Tage dort geboren wurden, und desgleichen alle an diesem Tage in diesem Gebiet wohnhaft gewesenen oder bis zu diesem Tage dort geborenen Polen, Kaschuben und so weiter... Zur Sicherung einer objektiven Abstimmung wird dieses Gebiet ähnlich dem Saargebiet einer sofort zu bildenden internationalen Kommission unterstellt, die von den vier Großmächten Italien, Sowjetunion, Frankreich, England gebildet wird... 4. Von diesem Gebiet bleibt ausgenommen der polnische Hafen Gdingen, der polnisches Hoheitsgebiet ist... 5. Um die notwenige Zeit für die umfangreichen Arbeiten zur Durchführung einer gerechten Abstimmung sicherzustellen, wird sie nicht vor Ablauf von zwölf Monaten stattfinden. 6. Um während dieser Zeit Deutschland seine Verbindung mit Ostpreußen und Polen seine Verbindung mit dem Meere unbeschränkt zu garantieren, werden Straßen und Eisenbahnen festgelegt, die einen freien Transitverkehr ermöglichen... 7. Über die Zugehörigkeit des Gebietes entscheidet die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen. 8. Um nach erfolgter Abstimmung - ganz gleich, wie diese ausgehen möge - die Sicherheit des freien Verkehrs Deutschlands mit seiner Provinz Danzig-Ostpreußen und Polen seine Verbindung mit dem Meere zu garantieren, wird, falls das Abstimmungsgebiet an Polen fällt, Deutschland eine exterritoriale Verkehrszone... gegeben zur Anlage einer Reichsautobahn sowie einer viergleisigen Eisenbahnlinie. Der Bau der Straßen und der Eisenbahn wird so durchgeführt, daß die polnischen Kommunikationswege... entweder über- oder unterfahren werden... Fällt die Abstimmung zugunsten Deutschlands aus, erhält Polen zum freien und uneingeschränkten Verkehr nach seinem Hafen Gdingen die gleichen Rechte einer ebenso exterritorialen Straßen- bzw. Bahnverbindung, wie sie Deutschland zustehen würden. 9. Im Falle des Zurückfallens des Korridors an das Deutsche Reich erklärt sich dieses bereit, einen Bevölkerungsaustausch mit Polen in dem Ausmaß vorzunehmen, als der Korridor hierfür geeignet ist. 10. Die etwa von Polen gewünschten Sonderrechte im Hafen von Danzig würden paritätisch ausgehandelt werden mit gleichen Rechten Deutschlands im Hafen von Gdingen. 11. Um in diesem Gebiet jedes Gefühl einer Bedrohung auf beiden Seiten zu beseitigen, würden Danzig und Gdingen den Charakter reiner Handelsstädte erhalten, das heißt ohne militärische Anlagen und militärische Befestigungen. 12. Die Halbinsel Hela, die entsprechend der Abstimmung entweder zu Polen oder zu Deutschland käme, würde in jedem Fall ebenfalls zu demilitarisieren sein. 13. Da die deutsche Reichsregierung heftigste Beschwerden gegen die polnische Minderheitenbehandlung vorzubringen hat, die polnische Regierung ihrerseits glaubt, auch Beschwerden gegen Deutschland vorbringen zu müssen, erklären sich beide Parteien damit einverstanden, daß diese Beschwerden einer international zusammengesetzten Untersuchungskommission unterbreitet werden... 14. Um den in Polen verbleibenden Deutschen sowie den in Deutschland verbleibenden Polen das Gefühl der internationalen Rechtlosigkeit zu nehmen und ihnen vor allem die Sicherheit zu gewähren, nicht zu Handlungen bzw. zu Diensten herangezogen werden zu können, die mit ihrem nationalen Gefühl unvereinbar sind, kommen Deutschland und Polen überein, die Rechte der beiderseitigen Minderheiten durch umfassendste und bindende Vereinbarungen zu sichern... 15. Im Falle der Vereinbarung auf der Grundlage dieser Vorschläge erklären sich Deutschland und Polen bereit, die sofortige Demobilisierung ihrer Streitkräfte anzuordnen und durchzuführen. 16. Die zur Behandlung der obigen Abmachungen erforderlichen weiteren Maßnahmen werden zwischen Deutschland und Polen gemeinsam vereinbart. Die diplomatischen Akten der neueren Geschichte werden kaum ein Schriftstück aufweisen, das diesem Vorschlag an Mäßigung, an Entgegenkommen und Verständnis für die Bedürfnisse eines anderen Landes gleichkommt.24 Daß Polen ihn trotzdem nicht einmal einer Empfangsbestätigung für wert hielt, kann allein durch die inzwischen bekanntgewordene Tatsache erklärt werden, daß es sich nicht nur auf seine europäischen Freunde Großbritannien und Frankreich, sondern vor allem auch auf die Unterstützung der Vereinigten Staaten verließ. Roosevelt hatte sie ihm durch seine Botschafter in Warschau und Paris zusagen lassen. In London ist behauptet worden, der deutsche Vorschlag sei so spät abgesandt worden, daß die Warschauer Regierung gar nicht darauf antworten konnte. Der deutsche Einmarsch in Polen sei so schnell erfolgt, daß der ganze Vorschlag wahrscheinlich nicht ernst gemeint sei. Diese Behauptung ist unwahr. Der Londoner Daily Telegraph, eine dem Foreign Office nahestehende Zeitung, hat in der Abendausgabe des 31. August 1939 einen Bericht über Beratungen im englischen Kabinett veröffentlicht. In diesem sei zur Sprache gekommen, daß dem britischen Botschafter in Berlin, Sir Neville Henderson, von dem deutschen Reichsaußenminister die deutschen Vorschläge über eine friedliche Begleichung des deutsch-polnischen Konflikts übermittelt worden seien. Er habe sie sofort nach London weitergemeldet, da sich die britische Regierung in einer Note vom 28. August 1939 gegenüber der deutschen Regierung bereit erklärt hatte, die Vermittlung zu übernehmen. Das Londoner Kabinett habe das deutsche Memorandum nach Warschau weitergeleitet und die polnsiche Regierung habe nach seinem Empfang die Generalmobilmachung angeordnet. In London hatte der Bericht des Daily Telegraph große Bestürzung hervorgerufen, denn man war dort - mit Roosevelts Zustimmung - entschlossen, die Schuld am Ausbruch des Krieges nach dem Vorbild von 1914 Deutschland zuzuschieben. Im britischen Blaubuch über den Kriegsausbruch und in den Erinnerungen Sir Neville Hendersons, The Failure of a Mission, ist dieser Entschluß ausgeführt worden. Die unbeabsichtigte Wahrheitsliebe des Daily Telegraph wurde dadurch zu vertuschen versucht, daß die genannte Abendausgabe beschlagnahmt und die Redaktion veranlaßt wurde, eine zweite Spätausgabe herauszubringen, in deren Bericht über die Kabinettsberatung der für die britische Regierung so peinliche Satz über die polnische Generalmobilmachung nach Erhalt des deutschen Vorschlages entfernt war. Das Foreign Office hat aber nicht verhindern können, daß die erste Ausgabe des Daily Telegraph bereits in die Hände einiger Menschen gekommen war, die sich für die wahren Umstände interessierten. Der beispiellos schnelle Ablauf des deutschen Feldzugs gegen Polen ist in aller Erinnerung. Die versprochene Truppen- und Waffenhilfe der Mächte, die Polen zum Widerstand gegen Deutschland ermutigte, ist nie erfolgt. Polen wurde von England, Frankreich und dem Amerika Roosevelts verraten."
"Man hat immer wieder versucht, dem deutschen Volke die Alleinschuld zum Kriege zu geben, aber bei einer nüchternen Untersuchung des Materials kann eine solche Behauptung nicht aufrecht erhalten werden. So behauptet man zum Beispiel, daß das deutsche Memorandum an Polen in der letzten Augustwoche vor dem Ausbruch des Krieges nicht ernst zu nehmen sei. Und man begründet diese Behauptung mit dem Hinweis, daß Ribbentrop beim Besuch des britischen Botschafters, Mittwoch abend halb neun Uhr, den Text des Memorandums nicht hätte mitteilen wollen. Aber man verschweigt, daß derselbe Text zwei Stunden später von Görings Hauptquartier an den britischen Botschaftssekretär telefoniert wurde und daß das britische Außenministerium in London den Text am Donnerstag morgen um zwei Uhr zur Verfügung hatte.25 Man verschweigt weiter, daß die polnische Regierung, die den Text um sechs Morgens von London bekam, am Donnerstag mittag dem polnischen Botschafter in Berlin verbot, sich auf irgendeine Diskussion über dieses Memorandum einzulassen oder überhaupt zu zeigen, daß er von seinem Inhalt Kenntnis genommen hatte."
"...sah die Gefahr für den Weltfrieden nicht in dem Zusammenprall von Weltanschauungen. Diese waren nach seiner Ansicht nur der Vorhang, hinter dem sich die Auseinandersetzung zwischen durchaus materiellen Machtinteressen abspielte. So war für ihn der Widerspruch der Welt gegen Deutschlands wieder zunehmende Macht weniger die Folge der Abneigung gegen den Nationalsozialismus als vielmehr die Furcht vor einem die europäische Balance störenden Übergewicht des Reiches. Wenn die deutschen Sozialdemokraten Hitlers Politik vorweggenommen hätten, dann hätte man in allen westlichen Ländern eine Welle des Antimarxismus erlebt." (Nach L. v. Krosigk, Es geschah in Deutschland.)
"Die Diplomatie von früher hätte wahrscheinlich die Teilung Polens geduldet (es
wäre nicht das erste Mal gewesen) und der Weltkrieg wäre vermieden worden.
Stellten die Vorgänge einer Annexion von Abessinien, eine Liquidierung der
Tschechoslowakei nicht für die Menschheit unendlich billigere Operationen dar, als der
Ausbruch eines Weltkrieges? War das also nicht gerecht? Aber die Amputation eines Viertels
von
Deutschland zu Gunsten des slawischen Imperialismus, die schreckliche Vertreibung von
Millionen von Menschen, die man seit vier Jahren wie Vieh behandelt, ist das gerecht? Die
Staatsmänner von früher wußten, daß man den ungeschriebenen
Gesetzen
des Lebens Konzessionen machen muß. Waren wir durch die Teilung Polens einer
tödlichen Gefahr ausgesetzt worden? Ist die Gefahr, die die demokratischen
Staatsmänner uns mit ihren eigenen Händen heute heraufbeschworen haben, nicht
unendlich viel größer? Ist unsere Lage nicht unendlich dramatischer? Wer sagt
heute
nicht, daß Europa im August 1939 schön war?"
Anmerkungen 24Ich lege Wert auf die Feststellung, daß das erste Angebot Adolf Hitlers vom 21. März 1939 noch wesentlich günstiger war und genau den Vorschlägen entsprach, die Marschall Pilsudski 1918 selbst in Versailles gemacht hatte. Diese waren aber seinerzeit von Polens Chauvinisten und den Franzosen torpediert worden. ...zurück...
25Die Aussprache zwischen Ribbentrop und
Henderson fand zwar in Wirklichkeit erst vier Stunden später statt, doch ändert dies
nichts an der Tatsache, daß die englische Regierung den Vorschlag schon Donnerstag
früh hatte. Zu allem Überfluß sah sich Herr Botschaftsrat Theo Kordt wieder
bemüßigt, ihn am Abend des Donnerstag (31. August) zu einer seiner
Geheimbesprechungen mit Vansittart mitzubringen. Es war also genug Zeit, auf Polen zwecks
Verhandlungen auf der Basis dieser
Vorschläge zu drängen. - Die deutsche Regierung hatte das Telegramm entziffern
können, mit dem Polen schon am Donnerstag mittag seinen Botschafter anwies, sich in
keine Diskussion einzulassen und auch keine Vorschläge anzunehmen. ...zurück... |