SucheScriptoriumBuchversandArchiv IndexSponsor

[217]
Bd. 2: Teil 2: Die politischen Folgen des Versailler Vertrages

III. Wirtschaftliche Aufgaben des Völkerbundes   (Teil 2)

B) Die internationalen Wirtschaftsarbeiten des Völkerbundes:
Gestellte Aufgaben und bisherige Leistungen

Konsul Dr. E. Respondek

Dem Völkerbunde, der sein Statut im Vertrag von Versailles erhielt, wurden zu den allgemeinen politischen Problemen auch die internationalen wirtschafts- und finanzpolitischen Aufgaben für alle dem Bunde angeschlossenen Nationen übertragen. Der Sinn des Artikels 23 der Völkerbundssatzung geht dahin, die Mitglieder des Völkerbundes zu verpflichten, eine loyale Regelung des wechselseitigen Handelsverkehrs aller Bundesmitglieder untereinander zu gewährleisten und aufrecht zu erhalten. Der Rat des Völkerbundes schuf zur Ausführung dieser ihm gestellten Aufgaben besondere Fachorgane in Gestalt zweier Kommissionen: den Finanzausschuß und den Wirtschaftsausschuß. Beide waren seit dem Bestehen des Bundes berufen, die einschlägigen Arbeiten für die Völkerbundsversammlung und den Rat zu leisten. Zu ihrer Unterstützung wurde im Jahre 1928 - auf Anregung der Weltwirtschaftskonferenz von 1927 - ein drittes Organ, der "Beratende Wirtschaftsausschuß", eingesetzt. Allen drei Ausschüssen dient eine besondere Wirtschafts- und Finanzsektion im Generalsekretariat des Völkerbundes für die ordnungsmäßige Vorbereitung, Durchführung und Behandlung der Konferenzen und ihrer Beschlüsse.

Ganz allgemein kann das Aufgabengebiet dieser drei Ausschüsse des Völkerbundes nach der materiellen Seite dahin umschrieben werden, daß sie sich mit denjenigen Problemen der internationalen Wirtschafts- und Finanzpolitik zu beschäftigen haben, welche der Völkerbund im Hinblick auf die Umwälzungen durch den Krieg und seine Folgen vom internationalen Standpunkt aus zu verfolgen als seine Pflicht ansieht.

Bevor auf den Inhalt dieser Arbeiten und im besonderen auf die Stellung Deutschlands auf diesem Boden des näheren eingegangen wird, mögen zunächst die Organisation und anschließend die bisher geleisteten Arbeiten dieser drei Organe kurz dargelegt und gleichzeitig die Arbeitsmethodik hervorgehoben werden.

[218] Wir betrachten erstens den Finanzausschuß (Comité Financier).

Dieser Ausschuß wird von 10 - 12 aktiven bzw. inaktiven Vertretern der Notenbanken und privaten Bankunternehmen, sowie z. T. von ehemaligen hohen Finanzbeamten gebildet. Vertreter Deutschlands ist der Bankier Melchior (Hamburg).

Die Aufgabenstellung: Beratung und Durchführung von internationalen Finanzoperationen (Anleiheemissionen bei Währungssanierungen, Unterstützungen u. dgl.), welche der Völkerbund für besondere Zwecke in die Wege leitet; Auswertung der Brüsseler Finanzkonferenzbeschlüsse (1920) bezüglich der Budget- und Währungspolitik aller Staaten.

Die Arbeitsmethode: Das jeweilige Programm wird vom Völkerbundsrat aufgestellt. In diesem Rahmen arbeitet der Ausschuß nach freiem Ermessen. Die Ergebnisse der Beratungen werden dem Rat und der Vollversammlung des Bundes zwecks Genehmigung und weiterer Veranlassung übermittelt.

So führte der Finanzausschuß u. a. bekanntlich die große Aktion einer Währungssanierung Österreichs durch. Seiner Zuständigkeit unterlagen auch die hiermit verbundenen Anleihetransaktionen. Das gestellte Ziel, Schaffung einer neuen, festen Währung für Deutsch-Österreich, wurde erreicht. In der gleichen Richtung lag die Durchführung der finanziellen Reorganisation Ungarns. Es bleiben noch die Hilfsmaßnahmen für die griechischen Flüchtlinge anzuführen, die Behandlung der albanischen und tschechoslowakischen Anleihen, sowie die Durchführung der Anleihe für die Freie Stadt Danzig, alles Aufgaben, welche der Völkerbund mit Hilfe dieses Ausschusses durchführen konnte.

An zweiter Stelle ist der Wirtschaftsausschuß (Comité Économique) aufzuführen.

Dieser Ausschuß setzt sich aus höheren Staatsbeamten und anderen Persönlichkeiten europäischer und außereuropäischer Länder zusammen, welche vom Völkerbundsrat auf Grund ihrer persönlichen Eignung gewählt und nicht an die Weisungen ihrer Regierungen gebunden sind. Überwiegend sind diese Persönlichkeiten mit Handelsvertragsfragen und der Zollpolitik besonders vertraut.

Die Mitgliederzahl schwankt zwischen 10 und 12. Zu dem Aufgabengebiet des Wirtschaftskomitees gehört die Erörterung und Prüfung aller allgemeinen wirtschaftspolitischen Fragen unter besonderer Berücksichtigung der Handelspolitik.

Ständiger Vertreter Deutschlands ist der Staatssekretär im Reichswirtschaftsministerium: Dr. Trendelenburg, welcher für das Jahr 1929 zum Vorsitzenden dieses Ausschusses erwählt wurde.

[219] Das Arbeitsgebiet wird durch den Rat des Völkerbundes bestimmt. Die zu behandelnden Fragen werden vom Gesamtausschuß in periodischen Vollkonferenzen erörtert. Sofern Sonderfragen zur Behandlung stehen, werden nach genereller Prüfung durch den Wirtschaftsausschuß Spezialsachverständige berufen, die eine Vorklärung zu bewirken und evtl. Vorschläge auszuarbeiten haben. Das Ergebnis der Beratungen dieser speziellen Sachverständigenausschüsse wird dem Comité économique vorgelegt und geht von hier durch den Generalsekretär des Völkerbundes den beteiligten Regierungen zur Stellungnahme zu.

Die Rückäußerungen der befragten nationalen Regierungen werden im Wirtschaftsausschuß erneut geprüft und schließlich je nach Beschluß des Völkerbundsrats und der Völkerbundsversammlung als Grundlage für die Einberufung einer diplomatischen Konferenz benutzt. Feste Regeln bzw. eine Geschäftsordnung bestehen nicht. Es hat sich jedoch im Laufe der Jahre die dargelegte Arbeitsmethodik herausentwickelt.

Weit umfassender und auch anders in der Diktion als im Finanzausschuß bietet sich das Arbeitsgebiet des Wirtschaftsausschusses dar. Das Schwergewicht der Arbeiten des Wirtschaftsausschusses liegt in der allgemeinen Handelspolitik, späterhin traten die Fragen der Industrie und Landwirtschaft hinzu. Auf diesen Gebieten entfaltete der Völkerbund eine immer stärkere und umfassendere Aktivität, deren Inhalt einen wesentlichen Teil seiner praktischen Arbeiten in den letzten Jahren ausmachte. Über diese Arbeiten ist ausführlich im Hauptteil dieser Darlegung zu berichten.

An dritter Stelle bleibt der "Beratende Wirtschaftsausschuß" (Comité Consultatif Économique) aufzuführen.1

Sein organisatorischer Aufbau ist der folgende: der "Beratende Wirtschaftsausschuß" steht unter dem Vorsitz des ehemaligen belgischen Ministerpräsidenten Theunis, dem drei Vizepräsidenten beigegeben sind: Loucheur (Abgeordneter, ehem. Minister in Frankreich), Colijn (ehem. Ministerpräsident in den Niederlanden), Sir Atul Chatterjee (Hoher Kommissar für Indien in London).

Der Ausschuß zählt insgesamt 55 Mitglieder.

Die Organisation des Beratenden Wirtschaftsausschusses ist formal gesehen die folgende:

      1. Präsidium (wie vorstehend).
      2. Delegierte:
[220]   Vertreter:
     Vertreter der Industrie 10
     Vertreter der Landwirtschaft 6
     Vertreter von Handel und Banken 7
     Vertreter freier Berufe, ehemalige Staatsbeamte usw. 17
     Vertreter der Gewerkschaften und Genossenschaften       9
     zusammen 49
     Hierzu Delegierte des Wirtschaftskomitees (Comité économique) 5
     Hierzu Delegierte des Finanzkomitees (Comité financier)       1
     zusammen 55

Sämtliche Delegierte sind kraft ihrer Persönlichkeit durch den Rat des Völkerbundes erwählt.

Deutschland ist im "Beratenden Wirtschaftsausschuß" vertreten durch:

  1. Hermes, Reichsminister a. D., M. d. R., Präsident der "Vereinigung der deutschen Bauernvereine",
  2. Lammers, Mitglied des Präsidiums des "Reichverbandes der deutschen Industrie",
  3. von Mendelssohn, Präsident des deutschen Industrie- und Handelstages,
  4. Hermann Müller, Vorstandsmitglied des "Allgemeinen deutschen Gewerkschaftsbundes".
    Hierzu tritt als Delegierter des "Wirtschaftsausschusses" des Völkerbundes:
  5. Trendelenburg, Staatssekretär im Reichswirtschaftsministerium.

Auf Beschluß des Völkerbundsrats und der Völkerbundsversammlung soll der "Beratende Ausschuß" die Empfehlungen der internationalen Wirtschaftskonferenz (Mai 1927) fortführen und zu den bereits geleisteten bzw. in Angriff genommenen Arbeiten des Wirtschaftsausschusses Stellung nehmen. Demgemäß ist ganz allgemein der Gegenstand der Beratungen dieses Ausschusses gemäß den Empfehlungen der Weltwirtschaftskonferenz:

  1. eine Neuorientierung der Handels- und Zollpolitik in der Richtung eines freien und loyalen Warenaustausches (Hauptergebnis der Genfer Konferenz 1927) und
  2. eine Förderung der industriellen und landwirtschaftlichen Produktion zu bewirken.

An vierter und letzter Stelle blieben als Sonderorgane des Völkerbundes noch anzuführen:

  1. der Ausschuß für das Verkehrswesen,
  2. der Ausschuß für Hygiene.

Die erstgenannte Organisation befaßt sich mit den Fragen der Binnenschiffahrt, des Seeverkehrs, des Eisenbahntransportwesens und [221] stellt die verschiedenen international geltenden Richtlinien, Vorschläge für Verbesserungen u. dgl. auf.

Die Hygieneorganisation beschäftigt sich mit der Unterrichtung über auftretende Epidemien und deren Bekämpfung, hält Verbindung mit den verschiedenen Gesundheitsämtern der einzelnen Länder; außerdem arbeitet eine Reihe von Kommissionen für den Kinderschutz sowie für verschiedene medizinische Erfordernisse.

Deutschland ist auch in diesen Ausschüssen vertreten und zwar je nach den zur Behandlung stehenden Themen, durch amtliche Persönlichkeiten oder Vertreter beteiligter Organisationen.


Ein volles und richtiges Bild von den Arbeiten des Völkerbundes auf wirtschaftlichem Gebiete wird nur dadurch gewonnen, wenn vorerst einmal die tatsächlichen, materiellen Verhältnisse, wie sie durch den Krieg und Versailler Vertrag in der Wirtschaft Europas und Deutschlands geschaffen wurden, kurz gezeichnet werden.

In den vier Dezennien seit 1871 blieb Europa von kriegerischen Ereignissen - abgesehen vom Balkan - verschont. Gerade in dieser Zeit nahm die weltwirtschaftliche Entwicklung, die bis zum Kriege von Europa maßgebend beeinflußt wurde, einen Aufschwung wie nie zuvor: die Bevölkerung wuchs, die Produktion in Industrie und Landwirtschaft stieg ständig an, und eine dementsprechend große Zunahme verzeichneten die Umschläge in Handel und Verkehr. Hierdurch waren auch die Voraussetzungen gegeben, auf denen ganz allgemein der Wohlstand der arbeitenden Länder wachsen konnte.

Unter allen europäischen Staaten stand Deutschland in dieser Entwicklung in vorderster Linie: unsere Bevölkerung nahm von 1871 bis 1913 um mehr als die Hälfte zu; wir wurden der bedeutendste Industriestaat des europäischen Kontinents und viele Zweige der Industrie standen an erster Stelle unter allen Ländern der Erde, so insbesondere in der Chemie, Elektrotechnik, im Maschinenbau u. a.

Der glanzvolle wirtschaftliche Aufstieg Deutschlands spiegelte sich weithin sichtbar in der machtvollen Entwicklung des Außenhandels wieder: der Anteil Deutschlands am gesamten Welthandelsumsatz betrug 1913 genau 13,1%, derjenige Großbritanniens, des seinerzeit mächtigsten Weltreichs, 13,9%. Es war also lediglich eine Frage von Jahren, bis die natürliche Zuwachsquote Deutschlands den Anteil Englands erreicht und möglicherweise überschritten haben würde.

Die Handelsbeziehungen zum Auslande hatte Deutschland durch ein geradezu vorbildliches Handelsvertragssystem geregelt. Gestützt auf ein wohlfundiertes handelspolitisches Vertragswerk konnte die deutsche Wirtschaft den Überfluß ihrer steigenden Werteschöpfungen, ganz besonders nach dem Osten und dem Südosten Europas, in ständig wachsendem Maße absetzen. Betrug doch allein der An- [222] teil Deutschlands an der Einfuhr Rußlands 47,5% und war doch die gesicherte Ausfuhr nach der alten österreichisch-ungarischen Monarchie, dem Balkan und der Türkei ein nicht minder wertvoller Stützpunkt für erhebliche Teile der exportierenden deutschen Wirtschaft. Diese Rückendeckung gestattete Deutschland im britischen Imperium, in den Vereinigten Staaten, in Südamerika aufzutreten, zu konkurrieren, mit wachsendem Erfolge sich in den Märkten festzusetzen und aus dem Handel, der Schiffahrt jene Kapitalien und Gewinne zu ziehen, die der arbeitenden heimischen Wirtschaft zugute kamen.

Der Krieg von 1914-1918 zerstörte das Wirtschaftsbild Deutschlands und veränderte in weitgehendem Ausmaß seine und die allgemeinen weltwirtschaftlichen Beziehungen. Es traten große Verschiebungen ein und Deutschland war praktisch aus der Weltwirtschaft ausgeschlossen. Als es wieder die Verbindung aufnahm, sah es eine vollkommen verwandelte Welt: zahlreiche neue Wirtschaftseinheiten haben sich gebildet, weite Strecken früherer Arbeits- und Absatztätigkeit, welche einst der deutschen Wirtschaft und dem Verkehr, insonderheit der Handelsschiffahrt, gesichert waren, sah Deutschland verloren. Auch die weltwirtschaftlichen Tendenzen waren vollkommen neuer Art. Die alten und insbesondere die neuen Staaten entwickelten das Prinzip der nationalen wirtschaftlichen Selbstgenügsamkeit (Autarkie) und zeigten sich jedwedem Konkurrenten, insbesondere der Konkurrenz des ehemaligen Kriegsgegners, Deutschland, feindlich. Vor allen Dingen war festzustellen, daß die Industrialisierung in den Ländern der ganzen Welt von Ost nach West und von Nord nach Süd erheblich zugenommen hatte. Sie hatte zur Folge, daß die bisherige bevorzugte industrielle Stellung Europas und insbesondere Deutschlands von Grund aus geändert wurde. Hierzu kam, daß der Krieg mit den notwendigen Verschuldungen die Vereinigten Staaten von Amerika zum Hauptgläubiger der Welt machte, was große Umlagerungen in den wechselseitigen Handelsbeziehungen bedingte. Schließlich, und das ist hier von besonderem Interesse, wurden auch die Handelsbeziehungen in ein neues Licht gerückt, zumal sie nicht nur den Warenaustausch, sondern auch darüber hinaus, soweit Schuldnernationen in Betracht kommen, aus dem Kriege stammende Reparationen und Schuldverpflichtungen mit zu tragen haben.

Der Versailler Vertrag insbesondere stellte Deutschland vor einen großen innen- und außenwirtschaftlichen Umlagerungsprozeß, der zunächst einmal irgendwie einzuleiten und durchzuführen war. Deutschlands schwer erarbeitete lebenswichtigste Interessen wurden durch diesen Vertrag auf das gründlichste zerschlagen. Dieser schicksalsschwere Vertrag und seine unerhörten politischen und ökonomischen Bedingungen wurden auch für die künftige wirtschaftliche Entwicklung und die außenwirtschaftlichen Beziehungen Deutsch- [223] lands entscheidend. Die wesentlichsten Bestimmungen auf diesem Felde mögen nachstehend kurz aufgeführt werden, wobei bezüglich des wirtschafts- und finanzpolitisch so wichtigen Abschnitts über die Wiedergutmachungen, also die Tributleistungen (Reparationen) Deutschlands aus dem verlorenen Kriege auf den einschlägigen speziellen Teil dieses Werkes verwiesen sein möge.

Der Teil X, Art. 264-317 des Versailler Vertrages enthält "Die wirtschaftlichen Bestimmungen".2

      Abschnitt I. Art. 264-281:"Handelsbeziehungen", gibt im ersten Kapitel, Art. 264-270, Satzungen über Zollabgaben und Zollbeschränkungen. In Einfuhrsätzen und Einfuhrbehandlungen werden alle Waren der Vertragschließenden auf deutschem Gebiet so gut behandelt wie irgendwelche gleiche Waren irgendeines Staates. Alle Begünstigungen, Befreiungen oder Vorzugsrechte in bezug auf die Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr von Waren, die von Deutschland irgendeinem der alliierten oder assoziierten Staaten oder irgendeinem anderen fremden Land eingeräumt werden, treten gleichzeitig und bedingungslos ohne besonderen Antrag und ohne Gegenleistung für sämtliche Alliierten und Assoziierten Staaten in Geltung (Art. 267). Die Siegerstaaten erhalten damit unbedingte Meistbegünstigung ohne Gegenleistung. Die Handelsverträge der Vorkriegszeit werden nicht wieder in Kraft gesetzt. Mehrjährige Zollfreiheit für die Einfuhr genießen Elsaß-Lothringen, Polen und Luxemburg. Während eines Zeitraumes von 6 Monaten nach Inkrafttreten des Friedensvertrages dürfen keine höheren Sätze, als sie für die Einfuhr nach Deutschland am 31. VII. 1914 galten, in Anwendung kommen. Kapitel 2, Art. 271-273 sichert für die Schiffahrt den Siegern Meistbegünstigung. Kapitel 3, Art. 274 bis 275 enthält Satzungen über den unlauteren Wettbewerb. Kapitel 4, Art. 276 bis 279 über die Behandlung der Staatsangehörigen der Alliierten und Assoziierten Mächte verbietet Ausschlußmaßnahmen, mittelbare Beschränkungen und Sonderbelastungen. Kapitel 5, Art. 280-281, betitelt "Allgemeine Bestimmungen", bringt in seinem ersten Artikel die für Deutschland wichtige Befristung der einseitigen Meistbegünstigung auf 5 Jahre, d. h. bis zum 10. I. 1925.
      Abschnitt II. Art. 282-295 enthält Bestimmungen über die Staatsverträge und kontingentiert die Abmachungen Deutschlands mit den Alliierten und Assoziierten Mächten auf wirtschaftlichem und technischem Gebiet. Die Siegermächte wollen nicht die Wiederinkraftsetzung sämtlicher Verträge gestatten, sondern schreiben grundsätzlich das Außerkrafttreten vor und zählen einzeln auf, was aufrechterhalten bleiben soll.
      Abschnitt III. Art. 296 betrifft die Schulden. Durch Vermittlung von Prüfungs- und Ausgleichsämtern werden die Geldverbindlichkeiten, namentlich solche aus der Vorkriegszeit, geregelt. Es wird bei den Geldverpflichtungen nicht der unmittelbare private Ausgleich zwischen Gläubigern und Schuldnern gestattet, sondern er wird in Ausgleichsämtern zusammengefaßt. In einer Anlage werden Einzelbestimmungen in 25 Paragraphen getroffen.
      Abschnitt IV. Art. 297-298, betitelt "Güter, Rechte und Interessen", will die deutschen Staatsangehörigen wirtschaftlich auf das neuumgrenzte Stammland beschränken. Zu diesem Zweck werden Fortsetzung und Neueinleitung von Kriegsmaßnahmen gegen das deutsche Eigentum und Liquidation den Siegermächten gestattet, andererseits wird die wirtschaftliche [224] Stellung der Angehörigen der Feindstaaten wieder hergestellt und für die Zukunft gesichert. In einer Anlage ist die Liquidation des deutschen Eigentums in 15 Paragraphen des näheren geregelt.
      Abschnitt V. Art. 299-303 erörtert Verträge, Verjährung, Urteile, Vertragsbeziehungen zwischen Deutschland und Angehörigen der Siegerstaaten, die vor Kriegszeit angeknüpft wurden, sollen grundsätzlich gelöst werden. In einer Anlage werden in 24 Paragraphen allgemeine und besondere Bestimmungen für einzelne Vertragsgattungen festgelegt.
      Abschnitt VI. Gemischter Schiedsgerichtshof Art. 304 mit Anhang in 9 Paragraphen und Art. 305. Es werden so viele gemischte Schiedsgerichtshöfe mit Deutschland gebildet, als Alliierte und Assoziierte Staaten vorhanden sind.
      Abschnitt VII. Art. 306-311 handelt vom gewerblichen Eigentum. Es bleibt grundsätzlich beim Rechtszustand der Friedenszeit. Jedoch sind Ausnahmen und Kriegsmaßnahmen der Siegermächte wirksam, ohne daß die Deutschen auf einen Ersatz Anspruch haben.
      Abschnitt VIII. Art. 312: Soziale und staatliche Versicherungen in den abgetretenen Gebieten. Von den Versicherungsrücklagen, die Deutschland in der Arbeiterversicherung angesammelt hat, sind entsprechende Teile zugunsten der aus Deutschland ausscheidenden Bevölkerung abzutreten.


Art. 321-386, Häfen, Wasserstraßen und Eisenbahnen, zerfällt in 6 Abschnitte. Die Vorschriften sollen ebenfalls verhindern, daß Deutschland den Wirtschaftskrieg der Siegermächte mit Gewaltmaßregeln beantwortet.
      Abschnitt I. Art. 321-326: Allgemeine Bestimmungen legen den Grundsatz der Verkehrsfreiheit fest.
      Abschnitt II, im Kapitel 1 Art. 327, die Freiheit der Schiffahrt; im Kapitel 2 Art. 328-330 die Freizonen in den Häfen; Kapitel 3 Art. 331-353 bringt Bestimmungen über Elbe, Oder, Memel und Donau; Kapitel 4 Art. 354-362 über Rhein und Mosel. Die revidierte Rheinschifffahrtsakte v. 17. X. 1868 regelt nach Inkrafttreten des Vertrages wieder den Rheinverkehr; Abänderungen sind eingeleitet. Der Rhein wird "internationalisiert". Art. 335 bricht das seitherige Übergewicht Deutschlands in der "Zentralkommission", die neu zusammengesetzt wird und Vertreter von Nichtuferstaaten: Belgien, England und Italien aufnimmt. Sie besteht darnach aus vier Vertretern deutscher Uferstaaten, vier Vertretern Frankreichs, das außerdem den Vorsitzenden ernennt, je zwei Vertretern der Niederlande, der Schweiz, Großbritanniens, Belgiens. Deutschland hat nach Art. 357 an Frankreich einen Teil der Schlepper und der Schiffe oder Geschäftsanteile an deutschen Rheinschiffahrtsgesellschaften abzutreten. Im Kapitel 5 Art. 363-364 ist der Tschechoslowakei die Benutzung der nördlichen Häfen Hamburg und Stettin innerhalb der Freizonen gewährleistet.
      Abschnitt III. Art. 365-375 handelt von den Eisenbahnen. Kapitel 1 Art. 365-370 gibt die Bestimmungen über internationale Beförderung, die wieder die Meistbegünstigung für die Siegermächte festlegen, aber auch neue Vereinbarungen über den internationalen Reiseverkehr bringen und namentlich die Durchfuhr durch deutsches Gebiet zu gewährleisten haben. Kapitel 2 Art. 370 stellt einheitliche Grundsätze über das rollende Material auf. Kapitel 3 Art. 371 sichert die Abtretung von Eisenbahnlinien auf Kosten Deutschlands. Kapitel 4 Art. 372-375 gibt Bestimmungen über einzelne Eisenbahnlinien. Kapitel 5 Art. 375 bringt Übergangsbestimmungen.
[225]   Abschnitt IV. Art. 376-378 regelt die Entscheidung von Streitigkeiten und Nachprüfung der Bestimmungen mit dauernder Geltung.
      Abschnitt V. Art. 379, überschrieben Sonderbestimmung, zwingt Deutschland, künftig internationalen Abkommen über Verkehrsfragen, die die Alliierten und Assoziierten Mächte mit Zustimmung des Völkerbundes schließen, auch seinerseits beizutreten. Die Bestimmung ist auf 5 Jahre nach Inkrafttreten des Friedensvertrages begrenzt.
      Abschnitt VI. Art. 380-386 bringt Bestimmungen über den Kieler Kanal, ohne den früheren Friedenszustand wesentlich zu verändern.

Es stellte naturgemäß eine überaus schwierige Aufgabe für Deutschland dar, während der Jahre 1919/24 in außenhandelspolitische Beziehungen zu kommen. Wichtige politische und wirtschaftliche Tatbestände reiften zwar zur Entscheidung, aber zu einer verhängnisvollen und katastrophalen. So z. B. die Reparationsfrage, die Zerstörung der deutschen Währung verursacht durch die Ausführung des Versailler Vertrages u. a. m.

Neuordnung und Aufbau der Stellung Deutschlands in dem großen Rahmen der Weltwirtschaft erfolgten also unter dem Drucke des Versailler Vertrages, jenes Instruments, welches eigens für die politische und wirtschaftliche Reorganisation der Welt, also auch Deutschlands, nach dem Kriege ein besonderes Organ in Gestalt des "Völkerbundes" geschaffen hat. Es ist bekannt, daß Deutschland allerdings erst nach längerer Zeit und unter großen Widerständen ein Mitglied dieses Bundes werden konnte.

Eingangs wurde bereits ausgeführt, daß der Bund (Art. 23) als Aufgabengebiet auch die Regelung internationaler wirtschafts- und finanzpolitischer Beziehungen für alle angeschlossenen Nationen übertragen erhielt und der Rat zur Ausführung dieser ihm gestellten Aufgaben sich besondere Fachorgane (die drei bzw. vier Ausschüsse) geschaffen hat.


Wir haben nunmehr eine Darlegung von den großen Arbeiten wirtschaftspolitischer Natur des Völkerbundes zu geben.

Die praktische Ausführung des Versailler Vertrages mußte auf politischem Boden bekanntlich trotz umfassenden und subtilen Notenwechsels durch wiederholte persönlich-diplomatische Auseinandersetzungen versucht werden. Hieraus entwickelte sich ein System besonders gearteter "Konferenzdiplomatie" mit allen ihren Vor- und Nachteilen. Auch das wirtschafts- und finanzpolitische Gebiet mit seinen großen Aufgabenstellungen verlangte schrittweise Versuche zur Verwirklichung der aufgestellten Thesen. Hier wurde vom Völkerbund ebenfalls das System der "Konferenzen" angewandt.

So fand bereits 1919 eine erste internationale Konferenz in Washington (Arbeitskonferenz) statt. Sie diente dem Zweck, die Postulate für eine neue soziale Gerechtigkeit aufzustellen. Es soll- [226] ten ungleiche Arbeitsbedingungen, gestörte wirtschaftliche Beziehungen, Belastungen der verschiedensten Art, welche Elend und Entbehrung erzeugen und damit eine Gefahr für den sozialen Frieden bedeuten, in gemeinsamem internationalen Zusammenwirken beseitigt werden.

Ein zweites Arbeitsgebiet lag in der Reorganisation von Währung und Verkehr. Wenn die Wirtschaft, so argumentierte man richtig, wieder in normale Bahnen kommen soll, so müssen stabile und gesunde Währungen sowie ein über die vielen neuen Grenzen hinweg geordneter zusammenhängender Verkehr gewährleistet sein. Den ersten Teil dieser Aufgabe erhielt die Brüsseler Finanzkonferenz von 1920 gestellt, welche sie dadurch löste, daß sie fundamentale Leitsätze bezüglich der Budgetgestaltung und Währungssanierung aufstellte. Einnahmen und Ausgaben im Haushalt eines jeden Staates sind im Gleichgewicht zu halten; die Notenausgabe, als Grundlage der Währungsgestaltung, ist auf Goldbasis zu stellen und von der öffentlichen Staatsfinanz streng zu scheiden; der internationale Kapitalverkehr und damit die wechselseitigen Kreditbeziehungen sind von allen Hemmnissen zu befreien.

Diese Leitsätze, welche die Richtigkeit der ihnen innewohnenden Gesetze erprobt haben, wirkten in der Tat gut und hatten einen großen Anteil an der Neugestaltung öffentlicher Finanzwirtschaft vieler Staaten Europas und ihrer Gesundung.

Diese Konferenz betonte aber auch, daß die währungs- und finanzpolitische Bereinigung nur ein Stückwerk bliebe, wenn nicht ebenso wichtige wie dringende Arbeiten innerhalb der Wirtschaft selbst gelöst würden. Sie forderte daher bezüglich des internationalen Handels, daß die Wiederherstellung wenigstens des Maßes von wirtschaftlicher Freiheit, das vor dem Kriege bestand, zu erfolgen habe.

Weiterhin beschäftigte sich der Völkerbund bereits praktisch mit der Regelung des Verkehrswesens, um die durch den Krieg verursachte Trennung und Zerrüttung zu beseitigen. Es wurden hier beachtliche Erfolge in Gestalt von drei Abkommen über die schiffbaren Wasserwege, die Freiheit des Transitverkehrs und über die internationale Regelung der Eisenbahn- und Hafenverwaltungen erzielt. (Konferenzen von Barcelona 1921 und Portorose 1922.)

Die bisherigen Versuche, zu einer international umfassenden Regelung der gegenseitigen Wirtschaftsbeziehungen zu kommen, waren erschwert durch jene politischen Konferenzen, welche in Zusammenhang mit der Reparationsfrage standen. Die Reparationsfrage war, wie schon zu dieser Zeit klar erkannt, mit einem geordneten Budget, einer gesicherten Währung und einer ungestört arbeitenden Wirtschaft sowie mit einer selbstverständlichen Freiheit des Handelsverkehrs auf das engste verbunden. In einer außerordentlich großen Zahl [227] von Konferenzen, die von einigen großen Versuchen überschattet sind, wurde in einem unaufhörlichen Auf und Ab das Problem der Reparationen hin und her getrieben und dabei Deutschlands Währung und Wirtschaft immer weiter geschwächt und heruntergeschlagen. Einen ersten Halt auf dieser Vernichtungslinie suchte Deutschland auf der Londoner Konferenz vom Mai 1921 zu gewinnen. Eine tragbare Lösung war jedoch nicht zu erzielen. Es sei des weiteren die Konferenz von Cannes hervorgehoben, welche die Frage der deutschen Leistungsfähigkeit zum ersten Male unter einem internationalen Gesichtspunkt behandelte und der Vorläufer zu der großen Wirtschaftskonferenz des Völkerbundes, derjenigen zu Genua (1922) wurde. Diese letztbezeichnete Konferenz wurde von Deutschland mit großen Hoffnungen begrüßt. Sie stellte in der Tat einige Grundsätze auf, welche späterhin ihre Wirkungen ausüben sollten. Die Konferenz zu Genua erklärte in ihren Empfehlungen, daß es notwendig sei, wirtschaftliche Fragen, wie Zolltarife, die Handelsverträge und Handelshemmnisse, Industriefragen usw., aus der politischen Sphäre heraus in diejenige sachlicher Überlegungen zu überführen; Genua betonte besonders stark, daß der Gedanke internationaler Zusammenarbeit verstärkt und die Schwierigkeiten, die der Krieg hinterlassen hatte, aus dem Wege geräumt werden sollten. Diese speziellen Aufgaben wurden vom Völkerbund, seinem Organ, dem Wirtschaftsausschuß, in Angriff genommen. Verschiedene Spezialkonferenzen suchten die Materie zu fördern. So seien z. B. aufgeführt: Vereinfachung der Zollformalitäten, die Frage der Abschaffung der Ein- und Ausfuhrverbote und -beschränkungen, Statistiken und andere technische Einzelprobleme.

Recht bald jedoch wurde erkannt, daß bei dem sachlichen Zusammenhang aller dieser Einzelfragen doch der Versuch einer umfassenden Wirtschaftskonferenz unternommen werden sollte, welche die Grundlagen für die Arbeiten zur Beseitigung der Folgen des Krieges stellen müßte. Der Völkerbund nahm diesen Gedanken auf. Er ließ ihn zunächst durch ein besonderes vorbereitendes Komitee behandeln. In zwei Tagungen während des Jahres 1926 (April-Mai und November-Dezember) wurden durch dieses vorbereitende Komitee die Tagesordnungen für die große Konferenz, ihre Zusammensetzung und der Zeitpunkt ihres Zusammentreffens festgelegt. Der Völkerbundrat nahm den Vorschlag des Komitees an und die große internationale Wirtschaftskonferenz fand im Mai 1927 zu Genf statt. Die Konferenz vereinigte 50 Staaten, darunter auch die Vereinigten Staaten von Amerika, Sowjetrußland und Türkei; 194 Delegierte und 157 Sachverständige waren versammelt. Deutschland war auf der Konferenz durch fünf Delegierte vertreten: Eggert, Vorstandsmitglied des Allgemeinen Gewerkschaftsbundes, Hermes, Reichsminister a. D., [228] Lammers, M.d. R., Karl Friedrich von Siemens, Trendelenburg, Staatssekretär.

In drei großen Arbeitsgruppen hat die internationale Wirtschaftskonferenz an der Hand wohlvorbereiteter Materialien, die überwiegend von Deutschland gestellt waren, die wirtschaftspolitischen Aufgaben in Angriff genommen. Ganz besonders bei dieser Konferenz zeigte sich die Bedeutung der materiellen Mitwirkung eines Wirtschaftsstaates wie Deutschland. Für das industrielle Gebiet konnten ganz besonders umfangreiche und wertvolle Materialien beschafft werden, bei deren Herstellung Deutschland mit seinen vielfältigen industriellen Organisationen der Konferenz die umfassendsten Grundlagen für weite Erkenntnismöglichkeiten bot.

Zwei Fragen standen im Mittelpunkt des Interesses: einmal die Handelspolitik, welche unter der großen Fragenstellung: "Senkung der Zolltarife und Erleichterung der Handelsbeziehungen" stand, sowie die Industrie, die unter dem Gesichtswinkel der Kartellierung betrachtet wurde. In dem dritten, dem landwirtschaftlichen Komitee, wurden verschiedene Teilgebiete herausgeschält, die sich zur internationalen Behandlung eignen.

Es würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen, wollte über den Verlauf der Konferenz und ihre Ergebnisse hier ausführlich berichtet werden.3 Der Präsident der Konferenz legte in seiner Schlußansprache in klarer und zutreffender Weise das Ergebnis und die künftige Arbeitsrichtung des Völkerbundes auf wirtschaftspolitischem Gebiete dar. Nachstehend möge daher diese Rede im Ausschusse zur näheren Unterrichtung kurz wiedergegeben werden:

      "Der Zweck der Konferenz war, wie sich aus der ursprünglichen Entschließung der Völkerbundsversammlung ergibt, ein doppelter. Sie mußte nicht nur um das Wohlergehen, sondern auch um den Frieden der Welt bemüht sein. Dies war nicht nur ein besonderer Punkt der Tagesordnung, sondern darüber hinaus ein Gesichtspunkt, der nach dem Willen der Völkerbundsversammlung während der Erörterung der einzelnen Probleme dauernd im Auge behalten werden sollte. Wirtschaftliche Konflikte und Meinungsverschiedenheiten über wirtschaftliche Interessen sind vielleicht von allen Gefahren, die den Weltfrieden bedrohen können, die bedeutsamsten und nachhaltigsten. Keine Einrichtung zur Beilegung internationaler Streitigkeiten kann zuverlässig wirken, wenn sich die Wirtschaftspolitik der Welt so entwickelt, daß nicht nur scharfe wirtschaftliche Interessengegensätze zwischen den verschiedenen Gruppen der Weltbevölkerung geschaffen werden, sondern auch ein Gefühl unerträglicher [229] Benachteiligung und Ungerechtigkeit entsteht. Keine Aufgabe ist wichtiger und dringender als die, eine Übereinstimmung über gewisse Grundsätze der Politik herbeizuführen, die im Interesse des künftigen Friedens notwendig sind. Es gibt vielleicht keine Frage, der im Verhältnis zu ihrer wirklichen Bedeutung so wenig sorgfältige und gemeinsame Erörterungen gewidmet worden sind. Eine einzelne Konferenz kann nur einen Anfang mit der Lösung dieser Aufgabe machen; das letzte Ergebnis aber ist nicht zu übersehen.
      Die Konferenz hat wiederum, wie die Brüsseler Konferenz von 1920, die Aufmerksamkeit auf die schweren Lasten der Rüstungsausgaben gelenkt, die eine drückende Besteuerung zur Folge haben, durch welche das wirtschaftliche Leben der verschiedenen Staaten beeinträchtigt und die Lebenshaltung herabgesetzt wird. Die Konferenz gibt der ernsten Erwartung Ausdruck, daß die Bemühungen, durch Abkommen zwischen den Staaten eine Begrenzung und Einschränkung der Rüstungen herbeizuführen, Erfolg haben.
      Sodann kommt eine Entschließung, in der die Konferenz feststellt, daß sie, auch bei unbedingter Ablehnung jeder Einmischung in politische Fragen, »in der Teilnahme von Mitgliedern aller vertretenen Länder ohne Rücksicht auf die Verschiedenheit ihrer Wirtschaftssysteme ein glückliches Vorzeichen für eine friedliche wirtschaftliche Zusammenarbeit aller Völker sieht«.
      Schließlich stellt die Konferenz fest, daß die erfolgreiche Durchführung der Grundsätze, über die sie sich verständigt hat, »nicht nur von dem guten Willen der Regierungen und Behörden, sondern auch von der Unterstützung durch eine wohlunterrichtete öffentliche Meinung in der ganzen Welt abhängt«.
      Ich komme nun zum zweiten Punkt der Tagesordnung, der in drei Hauptabschnitte: Handel, Industrie und Landwirtschaft eingeteilt war.
      Der Grundgedanke, von dem die Arbeiten der Handelskommission ausgingen und der im Lauf der Erörterungen mit wachsender Stärke in den Vordergrund trat, ist, der Welt wieder mehr Freiheit zu geben, nachdem sie bisher durch viele Hemmnisse beengt war, die aus dem Kriege und seinen Folgen sowie aus irrtümlichen wirtschaftlichen Vorstellungen stammten. Gleichzeitig machte sich das Empfinden geltend, daß die Nationen in dieser Hinsicht voneinander abhängig sind und daß die Maßnahmen, die verschiedene Länder durchgeführt haben, auf die Politik der anderen Länder eine nachteilige Rückwirkung ausüben.
      Im ersten Kapitel des Abschnitts »Handel« werden von der Konferenz zunächst unter der allgemeinen Überschrift »Freiheit des Handels« - ein Ausdruck, der nicht mit »Freihandel« verwechselt werden darf, sondern alle Maßnahmen umfaßt, die dazu dienen sollen, den internationalen Handel von künstlichen Beschränkungen und Hemmnissen zu befreien - eine Reihe von Empfehlungen ausgesprochen. Hier gibt die Konferenz der Hoffnung Ausdruck, daß die für nächsten November vom Völkerbund nach Genf einberufene diplomatische Konferenz zu einer tatsächlichen Beseitigung der bestehenden Ein- und Ausfuhrverbote und -beschränkungen kommen möge. Sie verurteilt die Gewährung von besonderen Befreiungen und Privilegien an staatlich kontrollierte Unternehmungen, die diese instand setzen, mit privaten Unternehmungen in unlauteren Wettbewerb zu treten. Sie befürwortet und ermutigt die vom Wirtschaftsausschuß des Völkerbundes bereits in Angriff genommenen Arbeiten zur Beseitigung zahlreicher Hemmnisse des internationalen Handels. Schließlich empfiehlt die Konferenz, eine Übereinkunft über die wirtschaftliche und steuerechtliche Behandlung von Ausländern und ausländischen Unternehmungen vorzubereiten, für die wertvolles Material in dem Bericht der Internationalen Handelskammer beigebracht ist.
      Die Kommission nahm dann die Frage der Zolltarife auf; sie unterschied [230] zwischen ihrer Form und ihrem Inhalt, d. h. der tatsächlichen Höhe der Einfuhrzölle. In bezug auf die Form anerkennt die Konferenz einstimmig das Bedürfnis, die Zolltarife möglichst zu vereinfachen, eine systematische Zollnomenklatur zu schaffen, deren Benutzung alsdann durch internationale Abkommen zu regeln wäre. Sie empfiehlt ferner, die Tarife zu stabilisieren und dadurch einen für Industrie und Handel besonders nachteiligen Faktor der Beunruhigung zu beseitigen und schließlich eine möglichst loyale Anwendung der Zolltarife sicherzustellen.
      Der wichtigste Gegenstand der Arbeiten der Kommission war natürlich die Frage der Höhe der Tarife, die mit derjenigen der Handelsverträge eng verknüpft ist.
      Das wesentliche Ergebnis der Erörterungen auf diesem Gebiet ist die Erklärung der Konferenz, daß »die Zeit gekommen ist, um der Erhöhung der Zolltarife ein Ende zu machen und die entgegengesetzte Richtung einzuschlagen«. Um dies Ziel zu erreichen, wird empfohlen, in folgenden drei Richtungen vorzugehen: zunächst einseitiges Vorgehen der einzelnen Staaten auf dem Gebiet ihrer eigenen Tarife; dann zweiseitiges Vorgehen durch den Abschluß geeigneter Handelsverträge; schließlich gemeinsames Vorgehen im Wege einer Enquête der Wirtschaftsorganisation des Völkerbundes, mit dem Ziel, den internationalen Handel auf gerechter Grundlage durch Beseitigung oder Abbau der Schranken zu fördern, die übertriebene Zolltarife ihm entgegensetzen.
      Als ein bemerkenswerter Fortschritt in der allgemeinen Einstellung zum Zolltarifproblem kann die Tatsache angesehen werden, daß diese Frage trotz ihrer grundlegenden Bedeutung für die Wirtschaft jedes einzelnen Staates nicht mehr ausschließlich als Angelegenheit der nationalen Souveränität angesehen worden ist, sondern als eines derjenigen Probleme, für die paralleles und gemeinsames Vorgehen der verschiedenen Länder möglich und wünschenswert ist. Jede Nation kann sich danach bewußt sein, daß die Zugeständnisse, die von ihr verlangt werden, durch entsprechende Opfer von seiten der anderen Nationen ausgeglichen werden. Wie der Bericht der Kommission ausführt, wird dann jedes Land seine Aufmerksamkeit auf die vorgeschlagenen Maßnahmen richten können, nicht nur unter dem Gesichtspunkt seiner eigenen Lage, sondern auch, weil es an dem Erfolg des von der Konferenz aufgestellten allgemeinen Planes interessiert ist.
      Um den Leitgedanken einer Herabsetzung der Zölle gruppieren sich andere Fragen, die ihn ergänzen und geeignet sind, seine Durchführung zu beschleunigen und zu vervollständigen.
      So verurteilt die Konferenz das Verfahren, eingeführte Waren durch differentielle innere Abgaben zu belasten, und erklärt, daß, da der freie Austausch von Rohstoffen für die gesunde Entwicklung des Welthandels wesentlich ist, Ausfuhrzölle so niedrig sein sollten, wie es die fiskalischen Erfordernisse oder außerordentliche und zwingende Umstände gestatten, und daß sie unter keinen Umständen diskriminieren dürfen.
      In der Überzeugung, daß die Wiederherstellung des Systems langfristiger Handelsverträge notwendig ist, und in der Erkenntnis, daß dieses System auf die gegenseitige Gewährung der unbedingten Meistbegünstigung aufgebaut werden muß, empfiehlt schließlich die Konferenz, diesen Begriff im weitesten und liberalsten Sinne auszulegen.
      Die Wirtschaftsorganisation des Völkerbundes sollte die Möglichkeit prüfen, eine Normalformel für Handelsverträge und einheitliche Grundsätze für die Auslegung und den Geltungsbereich der Meistbegünstigungsklausel aufzustellen.
      Schließlich empfiehlt die Konferenz den Staaten, zu beachten, daß es wertvoll ist, in ihren Handelsverträgen die Entscheidung von Streitfragen über die Aus- [231] legung oder Anwendung des Vertrages durch ein Schiedsgericht oder durch Überweisung an den Ständigen Internationalen Gerichtshof vorzusehen.
      Es gibt gewisse indirekte Mittel, den nationalen Handel und die nationale Schiffahrt zu schützen. Obgleich sie einen weniger unmittelbaren Einfluß auf die Entwicklung des Handels ausüben als die eben erörterten Grundprobleme, so verdienten doch Fragen wie die Gewährung von Subsidien, Dumping und Diskriminierung im Transportwesen die Aufmerksamkeit der Konferenz. Gewisse Grundsätze wurden festgelegt, welche, ohne bestimmte Lösungen anzugeben - was durch die Gegensätzlichkeit der Meinungen äußerst erschwert wurde -, immerhin geeignet erscheinen, die öffentliche Meinung über die wahre Natur und die unvermeidlichen Folgen der fraglichen Maßnahmen aufzuklären.
      In dem Bericht über die Industrie beginnt die Konferenz mit einer kurzen Darlegung der Schwierigkeiten, mit denen die wichtigsten Industrien von internationaler Bedeutung gegenwärtig in gewissen Teilen der Welt zu kämpfen haben.
      Die Konferenz sah als das Hauptproblem die Frage an, wie die Kosten ohne Schädigung der Verbraucher und der Arbeiter vermindert werden könnten. Zu diesem Zweck wurden behandelt:
      1. die Rationalisierung unter ihren verschiedenen Gesichtspunkten,
          und in Zusammenhang damit
      2. internationale Kartellierung und
      3. die Sammlung und der Austausch von Informationen.
      Der Bericht zählt im einzelnen die Ziele der Rationalisierung auf und erklärt, daß sie mit Vorsicht durchgeführt werden müsse, damit nicht die berechtigten Interessen der Arbeiter geschädigt werden. Die Konferenz empfiehlt daher, daß je nachdem Regierungen, öffentliche Institutionen, Wirtschaftsorganisationen und die öffentliche Meinung die Produzenten anregen sollten, die Ermittlung der besten Methoden und Ergebnisse der Rationalisierung und der wissenschaftlichen Betriebsführung sowie der Normung zu fördern. Dabei sollen die kleinen Betriebe nicht außer acht gelassen und den Maßnahmen zur Förderung der sozialen Wohlfahrt besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden.
      Der Bericht wendet sich sodann der Frage der industriellen Kartelle zu, die neuerdings aufmerksame Beachtung gefunden hat und über die sich bei der Erörterung in der Konferenz ein gewisser Widerstreit der Ansichten kundgab. Die Konferenz hat über diesen Punkt keine grundsätzliche Entschließung gefaßt, sie erkennt jedoch an, daß die Entwicklung des Kartellwesens eine Erscheinung darstellt, die zu begrüßen oder zu beklagen ist je nach dem Geiste, in dem die Kartelle gegründet und geleitet werden und nach dem Grade, in dem sich die führenden Persönlichkeiten von der Rücksicht auf das Gemeinwohl leiten lassen. Kartellierung kann nicht als das allein wirksame Mittel gegen die Ursachen der heutigen wirtschaftlichen Wirren betrachtet werden; aber sie kann innerhalb gewisser Grenzen dazu dienen, die Organisation zu verbessern und die Produktionskosten zu vermindern. Durch Hintanhaltung unwirtschaftlichen Wettbewerbs und Verminderung der Konjunkturschwankungen können sie die Arbeitsgelegenheit gleichmäßiger gestalten und dem Verbraucher Nutzen bringen. Andererseits kann die Kartellierung Gefahren heraufbeschwören, wenn sie monopolistische Bestrebungen und ungesunde geschäftliche Methoden fördert.
      Die Konferenz betont daher, daß Kartelle nicht zu einer künstlichen Preissteigerung führen noch die Zufuhr von Rohstoffen oder lebenswichtigen Bedarfsgegenständen nach einzelnen Ländern beschränken noch ohne zureichen- [232] den Grund die verarbeitenden Industrien der verbrauchenden und der erzeugenden Länder oder anderer in ähnlicher Lage befindlichen Länder unterschiedlich behandeln dürfen. Ferner sollen sie weder die gegenwärtige Lage der Produktion noch die Verteilung der Industrien auf die Dauer festlegen.
      Es wird kein bestimmtes System zur Überwachung der Kartelle empfohlen, und den Regierungen, die Maßnahmen zur Regelung der Kartelle in ihrem Lande treffen, wird geraten, die günstigen Wirkungen, die aus solchen Vereinbarungen entspringen können, nicht zu beeinträchtigen. Während die Verschiedenheit der nationalen Überwachungsmaßnahmen ein Hindernis für die Errichtung eines internationalen Systems bildet, ist die Konferenz der Ansicht, daß Publizität eines der besten Mittel ist, um dem Überhandnehmen von Mißbräuchen vorzubeugen. Sie empfiehlt daher, der Völkerbund solle die Tätigkeit und die Wirkungen internationaler Übereinkommen mit Aufmerksamkeit verfolgen und alle erheblichen Tatsachen von allgemeinem Interesse sammeln und veröffentlichen.
      Schließlich betont die Konferenz besonders die Wichtigkeit einer systematischen Sammlung genauer Informationen, und zwar sowohl vom Standpunkt der Leiter der Industrie als von dem des Publikums. Genaue Statistiken sollten sowohl für die grundlegenden Weltindustrien als auch für die Hauptindustrien jedes Landes in solcher Weise beschafft werden, daß die Zusammenstellung von Mengenindizes für die industrielle Produktion möglich ist.
      Die Wirtschaftsorganisation des Völkerbundes sollte versuchen, internationale Abkommen über die Begriffe, die Methoden und den Umfang der industriellen Statistik herbeizuführen und sollte das beschaffte statistische Material über Rohstoffe, Produktion usw. vergleichen, während das Internationale Arbeitsamt die Löhne, Arbeitszeit, Beschäftigungsgrad usw. zu behandeln hätte.
      Ferner sollte die Wirtschaftsorganisation über die industrielle Entwicklung, die Rohstofffrage und die Veränderungen, die sich in Produktion und Handel vollziehen, allgemeine Berichte, Spezialuntersuchungen und Ausarbeitungen vornehmen lassen.
      Zum erstenmal war auf dieser Konferenz die Landwirtschaft Seite an Seite mit Industrie und Handel so vertreten, daß sie in einer allgemeinen Schilderung der Weltwirtschaftslage gebührend berücksichtigt werden konnte. Aus dem der Konferenz zur Verfügung stehenden Material ergibt sich, daß das Mißverhältnis zwischen den Preisen der landwirtschaftlichen Erzeugnisse und der Industrieprodukte Ursache einer allgemeinen Depression in der Landwirtschaft ist, die, wenn keine Besserung eintritt, zu einer Verminderung der landwirtschaftlichen Produktion führen kann.
      Das wichtigste Ergebnis der Erörterungen über die Landwirtschaft ist vielleicht die Feststellung, daß Landwirtschaft, Industrie und Handel entscheidend voneinander abhängig sind; daß man, nach den Worten des Berichts, »nicht annehmen darf, ein Teil könne sich unabhängig von den beiden anderen einer dauernden Prosperität erfreuen«.
      Die Konferenz ist der Ansicht, daß die ersten Schritte zur Verbesserung der Lage der Landwirtschaft von den Landwirten selbst getan werden müssen durch allgemeine Annahme besserer technischer Methoden, durch eine wissenschaftlich stärker fundierte Organisation, durch Ausdehnung der internationalen Bekämpfung von Pflanzen- und Tierkrankheiten und durch Genossenschaftsbildung und Einrichtung von Kreditinstituten. Mit Bezug auf die genossenschaftliche Bewegung betont die Konferenz die Wichtigkeit direkter Beziehungen zwischen den Produzenten- und Konsumentenverbänden.
      Die Kreditschwierigkeiten, unter denen die Landwirtschaft in vielen Ländern leidet, können nur durch Schaffung von nationalen Kreditanstalten, wo [233] solche noch nicht bestehen, oder durch Erweiterung der schon bestehenden Institute mit oder ohne Hilfe der Behörden überwunden werden. Die Konferenz empfiehlt, die Frage zu untersuchen, ob eine Internationale Organisation zur Vermehrung der Mittel für den landwirtschaftlichen Kredit praktisch durchführbar ist oder nicht.
      Bei einigen der obengenannten Maßnahmen müssen die privaten Bemühungen durch Eingreifen der Regierung ergänzt werden. Von gesetzgeberischen Maßnahmen empfiehlt die Konferenz die Ausdehnung der Sozialgesetzgebung auf die landwirtschaftliche Bevölkerung; dabei würde jedoch eine besondere Anpassung an die ländlichen Verhältnisse notwendig sein.
      In Übereinstimmung mit den im Bericht über den Handel ausgesprochenen Grundsätzen betont die Konferenz, daß die Beseitigung der den freien Verkehr der landwirtschaftlichen Erzeugnisse entgegenstehenden Hemmnisse vorteilhaft sein würde, soweit dadurch nicht die Lebensinteressen der einzelnen Länder oder ihrer Arbeiter gefährdet werden. Wo eine protektionistische Politik in gewissem Grade aufrechterhalten wird, sollte man dafür sorgen, daß ein billiger Ausgleich zwischen Industrie und Landwirtschaft getroffen und nicht ein Teil zugunsten des anderen belastet wird.
      Die Konferenz empfiehlt ferner den Ausbau der landwirtschaftlichen Statistik, besonders auf Grundlage eines genau festgesetzten Systems landwirtschaftlicher Buchführung, und unter Berücksichtigung des Viehbestandes und der tierischen Erzeugnisse. Sie empfiehlt weiterhin, daß eine allgemeine Untersuchung über die gegenwärtige Lage und die Möglichkeiten einer Hebung der Landwirtschaft angestellt wird, wobei der Hebung der Landwirtschaft der eingeborenen Bevölkerung in den Kolonien besondere Aufmerksamkeit zu widmen wäre.
      Eine besondere Untersuchung würde anzustellen sein über den Bestand und die Ausbeutung von Wäldern und Forsten mit Rücksicht auf die Notwendigkeit, den regelmäßigen Bedarf der Industrie zu decken.
      Im Hinblick auf die gegenseitige Abhängigkeit der Landwirtschaft einerseits und Industrie und Handel andererseits ersucht die Konferenz den Völkerbund, dafür zu sorgen, daß bei den bestehenden oder noch zu bildenden Organisationen zum Studium wirtschaftlicher Fragen die landwirtschaftlichen Interessen im Verhältnis zu ihrer wirtschaftlichen und sozialen Bedeutung vertreten sind."

Es ist nicht möglich, sämtliche Gebiete aufzuzählen, welche der wirtschaftliche Fachausschuß des Völkerbundes und sein beratendes Organ bereits bearbeitet haben. Um jedoch eine Vorstellung von der Gesamtmaterie zu erhalten, sollen hier einige der wichtigsten Arbeiten hervorgehoben und dabei gleichzeitig der Stand ihrer Behandlung gekennzeichnet werden.

Um den ebenso elementaren wie wichtigen Grundsatz der Handelsfreiheit einer Verwirklichung nahe zu bringen, wurde nach langwierigen Konferenzen und Verhandlungen eine Konvention zur Beseitigung der Ein- und Ausfuhrbeschränkungen und -verböte entworfen.

Das Thema der Ein- und Ausfuhrverbote beschäftigte den Völkerbund bereits seit längerer Zeit. Auf der Brüsseler Finanzkonferenz von 1920, der Tagung von Portorose (1921) und der großen politischen Konferenz von Genua des Jahres 1922 standen die als lästig [234] empfundenen Verbote zur näheren Erörterung. Im Jahre 1924 wurde alsdann auf Vorschlag Italiens angeregt, daß der Völkerbundsrat und Wirtschaftsausschuß sich mit der Möglichkeit einer internationalen Vereinbarung über die Abschaffung der Handelsverbote befassen sollten. Auf Grund dieser Anregung entwickelte sich ein Meinungsaustausch zwischen den Mitgliedsstaaten und dem Generalsekretariat des Völkerbundes, auf Grund dessen im Jahre 1925 der Wirtschaftsausschuß vom Rat beauftragt wurde, einen konkreten Entwurf für ein Abkommen auszuarbeiten. Nach längeren Verhandlungen kam es zur Aufstellung eines Abkommens.

In diesem Abkommen (8. November 1927) wird die Verpflichtung der Signatarstaaten zur Abschaffung der Ein- und Ausfuhrverbote ausgesprochen, soweit nicht besondere Ausnahmen zugelassen sind, die sich rechtfertigen; so durch dem Handel übergeordnete Interessen, sowie zeitweise durch außerordentliche Umstände. Außerdem wurden im Hinblick auf die besondere Lage gewisser Staaten für eine Übergangszeit gewisse, ausdrücklich festgelegte Ausnahmen zugelassen, denen aber keine außerordentliche Bedeutung zukommt.

Das Inkrafttreten des Abkommens ist abhängig von der Ratifikation durch 18 Staaten. Der Zeitpunkt des Inkrafttretens ist der 1. Januar 1930. Nach 6 Monaten müssen die Aus- und Einfuhrverbote abgeschafft werden.

Unterzeichnet haben bisher 29 Staaten; Ratifikation erfolgte nur durch Belgien; eine Vorlage entsprechender Gesetzentwürfe ist lediglich in Deutschland und der Schweiz erfolgt. Frankreich, Groß-Britannien, Holland, Österreich, Dänemark usw. bereiten eine solche Vorlage zur Ratifizierung vor. Der Wirtschaftsausschuß drängt auf Ratifikation durch alle Regierungen, damit die Konvention in kürzester Zeit in Kraft tritt. Damit hätte der Völkerbund unzweifelhaft eine ausgezeichnete Arbeit gestellt und eines der störendsten Elemente aus dem internationalen Handelsverkehr in wirksamer Weise beseitigt. Die direkten Verbote im zwischenstaatlichen Handelsverkehr - eine Erscheinung der Kriegs- und Nachkriegszeit - würden ausgeschlossen sein.

An zweiter Stelle ist die Konvention zur Vereinfachung der Zollförmlichkeiten (Mai 1928) anzuführen. Sie wurde von 28 Staaten gezeichnet und ratifiziert; mehrere Staaten jedoch stehen noch aus.

Im Zusammenhang hiermit ist alsdann der Entwurf einer Vereinheitlichung der Zollnomenklaturen zu nennen.

Die Bestrebungen auf Schaffung eines international einheitlichen Zolltarifschemas fanden ihren Ausgangspunkt in dem Bedürfnis nach einer einheitlichen statistischen Erfassung des internationalen Warenaustausches. Man erkannte schon früh, daß ohne eine gute Handels- [235] statistik eine gute Außenhandelspolitik nicht möglich ist. Die Außenhandelsstatistiken der einzelnen Staaten sind untereinander vielfach nicht vergleichbar. Auch dort, wo sie einander entsprechen oder sich ergänzen sollten, liefern sie von einander abweichende Ergebnisse.

Die Weltwirtschaftskonferenz empfahl dem Völkerbundsrat, die geeigneten Schritte zu ergreifen, um eine methodische Zollnomenklatur auf Grund eines allgemeinen, alle Warengruppen umfassenden Planes aufzustellen; der Rat erteilte diese Aufgabe dem Wirtschaftsausschuß. Entsprechend der Entscheidung des Rats wurden fünf Sachverständige, die den Ländern Deutschland, Frankreich, Italien, Belgien und der Tschechoslowakei angehören, einberufen.

Die Sachverständigen hatten bereits im Herbst 1927 einen Vorentwurf für eine Zollnomenklatur aufgestellt. Sie haben diesen Entwurf auf Grund der zahlreichen Abänderungsvorschläge, die die Wirtschaftskreise und die Regierungen angeregt hatten, im Juni 1928 überprüft und umgearbeitet. Der neue Entwurf ist veröffentlicht.4

Der aufgestellte Rahmenentwurf in seiner neuesten Fassung zerfällt in 21 Sektionen und 86 Kapitel.

Sektion I enthält in fünf Kapiteln die lebenden Tiere und die tierischen Erzeugnisse, Sektion II in neun Kapiteln die pflanzlichen Erzeugnisse, Sektion III in einem Kapitel die tierischen und pflanzlichen Fettstoffe, Sektion IV in neun Kapiteln die Erzeugnisse der Nahrungsmittelgewerbe, Getränke und Tabak, in Sektion V schließen sich in drei Kapiteln die mineralischen Rohstoffe an, Sektion VI behandelt in acht Kapiteln die chemische Industrie im weitesten Sinne, Sektion VII in drei Kapiteln Felle und Häute, Leder, Pelzwerk und Waren daraus, Sektion VIII in einem Kapitel Kautschuk und Kautschukwaren, Sektion IX in drei Kapiteln Holz, Kork und Waren daraus, sowie Flechtwaren, Sektion X in drei Kapiteln Papier und Papierwaren, Sektion XI in acht Kapiteln die Textilien, Sektion XII in vier Kapiteln Schuhwaren, Hüte, Regen- und Sonnenschirme sowie Modeartikel, Sektion XIII in drei Kapiteln Stein-, Ton- und Glaswaren, Sektion XIV in zwei Kapiteln Edelmetalle, Perlen, Edelsteine und Münzen, Sektion XV in neun Kapiteln unedle Metalle und Waren daraus, Sektion XVI in zwei Kapiteln Maschinen und Apparate, elektrotechnisches Material, Sektion XVII in drei Kapiteln die Beförderungsmittel, Sektion XVIII in drei Kapiteln Optik, Feinmechanik, Uhren, Musikinstrumente, Sektion XIX in zwei Kapiteln Waffen und Munition. Die Sektion XX (vier Kapitel) mit der Überschrift "Verschiedene Waren und Erzeugnisse, anderweit nicht inbegriffen" enthält in Kapitel 82 die Waren aus Schnitz- und Formerstoffen, in Kapitel 83 Bürstenwaren, Pinsel und Siebmacherwaren, in Kapitel 84 Spiele, Spielzeug, Christbaumschmuck und Sportartikel, in Kapitel 85 sonstige Waren aus verschiedenen Stoffen. Die letzte Sektion XXI (ein Kapitel) behandelt die Kunst- und Sammlungsgegenstände.

Bei der Aufstellung der Musternomenklatur handelt es sich um wichtige wirtschaftliche Fragen. Hier handelt es sich nicht allein um [236] die rein technische Frage einer Erleichterung des Handelsverkehrs und der Handelsvertragsverhandlungen, wenn dieselben Waren unter die gleiche Definition, unter die gleiche Zolltarifposition in den verschiedenen Ländern gebracht werden. Die Bedeutung der Frage geht sehr viel weiter; sie reicht bis in den Fabrikationsprozeß hinein. Bei der Verschiedenheit der Zolltarifnomenklatur, wie sie jetzt ist, muß jedes Land, um der Ausfuhrware in allen Ländern das Optimum der Zollbelastung zu sichern, eine besondere Konstruktion oder eine besondere Ausstattungsart wählen. Das spielt namentlich bei zusammengesetzten Waren eine sehr starke Rolle und bestimmt den Handelsverkehr der Länder in materieller Hinsicht. Denn die Interessen jeder einzelnen Wirtschaft und jedes einzelnen Landes sind bei den verschiedenen Waren sehr unterschiedlich.

Mit dieser Vereinheitlichung soll gleichzeitig auch der übergroßen und weiter fortschreitenden Spezialisierung Einhalt getan werden. In den deutsch-französischen Handelsvertragsverhandlungen wurde über einige Tausend verschiedene Tarifpositionen verhandelt. Das bisherige deutsche Tarifsystem hatte insgesamt 2300 Positionen. Frankreich hatte mit 4371 Positionen schon bei dem alten Tarif stärker spezialisiert, durch den neuen Tarif ist dort die Zahl der Positionen inzwischen auf gegen 6000 gestiegen. Andere Beispiele sind noch wesentlich ungünstiger. Jede Tarifverhandlung unter den Staaten wird einfach unmöglich, wenn die Spezialisierung der Zolltarife immer weiter um sich greifen sollte.

Der Nomenklaturentwurf hat die Schemata aufgestellt; sie werden nur noch in Einzelheiten beraten. Hiernach wird der Entwurf zur diplomatischen Konferenz und anschließend zur Ratifikation durch die Regierungen gestellt.

Auch die Behandlung der Ausländer und der fremden Unternehmungen (Niederlassung) in den Staaten ist in die Gestalt eines Entwurfs eines internationalen Übereinkommens gebracht. Der Entwurf befaßt sich mit der rechtlichen Behandlung und anderen Verhältnissen, wie freie Ausübung der Berufe und Handwerkstätigkeiten der bereits zugelassenen Fremden, allerdings nicht mit der schwierigen Frage der Zulassung. Die vorläufige Fassung ging den Regierungen zu.

Von nicht minder großer Bedeutung ist das Protokoll vom 24. September 1923 über die Handelsschiedsgerichtsbarkeit. In diesem Abkommen sollen sich die Staaten verpflichten, die Schiedssprüche zwischen ihren Angehörigen in Handelsstreitigkeiten anzuerkennen, die ordentliche Gerichtsbarkeit auszuschließen und den Vollzug vorzunehmen. Die Zusatzvereinbarung über die Vollziehung von Schiedssprüchen, die nicht im Vollzugsland ergangen sind, steht zur Zeichnung offen und ist bisher von 30 Staaten gezeichnet.

[237] Schließlich möge noch der Konventionsentwurf zur Vereinheitlichung des internationalen Scheck- und Wechselrechts aufgeführt werden, der den Regierungen bereits zugegangen ist. Er versucht - unter Ablehnung einer Vereinheitlichung des anglo-sächsischen und des kontinentalen Systems - eine Festlegung wesentlicher Grundzüge für ein einheitliches Wechsel- und Scheckrecht. Ferner sind zwei Zusatzentwürfe über die Beilegung von Rechtskonflikten aufgesetzt.

Zwei letzte große Fragen der allgemeinen Handelspolitik, mit denen sich der Wirtschaftsausschuß sehr beschäftigt hat, bleiben aufzuführen, und zwar: die Feststellung der Richtlinien für allgemein gültige Handelsvertragsmethoden, einschließlich der sehr wichtigen Frage über eine einheitliche Meistbegünstigungsklausel, und die Möglichkeit einer generellen Senkung des Zolltarifniveaus.

Auf dem ersten wichtigen Arbeitsfelde hat der Ausschuß nach eingehenden Studien Berichte und Vorlagen (genaue Formulierungen) an den Völkerbundsrat gelangen lassen.

Im Rahmen der Studien, welche der Ausschuß auf Grund der Empfehlungen der Wirtschaftskonferenz in Genf unternommen hat, konnte er dem Rat im Juni 1928 die Ergebnisse seiner Arbeiten über den ersten Teil seines Programms, bezüglich der Tarifsysteme und der Vertragsmethoden vorlegen. Im Januar 1929 legte er dem Rat das Ergebnis gründlicher Untersuchungen bezüglich der Meistbegünstigungsklausel in Zollsachen vor.5

Die Arbeiten, die sich auf die bestehenden Tarifsysteme beziehen, haben im Ausschuß zwar eine einheitliche Auffassung zutage treten lassen, jedoch auch gezeigt, daß es praktisch unmöglich ist, der Ungleichheit der angewandten Systeme ein Ende zu machen.

Bei dem Studium dieser Frage und der anderen Ansichten der Handelspolitik entstand ein Konflikt zwischen zwei Auffassungen und zwei Methoden, die in Europa nebeneinander bestehen. Die eine, zentraleuropäische Auffassung vertritt die Meinung, daß Tarife Verhandlungen unterworfen und auf vertraglichem Wege herabgesetzt werden können, die andere Auffassung, welche hauptsächlich die der angelsächsischen Länder ist, betrachtet die Tarife als Maßnahmen innerer Art, die keiner Anpassung auf vertraglichem Wege unterworfen werden können.

Kontinental-Europa hat im wesentlichen spezifische Zölle, und zwar ein Konventionalsystem, das heißt ein System, bei dem Zoll- [238] sätze, die zunächst autonom festgestellt werden, nachher in den Handelsvertragsverhandlungen auf ihr endgültiges Niveau herabgesetzt oder doch gebunden werden. Frankreich hatte ein System starrer Zölle in Form eines Doppeltarifs. Aber es hat in dem deutsch-französischen Handelsvertrag vom August 1927 dem System der übrigen Kontinentalländer doch wesentliche Zugeständnisse gemacht, indem es sich bereit erklärte, über seine eigenen Zollsätze zu verhandeln. Frankreich ist also auf einem Wege begriffen, der sich dem Konventionalsystem der übrigen europäischen Länder anpaßt. England und die Vereinigten Staaten haben ein starres System bei z. T. sehr hohen Zollsätzen.

Bezüglich der Tarifsysteme hat der Bericht des Ausschusses sich dahin ausgesprochen, daß die Staaten allein über die Höhe ihrer Zollsätze verhandeln und deren Herabsetzung bzw. Bindung auf vertraglichem Wege anzustreben haben.

Die Staaten sollten jedoch darauf verzichten, die nach diesem System herkömmlichen Tarife in Kraft zu setzen, ohne vorher in Verhandlungen eingetreten zu sein, auf Grund deren die Tarife in Übereinstimmung mit den Interessen der anderen Länder gebracht werden können.

Die Staaten sollten weiterhin sich verpflichten, nach Abschluß der Verhandlungen ihre Tarifsätze nachzuprüfen, um zu den Modifikationen zu gelangen, die notwendig sind, um die Tarifsätze in Einklang mit den auf vertraglichem Wege erreichten Herabsetzungen zu bringen.

Bezüglich der Vertragsmethoden erklärt der Bericht, daß der Verhandlungsspielraum, soweit möglich, auf ein maßvolleres Verhältnis zurückgeführt werde, und zwar derart, daß er den Handelsvertragsverhandlungen eine notwendige Bewegungsfreiheit läßt, sie aber nicht zu einem unerträglichen Feilschen entarten läßt; daß Tarifverhandlungen ganz allgemein der Tarifanwendung vorausgehen sollten, um zu vermeiden, daß Tarife, die im Hinblick auf Verhandlungen erhöht worden sind, nicht den internationalen Handel belasten, bevor sie durch Verhandlungen ermäßigt worden sind; daß die Tarife in weitem Maße gebunden werden und daß die Verträge langfristig genug abgeschlossen werden; daß die Praxis der Verhandlungstarife nicht die Anwendung von langfristigen Tarifen ausschließt.

Zur Frage der "Meistbegünstigung" enthält der Bericht des Wirtschaftsausschusses:

  • die Grundsätze, die anscheinend angewandt werden müssen hinsichtlich des Anwendungsgebiets dieser Klausel in Zollsachen, die Art und Weise ihrer Anwendung
  • sowie die Ausnahmen, die die Klausel normalerweise einschließt.

[239] Ferner enthält der Bericht ein Musterformular, das von den Staaten bei ihren zweiseitigen Vereinbarungen (den Handelsverträgen) benutzt werden kann.

Die Meistbegünstigungsklausel bedingt das Recht zur Forderung und die Pflicht zur Gewährung aller Herabsetzungen von Zöllen und Abgaben und jedweder Begünstigung, die dem meistbegünstigten Staate eingeräumt sind, mögen diese Herabsetzungen und Begünstigungen sich aus (autonomen) Maßregeln oder aus Vereinbarungen mit dritten Staaten ergeben.

In die Handelsverträge wurde sehr oft die bedingte Meistbegünstigungsklausel aufgenommen oder die Klausel hat eine bedingende Auslegung erhalten, und zwar zu dem Zweck der Gewährleistung, daß eine Herabsetzung der Zölle, die einem bestimmten Lande als Gegenwert für einen besonderen Vorteil eingeräumt wurde, einem dritten Lande nur im Austausch gegen entsprechende oder gleichwertige Zugeständnisse gewährt wird.

In einer ausführlichen gutachtlichen Begründung umschreibt der Ausschuß das Anwendungsgebiet der Klausel (so den aktiven und passiven Veredelungsverkehr), die Kennzeichen der Waren, denen die Vorzugsklausel zugute kommen soll (Ursprungszeugnisse usw.) und schließlich die wichtigen Ausnahmepunkte von der Klausel. Die Formel selbst stellt das Ergebnis aller dieser Überlegungen dar. Sie möge wegen ihrer Bedeutung hier wörtlich aufgeführt werden:

  1. "Die vertragschließenden Teile bewilligen sich gegenseitig die unbedingte und unbeschränkte Meistbegünstigung für alles, was die Zollsätze, alle Nebenabgaben und die Art der Zollerhebung betrifft, sowie für die Vorschriften, Förmlichkeiten und Gebühren, denen die Zollmaßnahmen unterworfen werden können.
  2. Somit werden die Natur- oder Gewerbeerzeugnisse jedes vertragschließenden Teiles in obiger Hinsicht keinesfalls anderen oder höheren Zöllen, Abgaben oder Gebühren oder anderen lästigeren Vorschriften und Förmlichkeiten unterworfen werden als denen, welchen die gleichartigen Erzeugnisse irgendeines dritten Landes zur Zeit unterworfen sind oder etwa künftig unterworfen werden.
  3. Ebenso werden die Natur- oder Gewerbeerzeugnisse, die jeder der vertragschließenden Teile aus einem Gebiet des anderen Teiles einführt, in derselben Hinsicht keinesfalls anderen oder höheren Zöllen, Abgaben oder lästigeren Vorschriften und Förmlichkeiten unterworfen als denen, welchen die gleichen für das Gebiet irgendeines anderen Landes bestimmten Erzeugnisse unterworfen sind.
  4. Alle Vorteile, Begünstigungen, Vorzugsrechte und Befreiungen, die in der erwähnten Beziehung von einem der vertragschließenden Teile in irgendeinem anderen Lande erzeugten oder für das Gebiet irgendeines anderen Landes bestimmten Natur- oder Gewerbeerzeugnissen zur Zeit oder etwa künftig gewährt werden sollten, werden unverzüglich und ohne Gegenleistung auf die gleichartigen Erzeugnisse angewandt, die im Gebiet des anderen Teils erzeugt oder für das Gebiet des anderen Teils bestimmt sind. [240]
  5. Ausgenommen von den in diesem Artikel genannten Verpflichtungen sind jedoch die Begünstigungen, die anderen benachbarten Staaten zur Erleichterung des Grenzverkehrs gewährt sind oder künftig gewährt werden können, sowie diejenigen Begünstigungen, die sich aus einer Zollunion ergeben, die eins der vertragschließenden Teile bereits geschlossen hat oder künftig schließen könnte."

In der Frage einer generellen Zollsenkung hat der Wirtschaftsausschuß sich dahin beschränkt, ihre Anwendungsmöglichkeit bei zwei Produkten des näheren zu untersuchen, einmal beim Aluminium und alsdann beim Zement.

Die generelle Senkung der Aluminiumzölle in allen beteiligten Ländern wurde auf deutsche Anregung zur Erörterung gestellt. Das Sekretariat des Völkerbundes hat im Auftrage des Wirtschaftsausschusses bei den in Frage stehenden Staaten eine Umfrage gehalten, welche als Ergebnis zum Teil eine Zustimmung, zum anderen Teile eine geringe Neigung erkennen ließ. Einige Staaten haben es abgelehnt, diese Frage zu behandeln, indem sie darauf verwiesen, daß eine privatwirtschaftliche Verständigung der in Frage kommenden Aluminium erzeugenden Länder bestehe und auch beibehalten sowie ausgedehnt würde. In dieser sehr schwierigen Frage kam der Wirtschaftsausschuß bisher zu keinem positiven Vorschlag. Er setzt zunächst seine Studien fort.

Auch beim Zement ist ein konkreter Vorschlag bezüglich einer generellen Zollsenkung nicht aufgestellt. Die Umfrage, welche der Wirtschaftsausschuß bei den Regierungen veranstaltete, ergab lediglich allgemeine Unterrichtungsmaterialien.

Ihrem Charakter nach stellen sich diese Studien des Wirtschaftsausschusses zunächst lediglich als Versuche dar, eine allgemeine Erkenntnis über die Möglichkeiten genereller Zollsenkungen zu bekommen.

Neben dem großen Gebiete der allgemeinen Handelspolitik begann der Völkerbund in den letzten zwei Jahren auch die Industrie- sowie Landwirtschaftsprobleme zu behandeln. Allerdings ist es hier nicht sehr leicht, auch zu konkreten Vorschlägen und damit zu internationalen Abkommen zu gelangen. Immerhin sind beachtliche Vorergebnisse auf wichtigen Arbeitsfeldern erzielt. So in erster Linie auf dem Gebiete der statistischen Unterrichtung über die tatsächlichen Erscheinungen und Vorgänge auf dem gesamtwirtschaftlichen Gebiete.

Nach längeren Vorarbeiten gelang es, den Entwurf eines Abkommens über die Wirtschaftsstatistiken zustande zu bringen und hierfür die Zustimmung der Mehrzahl aller beteiligten Staaten bereits zu erhalten.

Das Abkommen enthält: eine bindende Verpflichtung, bestimmte [241] Arten von Wirtschaftsstatistiken zu bestimmten oder zu beliebigen Terminen zu veröffentlichen; eine bindende Verpflichtung, die Aufbereitung internationaler Handelsstatistiken nach bestimmten allgemeinen Grundsätzen vorzunehmen; die Anerkennung gewisser Leitsätze für die Aufstellung von Fischereistatistiken, Statistiken über bergbauliche Produktion, für die Berechnung von Indexziffern über den industriellen Beschäftigungsgrad und für die Anlage der landwirtschaftlichen oder industriellen Produktionszählungen; eine Bestimmung über die Einsetzung eines Ausschusses von technischen Sachverständigen, welcher die Grundsätze und Abmachungen der Konvention prüfen, verbessern und erweitern soll; Bestimmungen über die Einberufung einer künftigen Konferenz, falls die Hälfte der unterzeichnenden Parteien sie fordern sollte.

Der Entwurf enthält außerdem einen Vorschlag zur Erzielung einer besseren Vergleichbarkeit von Statistiken jener Länder, deren vollkommenere und kompliziertere Wirtschaftsstruktur detailliertere Angaben nötig erscheinen läßt, als vernünftigerweise von der Mehrzahl der Staaten gefordert werden konnte.

Die Staaten werden verpflichtet, über die folgenden elementaren Sachverhalte laufend Statistiken zu veröffentlichen: Werktätige Bevölkerung, landwirtschaftliche und gewerbliche Betriebe, industrielle Produktion, internationalen Warenverkehr und Preisbewegung. Darüber hinaus hat das Abkommen besondere Statistiken für die Industrie vorgeschrieben, die für die Verfolgung der Industriewirtschaft in der Welt bei richtiger Anwendung von hohem Wert werden können. So die Mineral- und metallurgischen Statistiken, die periodischen industriellen Produktionszählungen, Indexzahlen über den industriellen Beschäftigungsgrad u. a. m.

In der Frage der Internationalen Kartelle sind die beiden Wirtschaftsausschüsse darum bemüht, zunächst eine Analyse über die Natur, wirtschaftliche Bedeutung der überstaatlichen Kartelle, eine Sammlung der Statuten und Gesetzgebungen zu gewinnen. Hierbei gibt es gewisse Schwierigkeiten zu überwinden, um die notwendigen Unterrichtungen über den inneren Aufbau, die Funktionen und die Gesamtorganisation internationaler Kartelle zu erhalten. Daher werden zunächst die Entwicklung der Organisationsformen internationaler Kartelle und das Gesamtgebiet der Rechtsgestaltung durch die Ausschüsse und besondere Sachverständige untersucht.

Diese Vorarbeiten des Sekretariats dienen lediglich der Aufgabe, die bisherige Materialsammlung zu erweitern, auf der alsdann ein erster Bericht über die internationalen Kartelle aufgestellt werden soll, und zwar über ihre Natur und die Entwicklung ihrer Prinzipien, hinsichtlich des geltenden Rechts in den verschiedenen Ländern, sowohl [242] was die Gesetzgebung selbst angeht, als auch ihre Auslegung und verwaltungsmäßige Anwendung.

Ein neues Arbeitsfeld erschlossen sich beide Ausschüsse in der Untersuchung international besonders schwer ringender Industrien, so z. B. der Kohle und des Zuckers.

Zunächst wurden auch hier Materialien über die Kohlenindustrie gesammelt und Sachverständige gehört. So die technischen und wirtschaftlichen Sachverständigen von produzierenden und konsumierenden Ländern, Vertreter von Unternehmern und der Arbeiterschaft.

Bei der Zuckeruntersuchung wurden verschiedene Gutachten eingeholt. Von Deutschland und anderen Staaten wurden Sachverständige vernommen. Welche praktischen Folgerungen in Gestalt von Empfehlungen u. dgl. schließlich gezogen werden können, bleibt noch abzuwarten.

Ein verhältnismäßig neues Gebiet für die Ausschüsse des Völkerbundes stellt die Landwirtschaft dar. Der Völkerbund beschränkt sich hier zunächst darauf, zu empfehlen, die Beziehungen zwischen dem Sekretariat des Völkerbundes und dem internationalen Agrarinstitut in Rom auszugestalten. Durch ein Abkommen (1928) findet eine Zusammenarbeit zwischen den beiden Organen statt und erstreckt sich auf alle Unterrichtungsgegenstände bezüglich der Landwirtschaft. Bei besonderen Arbeiten findet jeweils eine Verständigung statt.

Der Völkerbund selbst hat gemäß den Empfehlungen der Weltwirtschaftskonferenz die Arbeiten über den Seuchenschutz durch zwei Enquêten vorwärts gebracht. In einer ersten Enquête wurden von den interessierten Staaten Unterlagen zusammengestellt, die einen Aufschluß über die Organisation ihrer Veterinäranlagen erteilen.

Nach Prüfung der Sicherheiten, welche die exportierenden Länder geben könnten, wurden in einer zweiten Enquête die Erleichterungsmöglichkeiten bezüglich der Vieheinfuhr geprüft, welche die einführenden Länder auf der Grundlage dieser Garantien stellen können. Die vorbereitenden Arbeiten hierüber sind im Gange.

Bezüglich der Kontrolle des Exportfleisches werden besondere technische Sachverständige berufen, um eine Formel aufzustellen. Der Völkerbund hofft hier Konventionsentwürfe vorlegen zu können.

Auch der Pflanzenkrankheiten nehmen sich beide Institute an. In einer besonderen Konferenz (1929) soll eine neue Konvention für den Pflanzenschutz ausgearbeitet werden, welche diejenige von 1914 ersetzen soll.


Im Gesamteindruck sehen wir, daß die beiden Wirtschaftsausschüsse des Völkerbundes auf dem handelspolitischen und industriewirtschaftlichen Gebiet eine Reihe von positiven Arbeiten inter- [243] nationaler Geltung und Anwendungsmöglichkeit stellen konnten; auf landwirtschaftlichem Arbeitsfelde beginnt der Völkerbund im Hinblick auf die allgemein zutage getretene internationale Agrarkrisis stärker als vordem tätig zu werden. Auch hier können nach und nach auf einzelnen Gebieten internationale Abkommen erzielt werden. Die Präponderanz der Arbeiten der beiden Wirtschaftsausschüsse auf handelspolitischem Gebiet ist dadurch zu erklären, daß die Handelspolitik von Natur aus für eine internationale Behandlung geeignet ist und hierfür auch bereits Ansätze in der Vorkriegszeit zeigte. Das Instrument des Handelsvertrages ist das vorzüglichste Instrument, um die wirtschaftspolitische Annäherung unter den Völkern in einer ausgeglichenen Form anzubahnen und die Stabilität des wechselseitigen Waren- und Menschenverkehrs zu gewährleisten. Daher kommt es auch, daß zahlreiche Staaten in Genf auf diesem Gebiete ihre Vertreter in positivem Sinne arbeiten lassen. Dies gilt insbesondere auch von Deutschland. In alle Ausschüsse und Spezialkomitees für die gekennzeichneten wirtschaftspolitischen und technischen Fragen entsendet Deutschland hervorragende Vertreter, welche durch Materialien und eigene sachliche Erkenntnisfähigkeit dazu beitragen, diese Arbeiten des Völkerbundes und seiner Organe zu fördern.

Es ist natürlich schwer, unmittelbare praktische Nutzwirkungen aus den bisherigen internationalen Arbeiten des Völkerbundes auf wirtschaftlichem Boden nachzuweisen. Trotzdem sind diese Arbeiten zu begrüßen, da sie tatsächlich geeignet sind, die verschiedensten durch den Krieg und seine Folgen erzeugten Reibungsflächen zu beseitigen, Gegensätzlichkeiten und Widerstände auf ein Mindestmaß herabzuführen und so z. T. direkt und auch indirekt für die Förderung und Erleichterung des Handels und allgemeinen Wirtschaftsverkehrs beizutragen. Wenn die Unsicherheit ganz besonders im Wirtschaftsverkehr der europäischen Staaten nach und nach beseitigt wird, so haben der Völkerbund und mit ihm seine Ausschüsse sich unzweifelhaft ein großes Verdienst erworben.

Für jeden Staat und so auch für Deutschland ist es von einem gewissen Nutzen, an den Arbeiten der Wirtschaftsausschüsse und ihren Kommissionen nach Kräften mitzuwirken. Diese Arbeit ist oft nicht leicht, weil auf internationalem Arbeitsfelde, im freien Vertragsverkehr kein Land seine spezifischen Wünsche und Thesen immer vollkommen durchsetzen kann. Ganz besonders auch Deutschland nicht, welches noch immer eine Sonderstellung einnimmt, wenn wir die einengenden Bestimmungen des Versailler Vertrages beachten. Immerhin ist nicht zu verkennen, daß die positive Mitarbeit Deutschlands an der Gestaltung wichtiger wirtschaftstechnischer und wirtschaftspolitischer Arbeiten, welche über die nationalen Grenzen der einzelnen Länder hinausgehen, von allen anderen beteiligten Nationen hoch veran- [244] schlagt wird und auch für unsere Wirtschaft selbst förderlich sein kann. Aus diesem Grunde gaben auch bisher die deutschen amtlichen und privatwirtschaftlichen Organisationen stets und in entgegenkommender Weise ihre wertvolle Hilfe den Delegationen, die in Genf an den einzelnen Wirtschaftsarbeiten gestaltend mitwirken. Deutschland kann und soll sich nicht aus der großen Aufgabe, für die zwischenstaatliche wirtschaftliche Verständigung einzutreten, herausstellen. Eine gesunde und stabile internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit zu pflegen, geht zum besten aller beteiligten Staaten, kommt auch den einzelnen beteiligten Gliedern, also auch Deutschland und seiner Wirtschaft, zugute.

Die verschiedenen gekennzeichneten wirtschaftspolitischen Arbeiten sollen mit dazu dienen, die mannigfachen Schäden beseitigen zu helfen, welche durch den Versailler Vertrag in vollkommener Verkennung der natürlichen Wirtschaftsbedingungen erzeugt wurden und noch fortwirken. Es ist eine, wenn auch wenig beachtete Wahrheit, daß die Wirtschaft in der Welt eine in gegenseitiger Abhängigkeit stehende Gemeinschaft ist, in welcher das Wohlergehen eines jeden Mitgliedes an das Wohlergehen des anderen gebunden ist. Die letzte Zielsetzung internationaler wirtschaftspolitischer Arbeit kann nur darin liegen, die Interessen der Länder, welche wechselseitig ihre erzeugten Güter austauschen, in einer loyalen und toleranten Weise miteinander auszugleichen, alles zu tun, was die ökonomischen Beziehungen stärkt und fördert.

Wenn der Völkerbund und seine Organe hier entgegen allen möglichen Widerständen vorwärts arbeiten, um gemäß dem Statut unter den Nationen einen geordneten und loyalen Wirtschaftsverkehr herzustellen und aufrechtzuerhalten, so werden sie das Vertrauen und damit auch die Anerkennung, welche sie verdienen, von allen Staaten, nicht zuletzt auch von Deutschland, erringen.

Seite zurückInhaltsübersichtnächste
Seite


1Vgl. auch Heft 39 (Juni 1928) der Veröffentlichungen des Reichsverbandes der Deutschen Industrie: "Der Beratende Wirtschaftsausschuß des Völkerbundes (Comité Consultatif Économique)", vorgelegt von C. Lammers, M. d. R. ...zurück...

2Entnommen aus dem Handbuch der Staatswissenschaften, IV. Bd., "Friedensverträge", Seiten 410-528. ...zurück...

3Für ein weitergehendes Studium der einzelnen Reden in den Vollversammlungen und den Debatten in den Kommissionssitzungen sowie für ein Studium der Materialien der Konferenzen und Beschlüsse sein verwiesen auf das Werk: Die internationale Wirtschaftskonferenz des Völkerbundes zu Genf. Von Konsul Dr. E. Respondek, Carl Heymanns Verlag, Berlin 1927. ...zurück...

4Vgl. Heft 41 (Oktober 1928) der Veröffentlichungen des Reichsverbandes der Deutschen Industrie: "Beiträge zur Frage der Aufstellung eines internationalen Zolltarifschemas." Vorgelegt von Ministerialrat Dr. Seidel. ...zurück...

5Vgl. Heft 45 der Veröffentlichungen des Reichsverbandes der Deutschen Industrie: "Arbeiten des Völkerbundes zur Reform der handelspolitischen Methoden." ...zurück...

Seite zurückInhaltsübersichtnächste
Seite

Zehn Jahre Versailles
in 3 Bänden herausgegeben von
Dr. Dr. h. c. Heinrich Schnee und Dr. h. c. Hans Draeger