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Viertes Kapitel
Polen als Werkzeug
des Englischen Kriegswillens

A. Die Auswirkung
der Britischen Einkreisungspolitik
auf die Haltung Polens

Anm. d. Scriptorium:
Eine noch mehr ins Einzelne gehende Dokumentation der Lage der Volksdeutschen in Polen als die in diesen Kapiteln gegebene finden Sie in dem Buch Die deutsche Volksgruppe in Polen 1934-39.
I. Vernichtungsfeldzug gegen die Deutsche Volksgruppe

Nr. 349
Das Auswärtige Amt an den Deutschen Botschafter in Warschau
Erlaß

Berlin, den 27. März 1939

Nach einem Bericht der Deutschen Paßstelle in Bromberg haben am 26. März mittags in Bromberg von dem berüchtigten polnischen Westverband veranstaltete deutschfeindliche Kundgebungen stattgefunden, an denen etwa 10.000 Personen teilgenommen haben. Insbesondere haben sich an diesen Kundgebungen paramilitärische Organisationen Brombergs, u. a. der Eisenbahn- und Postbeamten, beteiligt. Im Verlaufe dieser Kundgebung ist in zwei Reden sowohl gegen das Deutsche Reich als auch gegen das Volksdeutschtum in Polen schärfstens gehetzt worden. Von den Teilnehmern wurden Rufe wie: "Weg mit Hitler", "Wir wollen Danzig", "Wir wollen Königsberg" ausgestoßen. Nach Angabe der Paßstelle ist es der polnischen Polizei mit Mühe gelungen, deutsches Eigentum vor Übergriffen der erregten Menge zu schützen.

Ergänzend wird bemerkt, daß die Volksdeutschen in der Woiwodschaft Thorn ständig zunehmenden Anfeindungen ausgesetzt sind. Insbesondere hat der vom Westverband und anderen Organisationen systematisch vorbereitete Boykott der Deutschen in den letzten Tagen ein bisher nicht gekanntes Ausmaß angenommen. Die polnischen Behörden versuchten hierbei zwar Ausschreitungen gegen Einzelne zu verhüten, die Boykottaktionen als solche erfreuen sich aber offenbar ihrer Duldung.

Unter Bezugnahme auf die bereits früher wiederholt wegen des Verhaltens des Westverbandes bei der Polnischen Regierung erhobenen Beschwerden bitte ich, auch wegen der letzten Boykotte nachdrückliche Vorstellungen zu erheben.

Im Auftrag
Bergmann




Nr. 350
Der Deutsche Generalkonsul in Thorn an das Auswärtige Amt
Telegramm
Thorn, den 28. März 1939

25. März gegen 20 Uhr wurde Kameradschaftsabend der Ortsgruppe Liniewo, der im Hause des Reichsangehörigen Klatt stattfand, von polnischen Einwohnern genannten Dorfes gesprengt und Einrichtung Versammlungsraumes zerstört. Dabei Führerbild, Reichsflaggen und Hoheitszeichen vernichtet. Polizei war nicht zu erreichen.

Vorstellung bei Woiwodschaft erhoben. Strenge Bestrafung Täters und Schadensersatz gefordert.

Graf



[338]
Nr. 351
Aufzeichnung des Dirigenten der Politischen Abteilung
des Auswärtigen Amts
Berlin, den 29. März 1939

Weisungsgemäß habe ich heute den Polnischen Botschaftsrat zu mir gebeten, um ihm gegenüber die in dem Telegramm unseres Generalkonsulats Thorn vom 28. d. M.187 angeführten Vorfälle ebenso wie den Boykott-Aufruf einer Reihe polnischer Vereinigungen gegen das Deutschtum in Polen zur Sprache zu bringen. Zu den aus Thorn gemeldeten Vorfällen habe ich dem Prinzen Lubomirski an Hand des inzwischen eingegangenen Berichtes aus Thorn die Einzelheiten mitgeteilt und ihm erklärt, daß, obwohl unsere Botschaft in Warschau bereits angewiesen worden sei, dieserhalb bei der Polnischen Regierung schärfste Vorstellungen zu erheben,188 wir auch nicht unterlassen wollten, die hiesige Botschaft auf die Entrüstung hinzuweisen, die diese Vorgänge in amtlichen Berliner Kreisen hervorgerufen hätten. Die Deutsche Regierung müsse auf einer sofortigen Untersuchung und strengen Bestrafung der Angreifer bestehen.

Ebenso sei es unglaublich, daß polnische Blätter in der Lage seien, den genannten Boykott-Aufruf zu veröffentlichen. Unter Hinweis auf die Unterredung zwischen dem Herrn Reichsaußenminister und dem Polnischen Botschafter vom 27. d. M.189 verwies ich den Prinzen Lubomirski sehr nachdrücklich auf die ernsten Folgen, die solche Vorgänge auf die deutsch-polnischen Beziehungen haben müßten. Der Polnische Botschaftsrat, dem die genannten Vorgänge bisher unbekannt zu sein schienen, versicherte mir wiederholt, daß diese "Politik der Straße" von seiner Regierung keineswegs geduldet würde und versprach, sofort die Angelegenheit nach Warschau zu berichten. Er versuchte, das Verhalten der Polen mit der allgemein in Polen herrschenden Nervosität zu entschuldigen, schien aber selbst einzusehen, daß Abhilfe erforderlich sei.

Fürst von Bismarck




Nr. 352
Der Deutsche Botschafter in Warschau an das Auswärtige Amt
Telegramm
Warschau, den 30. März 1939

Nachdem ich bereits in meiner Unterredung mit Außenminister Beck vom 28. d. M.190 die schweren Zwischenfälle in Pommerellen, insbesondere Liniewo und Bromberg zur Sprache gebracht hatte, habe ich heute wegen der gleichen Angelegenheiten auch bei Vizeminister Graf Szembek nachdrückliche Vorstellungen erhoben. Unter schärfstem Protest, insbesondere wegen Zerstörung des Führerbildes und der Angriffe auf deutsche Hoheitszeichen, habe ich Untersuchung und Bestrafung Schuldiger gefordert. Graf Szembek, der bisher nur eine wesentlich abgeschwächte Darstellung der Vorfälle kannte, zusagte sofortige Nachprüfung.

Moltke



[339]
Nr. 353
Der Deutsche Generalkonsul in Thorn an das Auswärtige Amt
Telegramm
Thorn, den 30. März 1939

29. März 21 Uhr Überfall von etwa 40 Polen auf Lokal Reichsangehörigen Schnakenberg in Jablonowo. Drei Volksdeutsche Gäste beim Verlassen Lokals angegriffen, einer schwerverletzt. Gewaltsames Eindringen in Wirtschaft konnte verhindert werden. Gartenzaun niedergerissen, Latten als Waffen benutzt. Heftiges Steinbombardement auf Haus. Polizei, die rechtzeitig von drohendem Überfall verständigt war, abwesend und bisher nichts unternommen.

Heute beim Vizewoiwoden schärfste Verwahrung eingelegt und sofortige Untersuchung gefordert.

Graf




Nr. 354
Der Deutsche Generalkonsul in Thorn an das Auswärtige Amt
Bericht
Thorn, den 30. März 1939

Die neuerliche Verschärfung der Stimmung gegen das Deutschtum in Pommerellen findet ihren Ausdruck in einer steigenden Boykottbewegung, einer fortgesetzten Hetze und zahlreichen Tätlichkeiten. Der Wirtschaftsboykott macht sich besonders in den Städten Graudenz und Bromberg bemerkbar und hat nach Angabe von Volksdeutschen bereits zu spürbaren Schädigungen deutscher Gewerbetreibender geführt. In Bromberg ist von verschiedenen polnischen Militärverbänden ein Aufruf erlassen worden, der zum lückenlosen wirtschaftlichen und kulturellen Boykott gegen das Deutschtum - auch gegen deutsche Einflüsse in Film und Presse - auffordert.

Bei den Demonstrationen, die in diesen Tagen stattfanden und bei denen oft Polizeibeamte mitmarschierten, wurden wiederholt Forderungen wie "Schmeißt die Deutschen heraus" und "Danzig und Flatow müssen zu Polen kommen" laut. Vielerorts wurden auch den Deutschen die Fensterscheiben eingeschlagen, wobei sich auch Beamte - wie Gemeindevorsteher - beteiligt haben. Ein solcher Gemeindevorsteher hat auf die Vorstellungen eines Deutschen hin zur Antwort gegeben, daß er nichts dafür könne und daß er solche Demonstrationen nicht von sich aus veranlasse, sondern daß Befehl dazu vorläge. Von vorn verhandelten die hohen Herren in Berlin und Warschau und von hinten gäben sie den Befehl aufzuräumen.

In Vertretung
Graf




Nr. 355
Der Deutsche Generalkonsul in Posen an das Auswärtige Amt
Bericht
Posen, den 31. März 1939

Seit Monaten arbeitet die polnische Presse in den Westgebieten auf eine Vergiftung der öffentlichen Meinung gegen die Deutschen hin. Bald fordert sie scharfe Maßnahmen gegen die deutsche Volksgruppe in Polen, bald fordert sie zum Boykott deutscher Waren und deutscher Geschäfte auf, bald richtet [340] sie allgemeine Angriffe gegen die Volksdeutschen und die Politik des Reichs. Die deutschfeindliche Stimmungsmache, die besonders seit der Septemberkrise des letzten Jahres stetig gewachsen ist, hat jetzt, offenbar im Zusammenhang mit der Entwicklung der politischen Lage in Europa, zu einer Entladung geführt. Die Presse äußert hemmungslos ihre deutschfeindlichen Gefühle, und es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht die Posener Blätter irgendeinen mehr oder weniger aggressiven Artikel oder ausfallende Bemerkungen gegen das Deutschtum bringen. Obwohl die Ausschreitungen in Posen nur etwa eine Woche lang anhielten, kann von einem Abflauen der deutschfeindlichen Haltung nicht die Rede sein. In der Stadt Posen ist eine äußerliche Beruhigung eingetreten, wenigstens haben tätliche Angriffe im allgemeinen aufgehört, vorgestern wurden einige Fensterscheiben einer deutschen Bank, deutscher Buchhandlungen und eines evangelischen Pfarrhauses zertrümmert. Das Generalkonsulat steht noch unter verstärktem polizeilichem Schutz. Es sind jedoch in anderen Städten und auf dem Lande weiterhin Ausschreitungen zu verzeichnen, es wurden deutschen Kaufleuten die Fensterscheiben eingeschlagen, die deutschen Aufschriften übermalt, Hauswände verunreinigt und volksdeutsche Versammlungen gestört. In einzelnen Fällen wurden Boykottposten aufgestellt. Die feindliche Haltung ist bis ins letzte Dorf vorgedrungen.

Walther




Nr. 356
Das Auswärtige Amt an den Deutschen Botschafter in Warschau
Erlaß
Berlin, den 2. April 1939

Die in den letzten Berichten des Generalkonsulats Thorn gemeldeten Vorgänge über zahlreiche Ausschreitungen gegen Angehörige der deutschen Volksgruppe anläßlich der polnischen Gemeindewahlen liefern einen weiteren Beweis für die planmäßig betriebene Hetze gegen das Deutschtum. Sie lassen darüber hinaus erkennen, daß diese Hetze nicht nur von unverantwortlichen Elementen ausgeht, sondern durch polnische Polizeibeamte weitgehend geduldet, ja sogar von gewissen Gemeindeorganen tätig unterstützt wird.

Ich darf bitten, unter Berufung auf die deutsch-polnische Minderheitenerklärung191 die Polnische Regierung mit allem Nachdruck zu ersuchen, endlich durchgreifende Maßnahmen zur Unterbindung weiterer Ausschreitungen gegen die deutsche Volksgruppe in Polen zu treffen und dabei darauf hinzuweisen, daß derartige Ausschreitungen die allgemeinen deutsch-polnischen Beziehungen aufs schwerste belasten müßten.

Im Auftrag
Schliep



[341]
Nr. 357
Der Deutsche Generalkonsul in Posen an das Auswärtige Amt
Bericht
Posen, den 4. April 1939

In den letzten 10 Tagen wurden mehrere Mitglieder der deutschen Volksgruppe mißhandelt. Auch wurde am 24. v. M. auf Mitglieder des Posaunenchors in Zerniki, Kr. Wongrowitz, von einer Gruppe junger Burschen geschossen; die Schüsse gingen glücklicherweise fehl. Ferner wurden am 27. v. M. ein gewisser Hoffmann und eine Frau Schmalenberger aus Zabczyn von einer Gruppe Burschen geschlagen und die Volksdeutschen Thomas und Thiede derart mit Steinen beworfen, daß sie ernstlich verletzt wurden. Außerdem wurden in Gollantsch, Kr. Wongrowitz, am 24. v. M. Mitglieder des evangelischen Vereins junger Männer und Mädchen von einer Bande überfallen und mißhandelt.

Der Volksdeutsche Zasche aus Wollstein wurde am 28. v. M. von polnischen Wehrpflichtigen, die er in seinem Wagen nach Wollstein fuhr, geschlagen und mißhandelt.

Ferner wurden bei zahlreichen Deutschen in der Woiwodschaft die Fensterscheiben eingeworfen, so in Margonin, Waldthal bei Samotschin und Lipiagora im Kreise Kolmar, Schokken und Gollantsch im Kreise Wongrowitz, ebenso in Klecko, Kr. Gnesen; hier wurden außerdem die Läden der Geschäfte mit Teer besudelt. Die Boykottaktion gegen deutsche Firmen wurde gleichfalls weiter fortgeführt. Zum Beispiel wurden im Kreise Wollstein mit Hilfe von vom Westmarkenverband aufgestellten Posten die Polen bei dem Einkauf in deutschen Läden gehindert; im Kreis Wongrowitz hat sich besonders der Związek Polski dla handlu i przemysłu (Polnischer Verband für Handel und Gewerbe) an der Boykotthetze beteiligt.

Walther




Nr. 358
Der Deutsche Botschafter in Warschau an das Auswärtige Amt
Bericht
Warschau, den 4. April 1939

In den letzten Tagen ist ein öffentlicher Aufruf verbreitet worden, der ausdrücklich zum Boykott des deutschen Handels und Handwerks aufruft. Der von 10 verschiedenen paramilitärischen Verbänden unterschriebene Aufruf stellt u. a. folgende Forderungen auf:

    1. Alle Polen, die Waren in deutschen Geschäften kaufen oder deutsche Lokale besuchen, werden namentlich gebrandmarkt.

    2. Im Haushalt dürfen Waren deutschen Ursprungs nicht verbraucht werden.

    3. Hausfrauen dürfen auf den Märkten keine Waren von deutschen Landwirten erstehen.

    4. Polen dürfen keine deutschen Zeitschriften abonnieren.

    5. Alle polnischen Firmen sind verpflichtet, nur polnische Jugend und polnische Arbeiter zu beschäftigen.

    [342] 6. Staatliche und kommunale Beamte und Arbeiter, ferner alle Angestellten und Arbeiter privater Betriebe müssen in den Beziehungen mit Personen deutscher Nationalität ausschließlich die polnische Sprache gebrauchen.

    7. Alle Aufschriften und Reklamen in deutscher Sprache müssen entfernt werden.

    8. Polen dürfen nicht die Dienste deutscher Banken in Anspruch nehmen.

    9. Wir werden danach streben:

      a) eine Aufhebung des Rechts zu erwirken, wonach Deutsche Grundstücke erwerben und Konzessionen erhalten dürfen,
      b) allen deutschen Firmen jegliche Lieferungen für Staat und Selbstverwaltungen zu unterbinden,
      c) der deutschen Presse und deutschen Verlagen in Polen das Postdebit einzuschränken,
      d) für deutsche Filme in Polen ein Verbot zu erwirken.

    10. Wir fordern die Übergabe der überflüssigen deutschen Kirchen.

    11. Wir fordern die Liquidierung der übermäßigen Zahl deutscher, sowohl staatlicher wie privater Schulen in Polen.

Der Sachbearbeiter der Botschaft hat den Vertreter des Außenministeriums im polnischen Regierungsausschuß192 darauf aufmerksam gemacht, daß der in Frage stehende Aufruf eine einwandfreie Bestätigung der deutschen Auffassung über die schädigenden Auswirkungen der allgemeinen antideutschen Propaganda auf den deutsch-polnischen Wirtschaftsverkehr darstellt.

Abgesehen hiervon werde ich im Außenministerium auch noch hinsichtlich der politischen Seite der Angelegenheit vorstellig werden.

von Moltke




Nr. 359
Der Deutsche Generalkonsul in Danzig an das Auswärtige Amt
Bericht
Danzig, den 13. April 1939

In zahlreichen, in der Nähe der Danziger Grenze gelegenen Ortschaften Pommerellens haben sich die deutschfeindlichen Ausschreitungen in der letzten Zeit erheblich verstärkt. Die Nervosität unter den Volksdeutschen ist ständig im Wachsen begriffen und hat dazu geführt, daß in den Tagen um Ostern eine größere Anzahl von deutschen Volksgenossen aus Pommerellen - man spricht von annähernd 100 Personen - über die Grenze nach Danzig geflüchtet ist.

Wie ich von zuverlässiger Seite hierzu ergänzend erfahre, sind in den ersten Tagen des Monats April in verschiedenen Orten des früheren Kreises Berent polnische zugereiste Banden auf Kraftwagen herumgefahren, die die deutsche Bevölkerung tätlich angriffen, in die deutschen Gehöfte eindrangen und die Wohnungseinrichtungen zerschlugen. Die deutsche Bevölkerung ist hierdurch zum Teil derartig verängstigt, daß sie bereits den wertvolleren Teil ihrer Habe vergraben hat, sich tagsüber nicht mehr auf die Straßen und Felder wagt und die Nächte aus Angst vor Überfällen außerhalb der Gehöfte in irgendwelchen Verstecken verbringt. Die polnische bodenständige Bevölkerung behauptet, im Besitze von Waffen zu sein.

von Janson



[343]
Nr. 360
Der Deutsche Geschäftsträger in Warschau an das Auswärtige Amt
Bericht
Warschau, den 18. April 1939

Wegen der schweren Ausschreitungen gegen Angehörige der deutschen Volksgruppe anläßlich der polnischen Gemeindewahlen habe ich weisungsgemäß193 nachdrückliche Vorstellungen im Außenministerium beim stellvertretenden Leiter der Westabteilung Herrn Kunicki erhoben, unter Hinweis darauf, daß diese Vorgänge zu einer erheblichen Beeinträchtigung der den Volksdeutschen verfassungsgemäß zustehenden Wahlfreiheit geführt hätten. Ich habe hierbei eine Reihe besonders gravierender Fälle auf Grund des hier vorliegenden umfangreichen Materials angeführt unter besonderer Hervorhebung des Umstandes, daß sich auch polnische Polizeibeamte und Gemeinde-Organe an den Vorfällen beteiligt hätten.

Abschließend habe ich der Erwartung Ausdruck gegeben, daß die Polnische Regierung die Vorgänge, die in klarem Widerspruch zur deutsch-polnischen Minderheitserklärung ständen, einer Untersuchung unterziehen würde. Herr Kunicki stellte eine solche in Aussicht und sagte weiteren Bescheid zu.

Krümmer




Nr. 361
Der Deutsche Generalkonsul in Thorn an das Auswärtige Amt
Bericht
Thorn, den 18. April 1939

Seit dem Bericht vom 8. April d. J., in welchem eine Aufzählung aller in der letzten Zeit dem Generalkonsulat bekanntgewordenen Vorkommnisse über Angriffe auf Volksdeutsche und Beschädigung deutschen Eigentums usw. mitgeteilt worden war, hat sich die Lage nicht wesentlich geändert, wenn auch vielleicht eine Entspannung eingetreten ist. Diese Entspannung darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß die feindliche Gesinnung der Polen gegen die Deutschen nach wie vor außerordentlich stark ist und durch weiter stattfindende Versammlungen auch stark erhalten bleibt. Das führt dazu, daß weiter in verschiedenen Gemeinden meines Amtsbezirks die Schilder und Firmenbezeichnungen mit Teer beschmiert und die Fensterscheiben mit Steinen eingeschlagen werden. Auch finden weiter Entlassungen deutscher Arbeiter statt, die auf Grund des Druckes der polnischen Belegschaft auf die Direktion ihre Arbeit aufgeben müssen. Mißhandlungen deutscher Volksgenossen finden auch weiter statt.

Es ist fast unmöglich, alle dem Generalkonsulat bekanntgewordenen Fälle einzeln aufzuführen. Ebensowenig hat die Boykotthetze nachgelassen.

Hinter den deutschfeindlichen Provokationen steht, wie bereits öfters berichtet, der Westmarkenverband, der keine Gelegenheit vorübergehen läßt, ohne die Deutschen anzugreifen. Dieser Westmarkenverband hält jetzt wieder, und zwar in der Zeit vom 15. bis 22. 4. 39, eine Propagandawoche ab, in der in allen Städten und Dörfern Pommerellens durch Versammlungsredner, durch Radio und durch Umzüge mit Lautsprechern Propaganda gegen Deutschland betrieben wird.

von Küchler



[344]
Nr. 362
Der Deutsche Generalkonsul in Kattowitz an das Auswärtige Amt
Bericht
Kattowitz, den 22. April 1939

Neuerdings stößt man in immer stärkerem Maße auf systematische Bemühungen, das Deutschtum in den Augen der Bevölkerung herabzusetzen. Neben einer im hiesigen Amtsbereich beobachteten, offenbar von militärischer Seite betriebenen Propaganda gegen die Stärke und Schlagkraft der deutschen Armee ist in dieser Hinsicht die Verbreitung von Nachrichten über eine angebliche Lebensmittelnot in Deutschland bemerkenswert. Hand in Hand damit geht eine maßlose Hetze gegen das gesamte hiesige Deutschtum. Nach den hier einlaufenden Meldungen werden in den Versammlungen der politischen Verbände laufend Beschlüsse gefaßt, die auf eine Vernichtung des Deutschtums in Oberschlesien abzielen. Die Folge ist eine sich in den letzten Tagen auffallend mehrende Zahl von wüsten Ausschreitungen gegen einzelne Deutsche, bei denen sich vor allem die polnische Jugend hervortut.

Nöldeke




Nr. 363
Der Deutsche Generalkonsul in Kattowitz an das Auswärtige Amt
Bericht
Kattowitz, den 24. April 1939

Der Überfall auf das Volksbundheim in Chorzow hat sich als eine der ernstesten Ausschreitungen herausgestellt, die sich bisher in den letzten Wochen ereignet haben. Am 21. April abends drang ein größerer Trupp von Menschen, mit Latten, Knüppeln u. dgl. bewaffnet, in das Gebäude des Volksbundheimes ein, in dem die Mitglieder des deutschen Jugendvereins ihre übliche Singprobe abhielten. Es ist hierbei zu schweren Mißhandlungen und Beschimpfungen gekommen, an denen sich später auch der Straßenpöbel beteiligte. Der polizeiliche Schutz war offenbar ungenügend. Bei der späteren Vernehmung auf der Wache haben sich sogar die Polizeibeamten an Schmähungen gegen das Deutsche Reich und den Führer beteiligt.

Ferner beehre ich mich, von zahlreichen weiteren Ausschreitungen nachstehende Fälle nach Überprüfung zur Kenntnis zu bringen:

Am 18. April wurde der Volksdeutsche Joachim Pilarek in Bismarckhütte von einer Gruppe von Terroristen am Eingang seines Hauses überfallen und mißhandelt.

Am folgenden Tage wurden die Volksdeutschen Peter Kordys und Richard Mateja aus Kattowitz in der Nähe der Ferrumkolonie in Begleitung ihrer Ehefrauen von einer 40 Mann starken Bande, die sich zum größten Teil aus Aufständischen zusammensetzte, überfallen und in schwerster Weise mißhandelt. Frau Kordys nimmt an, daß ihr Ehemann über die Grenze geflüchtet ist. Mateja, welcher schwerverletzt liegen blieb, wurde am 24. 4. in das Gerichtsgefängnis in Kattowitz eingeliefert. Nach den eingezogenen Erkundigungen sollen die Verletzungen so schwer sein, daß sich die Polizei scheue, Mateja freizugeben.

[345] Ferner wurde der Lehrer Czauderna von der deutschen Schule in Ligota auf dem Heimwege mit seiner Braut überfallen und mißhandelt. Nach Feststellung des Arztes wurde die Leber und die Niere angeschlagen.

Der Volksgenosse Herbert Lippok aus Lipiny wurde am 19. 4. auf der Chaussee von Hubertushütte nach Chropaczow von 5 Zivilisten überfallen und sein Fahrrad völlig demoliert.

Am 20. 4. wurden 3 deutsche Mädchen auf dem Rückwege von einer Gesangprobe des Cäcilienchors wegen Gebrauchs der deutschen Sprache auf der Krakauer Straße beschimpft; während 2 Mädchen sofort fliehen konnten, wurde eins mehrfach geschlagen.

Am gleichen Tage wurde auf der Wojciechowskiego in Zalenze der Volksdeutsche Günter Stöckel von Mitgliedern der "Mloda Polska"194 überfallen. Er entkam nach kurzer Gegenwehr.

Ferner wurde am gleichen Tage von einer Bande von etwa 40 Mann am Hause des Deutschen Kulturbundes in Kattowitz, Theaterstraße, das Schild heruntergerissen und vernichtet. Das gleiche ereignete sich an dem Büro des Kulturbundes in der Bahnhofstraße. Am folgenden Tage wurden am Eichendorffgymnasium in Königshütte wieder von unbekannten Tätern die Scheiben eingeschlagen.

Hinsichtlich der Volksdeutschen ist in den zahlreichen Versammlungen des Aufständischen-195 und Westverbandes mehr oder weniger deutlich ausgesprochen worden, daß das deutsche Element zurückgedrängt oder ganz ausgerottet werden müßte. In Verfolg dieser Propaganda ist vor allem auf dem flachen Lande und in den kleineren Ortschaften die Lage der Volksdeutschen sehr schwierig und gefährlich geworden. Auf Grund der Ereignisse der letzten Tage ist zum mindesten festzustellen, daß es den Behörden nicht möglich gewesen ist, die deutsche Bevölkerung vor Terrorakten einzelner verhetzter Chauvinisten genügend zu schützen.

Nöldeke




Nr. 364
Der Deutsche Generalkonsul in Kattowitz an das Auswärtige Amt
Bericht
Kattowitz, den 28. April 1939

Anbei beehre ich mich, einen an die Mitglieder des "Verbandes früherer Freiwilliger der polnischen Armee" gerichteten Aufruf, welcher in der Ortschaft Wielopole bei Rybnik angeschlagen war, in Übersetzung vorzulegen.

Der Abteilungskommandant Woznica ist, wie ich höre, Finanzbeamter in Rybnik, während Szweda bei der dortigen Heil- und Pflegeanstalt als Pfleger tätig und bereits durch verschiedene Exzesse gegen Deutsche bekannt ist.

Nöldeke


[346]
Anlage
(Übersetzung)

Befehl Nr. 3/39 an die Mitglieder des Verbandes früherer Freiwilliger der polnischen Armee am Ort!

    1. Mit dem heutigen Tage dürfen deutsche Radiostationen nicht gehört werden.

    2. Jedes Mitglied der Abteilung muß dem Vorstand sofort die Personen melden, die nach den Deutschen neigen, Personen, die deutsche Radiostationen hören, Personen, die deutschen Organisationen angehören, Personen, die deutsch sprechen, wo solche Personen arbeiten, Personen, die sich für Deutschland günstig äußern und Personen, die falsche Nachrichten verbreiten.

    3. Obiger Befehl ist genau einzuhalten.

"Heil"

Woznica                                     Szweda
der Kommandant der Abteilung                   der Vorsitzende der Abteilung




Nr. 365
Der Deutsche Generalkonsul in Kattowitz an das Auswärtige Amt
Bericht
Kattowitz, den 6. Mai 1939

Anbei beehre ich mich, einen mir zur Verfügung gestellten Abdruck196 des vom Deutschen Volksbund gesammelten umfangreichen Materials über Ausschreitungen gegen Volksdeutsche usw. vorzulegen, die in den letzten Wochen stattgefunden haben. Die Sammlung enthält, nach den einzelnen Bezirksvereinigungen des Volksbundes geordnet, Niederschriften über Ausschreitungen gegen Personen, gegen volksdeutsches Eigentum, über Freiheitsentziehungen usw. Die Sammlung umfaßt ferner deutschfeindliche Aufrufe in der polnischen Presse, polnische Presseberichte über deutschfeindliche Demonstrationen, eine Übersicht über Zeitungsbeschlagnahmen sowie Maßnahmen gegen die Privatschulen des Deutschen Schulvereins in der Woiwodschaft Schlesien bzw. einzelne Lehrer und Schüler.

Eine Nachprüfung der einzelnen Fälle, die bereits vom Deutschen Volksbund sorgfältig gesichtet wurden, durch das Generalkonsulat ist angesichts ihrer großen Zahl und der mit einer weiteren Vernehmung der Betroffenen verbundenen erheblichen Gefährdung dieser Volksdeutschen unmöglich.

Im übrigen hat sich die allgemeine Lage nicht wesentlich verändert. Die Zahl der Mißhandlungen hat vielleicht in den letzten Tagen etwas abgenommen. Dagegen haben sich die Fälle von schweren Bedrohungen sowie von Ausschreitungen gegen das Eigentum nicht unerheblich vermehrt. In nahezu allen Teilen des Amtsgebiets ist es in den letzten Tagen immer wieder zum Einschlagen von Fensterscheiben an Wohnungen und Geschäftsräumen Volksdeutscher und zu üblen Beschimpfungen auf offener Straße, selbst in den Hauptverkehrsgegenden der Städte gekommen.

[347] Ein Abflauen der Ausschreitungen ist so lange nicht zu erwarten, als nicht von den Behörden die fortgesetzte Hetze in der Presse und in den Versammlungen der Verbände verhindert wird. Solange die polnische Presse und die Verbände immer wieder den einzelnen auffordern, gegen die sogenannten Provokationen der Deutschen auf eigene Faust handgreiflich vorzugehen, muß auch in Zukunft mit weiteren ernsten Zwischenfällen gerechnet werden. Im allgemeinen besteht der Eindruck, daß die deutsche Bevölkerung, vor allem auf dem Lande, weitgehend eingeschüchtert ist.

Nöldeke




187Vgl. Nr. 350. ...zurück...

188Vgl. Nr. 349. ...zurück...

189Vgl. Nr. 209. ...zurück...

190Vgl. Nr. 211. ...zurück...

191Vgl. Nr. 101. ...zurück...

192Es handelt sich um den polnischen Regierungsausschuß zur Durchführung des deutsch-polnischen Handelsvertrages. ...zurück...

193Vgl. Nr. 356. ...zurück...

194Jugendverband der polnischen Regierungspartei "Lager der Nationalen Einigung". ...zurück...

195Vgl. Nr. 86, Anm. [49]. ...zurück...

196Es handelt sich um eine Sammlung von mehr als 200 Fällen. ...zurück...


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