Bd. 7: Die Organisationen der Kriegführung,
Zweiter Teil:
Die Organisationen für die Versorgung des
Heeres
Kapitel 4: Das Nachschubwesen
der Marine
und die Ausrüstung von
Hilfskriegsschiffen (Forts.)
Vizeadmiral Bernhard Rösing
A. Nachschubwesen der Marine.
Forts.
4. Versorgung der Auslandskreuzer.
Die deutschen Auslandskreuzer befanden sich von Kriegsbeginn an in einer
besonders schwierigen Lage. Völlig abgeschnitten von der Heimat, ohne
Stützpunkte oder Verbündete mußten sie sich einzig und allein
auf die hohe See stützen und, soweit ihnen nicht das Kriegsglück
geeignetes Beutegut zuführte, ihre Zufuhren aus neutralen Ländern
an sich heranziehen. Als Zufuhrschiffe mußten ihnen die in der Welt
verstreuten deutschen Handelsschiffe dienen, etwa 1000 an der Zahl, meist
schöne, große und sehr gut im Stand gehaltene Dampfer mit
vorzüglich ausgebildeten und disziplinierten Besatzungen. Von diesen
Schiffen möglichst viele in ihre Gewalt zu bringen, war von vornherein das
eifrigste Bestreben der Feinde.
Zum Glück hatte die drahtlose Telegraphie kurz vor dem Kriege so
große Fortschritte gemacht, daß es möglich war, fast alle auf
See befindlichen deutschen Schiffe von der drohenden Kriegsgefahr und dem
Ausbruch des Krieges zu benachrichtigen. Im Frühjahr 1914 war die
Großstation Kamina in Togo fertiggestellt worden, die in wechselseitiger
Verbindung mit Nauen und Norddeich stand. Sie konnte den Verkehr mit Duala in
Kamerun, Windhuk in Südwestafrika und Tabora in Deutschostafrika
vermitteln. In der Südsee konnten von der Karolineninsel Yap aus, dem
Landepunkt des deutsch-niederländischen Kabels, die Nachrichten drahtlos
nach Rabaul, der Residenz des Gouvernements von Neuguinea, und über
Nauru nach Apia, dem Regierungssitz der Samoainseln weitergegeben werden.
Die ostasiatischen Gewässer bis weit in den Stillen Ozean hinein wurden
von Tsingtau
beherrscht. Die Großstationen Nauen und Eilvese
überbrückten den Atlantischen Ozean und unterhielten Verbindung
mit ihren amerikanischen Gegenstationen Sayville auf Long Island bei New York
und Tuckerton in New Jersey. Alle diese Großstationen sowie die mit
starken Apparaten ausgerüsteten Auslandskreuzer gaben die
Kriegsnachrichten mit größter Energie weiter. Das Funkenpersonal
der Handelsschiffe war durch Friedensübungen darauf erzogen, alle
wichtigen Nachrichten untereinander auszutauschen. Die Kapitäne der
größeren Liniendampfer hatten außerdem vom Admiralstab ein
Signalbuch erhalten, so daß die Kreuzerkommandanten chiffriert mit ihnen
verkehren konnten. So war es fast allen in See befindlichen, [293] mit drahtloser
Telegraphie versehenen deutschen
Dampfern - und es gab wenige, die dieses Nachrichtenmittel noch nicht
besaßen - möglich, sich den feindlichen Verfolgungen zu
entziehen und in neutrale Häfen zu retten. Von etwa 3,2 Millionen
Bruttoregistertonnen deutschen Schiffsraums, die zu dieser Zeit in
außerheimischen Gewässern schwammen, wurden nicht mehr als
200 000 t auf hoher See aufgebracht, und zwar meistens solche
Schiffe, die keine Funkenstation an Bord hatten.
Viele dieser Schiffe hatten aufregende Fahrten zu bestehen. Große
Anforderungen wurden an die Entschlußkraft der Kapitäne und die
Ausdauer der Besatzungen gestellt. Englische und französische Kreuzer
beobachteten die Haupthandelsstraßen und die Einfahrten großer
Hafenplätze wie New York, Buenos Aires, Rio de Janeiro und Lissabon.
Eine Reihe von deutschen Dampfern entgingen der Aufbringung nur mit knapper
Not. Großes Aufsehen erregte damals die Fahrt des Schnelldampfers
"Kronprinzessin Cecilie". Er war am 28. Juli mit etwa 1200 Passagieren von New
York abgefahren und sollte am 2. August in Plymouth eintreffen, um über
Cherbourg nach Bremerhaven weiterzufahren. Als am 31. Juli die Schiffahrt
gewarnt wurde, entschloß sich die Direktion des Norddeutschen Lloyds, den
wertvollen Dampfer durch drahtloses Telegramm zur Umkehr zu veranlassen, da
anzunehmen war, daß feindliche Kriegsschiffe bereitlagen, um sofort nach
Kriegsausbruch das hervorragend zum Hilfskreuzer geeignete Schiff abzufangen.
Der Schiffsführer, Kapitän Polack, konnte aus aufgefangenen
Funksprüchen entnehmen, daß vor New York ein französischer
Kreuzer lag und steuerte daher eine wenig besuchte Reede in der
Frenchman-Bucht im Staate Maine an, wo er am 4. August abends ankerte.
Die Gegner erreichten ihren Zweck, das Schiff der Verfügung der
deutschen Marine zu entziehen, aber auf anderem Wege, indem sie gegen den
Norddeutschen Lloyd eine Klage wegen Nichtbeförderung einer Summe
von 10 Millionen Dollars in Gold, die für englische und französische
Empfänger an Bord war, anstrengten. Das Schiff wurde für die Dauer
des Verfahrens von dem amerikanischen Gericht mit Beschlag belegt. Der
Prozeß wurde durch die verschiedenen Instanzen so lange hingezogen,
daß er bei der amerikanischen Kriegserklärung im Frühjahr
1917 noch nicht beendet war.
Ein anschauliches Bild von der Lage im Nordatlantischen Ozean, wie sie sich
für die deutschen Dampfer ergab, bietet folgender Bericht eines Offiziers
des Dampfers "Bohemia" der Hamburg-Amerika-Linie:
"»Bohemia«
verließ den Hamburger Hafen am 30. Juli. Beim Passieren der Straße
von Dover sichteten wir die vollständige englische Kriegsflotte. Ein
Telegramm der Hamburg-Amerika-Linie dahingehend, daß wir Norden um
Schottland fahren sollten, erreichte uns erst in der Mitte des Kanals. Auf der
Höhe von Plymouth erhielten wir die Nachricht von der
Kriegserklärung Deutsch- [294] lands an
Rußland, in der folgenden Nacht von der an Frankreich. Dreißig
Meilen südlich von Queenstown erhielten wir Kenntnis von der
Kriegserklärung Englands an Deutschland und dampften deshalb
nördlich des Tracks nach Westen zu. Das Schiff wurde sofort mit den
Farben der White-Star-Linie versehen und ferner der Name »Iowa«
(der frühere englische Schiffsname) gewählt, beheimatet in
Liverpool. Die Reise verlief bis ungefähr auf der Höhe von Kap Race
ohne besondere Zwischenfälle. Wir sichteten allerdings ostwärts
laufende Dampfer, deren Nationalität aber nicht ausgemacht werden
konnte. Auf der Höhe von Cap Race wurden die
F.-T.-Signale der Kreuzer »Suffolk« und »Essex«
vernommen, die ihre Positionen zwei englischen Dampfern mitteilten. Wir
änderten hierauf unseren Kurs direkt nach Süden, um die Dampfer
rechtwinklig zu schneiden, beschlossen dann, uns der Küste der
Vereinigten Staaten auf etwa 120 Meilen zu nähern und
während der Nacht diese Zone zu durchlaufen, um innerhalb der
Dreimeilengrenze zwischen Philadelphia und New York das Land zu gewinnen.
Dies gelang uns auch vollständig. Wir fuhren während der ganzen
Zeit abgeblendet und dampften während der letzten Nacht, in welcher uns
das Wetter einigermaßen begünstigte, durch zwei amerikanische
Geschwader. In der Bucht von New York lagen vier englische Kriegsschiffe.
Eines derselben wünschte von uns drahtlos eine Antwort, die ihm
natürlich nicht erteilt wurde. Nachdem wir innerhalb der Dreimeilengrenze
bei Barnagat Feuer angelangt waren, fuhren wir dicht an der Küste bis nach
Ambrose Channel Feuerschiff unmittelbar hinter dem Kreuzer
»Suffolk«, der den White-Star-Dampfer »Celtic« nach
New York brachte. Während der Einfahrt wurde, nachdem Ambrose
Channel passiert war, sofort der englische Name entfernt und zur Verwunderung
der Engländer die deutsche Flagge gehißt. Somit erreichte das Schiff
ohne weitere Begebenheiten den Hafen von New York."
Noch größer waren die Schwierigkeiten für viele Schiffe, die
im Südatlantischen, Indischen und Stillen Ozean von der Kriegsnachricht
überrascht wurden. In den unbefestigten Häfen der deutschen
Kolonien konnten sie keinen Schutz finden. Soweit sie dort blieben, fielen sie
bald den feindlichen Kreuzern in die Hände. Sie mußten daher weite
Fahrten über See machen, um neutrale Häfen zu erreichen. Vielfach
fehlten ihnen dabei die Seekarten für die von ihrem gewöhnlichen
Reiseweg weit abgelegenen Küstengewässer, und die Kapitäne
mußten sich zur Ansteuerung der Häfen mit Skizzen behelfen, die
nach großen Übersichtskarten und gedruckten Segelanweisungen
oder auch nur nach einem zufällig an Bord befindlichen Handatlas und dem
Leuchtfeuerverzeichnis hergestellt worden waren. Auf manchen Dampfern
wurden die Sorgen dadurch erhöht, daß der Kohlenvorrat für
die lange Fahrt nicht genügte, so daß die Ladung zum Heizen der
Kessel herangezogen werden mußte. So berichtete Kapitän Minssen
vom Lloyddampfer "Pommern", der am 3. August kurz vor Sydney kehrt machte,
daß er nur durch Verbrennen von 1380 Sack Kopra [295] Honolulu erreichen
konnte. Ähnlich erging es dem Dampfer "Goldenfels" der Bremer
Hansa-Linie. Das Schiff hatte auf der Heimreise im Golf von Aden den Kreuzer "Königsberg" getroffen und Kohlen an ihn abgegeben. Der Kapitän
des Schiffes berichtet über die Weiterfahrt:
"15. August. Heute Nachmittag
verließen den Ankerplatz und dampften nach See. Die Lage ist ernst. Ich
hoffe jedoch durchzukommen und einen neutralen Hafen zu erreichen. Port
Mozambique ist vorläufig unser Reiseziel. Der Kohlenvorrat ist
beschränkt und genügt nicht für die 2500 Seemeilen lange
Strecke, teilweise gegen stürmische südliche Winde und hohen
Seegang. Nach gründlicher Überlegung faßte ich den
Entschluß, von der Ladung zu verbrennen. An Bord befinden sich
17 000 Sack Kopra, zusammen mit Kohle ein gutes Brennmaterial, wie wir
durch Versuche festgestellt hatten.
16. August. Stürmischer Wind aus südlicher
Richtung, sehr hohe bewegte See. Schiff stampft und arbeitet heftig, Fahrt
dementsprechend gering. Abends beschlossen, Weiterfahrt nach Mozambique
aufzugeben und einen Hafen an der Westküste Sumatras anzulaufen. Die
Gründe waren folgende: Geringer Fortgang gegen Wind, Strom und
Seegang, unser geringer Kohlenvorrat und das mir bekannte Vorhandensein von
englischen Kreuzern an der ostafrikanischen Küste."
Usw.
Nach langer Fahrt konnte das Schiff am 27. August in den Hafen von Sabang auf
Sumatra einlaufen.
Die an der westafrikanischen Küste befindlichen Schiffe retteten sich nach
südamerikanischen Häfen, wobei sie sich auf hoher See gegenseitig
mit Kohlen aushalfen.
Als ein Beispiel dafür, wie die Kapitäne auch sonst bestrebt waren
einander zu helfen, sei ein Vorfall erwähnt, der sich in der Nähe der
Kanarischen Inseln abspielte. Dort traf der Dampfer der
Hamburg-Amerika-Linie "Macedonia", Kapitän Künstler, die
Viermastbark "Pamir" der Reederei C. F. Laeiscz in Windstille
treibend und ohne Nachricht vom Ausbruch des Krieges. Da dem Kapitän
des Dampfers bekannt war, daß sich ein englischer Kreuzer in der
Nähe befand, nahm er das Segelschiff in Schlepp, bis es wieder
genügend Wind hatte, und übergab ihm eine Hafenkarte des Hafens
von Santa Cruz, den es noch kurz vor dem Eintreffen des Engländers
erreichen konnte.
Größer als durch Aufbringen auf hoher See war die Beute, die
Deutschlands Gegner durch Beschlagnahme der bei Kriegsausbruch in ihren
Häfen liegenden Schiffe machten. Von diesen fielen etwa 300 mit einer
Gesamttonnage von 650 000 Bruttoregistertonnen in ihre Hände.
Zum Teil wurde dies dadurch erreicht, daß den Schiffen durch
Verzögerung ihrer Abfertigung seitens der Hafenbehörden das
rechtzeitige Auslaufen unmöglich gemacht wurde. In russischen
Häfen, vor denen bereits am 25. Juli mit Legen von Minensperren
begonnen worden war, wurde schon am 30. Juli, also drei Tage vor der
deut- [296] schen
Kriegserklärung den deutschen Schiffen das Auslaufen verweigert. Selbst
vor Anwendung militärischer Gewalt schreckten die Russen nicht
zurück. Der Dampfer "Greif", Kapitän C. Stöhwase, der
Stettiner Reederei Rud. Christ. Gribel, dem es am 31. Juli noch gelungen war,
einen finnischen Hafen zu verlassen, wurde am selben Tage vor Reval von drei
russischen Kreuzern mit scharfen Schüssen angehalten, und mußte in
einer benachbarten Bucht unter Bewachung ankern, wo dem Kapitän am
Morgen des 2. August eröffnet wurde, daß Deutschland in der
vergangenen Nacht an Rußland den Krieg erklärt hätte und das
Schiff infolgedessen beschlagnahmt würde.
Großbritannien beging einen offenkundigen Vertragsbruch, um vierzehn in
die Häfen des Suezkanals geflüchtete erstklassige deutsche Dampfer
in seinen Besitz zu bringen. Artikel 1 des Vertrags von Konstantinopel
betreffend den freien Gebrauch des Suezkanals vom 29. Oktober 1888
enthält die Festsetzung, daß "die hohen Vertragsmächte
übereinkommen, gegen den freien Gebrauch des Kanals in
Kriegs- und Friedenszeiten nichts zu unternehmen". Trotzdem wurden unmittelbar
nach der Kriegserklärung Englands am 4. August auf allen in den neutralen
Kanalhäfen liegenden deutschen und
österreichisch-ungarischen Dampfern wichtige Teile aus den Maschinen
herausgenommen. Am 13. Oktober wurden die Schiffe von ägyptischem
Militär besetzt und aufgefordert, die Häfen zu verlassen. Als die
Kapitäne sich weigerten, ließen die Hafenbehörden durch
eigenes Personal die Maschinen wieder instand setzen und die Dampfer
außerhalb der Dreiseemeilengrenze bringen. Dort wurden sie von
englischen Kriegsschiffen erwartet und nach peinlich genauer Erledigung der
Formalitäten aufgebracht und nach Alexandria überführt.
Wenn die Engländer die formelle Verantwortung für die
vertrags- und völkerrechtswidrige Behandlung der Schiffe auch auf die
ägyptischen Behörden abgeschoben haben, so ist doch bekannt
genug, in welchem Abhängigkeitsverhältnis diese zu den britischen
Regierungsvertretern standen. In Alexandria vollendete ein willfähriges
Prisengericht dieses Possenspiel, indem es die Schiffe für gute Prisen
erklärte.
Trotz der feindlichen Anstrengungen blieben in allen größeren
neutralen Häfen bei Ausbruch des Krieges noch genug Dampfer zur
Verfügung der deutschen Etappenorganisation, um damit Zufuhren
für die Auslandskreuzer nach vorher verabredeten Plänen
durchführen zu können. In jahrzehntelanger sorgfältiger Arbeit
des Admiralstabes, der Chefs der Kreuzergeschwader und der
Kreuzerkommandanten war eine weitverzweigte Organisation geschaffen worden,
die sofort in Tätigkeit trat, sobald im Kriege die Verbindung der
Auslandsschiffe mit der Heimat abriß. Diese Auslandsetappe
übernahm die Nachrichtenübermittlung und den Nachschub
für die Auslandskreuzer. Die Verabredungen waren so getroffen worden,
daß an allen in Betracht kommenden Plätzen mit den Mitteln, die das
neutrale Ausland bot, Zufuhrschiffe ausgerüstet wurden, die von den
Kreuzerkommandanten nach Bedarf herangezogen werden konnten. [297] Wenn an einer Stelle
die Mittel erschöpft waren oder unüberwindliche Hindernisse
eintraten, sprang eine andere ein. Auch besaß der Admiralstab Mittel und
Wege, um vermittelnd und ausgleichend einzugreifen. Trotz starker englischer
Gegenwirkung, die auch vor wirtschaftlichem Druck auf die neutrale
Geschäftswelt und Aufwiegelung der Volksmassen nicht
zurückscheute, ist es erreicht worden, daß keiner der
handelskriegführenden Auslandskreuzer, mit Ausnahme des zur
ostafrikanischen Station gehörigen Kreuzers "Königsberg", durch
Kohlen- und Materialmangel gezwungen wurde, seine Kriegstätigkeit
abzubrechen, bevor ihr durch feindliche Übermacht oder durch
völlige Abnutzung der Maschinen- und Kesselanlagen ein Ziel gesetzt
wurde.
Der Chef des Kreuzergeschwaders versammelte bei den Marianneninseln einen
Troß von zehn großen, vollbeladenen Schiffen, die ihm aus Tsingtau,
Shanghai und japanischen Häfen zugesandt wurden. Vier weitere Dampfer
waren nach dem Verlassen von Tsingtau durch englische und französische
Blockadeschiffe aufgebracht worden. Einer wurde S. M. S. "Emden"
als Begleitdampfer für seine berühmte Kreuzfahrt in den Indischen
Ozean mitgegeben; die übrigen versorgten das Geschwader auf seiner
langen Reise durch den Stillen Ozean nach der chilenischen Küste. Dort
wurde ein Teil von ihnen nach der siegreichen Schlacht bei Coronel durch andere
Schiffe ersetzt, die die Fahrt um das Kap Horn bis zu dem unglücklichen
Zusammentreffen mit einem überlegenen englischen Geschwader bei den
Falklandsinseln mitmachten. Andere Schiffe lagen schon im Atlantischen Ozean
bereit, um die weitere Versorgung zu übernehmen und unter
Umständen auch die Rückkehr der Kreuzer nach der Heimat zu
ermöglichen.
In ähnlicher Weise hatten sich S. M. S. "Leipzig" und "Dresden" bis zu
ihrem Zusammentreffen mit dem Kreuzergeschwader versorgen können.
S. M. S. "Karlsruhe" standen zur Führung des Handelskriegs
im Atlantischen Ozean ständig vier Dampfer zur Verfügung. Als den
Kreuzer am 4. November 1914 durch innere Explosion sein tragisches Geschick
ereilte, waren gerade drei weitere vollbeladene Dampfer für ihn in Fahrt
gesetzt. Dem Begleitdampfer "Rio Negro" fiel die schwere Aufgabe zu, die
Überlebenden nach der Heimat zu bringen.3
Auch die Kanonenboote "Geier" in der Südsee, "Eber" auf der
westafrikanischen Station und die Hilfskreuzer "Kronprinz Wilhelm" und "Kaiser
Wilhelm der Große" ergänzten ihre Vorräte aus Hilfsschiffen,
während der Hilfskreuzer "Prinz Eitel Friedrich" sich aus Prisen versorgte, weil er wegen seiner geringen Geschwindigkeit die Annäherung an
Treffpunkte, die ja dem Feinde verraten sein konnten, lieber vermied.
Groß waren die zu überwindenden Widerstände bei der
Beschaffung und Verladung der Materialien und beim Ausklarieren der Dampfer,
groß vor allem [298] die Anforderungen, die
an die Entschlußkraft, Überlegung und zähe Ausdauer der
Schiffsführer gestellt werden mußten. Das Abschütteln der
verfolgenden feindlichen Kreuzer, das oft wochenlange Warten auf den
Treffpunkten bei den spärlichen und unsicheren Nachrichten erforderten ein
ungewöhnliches Maß von Nervenkraft. Trotzdem drängte sich
ein jeder zu diesem gefahrvollen Dienst und alle setzten den vielen
Schwierigkeiten die begeisterte Hingabe an ihre Aufgabe, eine hohe, durch
sorgsame Friedensschulung erworbene Berufstüchtigkeit und den
glühenden Wunsch entgegen, wenn auch fern von den Brennpunkten der
Entscheidung, in dem ungeheuren Ringen des deutschen Volkes um seine Freiheit
ihre Pflicht bis zum Äußersten zu erfüllen. Für die
Stimmung, die an Bord dieser Zufuhrschiffe allgemein in jener Zeit herrschte,
sind folgende Worte in dem Bericht des Kapitäns Koldewey, Führers
des Dampfers "Patagonia" der Hamburg-Amerika-Linie und Begleitdampfers
S. M. S. "Karlsruhe", der vom Fregattenkapitän Köhler
wegen seines tatkräftigen Verhaltens besonders belobt worden ist,
bezeichnend:
"Es war eine sehr anstrengende, aber
auch sehr schöne Fahrt, hatte ich doch das erhebende Bewußtsein,
mithelfen zu können und nicht untätig im Hafen zu
bleiben."
Und Kapitän L. Colmorgen vom Dampfer "Eleonore Woermann", der dem
Kanonenboot "Eber" und dem Hilfskreuzer "Cap Trafalgar" beigestanden hatte,
schreibt am Schluß seines Berichts:
"Dank der unermüdlichen
Tätigkeit und der steten Bereitwilligkeit der Offiziere, Ingenieure und
Mannschaften der »Eleonore Woermann« war es mir gelungen, die
mir gestellte Aufgabe zu lösen. Ruhetage hatte es während der
letzten sieben Wochen nicht gegeben, dagegen hatten nicht allein die Matrosen
und Heizer, sondern auch das ganze Bedienungspersonal, die Stewards, Musiker,
Köche bei Tag und bei Nacht, wie die Umstände es eben erforderten,
Kohlen geschaufelt und Dienst in den Brandungsbooten und Dampfbarkassen bei
jeder Witterung getan. Die Offiziere und Ingenieure waren den Mannschaften
stets mit gutem Beispiel vorangegangen und hatten sie dadurch zu immer
größeren Anstrengungen angespornt."
Von diesem Kapitän, der fast die ganze Besatzung der im Gefecht mit dem
englischen Hilfskreuzer "Carmania" gesunkenen "Cap Trafalgar" rettete und in
aufregender Fahrt in den von drei englischen Kreuzern bewachten Hafen von
Buenos Aires brachte, sagte der 1. Offizier der "Cap Trafalgar" aus:
"Es herrschte nur eine Stimme der
Bewunderung für Kapitän Colmorgen, der in
außergewöhnlich energischer, umsichtiger und doch
liebenswürdiger Weise alle seine Anordnungen
traf."
Diese Beispiele treuer Pflichterfüllung könnten beliebig vermehrt
werden, doch ist hier nicht der Raum, auf weitere Einzelheiten einzugehen.
[299] Wie schon
erwähnt, war es nicht möglich, den Kreuzer "Königsberg" auf
der ostafrikanischen Station in derselben Weise zu versorgen, wie die
übrigen Auslandsschiffe. Zwar wurden in den ersten Kriegstagen zwei
Dampfer der deutschen Ostafrikalinie in Daressalam als Zufuhrschiffe
ausgerüstet, von denen aber nur einer mit S. M. S.
"Königsberg" in Verbindung trat, während der andere von den
englischen Kriegsschiffen, die die Kolonie blockierten, in den Hafen
zurückgetrieben wurde. Der Kreuzer konnte sich für einige Zeit aus
den im Golf von Aden angetroffenen deutschen Dampfern und aus einer
englischen Prise versorgen, mußte sich aber im November 1914 wegen
Kohlenmangels in den Rufijifluß zurückziehen. Um das Schiff
wieder fahrbereit zu machen, wurde vom Admiralstab der Versuch gemacht, von
der Heimat aus einen Dampfer mit Kohlen und Material nach Ostafrika zu
senden.
Schon vorher war mit der Ausrüstung des englischen Dampfers "Rubens",
der im Hamburger Hafen beschlagnahmt worden war, begonnen worden, um ihn
dem Kreuzergeschwader entgegenzuschicken. Da aber die Nachricht von der
Schlacht bei den Falklandsinseln eintraf, wurde das Schiff als Zufuhrschiff
für S. M. S. "Königsberg" bestimmt. Es erhielt den
Namen, das Aussehen und die Papiere eines auf derselben englischen Werft
erbauten dänischen Dampfers gleicher Größe mit Namen
"Kronborg". Um eine Durchsuchung zu erschweren, wurde die Ladung durch eine
Lage Holzplanken bedeckt und auf Vor- und Achterdeck eine 1½ m
hohe Deckslast von Holz gepackt, wie dies auf Frachtdampfern vielfach
üblich ist. Eine F.-T.-Einrichtung wurde in einem verborgenen Raum,
dessen Zugang verdeckt war, untergebracht. Die Antennen waren so angeordnet,
daß sie innerhalb zwei Minuten geborgen werden konnten. Die
Führung des Schiffes erhielt Oberleutnant z. S. d. R.
Christiansen, dem Kapitän Albers von der deutschen
Ostafrika-Linie als Lotse für die ostafrikanischen Häfen beigegeben
wurde. Die Ladung bestand zunächst aus Kohlen, Munition und
Bedarfsartikeln für S. M. S. "Königsberg". Da aber
kurz vor der Abreise bekannt wurde, daß es zweifelhaft war, ob der Kreuzer
noch die blockierte Flußmündung verlassen könnte, so wurde
auf Ersuchen des Staatssekretärs des Reichskolonialamts noch eine
Zuladung für die Schutztruppe mitgegeben für den Fall, daß
der Dampfer in einem Hafen der Kolonie seine Ladung löschen
könnte.
Am 22. Februar 1915 wurde die Ausreise unter Begleitung eines
U-Bootes, das bis zur englischen Bewachungslinie Aufklärungsdienste tat,
angetreten. Ohne Zwischenfälle gelangte "Rubens" in die ostafrikanischen
Gewässer und konnte am 4. April 1915 mit S. M. S.
"Königsberg" in funkentelegraphische Verbindung treten. Da
zunächst vor einer Annäherung an die Küste gewarnt und der
Befehl gegeben wurde, zu warten, so begab sich der Dampfer nach der
Seychelleninsel Aldebara, wo er am 9. April ankerte. Nach freundschaftlichen
Verhandlungen mit dem englischen Administrator, der seit November keine
Nachrichten mehr hatte und die Schiffsführer zum Tee einlud, blieb der
Dampfer, [300] der sich als Däne
auf der Reise von Delagoa-Bai nach Indien ausgegeben hatte, bis zum 11. April
unter dem Vorwande liegen, einen Maschinenschaden ausbessern zu
müssen. Dann kam Befehl, den Hafen von Tanga bei Tagesanbruch des 14.
April anzulaufen, die Schutztruppenladung zu löschen und wieder in See zu
gehen. Der Kommandant S. M. S. "Königsberg",
Fregattenkapitän Looff, hielt es für notwendig, die für die
Schutztruppe bestimmten Gewehre, Munition und Medikamente zu landen, bevor
er mit dem Kreuzer den Versuch machte, das Schiff in See zu treffen, da die Lage
im Schutzgebiet wegen großer Munitionsknappheit sehr bedenklich war.
Der Gegner hatte alle seine Blockadeschiffe gegen S. M. S.
"Königsberg" vor dem Rufijifluß zusammengezogen, so daß
die Hoffnung bestand, daß der im Norden liegende Hafen von Tanga
unbewacht sein würde. Als aber der Dampfer "Rubens"
befehlsgemäß in der Nacht vom 13. zum 14. April sich dem Hafen
näherte, stieß er zunächst auf ein armiertes englisches
Hilfskriegsschiff "Duplex", das ihn aber in der Dunkelheit nicht bemerkte, und
dann auf den Kreuzer "Hyazinth", der ihn von Tanga abdrängte, so
daß er in die 10 sm weiter nördlich gelegene
Mansa-Bucht einlaufen mußte, wohin der englische Kreuzer wegen zu
großen Tiefganges nicht folgen konnte. Unter dem englischen Feuer gab
Oberleutnant Christiansen den Befehl zum Verlassen des Schiffes, nachdem
vorher die Bodenventile geöffnet waren und das an Deck gestapelte Holz in
Brand gesetzt worden war, um dem Feinde vorzutäuschen, daß die
Beschießung erfolgreich gewesen wäre.
Nachdem sich der Gegner wieder entfernt hatte, konnte das Feuer gelöscht
und mit Hilfe von Marinetauchern der nicht verbrannte Teil der Ladung
ungestört ausgeladen werden. In den folgenden sechs Wochen wurden
geborgen: 3 Millionen S-Geschosse für Gewehre, 1000 Schuß
10,5-cm-Geschosse, 500 Schuß 8,2-cm-Geschosse, 6000 Schuß
für 6-cm-Bootsgeschütze, 3000 Schuß für
3,7-cm-Revolverkanonen, 200 Zelte mit Zubehör, wie Betten,
Matratzen usw., 2 - 6-cm-Bootsgeschütze, 4 fahrbare
Maschinengewehre und 1800 Gewehre mit Seitengewehren, ferner für die
Besatzung der "Königsberg" für zwei Monate Proviant, wovon
allerdings viel ungenießbar war, für 350 Mann je 1 Arbeitsanzug, 1
weißer Anzug, Unterzeug, Strümpfe, Wolldecken. Die für
S. M. S. "Königsberg" mitgebrachten 1600 t Kohlen
konnten dem Kreuzer infolge der Versenkung des Hilfsdampfers leider nicht mehr
zugeführt werden, so daß er auf das Auslaufen verzichten
mußte. Als am 20. Juli ein englischer Kreuzer ein Boot in die
Mansa-Bucht schickte, um das Wrack des Dampfers zu besichtigen, las man an
der Brücke des Schiffes die Worte: "Too late, empty".
Die gelandete Ladung war für die Schutztruppe und die
Marinemannschaften von größtem Werte und ermöglichte es
ihnen, der feindlichen Offensive auch weiterhin mit Erfolg Widerstand zu
leisten.
Auf die Bitte um weitere Unterstützung wurde im Winter 1916 ein zweites
Schiff, der englische Prisendampfer "Dacre Hill", in ähnlicher Weise
ausgerüstet, [301] der als
Hilfskriegsschiff "Marie" unter Führung des Leutnants
z. S. d. R. Sörensen am 9. Januar 1916 unter
schwedischer Flagge die Reede von Wilhelmshaven verließ. Die
schwedischen Abzeichen konnten leicht entfernt und im Bedarfsfalle durch
dänische ersetzt werden. Auch dieses Schiff kam unbemerkt durch die
englischen Bewachungslinien und traf am 17. März 1916 in der Bucht von
Ssudi bei Mikindani ein. Als Lotse für die ostafrikanische Küste war
Kapitän Schapp mitgefahren. Um sich gegen nachdringende feindliche
Schiffe zu sichern, hatte der Dampfer 5 Minen und
2 - 10,5-cm-Geschütze mitgenommen, welch letztere an Land
zur Sperrverteidigung aufgestellt werden sollten. Der Gebrauch der
Funkentelegraphie wurde dieses Mal ganz vermieden, so daß das Einlaufen
zunächst vom Feinde unbemerkt blieb. Hierüber berichtet Leutnant
z. S. Sörensen wie folgt:
"Zur Aufklärung des
gekrümmten und von außen nicht übersehbaren Ssudiflusses
schickte ich ein Boot mit zwei Motoranhängeschrauben unter
Führung des Hilfsleutnants Schapp hinein. Nach Abgabe des vorher
verabredeten Signals dampfte ich mit langsamer Fahrt in den Fluß. Ich
ließ das Aufklärungsboot fortwährend lotend vorauffahren und
folgte bis zum Schluß der mir zur Verfügung stehenden Karte, wo ich
zu Anker ging. Sämtliche Boote wurden mit den zerlegten
Geschützen, den Minen und den auf See verfertigten Signalmasten und
Signalkörpern beladen. Das eine Boot mit den Geschützen ging nach
Ssudidorf, wo die Geschütze aufgebaut wurden. Gleichzeitig wurde eine
Signalstation in der Nähe der Batterie errichtet. Vier Mann unter dem
Befehl des Steuermanns der Reserve Iversen wurden hier zur Bedienung der
Batterie und der Signalstation postiert. Das Motorboot fuhr mit dem Minenboot
nach dem Dorfe Mgao, vor dem die Minen ausgelegt wurden. Querab der
Minensperre wurde der andere Signalmast und ein Maschinengewehr aufgestellt.
Während dieser Zeit suchte ich durch Lotungen einen zum Löschen
geeigneten Platz, an dem das Schiff am folgenden Tage bei Hochwasser
aufgesetzt und vertäut wurde."
Mit selbsthergestellten Flößen und einer selbstgebauten Brücke
wurde eine Verbindung mit Land hergestellt, so daß die Ladung ohne
Unterbrechung durch Träger an Land geschafft werden konnte. Sie wog im
ganzen rund 1500 t, die mit etwa 50 000 Trägerlasten in
Tag- und Nachtarbeit vom 19. bis zum 27. März in Sicherheit gebracht
werden konnten, bevor das englische Blockadegeschwader von dem Einlaufen des
Schiffes Kenntnis erhielt. Die Entlöschung wurde dadurch sehr erleichtert,
daß die gesamte Ladung mit Ausnahme der Geschütze und nicht
teilbaren Gegenstände schon in der Heimat in kleine Kisten verpackt
worden war, die von einzelnen Trägern getragen werden konnten. Erst am
11. April begann die Beschießung des inzwischen entdeckten Schiffes durch
das englische Geschwader, die am 15. mit Hilfe von Beobachtung durch einen
von einem Ballonschiff aufgestiegenen Fesselballon fortgesetzt wurde. Obgleich
im ganzen [302] 6 Treffer von
14-cm-Granaten und 180 Treffer von 5-cm-Granaten gezählt wurden,
gelang es doch, das Schiff in den nächsten Tagen wieder seefähig zu
machen. In der Nacht vom 22. zum 23. April wurde die englische Blockade in
schneidiger Fahrt durchbrochen, und am 14. Mai 1916 gelangte das Hilfsschiff
"Marie" glücklich an seinem Ziel, dem Hafen von Batavia an, von wo es
die vom Gouverneur von Deutsch-Ostafrika mitgegebenen Nachrichten und
Aufträge weiterbefördern konnte. Auch die mit diesem Schiff
herausgebrachte Ladung war von unschätzbarem Werte für die
Verteidigung der Kolonie.
Die Absicht, im Winter 1916/17 zwei weitere Nachschubdampfer für
Deutsch-Ostafrika abzusenden, mußte aufgegeben werden, da die
Engländer inzwischen die ganze Küste des Schutzgebiets besetzt
hatten.
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