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Der ekle Wurm
der deutschen Zwietracht

Politische Probleme rund um den 20. Juli 1944


Friedrich Lenz


8. Zehn Prominente zur Kriegsschuld (Teil 1)

Ich muß es mir nun schon aus Platzmangel versagen, hier auf Grund des umfangreichen Materials den lückenlosen Beweis zu liefern, daß alles diplomatische Hin und Her bis zur Kriegserklärung vom 3. September nur Theater war, um die Völker über die wahre Schuld zu täuschen. Ich begnüge mich mit einigen prägnanten Feststellungen:

A. Das Garantieversprechen Englands sollte ausschließlich dem Schutze Polens dienen. Für Polen wurde kein einziger Schuß abgegeben.22

B. Der amtliche - also der Öffentlichkeit zugängliche - Wortlaut des britisch-polnischen Beistandsvertrages vom 25. August spricht vom Schutze gegen jede europäische Macht. Als Deutschland Polen überwunden hatte, und Rußland die andere Hälfte mit Krieg überzog, fragte treuherzig am 19. Oktober 1939 im Unterhaus der Abgeordnete Harvey, ob denn dieser Vertrag nicht auch für Angriffe nichtdeutscher Mächte, also Rußland, gelte. Er bekam schriftlich die amtliche Antwort, daß zwischen Polen und England in den Verhandlungen ausdrücklich festgelegt worden sei, daß dieses Abkommen nur für den Fall eines deutschen Angriffes gelte.

C. Ich wiederhole ein vielsagendes Wort Bruno Brehms: "Die wahren Kriegsgründe erfährt man ja meist nicht durch die Reden, die vor dem Kriege gehalten werden, sondern durch die Taten, die nach den Kriegen begangen werden." Demjenigen, der sich für diese Taten interessiert, empfehle ich die Lektüre des hochinteressanten Buches der Amerikanerin Freda Utley: Kostspielige Rache.


Es dürfte überzeugender sein zu hören, was zu diesem Thema prominente Politiker und Historiker jenes Landes sagen, das am 3. September 1939 glaubte, uns den Krieg erklären zu müssen, statt die Mahnung Churchills vom Dezember 1932 zu verwirklichen und Polen zur Beseitigung des letzten Unrechts des Versailler Diktates zu veranlassen, um der Welt den zweiten - und dritten - Weltkrieg zu ersparen:


1. Sir Oswald Mosley, der bekannte Politiker und ehemalige Minister, in Die europäische Revolution:

"Eine tiefere Schau mußte das britische Weltreich und die deutsche Festlandsmacht als die Zwillingssäulen sehen, die ein Zeitalter der Wohlfahrt und Kulturblüte, ein dauerhaftes Gebäude der Ordnung und des Friedens hätten tragen können.

Mosley Die genau entgegengesetzte Ansicht setzte sich durch und führte zu dem Zusammenstoß, dessen Folgen jetzt mit nahezu mathematischer Genauigkeit angegeben werden können: Ein Drittel Europas ist an Rußland verloren, und siegessicher türmt sich die gewaltige Macht des Ostens über dem erschöpften Rest des Abendlandes empor, das nur noch von der Atombombe in amerikanischer Hand geschützt wird. Ferner sind 74% der Bevölkerung und 16% der Fläche des britischen Weltreichs infolge des Krieges oder seiner Nachwirkungen verloren gegangen; was noch übrig geblieben ist, schleppt sich auf Krücken fremder Hilfe dahin.

Ist dieses Ergebnis all der Opfer wert? Sie wären nur zu rechtfertigen gewesen, wenn Deutschland tatsächlich die Weltherrschaft angestrebt hätte. Wir haben schon festgestellt, daß nur Wahnsinnige auf diesen Gedanken hätten kommen können, und jene Männer, die mit gar nichts in der Hand anfingen und nach zwanzigjährigem Kampfe derart große Leistungen auf allen Gebieten erzielen konnten, können nicht wahnsinnig gewesen sein. Aber wir wollen einmal das Unmögliche gelten lassen und annehmen, Deutschland hätte nach Festigung seiner Stellung in Europa solche Weltherrschaftspläne aufgegriffen und sich gegen den Westen, das heißt also gegen Frankreich, gegen England und gegen Amerika gewandt. Was wäre die einzig richtige Antwort auf diese Gefahr gewesen? Jedenfalls nicht die, sich ungerüstet in den Kampf zu werfen, sondern die Entwicklung abzuwarten und inzwischen für eine ausreichende Rüstung zu sorgen. Wenn die drei großen Westmächte ihre gewaltige Industrie vereint zur Herstellung der damals entscheidenden Waffen eingesetzt hätten, wäre es für Deutschland selbst nach Erschließung aller erreichbaren Rohstoffquellen unmöglich gewesen, sie zu überwinden. Frankreich, England und Amerika hätten bei rechtzeitiger Ausschöpfung ihrer überwältigenden industriellen Möglichkeit der Hilfe Rußlands nicht bedurft, um einen etwa drohenden deutschen Angriff abzuwehren und den Angreifer niederzuschlagen.

Ist es für eine Politik mit offenem Sinn für die Wirklichkeit nicht selbstverständliches Gebot, in solcher Lage die beste Lösung anzustreben, sich aber dabei für die schlimmste gerüstet zu halten? Unter allen Umständen, die 1939 gegeben waren, hätte das bedeutet, einerseits alle Ursachen wegzuräumen, die eine deutsche Explosion bewirken konnten, aber auch alle Vorbereitungen zu ihrer Abwehr zu treffen. Der erste Schritt hätte bedeutet, daß die Saatskunst der reichen Westmächte Deutschland Zutritt zu den so dringend von ihm benötigten Rohstoffen gewährt hätten, entweder in den angrenzenden Gebieten des Ostens oder durch die Beteiligung an dem damaligen Rohstoffüberfluß in den Überseegebieten. Freie Hand im Osten wäre sowohl vom deutschen wie vom englischen Standpunkt aus die bessere von beiden Lösungen gewesen, aber sie hätte ein Ausmaß nüchterner Überlegung und Entschiedenheit vorausgesetzt, das nun einmal vom 'demokratischen' Denken nicht erwartet werden darf.

Wenn wirklich der Wille zur Klärung und Entspannung vorhanden gewesen wäre, hätten sich aber auch andere, dem Denken und Fühlen der Demokratien besser entsprechende Verfahren finden lassen. Deutschland würde wohl jeder internationalen Regelung zugestimmt haben, die seiner Wirtschaft Rohstoffe aus dem bestehenden Überfluß der Welterzeugung zuführte, auch wenn dies durch Handel oder Tausch statt durch unmittelbaren Zugang zu den Quellen geschehen wäre - vorausgesetzt allerdings, daß es sich dabei nicht den Herrschaftsansprüchen der fremden Hochfinanz unterwerfen mußte.

Außer den bekannten Flügen britischer Diplomaten in Augenblicken höchster Gefahr, in Krisen, die entstanden waren, weil man das deutsche Volk auf einen zu engen Raum zusammengepreßt hatte, machte die demokratische Staatskunst keinen ernstlichen Versuch, die Ursachen der drohenden Explosion zu beseitigen. Sie schlug im Gegenteil all die verschiedenen Abrüstungsvorschläge Deutschlands in den Wind, Vorschläge, die von der Geschichte verzeichnet sind und nicht abgeleugnet werden können. Deutschland hatte schwerwiegende Gründe zu Beschwerden über seine Beschränkung auf zu engem Raume ohne ausreichende Rohstoffquellen. Verstand und Gerechtigkeit verlangen, daß wenigstens der Versuch gemacht werde, diese Beschwerdegründe zu beseitigen. Auch wenn man den Verdacht hatte, daß Deutschland in Wirklichkeit nicht die Wohlfahrt seiner Bevölkerung, sondern Weltherrschaft anstrebte, hätte kein Versuch einer friedlichen Regelung unterlassen werden dürfen. Gleichzeitig mußte freilich die gewonnene Zeit benutzt werden, die ungeheuren industriellen Machtmittel so auszubauen, daß die Rüstung der drei Westmächte jede Angriffsabsicht Deutschlands - falls sie tatsächlich bestehen sollte - im Keim ersticken konnte. Wäre es dennoch zu einem Krieg gekommen, dann hätte er dank der Rüstungsübermacht der westlichen Verbündeten nicht annähernd so lange gedauert und nur einen Bruchteil der Opfer an Menschenleben und Kulturwerten verursacht, die der Zweite Weltkrieg, dieses Ergebnis langhingeschleppten Wirrwarrs, das die Demokratien Politik und Vorbereitung nannten, erforderte.

Der Verfasser ist jedoch heute genau so wie damals davon überzeugt, daß ein ehrliches Bemühen um einen Ausgleich Erfolg gebracht hätte, und daß die freie und natürliche Einigung Großbritanniens und Deutschlands Europa und der Welt zum Vorteil gereicht hätte."


2. Robert Boothby, der englische Vertreter in Straßburg, in Europa vor der Entscheidung:

"Deshalb war unser Erstaunen groß, als Chamberlain uns am 31. März von unserem bedingungslosen und einseitigen Garantieversprechen an Polen in Kenntnis setze. Ich war damals und bin noch heute der Auffassung, daß dies mangels eines festen Bündnisses mit Rußland ein Akt des Wahnsinns war, denn wir gaben damit ein weitgehendes Versprechen, bei dem von vornherein feststand, daß wir es nicht halten konnten. Lloyd George stellte sofort die Frage, ob der Generalstab seine Zustimmung dazu gegeben habe, daß wir uns zur Verteidigung eines Landes verpflichteten, welches völlig unerreichbar für uns sei. Er bekam keine Antwort.

Polen fiel dem Blitzkrieg im Laufe von drei Wochen zum Opfer. Wir rührten keinen Finger - und kein Flugzeug - zu seiner Hilfe. Wie sollten wir? Nicht einmal ein Gefühl für die Dringlichkeit der Lage war zu spüren."


3. Peter H. Nicoll, schottischer Geistlicher, in Britanniens Irrtum:

"Vor Kriegsausbruch herrschte in Britannien noch keine Kreuzzugstimmung gegen Hitler, ja kaum Furcht vor einem herannahenden Krieg. Die Öffentlichkeit sah nicht, daß die europäische Spannung vor einem Ausbruch stehen konnte. Selbst, wer den Einmarsch nach der Tschechoslowakei mißbilligte, konnte doch nicht vorgeben, daß dadurch die Freiheit Englands oder einer anderen großen Macht gefährdet würde. Die Spannung war im Sommer 1939 weit geringer als im Jahr zuvor. Die Menschen schienen sogar vergessen zu haben, daß es nicht Hitler, sondern Mr. Chamberlain war, der sie und die ganze Welt der Katastrophe preisgegeben hatte, und zwar durch ein paar der törichtsten, anmaßendsten und herausforderndsten Worte, die ein Diener des Staates je geäußert hat. Diese Worte waren die unmittelbare Ursache zum Zweiten Weltkrieg. Chamberlain gab sogleich nach dem Einmarsch in Prag die Erklärung ab, England werde Polen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zur Hilfe kommen, falls es von Deutschland angegriffen werden sollte. Es werde die Unversehrtheit und Unabhängigkeit Polens gegen jeden Akt der Aggression schirmen... Die Garantierede war die verhängnisvollste Rede, die je ein Premierminister gehalten hat. Ob er nun für das Kabinett sprach oder nicht... er dachte nicht an Befragung des Volkes, das die bitteren Früchte seiner gedankenlosen und törichten Worte würde ernten müssen - und erntete.

Die britische Regierung mußte sich klar darüber sein, daß sie ihre Garantie niemals erfüllen konnte... Die Polen ließen sich täuschen, sie zeigten sich nunmehr sicher und herausfordernd gegen Deutschland... Der Blankoscheck an Polen besagte: Ich kümmere mich nicht darum, ob du im Recht bist oder nicht: sobald Deutschland dich angreift, werde ich ihm zu deiner Verteidigung den Krieg erklären! Und dies wollen törichte Menschen eine großartige und noble Gebärde nennen! Es war ein grundsatzloses, nichtiges Versprechen, das nur durch den persönlichen Haß gegen Hitler veranlaßt wurde... Der Leser möge sich fragen, was man einst in England gedacht hätte, wenn eine andere Großmacht ihm diktiert hätte, was es in Bezug auf Irland oder Portugal oder Kanada oder Indien zu tun oder zu lassen habe! - Wir müssen uns daran erinnern, daß das künstlich geschaffene Polen von 1919 - eine Diktatur - zu dem ausgesprochenen Zweck errichtet worden war, zusammen mit der abscheulichen Abtrennung Danzigs Deutschland einzuschnüren. - Fragen wir uns doch, welche zu 94% britische Stadt sich damit abfinden würde, unter fremder Herrschaft zu bleiben, und was England gefühlt hätte, wenn es durch einen Korridor von Schottland getrennt worden wäre.

Gedankenlose Menschen in England und anderswo wurden es müde, zuzusehen, wie Hitler beharrlich einen deutschen Anspruch nach dem anderen geltend machte. Sie wurden gereizt und kamen zu dem einfachen Schluß, daß alle diese Ansprüche Teile eines ausgeklügelten Planes der Aggression seien. Aber ein gerechter Anspruch wird nicht dadurch falsch und selbstsüchtig, daß es der dritte oder vierte ist, den ein Mann zu stellen hat. Es ist ausgesprochen unfair, wenn Leute, die glücklich genug waren, nicht unter Unrecht zu leiden und keine Ansprüche stellen zu müssen, Hitler die Zwangslage Deutschlands zum Vorwurf machen wollen. Als die Frage Danzigs und des Korridors aufgerollt wurde, ging ihre Ungeduld mit ihnen durch und überrannte jedes Gefühl für Gerechtigkeit. Sie entschieden kurzerhand, daß diese weiteren Ansprüche nichts weiter seien als 'Aggression' und - auf Grund eines seltsamen Rückschlusses - daß also Hitlers frühere Forderungen gleichfalls glatte 'Aggression' und Länderraub gewesen seien. In jenen Tagen wurde oft behauptet, wir hätten keinen Streit mit Deutschland über sein inneres politisches Gefüge; der innere Aufbau gehe nur jeden Staat selber an. Aber wenn man auf Auskunft bestand, welches Unrecht außenpolitischer Art Deutschland uns oder einem anderen Lande denn angetan habe, dann wichen die Ankläger flink auf die Themen vom totalitären System und von der Judenpolitik aus und erklärten sie als ausreichenden Kriegsgrund.

Weder aus dem Glauben an die internationalen Beziehungen, zu dem wir uns bekennen, noch aus allgemeinen Ursachen läßt sich der Eintritt in den Zweiten Weltkrieg begründen. Nur die schlimme Gefahr, in die England durch die sture Entschlossenheit seiner Regierung, das Dritte Reich zu vernichten, schließlich geführt worden war, konnte die kriegerische Bereitschaft des Landes wecken und alle anderen Erwägungen zunichte machen."


4. General-Major J. F. C. Fuller, englischer Militärschriftsteller, in Der Zweite Weltkrieg:

"So kam es dazu, daß in der Zeit, in der Hitler an Macht gewann, das britische Volk so vollkommen getäuscht wurde, daß, wenn eine britische Regierung Wiederaufrüstung verlangt hätte, diese Regierung aus dem Amt gejagt worden wäre. Die friedliche Propaganda war so intensiv, daß, als im Jahre 1939 der Krach kam, die Regierung sich fürchtete, ihr wahres Kriegsziel zu proklamieren - nämlich, daß die Selbsterhaltung Großbritanniens als Großmacht es erforderlich mache, auf der traditionellen Politik zu beharren, da Deutschlands Machtpolitik, Deutschlands Lebensart, die deutsche Finanzpolitik und der deutsche Handel Großbritanniens Interessen entgegengesetzt sind und, wenn geduldet, zur Errichtung einer deutschen Vorherrschaft in Europa führen würden. Da Großbritanniens Größe auf dem Gleichgewicht der Mächte aufgebaut und erhalten wurde, hing seine zukünftige Sicherheit deshalb von der Wiederherstellung dieses Gleichgewichtes ab. Folglich war das Kriegsziel der Regierung nicht die Vernichtung Deutschlands, sondern die Reduzierung seiner Stärke auf den Gleichgewichtspunkt.

Statt dessen wurde, als am 3. September 1939 der Krieg erklärt wurde, als Kriegsziel ein moralisches Ziel proklamiert. Dadurch erhielt der Konflikt den Charakter eines Kreuzzuges, das heißt eines ideologischen Krieges im Gegensatz zu einem politischen Krieg, eines Krieges, um Hitler und den Hitlerismus zu vernichten, wie St. Georg den Drachen vernichtete. Dies geht kristallklar aus den Erklärungen aller Parteien des Unterhauses hervor: So erklärte Mr. Chamberlain (Ministerpräsident): 'Ich hoffe zuversichtlich den Tag zu erleben, an dem der Hitlerismus vernichtet und ein befreites Europa wiederhergestellt ist.' - Weiter Mr. Greenwood (Arbeiterpartei): 'In diesem titanischen Ringen, das in der Weltgeschichte - glaube ich - ohnegleichen dasteht, muß der Nazismus endgültig ausgerottet werden.' - Dann Sir A. Sinclair (Liberale Partei): 'Die Welt muß wissen, daß das britische Volk unerbittlich entschlossen ist, die Nazi-Herrschaft, wie der Ministerpräsident sagte, für immer zu brechen und eine auf Gerechtigkeit und Freiheit begründete Ordnung herzustellen.' - Zuletzt Mr. Churchill (Konservative Partei): 'Dies ist nicht eine Frage des Kampfes für Danzig oder Polen. Wir kämpfen, um eine ganze Welt von der Pestilenz der Nazi-Tyrannei zu befreien und zur Verteidigung von allem, was den Menschen am heiligsten ist.'

So wurden die Gedanken des Volkes von der Wiederherstellung des Mächteausgleichs abgelenkt und seine Sinne durch einen Geist des Hasses gegen das 'Böse' verdunkelt; der Krieg wurde in den Augen des Volkes zu einem Kampf zwischen Gut und Böse.23

Wir werden sehen, daß dieses emotionelle Ziel nicht nur zum totalen Krieg führte, sondern schließlich gerade zu dem Ziel, gegen das Großbritannien seit 400 Jahren gekämpft hatte - zur Errichtung einer Hegemonie über Europa durch eine fremde Macht.

Das Schicksal wollte, daß Rußland diese Macht sei."


5. Sir Basil Liddell Hart, der berühmte englische Militärschriftsteller, in Warum lernen wir denn nicht aus der Geschichte?

Liddell Hart "Es ist unmoralisch, Versprechen zu geben, die man dann in der Praxis nicht erfüllen kann - in dem Sinne, wie der Empfänger es erwartet. Auf dieser Grundlage stellte ich im Jahre 1939 die der polnischen Garantie innewohnende Moral und ihre Durchführbarkeit in Frage. Hätten die Polen die militärische Unfähigkeit Englands und Frankreichs erkannt, sie vor der Niederlage zu erretten und vor dem, was eine solche Niederlage individuell und kollektiv für sie bedeuten würde, dann ist es unwahrscheinlich, daß sie solch eigensinnigen Widerstand geltend gemacht hätten gegen Deutschlands urprünglich bescheidene Ansprüche - auf Danzig und einen Durchgang durch den Korridor. Da es für mich klar war, daß sie im Falle eines Konflikts diese Punkte und noch viel mehr dazu verlieren mußten, schien es mir unsererseits falsch, Versprechen abzugeben, die falschen Hoffnungen Nahrung verschaffen mußten.

Auch schien es mir, daß alle derartigen Versprechungen der sicherste Weg waren, um den Krieg herbeizuführen - wegen der unvermeidlichen Herausforderung, die in der Abgabe von Garantien in einem solchen Moment der Spannung lag, Garantien für ein Gebiet, das wir bisher als außerhalb unseres Interessekreises liegend behandelt hatten; wegen der offensichtlichen Versuchung für ein so militärisch denkendes Volk wie das deutsche, zu zeigen, wie einfältig und undurchführbar unsere Garantie war; und wegen der natürlichen Folge, die Haltung eines Volkes wie des polnischen zu versteifen, das sich immer ganz besonders halsstarrig gezeigt hatte wo es galt, bei irgendeiner Streitfrage durch Verhandlungen eine vernünftige Regelung zu finden...

Und doch war in der Parlamentsdebatte über die polnische Garantie im April 1939 das Leitmotiv fast aller führender Redner, zu betonen, sie unterstützten die Garantie im Glauben, sie würde ein Mittel sein, um den Frieden zu erhalten. Von einem historischen Standpunkt aus war dieses Selbstbekenntnis ihres eigenen Zustandes der Sinnestäuschung der klarste Beweis dafür, daß es ihnen an den Elementen für eine praktische Staatsführung fehlte, und daß sie ungeeignet waren, das Schicksal eines großen Volkes zu bestimmen.

Die einzige prominente Ausnahme zu dieser Regel war Lloyd George, der allein die praktischen Schwierigkeiten und den gefährlichen Wahnsinn klarmachte, den es bedeutete, eine solche Verpflichtung anzubieten, ohne sich vorher Rußlands Mitwirkung zu sichern.

Durch eine Ironie der Geschichte war er in diesem kritischen Augenblick für einmal in Übereinstimmung mit der Ansicht der militärischen Amtsstellen - ja eines Jeden, der den geringsten Begriff von der praktischen Sachlage besaß. Er war ebenfalls als einziger Staatsmann in Übereinstimmung mit den Traditionen britischer Staatslenkung...

Wenn mir irgendjemand sagt, daß wir plötzlich im April 1939 die Gefahr erkannten, die das Nazisystem für die ganze zivilisierte Welt bedeutet, dann kann ich nur traurig lächeln. Was ich beobachtete und historisch notierte während der Monate, die auf München folgten, war ein wachsender Groll über die Demütigung, die wir dort erlitten hatten, und eine wachsende Furcht vor der Gefahr für unsere Interessen - eine Verbindung, die laufend zusätzliche Triebkraft erhielt wie unter dem Druck sich ausdehnender Gase, nachdem die Ereignisse vom März 1939 eingetreten waren.

Eine im Laufe des Winters 1939/40 vielgehörte Bemerkung war, daß man nicht wisse, was mehr zu fürchten sei - die 'Protektion' Deutschlands oder die 'Unterstützung' Englands."

    Und in Die wahren Ursachen des Krieges:

"Für die Zwecke der Nürnberger Prozesse genügte die Unterstellung, daß der Krieg mit all seinen Folgen auf Hitlers Aggresson zurückzuführen ist. Aber diese Erklärung ist zu simpel. Sie entspricht auch nicht den Tatsachen, denn Hitler wollte alles andere als einen Weltkrieg...

Die plötzliche Kehrtwendung Englands im März 1939 machte den Krieg unvermeidbar. Sie schuf eine Situation, die mit einem überhitzten Kessel verglichen werden kann, in dem der Druck bis zum Gefahrenpunkt gestiegen war und dessen Sicherheitsventil dann plötzlich geschlossen wurde. Die Schuld liegt bei denen, die es gestatteten, den Kessel zu heizen, und die auf diese Weise die Explosion herbeiführten."


6. A. Raven Thomson, London, in der Zeitschrift Nation Europa, Heft 10/II:

"Heute werden sich die Männer der führenden Schicht Englands ständig klarer darüber, wie falsch es war, unter amerikanischem und jüdischem Druck Deutschland anzugreifen. In ihrer lässigen Sportsprache geben jetzt viele von ihnen zu: 'Wir haben aufs falsche Pferd gesetzt.' Sie meinen jetzt, wenn Britannien schon unbedingt Krieg hätte führen müssen, dann doch besser auf Deutschlands Seite statt auf sowjetischer. Selbst Churchill hat diese Erkenntnis in die ihm passend erscheinenden Worte gekleidet: 'Wir haben das falsche Schwein geschlachtet.'

Im Jahre 1939 aber war diese Weisheit noch nicht Allgemeinbesitz der Machthaber; damals ließen sie sich hemmungslos von dem Wind des jüdischen Haßgeschreis und der 'pazifistischen' Kriegshetze dahintreiben. Die wenigen vernünftig Gebliebenen wie Neville Chamberlain, Lord Londonderry und Lord Runciman fielen um, als die Propaganda nach der Besetzung von Prag zur Hochflut anschwoll; sie willigten, beeinflußt von den deutschen Widerstandskreisen, in das verhängnisvolle und für Polen völlig wirkungslose Garantieversprechen ein, das den Krieg unvermeidlich machte...

Die vernünftig gebliebenen Kreise des englischen Volkes, denen klar war, daß ein Krieg zur Vernichtung Deutschlands, aber auch zur Auslieferung ganz Europas an die Sowjetunion führen würde, stemmten sich unter Führung von Sir Oswald Mosley unerschrocken gegen die Kriegstreiberei. Riesige Volksversammlungen und Kundgebungen unter freiem Himmel hörten mit begeisterter Zustimmung die leidenschaftlichen Aufrufe des Führers der Britischen Union. Es ist Tatsache, daß Mosley zwei Monate vor Kriegsausbruch die größte politische Massenkundgebung veranstaltete, die England jemals gesehen hat. Das Ausmaß dieser gewaltigen Friedenskundgebung ist daraus ersichtlich, daß Sonderzüge in langen Reihen die Arbeiter aus den Hochburgen der Unionsbewegung in Ost-London zur Halle befördern mußten. Mehr als 30,000 Menschen unterstützten in brausender Begeisterung, in Stürmen donnernden Beifalls, seinen Aufruf zum Frieden mit Deutschland, ohne daß eine Stimme des Widerspruchs laut wurde. Der Name Churchills, des Hauptkriegstreibers, ging unter in den empörten Rufen der Masse, so daß sein Sohn Randolph zitternd vor Zorn die Halle verließ.

Als dann die Kriegshetzer ihr Ziel trotz dieses Ringens um den Frieden und die Sicherheit Europas wenige Wochen später erreichten, bewies Mosley, aus welchem Holz er stammt: Unerschrocken warf er sich auch jetzt noch dem Wahnsinn entgegen, der mit allen Mitteln der Propaganda geschürt wurde. Offen und unter rücksichtslosem Einsatz seiner Persönlichkeit trat er auf gegen die Macht Churchills und der Kriegstreiber - anders als jene Männer des 20. Juli in Deutschland, die im Geheimen schlichen und wühlten und sich erst dann offen hervorwagten, als Hitlers Niederlage unabwendbar schien."


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Anmerkungen

22Die Garantie an Polen löste wenigstens eine "Kriegserklärung" aus, doch mußte es Rumänien erleben, daß England es schon im November 1938 bat, um Gotteswillen nicht nach der Wirksamkeit der Garantie zu fragen, als es den russischen Griff nach Bessarabien kommen sah. Als Rußland im Juni 1940 die englische Schwäche ausnützte und Bessarabien und Nordbukowina trotz Garantie schluckte, stand Rumänien hilflos da. ...zurück...

23Diese Einstellung hat die Jahrzehnte bis zum heutigen Tage überlebt. Wer kennt nicht die zahllosen Theater- und Fernsehfilme, in denen "die bösen Nazis" noch heute von "den guten Amerikanern" (oder Briten etc.) geschlagen werden! [Anm. d. Scriptorium] ...zurück...


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