[66] Erstes Kapitel (Forts.)
Entwicklung der Deutsch-Polnischen Beziehungen
B. Deutschlands Bemühen
in der Lage der Deutschen Volksgruppe (November 1934 bis Oktober 1937)
Nr. 54 Krakau, den 3. November 1934
In der Zeit vom 31. Oktober bis zum 2. November 1934 hat hier eine pommerellenkundliche Tagung stattgefunden, die vom Baltischen Institut in Thorn veranstaltet wurde. Die Besucherzahl schwankte zwischen 150 und 170 Personen und überstieg damit die Erwartungen der Veranstalter. Insbesondere waren auf der Tagung vertreten: Delegierte des Außenministeriums, des Kultusministeriums, des Ministeriums für Landwirtschaft und Agrarreform, der Minderheitenabteilung des Innenministeriums, des Generalkommissariats der Republik Polen in Danzig, der Woiwodschaftsämter Posen, Pommerellen, Schlesien und Bialystok, der Pommereller Landstarosteien, der Städte Thorn und Gdingen, aller polnischer Universitäten, der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Krakau, der Gesellschaft der Freunde von Kunst und Wissenschaft in Danzig, mehrerer wissenschaftlicher Institute, Archive und Bibliotheken aus Gdingen, Posen und Thorn sowie einiger Institute aus Warschau. Besonders stark waren vertreten die Pommereller Landwirtschaftskammer, der Revisionsverband der landwirtschaftlichen Genossenschaften in Pommerellen, die Industrie- und Handelskammer Warschau und die staatliche Agrarbank. Weiterhin hatten die See- und Kolonialliga, die Vereinigung der Lehrer der mittleren und höheren Schulen und fast alle größeren Ortsgruppen des Westmarkenvereins Vertreter entsandt. Außerdem nahmen 3 Obersten in Uniform an der Tagung teil. Über den Verlauf der Tagung ist mir von einem Tagungsteilnehmer der anliegende Bericht zugegangen.
..... Zu Beginn des zweiten Tages bedauerte Prof. Pawlowski einleitend, daß man bisher noch nicht auf das so wichtige Problem der Siedlung in Pommerellen nach politischen Gesichtspunkten gekommen sei, denn der Zweck der Tagung sei, den Praktikern des Kampfes um den polnischen Boden und den polnischen Charakter des Landes den Weg zu weisen. In der Diskussion ergriff der Leiter der Landwirtschafts- und Agrarreformabteilung der Woiwodschaft Pommerellen Ceceniowski das Wort und führte aus, daß im Jahre 1933 3.500 ha und 1934 4.000 ha parzelliert worden seien, 1935 würden aber 9.000 ha parzelliert werden; davon enstammten lediglich 3.000 ha polnischem Privat- und Staatsbesitz. [67] Herr Smolenski, Krakau, wies darauf hin, daß in Pommerellen noch heute 7/9 des gesamten Großgrundbesitzes in deutschen Händen sei. Es gäbe noch immer Gegenden, wo das Hinzukommen einer ganz geringen Anzahl Deutscher ausreichen würde, um die polnische Mehrheit in eine Minderheit zu verwandeln. Mit Genugtuung höre er deshalb, daß man diese entscheidenden Argumente erkannt habe und 1935 6.000 ha aus deutschem Besitz parzellieren werde. Pawlowski wies insbesondere auf das starke Übergewicht deutschen Grundbesitzes in den Kreisen Dirschau, Stargard, Graudenz, Culm, Zempelburg und im Seekreis hin. Der augenblickliche Zustand sei keineswegs zufriedenstellend und es müsse so schnell wie möglich eine Änderung der Lage durchgeführt werden. Das Deutschtum in diesen Gegenden werde durch Ausnutzung des Danziger Marktes wirtschaftlich gestärkt. Hier sei nunmehr aber durch das Kompensationsabkommen zwischen Danzig und Polen33 ein Riegel vorgeschoben worden, da die Verteilung der Kontingente in Zukunft von polnischen Stellen vorgenommen würde. In der Diskussion kam sodann die Sprache darauf, daß die Mittel zur Siedlung fehlten, während der deutsche Grundbesitz durch Kredite gestärkt werde. Hierauf ergriff ein Oberst in Uniform das Wort und erklärte, das Geld dürfe keine Rolle spielen. Man solle sich doch durch den Pakt mit Deutschland nicht falschen Hoffnungen hingeben. Im Gegenteil! Dieser Pakt habe nur insoweit Geltung, als nach diesen 10 Jahren nichts mehr davon vorhanden sein dürfe, was man heute als gefährlich für dieses Gebiet ansehe. Solche Verhältnisse wie im Dirschauer, Stargarder und Zempelburger Kreis seien unhaltbar. Hier dürfe es kein Pardon oder Hemmungen irgendwelcher Art geben. Gerade die jetzige Stille müsse ausgenutzt werden, um in den Grenzkreisen im stärksten Maße zu siedeln, damit hier ein lebendiger Verteidigungswall polnischer Bauern entstehe. Der Vorsitzende der Landwirtschaftskammer Thorn Dykier unterstrich diese Ausführungen und fügte hinzu, man habe im Kampf gegen das im Lande ansässige Deutschtum zwei Instrumente, nämlich 1. die Parzellierung und 2. den Landaufkauf. Beide seien bisher noch nicht voll ausgenutzt worden. ....
Nr. 55
Der Deutsche Generalkonsul in Posen an das Auswärtige Amt Bericht Posen, den 18. Februar 1935
Die Agrarreform ist wiederum in erster Linie gegen das Deutschtum zur Anwendung gebracht. Von der für die Zwangsparzellierung für 1935 vorgesehenen Fläche von 11.250 ha ist der deutsche Besitz mit 6.797 ha enteignet worden, also in einer fast 60prozentigen Höhe des Gesamtareals, trotzdem der Anteil des deutschen Landbesitzes an der gesamten Fläche in den abgetrennten Gebieten des Westgebietes kaum noch mehr als 30% beträgt.
Lütgens
[68]
Nr. 56
Unterredung des Reichsministers des Auswärtigen mit dem Polnischen Botschafter Aufzeichnung Berlin, den 21. Februar 1935
Anläßlich eines Besuches, den der Polnische Botschafter mir heute aus anderem Anlaß abstattete, habe ich die Polonisierungspolitik des oberschlesischen Woiwoden ihm gegenüber zur Sprache gebracht. Ich habe ihm dargelegt, welche Gefahr für das deutsch-polnische Verhältnis die Fortsetzung dieser Politik bedeute, und ihn gebeten, seine Regierung in eindringlicher Weise darauf hinzuweisen, daß eine Fortsetzung der Entlassungen großen Stils, wie sie zur Zeit speziell in den Pleßschen und Henckel-Donnersmarckschen Betrieben durchgeführt würden, naturgemäß Rückwirkungen auf das Verhalten der deutschen Behörden gegenüber polnischen Arbeitern und Angestellten in Deutschland haben müßte. Ich habe dem Botschafter dargestellt, daß die glückliche Entwicklung der deutsch-polnischen Beziehungen, wie sie sich nach dem Abkommen vom vorigen Jahre herausgebildet habe, durch eine Beibehaltung der Polonisierungspolitik in Ostoberschlesien geradezu in Frage gestellt werde. Der Botschafter versprach, umgehend Herrn Beck von meinen Mitteilungen Kenntnis zu geben und ihn zu bitten, die Polnische Regierung auf den Ernst der Lage aufmerksam zu machen. Er sei überzeugt, daß Herr Beck alles aufbieten werde, um einer Trübung des deutsch-polnischen Verhältnisses, die durch den Übereifer lokaler Behörden entstehen könnte, vorzubeugen.
Frhr. von Neurath
Nr. 57
Unterredung des Reichsministers des Auswärtigen mit dem Polnischen Botschafter Aufzeichnung Berlin, den 12. März 1935
Der Polnische Botschafter hat mir heute morgen mit der Bitte um streng vertrauliche Behandlung im Auftrage des Ministers Beck mitgeteilt, daß dieser auf Grund der von mir erhobenen Beschwerde über die Polonisierungsbestrebungen in Ostoberschlesien, speziell über die Entlassung zahlreicher deutscher Angestellter und Arbeiter, energische Schritte bei den inneren polnischen Behörden unternommen habe. Herr Beck hoffe, daß diese die Einstellung dieser zahlreichen Entlassungen zur Folge haben werde.
Frhr. von Neurath
[69]
Nr. 58
Der Deutsche Konsul in Thorn an das Auswärtige Amt Telegramm Thorn, den 16. April 1935
Sonnabend 13. d. M. stattfand Neustadt polnische Versammlung, wobei Bürgermeister zum Zusammenschluß aufforderte. Versammlung ausartete in schwere Hetze gegen deutsche Minderheiten, wobei verschiedene Redner provokatorisch auftraten. Die durch Hetze aufgebrachte und nicht mehr zurückhaltende Menge durchzog dann die Stadt und einschlug 23 große Schaufenster und Unmenge sonstiger Fensterscheiben Deutscher. Ähnliche Versammlungen auch an anderen Orten Seekreises. In Kleinkatz kam es am Sonnabend bei einer solchen Demonstration zu schweren Schlägereien, in deren Verlauf mehrere Deutschstämmige gefährlich verletzt wurden. Einer davon namens Groen starb Montag Zoppoter Krankenhaus.
Küchler
Nr. 59
Der Deutsche Konsul in Thorn an das Auswärtige Amt Bericht Thorn, den 18. April 1935
Im Anschluß an den Drahtbericht vom 16. 4. 3534 beehre ich mich, ergänzend folgendes zu melden: Die wüsten Ausschreitungen verhetzter polnischer Nationalisten im Seekreis haben in der deutschen Minderheit mit Recht größte Erregung und Verbitterung hervorgerufen. Die Polizei hat bei den Unruhen völlig versagt und es hat den Anschein, als ob sie gar Weisung gehabt hätte, nicht einzugreifen. Auch das Verhalten des Starosten in Neustadt muß sehr befremden. Als der Vorsitzende der dortigen Ortsgruppe der Deutschen Vereinigung ihn am Tage nach den Vorfällen aufsuchen wollte, weigerte er sich, den Vertreter der Deutschen Vereinigung zu empfangen. Die Ereignisse im Seekreis sind auf das tiefste zu bedauern und zu verurteilen. Die Hauptschuld trifft die Behörden, unter deren Augen und Ohren unverantwortliche Hetzer die niedrigsten Instinkte des Volkes aufwiegeln durften.
von Küchler
Nr. 60
Der Deutsche Generalkonsul in Posen an das Auswärtige Amt Bericht Posen, den 18. April 1935
Am Sonnabend, dem 13. d. M., wurde der deutsche Bauer Rudolf Rieck aus Neuhütte, Kreis Ostrowo, von unbekannten Tätern überfallen und so schwer verletzt, daß er kurz darauf starb. Die polizeilichen Nachforschungen sind noch nicht abgeschlossen. Es kann aber schon jetzt als feststehend angenommen werden, daß ausschließlich politische Motive der Anlaß zur Tat gewesen sind. In der Minderheit herrscht über den Vorfall begreifliche Erregung.
In Vertretung
von Tucher
[70]
Nr. 61
Aufzeichnung eines Beamten der Politischen Abteilung des Auswärtigen Amts Berlin, den 11. Juli 1935
Ich habe den Botschaftsrat der Polnischen Botschaft Prinz Lubomirski zu mir gebeten und ihm weisungsgemäß folgendes mitgeteilt: Die Frage der Arbeiterentlassungen in Oberschlesien sei eine Frage, die seit mehreren Jahren den Gegenstand eingehender Kontroversen zwischen der Deutschen und der Polnischen Regierung bilde. In den letzten Jahren seien sowohl durch Herrn Botschafter von Moltke in Warschau wie hier eine Reihe von Demarchen erfolgt, um den nach unserer Ansicht vertragswidrigen und das deutsch-polnische Verhältnis belastenden Entlassungen Einheit zu gebieten. Im Februar d. J. habe der Herr Reichsminister den Polnischen Botschafter erneut zu sich gebeten und ihn darauf hingewiesen, daß die vertragswidrigen Entlassungen in Polnisch-Oberschlesien abgestellt werden müßten.35 Herr Botschafter Lipski habe einige Wochen später im Auftrage des Herrn Ministers Beck erklärt, daß energische Schritte bei den inneren polnischen Behörden zur Abstellung der Entlassungen unternommen worden seien.36 Nichtsdestoweniger seien die Entlassungen weitergegangen. Dem Polnischen Botschaftsrat gegenüber sei am 11. April d. J. erneut darüber Beschwerde geführt worden, und zwar unter abermaligem Hinweis auf die Unvereinbarkeit der Entlassungen mit den Erklärungen, die Herr Lipski im Auftrage von Herrn Beck gegeben habe. Prinz Lubomirski habe damals nach Rückfrage in Warschau erklärt, daß die Erklärungen des Herrn Beck nur für die Zukunft, nicht aber für die Vergangenheit Geltung haben sollten. Es sei ihm daraufhin mitgeteilt worden, daß Herr von Neurath diesen Standpunkt nicht anerkennen könne und sich vorbehalte, auf diese Sache zurückzukommen. Die Entlassungen seien im übrigen auch nach dem 1. April weitergegangen; sogar nach dem 1. Juli seien eine Reihe von Entlassungen zum 30. September erfolgt. Prinz Lubomirski nahm diese Mitteilungen entgegen und machte lediglich geltend, daß nach seinen Informationen alle Entlassungen auf wirtschaftliche Motive zurückzuführen seien. Er versprach im übrigen, seiner Regierung über die hiesige Auffassung sofort zu berichten und sich auch selbst über den Umfang und die Gründe der Entlassungen in Oberschlesien eingehend zu informieren.
von Lieres
Nr. 62
Der Deutsche Botschafter in Warschau an das Auswärtige Amt Bericht Warschau, den 16. Oktober 1935
Mir scheint es mit Rücksicht auf die Verständigungspolitik in Polen unbedenklich und andererseits im Interesse der Minderheit notwendig zu sein, daß sich die deutsche Öffentlichkeit, mehr als das in letzter Zeit der Fall war, mit [71] dem Schicksal der deutschen Minderheit in Polen befaßt. Früher ist von polnischer Seite oft betont worden, daß die Behandlung der deutschen Minderheit sich dann grundlegend ändern würde, wenn die Minderheit keine irredentistischen Bestrebungen verfolgt und wenn Deutschland keine Revisionspolitik mehr betreibt. Leider hat sich aber die polnische Haltung gegenüber der Minderheit seit Anbahnung der Verständigungspolitik nicht geändert. Der Kampf geht vielmehr auf der ganzen Linie weiter, wenn auch in der Form gelegentlich ein versöhnlicherer Ton angeschlagen wird. Das Ziel, wie es kürzlich in einer Unterredung des Posener Burgstarosten mit einem Vertrauensmann offen und völlig zutreffend charakterisiert wird, nämlich die völlige Polonisierung innerhalb von spätestens zwei Generationen, wird auch heute noch mit aller Konsequenz verfolgt. Das Verständigungsabkommen hat das Tempo sogar vielleicht noch beschleunigt, weil man polnischerseits bis zum Ablauf der 10 Jahre ein fait accompli schaffen will. Trotzdem halte ich es nicht für angezeigt, daß wir etwa unsere bisherige Politik gegenüber der polnischen Minderheit in Deutschland ändern. Ich glaube vielmehr, daß ein schärferes Vorgehen gegen die Polen in Deutschland sich für die deutsche Minderheit in Polen nur nachteilig auswirken würde, da für die polnische Minderheitenpolitik dann auch die letzten Hemmungen wegfallen würden. Auch wären bei dem Interesse, das man hier neuerdings für die polnische Minderheit in Deutschland hat, unerwünschte Rückwirkungen auf die deutsch-polnischen Beziehungen zu befürchten. Die Politik der Reichsregierung gegenüber der polnischen Minderheit in Deutschland sollte daher nach wie vor großzügig sein, allerdings unter schärfster Abwehr aller irredentistischen Bestrebungen. Um aber die mit dem Ziel der Vernichtung betriebene Bedrückung der deutschen Minderheit in Polen aufzuhalten, wird es notwendig sein, die Grenze der Verständigungsbereitschaft in diesem Punkte Polen gegenüber abzustecken. Heute hat die deutsche Minderheit in Polen das Gefühl, vom Deutschen Reich im Stich gelassen zu werden; aber auch die Polen glauben, sich in ihrem Vorgehen gegen die deutsche Minderheit kaum noch Beschränkungen mehr auferlegen zu brauchen, da sie mangels jeglicher Reaktion in der deutschen Presse den Eindruck erhalten müssen, daß alle Übergriffe von der deutschen öffentlichen Meinung widerspruchslos hingenommen werden. Die Polen, die ihrerseits durch Schaffung eines Weltpolenbundes gezeigt haben, welches ihre Auffassung über die Zusammengehörigkeit der Volksgruppen ist, würden sich meines Erachtens ohne weiteres damit abfinden, daß, ebenso wie ihnen, auch uns das Los der Volksgenossen im Auslande nicht gleichgültig sein kann. Es ist durchaus nicht anzunehmen, daß die deutsch-polnische Verständigungspolitik beeinträchtigt wird, wenn die deutsche Presse in sachlicher und gemäßigter Form die Übergriffe gegen die deutsche Minderheit in Polen zur Sprache bringt. Nur dann, wenn man hier fühlt, daß die Grenzen dessen, was man in Deutschland hinzunehmen geneigt ist, erreicht sind, besteht die Möglichkeit, daß man sich hier zu einer mit der Verständigungspolitik in Einklang stehenden Minderheitenpolitik entschließen wird. Unser Wunsch, zu einer Verbesserung auch der politischen Beziehungen zu gelangen, würde hierdurch wesentlich gefördert werden.
von Moltke
[72]
Nr. 63
Der Deutsche Staatsvertreter bei der Gemischten Kommission für Oberschlesien an das Auswärtige Amt Bericht Beuthen, den 3. Januar 1936
Es ist eine weitere Stellungnahme des Präsidenten Calonder in Entlassungsfragen ergangen (Beschwerdesache Joh. Groner37). Der Präsident stellt in diesem Falle noch schärfer als in den früheren Stellungnahmen fest, daß von polnischer Seite bei den Arbeitsentlassungen willkürlich und unterschiedlich je nach der Zugehörigkeit zur Mehrheit oder Minderheit verfahren worden ist. Er erklärt ausdrücklich, daß sich aus zahlreichen Beschwerdeverfahren ergibt, daß manche polnischen Unternehmungen eine minderheitsfeindliche Entlassungspolitik betreiben und daß diese allgemeinen Verhältnisse auch dem polnischen Demobilmachungskommissar durchaus bekannt sind (Seite 7). Durch eine genaue Übersicht über die Angestelltenbewegung bei der Maxgrube für die Zeit vom 1. Januar 1933 bis 31. Dezember 1934 wird einwandfrei nachgewiesen, daß im vorliegenden Falle die Willkür und Diskriminierung auf eine gegen die deutsche Minderheit gerichtete Einstellung des Unternehmens und des Demobilmachungskommissars zurückzuführen sind (Seite 7 und 8). Der Präsident weist ferner darauf hin, daß der Demobilmachungskommissar die Zustimmung zu weit mehr Entlassungen gegeben hat, als dies die Wirtschaftslage erforderte und daher nach den gesetzlichen Bestimmungen zulässig war. Als Beweis hierfür führt er die unbestrittene Tatsache an, daß ein großer Teil der Entlassenen der Maxgrube durch neue Angestellte mit dem Ergebnis ersetzt wurden, daß fast alle minderheitsangehörigen Angestellten, nämlich 66 von 71, ausgeschaltet und zu einem hohen Prozentsatz durch Mehrheitsangehörige ersetzt wurden (Seite 11 und 11a). Das systematische Bestreben des Unternehmens, die Angestellten, die sich offen zur Minderheit bekannt haben, durch Mehrheitsangehörige zu ersetzen, liege also auf der Hand. Der Demobilmachungskommissar sei dieser Tendenz nicht entgegengetreten, vielmehr dränge sich die Überzeugung auf, daß er sich dieser Tendenz des Unternehmens angeschlossen habe (Seite 12).
Nöldeke
Nr. 64
Der Deutsche Generalkonsul in Thorn an das Auswärtige Amt Bericht Thorn, den 18. Februar 1936
Gestern ist die offizielle Namensliste 1936 für die Agrarreform erschienen. Die jetzt zur Zwangsparzellierung aufgerufenen Güter umfassen in Pommerellen 4.784 ha deutscher Güter und 2.900 ha aus polnischem Besitz. Allein hierin liegt wieder ein deutlicher Beweis der ungleichen Heranziehung des deutschen Besitzes zum polnischen. [73] Unter diesen Umständen hat sich der deutschen Minderheit eine Stimmung tiefster Niedergeschlagenheit bemächtigt, denn nur allzu deutlich erkennt sie, wie Polen die deutsch-polnische Verständigungsaktion auslegt und durchführt. Es soll eben bis zum Ablauf des 10jährigen Verständigungsabkommens so viel wie nur möglich deutscher Grundbesitz zerschlagen werden. Das bedeutet dann aber, daß die so zerschlagenen Güter nicht mehr in der Lage sind, deutsche Volksgenossen zu beschäftigen, und daß diese wiederum, dem Elend preisgegeben, abzuwandern versuchen. Die Aussichten für die Erhaltung des Deutschtums hier sind also die denkbar schlechtesten und es fragt sich, ob es nicht möglich wäre, die ungeheure Belastung, die das polnisch-deutsche Verhältnis durch die fortgesetzten Schikanen und Maßnahmen gegen das Deutschtum hier im abgetretenen Gebiet erfährt, zuständigen Orts zur Sprache zu bringen. Aus den letzten Veröffentlichungen, über die ich zu berichten Gelegenheit hatte, geht mit aller Deutlichkeit hervor, daß der deutsche Grundbesitz vernichtet werden soll. Diesem Zerstörungswillen müßte Einhalt geboten werden, wenn das Deutschtum hier nicht seiner völligen Auflösung in kurzer Zeit entgegengehen soll.
von Küchler
Nr. 65
Der Deutsche Generalkonsul in Kattowitz an das Auswärtige Amt Bericht Kattowitz, den 4. April 1936
Die zahlreichen deutschfeindlichen Kundgebungen, die hier in letzter Zeit von verschiedenen polnischen Verbänden und Parteien, insbesondere vom Westverband veranstaltet worden sind, haben den Präsidenten Calonder veranlaßt, das polnische Mitglied der Gemischten Kommission Stęblowski zu sich zu bitten und ihn sehr nachdrücklich auf die Möglichkeit gefährlicher Auswirkungen dieser Veranstaltungen hinzuweisen. Präsident Calonder hat darauf aufmerksam gemacht, daß die durch die zahlreichen Protestkundgebungen gesteigerte Erregung der Bevölkerung erfahrungsgemäß leicht zu Gewaltakten unverantwortlicher Elemente führt. Er hat daher Herrn Stęblowski ersucht, den Woiwoden Dr. Grażyński von seinen Befürchtungen zu verständigen und um entsprechende Einwirkung zu ersuchen. In zwei Fällen hat die in der Bevölkerung hervorgerufene Erregung bereits zu Zwischenfällen geführt, bei denen auch Deutsche körperlich mißhandelt und verletzt worden sind. Am Sonntag, dem 15. März, ist im Hotel Graf Reden in Königshütte eine Versammlung des dortigen deutschen Bauvereins von einer mit Stöcken und Knüppeln bewaffneten Menge gesprengt worden, wobei auch einige völlig unbeteiligte, mit der Vorbereitung einer Theatervorstellung beschäftigte deutsche Angestellte des oberschlesischen Landestheaters angegriffen und mißhandelt worden sind. Am 29. März ist eine Gruppe von Deutschen in der Nähe der Stadt Rybnik von uniformierten Jungaufständischen überfallen und mit Gummiknüppeln und Stöcken mißhandelt worden.
Nöldeke
[74]
Nr. 66
Der Deutsche Generalkonsul in Thorn an das Auswärtige Amt Bericht Thorn, den 18. Mai 1936
Im Zuge der in der letzten Zeit behördlicherseits und seitens des Westverbandes unter Duldung der Behörden betriebenen deutschfeindlichen Handlungen ist jetzt ein neuer Schlag gegen das Deutschtum erfolgt. Es ist durch ein kurzes Dekret beschlossen worden, sämtliche Ortsgruppen der Deutschen Vereinigung im Seekreis, nämlich Neustadt, Putzig, Hela, Krokau und Smasin, nicht nur zu schließen und damit ihre Wirksamkeit zu unterbinden, sondern zu liquidieren, also völlig aufzulösen. Die Deutsche Vereinigung und ihre Ortsgruppen sind in der letzten Zeit - wie mehrfach berichtet - öfters behördlichen Schikanen ausgesetzt gewesen. Sie haben daher, um die schon immer bestehende, aber jetzt besonders kraß in Erscheinung tretende Spannung zwischen Deutschtum und Polentum nicht noch weiter zu steigern, alles unterlassen, was irgendwie Anstoß erregen könnte. Aber die Behörden erblicken schon in einem Ausflug, bei dem die Mitglieder, wie jede Schule, geschlossen in Dreier- und Viererreihen durch die Straßen ziehen, einen militärischen Aufmarsch, der gefährlich ist. Da nach Vorstehendem die polnischen Machthaber hier in meinem Amtsbezirk sich ganz offensichtlich von der Linie der Versöhnung und Verständigung abgekehrt haben und unverblümt wieder die Feindschaft gegen die Deutschen und damit ihren Ruin und ihre Vernichtung predigen, während Deutschland noch immer mit Beharrlichkeit eine Verständigung mit Polen verfolgt, erscheint es meines Erachtens angesichts der hiesigen Vorfälle dringend notwendig, auf eine Umkehr hier im Lande zu dringen.
von Küchler
Nr. 67
Unterredung des Reichsministers des Auswärtigen mit dem Polnischen Botschafter Aufzeichnung Berlin, den 13. November 1936
Ich habe heute den Polnischen Botschafter bei seinem Besuche auf die unerfreulichen Vorgänge in Gdingen hingewiesen, wo durch militärische Vereine und Beamtenverbände deutschfeindliche Kundgebungen größten Stils organisiert worden sind. Herr Lipski sprach sein lebhaftes Bedauern über diese Vorkommnisse aus, insbesondere über die Versammlung in Gdingen, auf die ich ihn besonders hingewiesen hatte. Ich sagte dem Botschafter ferner, daß ich gezwungen sei, in Warschau entschiedene Beschwerde gegenüber diesen Ausschreitungen zu erheben. Bei der Versammlung in Gdingen falle besonders erschwerend ins Gewicht, daß dabei Beamte und sogar Offiziere in Uniform beteiligt gewesen seien und daß, abgesehen von den Angriffen gegen Deutschland und Danzig, auch die Person des Führers in der unerhörtesten Weise beschimpft worden sei.
Frhr. von Neurath
[75]
Nr. 68
Der Deutsche Botschafter in Warschau an das Auswärtige Amt Telegramm Warschau, den 18. November 1936
In meiner heutigen Unterredung mit Minister Beck habe ich in ernster Form auf die Verschlechterung der Atmosphäre hingewiesen, die hier in den Beziehungen zu Deutschland während der letzten Monate klar in Erscheinung getreten ist. Ich habe hierbei u. a. die hetzerische Polemik der polnischen Presse, die Verschärfung in der Behandlung der Minderheit (Gymnasium in Graudenz und Bromberg) sowie den Gdinger Zwischenfall38 zur Sprache gebracht und habe aus diesem Zusammenhang heraus das Gespräch auf die Danziger Frage gelenkt. Unter Hinweis auf die immer deutlicher zu Tage tretende Tendenz Polens, sich in Danzig neue Rechte zu verschaffen,39 habe ich entsprechend dem mir vom Führer und Reichskanzler erteilten Auftrag zum Ausdruck gebracht, daß bei einem solchen Vorgehen scharfe Reaktionen und damit empfindliche Störungen deutsch-polnischer Beziehungen unvermeidlich seien. Der Führer und Reichskanzler sehe im deutsch-polnischen Verständigungsabkommen wichtiges Friedenswerk, dessen weitere Verlängerung er wünsche. Dieses Abkommen sei eine der Grundlagen deutscher Außenpolitik. Herr Beck erwiderte, daß er diese äußerst wertvolle Erklärung mit Dank begrüße. Herr Beck erklärte des weiteren, daß auch er die Haltung, die die Presse in letzter Zeit angenommen habe, für schädlich halte und daß er seinerseits bereit sei, alles zu tun, um die unbefriedigende Atmosphäre wieder zu bessern. Er hoffe, daß auf deutscher Seite in gleicher Richtung gewirkt werden würde. Was die bedauerlichen Vorfälle in Gdingen anbetreffe, so sei er nicht in der Lage, ohne vorherige Prüfung zu antworten, da ihm die von mir mitgeteilten Einzelheiten nicht bekannt seien. Er wisse nur, daß der Woiwode sofort eingeschritten sei und u. a. die Berichterstattung über diese Vorfälle in der Presse verhindert habe.
Moltke
Nr. 69
Der Deutsche Botschafter in Warschau an das Auswärtige Amt Telegramm Warschau, den 26. November 1936
Marschall Rydz-Śmigły empfing mich gestern im Beisein des Außenministers. Ich übermittelte die Grüße des Führers und Reichskanzlers und machte anschließend die gleichen Ausführungen wie in der Unterredung mit Herrn Beck am 18. November.40 Der Marschall brachte zum Ausdruck, mit welchem Interesse er die Entwicklung Deutschlands verfolge, das das Glück habe, einen großen Führer zu besitzen. Hinsichtlich der deutsch-polnischen Beziehungen teile er die Auffassung des Führers und Reichskanzlers über den großen Wert, den das Ab- [76] kommen von 1934 für die Verständigung zwischen den beiden Nachbarvölkern und darüber hinaus für den Frieden Europas habe. Auch er bedauere, daß die günstige Auswirkung, die die Verständigungspolitik auf die Meinungsbildung in beiden Ländern gehabt habe, während der letzten Monate einen gewissen Rückschlag erfahren hätte. Er sei aber überzeugt, daß es sich nur um eine vorübergehende Erscheinung handele. Die Einflußnahme auf die Presse sei leider beschränkt. Man werde aber tun, was möglich sei, und im übrigen könne er versichern, daß die Regierung sich in keiner Weise durch die oppositionelle Presse beeinflussen lassen werde. Hinsichtlich Danzigs wolle Polen nichts anderes, als daß seine dortigen Interessen nicht beeinträchtigt werden. Bei dieser Grundeinstellung würde es seines Erachtens nicht schwer sein, in den Einzelfragen zu einer Danzig und Polen befriedigenden Regelung zu gelangen. Abschließend bat er mich, dem Führer und Reichskanzler die Versicherung zu übermitteln, daß er an der von Marschall Pilsudski festgelegten Linie festhalte und entschlossen sei, die Verständigungspolitik auch weiterhin fortzusetzen.
Moltke
Nr. 70
Der Deutsche Generalkonsul in Posen an das Auswärtige Amt Bericht Posen, den 23. November 1936
In meinem Amtsbezirk macht sich überall eine fieberhafte Tätigkeit zur Schürung des Hasses gegen Deutschland bemerkbar. Überall sieht man Trupps von Leuten, die zusammenstehen. Die Versammlungen, die in ungezählten Mengen stattfinden, sollen für "Aufklärung" der Bevölkerung sorgen. Es handelt sich um Agitationsversammlungen sogenannter patriotischer Verbände, wie Westverband, Reservistenverband, Legionäre, Eisenbahner- und Schützenverbände. Alle sprechen wie auf ein Kommando in abfälligster Weise über die Deutschen und hetzen die Bevölkerung gegen das Deutschtum auf. Man fühlt sich in jene schon lang zurückliegende Zeit versetzt, da die starke politische Spannung zwischen Polen und seinem westlichen Nachbarn die Geister zu zügellosen Schimpfereien und elenden Verleumdungen antrieb, um unter anderem auch das machtlose und wehrlose Deutschtum den gehässigsten Angriffen und Gewalttätigkeiten auszuliefern. Man hat hier zur Zeit völlig vergessen, daß inzwischen Abmachungen zwischen Deutschland und Polen getroffen worden sind, die ganz konkret darauf hinzielen wollten, eine verständnisvolle gegenseitige Beurteilung und dadurch eine Annäherung des deutschen und polnischen Volkes herbeizuführen. Leider ist das Gegenteil eingetreten. Das Ungeheuerlichste aber ist, daß die neue starke Welle des Deutschenhasses und der aktiven Drohungen gegen Deutsche sich unter den Augen der höchsten Behörden (Woiwodschaft, Armeekommando) breitmacht und nicht nur von ihnen geduldet, sondern, worauf gewisse Anzeichen hindeuten, direkt unterstützt wird, ganz abgesehen davon, daß sich im Dienst befindliche Beamte und Militärpersonen aktiv an den verschiedensten Demonstrationen beteiligt haben. Über die Hetze in den militärischen Verbänden, die hier großen Einfluß haben, ist bereits berichtet worden. Der Westverband, über dessen Deutschenhetze ich ebenfalls wiederholt berichtet habe und der auch jetzt wieder überall auf dem Lande arbeitet, steht natürlich nicht zurück.
Reinebeck
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Nr. 71
Der Deutsche Generalkonsul in Kattowitz an das Auswärtige Amt Bericht Kattowitz, den 22. Dezember 1936
Anliegend beehre ich mich im Anschluß an die Besprechung über die Frage der Abwanderung deutschstämmiger polnischer Staatsangehöriger aus Polen nach dem Reich Abschrift einer Entschließung der Mitglieder des Gesamtverbandes Deutscher Angestelltengewerkschaften in Polnisch-Oberschlesien zur Frage der Arbeitsvermittlung zur gefälligen Kenntnisnahme zu übersenden. Die Entschließung zeigt, daß nicht nur die Arbeiter, sondern auch die der deutschen Minderheit angehörenden Angestellten sich in schwerer Notlage befinden.
Die heute in Königshütte anwesenden Mitglieder des Gesamtverbandes Deutscher Angestelltengewerkschaften in Polnisch-Oberschlesien fassen folgende Entschließung:
Not und Entbehrung der Familien der Entlassenen haben ein unerträgliches Ausmaß erreicht. Die hoffnungslose Lage wird zur Verzweiflung gesteigert durch die Tatsache, daß die entlassenen Deutschen erfahrungsgemäß niemals mehr eine Verdienstmöglichkeit in Polen erhalten. Ebenso schlimm ist es um die deutsche Jugend in unserem Gebiet bestellt, die nirgends mehr eine Lehr- oder Arbeitsstelle finden oder erhalten kann. Die wenigen Jugendlichen, die in der Vergangenheit eine Lehr- oder Arbeitsstelle finden konnten, werden heute durch systematisch betriebene Maßnahmen der verschiedenen polnischen Organisationen auf jedwede erdenkliche Weise aus ihren Lehr- und Arbeitsstellen verdrängt. Auf Grund der geschilderten Tatsachen beauftragen wir den Vorstand des Gesamtverbandes Deutscher Angestelltengewerkschaften alle in Frage kommenden Stellen über unsere augenblickliche Lage zu unterrichten und sie zu bewegen, den Deutschen in Oberschlesien zu einer neuen Existenz zu verhelfen. Königshütte (Polnisch-Oberschlesien), den 15. November 1936.
[78]
Nr. 72
Der Deutsche Generalkonsul in Kattowitz an das Auswärtige Amt Bericht Kattowitz, den 22. Dezember 1936
Auf der Jahresversammlung des polnischen Westverbandes, der bekanntlich im rücksichtslosen Kampf gegen das Deutschtum mit an erster Stelle steht, hielt sein Ehrenmitglied, der Woiwode Dr. Grażyński, eine Ansprache, in der er auf die erfolgreiche Polonisierung der Schwerindustrie hinwies und verlangte, daß nunmehr auch Handel und Gewerbe in Ostoberschlesien in gleicher Weise polonisiert werden müßten. Ferner müsse der polnische Bauer als ausschließlicher Herr des Bodens in den polnischen Westgebieten eingesetzt werden. Als Vertreter der Militärbehörde nahm Oberst Powierza an der Versammlung teil, der dem Westverband im Namen des Divisionskommandeurs volle militärische Unterstützung bei der Verwirklichung seiner Aufgaben zusagte. Zum Verbandsvorsitzenden für die Kreisgruppe Teschen/Schlesien wurde ein Oberst der Bielitzer Garnison gewählt. Im Verlaufe der Tagung wurde eine Anzahl höchst bedenklicher Entschließungen gefaßt. In Kreisen des hiesigen Deutschtums haben diese Entschließungen, namentlich im Hinblick auf die persönliche Stellungnahme des Woiwoden, lebhafte Besorgnis hervorgerufen. Sie werden mit Recht als Einleitung zu einem vom Woiwoden inszenierten neuen großangelegten Angriff gegen die Kreise des deutschen Grundbesitzes und des deutschen Mittelstandes aufgefaßt. Bezeichnenderweise schloß die Tagung mit der Anerkennung der großen Verdienste des Woiwoden, dem vom Westverband für das bewiesene Wohlwollen gedankt und der für die Zukunft um weitere Unterstützung und Hilfe gebeten wurde.
Nöldeke
Nr. 73
Unterredung des Reichsministers des Auswärtigen mit dem Polnischen Außenminister Beck Aufzeichnung Berlin, den 20. Januar 1937
Der Polnische Außenminister Herr Beck suchte mich heute vormittag bei seiner Durchreise nach Genf auf. Bei dieser Gelegenheit besprachen wir u. a. die Haltung der polnischen Presse. Ich machte Herrn Beck darauf aufmerksam, daß auch ein großer Teil der polnischen Presse, die der Regierung nahestehe, in den letzten Monaten eine sehr unfreundliche Sprache gegenüber Deutschland geführt hat. Von unserer Seite sei der deutschen Presse äußerste Zurückhaltung diesem unfreundlichen Konzert gegenüber auferlegt worden. Ich möchte ihn aber bitten, darauf hinzuwirken, daß die Tonart der polnischen Regierungspresse eine andere werde. Herrn Beck war diese Frage offensichtlich peinlich. Er versuchte, die gerügten Verhältnisse unter Hinweis auf die polnischen innerpolitischen Schwierigkeiten zu entschuldigen.
Frhr. von Neurath
[79]
Nr. 74
Der Deutsche Generalkonsul in Thorn an das Auswärtige Amt Bericht Thorn, den 4. März 1937
Die polnischen Behörden gehen, wie bereits berichtet, erneut mit den verschiedensten Mitteln gegen das Deutschtum vor. Der Wille zu einer Verständigung zu gelangen, ist auf polnischer Seite, wie die Maßnahmen klar erkennen lassen, nicht in entsprechender Weise wie auf der deutschen Seite vorhanden. Die deutsche Minderheit bemerkt angesichts der sich immer mehr verschärfenden Stimmung gegen das Deutschtum zu ihrem Bedauern, daß das Verständigungsabkommen für sie keine Ergebnisse gezeitigt hat. Ich zähle folgende in letzter Zeit besonders scharf hervortretende Maßnahmen gegen das Deutschtum auf:
2. Auch dem deutschen Genossenschaftswesen wird der Kampf in verstärktem Maße angesagt. Dahinter dürfte wiederum der polnische Westverband stehen, der wiederholt mit besonderem Nachdruck gegen die deutschen Genossenschaften agitiert hat. Hinzu kommt, daß die Genossenschaften der Minderheit trotz aller Bedrückung im großen und ganzen noch verhältnismäßig gut dastehen und dadurch aktiv zu arbeiten vermögen, während das polnische Genossenschaftswesen hier ganz im argen liegt. Es ist klar, daß diese Tatsachen die Polen ärgern. 3. Neuen Schikanen ist auch die deutsche Elternschaft ausgesetzt. Aus der deutschen Privatschule in Neustadt sind z. B. durch Verfügung des Kreisschulinspektors 26 Kinder ausgeschult und der polnischen Schule überwiesen worden, obwohl die Eltern dagegen protestierten. Auch aus anderen Gegenden meines Amtsbezirks kommen in letzter Zeit häufige Klagen über ähnliche Vorkommnisse, die in den meisten Fällen auf Schikane zurückzuführen sind, um die deutschen Eltern zu zermürben. Ich halte es für meine Pflicht, auf die durch die neuen deutschfeindlichen Maßnahmen der Behörden geschaffene Lage mit allem Ernst hinzuweisen.
von Küchler
Nr. 75
Aufzeichnung des Dirigenten der Politischen Abteilung des Auswärtigen Amts Berlin, den 2. April 1937
Staatssekretär Pfundtner vom Reichsinnenministerium hat dem stellvertretenden Herrn Staatssekretär telephonisch mitgeteilt, daß nach vorliegenden Nachrichten in absehbarer Zeit ein Hungermarsch von Teilen der in Polnisch-Oberschlesien wohnenden deutschstämmigen Bevölkerung nach der deutschen Grenze zu geplant sei. Alle Maßnahmen seien getroffen, um etwaigen Zwischenfällen an der Grenze vorzubeugen.
von Erdmannsdorff
[80]
Nr. 76
Der Deutsche Generalkonsul in Thorn an das Auswärtige Amt Telegramm Thorn, den 6. April 1937
In einigen in Graudenz abgehaltenen Versammlungen berüchtigten Westverbandes erhob Redner Anspruch auf deutsches Land östlich und westlich Pommerellens. Habe bei Woiwodschaft Einspruch erhoben, erbitte aber auch dortseits Protest.
Küchler
Nr. 77
Das Auswärtige Amt an den Deutschen Botschafter in Warschau Telegramm Warschau, den 7. April 1937
Reichsminister bittet unverzüglich bei dortiger Regierung gegen bekannte Kundgebung Westverbandes in Graudenz41 im Rahmen Pommerellenwoche, soweit dabei in Reden und Resolutionen sowie durch Verwendung von Transparenten und Landkarten polnische Ansprüche auf deutsche Gebiete geltend gemacht worden sind, mit allem Nachdruck Einspruch zu erheben. Bitte Einspruch nicht nur auf deutsch-polnisches Presseprotokoll42 zu stützen, sondern darüber hinaus zu betonen, daß derartige Kundgebungen unter Teilnahme hoher polnischer Beamter deutsch-polnische Beziehungen stark belasten müßten. Reichsregierung müsse verlangen, daß Polnische Regierung alles tue, um Wiederholung solcher Vorfälle zu verhindern.43
Gaus
Nr. 78
Aufzeichnung des Stellvertretenden Staatssekretärs des Auswärtigen Amts Berlin, den 9. April 1937
Der Polnische Botschafter, den ich zu mir gebeten hatte, wurde von mir über die von Herrn von Moltke in Warschau gestern in unserem Auftrag unternommene Demarche wegen der deutschfeindlichen Betätigung des polnischen Westverbandes unterrichtet. Ich sagte Herrn Lipski, daß die Mißbilligung dieser Betätigung durch die Polnische Regierung und das Abrücken der Regierung von der Aktion des Westverbandes, wie dies gegenüber Herrn [81] von Moltke durch den Grafen Szembek zum Ausdruck gebracht und im Communiqué der Polnischen Telegraphen-Agentur veröffentlicht worden sei, von uns gewürdigt werde, und daß damit dieser Zwischenfall erledigt sei. Ich benutzte dann die Gelegenheit, um Herrn Lipski in freundschaftlicher, aber ernster und nachdrücklicher Weise im einzelnen auseinanderzusetzen, wie sehr in letzter Zeit die feindseligen Kundgebungen polnischer Persönlichkeiten und polnischer Zeitungen gegen Deutschland zugenommen hätten und wie ernst die Belastung unserer Beziehungen durch derartige Kundgebungen sei.
Dieckhoff
Nr. 79
Der Deutsche Generalkonsul in Thorn an das Auswärtige Amt Bericht Thorn, den 7. April 1937
Im Soldauer Kreis wird wiederum in verstärktem Maße gegen das Deutschtum gehetzt. Dabei wird zum Boykott der Deutschen und gleichermaßen der Juden aufgefordert. Ende vorigen Monats sind in Soldau nachts Plakate angebracht worden, die folgenden Inhalt hatten:
Wenn du unsere Aufforderung nicht befolgst, wird dich diese Faust treffen!" Auf den Plakaten ist eine Faust mit einem Dolch in der Hand abgebildet. Ich habe die Woiwodschaft auf diesen Tatbestand hingewiesen.
von Küchler
Nr. 80
Der Deutsche Generalkonsul in Thorn an das Auswärtige Amt Bericht Thorn, den 14. Oktober 1937
Aus zahlreichen Berichten des Generalkonsulates geht zur Genüge hervor, wie die Freiheit der hiesigen deutschen Minderheit aussieht. Nicht nur Enteignungen, Konzessionsentziehungen, Verweigerung der Aufenthaltsgenehmigungen, Schließung von Schulen und das bekannte Grenzzonengesetz, sondern auch andere Maßnahmen, wie rigorose Steuereinziehungen usw. usw., lassen mit aller Deutlichkeit erkennen, daß der Pole alle Mittel anwendet, um das Deutschtum hier zum Erliegen zu bringen bzw. die Deutschen zur Abwanderung zu zwingen. Die Verhetzung der Massen wird hier in der letzten Zeit - da diese höheren Orts ganz offensichtlich gebilligt wird - planmäßig durchgeführt. [82] Ganz besonders scharfe Resolutionen wurden bei den Veranstaltungen des deutschfeindlichen Westverbandes gefaßt. Es wird dabei gegen die "unwürdige teutonische Arbeit" Protest erhoben und folgende Forderungen aufgestellt:
1. Die Ausweisung von etwa 6.000 hier lebender Optanten, Aus dem Vorgesagten ergibt sich, wie sich die Verhältnisse hier von Tag zu Tag zuspitzen. Die deutsche Minderheit ist von dieser Entwicklung der Dinge stark beeindruckt, und befürchtet weitere Ausschreitungen, falls nicht seitens der Behörden diesem unverantwortlichen Treiben ein Riegel vorgesetzt wird. Alles in allem ist das gegenseitige Verhältnis der Deutschen zu den Polen jetzt fast schlimmer, als es vor dem Abschluß des Verständigungsabkommens war.
von Küchler
33Vgl. Nr. 181. ...zurück... 34Vgl. Nr. 58. ...zurück... 35Vgl. Nr. 56. ...zurück... 36Vgl. Nr. 57. ...zurück... 37Veröffentlicht in der "Amtlichen Sammlung der Stellungnahmen des Präsidenten der Gemischten Kommission für Oberschlesien" (erschienen bei Walther de Gruyter & Co., Berlin und Leipzig 1937) Bd. II, S. 461 ff. ...zurück... 38Vgl. Nr. 67. ...zurück... 39Vgl. Nr. 188 und 189. ...zurück... 40Vgl. Nr. 68. ...zurück... 41Vgl. Nr. 76. ...zurück... 42Deutsch-polnisches Presseabkommen vom 24. Februar 1934, das zum Ziel hatte, die Bildung der öffentlichen Meinung dem deutsch-polnischen Verständigungsabkommen anzupassen. ...zurück...
43Die Demarche des Deutschen
Botschafters erfolgte beim Vizeaußenminister Graf Szembek am 8. April.
(Vgl. Nr. 78.) ...zurück...
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