Bd. 6: Die Organisationen der Kriegführung,
Erster Teil:
Die für den Kampf unmittelbar arbeitenden
Organisationen
Kapitel 6: Das
Militäreisenbahnwesen
(Eisenbahnen und Schiffahrt)
(Forts.)
Oberst Stefan v. Velsen
6. Die Hauptträger des
Militäreisenbahnwesens.
Nach den vorstehenden Darlegungen über die wichtigsten Arbeitsgebiete
des Militäreisenbahnwesens muß auch der Apparat und die Mittel,
mit denen die gewaltige militärisch-technische Leistung durchgeführt
wurde, betrachtet werden.
[292] Die
Organisation des Militäreisenbahnwesens und die in ihm verwendeten
Behörden und Formationen.
Die erste planmäßige Militär-Eisenbahnorganisation entstand
im Kriege 1870/71. Von dem Gedanken aus geschaffen, es würde jede
Armee ihre eigene
Eisenbahn-Etappenstraße besitzen, brachte sie, wie die nachstehende Skizze
zeigt, keine klare Abgrenzung der Befugnisse:
Die Erfahrungen mit dieser Organisation gibt am besten das auf Seite 235 erwähnte
Urteil des Generalfeldmarschalls
v. Moltke wieder. Die scharfe
Zusammenfassung des gesamten Militäreisenbahnwesens unter einer mit
Machtvollkommenheit ausgestatteten Persönlichkeit und die
militärische Organisation nicht nur des Transport-, sondern auch des
Bau- und Betriebswesens unter ihr wurden für spätere Kriege
geplant, in den Vorschriften niedergelegt und durch Schaffung von
Eisenbahnbau- und Betriebstruppen vorbereitet.
Als Chef des Feldeisenbahnwesens wurde der Chef der Eisenbahnabteilung des
Großen Generalstabs vorgesehen. Diese Abteilung, der militärische
Grundstock für die mobilen Eisenbahnbehörden, bestand im Jahre
1914 aus 63 Offizieren und 13 Beamten. Ihr unterstellt waren 26
Linienkommandanturen, bestehend aus je 1 Stabsoffizier oder Hauptmann, 1
höheren Eisenbahnbeamten (im Nebenamte), 1 Eisenbahnsekretär, 1
Unteroffizier und 1 Gefreiten oder Gemeinen; einzelne Linienkommandanturen
hatten noch einen ständigen Hilfsoffizier.
Bei der Mobilmachung 1914 wurden planmäßig aufgestellt:
Chef des Feldeisenbahnwesens (im Großen
Hauptquartier), |
Chef des Feldeisenbahnwesens Ost, |
8 |
Beauftragte Offiziere bei Armee-Oberkommandos, |
8 |
Beauftragte Offiziere bei Etappeninspektionen. |
Militär-Eisenbahnbehörden: |
Militär-Eisenbahndirektionen 1 und 2, |
Stellvertretende Eisenbahnabteilung in Berlin, |
26 |
Linienkommandanturen. |
[293]
Militär-Eisenbahnbau-Formationen: |
2 |
Generale |
|
zu besonderer Verwendung, |
4 |
Regimentskommandeure, |
4 |
Stabsoffiziere |
30 |
Eisenbahnbau-Kompagnien, |
26 |
Reserve-Eisenbahnbau-Kompagnien, |
11 |
Festungs-Eisenbahnbau-Kompagnien, |
7 |
Immobile Landwehr-Eisenbahnbau-Kompagnien, |
4 |
Eisenbahn-Arbeiterbataillone. |
Militär-Eisenbahn-Betriebsformationen: |
6 |
Militär-Eisenbahn-Betriebsabteilungen |
|
(nur Stäbe), |
2 |
Festungs-Eisenbahn-Betriebsabteilungen |
21 |
Eisenbahn-Betriebskompagnien, |
1 |
Festungs-Eisenbahn-Betriebskompagnie, |
15 |
Magazinarbeiter-Kompagnien. |
Außerdem: |
125 |
Mobile Bahnhofskommandanturen, |
11 |
Sammelstationen, |
9 |
Panzerzüge. |
Demgegenüber bestanden im Jahre 1918 an Behörden und
Formationen:
|
Chef des Feldeisenbahnwesens im Großen
Hauptquartier, |
3 |
Eisenbahn-Transportabteilungen, |
Kriegswirtschaftliche Abteilung des Feldeisenbahnchefs in
Berlin, |
Eisenbahn-Zentralstelle in Kiew, |
14 |
Bevollmächtigte Generalstabsoffiziere (bei
Kommandobehörden und in Wien, Sofia, Konstantinopel), |
24 |
Beauftragte Offiziere bei
Armee-Oberkommandos und Etappeninspektionen, |
3 |
Offiziere der verbündeten
Militär-Eisenbahnbehörden. |
Militär-Eisenbahnbehörden: |
Im Westen: Militär-Generaldirektion
(M. G. D.) Brüssel, |
Militär-Eisenbahndirektion (M. E. D.) 1, 2
und 3, |
Betriebführende Linienkommandanturen Brüssel,
Lüttich, Luxemburg; |
im Osten: Militär-Generaldirektion Warschau, |
Militär-Eisenbahndirektionen 4, 5, 6, 8 und 11; |
im Südosten: Militär-Generaldirektion
Bukarest, |
Militär-Eisenbahndirektionen 7, 9 und 10; |
Militär-Betriebsdirektion Dobrudscha
(Mebedo); |
in der Heimat: 29 Linienkommandanturen. |
[294]
Bauformationen: |
5 |
Regimentskommandeure |
|
zu besonderer Verwendung, |
34 |
Stabsoffiziere |
34 |
Hauptleute |
36 |
Eisenbahnbau-Kompagnien, |
57 |
Reserve-Eisenbahnbau-Kompagnien, |
15 |
Festungs-Eisenbahnbau-Kompagnien, |
17 |
Landwehr-Eisenbahnbau-Kompagnien, |
36 |
Eisenbahnbau-Hilfskompagnien, |
17 |
Armierungskompagnien. |
Betriebsformationen: |
14 |
Militär-Eisenbahnbau-Betriebsabteilungen (nur
Stäbe), |
122 |
Eisenbahn-Betriebskompagnien, |
4 |
Festungs-Eisenbahn-Betriebskompagnien, |
1 |
Marine-Eisenbahn-Betriebskompagnie, |
44 |
Feldbahn-Betriebsabteilungen, |
3 |
Festungs-Feldbahn-Betriebsabteilungen, |
28 |
Feldbahn-Betriebskompagnien, |
ferner 70 000 zivile Eisenbahnbeamte, die in
Betriebs-, Maschinen-,
Verkehrsämter usw. gegliedert waren. |
Sonderformationen: |
10 |
Eisenbahn-Maschinenparks, |
7 |
Unterwasser-Schneideabteilungen, |
3 |
Eisenbahn-Telegraphen-Bautrupps, |
10 |
Streckenbau-Kolonnen, |
6 |
Seilbahn-Abteilungen, |
89 |
Seilbahn-Betriebstrupps, |
5 |
Holzfäller-Kompagnien, |
2 |
Bergbau-Kompagnien, |
11 |
Eisenbahn-Sonderkommandos oder -Kompagnien in der
Türkei, |
11 |
Militär-Eisenbahn-Werkstättenkommandos
oder -Abteilungen, |
4 |
Eisenbahn-Wirtschaftskompagnien. |
Gefangenen- und Zivilarbeiter-Formationen: |
6 |
Landsturm-Infanterie-Kompagnien (zur Bewachung), |
74 |
Kriegsgefangenen-Arbeiter-Kompagnien, |
6 |
Kriegsgefangenen-Bergarbeiter-Kompagnien, |
51 |
Streckenarbeiter-Trupps, |
8 |
Zivilarbeiter-Kompagnien, |
10 |
Eisenbahnarbeiter-Kolonnen, |
9 |
Gefangenenabteilungen oder Kommandos bei
Werkstättenabteilungen. |
[295]
Außerdem: |
320 |
Mobile Bahnhofskommandanturen, |
28 |
Mobile Hafenkommandanturen, |
3 |
Überwachungsstellen (Wien, Budapest, Sofia), |
7 |
Panzerzüge. |
Im ganzen: |
militärisches Personal |
108 000 |
Köpfe |
deutsche Zivil-Eisenbahnbedienstete |
70 000 |
" |
Gefangene |
45 000 |
" |
Einheimische |
219 000 |
" |
|
|
im ganzen 442 000 Köpfe. |
Ein Vergleich der beiden Tabellen zeigt die gewaltige Entwicklung, die in erster
Linie durch die nicht vorherzusehende Erweiterung der Kriegsschauplätze
bedingt war.
Für die Betriebsführung konnte man die Grundform der
Militär-Eisenbahndirektionen beibehalten, nur in Luxemburg,
Lüttich und Brüssel (wie zeitweise 1914/15 in Lodz) wurden zur
Beschleunigung und Personalersparnis betriebführende
Linienkommandanturen - verkleinerte
Militär-Eisenbahndirektionen - aufgestellt. Zur Verstärkung
der sehr bald nicht ausreichenden
Militär-Betriebsformationen wurden zivile, aus Eisenbahnbeamten
bestehende Betriebskolonnen aus der Heimat angefordert.
Für die anordnenden Stellen wurden dagegen eine Anzahl von
Änderungen erforderlich. Die Aufstellung eines Feldeisenbahnchefs Ost,
die von dem Gedanken zweier ganz getrennter Kriegsschauplätze ausging,
erwies sich als ein Fehlschlag. Militärisch gab es seit Beginn der
Truppenverschiebungen zwischen Westen und Osten im September 1914 diese
Trennung nicht mehr, eisenbahntechnisch bestand sie von Anfang an nicht. Wohl
hätte sich beim Feldeisenbahnchef Ost eine vom Westen mit seinen
Eisenbahnen im besetzten Gebiet sehr verschiedene Form der Transportregelung
und -überwachung und des Zusammenarbeitens mit den östlichen
Eisenbahnverwaltungen herausbilden können, solange der Krieg im
Grenzgebiet und seiner nächsten Nähe geführt wurde. Dies
war aber nicht der Fall. - Als daher 1915 die deutsche Front nach
Rußland hinein vorgeschoben wurde, und als vom Frühjahr 1916 ab
die Gliederung in drei Hauptkriegsschauplätze erkennbar wurde, wurde der
Feldeisenbahnchef Ost aufgelöst und drei
Eisenbahn-Transportabteilungen:
"Etra West" in Charleville-
Mézières,
"Etra Ost" beim Oberost (Oberbefehlshaber Ost),
"Etra Südost" in Pleß
gebildet.
Von den stark anwachsenden Verwaltungs- und Verkehrsfragen mußte die
Dienststelle des Feldeisenbahnchefs im Großen Hauptquartier schon bald
[296] entlastet werden. Sie ist
auf allen Kriegsschauplätzen in der Weise erfolgt, daß, nachdem in
der ersten Zeit der Besetzung und des Ausbaus die
Militär-Eisenbahndirektionen selbständig gelassen waren, mit dem
Eintritt normalerer Verhältnisse ein Verwaltungsrat gebildet und bald zu
einer Militär-Generaldirektion entwickelt wurde.
In der Heimat wurde 1917 zur Vertretung der kriegswirtschaftlichen
Transportinteressen beim Kriegsamt und den Eisenbahnverwaltungen die
Abteilung für kriegswirtschaftliche Transporte (Kriweis) geschaffen. Auch
ließ sich der Feldeisenbahnchef durch einen besonderen Kommissar
(Kommeis) in der beim preußischen Ministerium der öffentlichen
Arbeiten gebildeten Kriegsbetriebsleitung vertreten. Nach einiger Zeit aber zeigte
es sich vorteilhaft, die Mannigfaltigkeit der
Militär-Eisenbahnbehörden in Berlin zu beseitigen; dies erfolgte
dadurch, daß die stellvertretende Eisenbahnabteilung in die Abteilung
für kriegswirtschaftliche Transporte aufging, und der Chef dieser Abteilung
gleichzeitig Kommissar des Feldeisenbahnchefs in der Kriegsbetriebsleitung
wurde.
Für die militärische Ausnutzung der Wasserstraßen waren im
Frieden geringe und nicht sehr zweckmäßige Vorbereitungen
getroffen. In den Wasser-Linienkommandanturen waren nur der Soldat und der
Bausachverständige vertreten, es fehlte der Verkehrsfachmann. Den
Intendanturen blieb von Fall zu Fall die Sicherstellung des Kahnraums durch
Vertrag überlassen.
Für die 1916 notwendig werdende stärkere Inanspruchnahme aller
deutschen Wasserstraßen wurden vom Feldeisenbahnchef, da die
planmäßigen Wasser-Linienkommandanturen der erweiterten
Aufgabe nicht gewachsen waren, ein Reedereifachmann und ein Spediteur nach
Berlin herangezogen. Sie schufen die Schiffahrtsgruppe, spätere
Schiffahrtsabteilung, beim Chef des Feldeisenbahnwesens. Ihr Gebiet dehnte sich
bald von der Ostsee bis zum Schwarzen Meere aus, und nur das von den
deutschen Wasserstraßen durch Holland getrennte
Fluß- und Kanalnetz in Belgien und
Nord-Frankreich wurde durch eine besondere
Militär-Kanaldirektion in Brüssel betrieben.
Bei den Eisenbahnbau-Truppen bildete der Kompagnieverband die kleinste, zur
selbständigen Ausführung von Bauaufgaben befähigte Einheit.
Bei größeren Aufträgen wurden mehrere Kompagnien unter
der Bauleitung eines Stabsoffiziers vereinigt. In den westlichen
Militär-Eisenbahndirektionsbereichen hatte bei Kriegsbeginn je ein
Regimentskommandeur der Eisenbahntruppe die Oberleitung. Diese
Tätigkeit erforderte neben großer Beweglichkeit und schneller
Entschlußfähigkeit besondere organisatorische Fähigkeiten,
für die die Friedensausbildung eine ausreichende Grundlage nicht zu
schaffen vermocht hatte. Auch die Zusammensetzung und Ausstattung der
Stäbe der Regimentskommandeure genügte in keiner Weise
für die umfangreichen Aufgaben. Mehrfach fehlte es auch an dem
unbedingt nötigen engen Zusammenarbeiten zwischen den
Bau- und Betriebsorganen, die hierzu nicht durch eine gemeinsame
Friedensschulung [297] erzogen waren. Dieser
Mangel mußte um so mehr in die Erscheinung treten, je mehr nach der
ersten Wiederherstellung der zerstörten Strecken mit dem Übergang
zum Stellungskrieg der Ausbau des Bahnnetzes im Bereich der
Militär-Eisenbahndirektion nach vorwiegend betrieblichen Gesichtspunkten
vorgenommen werden mußte. Einheitliche Zusammenfassung aller
Bauaufgaben bei einer neugebildeten Abteilung VIII der
Militär-Eisenbahndirektionen und unmittelbare Unterstellung aller
Baukräfte sollten das notwendige enge Zusammenarbeiten zwischen Bau
und Betrieb sicherstellen.
Der auf dem westlichen Kriegsschauplatz geführte Stellungskrieg ließ
neben dem Vollbahnnetz sehr bald ein ausgedehntes Netz von Schmalspurbahnen
im Frontbereich entstehen, für dessen Ausgestaltung vorzugsweise die
Wünsche und Anforderungen der Truppe und der
Kommandobehörden maßgebend waren. Für diese Aufgaben
wurden die bei den Armee-Oberkommandos eingesetzten "Kommandeure der
Eisenbahntruppen" (Kodeis) geschaffen. Sie leiteten einerseits nach den
Wünschen der Armee-Oberkommandos den gesamten Bau und Betrieb des
Frontschmalspurnetzes im Armeebereich und waren andererseits bezüglich
des Ausbaus der vorderen Vollbahnstrecken an die Befehle der
Militär-Eisenbahndirektionen gebunden. Der Ausbau der
rückwärts der Kodeisbereiche gelegenen Vollbahnen oblag
besonderen, ausschließlich den
Militär-Eisenbahndirektionen unterstellten Bauabteilungen.
Um die Einheitlichkeit des Ausbaus zwischen den verschiedenen Armeebereichen
in einem Direktionsbezirk sicherzustellen, ergab sich im weiteren Verlauf des
Krieges die Notwendigkeit, die innerhalb einer
Militär-Eisenbahndirektion eingesetzten Kommandeure der
Eisenbahntruppen einem "Regimentskommandeur der Eisenbahntruppen"
(Rekodeis) zu unterstellen, der seinen Sitz am Standort der
Militär-Eisenbahndirektion nahm und, in gleicher Weise wie die Kodeis,
bezüglich der einzelnen Ausbaufragen von den Forderungen der
Militär-Eisenbahndirektionen und der Kommandobehörden
abhängig war.
Wenngleich diese während des Krieges vollzogene Entwicklung in der
Organisation der Baugruppen ausschließlich auf die Verhältnisse des
Stellungskampfes zugeschnitten war, so zeigt sich doch in der späterhin
erfolgten Wiederaufstellung besonderer "Regimentskommandeure der
Eisenbahntruppen" eine Rückbildung zu den bereits bei der Mobilmachung
bestehenden Organisationsverhältnissen. Sie ist ein Beweis, daß auch
bei den Eisenbahn-Bauformationen eine sachverständige
Überwachung der Tätigkeit der Truppe durch eigene
Waffenvorgesetzte nicht entbehrt werden konnte, und daß die Bearbeitung
aller persönlichen und wirtschaftlichen Fragen durch eine mit den
Verhältnissen der Truppe voll vertraute, aus der eigenen Waffe
hervorgegangene Persönlichkeit erfolgen mußte.
Die im Jahre 1918 in Aussicht genommene Einsetzung eines "Generals der
Eisenbahntruppen" als obersten Waffenvorgesetzten aller Bauformationen
[298] konnte nicht mehr zur
Durchführung kommen; sie wäre das letzte Glied der während
des Krieges vollzogenen Organisationsänderungen gewesen.
Unabhängig von der erwähnten Befehlsregelung wurden zur
Sicherstellung einheitlichen Zusammenwirkens bei allen größeren
Kampfhandlungen, bei denen die Bereiche mehrerer
Militär-Eisenbahndirektionen berührt wurden (Abwehrschlacht an
der Somme, Angriff 1918), alle Bauformationen in dem Kampfabschnitt
besonderen Regimentskommandeuren unterstellt. Sie hatten die oft
widerstrebenden Interessen der einzelnen
Militär-Eisenbahndirektionen und Kommandobehörden in Einklang
zu bringen.
Der Grundgedanke der Organisation des Feldeisenbahnchefs: diktatorische und
verantwortliche Zusammenfassung des Militäreisenbahnwesens in einer
Hand, hat sich - das zeigen die
Leistungen - bewährt. Auch das weitere Ziel: die möglichst
reibungslose Zusammenarbeit von militärischen und technischen Stellen,
wurde in den planmäßig vorbereiteten und in den neuen
Organisationsformen erreicht.
Die Verbindungsorgane des Feldeisenbahnchefs zu anderen
Behörden.
Die einheitliche militärische Leitung der Eisenbahnen während des
Weltkrieges verfolgte in erster Linie den Zweck, die Forderungen der
verschiedensten Stellen in Übereinstimmung zu bringen: Front und Heimat
mit ihrer Kriegswirtschaft - westlicher, östlicher und
südöstlicher Kriegsschauplatz, letzterer wieder mit den besonderen
Wünschen der einzelnen Verbündeten -, operative
Verschiebungen und Versorgung der Truppen - zwischen den einzelnen
Armeen -, bei ihnen wieder zwischen den verschiedenen Truppen und
zwischen den für die Heranführung des Nachschubs verantwortlichen
Stellen. Diese ausgleichende Tätigkeit erfordert neben frühzeitigster
Kenntnis der tatsächlichen und der bevorstehenden Forderungen klare,
regelmäßige und schnelle Orientierung über die
Verhältnisse, um sachverständig abgrenzen zu können.
Daß im Kriege in dieser Hinsicht ganz besondere Verhältnisse
vorliegen, ist gerade von einem Eisenbahnfachmann sehr treffend, wie folgt,
ausgedrückt worden:
"Im Frieden unterliegt das
Beförderungswesen, in welchem das von der Volkswirtschaft bedingte
Verkehrsbedürfnis zum Ausdruck kommt, einer im allgemeinen stetigen
Entwicklung. Anders im Kriege; hier wird es von der Kriegslage bestimmt und ist
demgemäß oft plötzlich wechselnd, vielfach aufs
äußerste gesteigert und dringlich. Aus diesen Gründen hat es
sich als zweckmäßig erwiesen, die Feststellung des
Verkehrsbedürfnisses besonderen Organen zu
übertragen."
Diese Verbindungsorgane der Militär-Eisenbahnbehörden waren die
Beauftragten des Feldeisenbahnchefs (Bba) bei jedem
Armee-Oberkommando und jeder Etappeninspektion, und die
bevollmächtigten Generalstabsoffiziere des Feldeisenbahnchefs (Bvg) bei
den meisten Heeresgruppen und bei den [299]
Militär-Eisenbahnbehörden der Verbündeten in Wien, Sofia
und Konstantinopel.
Die erste Berührung zwischen den Verbindungsorganen des
Feldeisenbahnchefs und der Truppe bot ihre Tätigkeit als
Ausladekommissare bei jedem Aufmarsch. Hier mußten sie der Truppe
helfen, die vielen ersten Reibungen in den neuen Verhältnissen
auszugleichen, andererseits der Eisenbahn bei den immer wiederkehrenden
Verstößen der Truppe gegen betriebliche Grundsätze
(säumiges Ausladen, Benutzung der Eisenbahnwagen als Depot, Eingriffe
in den Betrieb u. dgl.). So mit Kopf, Herz und Hand halb bei der
Truppe und halb bei der Eisenbahn blieb die Stellung des guten Beauftragten des
Feldeisenbahnchefs oder Generalstabsoffiziers des Feldeisenbahnchefs.
Ihre Tätigkeit erstreckte sich zunächst auf die Truppentransporte. Die
Truppenführung muß ihre Transporte ebenso wie
Truppen-Marschkolonnen befehlsgerecht in der Hand haben; dazu diente das
Anmelde- und Vormeldeverfahren. - Die Beauftragten des
Feldeisenbahnchefs bei den Armeen hatten außerdem den Nachschub zu
regeln. Hätte man ihn frei gelassen, so würde er in der Regel ein
vielfaches der Bahnleistung betragen haben.
Einen Begriff über den Umfang dieses Arbeitsgebietes gibt wohl am besten
nachstehendes (hier wiederholtes) Zahlenmaterial:
- Verdun: Während der Vorbereitung des Angriffs
wurden im Bereich der 5. Armee täglich 70 Züge gefahren, davon bis
zu 45 Nachschubzüge, während der Zeit vom 1. März bis 1.
Juli 1916 allein an Truppentransporten 2150 Züge.
- Flandernschlacht: Die tägliche Zugzahl während des
Großkampfes betrug im Bereiche der 4. Armee
80 - 90 Züge, davon bis zu 52 Nachschubzüge. In der
Zeit vom 15. Juni bis 15. November 1917 wurden 6591
Truppen- und 4640 Nachschubzüge gefahren.
- Tankschlacht bei Cambrai: In nur zehn Tagen, vom 20. bis 29.
November 1917, wurden bei der 2. Armee 1648 Züge gefahren, darunter
1071 Truppenzüge, 266 für Nachschub, 311 sonstige. Der
tägliche Durchschnitt betrug demnach 165, die Höchstleistung 218
Züge.
Die transporttechnische Regelung solcher Forderungen für die
Truppenführung war aber nur ein Teil der Tätigkeit des Beauftragten
des Feldeisenbahnchefs oder Generalstabsoffiziers des Feldeisenbahnchefs. Die
massenhaften Transporte sollten einwandfrei durchgeführt werden und das
im Kriege, "im Gebiete der Ungewißheit" (Clausewitz). -
Beim Vormarsch im Bewegungskriege hatte der Feind die
Bahn zerstört. Wann konnten sie wiederhergestellt sein? Konnten
unversehrt gebliebene Teilstrecken ausgenutzt werden und wie? Wurde
Betriebsmaterial erbeutet? Wieviel Material mußte nachgeschoben werden,
wieviel Personal? Beim Stellungskrieg waren zu berücksichtigen: Stand des
Ausbaus, Entwicklung der Frontbahnen, feindliche Feuerwirkung; [300] beim Rückzug:
Umfang des abzuschiebenden Geräts und der nichtmarschfähigen
Truppen, Zeitpunkt und Umfang der beabsichtigten Zerstörungen,
Rückstrom der Landeseinwohner. - Und dies alles wurde in
stärkstem Maße beeinflußt vom Gelände, der Witterung
und ganz besonders von den eigenen taktischen Absichten und Maßnahmen
und von der feindlichen Gegenwirkung.
Sollte in diesem Gebiet der Ungewißheit die Eisenbahn, das empfindliche
Uhrwerk, zuverlässig arbeiten und höchstmögliche Leistungen
erzielen, so mußten Feldeisenbahnchef und
Militär-Eisenbahndirektion möglichst schnell über die
Verhältnisse bei der Armee und die Wünsche der Truppe unterrichtet
werden. Das erforderte neben gutem militärischem Blick auch viel eigenes
Urteil. Die Truppe stellte sehr hohe Forderungen, die mit der betrieblichen
Leistungsfähigkeit und mit den durchaus nicht unbeschränkten
eisenbahntechnischen Mitteln in Einklang gebracht werden mußten.
Für den Feldeisenbahnchef aber genügte es nicht einmal, wenn er
über die tatsächlichen Verhältnisse rechtzeitig unterrichtet
wurde. Die Beauftragten des Feldeisenbahnchefs und die Generalstabsoffiziere
des Feldeisenbahnchefs mußten das Kommende erkennen und darauf
vorbereiten. Militärische Entschlüsse sind plötzlich und
wechselnd, betriebliche und bauliche Maßnahmen brauchen Zeit.
Der Beauftragte des Feldeisenbahnchefs und der Generalstabsoffizier des
Feldeisenbahnchefs durften nicht im täglichen Geschäft aufgehen. Er
mußte in engster Fühlung mit dem Generalstabe seiner
Kommandobehörde stehen, Erwägungen, die er dort hörte, auf
sein Spezialgebiet hin selbständig durchdenken, der gern gesuchte Ratgeber
sein, diskret die Militär-Eisenbahnbehörden orientieren und
Vorbereitungen anregen.
An die Generalstabsoffiziere des Feldeisenbahnchefs in den verbündeten
Ländern waren noch besondere Forderungen zu stellen. Sie mußten
sich in den fremden Verhältnissen schnell zurechtfinden können,
mußten das Vertrauen der verbündeten Dienststellen zu gewinnen
verstehen und in der Lage sein, geeignete Wege zum Zusammenarbeiten zu
finden. Bei ihnen waren militärische und wirtschaftliche Transportfragen
nicht zu trennen. Sie mußten mit den Vertretern der deutschen
kriegswirtschaftlichen Organisation eng zusammenarbeiten.
Die Tätigkeit des Generalstabsoffiziers des Feldeisenbahnchefs Wien
begann im Januar 1916 mit dem sog. "Ceres-Verkehr", dem Transport des im
damals neutralen Rumänien von der deutschen
Zentral-Einkaufsgesellschaft und den österreichischen und ungarischen
Kriegs-Getreidegesellschaften gekauften Getreides. Während in
Friedenszeiten die rumänische Getreideausfuhr donauabwärts und
über das Schwarze Meer gegangen war, mußte sie jetzt umgedreht
und über südungarische Donauhäfen und auf dem Landwege
über Siebenbürgen geführt werden.
Österreich-Ungarn stellte seinen
Donau-Schiffspark zur Ver- [301] fügung, brauchte
aber tatkräftige deutsche Unterstützung. In Orsova, Pancsova,
Semlin, Ujvidek und Vukovar wurden Elevatoren aufgestellt und die
Bahnhöfe erweitert. Eine Treidelbahn wurde am Eisernen Tor gebaut. Die
Grenzbahnhöfe in Siebenbürgen wurden verbessert und mit
maschinellen Umladeeinrichtungen versehen, da die rumänischen Wagen
nicht weitergeführt werden durften. Den gesamten Wagenpark nach den
Donauhäfen, den siebenbürgischen Grenzstationen, ja bis nach
Rumänien hinein stellte Deutschland; er wurde durch einen dem
Generalstabsoffizier des Feldeisenbahnchefs zugeteilten Verkehrsinspektor mit
hervorragender Sachkenntnis und mit größter Geschicklichkeit im
Verkehr mit den österreichisch-ungarischen Eisenbahndienststellen geleitet.
Die ungarischen und die österreichischen Eisenbahnen erhielten
Lokomotivaushilfen. Schließlich wurde noch der deutsche Schiffspark auf
der Donau durch Neubau und durch Überführung von den deutschen
Wasserstraßen - auf dem
Donau-Main-Kanal oder (in zerlegtem Zustande) mit der
Eisenbahn - kräftig vermehrt.
Die erzielte Leistung war gewaltig. Sie betrug:
Gesamtleistung von Januar bis August 1916 |
2 077 544 t |
davon |
1. |
über die Donau |
1 370 662 t |
|
|
2. |
über die Landgrenze
|
706 882 t |
|
|
|
|
|
|
|
|
insgesamt: 2 077 544 t |
|
|
3. |
davon für Deutschland: |
|
|
|
|
a) über die Donau |
708 951 t |
|
|
|
a) über die Landgrenze |
416 178 t |
|
|
|
|
|
|
|
|
insgesamt: 1 125 129 t |
|
|
4. |
für Österreich-Ungarn: |
|
|
|
|
a) über die Donau |
661 711 t |
|
|
|
a) über die Landgrenze |
290 704 t |
|
|
|
|
|
|
|
|
insgesamt: 952 415 t |
|
Höchste Monatsleistung Mai 1916 |
368 523 t |
davon |
1. |
über die Donau |
267 861 t |
|
|
2. |
über die Landgrenze |
100 662 t |
|
|
|
|
|
|
|
|
insgesamt: 368 523 t |
|
|
3. |
davon für Deutschland: |
|
|
|
|
a) über die Donau |
140 393 t |
|
|
|
a) über die Landgrenze |
55 904 t |
|
|
|
|
|
|
|
|
insgesamt: 196 297 t |
|
|
4. |
für Österreich-Ungarn: |
|
|
|
|
a) über die Donau |
127 468 t |
|
|
|
a) über die Landgrenze |
44 758 t |
|
|
|
|
|
|
|
|
insgesamt: 172 226 t |
|
[302] Neben dieser
wirtschaftlichen Hauptleistung hatte auf militärischem Gebiet der
Generalstabsoffizier des Feldeisenbahnchefs Wien für die deutsche
Offensive in Italien Herbst 1917, die Vorbereitungen für den Antransport,
den Aufmarsch, die Versorgung, den Abschub und die
Rückbeförderung der Truppen zu vermitteln und zu
überwachen.
Seine weiteren Aufgaben können nur noch kurz genannt werden: deutscher
Import nach Rumänien (Carmen-Züge), Petroleumtransport mit der
Bahn und auf der Donau von Rumänien, Durchgangsverkehr zwischen
Deutschland und dem Balkan und der Türkei, Zuführung von
Unterseeboot-Material nach den Adria-Häfen.
Der Generalstabsoffizier des Feldeisenbahnchefs in Sofia hatte in erster Linie auf
allen Gebieten des Militär-Eisenbahnwesens die Bulgaren zu beraten und in
zweckentsprechender, das empfindliche Volk nicht verletzender Weise mit
deutschem Personal und Material zu unterstützen. Wie gut es die deutschen
Vertreter verstanden, diese Aufgabe zu erfüllen, zeigt, daß zur
Steigerung der bulgarischen Leistung auf anderen Strecken der Betrieb von Nisch
bis Sofia der deutschen Militär-Eisenbahndirektion 7
übergeben wurde. - Der Haupterfolg der unermüdlichen und
geschickten Arbeit beim Generalstabsoffizier des Feldeisenbahnchefs Sofia lag in
der gewaltigen Steigerung des Durchgangsverkehrs nach Konstantinopel.
Besonders schwierig war die Stellung des Generalstabsoffiziers des
Feldeisenbahnchefs in Konstantinopel. Die türkischen Pläne und
Unternehmungen standen in keinem Verhältnis zu den ganz
unzureichenden Verkehrsmitteln. In der Hoffnung aber, durch die
türkischen Offensiven eine Entlastung der eigenen Fronten zu erfahren,
wurden die türkischen Pläne durch deutsche militärische
Stellen gutgeheißen und unter Inanspruchnahme des schon
überspannten Verkehrs gefördert. Dieser sollte aber außerdem
wichtige Rohstoffe aus Klein-Asien heranbringen, die Deutschland und
Österreich-Ungarn dringend brauchten. - Es darf schon als ein
großer Erfolg der nervenaufreibenden Arbeit der Generalstabsoffiziere das
Feldeisenbahnchefs gebucht werden, daß sie an ihrem Teile dazu
beigetragen haben, bis zum letzten militärischen Zusammenbruch den
türkischen Eisenbahnbetrieb aufrechtzuerhalten.
Die Regelung und Überwachung der
Militärtransporte.
Diese schwierige Aufgabe bedarf noch eines besonderen Kapitels. Denn die
Tätigkeit in diesem, den Offizieren vorbehaltenen Gebiet des
Militär-Eisenbahnwesens ist im allgemeinen wenig verstanden worden. Die
Leistungen wurden als selbstverständlich hingenommen, ohne daß
die Vermittlertätigkeit der Transportorgane genügend erkannt und
gewürdigt wurde.
Die höhere Truppenführung und ihre Gehilfen sahen in der
transportregelnden Tätigkeit ein gewisses Mysterium, das mit dem Odium
des Spe- [303] zialistentums behaftet
war. Die Eisenbahnbeamten aber wieder betrachteten recht häufig diese
Transportbearbeitung als unerwünschten Eingriff von Dilettanten in die von
ihnen fachmännisch geübte Betriebsführung und
Verkehrsregelung.
So sind wohl einige Worte über diese viel verkannte Tätigkeit am
Platz.
An sich ist sie nichts als eine Regelung von Bewegungen der Truppe und der
Heeresbedürfnisse durch Befehl oder allgemeine Anweisung, also das, was
als Marschanordnung für Truppen und Nachschubkolonnen ein Hauptteil
des Generalstabsdienstes ist; nur Marschanordnungen für ein
Beförderungsmittel, das verständnisvolle Berücksichtigung
seiner Eigenart fordert. - Wo diese fehlt, war in kürzester Zeit der
geregeltste Betrieb und der geordnetste Verkehr durch die starken,
stoßweisen, nicht vorausgesehenen militärischen Anforderungen
vollkommen über den Haufen geworfen.
Die Bearbeitung der Truppentransporte für Mobilmachung und Aufmarsch
hatte ganz eigenartige Voraussetzungen. Man
kannte - theoretisch gesprochen - von jedem wehrfähigen
Manne, jedem Pferde, jedem Stück der Heeresausrüstung den
Aufenthaltsort, den Mobilmachungsort und das Aufmarschgebiet, für das er
bestimmt war. Für die Aufgabe, den militärischen Befehl und die
betriebliche Anordnung für die sich ergebenden Transporte richtig
bereitzulegen, war naturgemäß nur eine sehr sorgfältige,
schematische Bearbeitung geeignet.
Mit Beginn der Operationen wurde diese Tätigkeit mit einem Schlage eine
von Grund auf andere.
Im Bewegungskriege und in den ersten Zeiten des Stellungskrieges war die
Einleitung einer größeren Truppenverschiebung in jedem Falle eine
Improvisation. Ihr Gelingen hing in hervorragendem Maße von dem mit der
Regelung des Transports beauftragten Offizier ab.
Im Westen war dies anfangs in der Regel ein Offizier aus dem Stabe des
Feldeisenbahnchefs, der als sein Kommissar entsandt wurde. Nach allgemeiner
Orientierung über Absichten und Lage ging es im Kraftwagen vom
Großen Hauptquartier aus an die Front. Auf dem Wege dorthin wurde die
Militär-Eisenbahndirektion aufgesucht, um sich bei ihr über die
Eisenbahnlage zu unterrichten und die Bereitstellung einiger Einheitszüge
rückwärts des Einladegebiets zu vereinbaren. Weiter ging es
über das Armee-Oberkommando, und, mit einigen Umwegen zur ersten
flüchtigen Erkundung der Einladestationen, zum Generalkommando, wo
der Einladekommissar erst die Unterlagen zur praktischen Bearbeitung der
Transporte fand. Mit dem ersten Generalstabsoffizier (Ia) mußte nun an
Hand der Kriegsgliederung, Stellungs-, Unterkunfts-, Wege- und Eisenbahnkarten
die Vereinbarung zur Einleitung des Transports getroffen werden. Zunächst
genügte die Festsetzung der ersten 10 bis 12 Transporte, die der
Militär-Eisenbahndirektion zur Einlegung der ersten Züge
mitzuteilen waren. Das noch unzureichende Fernsprechnetz forderte oft, [304] dazu im Kraftwagen
zur nächsten größeren, im Betrieb befindlichen Station
zurückzufahren, was benutzt werden konnte, um die grundsätzlichen
Bestimmungen auf den Einladestationen zu treffen. Hatte der Einladekommissar
die endgültige Transportfestsetzung für die ersten Transporte zum
Generalkommando zurückgebracht und der erste Generalstabsoffizier
daraufhin die Befehle an die Truppe ausgegeben, so war für etwa 24
Stunden vorgearbeitet. - Nach wenigen Stunden Schlaf konnte dann meist
die ganze Abtransportübersicht aufgestellt werden War die
Einladeübersicht mit der Militär-Eisenbahndirektion vereinbart, so
war die befehlstechnische Seite der Aufgabe erledigt. Die praktische, das Helfen
im kleinen und im großen bei der Eisenbahn und bei der Truppe, die noch
nicht aufeinander eingespielt waren, war die anstrengendere, aber noch reizvollere
Seite der Aufgabe. Wenn das Leermaterial verspätet oder in falscher
Zusammensetzung eintraf, wenn die Truppenteile nicht rechtzeitig oder in durch
die Kampfhandlungen erheblich veränderter Gliederung und Stärke
oder mit zahlreichem überplanmäßigen Gerät zu den
Einladestationen kamen, so drohte immer wieder der in mühevoller Arbeit
festgelegte Abtransport zu scheitern. Für Aushilfen aller Art mußten
die betrieblichen Anordnungen bei den
Militär-Eisenbahnbehörden und die Befehle der
Kommandobehörden veranlaßt werden, um die Verladungen im
Fluß zu halten und der Truppe die durch langes Warten entstehenden
unnötigen Anstrengungen nach Möglichkeit zu erleichtern.
Mit dem Übergang zum Stellungskrieg und der damit
zusammenhängenden Verbesserung des ganzen rückwärtigen
Dienstes wurde die Bearbeitung der Truppentransporte erleichtert und kam schnell
in ein einfaches, praktisches System. An Stelle des besonders entsandten
Ein- oder Ausladekommissars trat der Beauftragte des Feldeisenbahnchefs und die
Vereinbarungen mit den Kommandobehörden und den
Militär-Eisenbahnbehörden konnten fast ausnahmslos telephonisch
getroffen werden. Im übrigen war das ganze Verfahren so gut ausgebaut,
daß die Bearbeitung und Überwachung des Transports einer Division
weniger Mühe machte als die rechtzeitige Heranführung eines zu
bestimmter Zeit gebrauchten ganz kleinen Transports, z. B. eines Waggons
Sondermunition für ein Angriffsunternehmen.
Bei den Transportabteilungen der Militär-Eisenbahnbehörden
wurden die eingeladenen Transporte auf ihrem ganzen Wege eingehend verfolgt
und vorgemeldet, sowohl um bei den durchführenden
Eisenbahnbehörden die betrieblichen Maßnahmen sicherzustellen,
wie um die Verpflegung zu gewährleisten, schließlich besonders um
die Kommandobehörde, der die Truppe zugeführt wurde, rechtzeitig
auf ihr Eintreffen vorzubereiten.
Die Gesamtübersicht über alle laufenden Truppentransporte wurde
bei den Transportabteilungen des Feldeisenbahnchefs geführt, damit diese
in Bewegung befindlichen Reserven der Obersten Heeresleitung bei
veränderter [305] operativer Lage
abgedreht werden konnten. Wie viele kritische Situationen sind nur dadurch
überwunden worden, daß in der Beförderung begriffene
Divisionen nach der feindlichen Einbruchsstelle herangeführt werden
konnten! In Zeiten größerer Kämpfe waren es meist Dutzende
von Divisionen und Hunderte von Einzeltransporten - besonders der
schweren Artillerie -, deren Bewegung von den
Eisenbahn-Transportabteilungen zu überwachen war.
Schwieriger als die Regelung der Truppentransporte blieb stets die Bearbeitung
der Nachschub-, der Ersatz- und der Urlaubertransporte. Die ihrer glatten
Regelung entgegenstehenden Schwierigkeiten sind schon in früheren
Kapiteln eingehender gewürdigt worden. Hier sei nur darauf hingewiesen,
daß auch diese Tätigkeit eine eminent generalstabstechnische war.
Anlage und Durchführung von Operationen hingen davon ab, daß die
Möglichkeit der Nachschubzuführung an Personal und Material
richtig bewertet und zweckmäßig in die Tat umgesetzt wurde. Aber
auch dem Eisenbahnbetrieb bot nur die vermittelnde Tätigkeit der Offiziere
des Feldeisenbahnchefs eine Sicherheit, daß Umfang und Art der an sie zu
stellenden militärischen Forderungen derartige blieben, daß sie ihnen
nach ihrer Leistungsfähigkeit und unter Berücksichtigung ihrer
sonstigen Aufgaben entsprechen konnten.
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