[161] Erstes Kapitel (Forts.)
Entwicklung der Deutsch-Polnischen Beziehungen
B. Deutschlands Bemühen
XI. Zur Lage in Danzig
Nr. 179 Der Senat der Freien Stadt Danzig und die Polnische Regierung sind, von dem Wunsch beseelt, die strittigen Fragen im Einvernehmen zwischen den beiden Regierungen zu regeln, unter den Auspizien des Hohen Kommissars des Völkerbundes über folgendes übereingekommen:
2. Die Polnische Regierung wird unverzüglich alle notwendigen
Maßnahmen ergreifen, um den Rückgang des seewärtigen
Verkehrs (Einfuhr, Ausfuhr und Durchfuhr), der gegenwärtig über
den Hafen von Danzig geht, unter Berücksichtigung der Quantität
und der Qualität der Waren zu verhindern. 3. Der Senat der Freien Stadt Danzig wird im Rahmen der finanziellen und wirtschaftlichen Möglichkeiten der Freien Stadt mit der Polnischen Regierung an der Förderung des direkten seewärtigen Verkehrs zusammenarbeiten. 4. Jede der Parteien behält sich das Recht vor, mit dreimonatiger Frist den Hohen Kommissar zu bitten, das vor ihm schwebende Verfahren wieder aufzunehmen.
[162]
Nr. 180
Der Deutsche Generalkonsul in Danzig an das Auswärtige Amt Bericht Danzig, den 9. Mai 1934
In seiner Sitzung vom 20. v. M. hat der "Verband der Polen in der Freien Stadt Danzig" ein Programm angenommen, das am 1. d. M. in seiner Verbandszeitung Straz Gdanska veröffentlicht wurde und zielbewußt auf die Polonisierung der Danziger Wirtschaft und Beschränkung der Rechte der deutschfühlenden Bevölkerung Danzigs hinarbeitet. Insbesondere ist auf folgende Bestimmungen hinzuweisen: Im § 3 des Programms heißt es, der Verband der Polen erstrebe die Erziehung von nationalbewußten polnischen Staatsangehörigen, die zu jeder Opfertat für die nationale Sache und das Wohl der polnischen Gemeinde fähig seien, und entwickele zu diesem Zweck eine systematische Propaganda und Organisationsaktion. Im § 7 wird festgestellt, der Verband der Polen betrachte die Freie Stadt als "unerläßlichen und nicht abtrennbaren Teil des Wirtschaftsorganismus Polens" und strebe "die weitgehendste Vereinigung Danzigs mit Polen sowie die engste polnisch-Danziger Zusammenarbeit auf allen Gebieten des Wirtschaftslebens" an. Im § 9 wird eine Vereinigung der Danziger Wirtschafts- und Berufsorganisationen mit den Organisationen in Polen sowie eine Anpassung der Danziger Wirtschafts- und Finanzgesetzgebung an die polnische Gesetzgebung verlangt. Schließlich heißt es im § 11, die Innenpolitik der Freien Stadt müsse mit der Politik der Polnischen Regierung harmonieren. Der Verband der Polen betrachte die Zusammenarbeit und die Verständigung mit den polnischen Behörden als Grundlage seiner Tätigkeit.
von Radowitz
Nr. 181
Der Deutsche Generalkonsul in Danzig an das Auswärtige Amt Bericht Danzig, den 8. August 1934
Die am 6. August in Danzig unterzeichneten Abkommen zwischen Danzig und Polen über Wirtschaftsfragen bilden ein einheitliches Ganzes. Das Ziel der Danziger Regierung war, in den Wirtschaftsverhandlungen zu einer vertraglichen Regelung zu kommen, die die bisherigen Erschwernisse im Warenaustausch zwischen Danzig und Polen beseitigt, die bisher von polnischer Seite geübte Wirtschaftskontrolle in Wegfall bringt und damit Streitfragen aus der Welt schafft, die seit Jahren das Danzig-polnische Verhältnis wirtschaftlich und politisch aufs schwerste belastet haben. Dieses Ziel, das die Danziger Regierung sich gesteckt hat, dürfte im wesentlichen erreicht sein, vorausgesetzt, daß die abgeschlossenen Abkommen von der Gegenseite loyal eingehalten werden. [163] Was die einzelnen abgeschlossenen Verträge angeht, so ist folgendes hervorzuheben:
1. Das Abkommen über die Beteiligung Danzigs an den polnischen
Einfuhrkontingenten beseitig den jahrelangen Streit um die Danziger
Eigenbedarfskontingente und um die Wirtschaftskontrolle. 2. Das Abkommen über den Verkehr mit Lebensmitteln und Bedarfsgegenständen hat ebenfalls zum Ziele, die bisherige Wirtschaftsgrenze zwischen Danzig und Polen zu beseitigen. Es setzt fest, daß der Verkehr zwischen Danzig und Polen mit diesen Waren frei ist, desgleichen der Verkehr eines dieser Länder mit dem Auslande über das andere Land, in gleicher Weise der Transit. In Zukunft werden also Sperren, wie sie Polen in den letzten Monaten für Margarine, Öle, Fette, Käse, Fische erlassen hatte, nicht mehr möglich sein. Die Gegenleistung Danzigs bei diesem Abkommen besteht darin, daß es sich zur Annahme der einschlägigen polnischen Gesetze und Verordnungen bereitgefunden hat. 3. Das Veterinärabkommen und das Pflanzenschutzabkommen enthalten Vereinbarungen mehr technischer Art. Die innere Selbständigkeit beider Staatswesen auf diesem Gebiete ist gewahrt. 4. Das Abkommen über den Verkehr mit Erzeugnissen der Landwirtschaft und der Fischerei regelt den Absatz der genannten Erzeugnisse polnischer Herkunft im Danziger Gebiet, um zu verhindern, daß die Danziger Landwirtschaft durch ungehemmtes Hereinströmen polnischer landwirtschaftlicher Erzeugnisse in das Danziger Gebiet ruiniert wird. Die polnische Einfuhr ist kontingentiert worden, wobei die Polen zugebilligten Kontingente im allgemeinen dem entsprechen, was Polen in den letzten Jahren nach Danzig tatsächlich bereits abgesetzt hat. Die Gegenleistung Danzigs für das polnische Zugeständnis besteht darin, daß den polnischen Erzeugnissen mit gewissen Einschränkungen die Danziger Preise zugebilligt werden. 5. Das Abkommen über die Regelung verschiedener Zollfragen hat die größten Schwierigkeiten bei den Verhandlungen gemacht, so daß mehrmals die Gefahr des Scheiterns der Verhandlungen bestand. Polen hat die Zollfrage mit den Wirtschaftsfragen verstrickt, um in den Zollangelegenheiten auf Danzig einen Druck ausüben zu können. Das machtpolitische Ziel Polens in dieser Frage war, das Danziger Recht zur Organisation des Zolldienstes zu beseitigen, den polnischen Zollinspektoren in Danzig eine den ganzen Zolldienst beherrschende Mitwirkung zu verschaffen, die Danziger Zollbeamten praktisch in die Gewalt Polens zu bringen und Danzig zu zwingen, alle Anordnungen des Polnischen Finanzministers ohne Rücksicht auf ihre Rechtmäßigkeit so lange auszuführen, bis Danzig eine rechtskräftige Entscheidung der Völkerbundsinstanzen erwirkt hätte. Diese polnischen Ziele sind nicht verwirklicht worden. Danzig hat aber, um in den Wirtschaftsfragen zu einer Einigung zu kommen, nicht unerhebliche Zugeständnisse machen müssen. In der Frage der Organisation sind diese Zugeständnisse unbedeutend. Namentlich ist das Recht [164] Danzigs, den Zolldienst auf dem Danziger Gebiet zu organisieren, nicht angetastet worden. Auch in der Frage der Überwachung durch die polnischen Zollinspektoren ist die Rechtslage kaum zuungunsten Danzigs verändert worden. Sehr ernst war der Kampf um die Danziger Zollbeamten. Praktisch erstrebte Polen eine Lösung, die der bei der Eisenbahn im Danziger Gebiet gleichgekommen wäre und dieselben verwüstenden Wirkungen gehabt hatte. Nach monatelangem Verhandeln hat man sich schließlich darauf geeinigt, daß bei Besetzung des Postens des Leiters des Landeszollamts und einiger weiterer wichtiger Stellen des Zolldienstes Polen unter gewissen Voraussetzungen ein Einspruchsrecht hat und die Abberufung dieser Beamten fordern kann. Was ferner die Forderung Polens angeht, daß Danzig sich verpflichten sollte, alle Anordnungen des Finanzministers durchzuführen, vorbehaltlich späterer Entscheidung der Völkerbundsinstanzen, so ist die getroffene Regelung für Danzig noch leidlich erträglich. Der Art. 12 stellt in dieser Hinsicht im wesentlichen fest, daß die Maßnahmen des Polnischen Finanzministers für Danzig verbindlich sind, daß dies jedoch nicht gilt im Bereich der Danziger Sonderrechte, wie sie in der Anlage II Zoll zum Warschauer Abkommen enthalten sind. Schließlich hat sich Danzig der polnischen Forderung, daß die Danziger Zollbeamten auf das Interesse des gemeinsamen Zollgebietes vereidigt werden sollten, mit Erfolg widersetzt. Die einzelnen Abkommen werden am 1. September in Kraft treten, mit Ausnahme des landwirtschaftlichen Abkommens, das bereits am 10. August in Kraft tritt. Sämtliche Abkommen gelten für die Dauer von zwei Jahren mit Verlängerungsmöglichkeit.
von Radowitz
Nr. 182
Der Deutsche Generalkonsul in Danzig an das Auswärtige Amt Bericht Danzig, den 9. Januar 1935
Anfang August 1934 wurde in Danzig ein polnischer Sportausschuß (Rada Sportowa) gegründet, dessen Sitz die Militärabteilung bei der Diplomatischen Vertretung der Republik Polen in Danzig, Neugarten 27, unter der Leitung des Chefs der Militärabteilung, Oberstleutnant Antoni Rosner, ist. Der Sportausschuß ist die Spitzenorganisation aller in Danzig bestehenden polnischen Vereine militärischen Einschlags, die in Polen im "Strzelec" (Schützenverband) aufgehen. In Danzig bildet der Sportausschuß nur eine Tarnung für den Schützenverband und setzt sich zum Ziel, alle vorerwähnten Vereine zusammenzufassen und die Mitglieder einer einheitlichen militärischen Ausbildung zu unterziehen. Der Sportausschuß umfaßt zur Zeit nachstehende polnische Vereinigungen:
1. Reserve-Offiziersverein, Die aufgeführten Vereinigungen sind vom Sportausschuß ermächtigt, die militärische Schulung ihrer Mitglieder selbständig - allerdings unter Leitung von aktiven Offizieren und unter deren ständiger Überwachung - durchzuführen. Die Tätigkeit hat in der Hauptsache den Zweck, die noch nicht militärisch ausgebildete Jugend und die entlassenen gedienten Soldaten militärtüchtig zu machen und zu erhalten. Planmäßige militärische Übungen, wie Exerzieren, Felddienst und Schießen, finden für die Danziger Mitglieder des Sportausschusses in Gdingen, Dirschau und Umgegend statt. Theoretischer Unterricht wird im hiesigen polnischen Eisenbahndirektionsgebäude und im Hause der hiesigen Diplomatischen Vertretung der Republik Polen in Danzig erteilt. Die militärische Schulung der Mitglieder erfolgt insbesondere durch die Hauptleute der Militärabteilung Szagon, Steranski, Krukierek, die Oberleutnants Kucharski, Kubalski, den Kommandeur Eibel, die Zollkommissare Tarnowiecki, Lipinski, Manczyk, Peszkowski und den Hauptmann Wit-Wlosek vom Danziger Büro. Der Sportausschuß wird von der Diplomatischen Vertretung der Republik Polen in Danzig weitgehend unterstützt und gefördert. Er ist daher in der Lage, im Gebiete der Freien Stadt Danzig eine starke Tätigkeit zu entfalten.
von Radowitz
Nr. 183
Der Deutsche Generalkonsul in Danzig an das Auswärtige Amt Bericht Danzig, den 7. Februar 1935
Wie ich bereits unter dem 7. Dezember 1934 berichtet habe, war den Vertretern der deutschstämmigen Danziger Eisenbahner in der Besprechung der durch die Massenkündigungen vom Dezember v. J. entstandenen Sachlage vom Senat freigestellt worden, öffentliche Versammlungen einzuberufen, um in diesen zu dem polnischen Vorgehen Stellung zu nehmen. Eine solche Protestversammlung hat nunmehr am letzten Sonntag, dem 3. Februar 1935, vormittags 10 Uhr, in der hiesigen Messehalle unter starker Beteiligung aller Kreise der Danziger Bevölkerung stattgefunden. Nach Eröffnung der Kundgebung durch den Volkstagsabgeordneten Bezirksleiter Kendzia ergriff der Vorsitzende der Gewerkschaft der Eisenbahn-Hafenbeamten und -anwärter im Gebiet der Freien Stadt Danzig, Volkstagsabge- [166] ordneter Nicklas, das Wort zu eingehenden Ausführungen über die Behandlung der deutschstämmigen Danziger Eisenbahner durch die polnische Eisenbahnverwaltung seit dem Übergang der Verwaltung der Danziger Eisenbahnen auf Polen. Die Rede des Abgeordneten Nicklas zeigt unter Anführung genauesten Zahlenmaterials, wie die polnische Eisenbahndirektion in den vergangenen 13 Jahren systematisch das deutsche Element aus dem Danziger Eisenbahnbetrieb entgegen allen völkerrechtlichen Bindungen und Verpflichtungen zugunsten Polnischstämmiger verdrängt hat. Die von Nicklas in seinen Ausführungen aufgezeigten polnischen Methoden bei der Bekämpfung dieses Teiles des Danziger Deutschtums machen die stellenweise äußerst scharfen Worte des Redners durchaus begreiflich. Wie unangenehm der polnischen Eisenbahnverwaltung diese Protestkundgebung war, erhellt aus der Tatsache, daß die hiesige Polnische Diplomatische Vertretung unmittelbar nach der Anbringung der Einberufungsplakate an den Danziger Anschlagssäulen vom Danziger Senat unter Überreichung eines Aide-Mémoires ein sofortiges Verbot der Versammlung mit der Begründung verlangte, daß die Kundgebung die polnisch-Danziger Beziehungen ernstlich belasten müsse. Die Polnische Regierung habe seinerzeit durch Wiedereinstellung einer gewissen Zahl entlassener Eisenbahner den Wünschen der Danziger Regierung in vollem Umfang Rechnung getragen. Im Hinblick darauf, daß das polnische Vorgehen gegen die Eisenbahner jeder Begründung entbehrt und deren Empörung durchaus begreiflich ist, hat der Senat der Polnischen Diplomatischen Vertretung geantwortet, daß er keine Veranlassung habe, die geplante Versammlung zu verbieten, zumal die Danziger Verfassung die Versammlungsfreiheit Danziger Staatsangehöriger garantiere, falls die öffentliche Ruhe, Sicherheit und Ordnung nicht gefährdet sei. Der Senat sei der Überzeugung, daß die Versammlungsteilnehmer trotz ihrer durchaus begreiflichen Erregung die öffentliche Ruhe, Sicherheit und Ordnung nicht gefährden würden. Im übrigen sei diese auch durch ausreichende Polizeikräfte gesichert. Anscheinend wird die Polnische Vertretung nunmehr auf die Angelegenheit nicht mehr zurückkommen. Hingegen nimmt die offiziöse Gazeta Polska die Protestkundgebung zum Anlaß, um in einem Artikel in Nr. 36 vom 5. Februar d. J. unter der Überschrift "Eine Aktion, welche die Zusammenarbeit nicht erleichtert" die Ausführungen des Abgeordneten Nicklas als demagogisch abzutun, ohne allerdings dessen Behauptungen im einzelnen entkräften zu können. Ich möchte die Gelegenheit nicht vorübergehen lassen, ohne mit großem Nachdruck auf die Rücksichtslosigkeit der polnischen Methode in dieser Angelegenheit hinzuweisen, die eine recht mißtönende Begleitmusik zu der deutsch-polnischen Verständigung darstellt.
von Radowitz
Nr. 184
Der Deutsche Generalkonsul in Danzig an das Auswärtige Amt Bericht Danzig, den 15. April 1935
Das hiesige Büro der polnischen Eisenbahndirektion Thorn hat in den letzten Tagen wiederum 20 bis 25 deutschstämmigen Eisenbahnern zum nächstzulässigen Termin gekündigt. Die Mehrzahl der Gekündigten befindet sich länger als 12 Jahre im Dienst, einige von ihnen bereits 16, 19 und 22 Jahre. [167] Die meisten haben eine größere Familie, so daß die plötzliche Auflösung des Dienstverhältnisses für sie eine besondere wirtschaftliche Härte bedeutet. Irgendwelche Gründe sind bei dem Aussprechen der Kündigung polnischerseits nicht angegeben worden. Der Senat hat gegen die Kündigungen unverzüglich bei der hiesigen Polnischen Diplomatischen Vertretung Protest erhoben und gebeten, die Angelegenheit gründlich zu überprüfen sowie die Weiterbeschäftigung der Gekündigten zu veranlassen.
von Radowitz
Nr. 185
Der Deutsche Generalkonsul in Danzig an das Auswärtige Amt Bericht Danzig, den 24. Juli 1935
Die Polnische Regierung hat, wie dort bereits bekannt, durch eine Verordnung vom 18. d. M., die am 21. Juli d. J. in Kraft getreten ist, bestimmt, daß Zollämter auf dem Gebiet der Zolldirektion Danzig zur endgültigen Zollabfertigung nur diejenigen Auslandswaren annehmen dürfen, die für den Konsum der Freien Stadt Danzig bestimmt sind. Die Interessenten müssen bei der Abfertigung bei Zollämtern im Gebiet der Freien Stadt Danzig darlegen, daß dieser Anordnung entsprechend die Waren für den inneren Konsum bzw. für den Gebrauch im Freistaatgebiet bestimmt sind. Die Bedeutung dieser polnischen Anordnung für das Danziger Wirtschaftsleben ergibt sich aus folgenden Erwägungen: Der Einfuhrhandel, der bisher über Danzig ging, wird durch diese Regelung planmäßig von Danzig fortgetrieben, weil es für ihn praktisch nicht möglich ist, die Zollabfertigung (und die damit verbundenen Formalitäten über Einfuhrbewilligungen, Erteilung von Ursprungszeugnissen usw.) außerhalb des Eingangshafens zu erledigen. Tatsächlich hat bereits auch die Industrie- und Handelskammer Warschau eine Veröffentlichung herausgegeben, in der vor dem Einführen von Ware über Danzig gewarnt wird. Wird so aber der Einfuhrhandel absichtlich von Danzig fortgehalten, so trifft dies mittelbar auch den gesamten Ausfuhrhandel, der bisher über Danzig ging, weil bei dem inneren Zusammenhang zwischen Einfuhr und Ausfuhr - schon im Hinblick auf die Inanspruchnahme der Schiffstonnage für beide Zwecke - die ausschließliche Benutzung des Danziger Hafens für die Ausfuhr aus Polen nicht denkbar wäre. Die Verordnung berührt daher die wirtschaftlichen Lebensgrundlagen des Danziger Hafens und damit der Freien Stadt selbst. Unter diesen Umständen hat Senatspräsident Greiser den Polnischen Diplomatischen Vertreter zu sich gebeten und ihm die in der Anlage beigefügte Protestnote des Senats der Freien Stadt übergeben. Mündlich hat der Senatspräsident, wie mir mitgeteilt wird, Herrn Papée gegenüber nachdrücklich auf die schwerwiegenden Folgen der polnischen Verordnung hingewiesen und betont, daß dieselbe mit den Danzig-polnischen Verträgen völlig unvereinbar sei. Im einzelnen hat der Senatspräsident folgendes ausgeführt: Die Durchführung der Verordnung müßte zur Folge haben, daß Danzigs Handel und Industrie bei der Versorgung des polnischen Marktes mit Auslandswaren ausgeschaltet werde, daß der Danziger Hafen, dessen natürliches Hinter- [168] land Polen ist und der in seinen Ausmaßen und seiner Einrichtung auf dieses Hinterland eingestellt ist, vollkommen veröde. Die Rückwirkungen im Zusammenhang hiermit auf die übrigen Zweige der Danziger Wirtschaft müßten verheerend sein. Danzig sei in die Zollgrenze Polens einbezogen worden, damit die für Polen bestimmten Waren auch in Danzig endgültig verzollt und ungehindert nach Polen weitergesandt werden könnten. Diese Regelung sei nicht nur im Interesse Polens, sondern auch im Interesse Danzigs erfolgt, wie es zum Beispiel aus dem Warschauer Abkommen hervorgehe, nach welchem die Regierung Polens verpflichtet sei, in ihren Zollgesetzen die Interessen der Freien Stadt Danzig zu schützen Wenn in Danzig nur die für Danzig selbst bestimmten Waren verzollt werden, so wäre nicht einzusehen, warum diese Waren nach der polnischen Gesetzgebung und dem polnischen Zolltarif verzollt werden, warum ihre Verzollung von polnischen Zollinspektoren überwacht werden soll, warum Polen einen Anteil an den für diese Waren gezahlten Zöllen erhalten soll, warum polnische Einfuhrbewilligungen für diese Waren erforderlich sein sollen usw. Die Verordnung stehe hiernach in einem unvereinbaren Widerspruch zu den Danzig-polnischen Verträgen. In Erwägung dieser feststehenden Rechtslage und in Anbetracht der Tatsache, daß bei der Durchführung dieser Verordnung bleibende Schäden entstehen würden, die auf keine Weise wiedergutgemacht werden könnten, habe sich der Präsident des Senats im Einvernehmen mit dem gesamten Senat entschlossen, die Danziger Zollverwaltung anzuweisen, diese Verordnung nicht zur Anwendung zu bringen. Trotz der Nichtdurchführung dieser Verordnung sei der Senat sich jedoch darüber im klaren, daß diese Tatsache der Nichtdurchführung allein nicht genügen könne, um eine schwere Schädigung von der Danziger Wirtschaft abzuwenden. Schon auf die Nachricht von dem Erlaß dieser Verordnung hin seien sofort in großem Umfange Waren und Schiffe von Danzig nach Gdingen umgeleitet worden. Solange die Verordnung nicht aufgehoben sei, würden nicht nur polnische, sondern auch sehr schwer ins Gewicht fallende internationale Wirtschaftskreise sich nicht entschließen können, sich bei der Einfuhr von Waren aus dem Zollausland des Danziger Hafens und des Danziger Handelsapparats zu bedienen. Die hieraus dem Danziger Handel und der gesamten Danziger Bevölkerung erwachsenden Schäden müßten so große werden, daß sie von Danzig nicht getragen werden könnten. Aus diesem Grunde müsse sich die Danziger Regierung im Namen der gesamten Danziger Bevölkerung die Anmeldung von Schadenersatzforderungen, für die Polen allein verantwortlich gemacht werden müsse, vorbehalten. Um die bereits eingetretenen wirtschaftlichen Schäden und um die zweifellos noch eintretenden Komplikationen zu verhindern, müsse der Senat an den Diplomatischen Vertreter Polens die Bitte richten, bei seiner Regierung wegen sofortiger Aufhebung der Verordnung vorstellig zu werden. Papée hat von diesen Erklärungen des Danziger Senats Kenntnis genommen und mitgeteilt, er würde zur Besprechung der Frage nach Warschau reisen.127
von Radowitz Anlage
Der Präsident des Senats der Freien Stadt Danzig an den Diplomatischen Vertreter der Republik Polen in Danzig Danzig, den 23. Juli 1935
Herr Minister, Aus dem Gesetzblatt der Republik Polen hat der Senat Kenntnis erhalten von einer am 18. Juli erlassenen Verordnung, mit der die Tätigkeit der Danziger Zollämter auf Abfertigung derjenigen Auslandswaren beschränkt wird, die für die Bedürfnisse des örtlichen Verbrauchs und Gebrauchs im Gebiet der Freien Stadt Danzig bestimmt sind. Diese Verordnung stellt einen Einbruch von außerordentlicher Tragweite in das zwischen der Freien Stadt Danzig und der Republik Polen bestehende Rechtsverhältnis dar. Ich habe aus diesem Grunde das Landeszollamt der Freien Stadt Danzig angewiesen, diese Verordnung nicht auszuführen. Indem ich Ihnen, Herr Minister, den Protest des Senats der Freien Stadt Danzig gegen den Erlaß dieser Verordnung übermittle, erwarte ich, daß diese Verordnung sofort zurückgezogen wird. Außerdem behält sich der Senat der Freien Stadt Danzig weiterhin vor, alle Maßnahmen zu treffen, die ihm zum Schutz der Danziger Interessen notwendig erscheinen. Er behält sich insbesondere vor, Ersatz für alle Schäden zu verlangen, die der Freien Stadt Danzig durch die Verordnung erwachsen sollten.
Greiser
Nr. 186
Der Deutsche Generalkonsul in Danzig an das Auswärtige Amt Bericht Danzig, den 8. November 1935
Aus durchaus zuverlässiger Quelle wird mir mitgeteilt, daß die polnische Eisenbahnverwaltung Vorbereitungen getroffen hat, die darauf schließen lassen, daß sie die Absicht hat, in Kürze sämtliche übernommenen deutschstämmigen Eisenbahnbeamten aus dem Dienst zu entlassen. Vor einiger Zeit sind sämtliche Vorsteher der Eisenbahndienststellen und da, wo noch deutsche Vorsteher sind, deren polnischstämmige Vertreter auf das Eisenbahnbetriebsamt bestellt worden. Man hat ihnen aufgegeben, sofort Vorsorge zu treffen, daß an einem noch zu bestimmenden Tage mit einem Schlage sämtliche Dienstposten des Betriebs- und Verkehrsdienstes, bis herab zu den Weichenstellern mit polnischstämmigen Bediensteten besetzt werden können. Wo solche polnischstämmigen Bediensteten nicht zur Verfügung stehen, sollen sie sofort in die Ausbildung genommen werden. Den vorgeladenen Beamten wurde strengste Verschwiegenheit zur Pflicht gemacht. Diese Nachrichten werden von den hiesigen Stellen sehr ernst genommen. Man vermutet, daß möglicherweise hinter der geplanten polnischen Aktion, sich sämtlicher deutschstämmigen Eisenbahnbeamten zu entledigen, noch [170] weitergehende Absichten stehen. Es wird dabei an Fälle gedacht, bei denen Polen entscheidend daran gelegen sein muß, sich bei der auf Danziger Gebiet befindlichen polnischen Eisenbahn bis zum letzten Streckenwärter und Weichensteller unbedingt sicher zu wissen.
In Vertretung
Koester
Nr. 187
Der Deutsche Botschafter in Warschau an das Auswärtige Amt Bericht Warschau, den 17. Juli 1936
Am 17. d. M. veranstaltete eine große Zahl von Verbänden und Organisationen, darunter der Legionärsverband, die Frontkämpferverbände, der Schützenverband, Gewerkschaften, Angestelltenverbände, Pfadfinder usw., unter Führung der See- und Kolonialliga eine öffentliche Demonstration auf dem Marktplatz der Warschauer Altstadt. In den Maueranschlägen, die die Bevölkerung zur Teilnahme an der Kundgebung aufforderten und auf die die gesamte Presse hinwies, heißt es, jede Revision des Danziger Statutes dürfe nur in der Richtung einer Erweiterung der polnischen Rechte in Danzig gehen. Polen allein könne der gesamten Danziger Bevölkerung die Bedingungen freier kultureller, politischer und wirtschaftlicher Entwicklung sichern und der polnischen Bevölkerung als "Mit-Hausherren" des Gebiets eine "gleichrangige" Entwicklung garantieren. An der Kundgebung auf dem Warschauer Marktplatze beteiligten sich etwa 10.000 Personen. Neben kleinen Ortsgruppen der See- und Kolonialliga waren einzelne Organisationen des Legionärsverbandes und des Schützenverbandes sowie die Gewerkschaften der Postangestellten und der Eisenbahner vertreten. Das Gros der Teilnehmer bildeten die sozialistischen Gewerkschaften und die sogenannten Moraczewski-Gewerkschaften, die regierungsfreundlich sind. Die sozialistischen Gewerkschaften kamen unter Absingen der "Internationale" und mit Transparenten, wie "Alle Macht den Arbeitern und Bauern", anmarschiert. Auf dem Versammlungsplatz sprach ein Vertreter der See- und Kolonialliga, ein Vertreter der Sozialistischen Partei, ein Vertreter der Moraczewski-Gewerkschaften und der Vorsitzende der "Gesellschaft der Vaterlandsverteidiger". Am Schluß der Reden wurde die bereits durch die Maueranschläge bekannte Resolution verlesen, die dem General-Inspekteur Rydz-Smigly und dem Ministerpräsidenten Składkowski übersandt werden soll. Die Kundgebung endete mit dem Spiel der Nationalhymne und dem Marsch zum Belvedere-Schloß, bei dem unterwegs wiederholt die "Internationale" gesungen wurde. Der Redner der See- und Kolonialliga forderte im Falle einer Revision des Danziger Statutes einen weitgehenden Ausbau der polnischen Rechte in Danzig. Den stärksten Beifall erntete der sozialistische Redner, der von der Mündung des Weichselstromes sprach, an der sich eine Hitlerregierung niedergelassen habe, die ihre Befehle aus dem Dritten Reich erhalte. Die deutschfeindliche Rede des Sozialisten wurde von Niederrufen gegen den [171] Präsidenten Greiser, gegen den Faschismus und gegen den Hitlerismus begleitet. Der Redner der "Gesellschaft der Vaterlandsverteidiger" stellte sich auf einen kriegerischen Ton ein und schloß mit den Worten: Wenn der General-Inspekteur befehle, würde ganz Polen marschieren! Die Transparente, die bei dem Umzug getragen wurden, hießen etwa: "Danzig war polnisch und wird polnisch sein", " Danzig verdankt Polen seinen Wohlstand", "Die Weichselmündung gehört Polen", "Danzig gehört zur Weichsel" und ähnliches. Einige wenige Transparente lauteten in dem Sinne: "Deutschland, Hände weg von Danzig!". Wie die einzelnen Redner ankündigten und wie auch durch die Presse bekanntgegeben worden ist, sollen am 19. d. M. ähnliche Kundgebungen wie die heutige Warschauer Demonstration im ganzen Lande stattfinden, wobei allenthalben die See- und Kolonialliga die Veranstalterin ist.
von Moltke
Nr. 188
Der Deutsche Generalkonsul in Danzig an das Auswärtige Amt Bericht Danzig, den 4. August 1936
Unter dem 27. März d. J. hat der Senat der Freien Stadt Danzig an den Polnischen Diplomatischen Vertreter ein Protestschreiben gerichtet, in welchem Danzig dagegen Verwahrung einlegt, daß Polen in mehreren Fällen internationale Verträge oder Abkommen abgeschlossen hat, bei denen die Diplomatische Vertretung der Republik Polen unterlassen hat, den Senat von den Verträgen vorher gemäß Artikel 6 des Pariser Vertrages vom 9. November 1920 in Kenntnis zu setzen, oder die dem Senat so spät vorgelegt worden sind, daß eine ordnungsmäßige Stellungnahme Danzigs nicht mehr möglich war. Polen hat das Danziger Protestschreiben nicht beantwortet.
In Vertretung
Eckner
Nr. 189
Der Deutsche Generalkonsul in Danzig an das Auswärtige Amt Bericht Danzig, den 4. November 1936
Der Senat teilt mit, daß seit einiger Zeit an der Danziger Grenze bei Einlage (10 km vor Elbing) 7 polnische Zollbeamte in Uniform Dienst tun, und zwar angeblich nicht in Zollbeamtenuniform, sondern in der Uniform von Grenzwachtbeamten. Die dort lebende deutschstämmige Bevölkerung faßt diese Maßnahme der Polen als Herausforderung auf und ist begreiflicherweise sehr erregt hierüber. Seitens des Senats ist die hiesige Polnische Diplomatische Vertretung ersucht worden, dafür zu sorgen, daß diese Beamten zurückgezogen werden. Die Polnische Diplomatische Vertretung hat das Danziger Ersuchen abgelehnt.
von Radowitz
[172]
Nr. 190
Der Deutsche Generalkonsul in Danzig an das Auswärtige Amt Bericht Danzig, den 11. November 1936
Wie bereits durch Funkbericht von der hiesigen Vertretung des Deutschen Nachrichten-Büros gemeldet, haben sich einige Teilnehmer einer aus Anlaß des 18jährigen Bestehens Polens am 10. d. M. in Danzig veranstalteten Feier der hiesigen polnischen Kolonie schwere Beleidigungen gegenüber den Symbolen und Hoheitszeichen des Reiches und der Nationalsozialistischen Bewegung zuschulden kommen lassen. Der Wirt der Sporthalle, in der die Feier stattfand, hatte für Polizeibeamte, die aus Sicherheitsgründen die Veranstaltung unauffällig überwachen sollten, ein kleines Zimmer reserviert. In dieses Zimmer waren vier Polen eingedrungen und hatten aus einem Schrank Symbole und Hoheitszeichen des Reiches und der Nationalsozialistischen Bewegung entwendet und mehrere davon unter lautem Gelächter zerrissen.
von Radowitz
Nr. 191
Der Senat der Freien Stadt Danzig an die Diplomatische Vertretung der Republik Polen in Danzig Aide-Mémoire Danzig, den 5. April 1937
Unter dem heutigen Tage hat das polnische Finanzamt in Dirschau Margarineprodukte der Danziger Firma Amada beim Übergang nach Polen angehalten und die Zahlung einer Akzise verlangt. Die Margarine war unter der Kontrolle der Danziger Zollorgane nur aus einheimischen Rohstoffen hergestellt. Die Erhebung einer Akzise war daher nicht gerechtfertigt. Diese rechtswidrige Maßnahme ist von einschneidender Bedeutung für die wirtschaftlich außerordentlich wichtige Danziger Margarineindustrie. Sie droht, diese Industrie lahmzulegen und damit eine beträchtliche Anzahl von Arbeitern brotlos zu machen. Die Maßnahme ist weiterhin geeignet, die Fettversorgung Danzigs zu desorganisieren, so daß der Senat sich gegebenenfalls in die Lage versetzt sehen wird, unverzüglich Maßnahmen zu treffen, um hier Ordnung zu schaffen. Der Senat ersucht, unverzüglich Fürsorge zu treffen, daß die der Errichtung einer unzulässigen Wirtschaftsmauer zwischen Danzig und Polen gleichkommende Maßnahme aufgehoben wird.
[173]
Nr. 192
Der Deutsche Generalkonsul in Danzig an das Auswärtige Amt Bericht Danzig, den 15. November 1937
Anläßlich des Jahrestages der polnischen Unabhängigkeitserklärung am 11. November fanden am letzten Sonntag in den von polnischen Minderheiten bewohnten Dörfern des Freistaates Danzig Feiern statt. Diese wurden von zahlreichen Vertretern des Polentums aus Danzig besucht. Bemerkenswert an der Feier im Dorfe Groß-Trampken sind Ausführungen in der Rede des Diplomatischen Vertreters der Republik Polen in Danzig, Minister Chodacki. Er hat hierbei u. a. erklärt: "Ich kann mich noch genau an die Zeit erinnern, wie ich in den Krieg zog mit der Hoffnung auf das Auferstehen Polens. Ebenso sollen die Polen hier in Danzig in der Hoffnung sein und warten, daß sie in kürzester Zeit auf polnischem Boden wohnen werden."
von Luckwald
Nr. 193
Der Präsident des Senats der Freien Stadt Danzig an den Diplomatischen Vertreter der Republik Polen in Danzig Danzig, den 24. August 1938
Herr Minister! In Pommerellen, insbesondere in Gdingen, Graudenz, Thorn und Dirschau, haben am vergangenen Sonnabend und Sonntag durch den Westmarkenverband veranstaltete Versammlungen stattgefunden, deren Verlauf mich mit tiefer Besorgnis erfüllt. Die Tendenz dieser Versammlungen war auf einen derartig aufhetzenden Ton gegen Danzig gestimmt, daß es mir schwer fällt, Herr Minister, Ihren Worten weiterhin Glauben zu schenken, daß man in Polen gegenüber Danzig freundlich gesinnt ist und daß Ihre Regierung stets bemüht ist, den Belangen Danzigs gerecht zu werden und jeden Zwischenfall zu vermeiden. Selbst wenn ich mich nur an die Berichte polnischer Zeitungen halte und nicht auf die Tatsachen, die mir sonst berichtet sind, eingehe, ist in den Reden der Versammlungsteilnehmer ein so tiefer Haß gegen die Danziger zum Ausdruck gekommen und eine so absichtlich entstellende Darstellung der Danziger Verhältnisse, daß die Absicht des Hetzens und des Unruhestiftens in erschreckender Weise zum Durchbruch kommt. Alle meine und meiner Regierung Bemühungen, den Wünschen der Polnischen Republik in jeder Weise entgegenzukommen und alles zu vermeiden, was auch nur wie ein Schein von Benachteiligung der Polen in Danzig aussieht, müssen allmählich zwecklos werden, wenn von polnischer Seite nur allzu oft Übelwollen, Haß und Verleumdung zu spüren sind. Es handelt sich dabei nicht um zufällige Äußerungen unverantwortlicher polnischer Kreise, sondern um wohlvorbereitete Volksversammlungen eines Verbandes, der durch die Polnische Regierung durchaus gestützt wird. Es [174] wäre ein leichtes für die Polnische Regierung gewesen, diese Veranstaltungen, deren Tendenz ihr bekannt sein mußte, vorher zu verbieten. Ich kann es mir nicht versagen, Ihnen einige Zitate aus den Reden bei diesen Zusammenkünften in Pommerellen anzuführen: "Es ist höchste Zeit, mit dem strafbaren Räubertum der Danziger Kampftruppen Schluß zu machen. Danzig muß polnisch werden." "Der unaufhörlich geübte Terror durch bewaffnete Danziger Kampftruppen gegenüber Polen und polnischen Kindern sowie polnischen Eisenbahnern." Von "hitlerischen Gewalttätigkeiten", von "Bewerfen polnischer Mädchen mit Steinen" und von "einer bestialischen Tat gegen einen polnischen Eisenbahner" ist die Rede; von der "verruchten Hitlerbande" wurde gesprochen und von der Absicht, diese Hitlerbande zu vernichten und von "wütendem Terror" und "Verfolgungen". In allen diesen Versammlungen wurde die Stimmung so aufgepeitscht, daß chauvinistische Zwischenrufe in großer Zahl ertönten, wie: "Tötet die Hitlerbande", "Gebt uns Karabiner", "Wir wollen nach Danzig", "Raus mit den Deutschen aus Danzig" usw. In dieser Stimmung wurden Entschließungen angenommen, die von Beleidigungen gegen die Freie Stadt Danzig geradezu strotzten und in denen - um einiges zu erwähnen - von "barbarischen Verhältnissen in Danzig" und davon gesprochen wird, daß Polen den brutalen Eigenwillen and das straflose Banditentum in Danzig gegenüber Polen bändigen soll. Alles dieses hat sich scheinbar ohne jeden Anlaß von Danziger Seite abgespielt. Denn ich kann nicht ernstlich glauben, daß die Tatsache, daß 2 Danziger junge Menschen, die sich zum Polentum bekennen, ein paar Schläge bekommen haben, wirklich der Grund für diesen Haß sein könnte. Ich komme dabei auf Ihr Schreiben vom 16. d. Mts., Herr Minister, zu sprechen, in dem Sie sich für die Gebrüder Mach einsetzen. Es handelt sich hier um einen von den Geschädigten außerordentlich aufgebauschten Vorfall. Diese jungen Leute, die deutsch sprachen und die in grober Weise die Hakenkreuzfahne provozierten, sind von einem entrüsteten Publikum geprügelt worden, ein Vorfall, der bedauerlich, trotzdem aber verständlich ist, wenn die Öffentlichkeit immer wieder sehen muß, wie sich Danziger Bürger polnischer Einstellung provozierend und höhnend gegen Wahrzeichen verhalten, die der großen Mehrheit der Danziger lieb und wert sind. Darf ich Ihre Aufmerksamkeit darauf lenken, daß in Polen sehr, sehr häufig Kinder Danziger Staatsangehöriger geprügelt werden, ohne daß gleich die Danziger Regierung eine Beschwerde einreicht. Ich möchte auch darauf hinweisen, daß ruhige Danziger Staatsangehörige, die seit vielen Jahren in Graudenz und Thorn ihrem Berufe nachgehen, Zettel folgenden Inhalts erhalten haben:
Im Namen der großen und gerechten Sache Polens befehle ich Ihnen als Danziger Staatsangehörigen, die Stadt Graudenz wie auch die Grenzen der Republik Polen mit Ihrer ganzen Familie sofort zu verlassen. Zur Erledigung Ihrer persönlichen Angelegenheiten geben wir Ihnen 3 Tage Zeit. Wir bemerken, daß nach Ablauf dieser Frist, falls Sie sich nicht freiwillig aus Polen entfernen, wir gegen Sie wie auch gegen Ihre Familie alle Maßnahmen anwenden und sogar so weit gehen werden, daß wir Sie radikal aus Polen hinauswerfen werden. Die Hand der Justiz." [175] und daß die Kinder dieser Danziger sich jeden Morgen fürchten, in die Schule zu gehen, weil sie besorgt sein müssen, durch polnische Staatsangehörige geprügelt zu werden. Ich führe dieses an, um zu zeigen, daß trotz der geringen Anzahl von Danzigern, die in Polen leben, für den Danziger Senat gewiß nicht weniger Anlaß vorliegt, sich über Taten unverantwortlicher Menschen in Polen zu beklagen. Ich bin aber zu meinem größten Bedauern gezwungen festzustellen, daß jedes Vorkommnis, das irgendwie mit Danzig zusammenhängt, von einem Verbande wie dem Westmarkenverband oder auch von Zeitungen, wie dem Kurjer Baltycki, die der Regierung nahestehen, derart maßlos entstellt wird, daß nur noch die Absicht der Verhetzung klar zu erkennen ist. Wenn man den bedauerlichen Unfall eines polnischen Eisenbahners, der mit Danzig auch nicht das geringste zu tun hat, zu einem "Mord, begangen durch 6 hitlerische Danziger" umfälscht,128 so sind das Zustände, deren Duldung durch die Polnische Regierung nicht mehr verständlich ist, zumal die entstellende Darstellung in die Auslandspresse lanciert wurde und dort ein entsprechendes Echo gefunden hat. Ich spreche die Erwartung aus, daß Sie, Herr Minister, unverzüglich Ihre Regierung davon in Kenntnis setzen, welche Wirkungen die Versammlungen des Westmarkenverbandes und die verleumderische Darstellung des Kurjer Baltycki in Danzig ausgelöst haben, und daß alles geschieht, um diesem unverantwortlichen und den Frieden gefährdenden Treiben Einhalt zu gebieten. Genehmigen Sie, usw.
Greiser
Nr. 194
Der Deutsche Generalkonsul in Danzig an das Auswärtige Amt Bericht Danzig, den 14. November 1938
Anläßlich des 11. Novembers, des 20. Jahrestages der Wiedererlangung der Unabhängigkeit Polens, haben, wie auch schon regelmäßig in den früheren Jahren, in Danzig eine Reihe von Veranstaltungen stattgefunden. Deren Höhepunkt bildete am Abend des 12. November eine Akademie in den Räumen der Sporthalle, an welcher Minister Chodacki persönlich teilnahm. Die Festrede hielt der polnische Sejmabgeordnete Walewski aus Warschau, der im Laufe seiner Ausführungen bezeichnende Anspielungen auf Danzig machte. Unter Hinweis auf die befreiten polnischen Brüder im Olsa-Gebiet erklärte er, daß auch die Polen in Danzig hier dasselbe erleben würden und daß Polen seine Grenze so erweitern wolle, wie sie dereinst zu Zeiten des Königs Boleslaw Chobry waren. Auch auf einem Unabhängigkeitsfest der polnischen Minderheit in Zoppot am 13. v. M., auf dem ebenfalls ein Mitglied der hiesigen Polnischen Diplomatischen Vertretung anwesend war, berührte der Festredner, der Vizemarschall der Vereinigung "Gmina Polska - Zwiazek [176] Polakow e. V.", Major a. D. Professor Dr. Pilecki, die Danziger Frage. Er wies auf die angeblichen Schikanen hin, unter denen die polnische Minderheit in Danzig zu leben habe, äußerte sich abfällig über den Geist der SA und , in die nach seiner Behauptung zahlreiche Polen aus Not hätten eintreten müssen, und stellte als Parole auf, den Tag zu erwarten, an dem sich alle Polen wieder vereinigen würden; auch die Polen in Danzig müßten die Standarte des Vaterlandes hochhalten, um dasselbe Los zu erringen, das den Olsa-Brüdern beschieden sei.
von Janson
Nr. 195
Der Deutsche Generalkonsul in Danzig an das Auswärtige Amt Bericht Danzig, den 23. Februar 1939
Eine Anzahl polnischer Zeitungen hat vor kurzem empörte Berichte über Zwischenfälle veröffentlicht, die sich in dem auch von polnischen Studenten häufig besuchten Café Langfuhr in Danzig-Langfuhr abgespielt haben. Nach den mir auch von Danziger Seite gemachten Angaben war es bereits am 29. Januar d. J. im Café Langfuhr zwischen deutschen und polnischen Studierenden der hiesigen Technischen Hochschule zu tätlichen Auseinandersetzungen gekommen. Da weitere Zwischenfälle zu befürchten waren, hat der Inhaber des Cafés am 10. d. M. an die polnische Studentenvereinigung "Bratnia Pomoc" ein Schreiben gerichtet, in dem er darum bat, daß künftig polnische Studenten sein Lokal nicht mehr besuchten. Dieses Schreiben wurde von polnischer Seite nicht beachtet. Als einige Tage später polnische Studenten wiederum das Café Langfuhr aufsuchten, entdeckten sie angeblich einen im Innern des Cafés angebrachten Zettel mit der handschriftlichen Inschrift: "Hunden und Polen Zutritt verboten". Nach polnischer Darstellung soll dieser Zettel von deutschen Studenten angebracht worden sein. Daß letzteres der Fall ist, haben die eingeleiteten polizeilichen Ermittlungen in keiner Weise ergeben. Vielmehr besteht der dringende Verdacht, daß ein polnischer Student den Zettel selbst im Lokal befestigt hat. Die polnische Studentenvereinigung "Bratnia Pomoc" hat diese Vorfälle zum Anlaß genommen, um am 16. d. M. die an der Technischen Hochschule studierenden Polen zu einer Protestversammlung zu vereinigen. Auf dieser Versammlung wurde eine Entschließung angenommen, die zunächst feststellt, die "Bratnia Pomoc" erblicke die natürliche Rolle des Danziger Gebiets nur in dem Dienst und der engen Verbindung mit dem Mutterlande, der Republik Polen. Nur die polnische Nation habe das Recht, über die Weichselmündung zu bestimmen. Weiter wird in scharfer Form sofortige Genugtuung verlangt und die Polnische Regierung aufgefordert, unter Verwendung des Grundsatzes "Zahn um Zahn" wirksame Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Wie mir vertraulich ergänzend mitgeteilt wird, haben die polizeilichen Untersuchungen die bezeichnende Tatsache ergeben, daß an der erwähnten Versammlung der polnische Hauptmann Krukierek teilgenommen hat, der der [177] Militärabteilung der hiesigen Polnischen Diplomatischen Vertretung angehört und als solcher diplomatische Vorrechte genießt. Der Verdacht, daß die hiesige Polnische Diplomatische Vertretung mit dem provokatorischen Verhalten der polnischen Studenten in einem nahen Zusammenhang steht, läßt sich danach nicht von der Hand weisen.129
von Janson
Nr. 196
Der Deutsche Generalkonsul in Danzig an das Auswärtige Amt Bericht Danzig, den 16. März 1939
Nach zahlreichen Besprechungen und Verhandlungen, die in der Zwischenzeit stattgefunden haben, steht die endgültige Beilegung des Konfliktes zwischen den deutschen und den polnischen Studenten der hiesigen Technischen Hochschule nunmehr binnen kurzem zu erwarten. Das Ergebnis der Verhandlungen ist in dem Entwurf eines Protokolls niedergelegt worden, der gestern abend paraphiert worden ist. Die endgültige Unterzeichnung des Protokolls ist noch nicht erfolgt. Nicht ohne Interesse sind gewisse Äußerungen, die die an den Kommissionssitzungen beteiligten polnischen Legationsräte im Laufe eines Beisammenseins nach Paraphierung des beigefügten Protokolls am gestrigen Abend gegenüber Regierungsrat Siegmund gemacht haben. Die beiden polnischen Herren erklärten zu dem Studentenkonflikt, Warschau habe die Angelegenheit außerordentlich ernst angesehen; es habe nach Auffassung der maßgebenden polnischen Kreise nur noch ein Fünkchen gefehlt, um eine militärische Aktion gegen Danzig und damit eine Auseinandersetzung zwischen Deutschland und Polen herbeizuführen. Diese Behauptung steht zu den kürzlichen beruhigenden Erklärungen des Polnischen Außenministers Beck im bemerkenswerten Gegensatz und ist, wie mir scheint, von der reichlich nervösen Haltung Ministers Chodacki nicht unbeeinflußt geblieben, der im Laufe seiner Besprechungen mit Senatspräsident Greiser wieder einmal, wie schon früher bei anderen Anlässen, erklärt hat, er überlege sich, ob er nicht von seinem Amt zurücktreten müsse.
von Janson
126Am 5. August1933 wurde neben
dem oben wiedergegebenen, durch ein Schlußprotokoll ergänzten
Übereinkommen über die Ausnutzung des Danziger Hafens ein
Übereinkommen "betreffend die Behandlung polnischer
Staatsangehöriger und anderer Personen polnischer Herkunft oder Sprache
auf dem Gebiete der Freien Stadt Danzig" paraphiert und durch einen
Schriftwechsel erläutert. Ein weiterer Danzig-polnischer Schriftwechsel
vom gleichen Tage betraf die Regelung der Streitfragen über
Ratifikationsurkunden, Pässe und die Exequatur-Erteilung an Konsuln in
Danzig. 127Der durch die polnische Zollverordnung heraufbeschworene Konflikt zwang den Danziger Senat zu gewissen Gegenmaßnahmen. (Anordnung der zollfreien Einfuhr einiger Warengattungen in Danzig.) Der Konflikt wurde schließlich durch ein Abkommen zwischen Danzig und Polen vom 8. August 1935 beigelegt, in dem Polen sich zur Aufhebung der Zollverordnung vom 18. Juli 1935 verpflichtete. ...zurück... 128In der Nacht vom 17. auf den 18. August verunglückte der polnische Eisenbahner Winnicki auf der Eisenbahnstrecke Danzig-Gdingen. Wegen dieses Unglücksfalles wurden von polnischer Seite gegen Danziger Eisenbahner haltlose Verdächtigungen vorgebracht, die den Mittelpunkt einer gegen Danzig gerichteten Propaganda-Aktion bildeten. Vgl. Nr. 155. ...zurück...
129Vgl. hierzu auch Nr. 152. ...zurück...
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