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V.
Um den Handelsplatz Danzig

Als Motto könnte man über dieses Kapitel - wie auch vor die ganze Arbeit - den Satz setzen, mit dem de Lannoy seinen schon mehrfach zitierten Aufsatz beginnt: "In der heutigen Welt kann ein Staat nicht vollkommen souverän und unabhängig sein, wenn er keinen Ausgang zum Meer hat." Dieser eine Satz - der als typische politische Fiktion zu bewerten ist - gibt den Schlüssel zum Verständnis des polnischen Wollens. Wie der Art. 104 des Versailler Vertrages zeigt, sind die hauptsächlichsten der Polen zugesprochenen Rechte wirtschaftlicher Natur. Diese Rechte Polens betreffen erstens den Danziger Hafen, zweitens die Überwachung und Verwaltung des gesamten Eisenbahn- [87] netzes im Gebiet der Freien Stadt und drittens die Einfügung Danzigs in das polnische Zollgebiet.

1. Die in Kapitel III des Pariser Vertrages getroffene Regelung der Rechte Polens im Danziger Hafen sieht die Schaffung eines "Ausschusses für den Hafen und die Wasserwege von Danzig"1 vor. Makowski(1a) berichtet, daß die polnische Regierung nur unter stärkstem Druck der Alliierten2 ihre Zustimmung zur Schaffung eines solchen Ausschusses gegeben hätte. Die Schlappen des polnischen Heeres und der Vormarsch der Bolschewisten bis vor Warschau hätte die polnische Regierung Anfang Juli 1920 gezwungen, Ladislas Grabski zur Konferenz der Alliierten nach Spa zu schicken, um militärische Hilfe zu erbitten. Gegen die Zusage militärischer und diplomatischer Unterstützung hätte Polen sich mit der Schaffung des Hafenausschusses in Danzig einverstanden erklären müssen. Am 10. Juli 1920 hätte Grabski unterzeichnen müssen: "The Polish Government agrees... to accept the treaty to be negociated between Danzig and Poland." Am folgenden Tage schon wäre dem polnischen Delegierten eine Resolution des Obersten Rates übermittelt worden, in der kategorisch und als conditio sine qua non für den Abschluß einer Konvention die Schaffung eines "Conseil du port et des Communications d'eau" auferlegt wurde.

Später versuchte Polen, von dieser Verpflichtung unter dem Vorgeben wieder freizukommen, daß die Alliierten ihr Hilfeversprechen nicht gehalten hätten. Die polnische Regierung ließ auch auf diplomatischem Wege eine dahingehende Erklärung abgeben. Aber der englischen Regierung wurde es infolge der Erschöpfung Polens leicht - wie Makowski sich ausdrückte -, "de faire valoir le droit du plus fort en passant outre aux réclamations de la Pologne..."

Mit welchem inneren Widerstreben die polnische Regierung den Pariser Vertrag unterzeichnet hat, zeigt die Äußerung des polnischen Vertreters in Danzig in einem Interview, das er nach [88] der Unterzeichnung durch die Danziger, aber vor der Unterzeichnung durch die polnische Regierung gegeben hat: "In Wirklichkeit sind unsere Wünsche, die den Hafen betreffen, nicht erfüllt worden".(2) Im gleichen Sinne faßte Makowski fünf Jahre später sein Urteil zusammen:(3) "Bis jetzt ist der Hafenausschuß nur ein embryonales Staatsorgan, sehr kostspielig für Polen und Danzig und ohne irgendwelchen praktischen Nutzen. Es ist zu fürchten, daß der offenbare Mißerfolg dieser Institution bald zu seiner endgültigen Abschaffung führen wird."

Es kann unter diesen Umständen nicht wundernehmen, daß die Einrichtung des Danziger Hafenausschusses zu einer ständigen Quelle von Konflikten zwischen Danzig und Polen und sogar zwischen dem Hafenausschuß selbst und Polen geworden ist. Das Bemühen der polnischen Regierung war von Anfang an darauf gerichtet, die Selbständigkeit des Hafenausschusses zu beschneiden und den Ausschuß möglichst in ein Verhältnis der Abhängigkeit von sich zu bringen. Bereits am 24. Januar 1921 warf die polnische Delegation in Paris in einem Schreiben die Frage auf, ob der Hafenausschuß berechtigt wäre, internationale Übereinkommen und Verträge abzuschließen,3 eine Frage, die die polnische Delegation selbst glaubte verneinen zu sollen. Der Rat lehnte jedoch am 28. Februar 1921(6) eine allgemeine Stellungnahme ab und behielt sich die Entscheidung im Einzelfall [89] vor, falls ein Streitfall dem Völkerbundkommissar zur Entscheidung vorgelegt werden würde.

Charakteristisch für dieses Bemühen der polnischen Regierung ist der Streitfall über die Finanzierung des Hafenausschusses von Anfang 1923. Im Jahre 1921 war zwischen dem Hafenausschuß und der polnischen Regierung eine vorläufige Vereinbarung zustande gekommen, wonach für die laufenden Ausgaben des Hafenausschusses, soweit sie nicht durch Einnahmen gedeckt worden waren, vorbehaltlich der endgültigen Abrechnung, von den beiden Regierungen zu gleichen Teilen Vorschüsse geleistet werden sollten. Polen aber war mehr als einmal in Rückstand gekommen und hatte seit Februar 1923 seine Zahlungen überhaupt eingestellt, so daß die Kosten für die Inbetriebhaltung des Hafenausschusses der Freien Stadt vollständig zugefallen waren. Der von Polen vertretene Standpunkt war der folgende: Sowohl die Aufforderung des Hafenausschusses an die polnische Regierung, die vereinbarten Zahlungen zu leisten, als auch das Ersuchen des Senats an den Völkerbundkommissar, über die Zahlungsverpflichtung der polnischen Regierung eine Entscheidung abzugeben, wären Eingriffe in die Souveränitätsrechte Polens. Einzig Polen hätte Rechte auf Danziger Grund und Boden und nicht umgekehrt. Da der Hafenausschuß durch den Pariser Vertrag deshalb geschaffen worden wäre, um den Polen im Vertrag von Versailles zuerkannten Rechten Geltung zu verschaffen, hätte der Hafenausschuß nicht und könnte der Ausschuß nicht gegenüber Danzig die gleichen Verpflichtungen haben wie gegenüber Polen. Polen könnte daher auch in finanzieller Hinsicht entscheiden, ob es den Betrieb des Hafens vergrößern, aufrechterhalten, einschränken, oder "zwecklose" Ausgaben herabsetzen wollte. Die polnische Regierung ging noch über die Forderung nach Entscheidung über die Höhe seiner eigenen Zuschüsse hinaus und verlangte, daß der Hafenausschuß mit Hilfe Polens jede Ausgabe der Freien Stadt auferlegen könnte, da Danzig als freie Stadt durch den Vertrag von Versailles nur geschaffen worden wäre, um Polen Zugang zum Meere zu gewähren. - Der Völkerbundkommissar MacDonnell entschied am 29. April 1923, daß das Finanzabkommen vom Jahre 1921 von Polen ausgeführt werden müßte.

Um die gleiche Zeit hatte die polnische Regierung das Recht des Hafenausschusses, selbständig Anleihen unter Verpfändung seines Grundbesitzes aufzunehmen, zu bestreiten versucht. Der [90] Völkerbundkommissar MacDonnell bestätigte in seiner Entscheidung vom 24. Mai 1923 dieses Recht des Ausschusses.4

In einem weiteren Fall wurde Polen durch Entscheidung des Kommissars jedoch ein Vorzugsrecht zugestanden. Gegen einen Beschluß des Hafenausschusses vom 20. Januar 1922, welcher durch die entscheidende Stimme des Vorsitzenden zustande gekommen war, und welcher besagte, daß die Polen in den Art. 26 und 28 des Pariser Vertrages zugebilligten Rechte kein Vorzugsrecht zugunsten polnischer Gesellschaften bei Verpachtung von Geländen und Speichern durch den Hafenausschuß in sich schlösse, hatte Polen Berufung eingelegt. In seiner Entscheidung vom 27. Oktober 1922 stützte sich der Völkerbundkommissar Haking besonders auf den Satz, "daß der Hafenausschuß, wenn er diese Aufgaben der Überwachung, Verwaltung und des Betriebes des Hafens ausübt, es auf eine solche Weise tun muß, daß Polen die freie Benutzung und der freie Gebrauch des Hafens ohne jede Einschränkung und in dem für den polnischen Ein- und Ausfuhr-Verkehr notwendigen Maße gewährleistet wird", und kam darauf zu dem Schluß, "daß der polnische Ein-und Ausfuhrverkehr mehr Förderung benötigt als der Danziger Ein- und Ausfuhrverkehr, teils weil der polnische Handel einen großen Vorteil für die Freie Stadt bildet und teils, weil für den Danziger Ein- und Ausfuhrverkehr bereits gut durch die Vermittlung von in Danzig bestehenden und lange ansässigen Kaufleuten und Firmen gesorgt wird". Bei Neuverpachtungen wäre daher unter der Voraussetzung gleicher Qualifikation polnischen Bewerbern der Vorzug zu geben.5 Nachträglich gab sich auch Danzig, das gegen diese Entscheidung Berufung an den Rat eingelegt hatte, in einem in Genf am 16. April 1923 abgeschlossenen Abkommen(9) hiermit zufrieden. Nur der Begriff der "Qualifikation" fand hier noch eine nähere Umschreibung. Der Sinn der Einrichtung einer freien Stadt Danzig war gewesen, daß Danzig eine Funktion für den polnischen Außenhandel, nicht aber, daß der polnische Außenhandel seine Funktion in Danzig ausüben sollte. Indem der Kommissar diesen entscheidenden und allein maßgebenden Gesichtspunkt übersah, hat er - unter [91] Überschreitung seiner Kompetenz - die Entwicklungsmöglichkeiten der Danziger Wirtschaft beschränkt. Die nachträgliche Einverständnis-Erklärung der Danziger Regierung dürfte nur unter dem Druck der damaligen politischen Situation - es war die Zeit des Ruhrkampfes - erfolgt sein.

Ein Vorzugsrecht in ähnlichem Sinne ist den Polen durch eine Entscheidung des Völkerbundkommissars van Hamel zugebilligt worden, nach der, in Bestätigung der bisherigen Bestimmungen des Präsidenten des Hafenausschusses, de Loës, der Hafenausschuß zur Hälfte Arbeiter polnischer Nationalität und zur anderen Hälfte Arbeiter Danziger Staatsangehörigkeit beschäftigen soll.(10) Diese Entscheidung, die in dem Augenblick erging, als in Danzig annähernd 20 000 Erwerbslose vorhanden waren, hat lebhafte Proteste in Danzig zur Folge gehabt. Das sozialdemokratische Organ schrieb, die Arbeiterschaft stände auf dem Standpunkt, Danzig den Danzigern!(11) Damit ist in anderer Fassung das gesagt, was wir weiter oben in die Worte kleideten, daß Danzig für Polen, nicht aber Polen in Danzig eine wirtschaftliche Funktion auszuüben hat. An diesem entscheidenden Gesichtspunkt ging diese Entscheidung vorbei. Sie versuchte lediglich, mechanisch auszugleichen.

In der Frage der Polizei des Hafenausschusses ging das polnische Bemühen in gleicher Richtung. Die polnische Regierung vertrat die Ansicht, daß in dem Maße, als der Senat durch seine Polizeitruppe eine unmittelbare Aufsicht über den Hafenverkehr, unabhängig von dem Hafenausschuß, ausübt, Polen Gefahr liefe, der ihm durch den Hafenausschuß gewährleisteten Rechte verlustig zu gehen. Sie unterstützte damit den durch die entscheidende Stimme des Vorsitzenden zustande gekommenen Beschluß des Hafenausschusses, daß der Hafenausschuß die ihm durch den Pariser Vertrag übertragenen Aufgaben nur erfüllen könnte, wenn er die unmittelbare Verfügung über eine Polizeitruppe besäße. In Würdigung des Danziger Einspruchs gegen die Schaffung eines Staates im Staate entschied der Völkerbundkommissar MacDonnell am 6. Juni 1923, daß der Hafenausschuß sich wegen Stellung von Polizeikräften an den Senat zu wenden hätte. Das zur Verfügung zu stellende Polizeipersonal sollte zwar dem Hafenausschuß unmittelbar unterstellt werden, würde aber von der Freien Stadt anzustellen, auszubilden und zu besolden sein. Auch hinsichtlich der inneren Verwaltung und Disziplin sollte es ein Teil der Danziger Polizei bleiben und [92] den Verordnungen der Freien Stadt unterworfen sein. Fast zwei Jahre später, am 13. März 1925, billigte der Rat den Vorschlag des Ausschuß-Präsidenten, des Obersten de Reynier.(12) Dieser Vorschlag war auf der Entscheidung des Völkerbundkommissars aufgebaut. Damit hatte der Rat den Danziger Hoheitsrechten Geltung verschafft.

Ein Gleiches gilt auch von der Entscheidung des Völkerbundkommissars van Hamel vom 12. November 1927, in der er die Errichtung einer polnischen Seekammer in Danzig als unvereinbar mit dem bestehenden Recht erklärte. Die von Polen beabsichtigte Seekammer hätte gewissermaßen gerichtlichen Charakter und schlösse eine Ausübung öffentlicher Amtsgewalt in sich. Die Seekammer griffe nicht nur über die allgemeine Zivil- und Strafgerichtsbarkeit hinaus, sondern sie hätte auch ausdrücklich den Charakter eines Disziplinargerichts und einer amtlichen Stelle zur fachmännischen Untersuchung. Stellen dieser Art wären selbstverständlich, außer bei besonderen Abmachungen, auf das Gebiet derjenigen Regierung beschränkt, der sie unterstehen.(13)

Neben einigen kleineren Streitfällen - betreffend die Amtssprache des Hafenausschusses, beide Sprachen erklärte der Völkerbundkommissar für gleichberechtigt(14) - die besondere Flagge des Hafenausschusses, die gebilligt wurde,(15) trotzdem die Flagge einer Behörde ein Hoheitszeichen darstellt, dem Hafenausschuß aber unzweifelhaft keine Hoheitsrechte zukommen - die Unterhaltung der Mottlau und des Kaiserhafens, die Ansprüche der Danziger Stadtverwaltung wurden abgewiesen(16) - die Anschaffung einer Dampffähre, die der polnischen Eisenbahnverwaltung auferlegt wurde(17) - die Beteiligung der Stadtgemeinde Danzig an den Hafeneinnahmen auf Grund alter Verträge mit Preußen, der Kommissar wies einen Rechtsanspruch ab, erkannte Billigkeitsanspruch an(18) - ist auch in diesem Zusammenhange der Julivorstoß vom Jahre 1923 zu erwähnen, der sich zum erheblichen Teil gegen die Existenz des Hafenausschusses überhaupt richtete.(19) Der Vorstoß verlief - wie schon dargetan - ergebnislos. In den Verhandlungen, die folgten, wurde als gemeinsamer Standpunkt Danzigs und Polens festgestellt,(20) daß der Hafenausschuß "den gemeinsamen Interessen Polens und Danzigs dienen" soll. Also ein deutlicher Rückzug Polens. In concreto wurde vereinbart: Erstens, daß beide [93] Regierungen "weiterhin zu gleichen Teilen die für die Erhaltung einer normalen Tätigkeit erforderlichen Summen zu zahlen" hätten; "in Zweifelsfällen wird der Hafenausschuß entscheiden, was zur normalen Tätigkeit des Hafens gehört"; zweitens, "daß in den Fällen, in denen der Hafenausschuß Beklagter in einem Zivilprozeß ist, der Kläger den Fall entweder vor ein Danziger Gericht in Danzig oder ein polnisches Gericht in Polen bringen kann; in jedem Fall wird Danziger Recht zur Anwendung gelangen"; drittens, daß die Frage, ob der Hafenausschuß zur Aufnahme von Anleihen und zum Verkauf seines Grundbesitzes befugt wäre, zur Zeit kein praktisches Interesse hätte; viertens, daß bei Neueinstellung von Personal polnische Staatsangehörige so lange bevorzugt werden, bis das Verhältnis der Nationalitäten gleich wäre; fünftens, daß die Berufungen gegen die Entscheidung des Kommissars in der Frage der Polizei des Hafenausschusses zurückgezogen werden sollten; sechstens, daß in der Flaggen-Frage die Verhandlungen fortgesetzt werden sollten. Nur über die Frage der Verwaltung der Weichsel konnte keine Übereinstimmung erzielt werden.6 Wenn auch besonders die Punkte drei und vier ein gewisses Einlenken von Seiten Danzigs erkennen lassen, so waren die Punkte eins und zwei doch, und dazu in ungleich wichtigeren Fragen, offenbar polnische Mißerfolge, wenn man die Nachdrücklichkeit in Betracht zieht, mit der die polnische Regierung ihren Standpunkt vorher vertreten hatte.

Außer einer verstärkten Einflußnahme auf den Hafenausschuß beanspruchte Polen auch eine Vorzugsbehandlung für polnische Schiffe. Sie sollten behandelt werden, als ob sie sich in einem polnischen Hafen befänden. Es erhob diese Forderung zugleich [94] mit seinem bereits erörterten Verlangen nach Exterritorialrechten für polnischen Grundbesitz und für polnische Beamte. Hiergegen wandte Danzig ein: "Wenn dieser Einspruch anerkannt würde, so würde das einen Bruch der Konvention, eine Einschränkung der Staatshoheit und eine ernstliche Schädigung der Interessen der Freien Stadt, besonders was die Erledigung von Privatansprüchen Danziger Bürger und die Durchführung der Strafrechtspflege anbelangt, darstellen; jeder Verbrecher in Danzig würde in der Lage sein, auf einem polnischen Schiff Zuflucht zu suchen, um sich dem Richter zu entziehen".(25) Der Völkerbundkommissar Haking entschied am 6. Dezember 1921, "daß polnische Schiffe, die Danzigs Hafen und Wasserwege benutzen, den Verwaltungsmaßnahmen des Hafenausschusses und den Danziger Gerichten und Behörden in derselben Weise unterstellt sind, wie alle anderen Danziger oder fremden Schiffe, die diese Gewässer benutzen". Der polnische Anspruch war damit abgewiesen.7

2. Über die Frage der Eisenbahnen auf Danziger Gebiet besagte der Versailler Vertrag in Art. 104 Ziff. 3, daß, "abgesehen von den Straßenbahnen und anderen Bahnen, die in erster Linie den Bedürfnissen der Freien Stadt dienen," Polen die "Überwachung und Verwaltung" des gesamten Eisenbahnnetzes gesichert werden sollte. Der Pariser Vertrag bestätigt (in seinem Art. 20) diese Bestimmung mit der Maßgabe, daß der Hafenausschuß "die Leitung, Verwaltung und Ausnutzung" der "gesamten Eisenbahnen ausüben" sollte, "die besonders den Zwecken des Hafens dienen... aber mit Ausschluß der Einrichtungen, die dem allgemeinen Eisenbahnbetrieb dienen". Es wurde ausdrücklich hinzugefügt, daß es Sache des Ausschusses sein sollte, "diejenigen Eisenbahnen zu bestimmen, die als besonders im Dienste des Hafens angesehen werden müssen". Und am 15. August 1921 entschied der Völkerbundkommissar Haking: "Der Hafenausschuß wird unter Beibehaltung des Eigentums der ihm... zugesprochenen Eisenbahnen die bestehende polnische Eisenbahnverwaltung benutzen, um die Aufgabe des Hafenausschusses in [95] bezug auf die Überwachung, Verwaltung und Ausnutzung durchzuführen." Wenn auch durch diese Entscheidung dem Hafenausschuß das Recht zugesprochen wurde, drei Vertreter zu ernennen, "die der polnischen Eisenbahnverwaltung zugeteilt werden, um der letzteren die Wünsche und Ersuchen des Hafenausschusses zu übermitteln", so bedeutet diese Regelung doch offenbar eine Verschlechterung der dem Hafenausschuß - und damit der Freien Stadt, da sie am Hafenausschuß als Halbpartner beteiligt ist - nach den Verträgen zustehenden Rechte. Erkannten diese dem Hafenausschuß doch die selbständige "Leitung, Verwaltung und Ausnutzung" zu. Überlegungen verwaltungstechnischer und finanzieller Natur, um "lediglich ein Verwaltungssystem für ein so kleines Eisenbahnunternehmen wie das im Gebiete der Freien Stadt Danzig zu haben", haben den Völkerbundkommissar zu dieser Entscheidung geführt. Es fragt sich aber, ob er sich damit nicht schon von der Basis seiner Entscheidungs-Befugnis, die auf Urteilsfällung in Rechtskonflikten, nicht aber auf Kompromißfindung in Konflikten zwischen Erwägungen praktischer Art und geltendem Recht geht, entfernt hat.8

Immerhin brachte diese Entscheidung auch Danzig ein wichtiges Recht, das wohl als Schmerzensgeldzahlung dafür gedacht war, daß der Kommissar das gesamte vollspurige Eisenbahnnetz im Gebiete der Freien Stadt der polnischen Hand zuerkannt hatte. "Die Regierung der Freien Stadt Danzig", hieß es in der Entscheidung, "wird das Recht haben, einen Eisenbahnbeamten zu ernennen, der bei der polnischen Eisenbahnverwaltung tätig sein soll, um diese Verwaltung über die Wünsche der Freien Stadt und der Städte und Dörfer auf ihrem Gebiet unterrichtet zu halten, besonders was den örtlichen Personenverkehr und die seitens der Einwohner der Freien Stadt versandten oder empfan- [96] genen Güter anbetrifft.9 Die polnische Eisenbahnverwaltung wird sich verpflichten, diese Erfordernisse ebenso sorgfältig zu beachten, wie sie dies bezüglich der Erfordernisse des eigenen Verkehrs tut."10 Ob der von der Danziger Regierung der polnischen Eisenbahnverwaltung beigeordnete Beamte in seinen Bemühungen um das Danziger Interesse stets Erfolg gehabt hat, kann nach den dem Kommissar vorgelegten Streitfällen bezweifelt werden. Dennoch aber ist die Institution für Danzig bedeutsam. Wird durch sie doch immer von neuem zum Ausdruck gebracht, daß Polen in bezug auf seine Eisenbahnrechte in Danzig an ganz bestimmte Schranken gebunden ist. Dieser Gesichtspunkt wurde auch vom Völkerbundkommissar Haking in seiner ausführlichen, die konkreten Fragen der Eisenbahn regelnden Entscheidung vom 5. September 1921 deutlich hervorgehoben und erneut angewandt. "Es ist daher", sagte er hier, "bei allen diesen Fragen notwendig, soweit das Gebiet von Danzig in Betracht kommt, zwischen den Verwaltungs- und Wirtschaftsrechten Polens und Staatshoheitsrechten der Freien Stadt zu unterscheiden. Nachdem Polen seine eigenen Bedürfnisse bezüglich freien Eisenbahnverkehrs zum Meere gesichert hat, ist es Aufgabe der polnischen Eisenbahnverwaltung, alles nur Mögliche zu tun, um die Interessen der Danziger Beamten, Angestellten und Arbeiter, die zwecks Betrieb der Eisenbahn im Gebiet der Freien Stadt angestellt sind, sicherzustellen und zu vermeiden, die Empfindlichkeit der Einwohner durch Erlaß von Verordnungen zu verletzen, die nicht unbedingt für ein befriedigendes Arbeiten der Verwaltung notwendig sind, oder die als ein Versuch, die Danziger Eisenbahnen zu polonosieren, ausgelegt werden könnten." Als Grundsatz stellte der Kommissar auf: "Es scheint mir, daß, wenn die Verwaltung der Eisenbahnen in polnischen Händen liegt, mit der unbeschränkten Macht, Verordnungen zu erlassen, daß dann Sicherheiten viel mehr für die Danziger Einwohner als für die polnischen Ein- [97] wohner nötig sind." Diese Sicherheiten gab er den Danziger Einwohnern. Er entschied:11 Erstens in der Sprachen-Frage, "daß die deutsche Sprache bei allen Dienstzweigen der polnischen Eisenbahnverwaltung im Verkehr mit dem Danziger Publikum oder mit den Eisenbahnbeamten, -angestellten oder -arbeitern Danziger Staatsangehörigkeit zur Anwendung kommen soll". Zweitens in der Währungsfrage. Zahlungen hätten in deutscher Währung zu erfolgen, solange diese in der Freien Stadt Geltung hätte. Drittens in der Steuerfrage.12 Die polnische Eisenbahnverwaltung erhielt Steuerfreiheit. Viertens in der Frage der anzuwendenden Gesetze und der Polizei. "Alles, was mit der polnischen Eisenbahnverwaltung im Gebiete der Freien Stadt Danzig zusammenhängt, ist der Zivil- und Strafgerichtsbarkeit Danzigs unterworfen. Die polnische Eisenbahnverwaltung hat keine souveränen Rechte im Gebiet der Freien Stadt und kann daher auf ihrem Gebiet keine Gerichtshöfe errichten." "Die Polizei, die durch die Danziger Regierung gestellt wird, um die Ordnung aufrechtzuerhalten, wird unter der Leitung dieser Regierung bleiben, die allein den Einwohnern der Freien Stadt und dem Völkerbunde für die Aufrechterhaltung von Ordnung und Sicherheit, von Leben und Eigentum in ihrem Gebiet verantwortlich ist." Fünftens in der Personalfrage. "Die polnische Eisenbahnverwaltung muß bezüglich der bei ihr tätigen Danziger Beamten, Angestellten und Arbeiter hinsichtlich Versicherung, Krankheit, Unfall, Alter usw. dieselben Bestimmungen zur Anwendung bringen, wie diese sie unter der Danziger Verwaltung genossen haben, selbst wenn diese Bestimmungen günstiger sind als in Polen." Über die Frage der Stellenbesetzung entschied der Kommissar, "daß in allen Fällen, wo bei den Eisenbahnen Danzigs Stellen frei werden, seitens Polens den Danziger Bürgern der Vorrang gegeben werden muß". Aber eine Einschränkung wurde gemacht: "Diese Entscheidung bezieht sich nur auf das Betriebspersonal und nicht auf die höheren Beamten, die mit der allgemeinen Überwachung und Verwaltung des gesamten Eisenbahnnetzes, die notwendigerweise völlig der Entscheidung [98] der polnischen Eisenbahnverwaltung überlassen sein muß, betraut sind." Sechstens in der Frage der Erstattung der von der Danziger Regierung gemachten Aufwendungen. In einer in Genf am 23. September 1921 abgeschlossenen Danzig-polnischen Vereinbarung verpflichteten sich beide Parteien, gegen die Entscheidungen des Völkerbundkommissars Haking vom 15. August und 5. September 1921 keine Berufung an den Rat einzulegen.13 Im übrigen wurden Ergänzungen und Ausführungsbestimmungen abgemacht. Es verdient hier nur die Vereinbarung über die Eisenbahnwerkstätten Erwähnung, welches Unternehmen in eine Aktiengesellschaft mit gleicher Danziger und polnischer Beteiligung14 umgewandelt werden sollte. Damit hatten die Entscheidungen des Kommissars, besonders diejenige vom 5. September 1921, die Danzigs Rechte sichert, die direkte Anerkennung der Parteien erfahren.15 Diese schloß jedoch weitere Streitfälle nicht aus.

Der schwerwiegendste war der, ob Polen berechtigt war, in Danzig eine Eisenbahndirektion zu errichten, der außer den Eisenbahnen auf Danziger Gebiet auch Eisenbahnen auf polnischem Gebiet unterstellt waren. Polen berief sich darauf, daß der Verteilungsausschuß ihm das Direktionsgebäude, von dem aus in preußischer Zeit auch Eisenbahnen auf jetzt polnischem Gebiet verwaltet wurden, zugesprochen worden war. Der Völkerbundkommissar Haking entschied am 12. Dezember 1922, "daß Polen kein Recht hat, auf Danziger Gebiet eine Eisenbahndirektion einzurichten, die sich mit der Verwaltung anderer Eisenbahnen als der auf dem Gebiete der Freien Stadt gelegenen beschäftigt, ausgenommen im Falle einer Vereinbarung mit der Freien Stadt Danzig". In der Begründung hatte er allerdings eingeräumt: "Die Zweckmäßigkeitsfrage ergibt viele Gründe zugunsten der polnischen Forderung." In Genf bestand dann auch Neigung - Polen hatte Berufung an den Rat eingelegt -, die Zweckmäßig- [99] keitsfrage als ausschlaggebend anzusehen und über das Danziger Recht hinwegzugehen. Nachdem die Entscheidung lange hinausgezögert worden war, faßte der Rat schließlich am 13. März 1925 auf Grund eines Sachverständigen-Gutachtens,16 das sich vorbehaltlos auf den Boden der Entscheidung des Kommissars vom 12. Dezember 1922 gestellt hatte, den Beschluß,(29) die Kommissars-Entscheidung zu bestätigen. Nach der Beschlußfassung erklärte der Völkerbundkommissar MacDonnell vor dem Rat, eine Verlegung der Eisenbahndirektion wäre für Danzig verhängnisvoll ("désastreux"). Später haben Verhandlungen zwischen Danzig und Polen über ein eventuelles Verbleiben der Eisenbahndirektion in Danzig stattgefunden. Diese Verhandlungen sind aber bisher noch zu keinem Abschluß gekommen.

In einem zweiten Fall hatte die polnische Eisenbahnverwaltung den Danziger Eisenbahndelegierten ignoriert und ihn nicht von der Einsetzung einer polnischen Firma, des Reisebüros "Orbis", in die Funktion eines amtlichen Reisebüros auf dem Danziger Hauptbahnhof unterrichtet, auch seinen Einspruch gegen die Schließung des amtlichen Reisebüros in der ursprünglichen Form unbeantwortet gelassen. Der Völkerbundkommissar Haking entschied am 31. Dezember 1922, daß Polen nicht das Recht hatte, ohne Fühlungnahme mit Danzig eine polnische Firma als amtliches Reisebüro einzusetzen, und daß diese Frage binnen drei Monaten durch Verhandlungen zwischen den Regierungen geregelt werden müßte. - Das Reisebüro "Orbis" wurde vom Hauptbahnhof fortverlegt. - Und endlich entstanden Streitfälle über das Recht der Teilnahme der Freien Stadt an der Berner Eisenbahnkonferenz vom Mai 1923 und am oberschlesischen Durchfuhr-Abkommen zwischen dem Deutschen Reich und Polen vom Juni 1922. In beiden Fällen bejahte der Völkerbundkommissar MacDonnell das Recht Danzigs auf Teilnahme. (Entscheidungen vom 8. Januar und 18. Oktober 1924.)

Ein dritter Fall betraf wiederum das in den Dienst der polnischen Eisenbahnverwaltung übergetretene Personal. Mehrere Eisenbahnbeamte hatten bei Danziger Gerichten Prozesse wegen Forderungen vermögensrechtlicher Art gegen die polnische Eisenbahnverwaltung anhängig gemacht. Sie stützten sich dabei [100] auf das zwischen Danzig und Polen am 22. Oktober 1921 abgeschlossene Beamtenabkommen. Der diplomatische Vertreter Polens übermittelte darauf dem Völkerbundkommissar van Hamel eine Note,(30) in der erklärt wurde, daß die polnische Regierung weder von den vor Danziger Gerichten schwebenden Prozessen von Eisenbahnern, soweit sie sich auf die Bestimmungen des genannten Abkommens stützten, Notiz nehmen, noch hier ergangene Urteile ausführen würde. Der Senat bat darauf am 27. Mai 1926 den Kommissar, zu versuchen, daß er auf dem Verhandlungswege die Rücknahme der polnischen Erklärung erlange. Ein Einvernehmen zwischen den Parteien konnte nicht erzielt werden, worauf am 12. Januar 1927 der Senat den Völkerbundkommissar um Entscheidung bat. Diese Entscheidung erging am 8. April 1927. Sie bejahte allgemein das Recht der Eisenbahner, sich wegen vermögensrechtlicher Ansprüche aus dem Dienstverhältnis zur polnischen Eisenbahnverwaltung an Danziger Gerichte zu wenden. Nur könnten Forderungen nicht auf das Beamtenabkommen vom 22. Oktober 1921 gestützt werden. Dieses Abkommen wäre ein völkerrechtlicher Vertrag, der zwar gegebenenfalls die Danziger Regierung zu Ansprüchen gegen die polnische Regierung berechtige, nicht aber einzelne Danziger Staatsangehörige.17 Aus den Gegengründen Danzigs, das gegen diese Entscheidung Berufung an den Rat einlegte, müssen zwei hervorgehoben werden. Auf Grund des Abkommens von 1921 mußten die Eisenbahnbeamten eine Erklärung abgeben, daß sie bereit wären, "vom 1. April 1922 angefangen im polnischen Eisenbahndienst im Gebiet der Freien Stadt Danzig unter den in der am 22. Oktober 1921 zwischen der Danziger und der polnischen Regierung abgeschlossenen Vereinbarung festgesetzten Bedingungen zu verbleiben". Hieraus leitete die Danziger Regierung einen Anspruch der einzelnen Eisenbahnbeamten auf alle im Abkommen von 1921 festgesetzten Rechte her. Weiter wies der Senat darauf hin, daß die polnische Regierung nach ihrer eigenen These die Bestimmungen des Abkommens in innerstaatliches Recht hätte umwandeln müssen. Dadurch, daß die polnische Regierung die gesetzgeberischen Akte unterlassen hätte, hätte sie eine Ver- [101] pflichtung verletzt und könnte sich auf das Nichtvorhandensein entsprechender polnischer Gesetze nicht gegen die Beamten berufen. Am 22. September 1927 kam die Sache in Form eines von dem chilenischen Vertreter Villegas vorgelegten Berichts vor den Rat.(32) Auf Antrag des Berichterstatters wurde beschlossen, den Ständigen Internationalen Gerichtshof im Haag um ein Gutachten zu bitten. Dieser Weg muß als zur Austragung des Streits besser geeignet bezeichnet werden, als der gleichzeitig vorgebrachte Vorschlag des Kommissars van Hamel auf erneute Verhandlungen in Danzig. Es handelt sich hier um eine reine Rechtsfrage, deren Entscheidung am besten überhaupt keiner politischen Instanz übergeben werden sollte.

Während der Drucklegung dieser Arbeit wird das vom Ständigen Gerichtshof am 3. März verkündete Gutachten bekannt.(32a) In diesem wird erklärt, daß das Beamtenabkommen von 1921 als ein Teil des Dienstvertrages der in polnische Dienste übergetretenen Danziger Eisenbahnbeamten anzusehen sei. Entgegen der Entscheidung des Völkerbundkommissars van Hamel sei das Klagerecht der Danziger Eisenbahner wegen vermögensrechtlicher Ansprüche aus dem Danzig-polnischen Abkommen vom Oktober 1921 vor Danziger Gerichten nicht zu bestreiten. Nur in ganz eng begrenztem Rahmen (bei Verletzung von Bestimmungen des internationalen Rechts) läßt der Gerichtshof der polnischen Regierung die Möglichkeit, die Danziger Regierung für eventuelle Schäden, die der polnischen Eisenbahnverwaltung aus der Urteilsvollstreckung erwachsen könnten, auf dem Wege der Anrufung des Völkerbundkommissars haftbar zu machen.

Darauf vereinbarten die polnische und die Danziger Regierung am 6. März,(32a) (32b) "daß sie das vom Haager Gerichtshof erstattete Gutachten vom 3. März 1928 als authentische Auslegung des polnisch-Danziger Abkommens vom 22. Oktober 1922 annehmen, und daß daher die in diesem Gutachten niedergelegten Rechtsgrundsätze gegenüber Rechtsstreitigkeiten von Danziger Eisenbahnbediensteten vor den Danziger Gerichten maßgebend sein werden". Die von beiden Regierungen beim Völkerbundrat eingelegten Berufungen wurden für gegenstandslos erklärt.

Der Weg über die richterliche Instanz hat damit dem schwächeren Staate sein Recht verschafft. Die politische Instanz würde nach dem Vorschlag des Völkerbundkommissars van Hamel nach einem Kompromiß gesucht haben, das ein Nachgeben Danzigs in irgendeiner Beziehung zur Voraussetzung gehabt hätte.

3. Für das Wirtschaftsleben Danzigs und damit für seine Bestands-Basis war unter den Polen in Paris verliehenen Rechten die Einbeziehung der Freien Stadt in das polnische Zollgebiet(33) vielleicht das Einschneidendste, wenngleich die Zahl der hieraus sich ergebenen und dem Völkerbundkommissar zur Entscheidung vorgelegten Streitfälle am geringsten ist. Konflikte entstanden dadurch, daß die Zollverwaltung der Freien Stadt erhalten blieb, daß die Danziger Zollverwaltung aber der Kontrolle der polnischen Zentral-Zollverwaltung und den polnischen Zoll- [102] gesetzen und dem polnischen Zolltarif unterstellt wurde.(34) Polen trachtete nun nach der Zollverwaltung in Danzig, gegen welche sich auch der Julivorstoß vom Jahre 1923 nicht zum geringsten Teile richtete.(35) Und Danzig fand die Wirksamkeit der ihm für die Berücksichtigung seiner Interessen gemachten Sicherungen(36) zu gering. In den nach Juli 1923 zwischen den Parteien zustande gekommenen ausführlichen Vereinbarungen(37) wurden die Bestimmungen der Verträge über die Selbständigkeit der Danziger Zollverwaltung uneingeschränkt bestätigt. Eine gewisse Einschränkung der Selbständigkeit seiner Zollverwaltung zuzugestehen, sah sich Danzig erst in der in Genf am 20. September 1926 abgeschlossenen Vereinbarung über die Zollverteilung(38) gezwungen, indem es in Art. 4 dieses Abkommens der polnischen Zentral-Zollverwaltung einen gewissen Einfluß auf Organisations-Veränderungen einräumte und im Falle von Meinungsverschiedenheiten diese Fragen der Entscheidung des Völkerbundkommissars unterstellte. Dieses Zugeständnis, dem grundsätzliche Bedeutung zukommt, erfolgte seitens Danzigs gegen die vom Finanzkomitee empfohlene polnische Garantie eines Minimums an Zollaufkommen von 14 Millionen Gulden für Danzig. Hierzu ist freilich zu bemerken, daß infolge der polnischen Zollpolitik (Einfuhrdrosselung) und infolge des polnischen Währungsverfalls der Danziger Anteil an den polnischen Zolleinnahmen um 50% gegenüber dem Voranschlag zurückgeblieben und dadurch im Danziger Budget ein entsprechendes Defizit entstanden war. Nur aus dieser (durch Polen noch dazu veranlaßten) Notlage heraus wird Danzig sich zu dieser Vermehrung polnischer Rechte verstanden haben. Der andere Streitfall betraf ebenfalls die polnische Zollpolitik. Polen hatte gemäß einem Gesetz vom 31. Juli 1924 Ausfuhrzölle eingeführt. Danzig hatte die Berechtigung hierzu bestritten, da in den betreffenden Verträgen von diesen nicht expressis verbis gesprochen worden wäre. Auch hatte die Freie Stadt geltend gemacht, daß die polnische Regierung nicht "rechtzeitig den Vertretern der Regierung der Freien Stadt Danzig sowie den von ihr ernannten Vertretern der Interessenkreise Gelegenheit zur Äußerung"(39) gegeben hätte. Der Völkerbundkommissar MacDonnell entschied am 6. November 1924, daß das polnische Gesetz betr. Ausfuhrzölle für das Gebiet der Freien Stadt Geltung hätte, daß aber die polnische Regierung die geeigneten Vorkehrungen zur sofortigen Berücksichtigung jener ihr von der Freien Stadt unterbreiteten Fälle, [103] "in denen die Anwendung des Zollgesetzes vom 31. 7. 24 oder der aus ihm hervorgehenden Verordnungen für ihre eigene Industrie, ihre eigene Landwirtschaft und ihr eigenes Handwerk die Wirkungen eines Ausfuhrverbots hat", zu treffen hätte, und daß über die Frage der Ausfuhrzölle zwischen Danzig und Polen ein Abkommen abzuschließen wäre. Der Beschluß des Rats, an den Danzig Berufung eingelegt hatte, bestätigte am 13. März 1925(40) die Entscheidung des Kommissars und erklärte es für "wünschenswert", daß in Zukunft vor Neueinführung von Ausfuhr- und ähnlichen Abgaben Danzig Gelegenheit gegeben wird, seine Ansicht zu äußern. Der Danziger Vertreter, Präsident des Senats Sahm, hob bei dieser Gelegenheit die Verschiedenartigkeit der wirtschaftlichen Interessen von Danzig und Polen hervor. Danzig wäre ein Ausfuhr- und Durchfuhrstaat, Polen aber ein Agrarstaat. Da der Rat diesen Interessengegensatz auf keine Weise wird beseitigen können, wird in zollpolitischen Fragen schwerlich jemals Übereinstimmung in den Wünschen erzielt werden können. Durch den Pariser Vertrag und das Warschauer Abkommen hat aber Polen Handlungsfreiheit, Danzig kann nicht einmal den Völkerbundkommissar anrufen. Hat dieser in seiner Entscheidung vom 6. November 1924 doch selbst aussprechen müssen, daß bei Unvereinbarkeit der Interessen die polnischen Interessen vorgehen müssen.18

Diesem Kapitel sind noch einige Bemerkungen über die Behandlung der Danziger Finanzfrage durch Völkerbund und Finanzkomitee anzufügen.(42) Unter deren Auspizien ist im Jahre 1925 in London eine Anleihe der Stadtgemeinde Danzig über 1,5 Millionen £[19] auferlegt worden, nachdem die übliche Prüfung auf Sicherheit und Verwendung durch das Finanzkomitee voraufgegangen war, und Polen seine gemäß Art. 7 des Pariser [104] Vertrages notwendige Nicht-Einspruch-Erklärung abgegeben hatte.20

Auch die Frage einer zweiten Anleihe wurde im Jahre 1926 auf Grund eines an den Völkerbund Danzigs gerichteten Hilfeersuchens(44) in der erprobten Weise vom Finanzkomitee des Völkerbundes einer Prüfung unterzogen.21 Im Juni 1926 unterrichtete der Senat den Völkerbundkommissar van Hamel von der kritischen Lage der Staatsfinanzen. Der Kommissar erbat darauf die Entsendung eines Finanzsachverständigen nach Danzig. Dieser, es kam der Vorsitzende des Finanzkomitees Janssen,(46) konnte dem Komitee noch auf seiner Julitagung einen Bericht vorlegen. Das Finanzkomitee machte daraufhin die Empfehlung einer Danziger Anleihe von der Erfüllung von drei Bedingungen abhängig, nämlich, 1. Feststellung der Zahlungsverpflichtungen aus dem Versailler Vertrag, 2. Abschluß eines Abkommens mit Polen über die Neuverteilung des Zollaufkommens und 3. Einführung des Tabakmonopols.(47) Punkt 1 setzte ein Übereinkommen mit Organen der Alliierten, der Botschafterkonferenz und der Reparationskommission voraus, Punkt 2 und 3 aber Übereinstimmung mit Polen. Diese letztere erwies sich als recht schwierig zu erlangen. Und dabei waren die finanziellen Schwierigkeiten im wesentlichen durch Polen verursacht worden. Durch Polens Zollpolitik, die zur Werterhaltung der polnischen Wäh- [105] rung die Einfuhr abgedrosselt hatte, waren die Einnahmen Danzigs aus dem Zollaufkommen von 23 Millionen Gulden im Jahre 1924 auf 19 Millionen im Jahre 1925 zurückgegangen und mußten Mitte 1926 auf nur 8,1 Millionen für das laufende Jahr geschätzt werden.22 Gleichzeitig mit dieser Einnahmeverminderung kam eine Vermehrung der Ausgaben durch Anwachsen der Erwerbslosigkeit. Direkte Verhandlungen zwischen Danzig und Polen führten nicht zum Ziel. Erst in Genf kam unter Mitwirkung des Finanzkomitees am 20. September 1926 eine Vereinbarung über den Zollverteilungsschlüssel(49) zustande, die vorläufig sofort in Kraft gesetzt wurde. Die Höhe der von Polen zu leistenden Garantie wurde bereits erwähnt.23 Gleichzeitig wurde durch Ratsbeschluß Danzig die Verpflichtung auferlegt, seine schwebende Schuld nicht zu erhöhen und sein Budget durch Ausgabeneinschränkung (Gehälterherabsetzung und Beamtenabbau) ins Gleichgewicht zu bringen.(50) Ebenfalls unter Mitwirkung des Finanzkomitees kam es endlich am 31. März 1927 in Genf zu einer Vereinbarung über die Einführung des Tabakmonopols in Danzig. Polen gestand die zollfreie Einfuhr eines Tabakkontingents für das Danziger Monopol, Danzig die Beteiligung polnischer Banken an der Monopolgesellschaft zu.(51) Die Schwierigkeiten24 waren auch auf der Junitagung 1927 des Rats noch nicht restlos beseitigt. Erst Ende Juni konnte die Anleihe in London aufgelegt werden und wurde dann überzeichnet, da der Völkerbund sie gutgeheißen hatte. Der Anleiheerlös von netto 40 Millionen Gulden sollte Verwendung finden 1. für die Konsolidierung der schwebenden Schuld (14 Mill.), für Zahlungen an [106] Botschafterkonferenz und Reparationskommission (15 Mill.),25 3. für Wohnungsbauten (8. Mill.) und 4. für Zinszahlungen an die Alliierten (3 Mill.). Als Sicherheit wurden von Danzig die Roheinnahmen aus dem Tabakmonopol26 und aus der Verbrauchsabgabe auf Alkohol und Essig verpfändet. Zum Treuhänder wurde vom Völkerbundrat der holländische Bankier ter Meulen ernannt.

Es mag an dieser Stelle noch registriert werden, daß der Hafenausschuß im August 1927 durch ein amerikanisch-holländisches Konsortium eine Anleihe über 4,5 Millionen U.S.A.-Dollar auf den Markt brachte. Der Hauptbetrag sollte für Hafenerweiterungsbauten Verwendung finden.(54) Eine Mitwirkung des Völkerbundes und seiner Organe wurde für die Auflegung dieser Anleihe nicht in Anspruch genommen. Die Frage einer weiteren Anleihe der Stadtgemeinde Danzig unterliegt seit September 1927 der Prüfung durch das Finanzkomitee.

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1Dieser besteht aus je fünf Danziger und polnischen Vertretern. Kommt zwischen den Regierungen keine Einigung über die Person des Vorsitzenden zustande, so hat der Völkerbundrat einen Präsidenten Schweizer Staatsangehörigkeit zu bestimmen. (Art. 19.) ...zurück...

2"Die Schaffung dieser Institution", sagt Geneviève Levesque,(1a) "ist die logische Folge der Politik Englands, das sich in Danzig einen Stützpunkt und eine Niederlassung einrichten wollte, um den Handel mit den slavischen Ländern zu monopolisieren, in dem es soweit wie möglich jede andere Macht von diesem Hafen fernhielt." ...zurück...

3Über die Rechtsstellung des Hafenausschusses seien die folgenden Äußerungen Makowskis(4) angeführt:
      "Der Hafenausschuß ist keine internationale, sondern ausschließlich Danzig-polnische Einrichtung, denn er ist eingerichtet worden auf Grund ihres gemeinsamen Willens, und nur von Polen und Danzig kann eine Abänderung oder gar Abschaffung abhängen. Die Großmächte und der Völkerbund haben nichts mit dieser Frage zu schaffen, da dieses Organ nicht im Versailler Vertrag vorgesehen ist..."
      "Der Hafenausschuß ist weder eine polnische noch eine Danziger juristische Person; er stellt eine polnisch-danziger juristische Person dar, die weder den polnischen noch den Danziger Gesetzen, sondern einzig und allein den wenigen Bestimmungen der vorher angeführten Artikel der Konvention unterworfen ist. Infolgedessen kann gegen den Ausschuß, wenn Klage gegen ihn erhoben wird, weder von polnischen noch von Danziger Gerichten, sondern allein vor einem gemischten polnisch-Danziger Sondergericht verhandelt werden...."
      "Der Hafenausschuß ist offenbar keine Person des Völkerrechts."
      Hierzu ist zu bemerken, daß diese Äußerungen nicht mit dem dem Rat vom Völkerbundkommissar MacDonnell am 1. September 1923 vorgelegten Bericht in Einklang stehen. In diesem Bericht heißt es,(5) daß gemäß einer Vereinbarung zwischen Danzig und Polen der Ausschuß in Zivilprozessen sowohl vor Danziger als auch vor polnischen Gerichten dem Danziger Recht unterstehen soll. ...zurück...

4Ergänzendes Abkommen zwischen Danzig und Polen vom 4. Mai 1924. Der Hafenausschuß soll das Recht haben, eine Anleihe über 4,5 Millionen Gulden aufzunehmen und dafür erstens seine Einkünfte und zweitens eine Hypothek auf seinen Grundbesitz zu verpfänden.(7) ...zurück...

5Hierzu teilte die Danziger Zeitung(8) mit, daß 93% der Kaimauern im Besitz des Hafenausschuß und nur 7% in Danziger Besitz wären. ...zurück...

6Polen hatte die Hoheit und damit die Verwaltung für den ganzen Lauf der Weichsel für sich beansprucht. Durch Entscheidung des Völkerbundkommissars Haking vom 1. September 1921 war aber die Überwachung und Verwaltung der gesamten Weichsel im Gebiete der Freien Stadt und damit implicite die Hoheit Danzig zuerkannt worden. Diese Frage beschäftigte dann im Jahre 1922 noch mehrfach den Rat,(21) bis dieser endlich am 1. September 1922 die Entscheidung des Völkerbundkommissars Haking bestätigte.(22) - Später entstand dann noch eine weitere Streitfrage über die Verteilung des vormals der preußischen Weichselstrombauverwaltung gehörenden Eigentums. Diese Frage entschied der Völkerbundkommissar MacDonnell am 9. November 1924. Beide Regierungen legten Berufung beim Rat ein. Nach einmaliger Vertagung(23) setzte dieser am 13. März 1925 ein schiedsrichterliches Verfahren fest.(24) ...zurück...

7Gegen die Entscheidung des Völkerbundkommissars Haking vom 6. Dezember 1921 legten beide Regierungen Berufung ein. Die darauf in Genf am 17. Mai 1922 abgeschlossene "Vereinbarung über die rechtliche Stellung polnischen Grundbesitzes, polnischer Schiffe und Beamten" erwähnte die Frage der Behandlung polnischer Schiffe in Danzig nicht mit einem Worte. ...zurück...

8Diese Frage ist zur Zeit der Entscheidung offenbar von weiten Kreisen in Danzig bejaht worden. Gegen die Entscheidung vom 15. August 1921 hatte die "Deutsche Partei für Fortschritt und Wirtschaft" protestiert, da der deutsche Charakter der Freien Stadt angetastet würde.(26) Ebenso sind in mehreren großen Volksversammlungen Proteste erhoben worden.(27) Die Besorgnis galt bei diesen Veranstaltungen ebenso wie in einem Artikel von Otto Loening(28) besonders dem Schicksal der Danziger Bahnbediensteten. Möglicherweise sind diese Kundgebungen nicht ganz ohne Eindruck auf den Völkerbundkommissar Haking geblieben. Die Entscheidung vom 5. September 1921 könnte darauf schließen lassen. ...zurück...

9Sein Aufgaben-Kreis wurde in der ergänzenden Vereinbarung vom 24. November 1921 näher umschrieben. Die polnische Eisenbahnverwaltung verpflichtete sich hier, ihm "von allen die Eisenbahnen im Bereiche der Freien Stadt Danzig betreffenden wichtigen Verfügungen Kenntnis zu geben, und zwar möglichst vor ihrer Ausführung." Wie sich später herausstellte, war es jedoch ein Mangel dieser Vereinbarung, daß die Bekanntgabe dieser Verfügungen vor ihrer Ausführung keine Muß-Vorschrift war. ...zurück...

10Die Entscheidung enthielt noch einen weiteren im Hinblick auf die Gdingener Pläne Polens interessanten Punkt: "Die polnische Regierung wird sich verpflichten, den Hafen von Danzig voll auszunutzen, welche andere Häfen sie in Zukunft auch an der Ostseeküste eröffnen mag." ...zurück...

11Mit der charakteristischen Begründung, daß es eine sehr schlechte Politik seitens der polnischen Eisenbahnverwaltung sein würde, "ihren Kunden, denen sie dienen soll, eine Sprache aufzudrängen, die nur wenige von ihnen verstehen." ...zurück...

12Am 24. November 1921 wurde vereinbart, daß der im Danziger Gebiet zur Erhebung gelangende Frachturkunden-Stempel hälftig zwischen Danzig und Polen geteilt wird. ...zurück...

13Die Danziger Regierung hatte ihre Berufung gegen die erstere Entscheidung bereits zurückgezogen. ...zurück...

14Je 45%. Die restlichen 10% sollten einer fremden, d. h. weder polnischen noch Danziger Finanzgruppe angeboten werden. ...zurück...

15Zu der Vereinbarung vom 23. September 1921 sind fünf Ergänzungs-Abkommen abgeschlossen worden. In dem zweiten verpflichtete sich Polen: "Bei der Gestaltung der Tarife sind die Erfordernisse des Danziger Wirtschaftslebens zu berücksichtigen. Dabei wird die Wettbewerbsfähigkeit Danzigs mit anderen Häfen nach Möglichkeit gefördert werden." - Außerdem gelangten zwei Beamten-Abkommen (ein vorläufiges vom 20. Juli 1921 und ein endgültiges vom 22. Oktober 1921) zum Abschluß. ...zurück...

16Der Sachverständigen-Ausschuß setzte sich zusammen aus Jonkheer W. J. M. van Eysinga, Professor an der Universität Leyden, Niquille, Generaldirektor der schweizerischen Bundesbahnen, und C. Vivante, Professor an der Universität Rom. ...zurück...

17Diese Entscheidung rief unter den Danziger Eisenbahnern große Erregung hervor. In einer Versammlung der Eisenbahnergewerkschaften vom 2. Mai 1927 wurden heftige Angriffe gegen die Person des Kommissars van Hamel gerichtet, der als "einer der schärfsten und gehässigsten Gegner alles Deutschtums" bezeichnet wurde, und vom Völkerbundrat seine Abberufung verlangt.(31) ...zurück...

18In einem Artikel in der Deutschen Allgemeinen Zeitung(41) äußerte sich der Finanzsenator der Freien Stadt, Volkmann, zu der Frage, ob die Zollgemeinschaft für die Entwicklung der Freien Stadt günstig gewesen ist, oder ob die Enttäuschungen überwiegen: "Heute... kann gar kein Zweifel sein, und ein Widerspruch wird auch tatsächlich von keiner Seite erhoben, daß die Zollgemeinschaft zwischen Danzig und Polen für die Danziger Wirtschaft, für das Danziger Staatsleben und für die Danziger Bevölkerung das schwerste Opfer bedeutet, das der Vertrag von Versailles dem kleinen Staatsgebilde an den Mündungen der Weichsel auferlegt hat." ...zurück...

19Auf Veranlassung des Vorsitzenden des Finanzkomitees ist die Einheit der neuen Danziger Währung auf ein Fünfundzwangzigstel des englischen Pfunds festgesetzt worden, damit Gleichheit mit dem polnischen Zloty bestände (und nicht, wie von Danzig beabsichtigt, mit der deutschen Mark). ...zurück...

20Die Frage, ob auch für Kommunalanleihen aus dem Danziger Freistaat Polen seine Erklärung der Nicht-Einwendung vor Auflegung geben muß, ist durch die Entscheidung des Kommissars Haking vom 22. August 1922 bejaht worden.
      Der Abschluß von Anleihen unter den Auspizien des Völkerbundes bringt es mit sich, daß dieser auch mit etwaigen Verschiebungen im Verwendungsplan befaßt wird, und hierfür seine Zustimmung geben muß. So genehmigte der Völkerbundrat am 15. September 1927 die Kanalisation Danzig-Heubude aus den Mitteln der 1. Stadtanleihe.(42a) - Regelmäßige Berichte des Treuhänders an den Völkerbundrat werden als selbstverständlich erscheinen.(43) ...zurück...

21"Was noch im Falle Österreich als eine Maßnahme politischer Natur (zur Verhütung des Anschlusses) erschien, hat sich nach und nach herausgebildet als ein sachgemäßes Verfahren zur Prüfung der Staatsfinanzen und zur Feststellung der jeweiligen Bedingungen für die staatliche Gesetzgebung und Verwaltung, unter denen der Völkerbund die moralische Verantwortung für die Auflegung einer Anleihe nach Prüfung und Billigung des Verwendungszweckes übernimmt. Wenn das Finanzkomitee seine Untersuchungen auch rein unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit für die Anleihegläubiger vornimmt und danach die Bedingungen bestimmt, so hat sich dieses Verfahren doch durchaus als im Interesse der kreditsuchenden Staaten liegend erwiesen. Ohne die gewiß rigorose Prüfung würde schwerlich auch nur ein einziger dieser kleinen, hilfebedürftigen Staaten Kredit erhalten haben".(45) ...zurück...

22"Die Verminderung der Einnahmen auf etwa ein Drittel derjenigen von 1924, ist zurückzuführen auf die Verminderung der Einfuhr nach Polen und auf die Entwertung des Zloty, die eine Verminderung des Zollanteils von Danzig, gerechnet in Gulden, nach sich gezogen hat. (Der Zoll kann sowohl in Gulden, als auch in Zloty bezahlt werden.) Da die Verwaltungskosten ausschließlich dem Danziger Budget zur Last fallen, und in Gulden bezahlt werden müssen, ist diese Belastung gleichbleibend. Diese Verwaltungskosten sind in den Staatshaushalt von 1926 mit 6 500 000 Gulden eingesetzt. Der Reinertrag für die Freie Stadt wird wahrscheinlich nicht merklich 2 000 000 Gulden übersteigen." (Präsident Sahm am 20. September 1926 vor dem Rat.)(48) ...zurück...

23Das Abkommen trat erst am 29. April 1927 durch Austausch der Ratifikationsurkunden endgültig in Kraft. Diese Verzögerung war durch Polen verursacht. ...zurück...

24Wegen der Genfer Schwierigkeiten hatten sich einzelne Senatsmitglieder im Oktober 1926 veranlaßt gesehen, mit Berliner Banken Fühlung zu nehmen, um zu versuchen, die so dringend nötige Anleihe in Deutschland zu erhalten. Die Bemühungen blieben erfolglos.(52) ...zurück...

25Im Gegensatz zu Österreich, Ungarn und Bulgarien, denen bei Abschluß der Völkerbundanleihen ein Moratorium gewährt worden war, mußte Danzig seine Zahlungverpflichtungen sofort erfüllen. ...zurück...

26Da Polen in der Festsetzung der Zolltarife für das gesamte polnisch-Danziger Zollgebiet autonom ist, konnte es durch die Gestaltung des Tabakzolls das von ihm (wegen Verminderung der Schmuggelgefahr von Danzig nach Polen, wo bereits früher das Tabakmonopol eingeführt worden ist) auch in Danzig gewünschte Tabakmonopol erzwingen. Senator Siebenfreund, der auf der Danziger Seite die Verhandlungen über die Einführung des Monopols geführt hat, berichtet(53) hierüber: "In bezug auf die Zolltarifierung des Tabaks ist Polen außerordentlich rücksichtslos Danzig gegenüber vorgegangen. Nachdem schon am 1. August 1925 eine erhebliche Erhöhung der Tabakzölle eingetreten war, trat vom 1. Januar 1926 eine weitere Erhöhung auf das Sechsfache bei Rohtabak, das Zehnfache bei Rauchtabak und das Vierfache bei Zigarren ein. Diese Erhöhung bedeutete für den polnischen Raucher keine Belastung, da in Polen nach Einführung des Tabakmonopols die gesamte Einfuhr von Tabak und Tabakwaren zollfrei ist. Die Zollfreiheit ist nur für solche Waren festgelegt, die Gegenstand eines Staatsmonopols sind.... Die Behandlung, die die Tabakeinfuhr auf Grund dieser Bestimmungen erfahren mußte, wurde als außerordentlich ungerecht empfunden, denn nur die Danziger Importeure haben Tabakzölle zu bezahlen, die Danziger Verbraucher haben sie in Form höherer Preise aufzubringen. Dabei fließen diese, den Danziger Verbrauchern auferlegten Mehrausgaben zum überwiegenden Teile in die polnische Staatskasse, da nur 7,3 Prozent des Zollgefälles Danzig verbleiben." Die dem polnischen Tabakmonopol gesicherte Zollfreiheit wurde Danzig im endgültigen Abkommen nicht zugebilligt. Danzig erhielt nur zollfreie Kontingente. Es ist dies eine ganz offensichtliche Benachteiligung der Freien Stadt, der der Pariser Vertrag keine ausreichende Handhabe gegeben hat, um sich gegen eine nicht den Danziger Wirtschaftsinteressen entsprechende polnische Handelspolitik zu schützen. ...zurück...

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Danzig, Polen und der Völkerbund
Eine politische Studie
Dr. Hans Adolf Harder