SucheScriptoriumBuchversandArchiv IndexSponsor


III. 1. Im Schatten des Nichtangriffspaktes
(26. 1. 34 - 14. 7. 37) (Teil 2)

c) Polnische Ausschreitungen im Frühjahr 1935

Die vorher angedeutete Verquickung der Frage der Polen im Reich mit der des Deutschtums in Polen machte sich schon im März und im April 1935 bemerkbar. Dem polnischen Gymnasium in Beuthen (Deutsch-Oberschlesien) waren die Öffent- [225] lichkeitsrechte vorläufig versagt worden, da erst das Ergebnis der Extraneer-Prüfung abgewartet werden sollte. Dieser Umstand löste in Ostoberschlesien eine neue chauvinistische Welle gegen das Deutschtum aus. Im Schlesischen Sejm, in der polnischen Presse und in öffentlichen Versammlungen wurde wieder einmal ganz besonders scharf und gehässig gegen das Deutschtum Stellung genommen. Verlangen wurden laut, alle deutschen Privatschulen in Polen zu schließen, obwohl damals keines der deutschen Privatgymnasien in Polnisch-Schlesien Öffentlichkeitsrechte besaß.

Die Ausschreitungen nahmen in Kattowitz und in Laurahütte besonders heftige Formen an, so daß die Polizei Mühe hatte, die Ordnung wiederherzustellen. In Laurahütte wurden einige Deutsche von Aufständischen verletzt, in Hohenlinde drangen zehn Mann am Tage nach einer Versammlung des Westverbandes in die dortige Minderheitsschule ein und warfen die anwesenden deutschen Kinder hinaus. Diese Demonstrationen gingen vor sich, obwohl gleichzeitig ein deutsch-polnischer Meinungsaustausch über diese Frage geführt wurde und man sich einigte, daß das polnische Gymnasium in Beuthen gleichzeitig mit dem im Vorjahr erbauten Eichendorff-Gymnasium in Königshütte das Öffentlichkeitsrecht erhalten sollte.15 Diese Aufputschung der polnischen Öffentlichkeit pflanzte sich nach Posen-Westpreußen fort, wo außerdem noch die Auswirkungen des Wahlkampfes zum Danziger Volkstag (7. 4. 1935) hinzutraten. Die Danziger Polen unternahmen damals große Anstrengungen, um nicht zu schlecht abzuschneiden (sie errangen wieder nur 2 Mandate). In Neustadt/Westpreußen und Umgebung fanden nun Versammlungen und Demonstrationsumzüge statt, wobei deutsche Geschäfte demoliert und einige Deutsche (polnische und Danziger Staatsangehörige) schwer mißhandelt wurden. Der Volksdeutsche Fritz Grön aus Gdingen wurde [226] dabei am 13. 4. 1935 im Dorfe Klein Katz so schwer verletzt, daß er zwei Tage später seinen Verletzungen erlag. Im Kreis Karthaus sprengten bewaffnete und uniformierte Mitglieder des polnischen Schützenverbandes einmal eine JDP-Versammlung, das andere Mal eine Genossenschaftsversammlung. Gleichzeitig kam es auch zu Unruhen im südöstlichen Teil der Wojewodschaft Posen. Dort wurde in Neuhütte, Kreis Kempen, das DV-Mitglied Rudolf Rieck, ein Familienvater, auf seinem Gehöft am 14. 4. 1935 überfallen und tödlich verletzt.16 Die DV setzte den Innenminister von beiden Todesfällen am 16. 4. in Kenntnis und bat um entsprechende behördliche Schritte zur Sicherstellung von Leben und Eigentum,17 aber in beiden Fällen behaupteten die Behörden, die polnische Bevölkerung sei durch die angebliche "Germanisierungstätigkeit" deutscher Organisationen unter Polen bzw. unter den Kaschuben provoziert worden.18 Sogar Warschauer Zeitungen berichteten, die Deutschen hätten versucht, Polen ins deutsche Lager hinüberzuziehen und polnische Eltern für die deutsche Schule zu "kaufen", so daß dann rechtsoppositionelle Kreise von den Behörden "energische Maßnahmen" verlangten. Tatsächlich wurden darauf im Kreise Kempen mehrere Amtswalter der DV unter dem Vorwand verhaftet, sie hätten durch das Werben von Polen für die DV die Satzungen ihres Verbandes überschritten.19



d) Auseinandersetzungen wegen des "schwebenden Volkstums"

Dieser Vorwurf traf nicht zu. Im Kempener-Schildberger Gebiet wohnten doch die bereits erwähnten polnischstämmigen Evangelischen, die sich ähnlich wie die Masuren bei Soldau und Teile der Kaschuben in Nordwestpreußen zum deutschen Kulturkreis hingezogen fühlten. Im Schildberger Gebiet handelte es sich daneben noch - übrigens auch in einigen Gebieten Westpreußens - um deutschblütige Menschen, die in [227] der polnischen Umgebung die polnische Umgangssprache angenommen, die aber u. a. dank ihres evangelischen Glaubens den Kontakt zum Deutschtum nie völlig verloren hatten. Ihre deutsche Abstammung geht u. a. auch aus den nur mit einer polnischen Endung versehenen, im übrigen aber rein deutschen, wenn auch manchmal polnisch geschriebenen Familiennamen hervor. Alle diese Menschen, die sich gerade in Zeiten nationaler Erschütterungen ihrer Zugehörigkeit zum Deutschtum bewußt wurden, wurden von den polnischen Stellen lediglich wegen ihrer slawischen Abstammung bzw. wegen ihrer slawischen Haussprache durchweg als Polen angesehen, auch wenn sie sich selber zum Deutschtum bekannten. Daß die in Frage kommende Bevölkerung auch zu preußischer Zeit nicht gewaltsam assimiliert worden war, geht am besten aus dem Umstand hervor, daß sie sich noch dem Deutschtum verbunden fühlte, als der polnischerseits vielfach zitierte "preußische Stiefel" nicht mehr auf ihr "lastete". Die deutsche Volksgruppe in Polen, die Mühe hatte, sich gegen den allseitig auf sie einstürmenden Druck zu wehren, war bestimmt nicht willens und nicht in der Lage, ihrerseits Polen für die deutsche Sache zu gewinnen, da sie ja bei der Erfassung ihrer eigenen Volkszugehörigen Schwierigkeiten genug hatte.

Von der Ausübung eines Druckes deutscherseits konnte im polnischen Staat naturgemäß keine Rede sein, ebenso wenig von einem "Kauf". Materielle Vorteile waren nur beim Staatsvolk zu erwarten. Wenn aber Polnischstämmige zu der Versammlung einer deutschen politischen Organisation erschienen und von den örtlichen Vertrauensleuten bestätigt wurde, daß die Betreffenden sich immer zu den Deutschen hielten - vorausgesetzt, daß überhaupt Zweifel aufgekommen waren -, dann hatten die Amtswalter keine Veranlassung, die um Aufnahme Nachsuchenden zurückzustoßen. Außerdem waren die polnischen Behörden durchaus nicht grundsätzlich Gegner [228] einer Assimilierung, wurden Deutschstämmige, die sich zum Polentum bekannten, jederzeit gern als zum Staatsvolk gehörig betrachtet. Die polnischen Behörden wurden hier, wie des öfteren auch unter anderen Umständen, z. B. bei ihrer Einstellung zu der Volkstumsarbeit unter den Deutschen Mittelpolens, Opfer ihrer eigenen Volkszählungsmethoden. Im ganzen Staatsgebiet wurden doch Angehörige der deutschen Volksgruppe, die polnischer Abstammung waren, einen polnischen Namen trugen oder die der katholischen Kirche angehörten, gar zu gern allein wegen eines dieser Umstände - oft gegen ihren ausgesprochenen Willen - als Polen gezählt, ebenso - besonders in Mittelpolen - viele Deutschstämmige, die die polnische Sprache gut, vielleicht sogar besser als ihre deutsche Muttersprache beherrschten, aber trotzdem Deutsche bleiben wollten. Wenn es sich dann bei der nächsten Gelegenheit herausstellte, daß an diesen nur von "Polen" bewohnten Orten eine deutsche Schule bestand oder beantragt wurde, ein deutscher Verein oder eine deutsche Genossenschaft tätig war, konnte die nationale Opposition der Regierung den Vorwurf machen, daß sie unter ihren Augen eine "Germanisierung der Polen" zuließ. Dann hielte sich die Regierung selbstverständlich verpflichtet, zu handeln oder durchzugreifen, wie sie es in Kempen tat. Auf Grund der dortigen behördlichen Maßnahmen bat nun die DV am 1. 5. 1935 die Wojewodschaft um "klare Feststellung des Kriteriums für den Begriff 'Nationalität', das in Zukunft für die Tätigkeit der DV bindend sein" sollte, da doch in diesen Kreisen die "Feststellung der Nationalität vielfach auf Schwierigkeiten stößt".20 Auf diese Eingabe antworteten die Behörden nicht. Nur der Westverband erteilte indirekt eine Antwort, indem er in der Kaschubei als "Gegenaktion gegen die verstärkte Tätigkeit deutscher Organisationen" [229] sein dortiges Vereinsnetz verdichtete und Anfang Mai 1935 in einem dort verbreiteten Flugblatt die Deutschen beschuldigte, "auf eine perfide und verabscheuungswürdige Art polnische Seelen für Judas-Silberlinge zu kaufen" und von sich aus folgende Richtlinien aufstellte: "Es ist niemand erlaubt, bei den illegalen Deutschen zu kaufen, die den polnischen Besitzstand schmälern wollen. Wir werden alle Polen brandmarken... die aus der polnischen Einheitsfront ausbrechen werden. ... Bei folgenden Firmen darf nicht gekauft werden..." (Es folgte die namentliche Nennung von 64 Kaufleuten und Gewerbetreibenden.)21 Und der Pommereller Wojewode Kirtiklis beschuldigte noch ein Jahr später die Deutschen, sie versuchten, Polen für sich zu gewinnen und in ihren Parteien und Verbänden zu organisieren.

Auf die Zuspitzung des deutsch-polnischen Gegensatzes in den Gebieten mit "schwebendem Volkstum" (auch Oberschlesien gehörte z. T. dazu) werden wir noch zu sprechen kommen. Hier sei nur noch erwähnt, daß diese ersten Todesopfer des Nationalitätenkampfes unter der deutschen Volksgruppe nach dem deutsch-polnischen Nichtangriffspakt noch zu Lebzeiten Jozef Pilsudskis zu verzeichnen waren, dessen Autorität am ehesten eine Abschwächung des deutsch-polnischen Gegensatzes hätte zuwege bringen können. Mit seinem Tode am 12. Mai 1935 schwanden auch die sich auf seine Persönlichkeit gründenden Hoffnungen dahin.



e) Die neue Verfassung und die neue Wahlordnung

Der Umbau Polens von der betont demokratischen Republik des Jahres 1921 zu einem autoritär regierten, aber doch noch mit verschiedenen demokratischen Freiheiten (Presse, politische Parteien) ausgestatteten Staatswesen war bekanntlich noch unter Pilsudski erfolgt. Dieser autoritäre Zug war von der deutschen Volksgruppe durchaus nicht begrüßt worden, [230] da doch der polnische Staat schon als Nationalitätenstaat - abgesehen von allem anderen - kein Anrecht auf Totalität hätte erheben dürfen. Deswegen lehnte Senator Utta bereits im Januar 1935 bei Beratung der neuen Verfassungsthesen dieselben im Namen der Deutschen in Polen ab, da zu befürchten war, daß die Volksgruppen durch Fortfall auch der letzten verfassungsmäßigen Hemmungen rechtlos einer vom nationalstaatlichen Willen beseelten Regierung ausgeliefert sein würden. Von den weiteren Beratungen über die Verfassung hielten sich die Deutschen, wie auch die Ukrainer und die Juden, fern, u. a. auch weil der damalige Sprecher des Regierungslagers, Oberst Slawek, von der Verfassung als von einer "ureigensten Gelegenheit des polnischen Volkes" gesprochen hatte.

Doch die mit knapper Stimmenmehrheit am 23. 4. 1935 angenommene Verfassung, die sich durch Stärkung der Präsidentenmacht auszeichnete und daher von der gesamten Opposition heftig bekämpft worden war, hatte keine grössere Bedeutung für die Volksgruppe. Die die Minderheiten betreffenden Artikel 109 und 110 waren ja aus der Märzverfassung übernommen worden (Art. 81 der Aprilverfassung) und standen - ebenso wie bisher - weiterhin auf dem Papier. Wichtiger war die neue Wahlordnung vom 8. 7. 1935, da sie das Verhältniswahlsystem abschaffte und die Zahl der Abgeordnetensitze herabsetzte, so daß auf jeden Wahlkreis nur ein bis zwei Abgeordnete entfielen. Schon nach der alten Wahlkreiseinteilung hatte die Regel gegolten, daß in einem Wahlkreis umso mehr Einwohner für einen Abgeordnetensitz notwendig waren, je niedriger der polnische Anteil an der Bevölkerung war. So entfielen in Posen-Stadt (94% Polen) auf 42.300 Einwohner ein Sitz im Sejm, in Krakau-Stadt (80% Polen) auf 45.000, aber im Osten auf ukrainischem oder weissruthenischem Volksboden ein Sitz erst bei der doppelten [231] Bevölkerungsanzahl, in Stanislau z. B. bei 86.200, in Lemberg-Land bei 87.000, Luzk bei 89.000 und Krzemieniec bei 99.800. Diese Ungleichheiten traten in der neuen Wahlkreiseinteilung noch krasser zu Tage: auf die Stadtwahlkreise Posen und Krakau kam je ein Abgeordneter bei 47.000 Einwohnern, auf Luzk bei 151.000, Stanislau bei 159.000, Krzemieniec bei 192.000.22

Zu diesen Erschwernissen kam noch der Umstand, daß die Kandidaten für die Wahlen in Vorwahlversammlungen nur von den Vertretern der Selbstverwaltungsorgane und der Berufsstände aufgestellt werden konnten. Schon dadurch war es den Deutschen unmöglich gemacht worden, von sich aus eigene Kandidaten überhaupt rechtswirksam aufzustellen. Diese Wahlordnung hätte daher die deutsche Volksgruppe durchaus dazu berechtigt, bei den für den 8. und 15. September 1935 angesetzten Sejm- und Senatswahlen die Parole der Wahlenthaltung auszugeben. Sie hätten sich dann aber in einer Front mit den Nationaldemokraten, dem grössten Gegner des Deutschtums, befunden. Da die Volksgruppe ausserdem ihrem Mutterlande treugeblieben war, ungeachtet dessen, daß sich dort ein noch weitgehender totalitärer und autoritärer Kurs durchgesetzt hatte, hätte es ihr schlecht angestanden, wenn sie ihren Wohnstaat eben dieses Charakters wegen den Rücken zugekehrt hätte. Gerade nach dem 26. 1. 1934 hatten die alte Volksgruppenführung und mehr noch die JDP ihre Loyalität dem Staate gegenüber oft genug beteuert, auch diese Haltung verpflichtete. Darüber hinaus hatte die Regierung Slawek schon bei den Debatten um die Wahlordnung erklärt, daß es ihr hierbei nicht darum ginge, die Minderheiten aus den parlamentarischen Körperschaften auszuschalten und daß für die Volksgruppen trotzdem Vertretungsmöglichkeiten offen stehen würden. So konnten sowohl der Rat der Deutschen als auch die JDP mit der Regierung Verhandlungen führen, bei denen Erwin Hasbach [232] als dem Sprecher des Rates die Durchbringung von je einem deutschen Sejmabgeordneten in Kattowitz, Lodz und Posen in Aussicht gestellt und beiden Richtungen die Ernennung von Senatoren zugesagt wurde. Die Regierung kam damals den Volksgruppen entgegen, weil sie den Wahlboykott der Opposition fürchtete. Aus den Abgeordnetenmandaten wurde allerdings nichts. In Kattowitz-Chorzow kam es nicht zu der von Grazynski verlangten Einigung aller deutschen Gruppen auf einen Kandidaten, nicht so sehr wegen der Spannung zwischen JDP und alter Führung, sondern vor allem wegen des Sonderinteresses der in der Vorwahlversammlung vertretenen Deutschen Gewerkschaft, die unbedingt ihren Vertrauensmann aufgestellt haben wollte. In Lodz unterlag August Utta bei der Aufstellung, und in Posen war es um einen deutschen Kandidaten ganz still geworden.23



f) Die neuen deutschen Senatoren und ihre Tätigkeit

Trotzdem rief jede der beiden deutschen Richtungen im ganzen Land zur Wahlbeteiligung auf, und unter den 32 vom Senatspräsidenten berufenen Senatoren befanden sich dann sowohl Erwin Hasbach als auch Rudolf Wiesner. Beide konnten dann und mussten leider immer wieder sowohl in persönlichen Vorsprachen bei der Regierung als auch von der Senatstribüne herab Beschwerden über ungerechte Behandlung der Volksgruppenangehörigen sowie über ständige Einengung der dem Deutschtum zur Verfügung stehenden Lebensmöglichkeiten und über die laufende schrittweise Polonisierung des Schulwesens vorbringen. Von polnischer Seite ist zu diesen Beschwerden oft und gern behauptet worden, sie würden nur von ehrgeizigen Deutschtumsführern vorgebracht, um ihre Daseinsberechtigung zu beweisen und um die an sich mit an ihrem Los zufriedenen Deutschen in Polen aufzuputschen.

Im Gegensatz [233] zu diesen völlig grundlosen Behauptungen steht schon der Umstand, daß der grosse Zulauf, den die JDP in den meisten Siedlungsgebieten hatte und der auch oft von der polnischen Presse festgestellt worden war, zum grossen Teil darauf zurückzuführen war, daß in der Volksgruppe vielfach die Meinung vorherrschte, die bisherige Deutschtumführung hätte viel zu wenig zur Abwendung der beinahe jedem Deutschen in Polen auf den Nägeln brennenden Not getan. Wenn es diesen und jenen Deutschen wirtschaftlich noch gut gehen mochte, so waren doch die Fortschritte in der polnischen Verdrängungs- und Assimilierungspolitik, gegen die die deutschen Senatoren immer wieder ihre Stimme erheben mussten, unverkennbar und allzu bedrohlich für die weitere Zukunft der ganzen Volksgruppe. In Posen-Westpreußen waren es im Jahre 1935 die Anwendung des Vorkaufs- und die des Wiederkaufsrechtes, die Verweigerung der Auflassungsgenehmigung, Schwierigkeiten nach erfolgter Aufhebung eines unrechtmässigen Annullationsverfahrens u. a. In vertrauten Kreisen gaben ja die Behörden ohne weiteres zu (wie es z. B. im Oktober 1935 der Posener Burgstarost tat), daß es das Ziel aller Maßnahmen sei, das Posensche spätestens innerhalb von zwei Generationen zu polonisieren.24 Die Entwicklung in Ostoberschlesien wiederum war gekennzeichnet durch die Massenentlassungen bei den Pless'schen und Henckel-Donnersmarckschen Betrieben sowie in anderen Zweigen der Schwerindustrie. Wie zielbewusst die Regierungskreise dort an der Entdeutschung arbeiteten, ist u. a. aus dem Umstande zu ersehen, daß der Regierungsblock (BBWR - Parteiloser Block der Zusammenarbeit mit der Regierung), der sich nach Inkrafttreten der neuen Verfassung im ganzen Staatsgebiet selbst auflöste, in der Wojewodschaft Schlesien unter Hinweis auf seine in diesem Gebiet "unverändert bestehenden nationalen Aufgaben" bestehen blieb.25

[234] Für das Jahr 1935 wurde von dem Präsidenten der Gemischten Kommission, F. Calonder, festgestellt, daß "von polnischer Seite bei den Arbeitsentlassungen willkürlich und unterschiedlich je nach Zugehörigkeit zur Mehrheit oder Minderheit verfahren worden ist", daß "polnische Unternehmungen eine minderheitenfeindliche Entlassungspolitik betrieben und daß diese allgemeinen Verhältnisse auch dem polnischen Demobilmachungskommissar bekannt sind". Der ganz unverhüllt zu Tage tretenden Tendenz, "die Angestellten, die sich offen zur Minderheit bekannt haben, durch Mehrheitsangehörige zu ersetzen" hätte sich diese amtliche Stelle angeschlossen.26 Wegen der großen Notlage unter den Deutschen in den Industriegebieten sowohl Polnisch-Schlesiens als auch Mittelpolens und in einigen Teilen Wolhyniens einigten sich auf Anregung der JDP so gut wie alle Organisationen im Herbst 1935 zum ersten Male auf Durchführung einer gemeinsamen großen Winterhilfsaktion.

Seite zurückInhaltsübersichtSeite vor



15Nation und Staat. Jg. VIII, S. 451f, 534f; Wien 1935. ...zurück...

16Dokumente zur Vorgeschichte des Krieges. Nr. 2 (DWB II) Dok. 58 u. 60, S. 69. Hrsg. vom Auswärtigen Amt; Berlin 1939. ...zurück...

17Eingabensammlung der deutschen Volksgruppe in Westpolen. 1936, S. 59. Hrsg. von der Deutschen Vereinigung; Bromberg 1936 . ...zurück...

18s. auch Szembek, Jean Comte: Journal 1933-1939. S. 61; Paris 1952. ...zurück...

19Eingabensammlung der deutschen Volksgruppe in Westpolen. 1936, S. 60. Hrsg. von der Deutschen Vereinigung; Bromberg 1936;
Nation und Staat. Jg. VIII, S. 535; Wien 1935. ...zurück...

20Eingabensammlung der deutschen Volksgruppe in Westpolen. 1936, S. 61. Hrsg. von der Deutschen Vereinigung; Bromberg 1936. ...zurück...

21Hahn, Adalbert: Polnische Kampfverbände. S. 6f; Berlin 1939. ...zurück...

22Wertheimer, Fritz: Von deutschen Parteien und Parteiführern im Ausland. S. 112; Berlin 1930 (2. Aufl.);
Braunias, K. in: Nation und Staat. Jg. IX, S. 293; Wien 1936. ...zurück...

23Osteuropäische Lageberichte. Nr. 13, S. 3f; Königsberg 1935. ...zurück...

24Dokumente zur Vorgeschichte des Krieges. Nr. 2 (DWB II) Dok. 62, S. 71. Hrsg. vom Auswärtigen Amt; Berlin 1939. ...zurück...

25Nation und Staat. Jg. IX, S. 263; Wien 1936. ...zurück...

26Dokumente zur Vorgeschichte des Krieges. Nr. 2 (DWB II) Dok. 63, S. 72. Hrsg. vom Auswärtigen Amt; Berlin 1939. ...zurück...

Seite zurückInhaltsübersichtSeite vor


Die deutsche Volksgruppe in Polen 1934-1939